1906 / 278 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 24 Nov 1906 18:00:01 GMT) scan diff

8 89 8 —“

Landgerichtsrat Fusbahn in Frankfurt a. M. nach Wies⸗ baden und der Amtsrichter Dr. Jacob in Kreuzburg i. O.⸗Schl. als Landrichter nach Liegnitz.

Der Notar Uckermann in Berlin hat sein Amt nieder⸗ gelegt.

In der Liste der Rechtsanwälte sind gelöscht: die Rechts⸗ anwälte Justizrat Albrecht bei dem Kammergericht, Schil⸗ ling bei dem Oberlandesgericht in Cöln, Uckermann bei den Landgerichten I, II und III in Berlin, Steinitz bei dem Landgericht in Gleiwitz, Mertens bei dem Amtsgericht in Rixdorf und Heinemann bei dem Amtsgericht in Schmiegel.

In die Liste der Rechtsanwälte sind eingetragen: die Rechtsanwälte Schilling aus Cöln bei dem Ober⸗ landesgericht in Duͤsseldorf, Mertens aus vt und Steinitz aus Gleiwitz bei dem Landgericht I in Berlin, der bei dem Landgericht III in Berlin zugelassene Rechts⸗ anwalt Arthur Krüger bei dem Amtsgericht in Charlotten⸗ burg, die Gerichtsassessoren Dr. Alsberg bei dem Land⸗ ericht I in Berlin, Dr. Weis bei dem Landgericht in Cassel, Pr. Oldermann bei dem Landgericht in Osnabruͤck, Dr. Nickel bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Breslau, Dr. Cüppers bei dem Amtsgericht und dem Land⸗ gericht in Düsseldorf, Dr. Warschauer bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Posen, Konietzko bei dem mts⸗

22 in Pankow und Dr. May bei dem Amtsgericht in Lunden.

Der Senatspräsident bei dem Kammergericht, Geheime Oberjustizrat Lehweß, die Landgerichtsdirektoren Dorn in Frankfurt a. M. und Rothardt in Bochum sowie der Land⸗ gerichtsrat Riedel in Glatz sind gestorben.

Ministerium der öffentlichen Arbeiten.

Der Regierungsbaumeister Kuwert in Bromberg ist zum Wasserbauinspektor ernannt worden. v1

Tagesordnung

für die Sitzung des Landeseisenbahnrats am Donnerstag, den 6. Däösmber 1906, Vormittags r.

1) Aufnahme von frischem Fleisch in den Spezialtarif für bestimmte Eilgüter,

2) Frachtermäßigung für frische Seefische;

3) Frachtermäßigung für Torfstreu und Torfmull von nordwestdeutschen Stationen;

4) Frachtermäßigung für rohen Flachs; 8

5) Einführung von Oder⸗Umschlagstarifen für über⸗ seeische Durchfuhrgüter 1 Oesterreich⸗Ungarn;

6) Frachtermäßigung für Braunkohle und Braun⸗ kohlenbriketts vom Sa Braunkohlenbezirk nach dem Siegerland und dem Lahn⸗ und Dillgebiet;

7) Frachtermäßigung für Traß⸗ und Tuffstein aus dem Eifelgebiet nach den Niederlanden;

8) Uebersicht der Normaltransportgebühren;

9) Mitteilung über genehmigte Ausnahme⸗ tarife usw. .

Außerdem folgende von der ständigen Tarifkommission der deutschen Eisenbahnen vertretene Anträge zur Güterklassifikation des deutschen Eisenbahngütertarifs von allgemeiner Ieerese.

a. Frachtermäßigung für Säuren (Mischsäurk, Schwefel⸗ äure usw.), *

b. Frachtermäßigung für rohe, grüne, gesalzene Felle äute. 88 den 22. November 1906. 8 1

1 und Der Vorsitzende g„

eck, Wirklicher Geheimer Rat, Unterstaatssekretär.

Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 24. November.

In der am 23. November unter dem Vorsitz des Staats⸗

isters, Staatssekretärs des Innern Dr. Grafen von Posadowsky⸗Wehner abgehaltenen Plenarsitzung des Bundesrats wurde den Gesetzentwürfen, betreffend Fest⸗ stellung eines zweiten Nachtrags zum Reichshaushaltsetat und zum Haushaltsetat für die Schutzgebiete auf das Rechnungs⸗ sahr 906 zugestimmt. 88 1 Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Handel und Verkehr hielten heute eine Sitzung.

21 1

Der Regierungsassessor Böhme aus Trier ist dem Land des Kreises Kosel, der Regierungsassessor von He. aus Koblenz dem Landrat des Kreises Lüchow, der Regierungs⸗ assessor Dr. Bömke aus Koblenz dem Landrat des Kreises B der Regierungsassessor Trümpelmann aus umbinnen dem Landrat des Kreises Soest und der Regie⸗ rungsassessor Steinbeck aus Lüneburg dem Landrat des Kreises Prenzlau zur Hilfeleistung in den landrätlichen Ge⸗ schäften zugeteilt worden. 8 Die Regierungsreferendare von Donat aus Danzig, on und zu Gilßa aus Merseburg, von Hoffmann aus Danzig, von Normann aus Stettin und von Lucke aus Stettin haben die zweite Staatsprüfung für den höheren Ver⸗ waltungsdienst bestanden. 8

In der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ werden im Kaiserlichen Statistischen Amt Nachrichten über den Stand der Herbstsaaten im Deutschen Reiche um die Mitte des Monats November 1906 veröffentlicht.

iel, 24. November. In Gegenwart Seiner Majestät des Kaisers und Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Heinrich von Preußen hat gestern die Ver⸗

eidigung der Rekruten der Marinestation der Ostsee und

858 der

des ersten Bataillons der Marineinfanterie stattgefunden. Nach⸗ dem die Truppen den Fahneneid geleistet hatten, hielt Seine Majestät der Kaiser an diese eine Ansprache.

Deutsche Kolonien. 8

Aus Deutsch⸗Südwestafrika wird, „W. T. B.“ zu⸗ folge, amtlich gemeldet:

Wie schon berichtet, hatte eine Hottentottenbande am 1. November unter Stürmann den Posten Uchanaris überfallen und war dann durch Oberleutnant Freiherrn von Fürstenberg in die östlichen Karasberge verfolgt worden, wo sie sich auflöste. Seitdem haben sich im ganzen 60 Hottentotten bei Hauptmann Siebert an der Wasserstelle Lifdood (östliche Karasberge) gestellt. Darunter be⸗ finden sich 27 Männer, die 13 Gewehre (Modell 88 und 98) abgaben.

