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Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht:
den Oberlehrer am König Wilhelms⸗Gymnasium in Stettin, Professor Dr. Holsten zum Gymnasialdirektor zu
ernennen und
der Wahl des Oberlehrers, Professors Dr. Max Sie⸗ bourg an dem Königlichen Gymnasium in Bonn zum Direktor des Gymnasiums in M.⸗Gladbach die Allerhöchste Bestätigung
zu erteilen.
Verordnung
gen Einberufung der beiden Häuser des Landtags.
Vom 21. Dezember 1906.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnade Preußen ꝛc.
verordnen gemäß Artikel 51 der Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850 auf den Antrag des Staatsministeriums,
was folgt:
Die beiden Häuser des Landtags der Monarchie, das Herrenhaus und das Haus der Abgeordneten, werden auf den 8. Januar 1907 in Unsere Haupt⸗ und Residenzstadt Berlin
zusammenberufen.
Das Staatsministerium wird mit der Ausführung dieser
Verordnung beauftragt.
Urkundlich unter Unserer Hö bsteigenhändigen Unterschrife
und beigedrucktem Königlichen Insiegel. Gegeben Neues Palais, den 21. Dezember 1906. (L. S.) Wilhelm. Fürst von Bülow. Graf von Posadowsky. von Studt. Freiherr von Rheinbaben. von Bethmann⸗Hollweg. Delbrück. Breitenbach.
Beseler.
Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinalangelegenheiten.
Dem Gymnasialdirektor Dr. Holsten ist die Direktion mnasiums in Pyritz übertragen worden.
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er Landgerichtsrat Birkenfeld vom Landgericht I in Berlin ist infolge seiner Ernennung zum Mitgliede des Kaiser⸗ lichen Patentamts mit dem Charakter als Geheimer Regierungs⸗ rat aus dem Justizdienst geschieden.
Dem Amtsgerichtsrat Bernstein in Köpenick ist die nachgesuchte Entlassung aus dem Zustizdienst erteilt.
Versetzt sind: der Landgerichtsrat Moecke in Ratibor nach Breslau, der Amtsgerichtsrat Ernst vom Amtsgericht Berlin⸗Mitte an das Landgericht Iein Berlin und der Amts⸗ richter Thiele in Bredstedt nach Neustadt a. R.
Dem Notar, Justizrat Dr. Rudolph in Hannover ist die nachgesuchte Entlassung aus dem Amt erteilt.
Dem Notar, Justizrat Kammer in Gnadenfeld ist der
Anmetssitz in Leobschuͤtz angewiesen.
Zu Notaren sind ernannt: die Rechtsanwälte Plange in Kamen, Mau in Sonderburg, Boehm in Marienburg und Hildt in Wronke.
In der Liste der Rechtsanwälte sind gelöscht: die Rechts⸗ anwälte Justizrat Kammer bei dem Amtsgericht in Gnaden⸗ feld, Dr. Schoenberner bei dem Landgericht I in Berlin,
Maul bei dem Landgericht II in Berlin und Altmann bei
dem Amtsgericht und dem Landgericht in Potsdam. In die Liste der Rechtsanwälte sind eingetragen: die Rechtsanwälte Justizrat Kammer aus Gnadenfeld bei dem Amtsgericht in Leobschütz, Maul vom Landgericht II in Berlin bei dem Landgericht III in Berlin, von Brockhusen aus Schönau bei dem Amtsgericht in Charlotten⸗ de Landgericht II in Berlin mit tz in Charlottenburg, Altmann aus Potsdam bei dem Amtsgericht in Steinau a. O., die Gerichtsassessoren Danziger bei dem 8 I in Berlin, Bertelsmann bei dem Landgericht in Bielefeld, Dr. Alexander Meyer bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Bonn, von Lojewski bei dem Amtsgericht in Johannisburg, Genschmer bei dem Amtsgericht in Jarotschin und der 11 Gerichtsassessor Ravn bei dem Landgericht in Flens⸗ urg. g.Der Senatspräsident bei dem Kammergericht Eichhorn, die Amtsgerichtsräte Geheimer Justizrat Günther in Halber⸗ stadt und Dr. Bartsch in Harburg und der Notar Caesar in Düsseldorf sind gestorben.
Ministerium für Landwirtschaft. Domänen und Forsten.
