Das Königliche Staatsministerium hat beschlossen, den von den Metropolitankapiteln zu Gnesen und Posen erwählten Kapitularvikaren, Dompropst Dorszewski in Gnesen und Domdechanten, Weihbischof Likowski in Posen die Ausübung der ihnen als Kapitularvikaren zustehenden bischöflichen Rechte
und Verrichtungen zu gestatten. “
Der Kaiserliche Gesandte in Stockholm von Müller hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub angetreten. Während seiner Abwesenheit werden die Geschäfte der Ge⸗ sandtschaft von dem Legationssekretär von Beneckendorff und Hindenburg geführt. 1XAX“ 8
8811““ 8 88— 5 8
Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Falke“ am 2. Dezember in Punta Arenas (Magelhanstraße) ein⸗ getroffen und geht heute von dort nach Montevideo in See. S. M. S. „Fürst Bismarck“ ist vorgestern in Schanghai eingetroffen S. M. Flußkbt. „Tsingtau“ ist vorgestern in Hongkong eingetroffen und geht morgen von dort nach Kongmoon in See. S. M. S. „Jaguar“ ist gestern von Futschau nach Wusung in See gegangen. 8
Württemberg.
Seine B der König hat das Rücktrittsgesuch des Ministerpräsidenten und Justizministers Dr. Breitling genehmigt, den Minister des Aeußern Dr. von Weizsäcker zum Ministerpräsidenten und den heea de gerichtantesderhen von Schmidlin zum Justizminister ernannt.
Hessen.
Gestern hat im Neuen Palais zu Darmstadt die Taufe des am 8. November geborenen Erbgroßherzogs statt⸗ pefunden. Der Tauffeier wohnten außer den Vertretern der hohen Paten nur die nächsten Verwandten des Großherzog⸗ lichen Hauses bei. Die Paten des Erbgroßherzogs sind, „W. T. B.“ zufolge, Ihre Majestäten der DBeutsch. Kaiser, der Kaiser von Rußland, der König von England, Seine Königliche Hoheit der Prinz Heinrich von Preußen und Seine Durchlaucht der Fürst zu Solms⸗Lich. Seine Majestät der Deutsche Kaiser war bei der Feier durch Seine Königliche Hoheit den Prinzen Eitel⸗Friedrich vertreten. Der in erhielt die Namen Georg, Donatus, Wilhelm, Nikolaus, Eduard, Heinrich Karl. Nach Beendigung der Tauffeierlichkeit fand im Neuen Palais Frühstückstafel statt.
Oesterreich⸗Ungarn. 8
““ 1 Der Budgetausschuß der österreichischen Dele⸗ gation trat gestern in Budapest zusammen und verhandelte zunächst das 1 des Ministeriums des Aeußern. eußern Freiherr von Aehrenthal sern. .B.“, dabei folgendes Exposé:
DDer Minister des . nach dem Bericht des „W. Es wird mir heute zum ersten Male die Ehre zuteil, in der Delegation zu erscheinen und mein Ressort zu vertreten. Meine Auf⸗ gabe ist diesmal insofern eine leichte, als die auswärtige Politik in 8 den Verhandlungen der letzten Tagung einen breiten Raum ein⸗
nommen hat. Meine Aufgabe wird aber auch deshalb eine leichte ein, weil Oesterreich⸗Ungarn mit allen Faktoren der europäischen b freundschaftliche und vertrauensvolle Beziehungen unterhält.
ie Politik der Monarchie ist die der Kontinuität. Ich brauche nicht besonders zu betonen, daß ich in der sorgfältigen Pflege dieser Be⸗ ziehungen meine vornehmste Pflicht erblicken werde.
Mit Deutschland verbindet uns eine enge Freundschaft, die auf der Gemeinsamkeit großer Interessen basiert. Diese enge Freund⸗ schaft bildet nicht allein eine der wesentlichsten Bürgschaften des Friedens seit mehr als 25 Jahren, sondern sie kommt überhaupt dem europäischen Staatssystem zugute, und wird — ich bin davon fest durchdrungen — auch in der Zukunft den günstigsten Einfluß im Sinne einer erhaltenden Politik ausüben. Mein jüngster kurzer Auf⸗ enthalt in Berlin und meine Unterredung mit dem Fürsten Bülow haben die erfreuliche Tatsache vollständiger Uebereinstimmung unserer Ansichten ergeben. .
Mit Italien, dem anderen Faktor im Dreibunde, unterhalten wir herzliche und aufrichtige Beziehungen. Gelegentlich meines Amts⸗ antritts hat zwischen mir und dem italienischen Minister des Aeußern Tittoni ein freundschaftlicher Gedankenaustausch stattgefunden, durch den das herzliche Verhältnis zwischen den Regierungen neuerdings in unzweideutiger Weise zum Ausdruck kam. Ausgehend von der Tat⸗ sache, daß, objektiv beurteilt, zwischen der Monarchie und Italien keine Interessengegensätze bestehen, bin ich der Meinung, daß wir mit dem Königreiche wie bisher in allen großen Fragen in voller Harmonie werden vorgehen können. Die guten, zwischen den Regierungen be⸗ stehenden Beziehungen werden es uns erleichtern, die leider öfters vorkommenden Zwischenfälle in aller Ruhe zu behandeln und die beiderseits manchmal nervös werdende und irregeführte öffentliche Meinung aufzuklären.
Eine aufrichtige Freundschaft besteht seit mehr als einem Dezennium zwischen Oesterreich⸗Ungarn und Rußland. Fest überzeugt davon, daß in allen großen Fragen die Interessen Oesterreich⸗Ungarns und Rußlands parallel laufen, werde ich selbstoerständlich auch auf meinem jetzigen Posten mein Hauptaugenmerk darauf richten, die bestehenden
reundschaftsbande zu pflegen. Ich konnte bei meiner Verabschiedung
St. Petersburg neuerdings konstatieren, daß die dortige Regierung obige Auffassung und Tendenz durchaus teilt. Wir lönnen auf Grund der mit dem russischen Minister des Aeußern Iswolsky gepflogenen freundschaftlichen Besprechungen mit Beruhigung dem weiteren Zu⸗ sammenwirken der beiden Mächte entgegenblicken, ein Zusammen⸗ wirken, welches im Interesse der Erhaltung des Friedend die Ver⸗ besserung der Lage der Bevölkerungen in der europäischen Türkei anstrebt.
Auch mit den Westmächten stehen wir in den besten Beziehungen. Dies gilt sowohl mit Bezug auf England, als auch auf Frank⸗ reich und meine Aufgabe wird es sein, diese günstigen Verhältnisse auch weiterhin ungetrübt zu erhalten und womöglich noch herzlicher zu gestalten.
