1906 / 294 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 13 Dec 1906 18:00:01 GMT) scan diff

8b1 .“ Berichte von deutschen Fruchtmärkten Zusammengestellt im Kaiserlichen Statistischen Amt.

Qualität

gering

mittel

gut

Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner

Menge

niedrigster

höchster

höͤchster

niedrigster

niedrigster

höchster 944

Verkaufte

Doppelzentner

Verkaufts⸗

Durchschnitts⸗ preis

für 1 Doppel⸗ zentner

Am vorigen 81

Außerdem wurden am Markttage (Spalte 1 8 überschläglicher Schätzung verkauft Doppelzentner (Preis unbekannt)

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Bemerkungen. Ein liegender Strich (—)

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Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und

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16,00 15,30 16,00 14,60 12,60 16,00 17,30 16,05 16,00 16,80 16,50 12,50 16,00 17,00

14,60 15,20 16,50 16,50 15 60 15 60

15,00 15,10 13,60

15,20 14.40 15 50 14,50 15,00 14 80 14 90 12,60 14,90 13,80 16 85 16,50 15,00 16,00 16,50

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15,20 14,40 15,20 14,50 15,00 14,80 14.70 12,60 14 65 13 60 16 63 1625 15,00 15,00 16,50

16,10 16,80 17,37

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in den Spalten für Preise hat die Badeutung, daß der betreffende Preis

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eizen. 17,00 17,10 16,80 17,30 17,20 16,80

17,60 17,70 17,60 18,10 17,45 17,50 16,50 17,25 16,60 17,00 17,00 18,00 19,60 19,40 18,60 17,10 17,10 17,10

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Roggen.

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15,50 15,40 15,50 15,50 15,50 15,70 15,10 15,20 14,50 15,20 15,00

15,20 15,10 15,70 15,10 15,80 15,45 15,20 16,00 16 50 15,39 16,00 16,50 16,00 17,70 15,10 15,30

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17,00 17,20 16,80 17,30 17,40 16,80

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19,20 19,60 19,50 20,00

15,50 15,40 15,50 15,50 15,60 15,80 15,10 15,30 14,50 15,20 15,00

15,20 15,10 15,70 15,70 15 80 15,70 15,40 16,30 16,60 15,30 16,60 16,50 16,00 17,80 15,43 15,30 16,60

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15,50 15,60 15,60 16,80 17,00 16,00 16,00 15,60

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15,00 15,40 15,20 15,40 14,00 15.40 14,00 17,07 17,00 15,20 17,00 17,20 16,60 16,80 16,40 17,00 17,80 16,20 15,50

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der Verkaufswert auf volle Mark abgerundet

nicht vorgeko

17,50

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mitgeteilt. Der Purchschnittspreis wird aus den unab

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erundeten Zahlen berechnet.

„) in den letzten sechs Spalten, daß Iegrenenbe Bericht fehlt.

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Deutscher Reichstag.

139. Sitzung vom 12. Dezember 1906, Nachmittags 1 Uhr.

(Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau

Tagesordnung: Fortsetzung der Besprechung der Inter⸗ pellationen der Abgg. Dr. A laß und Genossen, betreffend Maßnahmen zur Abhilfe der herrschenden Fleisch⸗ teuerung, und der Abgg. Albrecht und Genossen, betreffend die Teuerung der notwendigsten Lebensmittel, ins⸗ besondere des Fleisches.

Der erste Teil der Rede des Abg. Dr. Paasche ist im Auszuge in der gestrigen Nummer d. Bl. veröffentlicht worden. Abg. Dr. Paasche (nl.) fortfahrend: Ich bin überzeugt,