Der Professor Dr. Schmaltz zu Berlin ist zum Rektor der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin für die Amtsperiode vom 1. Januar 1907 bis dahin 1910 ernannt worden.
Hauptverwaltung der Staatsschulden.
Bekanntmachung.
Die Zinsscheine Reihe VI Nr. 1 bis 20 zu den 3 ½ prozentigen. Prioritätsobligationen III. Serie der Bergisch⸗Märkischen Eisenbahn über die Zinsen für die Zeit vom 1. Januar 1907 bis 31. Dezember 1916 nebst den Erneuerungsscheinen für die folgende Reihe werden vom 2. Januar 1907 ab von der Kontrolle der Staats⸗ papiere in Berlin SW. 68, Oranienstraße 92/94, werktäglich von 9 Uhr Vormittags bis 1 Uhr Nachmittags, mit Ausnahme der drei letzten Geschäftstage jedes Monats, ausgereicht werden.
Die Zinsscheine sind entweder bei der Kontrolle der Staatspapiere am Schalter in Empfang zu nehmen oder durch die
beziehen.
Wer die Zinsscheine bei der Kontrolle der Staats- papiere zu empfangen wünscht, 8 persönlich oder durch hebung der neuen Reihe berech⸗
tigenden Erneuerungsscheine (Zinsscheinanweisungen) der ge⸗ nannten Kontrolle mit einem Verzeichnisse zu übergeben,
einen Beauftragten die zur Abhebung
zu welchem Formulare ebenda und in Hamburg bei dem Kaiserlichen Postamt Nr. 1 unentgeltlich zu haben sind.
Provinzialkassen beziehen will, hat dieser Kasse die Erneuerungs⸗ scheine mit einem doppelten T
König von
von Einem.
eine Verzeichnis wird, mit einer Empfangsbescheinigung ver⸗ sehen, sogleich zurückgegeben und ist bei Aushändigung der Zinsscheine wieder abzuliefern. Formulare zu Resen Ver⸗ zeichnis sind bei den Provinzialkassen und den von den Königlichen Regierungen in den Amtsblättern zu bezeichnenden sonstigen Kassen unentgeltlich zu haben.
Der Einreichung der Prioritätsobligationen bedarf es zur Erlangung der neuen Zinsscheine nur dann, wenn die Erneue⸗ rungsscheine abhanden gekommen sind; in diesem Falle sind die Obligationen an die Kontrolle der Staatspapiere oder an
einzureichen. Beerlin, den 14. Dezember 1906. Hauptverwaltung der Staatsschulden.
von Bitter.
Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 47 des Gesetzsammlung enthält unter Nr. 10 775 die Verordnung wegen Einberufung der beiden Häuser des Landtags, vom 21. Dezember 1906. Berlin W., den 22. Dezember 1906. Königliches Gesetzsammlungsamt
Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 22. Dezember.
Seine Majestät der Kaiser und König hörten heute vormittag im Neuen Palais bei Potsdam die Vorträge des Staatssekretärs des Reichsmarineamts, Admirals von Tirpitz und des Chefs des Marinekabinetts, Kontreadmirals von Müller.
Der Königlich großbritannische Botschafter Sir Frank C. Lascelles ist nach Berlin zurückgekehrt und hat die Leitung der Botschaft wieder übernommen.
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Oesterreich⸗Ungarn.
Das österreichische Herrenhaus hat gestern die Numerus clausus⸗Vorlage ohne Debatte in allen Lesungen nach den Vorschlägen der Wahlreformkommission angenommen, die die Höchstzahl der Herrenhausmitglieder auf Lebenszeit auf 170, die Mindestzahl auf 150 festsetzen und weiter bestimmen, daß das Grundgesetz, betreffend Aenderung der Reichsvertretung, nur gleichzeitig mit der vom Abge⸗ ordnetenhaus erledigten Numerus clausus-⸗Vorlage erledigt werden dürfe. Alsdann wurde die Generaldebatte über die Wahlreformbehhg.