Oesterreich⸗Ungarn.

Das österreichische Abgeordnetenhaus hat gestern die siebente Gruppe der Wahlreform, die von der Vornahme der Wahl handelt, gemäß den Anträgen des Aus⸗ schusses angenommen und die Beratung der achten Gruppe, enthaltend § 42 (Schutz der Wahlkreiseinteilung und Mi⸗ noritätsantrag Pergelt, betreffend die Delegationswahlen für Böhmen und Mähren), begonnen.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ bezeichnete der Abg. Pergelt seinen Antrag als einen Akt nationaler Billigkeit und Gerechtigkeit. Der Abg. Schreiner begründete einen Antrag auf Schutz der Wahl⸗ kreiseinteilung durch die Forderung der Zweidrittelmajorität für Aenderungsanträge. Er bezeichnete es bedauerlich, wenn die Deutschen einen Antrag auf Aenderung der Wahlkreiseinteilung nur durch feiges, schimpfliches Verlassen des Saales verhindern könnten,

statt den offenen, ehrlichen Kampf aufzunehmen.

Die nächste Sitzung findet am Montäag statt.

Im ungarischen Magnatenhaus beantragte Graf Zselenszky in der Debatte über das

ndustrieförderungsg eser. daß nur solche Industriezweige

unterstützt werden sollen, die bisher im Lande nicht vorhanden

gewesen seien, und nur Geldunterstützungen, aber keine anderen

Vergünstigungen gewährt werden sollen.

Der Handelsminister Kossuth ersuchte um Ablehnung des An⸗ trages und wies nach, daß durch die Unterstützung der Regierung die industrielle Produktion sich bedeutend gehoben habe. Er widerlegte die Behauptung Zselenszkos, daß die Vergünstigungen eine Petenetesce Dörfern gleichende Industrie erzeugten, und hob

ervor, daß von 314 Fabriken nur 19 nach Aufhören der Unterstützung den Betrieb eingestellt hätten. Der Minister⸗ präsident Dr. Wekerle wies darauf hin, daß die chemische und die Zuckerindustrie, die anfänglich unterstützt worden seien, sich bedeutend entwickelt haben und auch die Textilindustrie erhebliche Fortschritte mache. Mit dem Prinzip des unbedingten laisser faire sei kein Er⸗ folg zu erzielen.

Der Antrag Zselenszkys wurde hierauf abgelehnt und die

Vorlage angenommen. 1“

In der gestrigen Sitzung der Deputiertenkammer brachte Zevass (Ces) einen Antrag ein, nach dem den Mit⸗ gliedern des Parlaments die Teilnahme an Finanz⸗,

andels⸗ und Industriegesellschaften untersagt sein bu Die Kammer beschloß mit 397 gegen 121 Stimmen die Dringlichkeit des Antrags Zevaés, schlug jedoch die sofortige Erörterung ab. Hierauf wurde die Beratung der Inter⸗ pellgtion über die Panzerschiffe wieder aufgenommen.

In Fortführung seiner gestrigen Rede legte der Marineminister

homson, laut Vericht des „W. T. B.“, dar, daß alle Vorsichts⸗ maßregeln beim Bau der Panzerschiffe beobachtet worden seien, und versprach, das Unterseebotswesen weiter zu entwickeln, ohne daß er jedoch zuweitgehende Verpflichtungen übernehmen wolle, da die Unterseebote noch nicht leistungsfähig genug seien. Die Marineverwaltung sei bestrebt, Tauchboote mit großem Aktions⸗ radius und hoher Schnelligkeit zu erhalten. Thomson fügte hinzu, daß das von der Kammer genehmigte Marineprogramm vemeiffnbaft in den Grenzen der vorhergesehenen Ausgaben durch⸗ geführt werde. Der Minister schloß mit der Bemerkung, daß die Landesverteidigung, namentlich zur See, sich nicht improvisieren lasse. Die Vaterlandsliebe sei mit dem Sinn für Gerechtigkeit und Frieden durchaus vereinbar. Der Interpellant Michel erwiderte dem Minister mit einer heftigen Rede, in der er gegen dessen Politik scharfe An⸗ klagen erhob. Rach längerer Hin⸗ und Widerrede wurde die Beratung eschlossen. 3 B Die Kammer nahm mit 393 gegen 112 Stimmen eine Tagesordnung an, welche die Erklärungen des Marineministers billigt und das Vertrauen zur Regierung ausspricht, daß sie die Flottenneubauten gemäß den Bestimmungen des Finanz⸗ gesetzes von 1905 ausführen werde. Darauf wurde die Sitzung eschlossen. gef Wie das „W. T. B.“ meldet ist es in Wasquehal bei Lille bei der Kircheninventaraufnahme zu stürmischen Auftritten gekommen. Der Präfekt des Departements Loire inférieure Bonnet ist seines Postens enthoben worden, weil er die Weisungen des Ministers des Innern, betreffend die Kircheninventaraufnahmen, nicht mit der entsprechenden Ent⸗ schiedenheit durchgeführt hat. W11“

u Rußland. 8

Der neue baltische Generalgouverneur Baron Möller⸗ Sakomelski erklärt durch Tagesbefehl, daß Titel und Rechte eines Generalgouverneurs in den baltischen Provinzen ihm allein zukämen. Er enthebe daher den General Boekmann der Pflichten des kurländischen und den General Pychatschew der des esthländischen Generalgouverneurs. Ein weiterer Befehl des General⸗ gouverneurs verbietet, „W. T. B.“ zufolge, das Anzünden von ländlichen Gebäuden als Strafe gegen aufrührerische Bauern. Nur während eines Kampfes duͤrfen durch Explosiv⸗ körper Brandschäden verursacht werden. Derselbe Befehl ordnet an, Körperstrafen nicht anzuwenden. Bei besonders schweren Vergehen seien die Angeklagten vor ein Kriegsgericht u stellen. 3 1 In St. Petersburg ist gestern eine Versammlung der Kadettenpartei, welche die gesetzliche Anerkennung nicht besitzt, wegen Abhaltung einer Sammlung für Parteizwecke und Verheimlichung des Parteiprogramms Plizeilich geschlossen worden. Die Veranstalter der Versammluͤng haben die Er⸗ mächtigung zu deren Abhaltung in einer Form nachgesucht, als ob es sich um die Oktobristen oder um die Partei der friedlichen Erneuerung handle. Zu der Versammlung hatten sich Miliukow, Kutler und andere Führer der Kadetten⸗ partei sowie einige hundert Arbeiter eingefunden.