wenn die Preise jetzt auch sinken, sie doch nicht dauernd auf dem Standpunkt bleiben können, den sie in früheren Zeiten gehabt haben. Das wäre kein Glück, weil die Produktionskosten so enorm gestiegen sind, daß gar nicht daran zu denken ist, daß die Preise auf der früheren Höhe bleiben, weil dann die Landwirt⸗ schaft nicht mehr bestehen kann. Steigen die Preise für Industrie⸗ erzeugnisse, so heißt es in sämtlichen Marktberichten: Wieder einmal ein besonders günstiger Markt; die Preise konnten wieder erhöht werden; die Preise sind günstig; fortdauernder Aufschwung, günstige Konjunktur. Steigen aber die Preise für landwirtschaftliche Produkte so, daß bei ihnen auch mal gute Gewinne gemacht werden von den kleinen Bauern, so schreit man sofort auf der Linken über die übermäßige Verteuerung, die Agrarier hätten die Preise in die Höhe gesetzt vermöge des Willkür⸗ regiments, das sie in Händen haben. ie Preise werden wahrschein⸗ lich dauernd höher bleiben, weil alle Löhne steigen nicht bloß in der Landwirtschaft, sondern auch in der Industrie und weil wir uns in einer Periode der Geldentwertung befinden. Das ist erklärlich bei der ungewöhnlichen Goldproduktion, die jährlich über eine Milliarde Gold produziert. Langsame Steigerung der Preise, um die Pro⸗ duktionskosten zu decken und die Produktion weiterführen zu können, wie es die wirtschaftliche Möglichkeit gestattet, darauf kommt es an. Wenn wir heute überzeugt sind, daß eine Aenderung unserer Wirtschaftspolitik nicht am Platze ist, so hat der Staatssekretär gestern mit Recht gesagt, daß die Abhilfe in erster Linie im Inlande liegen muß, weil vom Inlande am besten die Ernäbrung des Volkes besorgt werden kann. Es ist deshalb unsere erste Pflicht, dafür zu sorgen, daß die deutsche Landwirtschaft und Vieh⸗ zucht nicht wieder von allen möglichen Gefahren bedroht wird, die ihr durch den Import von lebendem Vieh gebracht werden könnten. Unsere Viehzucht hat heute nur noch wenige Prozent unseres Fleisch⸗ bedarfs nicht decken können, der Minister sprach von 3 bis 5 %. Nachdem durch unsere strenge Seuchengesetzgebung, über deren Härte ich selbst sogar einmal Klage führen mußte, die deutsche Regierung im stande gewesen ist, die Seuchengefahr zu beseitigen unter großen Opfern der Landwirtschaft, wäre es unverantwortlich, wenn man diese Gefahr durch die Einfuhr von neuem heraufbeschwören wollte. Damit würde man nur zum Schaden derer handeln, die heute über Fleischnot klagen. Wenn wir noch mehr als 5 % unseres Bedarfs vom Aus⸗ lande beziehen müßten ob wir das bekommen könnten, ist über⸗ haupt noch fraglich —, so würde nicht eine Verbilligung, sondern eine weitere Verteuerung der Preise eintreten. Wir wollen die Landwirt⸗ schaft schuͤtzen, um den Konsumenten zu nützen. Der Minister hat gestern vorgerechnet, daß noch 133 Städte in Deutschland die Mahl⸗ und Schlachtsteuer aufrecht erhalten und daß in großen Städten, die sich lebhaft über die Fleischteuerung beklagen, 8 ½ Pfennig für das Kilogramm an städtischen Steuern erhoben werden. Warum sind die Vertreter dieser Städte nicht längst dazu übergegangen, diese Steuern zu beseitigen? Warum haben Sie (links) dort nicht Anträge gestellt? (Zurufe von links: Wir haben cs ja getan!) Wenn Sie es getan haben, so würden Ihre Anträge dort auch Billigung gefunden haben. Ich verstehe nicht, wie der Abg. Gothein ein Wort dazu sagen kann, daß die Städte diese Steuer immer noch aufrecht erhalten. (Lachen links.) Mit Ihrem Lachen helfen Sie den Konsumenten nicht. Wie die Statistik erweist, sind wir ja doch nahe daran, den Fleischbedarf selbst zu decken. Es fehlen nur noch 3 bis 5 %. Schützen Sie unser einheimisches Vieh gegen die Einschleppung von Seuchen und wir werden Ihnen das brauchbarste Fleisch in genügender Menge vorsetzen können und brauchen uns nicht, wie es der Abg. Scheidemann will, mit amerikanischem Fleisch zu ernähren. Warum sorgen, wenn wirklich einmal eine Not vor⸗ handen ist, die städtischen und Gemeindevertretungen, die doch in erster Linie dazu berufen sind, für die Bevölkerung einzutreten, nicht dafür, wenn das Schlachthaus auch einmal mit Unterbilanz arbeitet? Die Viehzüchter haben auch Jahre lang mit Unterbilanz arbeiten müssen. Schon dadurch würde ein gut Teil der Fleischteuerung beseitigt werden. Ich bedauere nochmals, daß die Regierung nicht schon vor Monaten ihre beruhigenden Erklärungen abgegeben hat, und ich hoffe, daß die von ihr in Vorschlag gebrachten Maßregeln wesentlich dazu beitragen werden, daß die preissteigernden Wirkungen des Zwischenhandels und der Schlachthäuser beschränkt werden. Das kann geschehen, ohne daß der Landwirt gezwungen wird, auf den üblichen und berechtigten Lohn zu verzichten. Für jeden Denkenden und Verständigen ist es doch klar, daß heute bei der allgemeinen Landflucht die Arbeit der Schweinezüchter und Schweinemäster nur ungern verrichtet wird und daß es kaum möglich ist, Arbeitskräfte in genügender Zahl dafür zu finden. Wenn die Hausfrauen, die kleinen Tagelöhner usw. noch nebenbei Schweine aufziehen und züchten, so ist es ebenso berechtigt wie bei jedem anderen Arbeiter, wenn sie auch einen entsprechenden Lohn für diese ihre Tätigkeit verlangen. Es sind zum größten Teil einfache Handarbeiter, kleinbäuerliche Besitzer usw., die das tun. (Lachen links.) Die Statistik beweist dies doch, aber in dem Moment, wo Ihnen die Statistik vorgeführt wird, nach der sich 95 % der Schweine in der Hand von kleinen Besitzern befinden, lachen Sie. (Zurufe des Abg. Dr. Südekum. Glocke des Präsidenten. Präsident Graf von Ballestrem: Ich bitte den Abg. Sudekum, sich zu beruhigen.) Wir verlangen, daß die Regierung alle Mittel ergreift, die eine Visf⸗ rung ermöglichen. Es wird mit Recht darüber geklagt, daß die Diffe⸗ renz zwischen Fleisch⸗ und Viehpreisen ganz ungewöhnlich hoch ist. Denjenigen, die die wirtschaftlichen Verhältnisse so genau studieren, wie Sie auf der linken Seite, wird es doch nicht entgangen sein, daß auch die Abfälle ganz außerordentlich hoch im Preise gestiegen sind. Von einem Sachverständigen habe ich gehört, daß jetzt die Abfälle bei jedem Stück Rindvieh etwa 70 mehr wert sind, als vor wenigen Jahren. Es wäre durchaus kein Anlaß vorhanden, daß diese Differenz noch etwa 10 höher getrieben wird, sie könnte im Gegenteil soviel niedriger sein. Sprechen Sie also nicht immer von dem unersättlichen Großgrundbesitzer, ich spreche nicht für diese, sondern für die kleinen und mittleren Viehzüchter, die ein legitimes Interesse an Preisen und der Möglichkeit der Fortsetzung ihrer Viehzucht aben.