Die Beziehungen zur Türkei haben von jeher die größe Auf⸗ merksamkeit des Ministeriums des Aeußern in Anspruch genommen. Die Schwierigkeiten der Stellung der türkischen Regierung hat Oesterreich⸗Ungarn niemals verkannt. Andererseits hat die Monarchie ihre freundschaftliche Stimme erhoben, wenn es sich darum handelte, auftauchende Gefahren und Verwicklungen zu bannen. Auf der Rechtsbasis des Berliner Vertrages stehend, konnten wir die mißlichen Zustände nicht übersehen, die in einigen Wilajets der europäischen Türket sich bemerkbar gemacht. Jur tunlichsten Beseitigung dieser bedauerlichen Zustände schlugen Oesterreich⸗Ungarn Wund Rußland gewisse Reformen vor, die vor vier Jahren in den Konferenzen in Wien und Mürzsteg formuliert wurden. Das d hrten Del vorliegend
uch gibt Aufschluß die diesfalls zwischen de Mächten geführten Verhandlungen. Die Reformen sind teil⸗ weise bereits in der Durchführung, teilweise noch in der Vor⸗ bereitung begriffen. In der jüngst erfolgten Sicherstellung des mazedonischen Budgets, welche die Verwendung der Einkünfte dieser Provinzen für die dortigen Bedürfnisse verbürgt, kann ein großer Schritt nach vorwärts erblickt weroen. Es wird sich nunmehr darum handeln, auch den dritten Punkt des Programms, die Verbesserung des Justizwesens, der Verwirklichung näher zu bringen. Ich möchte aber schon heute betonen, daß solche Reformen nur allmählich und behutsam vorwärts gebracht werden können. Erinnert man sich der Zustände, die vor 4 Jahren in enem Teile der Türkei herrschten, so kann, im Vergleiche mit heute, immerhin gesagt werden, daß die Situation weniger ungünstig ist. Die leichte Besserung ist natürlich nur eine relative und bezieht sich in erster Linie darauf, daß die früher so zahlreich gewesenen Klagen gegen die Mißbräuche der lokalen Verwaltung seltener geworden sind. Die Schwierigkeiten, mit denen unsere Aktion zu kämpfen hat, sind in die Augen springend. Wir haben oft mit den Bedenken der Türkei, mit dem schleppenden Geschäftsgange auf der Pforte und mit dem kom⸗
plizierten Mechanismus der Verhandlungen unter den Mächten zu rechnen. Wir bedürfen der Zustimmung und Unterstützung aller Mächte,
was nicht immer leicht und zuweilen sehr zeitraubend ist. Endlich
wird die Aktion durch die leidenschaftliche Rivalität stark gehemmt, die zwischen den einzelnen christlichen Nationen ausgebrochen ist und
die auch außerhalb Mazedoniens sich fühlbar machte. Ich möchte auf den Gegenstand heute nicht näher eingehen, nur soviel bemerken, daß zwischen der Haltung der Regierungen in Athen, Sofia und
Belgrad und jener gewisser sehr patriotisch gesinnter Kreise in den
betreffenden Ländern zu unterscheiden ist. So habe ich mit Befriedi⸗ gung den Erklärungen des bulgarischen Ministers des Aeußern ent⸗ nommen, daß die Fürstliche Regierung das Bestreben der Großmächte, eine Besserung der Verhältnisse in Mazedonien durch die Reform⸗ aktion herbeizuführen, richtig auffaßt und hofft, daß dieses Werk, wenn auch langsam, immer mehr vorwärts schreiten werde. Während also die Haltung der Regierungen eine korrekte ist, waren bedauer⸗ licher Weise in den letzten Monaten unter den christlichen Bevölkerungen Erscheinungen gegenseitiger Erbitterung und sogar Gewalttätigkeiten zu konstatieren. Die Bandenbildung hat leider auch noch nicht aufgehört. Ich möchte aber an der Hoffnung festhalten, daß eine Beruhigung eintreten wird. In dieser Beziehung rechne ich auf den gesunden Sinn der Bevölkerungen, die doch zur Einsicht ge⸗ langen dürften, daß dieser Krieg Aller gegen Alle nur zu ihrem eigenen Schaden ausfallen muß. Djese meine Hoffnung ist vielleicht nicht allzu optimistisch. Zufolge der vorliegenden Be⸗ richte unseres Zivilagenten beginnt in manchen Teilen Mazedoniens die christliche Bevölkerung Vertrauen zur Reformaktion zu gewinnen und wendet sich mit ihren Beschwerden und Anliegen an die Zivil⸗ agenten und Konsuln, die ihr Möglichstes behufs Abhilfe veranlassen. Es ist charakteristisch für die Verhältnisse, daß dieses beginnende Ver⸗ ständnis für die Bestrebungen der Mächte zumeist von der bulgarischen Bevölkerung ausgeht. Seitens der griechischen und serbischen Be⸗ völkerung herrscht leider noch immer große Zurückhaltung vor.
Ich möchte noch ausdrücklich bemerken, daß ich die freundschaft⸗ lichsten Beziehungen zu unserem Nachbar Rumänien übernommen habe. Für Bulgarien, Griechenland, Montenegro und Serbien hegen wir, getreu unserem Balkanprogramme, die herz⸗ lichsten Sympathien und aufrichtiges Wohlwollen. Wir können sagen, daß unsere politischen Beziehungen zu Serbien normal sind. Leider nicht normal ist unser wirtschaftliches Ver⸗ hältnis. In dieser Beziehung stehen die Dinge, deren früherer Verlauf aus dem der Delegation vorliegenden Braunbuche zu ent⸗ nehmen ist, feenee. Bei meinem Amtsantritte habe ich eine noch an meinen ksvorgänger gerichtete Note der seee Len Regierung vorgefunden, die jedoch, was die Frage der serbischen staatlichen Lieferungen betrifft, nur allgemeine und nicht genügend klare und bindende Zusagen enthielt. Diese Note bildete den Gegen⸗ stand der Beratungen einer am 20,. v. M. stattgehabten Zoll⸗ und Handelskonferenz. Auf Grund der Beschlüsse der letzteren habe ich unseren Gesandten in Belgrad mit Instruktionen zur Beantwortung der serbischen Note versehen. Wir verlangen von der serbischen Re⸗ gierung eine Präzisierung ihrer früberen Zusagen, eine Forderung, die nicht nur auf Grund unserer einschlägigen bisherigen Korrespondenz mit der serbischen Regierung, sondern auch ganz allgemein schen durch den Umstand gerechtfertigt ist, daß Oesterreich⸗Ungarn hierin eine Kompensation für die Aufnahme der serbischen agrarischen Produkte fände. Serbien ist nun Gelegenheit geboten, auch sein wirtschaftliches Verhältnis zu der Monarchie wieder normal zu gestalten.