Die armenische Partei Daschnakzutun hat, wie die „St. Petersburger Telegraphenagentur“ aus Baku meldet, einen Aufruf verbreitet, in dem allen Räubern und Plünderern, die sich mit der Flagge der Revolutionäre decken, ohne Gnade der Krieg erklärt wird.

““

.“ Italien. 18 „Der König der Hellenen ist, „W. T. B.“ zufol gestern in Rom eingetroffen und vom König ictor Emanuel, den Ministern und den Spitzen der Behörden empfangen worden. Abends fand im Quirinal eine Gala⸗ tafel statt, bei der zwischen den beiden Monarchen Trinksprüche gewechselt wurden. 6

Spanien.

Im Senat richtete gestern der Konservative San Petro an die Regierung die Anfrage, warum sie, bevor die Akie von Algeciras ratifiziert sei, Kriegsschiffe nach Tanger geschickt habe

In Beantwortung der Interpellation erklärte der Minister des Aeußern nach dem Bericht des „W. T. B., 5. die getroffenen Vorkehrungen einfach Vorsichtsmaßnahmen seien; er könne nicht sagen wie weit diese gehen würden, denn das werde von den Ereignissen abhängen. „Wir werden aber“, setzte der Minister hinzu, „unsere Rechte verteidigen, indem wir besonnen in der Art vorgehen, daß wir jeden Konflikt vermeiden.“

Auf die Frage eines Redners, der unter Hinweis auf die Entsendung von Landungstruppen Auskunft über die Lage in Marokko verlangte, antwortete der Minister:

Die Lage sei die gewöhnliche, doch sei es nötig gewesen, Vor⸗ sichtsmaßnahmen für den Fall zu treffen, daß sie ernster werde. Man möge ihm gestatten, bis zur Erörterung des Berichts über die Algecirasakte Stillschweigen zu bewahren. Doch sei keinerlei begründeter Anlaß zur Beunruhigung vorhanden.

Serbien. Die Skupschtina ist gestern wieder zusammengetreten.

Montenegro.

Die Neubildung des Kabinetts ist nunmehr er⸗ folgt. Einer Depesche des „W. T. B.“ zufolge setzt es fi folgendermaßen zusammen: Radulovic Mrafäbiium 1. Aeußeres, Ivanovic Inneres, Artilleriemajor Gattalo Krieg, Giurovic Finanzen und Raitschevic Justiz und Unterricht.

b Anmnerika. 88

Der Senat und die Deputiertenkammer der Republik Uruguay haben, den „Times“ zufolge, einen Import⸗ zuschlagszoll von ½ Prozent auf alle Artikel des Inland⸗ konsums genehmigt, jedoch die Gehoühe von 1 Prozent auf die von den Konsuln mit einem Visum versehenen Fracht⸗ briefe aufgehoben. Die Vorzeigung der letzteren ist nun nicht

mehr nötig. Asien.

Wie die „St. Petersburger Telegraphenagentur“ meldet, brachte der Finanzminister Naßrulla⸗Mulk in der gestrigen Sitzung des persischen Parlaments einen Antrag, be⸗ treffend die geplante äußere Anleihe, ein. Eine Gruppe von sechgig Abgeordneten protestierte energisch gegen die äußere Anleihe und befürwortete eine innere. Persiens Finanzlage ist indessen so, daß sich die persische Nationalbank .S. ohne eine äußere Anleihe behelfen kann. Die Truppen haben mehr als ein halbes Jahr lang keinen Sold erhalten, die diplomatischen Vertreter Persiens seit einem Jahre, ebenso die Beamten und Pensionäre.“

Afrika. 4 1 Nach einer Meldung der „Agence Havas“ verlangte Raisuli, der durch die von den Mächten ergriffenen Maß⸗ nahmen beunruhigt ist, vom Vertreter des Sultans Sb um die Sahelstämme u bekämpfen. Die englische esandtschaft macht bei ermrmeel Lorken energisch Entschädigungsansprüche wegen der Plünderungen geltend, die Raisuli am Eigentum eines englischen Untertanen verübt hat. 85

Parlamentarische Nachrichten.

Der E über die gestrige Sitzung des Reichs⸗ tags befindet sich in der Zweiten Beilage.

In der heutigen (125.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatsminister, Staatssekretär des Innern Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner beiwohnte, wurde die erste Beratung der Vorlage, betreffend gewerbliche Berufs⸗