Abg. Graf von Schwerin⸗Löwitz (dkons.): Auf meine Ver⸗ anlassung ist zu der Frage der Fleischteuerung von der „Zentrale für Viehverwertung“ Material zusammengestellt und den Mitgliedern des Hauses zur Verfügung gestellt worden, um ihnen eine Nachprüfung zu ermöglichen. Ich freue mich, daß dieses Material eine so reichhaltige Benutzung gefunden hat, selbst durch den Abg. Scheidemann; es muß also doch nicht so ganz schlecht sein. Die Interpellationen haben zwar ihre beste Beantwortung schon durch die Marktberichte der letzten Wochen erfahren, die durchweg sinkende Preise, zögernde, unvollkommene Abnahme, Ueberstände usw. nachweisen; und ich begreife ja, daß die Interpellanten über die Regierung etwas entrüstet sind, weil sie die Beantwortung der Interpellationen so lange verzögert hat, bis sie eigentlich gegenstandslos geworden sind. Aber i muß leider be⸗ fürchten, daß sich ähnliche bedauerliche Beunruhigungen unserer städtischen und industriellen Bepölkerung, Erregungen, die stark auch von politischen Absichten beeinflußt werden, noch häufiger wieder⸗ holen werden. (Zurufe links.) Wenn Sie solche politischen Absichten in Abrede stellen wollen, muß ich Ihnen doch ein Flugblatt entgegen⸗