Nach dem Bericht des „B⸗T. B.⸗ feantragte der Berichterstatter Czedik namens der Kommission, zunccchst nur über die Reichsrats⸗ wahlordnung in der Fassung des Abgeordnetenhauses abzustimmen und das Grundgesetz über die Aenderung der Reichsvertretung bis zur Er⸗ ledigung der Numerus clausus-Vorlage durch das Abgeordneten⸗ haus zurückzustellen. Der Graf Franz Thun erklärte sich als Gegner der Wahlreform, weil er sich der Gefahren bewußt sei, die eintreten könnten, wenn die Wahlreform Gesetz werde. Er habe versucht, die Vorlage durch Einfügung der Alters⸗ luralität zu verbessern; da er jedoch im gegenwärtigen Augenblicke die usführung dieser Verbesserung für unerreichbar halte, ziehe er vor, die Vorschläge des Berichterstatters anzunehmen. Er müsse die gegen den Feudaladel erhobenen Vorwürfe auf das entschiedenste zurückweisen; der Feudaladel handle stets, seiner Ueberzeugung folgend, im Interesse des Staates. Mögen jene recht behalten, die von der Wahlreform eine segensreiche Entwicklung erhoffen. Dr. Mottusch betonte, daß durch die vorliegende Wahlreformvorlage das gleiche Recht der Volksstämme nicht gewahrt, vielmehr arg verletzt werde. Ins⸗ besondere habe das tschechiche Volk allen Grund, sich als sehr benachteiligt anzusehen. Der Redner wandte sich gegen die Nichterweiterung der Länderautonomie und gab der Befürch⸗ tung Ausdruck, daß dies langandauernde Verfassungskämpfe nach sich ziehen werde. Der Freiherr von Berger bemerkte, es hieße denjenigen, welche auf die Wahlreform als ihr gutes Recht warten, in politischer Hinsicht einen Bissen vom Munde weg⸗ nehmen, wolle man die Wahlreform erschweren oder vereiteln. Die Wahlreform sei eine natürliche Tochter des Zeitgeistes und des Volks. Der Redner erwartet von der Wahlreform einen politischen Heilungs⸗ und Gesundungsprozeß; er werde aus Anhänglichkeit für den Thron und aus Liebe zum Vaterlande für die Vorlage in der Fassung des Abgeordnetenhauses stimmen. Der Fürst Schönburg bekannte sich als entschiedener Anhänger der Alterspluralität und erklärte im weiteren Verlauf seiner Rede, daß er vom numerus clausus nicht den geringsten Erfolg erwarte. Der Graf Harrach sprach sich auf das entschiedenste gegen die Pluralität und für die unveränderte An⸗ nahme der Wahlreformvorlage aus. Der numerus clausus stärke die Position des Herrenhauses. Er (Redner) hoffe, daß nun eine Aera der Zusammenarbeit beider Hiuser eintreten werde. Der Minister⸗ präsident Freiherr von Beck betonte, der ö betreffend den numerus clausus, sei der Anregung des Herrenhauses selbst entsprungen, und die Regierung habe nicht gezögert, hierzu sofort ihre volle Zustimmung zu geben. Es entspreche den Grundsätzen des wahren Konstitutiona⸗ lismus, daß neben einem reinen Volkshause ein vollständig gleich⸗ berechtigtes Oberhaus bestehen solle. Das Herrenhaus sei durch seine langjährige hervorragende Tätigkeit über den Wlderstreit der nationalen Interessen schlechtweg erhaben und daher zu einem ojektivem Urtetle über öffentliche Dinge von vornherein befähigt. Eine feste Grenze für die Mitgliedschaft dieser Körperschaft empfehle sich schon desbalb, damit die außerordentliche Bedeutung und die Würde dieses Hauses nicht verblasse. Das Volkshaus solle alle Bestrebungen des Volkes nicht nur ausdrücken, sondern in dem legalen Prozesse der
Regierungshauptkassen sowie in Frankfurt a. M. durch die Kreiskasse zu
angeführt werde. Die soziale Frage sei die tägliche ZSorge der Re⸗ E1“ . ; — gierun ön 869 hbarer Zeit keine Lebens
Wer die Zinoscheine durch eine der ohengenannten Perungz sie koönne aber in absehössee Zeit kemne Lehensfrage des
eser Kasse , ⸗- Ministerpräsident fort, „wenn wir sie nicht durch diese Ein⸗
Verzeichnis einzureichen. Das