vereine, fortgesetzt. 8 1

Abg. Schickert (d. kons.): Der sozialdemokratische Redner hat gestern erklärt, daß die seiner Leitung unterstellten Gewerkschaften diesem Gegenstande verhältnismäßig kühl gegenüberständen, und in der sozialdemokratischen Presse sind alle Register der Entrüstung gegen diesen Entwurf gezogen worden. Dieses Verfahren kann uns nicht wunder nehmen, wir sind es ja gewohnt, daß die sozialdemokratische Presse sozialpolitische Gesetze möglichst herabsetzt, und daß die Partei, wenn die Mehr⸗ heit für ein solches Gesetz sicher ist, auch dagegen stimmt, um nachher die Vorteile eines solchen Gesetzes ruhig einzuheimsen. Meine politischen Freunde legen Wert darauf, daß die Vorlage den berechtigten Forde⸗ rungen der Arbeiterschaft, vor allem der auf nationalem, christlichem Boden stehenden Arbeiterschaft entspricht. Wir würden nicht geneigt sein, bei einem Gesetzentwurf mitzuarbeiten, der lediglich dazu bestimmt wäre, den staatsfeindlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie Vorschub zu leisten. Wir sind der Ansicht, daß es angezeigt ist, den etwas weitgehenden Vorbehalt des bürgerlichen Gesetzes hinsichtlich des Einspruchrechts der Behörden auf gesetzlichem „Wege in angemessener Weise zu ordner. Wir möchten auf dem wichtigen Ge⸗ biete der Besserung der wirtschaftlichen Lage nicht alles dem Belieben der Behörden überlassen, was mit Rücksicht auf die wechselnden Auf⸗ fassungen, die in den verschiedenen Bundesstaaten zur Geltung kommen, zu unerwünschten Konsequenzen führen muß. Mit dem Ausschluß der Landwirtschaft und der Seseaher sind wir einverstanden. Wenn wir auch im einzelnen Bedenken haben, so können wir andererseits durch⸗ aus nicht zugeben, daß hier, wie es die sozialdemokratische Presse bin⸗ stellt, von einem Ausnahmegesetze für die Arbeiterklasse die Rede ist. Wenn die Bundesstaaten das Recht zum Erlaß von Bestimmungen auf dem Gebiete des Vereins⸗ und Versammlungsrechts bisher nicht hatten, dann haben sie es durch die Begründung der Vorlage garz gewiß nicht erhalten. An den Bestimmungen über den Ausschlu der Minderjährigen möchten wir nicht rütteln lassen; jedenfalls würden wir uns dagegen aussprechen, wenn in der Kommission der Versuch gemacht werden sollte, den Minderjährigen 8 Stimmrecht zu gewähren. 15, der sich auf die G und Aussperrungen bezieht, wird ja in der Kommission eingehen kesprochen werden. Wir hoffen, daß die verbündeten Regierungen sich in der Kommissionsberatung nicht dazu werden drängen lassen, einer wesentlichen Verschlechterung des Gesetzentwurfs zuzustimmen und dadurch die Stellung der Sozialdemokratie ideell und materiel zu stärken. Mit diesem Vorbehalt werden wir uns an den bgs missiontberatungen beteiligen und wir hoffen und wünschen, daß eine Form gefunden wird, die es uns möglich macht, ihm zuzustimmen. 1

Abg. Bassermann (nl.): Der Entwurf enthält sowohl pri⸗ zipielle Fehler in einzelnen Bestimmungen, wie auch nach den sa

I. Ausführungen des Abg. Legien praktische Unmöglichkeiten.

Wir müssen im Auge behalten, es sich auch um Berufsvereine der Arbeiter handelt, die nicht sozialdemokratisch organisiert sind. In den Reichstagsakten findet man wiederholt Anträge und Kommissionsberichte über dieses Thema. Bei der Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs hat man diese Materie ausgeschaltet, weil sich dabei eine ganze Reihe zffentlich⸗rechtlicher Gesichtspunkte geltend machen, und weil man das Zustandekommen des B. G.⸗B. nicht durch Aufnahme dieser Materie zefährden wollte, die damals kaum so spruchreif war wie heute. Bei der an das B. G.⸗B. angeschlossenen Resolution wegen Regelung dieser Materie hat aber der Abg. von Bennigsen den Standpunkt unserer Fraktion geltend gemacht, daß eine Regelung Rechtsverhältnisse der Berufsvereine in absehbarer Zeit

ein Sppezialgesetz erfolgen müsse. Ich habe so⸗

dann wiederholt namens meiner 885 daran erinnert. Der Widerstand gegen die Regelung der Materie war zeitweise sehr stark, namentlich seitens des Freiherrn von Stumm, der von der Kegelung der Rechtsverhältnisse der Berufsvereine oder, wie er sie nannte, Streikvereine nur eine Verstärkung der Kraft der sozial⸗ demokratischen Agitation erwartete. Die Organisation der Berufs⸗ vereine hat sich aber immer weiter vollzogen, auch ohne daß ein solches Gesetz besteht. Die Kämpfe des 1“ Lebens haben immer mehr die Berufsgenossen gezwungen, sich zu koalieren; solche wirtschaftlichen Kampforganisationen gibt es hüben und drüben, bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern, und wir werden auf diesem Gebiete auch immer weiter kommen, zu Arbeitskammern usw. Wenn man jetzt an die gewerblichen Berufs⸗ vereine denkt, so holt man damit wesentlich eine Versäumnis nach. Allerdings bestehen viele Bedenken gegen den Entwurf, und viele Be⸗ stimmungen lassen sich in ihren letzten Konsequenzen noch nicht über⸗ seben. Der Abg. Trimborn hat recht, man sieht es der Vorlage an, daß sie geboren ist, nachdem das Reichsamt des Innern einen heftigen Widerstand von interessierter Seite an kompetenter Stelle hat über⸗ winden müffen. Das Reichsamt des Innern selbst wäre sicherlich gein weiter gegangen. Namentlich hat man den Eindruck, daß man gewillt war, das sacrosancte Landesvereinsrecht zu schonen. Man sann daher in der Tat fragen, weshalb es eigentlich so lange gedauert hat, bis dieser Entwurf kam. Nicht sehr erfreulich ist die Hand⸗ habung der deutschen Sprache in dem Entwurf, höchst einfache Ge⸗ danken sind durch schwierige Satzkonstruktionen verdunkelt, und die Kommission wird saure Arbeit damit haben. Z. B. heißt es in § 12: „Ein Anspruch des Vereins gegen seine Mitglieder findet nur in An⸗ sehung der von diesen zu leiftenden ordentlichen Beiträge statt“. Ferner heißt es im § 15, daß einem Vereine die Rechtsfähigkeit ent⸗ jogen werden könne, „wenn er einen Zweck verfolgt oder Mittel des Vereins für einen Zweck verwendet, der der Satzung fremd ist und, falls er in der Satzung enthalten wäre, die Verwaltungsbehörde zum Einspruche gegen die Eintragung des Vereins berechtigt haben würde, oder wenn in seinen Verhältnissen eine Veränderung eintritt, die, falls sie vor der Eintragung bereits vorhanden gewesen wäre, die Verwaltungsbehörde jum Einspruche gegen die Eintragung des Vereins berechtigt haben würde.“ Sbenso ist die Lektüre der Motive zum Teil recht qualvoll. Das Ver⸗ ständnis dieses an und für sich schweren Gesetzes wird durch derartige schwerfällige Bestimmungen namentlich für die, die nicht im Gewerk⸗ scheftsleben stehen, wesentlich erschwert. Die Motive enthalten Aus⸗ führungen, die offenbar seit Monaten schon gemacht sind, beispiels⸗ weise heißt es in der Darstellung der englischen Bestimmungen: „Im Hinblick auf die lebhaften Klagen der Gewerkvereine gegenüber der Stellungnahme der Rechtsprechung wurde im Juni 1903 eine Königliche Kommission niedergesetzt, um die ganze Materie zu untersuchen und darüber zu berichten. Der Bericht ist noch nicht erstattet.“ Dieser Bericht ist aber bereits am 21. Februar 1906 veröffentlicht. Es wäre viel interessanter gewesen, wenn statt dieses Satzes der Bericht in den Motiven abgedruckt wäre. Die Berufsvereine sollen sich mit Sozialpolitik nicht beschäftigen, aber es ist doch gerade die Haupt⸗ zufgabe dieser Vereine, sich damit zu befassen. Auf der Höhe steht auch folgender Satz der Motive bezüglich der Beteiligung der Frauen an den Versammlungen von Berufsvereinen: „Dagegen lag kein Grund vor, die Vergünstigungen bezüglich der Teilnahme an den Vereinsversammlungen auch auf solche volljährigen Frauen und Minderjährigen auszudehnen, die nicht Mitglieder des Berufs⸗ vereins sind, und damit einen Weg zu schaffen, auf den unter Be⸗ nutzung der Berufsvereine die betreffenden landesrechtlichen Be⸗ schräänkungen allgemein wirkungslos gemacht werden könnten. Nur soweit es sich um rein gesellschaftliche Veranstaltungen (nicht auch wissenschaftliche, literarische oder ähnliche Veranstaltungen, wie Lese⸗ und Diskutierabende) handelt, ist es ohne Bedenken, die Vergünstigung mit einer für Tanzlustbarkeiten nötigen Einschränkung all⸗ gemein auf Männer und Frauen über 16 Jahre zu er⸗ strecken’“ Wenn die Frauen im gewerblichen Berufsleben gleich⸗ stehen, darf man solche Unterscheidung unter ihnen nicht machen.