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halten, das noch an demselben Tage, an dem die Interpellationen eingebracht waren, hier in Berlin ver worden ist: „Gegen den Fleischwucher!“ Dieses Flugblatt schwelgt geradezu in ungehörigen Verhetzungsversuchen. Es heißt darin in Svperrdruck: „Die Teuerung ist nicht eine Folge von Mißwachs oder Viehseuchen, sondern künstlich geschaffen, um den Großgrund⸗ besitzern die Taschen zu füllen.“ . ‚die Teuerung schädigt den Arbeiter an seiner Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Leben und Gesundheit sollen die Massen opfern, um die h be⸗ reichern zu helfen.’ Das wagen Sie zu schreiben und zu billigen gegenüber der längst festgestellten Tatsache, daß 93 % der Viehproduktion von mittleren und kleinen Bauern, von landwirtschaftlichen Arbeitern, ja auch von industriellen Arbeitern erzeugt wird und nur 7 % von größeren Grund⸗ besitzern erzeugt werden? Das nennen Sie sachliche Aufklärung? Da muß ich doch wirklich dem Abg. Gerstenberger recht geben, der gestern meinte, Sie schienen sich mehr an den Magen, als an den Verstand der Leute zu wenden. Das Flugblatt sagt weiter: „Für die Massen handelt es sich um Leben und Gesundheit Darum auf! Es gilt den Kampf gegen die Politik der Agrarier! Erkennt eure Macht! Schließt euch der Partei an, die euch von der Unterdrückung befreien will! Tretet ein in den Wahlperein und lest die Arbeiterzeitung „Vorwärts!“ Ihren „Hungerpopanz“ hat zu meiner großen Freude gestern der Abg. Gerstenberger wohl schon ge⸗ nügend abgefertigt, aber daß Sie Ihre eigene Interpellation nicht zu politischen Zwecken eingebracht hätten, das werden Sie nach diesem Flugblalt doch wohl nicht mehr behaupten. Es ist schon von dem Landwirtschaftsminister auf die enorme Entwicklung des Fleischkonsums während der letzten 30 Jahre hingewiesen worden, eine Entwicklung, wie wir sie nicht nur nie in Deutschland, sondern wohl kaum überhaupt in irgend einem Lande der Erde in solcher Rapidität erlebt haben. (Der Redner führt für diese Be⸗ hauptung weiteres Zahlenmaterial an.) Der Abg. Gothein hat den Abg. Paasche unterbrochen, als dieser auf den steigenden Konsum hinwies. Der Fleischkonsum in Deutschland betrug aber vom 1. Juli 1904 bis zum 1. Juli 1905 nach der Berechnung des Kaiser⸗ lichen Statistischen Amts 52,57 kg für den Kopf der Bevölkerung. Im darauffolgenden Jahre ist der Konsum allerdings etwas zurück⸗ gegangen, aber selbst wenn man dies zugibt, so wäre dieser Rückgang wirklich kein Ereignis, das zu so schweren Besorgnissen, wie sie hier auesgesprochen worden sind, berechtigte. Vor 30 Jahren war der Fleischkonsum erheblich geringer und ich frage Sie, war der Deutsche von 1870/71 etwa weniger kräftig und gesund ernährt? Es ist also eine furchtbare Uebertreibung, unter solchen Um⸗ ständen von der Gefahr der Unterernährung des Volkes zu sprechen. Die Produktion hat sich seit den letzten 30 Jahren sehr erheblich vermehrt, es werden heute 95 % Fleisch im Inlande produziert. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Produktionskosten und auch die Löhne unverhältnismäßig gestiegen sind. Dabei fällt auch ins Gewicht, daß viele kleine Leute, die früher Schweine züchteten, dies heute nicht mehr tun können. Es hat doch eine Steigerung aller Marktpreise in unserer Wirtschaftsökonomie Platz gegriffen. Der Osten hat darunter zu leiden, daß die ländlichen Arbeiter dorthin gehen, wo sie höhere Arbeitslöhne bekommen. Jeden⸗ falls könnte man von einem Notstand in bezug auf die Fleisch⸗ preise erst dann sprechen, wenn nachgewiesen wäre, daß zwischen den Lebensmittelpreisen und den Arbeitslöhnen ein Mißverhältnis bestünde. Das wird aber niemand behaupten können. Der Arbeits⸗ verdienst ist im allgemeinen gestiegen. Zur Beurteilung der Höhe der Fleischpreise tritt noch ein anderer natürlicher Faktor hinzu, das ist der höhere Anspruch, den man heute an die Qualität des Fleisches macht, namentlich auf Grund des Fleischbeschaugesetzes. Auf Grund dieses Gesetzes sind im steigenden Maße sehr große Quanti⸗ täten Fleisch verworfen worden, man rechnet den Verlust für dieses Jahr auf 60 Millionen. Das muß doch jemand bezahlen. Verlangen Sie, daß die Landwirtschaft allein diesen Verlust trägt der ungefähr so hoch ist wie der Zoll, oder wollen Sie etwa, daß das Füedchbeschaugeg⸗ wieder aufgehoben wird? Die Detailpreise für Fleisch sind ungebührlich