Verfassungsmäßigkeit auch zur Geltung bringen, der nie anders schließen sollte, als durch den Ausgleich der Interessen auf der mittleren Linie. Der Ministerpräsident sprach sich sodann für den numerus clausus aus und dankte namens der Regierung dem Grafen Thun, dem man es zu danken habe, daß es ge⸗ lungen sei, zu einer Verständigung in dieser überaus Feeresertler Frage zu kelangen. Der Ministerpräsibent gab dann einen Rück⸗ blick auf die Entstehungsgeschichte der Wahlreform und setzte aus⸗ einander, warum die Regierung den Anhängern der Pluralität nicht die Hand reichen könne. Der Vorschlag, die Pluralität einzuführen, sei von äußerst problematischem Werte. Oesterreich weise eine andere politische und soziale Struktur auf, als die westlichen Staaten, vor allem Belgien, das so gern als Beispiel für das Pluralwahlrecht
Staates werden. „Wir haben sie nicht zu fürchten“, fuhr der
eine der genannten Provinzialkassen mittels besonderer Eingabe
wird mit dem Staatsinteresse und der Dynastie durch das glei bestimmungsrecht an der Gesetzgebung dauernd Mü. Herrscherhaus kann seinen erhabenen und schwierigen Aufgaben n gerecht werden, wenn jeder einzelne von der Ueberzeugung durchde ur ist, daß jeder Staatsbürger dem väterlichen Herzen des Monar gleich nahe ist. Die Zukunft wird es lehren, ob es ein Uebel 6 wenn durch die Heranziehung gesunder Elemente, die den Kern Wund die Masse der Bervölkerung bilden, dem Staatzkoͤrpa mehr Kraft und Wärme zugeführt wird, oder ob es nich besser ist, wenn das, was in der Bevölkerung lebt und webt, an d Oberfläche kommt. Was aber immer die Zukunft bringen mag die Gegenwart hat das Wort, und sie verlangt mit unwiderstehliche Gewalt, daß der Schlußstein zu der Wahlreform gelegt wird Jedes andere Beginnen würde von unheilvollen Folgen für den Staat begleitet sein. Verkünden Sie den Völkern Oesterreichs 88 was sie am dringendsten bedürfen, nämlich Frieden.“ Im weitern, Verlaufe der Verhandlung führte der Fürst Karl Auersperg aus: er könne die Ansicht, daß es im neuen Hause werde besser werden, nich teilen. Jetzt habe weder die Dynastie, noch die Regierung, noch dat Parlament das Heft in Händen. Unter den heutigen Umständen sei es gleichgültig, ob der numerus clausus komme oder nicht. — Fürstbischof Jeglitsch sprach sich für die Vorlage aus, erötterte die Gefahren, die durch die Soztaldemokratie drohten, und meinte schließ⸗ lich, durch daz allgemeine Wahlrecht werde eine vollkommene Ent⸗ wicklung aller Völker und Rassen geschaffen werden.
Nach einer kurzen Unterbrechung der Sitzung wurde die Generaldebatte über die Wahlreform fortsefeht und dann nach unerheblichen Erörterungen geschte gen Hierauf wurde der Vertagungsantrag der Wahlreformkommission bezüglich des Grundgesetzes über die Reichsvertretung und so⸗ dann das Gesetz, betreffend die Wahl der Mitglieder des Reichsrats und die Reichsratswahlordnung sowie die Wahlkreiseinteilung, in der Spezialdebatte ohne Debatte angenommen. Bei dem 5, der die Pluralität betrifft, wurde auf Antrag Chlumecky getrennt abgestimmt. Zunaͤchst wurde der erste Teil dieses Paragraphen, der sich mit dem vom Abgeordnetenhause beschlossenen § 5 deckt angenommen und säbaen der zweite Teil des Paragraphen, der die Alterspluralität statuiert, abgelehnt. Schließlich wurde das Gesetz, betreffend die Wahl der Mitglieder des Reichsratz und die Reichsratswahlordnung, in dritter Lesung angenommen und darauf die Sitzung geschlossen.
— Das österreichische Abgeordnetenhaus hat gestern das Budgetprovisorium in allen Lesungen an⸗ genommen, ebenso die Vorlage, durch die die Regierung er⸗ mächtigt wird, die handelspolitischen Beziehungen mit einigen Staaten des Auslandes zu regeln, das Gesetz zur Förderung der Marine sowie die Vorlage, betreffend die Subventionierung des Schiffahrtsverkehrs nach Dalmatien, Brasilien und Ostafrika. Nach Erledigung einiger Immunitätsangelegenheiten hat das Haus sodann seine Weihnachtsferien angetreten.