(Schluß des Blattes.)

Bei der Ersatzwahl eines Mitgliedes des Hauses der Abgeordneten, die gestern in dem Stadt⸗ und Land⸗ kreise Stolp, den Kreisen Bütow und Lauenburg im Regierungsbezirk Köslin stattgefunden hat, wurde, wie „W. T. B.“ berichtet, 2 amtlicher Feststellung Geheimer Regierungsrat von Schmeling⸗Berlin (kons.) mit sämtlichen 405 abge⸗ gebenen Stimmen gewählt.

Technik.

A. PF. Am zweiten Tage der 8. Jahresversammlung der Schiffsbautechnischen Gesellschaft“ sprach zuerst der Dr. Ing. Mehlis⸗Charlottenburg über „Dampfüberhitzung und re Verwendung im Schiffsbetrieben. Auch hier liegt ein chnischer Fortschritt vor, der in seiner Anwendung auf stehende Dampf⸗ maschinen und Lokomotiven seit längerer Zeit gesichert ist, in dem Lrade z. B, daß die preußische Eisenbahnverwaltung 250 mit Wilh. chmidtschem Ueberhitzer ausgerüstete Lokomotiven bereits im Betriebe at und weitere 500 damit versehene vertragsmäßig in Kürze in Be⸗ kommen sollen —, der jedoch erst geringe Anwendung für den ciffsbetrieb findet. Die Dampfüberhitzung besteht darin, daß man en Wasserdampf, bei seinem Austritt aus dem Kessel und vor seiner venutzung zum Dampfmaschinenbetriebe, noch durch ein von außen on den Kesselheigasen umspieltes Rohrsystem schickt und hierdurch eiter erhitzt. Dadurch wird erreicht, daß der aus einem Gemisch von ampf und Wasserblasen bestehende Dampf, wie er dem Kessel ent⸗ wömt, getrocknet und weiter erwärmt wird, und es liegt auf der and, daß er in der neuen ihm gegebenen Beschaffenheit erheblich irlsamer ist, als in der früheren, und daß somit beträchtliche Er⸗ axnis an Dampf und mittelbar auch an Kohlen erzielt kerden muß. Daß der Schiffsbetrieb den unzweifelhaft gegebenen vortschritt bis heute, außer bei Flußdampfern, sich noch nicht eigen gemacht hat, ist dadurch begründet, daß man bei allen vonstruktionen für Schiffe Sorge tragen muß, sowohl Gewicht Raum der Dampfmaschinen⸗ und Keffelanlagen möglichst nicht zu größern. Die bisherigen für andere Zwecke trefflichen Ausführungs⸗ hen des Ueberhitzers vee. indessen erst an, diesen Erfordernissen Pbührend Rechnung zu tragen. Außer den oben angegebenen indernissen einer schnellen Einführung im Schiffsbetrieb lagen andere, gerade für dies Gebiet hervorragend wichtige Bedenken be Bei den hochgespannten Dämpfen, mit denen der Schiffsbetrieb iitet, kommen natürlich auch die überhitzten Dämpfe und die von ber getroffenen Maschinenteile auf Temperaturen von 300 bis C. bei denen aus organischen Stoffen bestehende Schmieröle

ae iersetzen und die Fähigkeit, die Reibungsflächen schlüpfrig zu er⸗

lten, verlieren. Es mußten daher, wie es mit Erfolg geschehen ist, neue Schmiermaterialien, in Gestalt dickflüssiger Mineralöle, rfestellt werden. Zum andern waren an den mit überhitztem Dampf peisenden Dampfmaschinen die Schieber durch Ventile zu ersetzen, fi ersteren die Gefahr eines Festbrennens Reibungsflächen