hoch bemessen und nicht maßgebend für die Beurteilung der Frage. Die Städte wollen aber ihre Mahl⸗ und Schlachtsteuer nicht aufheben. Die Spannung zwischen den Viehpreisen und den Fleischpreisen ist immer größer geworden, sie betrug 1881 nur 7,4 ₰, 1906 dagegen 40 für das Pfund. Die Preisunterschiede sind innerhalb Deutschlands größer, als die zwischen dem Ausland Wund dem Inland. In England besteht keine Fleischbeschau. Wenn dort die Fleiscbeschan eingeführt würde, so würden die Preise noch viel höher sein als bei uns. Uebrigens sind die Preise in London keineswegs sehr viel niedriger als in Berlin. Was die vorgeschlagenen Abhilfemittel betrifft, so hat die Regierung gestern schon festgestellt, daß die Einfuhr von frischem oder zubereitetem oder doch wenigstens von zubereitetem Fleisch bereits aus allen Ländern der Erde gestattet ist. Eigentümlich ist, daß die Fleischer selbst von einer Erleichterung der Fleischeinfuhr nichts wissen wollen. Eine Erleichterung der Vieheinfuhr muß, ganz abgesehen von dem landwirtschaftlichen Interesse, auch im Interesse der Konsumenten zurückgewiesen werden, denn diesen liegt daran, möglichst gutes Fleisch zu bekommen. Vor 30 Jahren haben wir 21 Millionen Fleisch produziert, jetzt produzieren wir 60 Millionen. Wenn wir heute noch auf dem damaligen Standpunkt ständen, daß wir zu auf das Ausland angewiesen wären, so würde es mit unserer Fleischversorgung noch viel schlimmer stehen. Nicht nur die Landwirte, sondern auch die Städte können dem Reichskanzler dafür dankhar sein, daß er eine Erleichterung der Vieheinfuhr abge⸗ lehnt hat. Ich hoffe auch, daß sich kein deutscher Landwirtschaftsminister finden wird, der bei dem heutigen Wert unseres Viehbestandes und angesichts des Umstandes, daß ihm der Schutz desselben aufgetragen ist, die Verantwortung dafür übernähme, diesen Viehbestand der Einschleppung von Seuchen auszusetzen. Eine solche Verantwortung wäre von einem Landwirtschaftsminister heute nicht mehr zu tragen. Wenn ein Landwirtschaftsminister durch eine unverständliche Nachgiebig⸗ keit in dieser Beziehung das größte Unheil für das Vaterland hervor⸗ rufen würde, so möchte 68 in dessen Haut nicht stecken. Nach der überein⸗ stimmenden Ansicht aller Veterinärkongresse ist eine systematische Seuchen⸗ bekämpfung nur durch vollständige Sperrung der Grenzen möglich. Allerdings gibt es eine Reihe von Mitteln, mit welchen eine Besse⸗ rung der Verhältnisse herbeigeführt werden kann. Voraussetzung ist allerdings, daß die städtischen Verwaltungen dazu die Hand bieten durch die Abschaffung aller Schlachtsteuern und durch eine erhebliche Ermäßigung der Schlachthofgebühren. Ich möchte deshalb folgende Wege vorschlagen. Erstens die Einführung der Marktnotierungen nicht nur nach Schlachtgewicht, sondern auch einerseits nach Lebend⸗ ewicht und anderseits nach den Detailpreisen, damit die Konsumenten felbit prüfen können, ob die Preise angemessen sind; zweitens eine wirksame Herabsetzung der Eisenbahntarife sowohl für Waggon⸗ ladungen wie für Stückgut, wie es der Landeseisenbahnrat bereits beschlossen hat, sodaß nicht nur der einzelne vom Lande Fleischfendungen beziehen kann, sondern auch die Fleischer in den Städten geschlachtetes Fleisch vom Lande direkt beziehen können unter Umgehung der ungeheuren Verteuerung durch die Schlachthofgebühren und den Zoischenhandel; drittens eine allgemeine staatlich organisierte oder staatlich unterstützte Schlachtviehversicherung; viertens Herabsetung der Gebühren für die Fleischbeschau, die jetzt ungebührlich hoch sind, und als letztes durchschlagendes Mittel zur Verbilligung der Preise empfehle ich dem Reichskanzler, wesentlich höhere Mittel für die systematische Seuchen⸗ erforschung und Seuchentilgung in den Etat einzustellen. Wir haben in Pommern ein bakteriologisches Institut, das uns zur Be⸗ kämpfung der Seuchengefahr gute va. leistet, und die Landwirt⸗ schaftskammer hat zur Untkerffützung dieses Instituts ihre Beiträge erhöht. In Berlin exlstiert ein großes bakteriologisches Reichsinstitut, dieses müßte aber in Verbindung stehen mit einem ganzen Netz von bakteriologischen Instituten, um die gewonnenen Erfahrungen allseitig nutzbar zu machen. Dies ist ein Beispiel, welche großen Aufgaben das Reich auf diesem Gebiete zu erfüllen hat. Ich behalte mir vor, namens meiner politischen Freunde beim Etat entsprechende Anträge