Der Delegation liegt ferner ein Rotbuch über die inter⸗ nationale Konferenz von Algeciras vor. Ich bin mir vollkommen bewußt, daß der Inhalt ungleich interessanter e gestaltet werden können, wenn die während der Dauer der
onferenz zwischen den Kabinetten gepflogenen diplomatischen Verhandlungen darin Aufnahme gefunden hätten. Schwerwiegende Gründe politischer Opportunität sprachen indes gegen einen solchen Vorgang: Die marokkanische Frage ist auch dermalen noch nicht ab⸗ Eschlossen, die Spannung, die sie in einem gegebenen Momente in
uropa erzeugt hatte, liegt noch nicht weit genug zurück, als daß es unbedenklich erschiene, schon jetzt diese heikle Phase der betreffenden Verhandlungen neuerlich vor der Oeffentlichkeit aufzurollen.
Ich möchte noch einige Worte sagen über die Bedeutung, die ich den Exportbestrebungen der heimischen Industrie beilege. Von jeher waren die wirtschaftlichen Aspirationen mit der Politik innig verbunden. In unseren Tagen tritt dieser Zusammenhang immer deutlicher in die Erscheinung. Unsere kräftig aufblühende Exportindustrie nimmt bereits in vielen Teilen des Erdballs einen ganz respektablen Platz ein. Seitens unserer Vertretungen im Aus⸗ lande, diplomatischen Missionen wie Konsulaten, geschieht viel zur Unterstützung des Handels und zur Orientierung unserer Fachkreise in betreff neuer Absatzgebiete. Doch erachte ich, daß in dieser Beziehung noch mehr zu leisten sein wird. Zu diesem Ende werde ich mich mit dem Plane der Reform der Dipiomatenprüfung befassen. Ich möchte diese den Anforderungen des modernen diplomatischen Dienstes mehr anpassen in dem Sinne, daß von den eintretenden Herren intensivere nationalökonomische und auch größere Sprachenkenntnisse erwartet werden.
Das Exposé wurde mit großem Beifall aufgenommen; fast alle Redner betonten ihre Genugtuung über die Fortdauer der engen slekuntschaf mit dem Deutschen Reiche sowie über das Fortbestehen des Dreibundes und der guten Beziehungen zu anderen Mächten.
Der Abg. Sylvester wies auf die sich in letzter Zeit in Albanien und Mazedonien bemerkbar machende Expansiopolitik Italiens hin. Oesterreich müsse sich dies vor Augen halten, denn Oesterreich⸗Ungarn müsse vor allem eine zielbewußte, kräftige Adria⸗ polttik befolgen. Bezüglich des Balkans bezweifelte Redner, daß die Mürzsteger Vereinbarungen in Zukunft einen Füe Erfolg haben werden als bisher. Die Differenzen mit Serbien hätten auf anderem Wege beigelegt werden können, als es Graf Goluchowski getan habe. Der Abg. Steiner betonte die Notwendigkeit einer Re⸗ form der Delegation behufs e sierung des überwiegenden unga⸗ rischen Einflusses auf dem Gebiete der auswärtigen Politik, der Handelepolitik und des Armeewesens. Der Graf Schoenborn be⸗ grüßte in dem Minister den Mann, der in seiner früheren Stellung eifrig für die Pflege der wichtigen Beziehungen zu Rußland gewirkt habe. Der Redner wünschte die guten Beziehungen, die wenigstens mit der Regterung von Italien bestehen, erhalten zu sehen. Der Abg. Oppenheimer bemerkte, gegenüber so vielen Kundgebungen eines Teiles der italienischen Presse und gegenüber der nimmer ruhenden Agitation gewisser Kreise Italiens gegen GEn müsse betont werden, daß niemand in Oester⸗ reich an eine feindselige Aktion gegen Italien denke, daß niemand von
fbre eggreffthn Absicht beseelt sei, daß aber ebenso der Wille fest⸗ e en
Besitzstand und die Interessen der Monarchie nach⸗
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Abg. Tol hervor, daß man, sehr es zu wünschen sei, daß man mit Italien nicht nur in Frieden, sondern in Freundschaft lebe, doch die tatsächlichen Verhältnisse uicht übersehen dürfe. Mit intimen Beziehungen ließen sich die an der Grenze betriebenen Vorbereitungen zum Kriege schwer vereinbaren. Der Abg. Hruby legte das Haupt⸗ gewicht auf freundschaftliche Beziehungen zu Rußland, namentlich auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Der Friedenszweck des Dreibundes, den die Tschechen stets nur nach seiner praktischen Bedeutung bewertet hätten, sei gegenwärtig gewiß vor allem durch die freundschaftlichen Beziehungen zu Rußland gesichert. V Der Minister Freiherr von Aehrenthal dankte für die freundliche Aufnahme seiner Darlegungen und bemerkte dann: Die französisch⸗englische Intimität oder, wie man sie nennt, die Entente hat schon seit Jahren bestanden. Sie entstand infolge der Regelung gewisser Streitfragen, die diese großen Nationen viele Jahre hindurch auseinander hielten, wie die ägyptische und die Marokkofrage. Allerdings hat diese Intimität in den letzten Jahren zu⸗ genommen. Aber ich kann die beruhigende Mitteilung machen, daß, soweit ich die Sache beurteilen kann und wie ich teilungen maßgebender Persönlichkeiten weiß, diese Entente keine Tendenz zu einer Gruppierung der Mächte verfolgt, die weitere Folgen nach sich ziehen könnte oder eine aggressive Spitze gegen irgend einen anderen Staat enthielte. Bezüglich der Bedeutung der Adria für unsere Stellung in der Weltpolitik und im Welthandel stimme Uich vollkommen den Ausführungen des Abg. Sylvester zu über die Notwendigkeit, daß die jetzigen Verhältnisse dort unverändert bleiben. Auch in dieser Beziehung kann ich die beruhigende Mit⸗ teilung machen, daß zwischen uns und dem uns befreundeten und verbündeten Italien sehr klare und zufriedenstellende Versicherungen über unsere Stellung in der Adria ausgetauscht worden sind. ir erklärten getreu unserer Politik unserem Freunde und Alliierten, daß wir über die durch den Berliner Vertrag fixierte Rechts⸗ und Macht⸗ sphäre nach keiner Richtung hinaustreten wollen, auch nicht nach Albanien, und daß wir dieselbe Zurückhaltung von Italien erwarten. Die gleiche Zusicherung wurde uns in freundschaftlichster Weise auch seitens Italiens gegeben. Ich glaube, daß sich auf Grund dieser Ver⸗ G unsere weiteren Beziehungen zu Italien günstig entwickeln werden.