fast unüberwindlich schien. Diesen Erfordernissen ist nun aber gleich⸗ falls genügt und deshalb vorauszusehen, daß bei den einleuchtenden allgemeinen Vorteilen des Dampfüberhitzers, denen sich noch mehrere besondere, 3. B. das 22 einer Mantelheizung für den Zylinder, womit auch Raum und Gewicht gespart werden, beigesellen, der 12 schritt von der Verwendung des Fegberigen Naßdampfes zum trockenen Heißdampf auch für den Schiffsbetrieb nur eine rage der Zeit ist. Es folgte ein durch zahlreiche Lichtbilder begleiteter Vortrag des eessors Walter Laas⸗ Charlottenburg über „Entwicklung und ukunft der großen Segelschiffe”. Es ist ein ziemlich trübes Bild des Rückgangs, genauer des unterbliebenen Fortschritts, das der Vortragende, die Entwicklung der letzten 50 Jahre jeichnend, von der Segelschiffahrt entwarf, aber ein in keiner Weise hoffnungsloses. Nachdem es Mitte der 50 er und der 90 er Jahre den Anschein hatte, als nehme das Segelschiff den Kampf mit dem Dampfer erfolgreich auf, hat es sich doch gezeigt, daß in beiden Fällen übertriebene Hoffnungen auf unleugbare bejerunge im Schiffsbetriebe gesetzt worden waren, und daß diese Verbesserungen einfachere Takelung, maschinelle Hilfsmittel zur Bedienung der Segel, hierdurch erwirkte Ersparnis an der Bedienungs⸗ mannschaft, bis zur Hälfte der früher nötigen, Zunahme der Größe der Schiffe und hierdurch herbeigeführte Verminderung der Betriebs⸗ kosten für die Tonnenmeile allein nicht hinreichen, die Segelschiff⸗ fahrt konkurrenzfähig zu erhalten. Und dennoch liegt es auf der Hand, daß die kostenlose Kraft des Windes, verglichen mit der immer koftspürlige werdenden, von der Kohle gelieferten Dampfkraft, der Segelschiffahrt solche Vorteile an die Hand gibt, daß ihr bei planmäßiger, wohlüberlegter Anpassung an die Forderungen des Ver⸗ kehrs gelingen muß, sich neben dem Dampfschiffbetrieb zu behaupten. Zur Zeit leidet die gesamte Segelschiffahrt der Welt noch unter den verderblichen Folgen einer Gesetzgebung, zu der sich Frankreich behufs Belebung seiner heimischen Segelschiffahrt im Jahre 1893 entschlossen hatte. Das Gesetz gewährte hohe Bau⸗ und Fahrtpräͤmien und zeitigte allerdings, wie vorauszusehen, eine Vermehrung der französischen binnen 10 Jahren um das Doppelte; zugleich aber war das Gesetz von beinahe tödlicher Wirkung auf den englischen, amerikanischen und deutschen Segelschiffjbau, und was noch schlimmer war, es ergab sich ein so starker Druck auf die Segelfrachtsätze durch die hohen, den französischen Schiffen bezahlten Fahrtprämien, daß jeder neue Auf⸗ schwung der Segelschiffahrt außerhalb Frankreichs niedergehalten wurde. Das verhängnisvolle Gesetz ist im Januar 1903 aufgehoben worden, weil die Prämien zu einer die Staatslenker erschreckenden Höhe anwuchsen, aber die Fahrtprämien bestehen für die 1903 vorhanden gewesenen Segelschiffe noch bis 1912. Erst von da ab dürfte sich wieder eine Neuentwicklung der Segelschiffahrt als möglich ergeben, und es gilt, sie weitschauenden Blickes vorzubereiten. Um den Segelschiffen zu einem gesunden Bestehen neben den Frachtdampfern zu verhelfen, müssen sich, nach Ansicht des Vortragenden, Reeder, Kapitäne und Schiffbauer v nigen: erstere durch internationale Vereinigung zur Vertretung gemeinsamer Interessen; die Kapitäne, indem sie immer mehr die Wissenschaft der Wetterkunde zur Gewinnung günstigster Segelwege und Abkürzung der Reisedauer benutzen. Den Schiffbauern aber fällt die Hauptaufgabe zu, die der Vortragende, wie folgt, präzisiert: Verminderung des Gewichts der Takelung durch geschweißte Maste und Raaen, vermehrte maschi⸗ nelle Hilfsmittel zur Bedienung der Segel und vor allem Einhau von Hilfsmotoren in die großen Segelschiffe. Als solche Motore faßt der Vortragende nicht Dampfmaschinen, sondern Petroleummotore ins Auge, wie sie ja schon in Größen einiger hundert Pferdestärken im verhältnismäßig geringen Gewicht gebaut worden sind. Diese Einrich⸗ tung wird den Segelschiffen die Möglichkeit geben, ohne Schlepperhilfe und ohne wesentlichen Zeitverlust, wie es die Dampfer tun, zu Beginn und Ende ihrer Fahrt verschiedene Häfen zur Frachtenaufnahme anzu⸗ laufen und, statt wie bisher fast durchweg in Ballast zurückzufahren, sich Frachten an verschiedenen Plätzen zusammenzuholen. Außerdem werden die Segelschiffe, mit solcher Einrichtung zum zeitweiligen Be⸗ triebe von 1 oder 2 Schrauben versehen, die Regie der zeitraubenden Calmen bei der großen Ozeanfahrt leicht zu überwinden imstande sein. Das Risiko einer solchen Motoranlage ist weder technisch noch kaufmännisch erheblich, wie der Vortragende glaubt. Ein viel ge⸗ wagteres Unternehmen war s. Z. der geglückte Uebergang zum großen Fünfmastschiff. Man darf deshalb wohl erwarten, daß sich auch für den notwendigen Fortschritt, den Versuch mit einer Motoranlage, eine unternehmende Reederei finden wird.

WW1“ ausschließlich einem Vortrage von Pro⸗ fessor A. Wagner⸗Danzig über „einen neuen Indikator für Zeitdiagramme“’, ein technisches Meßgerät zur Untersuchung und automatischen Aufzeichnung der im Zylinder einer Kolbendampf⸗ maschine sich abspielenden Vorgänge. Wichtige Angaben liefert das Instrument namentlich in Fällen, wo mit Aenderungen der Maschinen⸗ geschwindigkeit zusammenhängende Vorgänge erforscht werden sollen. Hiermit war die Tagung beendet, an die sich am Sonnabend noch ein gemeinsamer Ausflug nach Stettin zur Besichtigung der aus⸗ gedehnten Werke des „Vulkan“ angeschlossen hat.

8 Land⸗ und Forstwirtschaft.

Ergebnisse der Konferenz in Sachen der Wein⸗ gesetzgebung.