— Die ungarische Delegation hat in der gestrigen Sitzung das Marinebudget in der Spezialdebatte ange⸗ nommen und die Beratung des Budgets des Auswärtigen be⸗ gonnen.
Der Berichterstatter Thoroczkay wies, obiger Quelle zufolge, auf die jüngsten Erklärungen Tittonis hin, die die Bedenken über die Festigkeit des Dreibundes zerstreut hätten und im Tone wärmer ge⸗ wesen seien, als man je von einem italienischen Staatsmanne gehört hätte. Auch der Fürst Bülow habe in entschiedener und warmer Weise das gute, freundschaftliche Verhältnis zu Oesterreich⸗Ungarn betont. Diese erfreulichen Erscheinungen seien unmittelbar nach dem Amtsantritt des Freiherrn von Aehrenthal zu Tage getreten, wodurch die Zuversicht bestärkt werde, daß die Hoffnungen, die an die Wirksamkeit des neuen Ministerz des Auswärtigen geknüpft würden, sich erfüllen würden. Die Delegierten Szemere und Saghi befürworteten freundschaft⸗ liche Beziehungen zu den Balkanvölkern. Der Delegferte Saghi erblickte als Grund einer gew ssen Abkühlung des Verhältnifses zwischen und Oesterreich die Wirksamkeit des all⸗ deutschen Verbandes, die auch auf Ungarn übergreife und der die offiziellen deutschen Kreise doch entgegentreten sollten. Der Redner begrüßte dann die jüngsten Erklärungen des Fürsten Bülow, die gewisse Empfindlichkeiten, die in Ungarn bestanden haben, beseitigt hätten. Der Finanzminister Freiherr von Burian erklärte im Namen des Ministers des Aeußern Freiherrn von Aehrenthal, derselbe habe mit Befriedigung aus der Debatte die Ueberzeugung gewonnen, daß die Grundzüge seiner Politik der nahezu einstimmigen Zustimmung der Delegierten begegneten. Gegenüber Buzati, der in dem Exposé einen gewissen kühlen Ton gegenüber Italien zu finden glaubte, sei der Minister des Aeußern in der glück⸗ lichen Lage, auf die Erklärungen des italienischen Ministers des Aeußern Tittoni zu verweisen, die den Minister natürlich mit größter Befriedigung erfüllten. Er habe sich auch beeilt, seinen italienischen Kollegen seinen warmen Dank und Beifall auszudrücken. Diese Rede sei der beste Beweis dafür, daß die Er⸗ des Freiherrn von Aehrenthal in Italien den entprechenden Widerhall gefunden hätten, und das widerlege schon genügend die Behauptungen Buzatis. Die Erklärungen des italienischen Ministerz Tittoni bestärkten in prächtiger Weise die Erklärungen Aehren⸗ thals, daß zwischen beiden Ministern des Aeußern vollständige Identität der Auffassungen hinsichtlich aller beide Mächte be⸗ treffenden Angelegenbeiten bestehe. Beide Minister faßten auch in gleicher Weise die Modalitäten der weiteren Pflege dieses Verhältnisses auf. Dieses Einvernehmen erstrecke sich auch, wie Tittoni richtig bemerkt habe, auf das im Verein mit Rußland auf Grund des europäischen Mandats in Mazedonien befolgte Vor⸗ gehen, wobei Italien und die übrigen Mächte entsprechend mit⸗ wirkten. Dasselbe Bestreben, das die Grundlage des Vorgehens Oesterreich⸗Ungarns bilde, daß nämlich die territortale Integrität der Türkei, solange es möglich sei, erhalten werde, charakterisiere das mit Italien betreffend Albanten zustande gekommene Uebereinkommen, das ausschließe, daß Oesterreich Ungarn oder Italien dieses Gebiet in Besitz nehmen. Wenn daher hier einmal der status quo n mehr aufrecht erhalten werden könne, könne die Neugestaltung nur im Sinne einer Autonomie zustande