In der fortgesetzten Debatte hob der Abg. Kozlowski hervor, daß der Aktion Oesterreichs in Albanien von der italienischen Pro⸗ paganda Hindernisse in den Weg gelegt würden. Hieran hätten auch die Aussprachen zwischen den beiderseitigen Ministern nichts geändert. Der Redner wies dann auf den deutschen Einfluß auf die türkischen Finanzen und Eisenbahnen hin, was oft mit einem Zurückdrängen des österreichischen Einflusses verbunden sei. Der Dreibund habe sür Oesterreich⸗Ungarn an Aktualität verloren, seitdem eine Kriegsgefahr von seiten Rußlands nicht mehr bestehe und das französisch⸗ russische Bündnis an Bedeutung verloren habe. Dagegen sei der Dreibund für Deutschland sehr wichtig, das in Algeciras an Oester⸗ reich den einzigen Bundesgenossen hatte. Der Redner erwähnte dann die in Preußen gegenüber österreichischen Staatsbürgern bestehenden Ausnahmemaßregeln, führte zahlreiche Fälle von Ausweisungen öster⸗ reichischer Staatsbürger slavischer Nationalität an und besprach in abfälliger Weise das Verbot des polnischen Religionsunterrichts in Posen, wobei er bemerkte, daß es niemand den Polen übel⸗ nehmen könne, wenn sie die Leiden ihrer Stammesgenossen in Posen mitempfinden. Der Minister könne, da er ja das Verhältnis zu Deutschland als inniges bezeichnet habe, wenn auch nicht offiziell, so doch vertraulich in dieser Hinsicht seinen Einfluß geltend machen. Das freundschaftliche Verhältnis zu Rußland könne an Bedeutung gewinnen, wenn eine Konsolidierung der russischen Ver⸗ hältnisse eintrete. Ganz Europa mißbillige die in Rußland geübte Anarchie von unten und Grausamkeit von oben und verurteile die Pogrome. Kozlowski betonte mit Befriedigung, daß die polnische National⸗ partei an der russischen revolutionären Bewegung nicht teilgenommen habe. Der Minister Freiherr von Aehrenthal erklärte bezüglich der Bemerkungen Kozlowskis über die Ausweisungen, daß die Intervention des Ministeriums des Aeußern in dem Zeitraum vom 1. Juni bis 1. Nsvember d. J. von 15 österreichisch⸗ungarischen Staatsangehörigen, die aus dem Deutschen Reich ausgewiesen wurden, angerufen worden sei. Auf die Verwendung der österreichisch⸗ungarischen Botschaft zu Berlin hin sei die Ausweisung in neun Fällen zurückgenommen worden, vier Fälle befänden sich noch in der Schwebe und in zwei Fällen sei eine Intervention nicht eingetreten. Der Minister versicherte, er werde sich stets der Inter⸗ essen der Staatsangehörigen auf das wärmste annehmen, und bedauerte, daß Kozlowski die Schulfrage in Posen in der Dele⸗ gation besprochen und so die gegenüber den inneren Angelegenheiten eines fremden Staates notwendige Zurückhaltung nicht beobachtet habe. Der Abg. Sylvester wies die Angriffe Kozlowskis gegen das Bündnis mit Deutschland entschieden zurück, nicht nur weil es sich 251 Herzenssache der Deutschen handle, sondern auch als Real⸗ politiker.
Das Budget des Ministeriums des Aeußern wurde in der General⸗ und in der Spezialdebatte angenommen.
Großbritannien und Irland. —
Das Oberhaus hat gestern in zweiter Lesung die Bill, betreffkend die gewerblichen Streitigkeiten, einstimmig angenommen.
In der Debatte übte der Marquis of Lansdowne, „W. T. B.“ zufolge, Kritik an der Vorlage, gab aber zu, daß die Regierung die Aufgabe habe, die zur Beratung stehende Frage zu erledigen, und daß es für das Oberhaus nur den einen Weg gebe, die Vorlage anzu⸗ nehmen. Die Opposition lehne jede Verantwortung für die Be⸗ stimmung der Bill ab und hoffe, daß der gesunde Menschenverstand der Arbeiter und der Arbeitgeber widrigen Folgen vorbeugen werde.
Frankreich.
Im gestrigen Ministerrat machte der Minister des Aeußern Pichon, „W. T. B.“ zufolge, Mitteilung von der Note, die allen Signatarmächten der Algecirasakte zugestellt werden soll, um die vollständige Uebereinstimmung zwischen Frankreich und Spanien über das gemeinsame Vor⸗ gehen in Marokko kundzutun. Der Kriegsminister
icquart teilte mit, daß drei zu den Inventar⸗ aufnahmen herangezogene Offiziere ihren Abschied ein⸗ gereicht haben und daß er das Abschiedsgesuch eines von diesen, der früher Gehorsam geleistet habe, angenommen und die übrigen in den Ruhestand versetzt habe. Der Minister Pichon 1. darauf die Grundzüge der Erklärung dar, die er in der Deputiertenkammer im Laufe der Debatte über die Interpellation Jaurès in der Marokkofrage und über den Gesetzentwurf, betreffend die NRatifikation der Algeciras⸗ akte, abgeben werde. Schließlich wies Pichon noch darauf hin, daß der Wortlaut der den Mächten mitgeteilten Note gemeinsam von Frankreich und Spanien festgestellt worden sei.
— Der Senat beriet gestern das Gesetz, betreffend das Verbot der Verwendung von Bleiweiß bei Maler⸗ arbeiten.
Der Arbeitsminister Viviani bekämpfte den Kommissions⸗ beschluß auf Entschädigung für die Bleiweißhändler im Falle der Annahme des Gesetzentwurfs und erklärte schließlich, daß jede soziale Reform unmöglich werde, wenn sie von einer Entschädigung abhängig gemacht werde. Der Finanzminister Caillaux bat den Senat, nicht
burch Annahme des Kommissionsbeschlusses einen Präzedenzfall zu affen.