Die von der Reichsverwaltung zur Beratung der wichtigsten Tagesfragen auf dem Gebiete der Weingesetzgebung berufene Sach⸗ verständigenkonferenz, deren Zusammensetzung bereits bekannt gegeben worden ist, hat vom 8. bis 10. d. M. im Kaiserlichen Gesundheits⸗ amt getagt. Die Verhandlungen trugen, um eine rückhaltlose Aus⸗ sprache über die in manchen Punkten widerstreitenden Interessen zu ermöglichen, vertraulichen Charakter und führten, wenn auch Be⸗ schlüsse nach Lage der Sache nicht gefaßt werden konnten, in den Hauptpunkten zu folgenden Ergebnissen. 3

Der Vorschlag, die bestehende Sonder gesetzgebung über Wein zu beseitigen und den Wein ausschließlich dem Nahrungs⸗ mittelgesetze zu unterstellen, fand keinen Anklang, dagegen wurden einzelne Ergänzungen des Gesetzes vom 24. Mai 1901 als nötig be⸗ zeichnet. Bezüglich der Kellerbehandlung wurde gewünscht, daß diejenigen Verfahren, welche gestattet sein sollen, im Gesetz oder in ergänzenden Bekanntmachungen des Bundesrats erschöpfend aufgezählt und alle nicht ausdrücklich zugelassenen Arten der Kellerbehandlung verboten würden.

Die Mehrheit der Versammlung befürwortete ein Verbot des Verschnitts von Weißwein mit Rotwein und für den Fall, daß dies nicht angängig sein sollte, Einführung des Deklarations⸗ zwanges für solche Verschnitte. 8

Ein Verbot der Zuckerung des Weines oder die Einführung des Deklarationszwanges für gezuckerte Weine wurde als zu weitgehend

erachtet. .. Ueber die Frage, ob eine räumliche und zeitliche Be⸗ schränkung des Zuckerwasserzusatzes sich empfehle, waren die Auffasungen geteilt. Die Mehrheit sprach sich für solche Ein⸗ schränkungen aus, wenn auch über das zuzulassende Maß des Zucker⸗ wasserzusatzes und die Zeitgrenze für die Zuckerung die Meinungen auseinandergingen. Einer Meinung waren die Befürworter der räum⸗ lichen Begrenzung darin, daß sie praktischen Erfolg nur bei enger Be⸗ messung der Grenze haben werde.

ie Grenzzahlen für den Gehalt an Extraktstoffen und Mineralbestandteilen wurden von der uͤberwiegenden Mehrheit für unentbehrlich gehalten, solange nicht ein brauchbarer Ersatz gefunden sei. Von einigen Seiten wurde jedoch eine Nachprüfung der Grenz⸗ zahlen gewünscht. 1 Einhelligkeit herrschte in der Versammlung darüber, daß eine einheitliche, in allen Teilen des Reichs nach gleichen Grundsätzen zu handhabende Kellerkontrolle durch fachmännisch gebildete Beamte anzustreben sei. Die überwiegende Mehrzahl sprach sich für An⸗ stellung von Kontrolleuren im Hauptamt und für Einräumung weit⸗ gehender Befugnisse an diese Beamte aus, während eine Minderheit der im Ehrenamt ausgeübten Kontrolle den Vorzug gab. Ueber den

Wert der Vorschrift eine

Lagerbuchführung waren die Meinungen

ees doch würde die Mehrzahl darin eine wirksame Ergänzung und achtenswerte Erleichterung der Kontrolle sowie ein sehr brauchbares Mittel zur Bekämpfung der Weinfälschungen sehen, während die Gegner die Durchführbarkeit mindestens in großen Betrieben be⸗ zweifelten. 1

Zur Einschränkung der mißbräuchlichen Verwendung der als Haustrunk oder für Brennzwecke hergestellten Weine aus Trestern und dergl. sowie der Obstweine wurden verschärfte Kontrollmaßregeln etwa auch die Vorschrift der Kennzeichnung der be⸗ treffenden Gebinde empfohlen, dagegen fand der Vorschlag, den Obst⸗ weinhandel, namentlich den Vertrieb von Birnenwein, allgemein be⸗ Urieassen Maßnahmen im Handelsverkehr zu unterstellen, keine

illigung.

ie Einführung einer Weinsteuer fand nur in Form einer Ab⸗ gabe zur Deckung der Kontrollkosten oder in Form einer Besteuerung der Weinvermehrung vereinzelte Befürworter.

Strafverschärfungen für bestimmte Zuwiderhandlungen Egen die Bestimmungen des Weingesetzes wurden von verschiedenen er nstg 2 s ast ohne Widerspruch beklagte man, daß sich bezüglich der Her⸗ kunftsbenennung des Weines Mißstände durch eine zu ber bees⸗ Verwendung von örtlichen Bezeichnungen als Gattungsnamen emerkbar gemacht hätten. Die Vertreter des Handels bezeichneken zwar die Verwendung solcher Gattungsnamen im allgemeinen für unbedingt notwendig, doch war man sich fast widerspruchslos darin einig, daß Lage⸗ namen, namentlich in Verbindung mit der Bezeichnung des Jahrganges, als Herkunftsbezeichnungen im strengen Sinne angesehen werden sollten; auch sprach man sich überwiegend dahin aus, daß Weine, die unter der Bezeichnung eines bestimmten Weinbaugebiets in den Verkehr gebracht werden, z. B. unter dem Namen „Pfälzer⸗ oder Moselwein“, diesem Weinbaugebiet entstammen müßten. Bei Verschnittwein hätte die Hauptmenge zu entscheiden. Es wurde hierbei erörtert, daß die Bestimmungen des Gesetzes zum ng⸗ der Warenbezeichnungen e eine Handhabe bieten, um Mißbräuchen entgegenzutreten.

r Wunsch der Vertreter des Obstweinhandels, daß Obst⸗ und

Beerenweine in Zukunft unter Verzicht auf die einschlägigen Be⸗ stimmungen des Weingesetzes nur dem Nahrungsmittelgesetz unterstellt werden möchten, begegnete dem Widerspruch von mehreren Seiten. Es wird nunme r von den zuständigen Stellen zu prüfen sein, inwieweit das Ergebnis der Verhandlungen eine ausreichende Unter⸗ lage für die wirksamere Gestaltung des Vollzugs oder für die Ver⸗ besserung des Weingesetzes bietet.

Verkehrsanstalten.

Laut Telegramm aus Herbesthal ist die beute nachmittag in Berlin fällige Post aus Frankreich infolge von Zugverspätung ausgeblieben.