zu stellen. Es gibt bei uns zu Lande gewisse Klasse von Wirt⸗ schaftspolitikern, die bei jeder angeblichen oder wirklich vorhanden Kalamität jede Hilfe immer nur vom Auslande erwarten, auch in dem vorliegenden Falle, wo vom Auslande absolut nichts zu holen ist. Es wäre besser, zur Ueberwindung dieser Kalamität die eigene Kraft anzuwenden, die sich bei der Viehzucht in den letzten 30 Jahren so glänzend bewährt hat. Ich möchte davor warnen, daß wir immer unseren Blick auf England richten und nach englischem Muster ver⸗ fahren. Wie falsch wäre es, wenn wir nach englischem Muster unsere leischversorgung einrichten wollten, wenn wir über die Hälfte unseres Fleischbedarfs vom Auslande beziehen müßten! In welche Lage würden wir dann geraten, wenn wir in einen Krieg eintreten müßten! Es würden dann geradezu verderbliche Folgen eintreten. Es ist ja in der letzten Zeit hier auch viel von der Isolierung Deutschlands gesprochen worden. Mag sein, aber solange wir stark genug sind, brauchen wir uns durch diese Isolierung nicht beirren zu lassen. Wir müssen aber dann dafür sorgen, daß unserer deutschen Kraft kein Abbruch geschieht. Wir müssen dafür eintreten, daß uns die Wurzeln deutscher Kraft erhalten bleiben. Abg. Korfanty (Pole): Meine politischen Freunde vertreten zu einem großen Teil eine landwirtschaftliche Bevölkerung, und zwar meist kleine und mittlere Bauern. Die Landwirtschaft hat für uns Polen eine weit größere Bedeutung, wie bielleicht für die Deutschen. Ist doch der Grund und Boden das Streitobjekt, um das wir Polen den Kampf gegen die preußische Politik führen müssen. Bei uns ist an der Schweinezucht nicht nur der kleine und mittlere Bauer, sondern auch der Arbeiter, sogar der Industriearbeiter, interessiert. Angesichts der Notlage, in der diese Volksschichten sich befinden, hätten uns die Regierungen energischere Maßregeln versprechen sollen. Der Minister schätzt nach dem von ihm verlesenen Budget die Belastung eines Arbeiters durch Kleider und Werkzeuge au 49 ℳ. Für die oberschlesischen Bergarbeiter aber steht fest, nef sich der Aufwand allein für Kleidung auf 70 bis 80 beläuft, und dazu kommen noch andere Ausgaben, für Pulver, Werkzeuge usw. Der Minister stellte seine Behauptung so allgemein hin, daß man annehmen mußte, sie bezöge sich auf alle Arbeiter. Der ober⸗ schlesische Grubenbezirk mit seiner Arbeiterbevölkerung ist auf den Bezug russisch⸗polnischer Schweine angewiesen; er hat gar kein Begehr, das inländische Schweinefleisch zu kaufen, denn es ist magerer. Die Arbeiter haben aber bei ihrer schweren körperlichen Arbeit einen starken Bedarf an fettem Fleisch. Es ist geradezu hygienische Vorschrift für sie, recht viel Fett und recht viel Fleisch zu konsumieren; dabei werden gerade die oberschlesischen Ar⸗ beiter im allgemeinen bedeutend niedriger abgelohnt wie diejenigen im Westen. Daß die Löhne so erheblich in die Höhe gegangen wären, wie dies der Minister behauptete, kann ich für Dberschlesten nicht gelten lassen, selbst wenn der Minister sich auf einen Sozialdemokraten beruft. Von einer preußischen Behörde ist fest⸗ gestellt, daß der oberschlesische Kohlenbergmann für den Tag ungefähr 2,79 Einkommen hat; davon sind noch die Beiträge für die Ver⸗ sicherung, die Knappschaftskassen und verschiedene andere Auslagen abzuziehen, so daß ihm etwa 1,95 verbleiben; davon soll er sich und seine Familie ernähren und bekleiden. Angesichts dieser geringen Verdienste sind die Erträge für die Grubenmagnaten desto höher. Die Aktionäre verteilen nach der Statistik jährlich ungefähr 245 Millionen unter sich. Bei den Arbeitern in den Hochofenbetrieben und den Koksarbeitern, die selbst Sonntags Schichten verfahren müssen, beträgt der Lohn 2,41 ℳ, in den Eisengießereien 2,40, in den Verfeinerungsbetrieben 2,42 und so fort. Wenn man mit