Trotz des Widerspruches des Arbeitsministers Viviani
beschloß der Senat mit 163 gegen 109 Stimmen die Ent⸗ schädigun 1“ 8
aus den Mit⸗
— Die Deputiertenkammer verwies in ihrer gestrigen “ L. B.“ zufolge, mehrere Anträge auf Aenderung der Geschäftsordnung, darunter einen solchen, der die auf Er⸗ teilung eines Vertrauens votums hinzielenden Tagesordnungen abschaffen will, an eine Kommission und nahm das Budget des öffentlichen Unterrichts, den Postetat sowie die Etats der Sparkassen und des Handelsministeriums an.
— Der Generalstabschef des 9. Armeekorps Daru in
Tours hat, wie das genannte Bureau berichtet, seine Ent⸗ lassung gegeben, um dadurch gegen die Verwendung von Truppen bei den Kircheninventaraufnahmen zu protestieren. 2 Auf der zum Devpartement Finistore gehörenden Insel Batz ist es gelegentlich der Kircheninventaraufnahmen zu ernsten Ruhestörungen gekommen. Das verbarrikadierte Kirchentor mußte gesprengt werden. Fünf Gendarmen wurden teils durch Steinwürfe, teils durch Bisse verwundet; auch mehrere Ruhestörer trugen Verletzungen davon. Sieben Per⸗ sonen, darunter ein Geistlicher, wurden verhaftet.
Rußland.
Die erste Plenarversammlung des Zentralkomitees der Partei der friedlichen Erneuerung hat eine Reso⸗ lution verfaßt, in der, „W. T. B.“ Zufolge, unter Bezug⸗ nahme auf die Einschränkungen der Tätigkeit der oppositio⸗ nellen Parteien, die Verordnungen bezüglich der Beteiligung von Beamten an Parteien, die Senatserläuterungen zum Wahlgesetz und die gesetzgeberische Tätigkeit der Regierung ohne Be ausgeführt wird, daß diese Gesetzesverletzungen
seitens der Regierung die Wirren vermehrten und das Ge⸗
etzlichkeitsgefühl in der Bevölkerung sowie das Vertrauen zur hihsac Füccarhernen. Die Beobachtung der Gesetze durch die Staatsgewalt 188 eine unerläßliche Bedingung zur Be⸗
igung des Landes. 8- Pine unter dem Vorsitz des Gouverneurs in Riga tagende Kommission hat einen von der livländischen Ritter⸗ schaft ausgeaͤrbeiteten Entwurf über, die landschaftliche Selbstverwaltung angenommen. Auf Grund dieses Ent⸗ wurfes finden die Wahlen zum Kreissemstwo in drei Kurien statt.
— Nach einer Depesche des „W. T. B.“ haben sämt⸗ liche Mannschaften der russischen Dampfergesell⸗ schaft in Odessa die Arbeit eingestellt. Kein Dampfer ging in See. Der Generalgouverneur hat den Befehl erteilt, sofort alle Mannschaften sn entlassen; für alle Dampfer werden neue Mannschaften angeworben. Für heute wird aus Sebastopol eine Abteilung Marine⸗ mannschaften erwaͤrtet, die für diejenigen Dampfer bestimmt sind, deren Ausfahrt keinen Aufschub duldet. Hunderte von Mohammedanern, die auf einer Pilgerfahrt nach Mekka be⸗ griffen sind, befinden sich in einer kritischen Lage.
6 Italien.
In der Deputiertenkammer gab der Schatzminister
Majorana gestern sein Finanzexposé. Das Rechnungs⸗ jahr 1905/06 weist, nach dem Bericht des „W. T. B.“, anstatt des vorgesehenen von 10 Millionen einen solchen von 63 Millionen auf, und zwar nachdem aus den effektiven Einnahmen noch für Eisenbahnen Ausgaben im Betrage von über 14 Millionen geleistet, für die Amortisierung der Schuld 8 Millionen und für die Beseitigung der durch die Erdbeben in Calabrien und den Ausbruch des Vesuvs an⸗ erichteten Schäden 36 Millionen aufgewendet worden sind. bie Erhöhung des Ueberschusses um 53 Millionen ist außer den durch die Verwaltung erzielten Ersparnissen im Betrage von 15 Millionen der überaus günstigen Entwicklung der Einnahmen zu danken. Für das Rechnungsjahr 1906/07, das das erste ist, dem die Vorteile der Rentenkonversion zugute kommen, darf auf einen Ueberschuß von 30 Millionen ge⸗ rechnet werden.
In den Voranschlägen für das Rechnungsjahr 1907/08 ist, wie der Minister ausführte, auf die Erhöhung der Ausgaben, die sich aus den von der Regierung vorgeschlagenen Mahtegere ergeben werden, Rücksicht genommen worden. Die Voranschläge für 1907/08 schließen mit einem Ueberschuß von 17 Millionen ab, da die Voranschläge aber mit der größten Vorsicht aufgestellt sind, darf schon jetzt die Ansicht ausgesprochen werden, daß der Ueberschuß des Rechnungsjahres 1907/08 sicherlich nicht unter 20 Millionen betragen wird. 1
Der Minister besprach dann die einzelnen Einnahmetitel und wies darauf hin, daß die ständige Zunahme der Ein⸗ nahmen in wirksamer Weise zur finanziellen Wiedergeburt Italiens beigetragen habe und ein sicheres Anzeichen volks⸗ wirtschaftlichen Fortschrttts sei.
Eine so aünstige Lage, fuhr der Minister fort, gibt der Regierung Anlaß, ihre Sorgfalt vor allem den öffentlichen Diensten zuzuwenden.