Theater und Musik.

Im Königlichen Opernhause findet morgen (Totensonntag) eine Aufführung von „Orpheus und Eurvdike“

) statt. Die Damen Goetze, Destinn, Dietrich sind Trägerinnen der Hauptrollen. (Grazien und Nymphen: die Damen Kierschner, Lucia, Urbanska u. A.) Am Montag wird Der fliegende Holländer“ gegeben.

Im Königlichen Schauspielhause geht morgen Shakespeares „Othello“ mit den Herren Matkowsky, Pohl, Boettcher und den Damen Willig und Butze in den Hauptrollen in Szene. Am Montag wird Oskar Blumenthals Lustspiel „Das Glashaus“, am Dienstag „Klein Dorrit“ von Franz von Schönthan wiederholt.

Im Neuen Königlichen Operntheater wird morgen, Sonntag, „Nathan der Weise“ in folgender Besetzung aufgeführt: Nathan: Herr Molenar; Recha: Fräulein Wachner; Tempelherr:

eerr Staegemann; Saladin: Herr Nesper; Sittah: Fräulein Lindner; wisch: Herr Eggeling; Daja: Frau Schramm.

Im Deutschen Theater geht morgen, sowie am Dienstag, Donnerstag, Freitag und nächsten Sonntag Shakespeares „Winter⸗ märchen“, und zwar am Freitag zum 50. Male, in Szene. Mittwoch wird in Abänderung des bereits veröffentlichten Spielplans Wedekinds „Erdgeist“ aufgeführt. Der Dichter wird den Prolog des Stückes sprechen. Montag und Sonnabend wird „Der Kaufmann von Venedig“ gespielt. In den Kammerspielen des Deutschen Theaters wird, nachdem nunmehr die ersten Vorstellungen von Frank Wedekinds „Frühlings Erwachen“ für die Abonnenten stattgefunden haben, in der Folge diese Kindertragödie ebenso wie Ibsens „Gespenster“ dem Publikum durch öffentliche Auf führungen zugänglich gemacht. Der Vorverkauf für „Frühlings Erwachen“ und „Gespenster“ findet an der Kasse des Deutschen Theaters statt, an der Einzelbillette für beide Vorstellungen erhältlich sind. Der Spielplan lautet: Sonntag, Dienstag, Donnerstag, Freitag und nächsten Sonntag: „Frühlings Erwachen“; Montag v Sonnabend: „Gespenster“. Die Vorstellungen beginnen um r.

Das SsIfis giestes hat für nächste Woche folgenden Spiel⸗ plan aufgestellt: morgen abend und Donnerstag: „Hedda Gabler“; Montag, Mittwoch und Freitag: „Das Blumenboot“; Dienstag „Die Wildente“. Am Sonnabend geht Ludwig Fuldas neue roman tische Komödie „Der heimliche König“ zum ersten Male in Szene und wird am nächstfolgenden Sonntagabend wiederholt. Nächsten Sonntagnachmittag wird „Rosenmontag“ aufgeführt. Im Schillertheater O. (Wallnertheater) wird morgen abend sowie am Donnerstag und Sonnabend „Fiesco“ gegeben; Montag, Dienstag und nächsten Sonntagabend geht „Der Hochtourist“ in Szene. Mittwoch wird „Das Lumpengesindel“, Freitag und nächsten Sonntagnachmittag „Die Hoffnung auf Segen“ aufgeführt.

Das Schillertheater N. (Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater) bringt morgen abend „Kabale und Liebe“, Montag „Donna Diana“, Dienstag „Die rote Robe“. Mittwoch wird „Frau Inger vo Oestrot“, Donnerstag und Sonnabend „Der Hochtourist⸗ gegeben. Freitag findet die erste Aufführung von „Mathias Gollinger“ statt Nächsten Sonntagnachmittag geht „Weh dem, der lügt!“, Abends „Mathias Gollinger“ in Szene. Im Bürgersaale des Rat⸗ hauses wird morgen ein „Ludwig Uhland⸗Abend“ veranstaltet.

Im Theater des Westens wird Richard Koennecke morgen als Werner Kirchhofer im „Trompeter von Säckingen“ sein Gastspiel beschließen. Montag wird „Das Glöckchen des Eremiten“, Dienstag „Die Fledermaus“, mit Fritz Werner als Gast, (Gutscheine Dienstag ungültig), Mittwoch „Martha“ auf geführt. Am Donnerstag findet die Erstaufführung der Operette „Der Schmetterling“ von Karl Weinberger, mit Fritz Werner als Gast, statt. Diese Operette wird am Freitag, Sonnabend und nächsten Sonntag wiederholt. Am nächsten Sonntag findet auch eine Matinee 7 von Irene Sanden (Tanzphantasien), Nachmittags 3 Uhr, bei halben Preisen, eine Aufführung von „Undine“ statt. Als nächste Schüler⸗ vorstellung wird am Sonnabendnachmittag „Der Waffenschmied“ in Szene gehen. 8

„Für die Komische Oper wurde eine junge Amerikanerin, Fräulein Etta Hager, als jugendlich dramatische Sängerin für die nächsten Jahre verpflichtet.

Im Neuen Theater erweist sich die Anziehungskraft der „Condottieri“ als so andauernd, daß die Erstaufführung von Mischs Stück „Kinder“ im Einverständnis mit dem Verfasser bis zu Weih⸗ nachten verschoben wurde. „Die Condottieri“ werden bis auf weiteres täglich aufgeführt.

Im Lustspielhaus findet am morgigen Totensonntag eine ein⸗ malige Aufführung von Clara Viebigs einaktigem Drama „Die Bäuerin“ und der Gustav Wiedschen Komödie „Abrechnung“ statt. Im Drama „Die Bäuerin“ tritt Frau Rosa Bertens seit längerer Zeit wieder zum ersten Male in Berlin auf. An allen anderen Abenden 1 nächster Woche wird Kadelburgs und Skowronneks Lustspiel „Husaren⸗ fieber“ aufgeführt. Mittwoch und Sonnabend wird das Kindermärchen „Gänseliesel“ Nachmittags wiederholt, während am nächsten Sonntag das Lustspiel „Die von Hochsattel“ als Nachmittagsvorstell ge- geben wird. 1“ 1“