kommen. Mit Recht habe Tittoni darauf hingewiesen, daß in Oesterreich⸗Ungarn niemand ernst⸗ lich an die Möglichkeit eines Zusammenstoßes zwischen Deutschland und England denke, und es sei unmöglich, auch nur vorauszusetzen, daß in dieser zur Lösung so vieler und großer Fragen berufenen Epo zwei führende Kalturnationen einander in aufreibendem Kampfe zum unermeßlichen Schaden für ganz Europa schwächen wollten. Die in beiden Ländern erfreulicherweise wieder zutage tretende freundschaftliche Stimmung habe den Minister des Aeußern in der Zuversicht gestärkt, daß es gar nicht notwendig sei, sich mit den Eventualitäten eines solchen Zusammen⸗ stoßes auch nur zu befassen. Auf das Verhältnis mit Serbien über⸗ gehend, erklärte der Minister, wenn es nicht so erfreulich sei, als es wünschenswert wäre, so liege die Ursache nicht an dem Minister des Aeußern, der allen Balkanstaaten gegenüber von gleichem Wohlwollen erfüllt sei, sondern an der eigenen Stellungnahme Serbiens, welche⸗ die Bestrebungen des Freiherrn von Aehrenthal nicht genügend unter⸗ stützte, der präzis zwischen dem politischen und volkswirtschaftlichen Ver⸗ bältnis zu Serbien unterschieden habe, um ein Uebergreifen der auf volks⸗ wirtschaftlichem Gebiete aufgetauchten Schwierigkeiten auf das polttische Gebiet zu vermeiden. „Wir erwarten,“ fuhr der Minister fort, „daß die gegen das österreichisch⸗ungarische Regime in den okkupierten Provinzer
richlungen künstlich verschärfen. Das Interesse jedes Staatsbürgers
gerichteten öffentlichen Kundgebungen, die zu verhindern die serbisch Regierung nicht einmal versucht, endlich ein Ende nehmen werden
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Sollte dies wider allgemeines Erwarten nicht der Fall sein, so könnte dies nicht nur die auch für uns sehr wünschenswerte Wieder⸗ herstellung normaler volkswirtschaftlicher Beziehungen erschweren, sondern auch in weiterer Folge das politische Verhältnis un⸗ günstig beinfl ssen. In bezug auf die Legende von unseren an⸗ geblichen Absichten auf Erxoberung auf dem Balkan bemerke ich: Nachdem unsere Politik Jahr für Jahr gezeigt hat, daß wir keine Eroberungszwecke verfolgen, brauchen wir, solange man uns nicht durch handgreifliche Daten beweist, daß wir die Unwahrheit behaupten oder der politischen Welt falsche Zusicherungen machen, darauf gar nicht einzugehen; denn demjenigen, der in tendenziöser Weise das Gegenteil behauptet, die Wahrheit beweisen zu wollen, wäre ein zweckloses Unternehmen. Ich möchte nur nebenbei bemerken, daß die Verleumdung planmäßig Jahr für Jahr ausgestreut, geschürt und verbreitet wird von Elementen, die damit nur ihre eigenen selbstischen Zwecke bemänteln wollen.“
Das Budget des Aeußern wurde darauf angenommen und die nächste Sitzung auf heute anberaumt.
— Nach dem Ausweis der ungarischen Staatskassen für das 3. Quartal 1906 betrugen die Gesamtausgaben 276 620 7668 Kronen und die Gesamteinnahmen 357 526 289 Kronen. Die Einnahmen sind um 103 216 545, die Ausgaben um 20 860 836 höher als in dem gleichen Zeit⸗ raum des Vorjahres. Die Bilanz des dritten Quartals ist daher um 82 355 709 Kronen günstiger als in der gleichen Zeitperiode des Jahres 1905. Die erhebliche Differenz in den Einnahmen stammt daher, daß im Vorjahre infolge des ex lex⸗Zustandes 89 Millionen an Steuern weniger ein⸗ gegangen sind.