u diesem Zwecke sind in dem Budget für 1907/,08 besonders die
redite für den Universitätsunterricht, für italienische Schulen im Auslande, für Ackerbau, für den Post⸗, Telegraphen⸗ und Telephon⸗ dienst usw. erhöht worden. Andere Maßregeln wirt⸗ schaftlichen und sozialen Charakters werden durch Gesetz⸗ entwürfe vorgeschlagen werden für den Unterricht auf dem Ge⸗ biete des Handels und der Industrie, für Talsperren, für Invaliden⸗ und Altersversicherung ꝛc. Für die öffentlichen Dienste sind außer den Aufwendungen aus ordentlichen Einnahmen auch solche aus außer⸗ ordentlichen Einnahmen nötig. Da die Regierung von der Aufnahme irgend einer Anleihe nichts wissen will, beabsichtigt sie, diese Auf⸗ wendungen bis zum Betrage von 60 Millionen aus dem zu Ende des Rechnungsjahres 1905/06 festgestellten Ueberschuß zu decken. Von diesen 60 Millionen entfallen 25 Millionen auf den Post⸗, Telegraphen⸗ und Telephondienst, 18 Millionen auf außerordent⸗ liche Arbeiten in den Häfen, 7 Millionen auf Ausgaben für die Binnenschiffahrt, 5 Millionen auf einen für den Ankauf archäologischer Werke zu bildenden Fonds, 5 Millionen auf den Bau eines zweiten Werftbassins in Tarent und auf außerordentliche Ankäufe von Kohle für die Marine. Es braucht nicht befürchtet zu werden, führte Majorana aus, daß durch die Entnahme von 60 Millionen aus der Schatzkasse diese Kasse in eine schwierige Lage gebracht werde. Die Schatzkasse verfügte am 31. Oktober über 452 Millionen. Für die Eisenbahnen wird die Regierung auf den Kredit zurückgreifen, aber nur für außerordentliche Bedürfnisse. Der Amortisationsdienst soll wie eine Verwaltungsausgahe der Eisenbahnen behandelt werden. Ein Gesetzentwurf wird zu diesem Zwecke die Ermächtigung zur Veraus⸗ gabung von 610 Millionen verlangen, die zusammen mit den 300 Millionen, deren Verausgabung bereits genehmigt ist, eine Summe von 910 Millionen ergibt, die bis 1910/11 für die Ver⸗ besserung des Eisenbahndienstes zu verwenden sind. In dem Gesetz⸗ entwurf wird vorgeschlagen, diese Summe durch die Ausgabe von Zertifikaten zu beschaffen, die mit 3,50 anstatt, wie jetzt, mit 3,65 %, verzinslich sein, auf drei Namen lauten und in 40 Jahren rückzahlbar sein sollen. “
Der Schatzminister besprach dann die Kre ditverhältnisse Italiens, die, wie es das glückliche Ergebnis der großen Konversionsoperation erweise, ausgezeichnete seien. Bezüglich der Emissionsbanken wies der Minister darauf hin, daß deren Lage eine fortschreitende Besserung aufweise, und erklärte, es sei vielleicht der Augenblick gekommen, die auf die Emissions⸗
banken bezüglichen Bestimmungen einer Abänderung zu unter⸗ ziehen. Der Minister kündigte ferner einen Gesetzentwurf, be⸗ treffend das juristische und fiskalische Regime der Börsen an und fuhr dann fort: 1 guh Dannff der guten Kreditverhältnisse werde die Hinter⸗ legungskasse im nächsten Jahre die Zinsen für Anleihen, die sie Ge⸗ meinden und Provinzen gewährt, von 4,25 % auf 4 % herabsetzen, was für viele Gemeinden, die sich in schwieriger Lage befinden, eine Erleichterung bedeuten werde. Dee Regierung beabsichtige, auch noch andere Maßnahmen zum Besten der Gemeinden und Provinzen zu treffen, und werde die Mittel hierfür sowie diejenigen, welche für die Ermöglichung der Herabsetzung der drückendsten Steuern erforderlich sind — was einen Hauptprogrammpunkt der Regierung bilde —, durch 20. Millionen aus dem Budgetüberschuß decken, die durch andere Einnahmen erhöht werden sollten, die man aus der Konvertierung gewisser rückkäuflicher Schulden und aus dem Rückkauf gewisser Eisenbahnlinien zu ziehen beabsichtige, die dem Staatseisenbahnnetz angereiht sind und dem Budget zur Last fallen. Majorana betonte schließlich den wirtschaft⸗ lichen Aufschwung des Landes, dessen weitere Entwicklung man in jeder Weise unterstützen müsse. — b —
Nach dem Exposé des Schatzministers beschäftigte sich das Haus mit verschiedenen Interpellationen über den Eisen⸗ bahnbetrieb. 8
Der Deputierte Cavagnari begründete seine Interpellation, betreffend die Ursachen der fortdauernden Unordnungen im Betrieb der Staatsbahnen und die Verantwortlichkeiten für diese, und fragte, welche Maßregeln der Minister der öffentlichen Arbeiten dagegen zu treffen gedenke. Der Dexutierte Arnaboldi begründete eine Anfrage
ierauf wurde die Sitzung geschlossen.
Spanien.
8 8
Nach einer Meldung des „W. T. B.“ hat Ve Armijo gestern dem König die Liste des neuen Kabinetts unterbreitet, die von diesem genehmigt worden ist. Das Kabinett setzt sich, wie folgt, zusammen: Vorsitz: Vega de Armijo, Auswärtiges: Perez Caballero, Inneres: Romanones, Finanzen: Reverter, öffentliche Arbeiten: de Federico, Krieg: Weyler, Marine: Cobian, Unter⸗ richt: Jimeno, Justiz: Barroso. Als die neuen Minister den Eid leisteten, entstanden Schwierigkeiten wegen der Er⸗ nennung Cobians zum Marineminister, der infolgedessen seine Entlassung gab.
Türkei.
Die Pforte hat mit der Dette publique ein Ab⸗ kommen getroffen, nach dem, wie das Wiener „Telegraphen⸗ Korrespondenzbureau“ meldet, die letztere, entsprechend der Ver⸗ einbarung mit den Großmächten, zum jährlichen Defizit des mazedonischen Budgets 250 000 Pfund vorschießt, falls die Einnahmen aus der dreiprozentigen Zollerhöhung hierzu nicht genügen, und ferner für das gegenwärtige Defizit einen gleichen Betrag der Pforte als Vorschuß gewährt.
Amerika.
Im Senat und im Repräsentantenhaus der Ver⸗ einigten Staaten ist gestern eine umfangreiche Botschaft des Präsidenten Roosevelt verlesen worden. Nach dem Bericht des „W. T. B.“ bemerkt diese zu Anfang: 1
„Als Nation erfreuen wir uns nach wie vor eines buchstäblich noch nicht dagewesenen Gedeihens; und es ist wahrscheinlich, daß nur rücksichtslose Spekulation und Mißachtung rechtmäßiger Geschäfts⸗ methoden diesem Gedeihen wesentlichen Abbruch tun können.“
Sodann empfiehlt die Botschaft die Verabschiedung einiger in der letzten Tagung unerledigt gebliebener Vorlagen.