diesen Löhnen die Preise vergleicht, die unsere Bevölkerung für das Fleisch bezahlen muß, wird man zugestehen müssen, daß man dieser Bevölkerung und diesen au ergewöhnlichen Verhältnissen entgegenkommen muß. Für Fleisch gibt der Arbeiter bei uns 31,5 %, für Speck 2,7 % seiner Einnahme aus und er kauft Fleisch und Speck lediglich des⸗ halb, damit er diejenigen Kräfte hat, die er zur Verrichtung seiner Arbeit braucht. Seit Einführung des Kontingents ist der Konsum an Schweinefleisch bedeutend zurückgegangen, es hat sich gezeigt, daß die Schlachtungen von schlechten Kälbern, von Ziegen und sogar von anderen Tieren bedeutend zugenommen haben, und diese Schlachtungen, die man früher bei uns gar nicht kannte, gewinnen immer mehr an Zahl. Die Viehzentrale erklärte zwar, es sei gar nicht nötig, das Kontingent zu v. sie verpflichte sich, die nötigen Schweine in hinreichender Beschaffenheit zu liefern. Alles in allem hat sie trotz ihres Prahlens in zehn Tagen 684 Stück nach Oberschlesien geliefert. Es hat sich herausgestellt, daß die Vieh⸗ zentrale gar nicht im stande ist, dorthin Fleisch zu liefern, weil die Frachten viel zu hoch sind. Die Schlachtungen an Inlandsschweinen sind ganz erheblich in den letzten Jahren zurückgegangen. In einer Petition der oberschlesischen Magistrate ist nachgewiesen, daß sich im Laufe der Zeit diese Schlachtungen in den verschiedenen Städten Oberschlesiens, selbst in denen mit überwiegender Arbeiterbevölkerung, Wum 33 ½ % verringert haben. Rindfleisch ißt der Arbeiter bei uns nicht, weil es unwirtschaftlich ist. Ich will anerkennen, daß die Regierung alles getan hat, um eine Anzucht von Schweinen nach Oberschlesien zu befördern. Es sind Wochenmärkte eingerichtet worden und noch andere Maßnahmen getroffen; trotzdem aber ist das Inland nicht im stande gewesen, den Bedarf zu decken. Die Oberschlesier verlangen ganz einfach, daß eine unbegrenzte Zahl von russischen Schweinen unter Innehaltung aller veterinärpolizei⸗ lichen Maßnahmen eingeführt werden darf. Die Gefahr der 2 einschleppung von Rußland her ist die geringste, denn die über⸗ zuführenden Tiere werden dort tierärztlich untersucht, müssen eine Quarantäne durchmachen und werden in plombierten Waggons über die Grenze direkt in die Schlachthäuser transportiert. Die gute Absicht der Zulassung des Kontingents wird freilich durch gewisse Manipulationen der inländischen Fleischer und Händler vereitelt, indem nicht das ganze Kontingent abgenommen oder anderseits der Preis so in die Höhe getrieben wird, daß die Fleischer mit Verlust arbeiten müssen. Da kann man sich gar nicht wundern, daß schließlich die Schweinefleischpreise 70 bis 100 betragen, Preise, die der ober⸗ schlesische Arbeiter nicht anlegen kann. Kleine Fleischer bekommen manchmal überhaupt keine Schweine aus den Schlachthäusern, während große Firmen unerhört begünstigt werden. Die Ur ache davon liegt in den Polizeibestimmungen, betreffend das Kontingent; diese Bestimmungen haben sich als direkt widersinnig erwiesen. Beseitigt werden müssen auch die schikanösen Abgaben, die den Leuten auferlegt werden, die sich direkt über die Grenze das Fleisch in Säcken bis zu 2 kg aus Polen holen; gehen doch täglich Tausende und aber Tausende zu diesem Zwecke üher die Grenze! Auch die Fleischbeschau⸗ ebühr müßte fallen oder auf Staatskosten übernommen werden; es bandent sich doch um kleine Leute, vielfach um solche, die keine Steuer ezahlen. Die Seuchengefahr ist bei 2500 Schweinen wöchentli ebensowenig aufgetreten, wie früher bei 1260; also kann man au ruhig eine weitere d. des Kontingents eintreten lassen. Die 18. Einfuhr wird das Fleisch billiger und besser machen. In An⸗ etracht der Not, in der sich der oberschlesische Arbeiter befindet, sollte doch die Regierung diesen Klagen ein geneigtes Ohr schenken.