Dahin gehöre der bereits von einem Hause des Kongresses an⸗ genommene Entwurf, der geschäftlichen Korporationen verbietet, zu den Wahlfeldzugsausgaben irgend einer Partei beizutragen, sowie der Gesetzentwurf, der der Bundesregierung das Recht gibt, in Straf⸗ prozessen Berufung wegen streitiger Gesetzesauslegung einzulegen. Diese Befugnis sei um so notwendiger, als die Regierung jetzt in entschiedener Weise gegen Ver —1 des Trustgesetzes und des Gesetzes über den binnenstäaatlichen Handel strafrecht⸗ lich vorgehe. Geboten sei ferner eine Erschwerung der Aufhebung von Gerichtsurteilen aus rein formalen Gründen, unberechtigt aber sei das Verlangen nach Aufhebung der Befugnis der Gerichte zum Erlaß vorläufiger Verfügungen in Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, nur müsse der Mißbrauch dieser Befugnis durch Gesetz verhindert werden.
Die Botschaft wendet sich dann aufs schärfste gegen die noch immer häufigen Fälle von Lynchjustiz und ging darauf
ur Erörterung des Verhältnisses zwischen Kapital und Arbeit über.
Sie verurteilt das verderbliche Wirken der Agitatoren, die den Klassenhaß predigen, und betont, daß der Triumph des Mobs ein 8”gg großes Uebel als der Triumph der Plutokratie sein würde. Im einzelnen erklärt der Präsident für notwendig ein Gesetz, betreffend die Begrenzung der Arbeitszeit der Eisenbahnangestellten. Das Ziel der Gesetzgebung im allgemeinen müsse, soweit angängig, die allgemeine Einführung des Achtstundentags 8 soweit dieser bereits gesetzlich festgelegt, müsse für strenge Einhaltung der Bestimmungen gesorgt werden. Die Botschaft empfiehlt weiter eine eingehende Meee; über die Verhältnisse der Frauen⸗ und Kinder⸗ arbeit, eine wesentliche Erweiterung des Arbeitgeberhaft⸗ pflichtges 8 und Verabschiedung der Vorlage, betreffend obli⸗ gatorische behördliche Untersuchung von Bundes wegen bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeit⸗ nehmern, nach Art des letzten Kohlenarbeiterausstandes. In den Jahren 1880 bis 1900 seien 450 Millionen Dollars direkt und noch indirekt durch Ausstände und Aussperrungen ver⸗ mehr loren gegangen, von denen viele durch die Tätigkeit eines Einigungsausschusses hätten vermieden werden können. Ferner befürwortet der Präsident gesetzliche Zurückhaltung aller noch nicht besiedelten kohlenhaltigen Ländereien als Staats⸗ eigentum, nicht zum Zwecke des Staatsbetriebs, sondern zur Ausbeutung durch die Privatindustrie nach einem Regal⸗ system unter Kontrolle des Bundes über die “ und die
rachtsätze zur Verhinderung einer Ueberteuerung des Verbrauches. Hachalh der Korporationen (Trusts), soweit sie in mehr als einem Staate tätig sind, hebt der Präsident die Nützlichkeit der in neuester Zeit erlassenen Kontrollgesetze, so namentlich die zahllosen Fälle freiwilliger Herabsetzung der Bahnfrachten hervor. Wenn au die gegenwärtige Tagung für weiteres Vorgehen zu kurz sei, so se doch der baldige Erlaß eines Gesetzes zur Herstellung einer weit vollständigeren Kontrolle über die Korporationen uner⸗ läßlich, welches Ueberkapitalisierung verhindere und öffentliche Rech⸗ nungslegung für die Korporationen und ihre Tochtergesellschaften vor⸗ schreibe. Nicht die Kapitalskonzentration als solche, sondern nur die daraus für das Volksganze entspringenden Schäden seien zu bekämpfen. Das sei kein Schritt zum Sozialismus; durch bessernde Maßnahmen der erwähnten Art werde gerade sozialistischen Bestrebungen, wie der durchaus nicht wünschenswerten Maßregel der Eisenbahnverstaatlichung, der Boden entzogen. Auf der andern Seite sollen auch Vereinigungen von Eisenbahn⸗ und anderen Gesellschaften zu Zwecken, die im öffent⸗ lichen Interesse liegen, begünstigt werden.
Revision des Bundessteuersystems d
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Linfabrung ein⸗
allem die Riesenvermögen treffenden progressiven
Erbschaftssteuer und einer progressiven Einkommen⸗ steuer als Bundeseinnahmen, empfiehlt die Förderung des technischen und landwirtschaftlichen Unterrichtswesens, die Schaffung eines ein heitlichen Bundesrechts über Ehe und Ehescheidung, die schleunige Verabschiedung der Vorlage zur Förderung der Handelsschiffahrt, zum mindesten Schaffung von Schnelldampferlinien nach Süd
amerika und wendet sich der Frage der Umlaufsmittel zu, ohne einen bestimmten Vorschlag zu machen. Nachdem die Botschaft sodann Einführung eines Borsaotnriss oder gänz⸗ lichen Freihandel in Erzeugnissen der Philippinen und Ertei⸗, lung des amerikanischen Buͤrgerrechts an die Bewohner von Puertorico vorgeschlagen hat, bespricht sie das Verhältnis zu den ostasiatischen Völkern.
Sie verwirft jede unterschiedliche Behandlung der den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Einwanderer und tadelt namentlich aufs schärfste die in jüngster Zeit sporadisch aufgetretene Feindseligkeit gegen die Japaner, die der Nation Schande bringe und von den schwersten Folgen für das Land begleitet sein könne. Die Botschaft betont, daß Amerika eine beständig steigende Rolle im Pazifischen Ozean zu spielen und eine große Handels⸗ entwicklung im Verkehr mit Asien zu erreichen hoffe. Sie bespricht den wunderbaren Aufschwung Japans, das jetzt durch eigene Kraft als eine der größten der zivilisierten Nationen dastehe, schlägt vor, daß durch ein besonderes Gesetz allen Japanern die Naturalisierung in Amerika ermöglicht werde, und fordert die Erteilung gesetzlicher Be⸗ fugnis an den Präsidenten, die Beachtung der Vertragsrechte der Ausländer in den Einzelstaaten von Bundes wegen durchzusetzen.
Bezüglich der jüngsten Intervention der Vereinigten Staaten in Cuba erklärt die Botschaft: Die Intervention sei erfolgt, als die Unordnung bereits so groß eworden war, daß die Wahrscheinlichkeit bestand, daß die europätschen ertreter, wenn nicht die Vereinigten Staaten die Ordnung wiederherstellten, bewaffnete Intervention ihrer Regierungen zum Schutz von Leben und Eigentum ihrer Staatsangehörigen nachsuchen wünden. Jetzt sei der Friede wiedergekehrt, die Zuckerernte im Gange, und nach den bevorstehenden Wahlen solle die provisorische Regierung ihr Ende erreichen. Die Vereinigten Staaten wollten nichts von Cuba als dessen Gedeihen; doch ermahnt der Präsident die Cubaner feierlich zu ruhigem, gesetzmäßigem Verhalten, denn wenn die Wahlen eine Farce würden und Aufruhr im Lande nicht aufhöre, könne nicht davon die Rede sein, daß die Insel unabhängig bleibe. Amerika würde vielmehr aufs neue zu intervenieren haben.
Ausführlich verweilt die Botschaft bei dem im Sommer in Rio de Janeiro stattgehabten Kongreß der amerika⸗ nischen Republiken.
Die Bootschaft weist auf die sesemertranif e Reise des Staats⸗ sekretärs Root hin und betont, daß diese dazu beigetragen habe, die im Süden vielfach herrschende, von der Wahrheit weit entfernte Auf⸗ fassung zu beseitigen, als ob die Monroelehre eine Art Vorherrschaft oder eine Art Protektoratsrecht der Vereinigten Staaten über die anderen Republiken in sich schließe. Es wird ferner erwähnt, daß die Vereinigten Staaten die auf dem Kongreß in 0 de Janeiro angenommene Resolution unterstützt haben, nach der die zweite Friedenskonferenz im Haag die Frage der zwangsweisen Eintreibung öffentlicher Schulden und überhaupt die Frage der Verminderung von Konflikten zwischen den Nationen prüfen soll, die rein pekuniären Ursprungs sind. Der 1.See teilt dabei den Wortlaut der den amertkkanischen
ertretern erteilten Instruktionen mit, in denen es u. ag. heißt, es sei zweifellobs wahr, daß die Nichtbezahlung öffentlicher Schulden von Betrug und Unrecht oder Vertragsverletzung in der Art begleitet sein kann, daß die Anwendung von Gewalt ge⸗ rechtfertigt ist. Die amerskanische Regierung würde sich freuen, wenn es zu einer internationalen Prüfung der Sache, die einen Unterschied zwischen ällen und der einfachen Nicht⸗ erfüllung eines Kontraktes mit einer Privatperson mache, und zu einer Resolution käme, die sich für die Anwendung friedlicher Mittel in Fällen der letzten Art ausspreche; beides aber sei kaum Sache der Konferenz in Rio de Janeiro, auf der hauptsächlich Schuldnerstaaten vertreten seien, sondern der Haager Konferenz.
Der Präsident erwähnt dann die mittelamerikanischen⸗ Wirren des letzten Sommers und den Friedensschluß an Bord der „Marblehead“ und empfiehlt die schleunige Rati⸗ fikation der Akte von Algeciras, die Amerika die gleichen Handelsrechte wie allen europäischen Ländern verleihe und ihm keine wie immer geartete Verpflichtung auferlege. Nach Erörterung der Frage der Robbenschlägerei auf den Prihiloffinseln, die man jetzt durch Verhandlungen mit England und Japan zu regeln sucht, kommt Roosevelt auf die Vor⸗ bereitungen zu der vom Kaiser Nikolaus angeregten zweiten Friedenskonferenz im Haag zu sprechen.
Es muß immer im Auge behalten werden, daß ein Krieg, wo der Friede nur durch das Opfer der Gewissensüberzeugung oder der nationalen Wohlfahrt erlangt werden kann, nicht nur zu rechtfertigen ist, sondern für ehrenhafte Männer und für jede ehrenhafte Nation zum Gebot wird. Ein gerechter Krieg ist auf die Dauer für die Seele einer Nation weit besser als der blühendste Friede, der durch das Dulden von Unbill oder Ungerechtigkeit erlangt ist; ja, es kann selbst weit besser sein, im Kriege der dagen zu werden, als überhaupt nicht gekämpft zu haben. Die Vereinigten Staaten, heißt es dann weiter, sollten alles tun, um die Herbeiführung des Friedens unter den Völkern zu beschleunigen, solange aber eine internationale Macht, die jedes Unrecht wirksam verhindern kann, fehle, könne keine große und freie Nation sich selbst der Macht berauben, ihre Rechte zu schützen und in Ausnahmefällen selbst für die Rechte anderer einzu⸗ stehen. Die Möglichkeit der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten durch Schiedsspruch hänge gegenwärtig hauptsächlich davon ab, daß die Nationen, die recht zu handeln willens sind, genügende bewaffnete Stärke besitzen, um ihre Absicht wirksam zu machen.
Die Flotte der Vereinigten Staaten sei der sicherste Bürge des Friedens, den das Land besitze. Er verlange nicht, sagt der Präsident, daß die Flotte weiter vergrößert werde, aber ihre gegen⸗ wärtige Stärke müsse aufrecht erhalten werden dadurch, daß die ver⸗ alteten und verbrauchten Schiffe durch neue, gute, die denen jeder anderen Flotte gleichkommen, ersetzt werden. Es solle ein Programm aufgestellt werden, wonach jährlich wenigstens ein Schlachtschiff erster Klasse gebaut werde, das an Größe und Schnelligkeit jedem gleich⸗ zeitig im Bau befindlichen Schiffe anderer Nationen gleichkomme; es solle mit möglichst vielen, sehr schweren Geschützen desselben Kalibers und kleinen Geschützen zur Zurückweisung von Torpedo⸗ angriffen bestückt werden, schweren Panzer, Turbinenmaschinen, kurz alle modernen Fortschritte aufweisen. Natürlich müßten von Zeit zu Zeit auch Kreuzer, Kohlenschiffe, Torpedojäger und Torpedoboote erneuert werden. Ferner der Präsident JFeee zur unausgesetzten sorgsamen Ausbildung von Offizieren und Mannschaften, zur Vervollkommnung des Offizierkorps in Flotte und Heer, tritt für Vermehrung der Küstenverteidigungsmann⸗ schaften, reichliche Abhaltung von militärischen Manövern und Uebungsmärschen, Zusammenziehung der allzusehr über das Land zer⸗ streuten Truppen ein und hebt hervor, daß die prompte Aktion in Cuba vor kurzem die Schlagfertigkeit von Heer und Flotte, nament⸗ lich infolge der Leistungsfähigkeit des Generalstabs und des General⸗
rats der Marine erwiesen hätten. pricht sich der Präsident,
Zum Schlusse 8g Botschaft spr Pre da das Land im Kriegsfalle hauptsächlich auf 8” iwillige an⸗ chützenwesens
tschaft befürwortet sodann, bei der demnächstigen dr dess nbeh vandie En 8 nach Schweizer Muster
gewiesen sei, für möglichste Ausbreitung des 8.