Abg. Gamp (Rp.): Der Vorredner hat speziell Beschwerden vorgetragen, die besser an anderer Stelle vorgetragen würden. Er gibt zu, daß die preußische 429 sich Mühe v. ve habe, die Schweinezucht zu heben und die Preise durch Ausschaltung des Zwischenhandels zu verbilligen, daß ihr das aber nicht ge⸗ nügend gelungen sei. Tatsächlich wird das jetzt festgesetzte Kon⸗ tingent noch lange nicht erschöpft, die preußische Le. hat also keine Ursache, ein unlimitiertes Quantum zuzulassen. Die erwähnten Polizeibestimmungen können nicht entbehrt werden. Die Einfuhr freigeben und das zulässsge Quantum erhöhen, das sind zwei verschiedene Dinge; bei unbeschränkter Einfuhr könnte sehr leicht die ganze tierärztliche Kontrolle auf dem Papier stehen bleiben. Der Abg. Korfanty vergißt, daß die Löhne der Arbeiter im Westen weit höher sind als in Oberschlesien; warum gehen die Arbeiter von da nicht dorthin? Ja, das ist ganz ernst gemeint; in Deutschland besteht doch die Freizügigkeit und die Arbeiter machen sich die höheren Löhne zunutze; das können die Oberschlesier auch und sie können dort viel besser Deutsch lernen. Am Rhein ist ein so erheb⸗