— Wie das „W. T. B.“ berichtet, hat der Chef der Post⸗ verwaltung gestern eine Deputation der in die passive Resistenz getretenen Postdienerschaft empfangen und ihr die in Aussicht genommenen Maßnahmen zur Besserung der Gehaltsverhältnisse der Postdienerschaft auseinander⸗ gesetzt und versprochen, bei der demnächstigen Regelung der Bezüge aller Staatsbediensteten die Wünsche der Post⸗ dienerschaft tunlichst zu berücksichtigen. Die Postverwaltung müsse jedoch von den Postbediensteten eifrige Pflichterfüllung und korrekte Haltung verlangen; er warne vor Schritten, die den Verkehr stören und der Postdienerschaft garnichts nützen, ihr im Gegenteil noch verhängnisvoll werden könnten.
Großbritannien und Irland. “
Das Parlament ist gestern mit einer Thronrede geschlossen worden. In der Thronrede gedenkt der König zunächst der Vermählung seiner Nichte mit dem König von Spanien und der glücklichen Errettung des Königs und der Königin von dem gegen sie verübten Anschlag und sagt dann, „W. T. B.“ zufolge:
Der Besuch des Königs und der Königin von Norwegen war mir
eine aufrichtige Freude; er wird nicht verfehlen, die freundlichen Be⸗ ziehungen zwischen beiden Ländern zu befestigen. Die Beziehungen zu den fremden Mächten sind fortgesetzt freundliche. Das Zu⸗ standekommen der Algericasakte wird hoffentlich zur Verbesserung der Lage in Marokko beitragen. Eine Verbesserung der Verhältnisse tritt auf Kreta deutlich in Erscheinung. Den Reformen in Mazedonien und deren all⸗ mählicher Einführung schenken die Mächte ihre dauernde Aufmerksamkeit. Weiter weist die Thronrede auf den Abschluß der Vereinbarungen mit Frankreich und Italien über die Auf⸗ rechterhaltung des status quo in Abessinien und über den Waffen⸗ handel an der Somaliküste sowie auf die Unterzeichnung der Kon⸗ vention mit Frankreich über die Neuhebriden hin. Die Thron⸗ rede erwähnt sodann die befriedigenden Abmachungen mit Deutschland über die er Grenzen in der Umgebung des Tschadsees und des Victoria⸗Nyvanza und mit Frankreich über die beiderseitige Grenze zwischen dem Tschadsee und dem Niger sowie die Regelung der Grenzfragen zwischen dem englisch⸗ägyptischen Sudan und dem Congostaat und zwischen Aegypten und der Türkei im Osten und ferner die Unterzeichnung der Konvpention über den Handel mit Spirituosen in Afrika. Der freundschaftliche Besuch, den der Emir von Afghanistan demnächst dem Vizekönig von Indien ab⸗ zustatten gedenkt, wird als ein erfreulicher Beweis für die uten Beziehungen des Emirs zu der indischen Regserung eijeichnet. Der König hofft, daß die Transvaal und Orangeflußkolonie gewährte eigene Verwaltung zur Einig⸗ keit und Stärke der südefrikanischen Besitzungen beitragen möge, stellt die Andauer der Ruhe in Irland sowie die allgemeine Besserung der Lage der dortigen Bauern fest und schließt den Ueber⸗ blick über die in der beendeten Tagung vollbrachten Arbeiten mit dem Auedruck des Bedauerns, daß trotz der langen Beratungen über die Verbesserung des Schulwesens die hierbei zutage getretenen Schwierig⸗ keiten keine Lösung gefunden hätten.
Frankreich.
Die Besprechung der Interpellation, betreffend die Un⸗ zulänglichkeit des Flottenprogramms, ist gestern im Senat wieder aufgenommen worden.
Wie das „W. T. B.“ berichtet, legte der Marineminister Thomson in seiner Antwort an die Interpellanten dar, daß die Aufstellung eines Flottenprogramms, das sich in einer bestimmten Feit verwirklichen lasse, für die französische Flotte ebenso notwendig sei wie für die Flotten fremder Mächte. Er verteidigte in längerer
Rede das System eines Flottenprogramms, wie es ofa
britannien und die Vereinigten Staaten befolgten. Infolge dieses Systems würde Frankreich nicht mehr verschiedene Schiffstyps besitzen, sondern über eine vollkommen gleichartige Flotte verfügen. Das Programm vom Jahre 1900 sei jetzt fast ausgeführt; die Kreuzer „Patrie“ und „Röpublique“, die zur Zeit ihre Versuchsfahrten machten, könnten im Bedarfsfalle in die Flotte eingereiht werden. Frankreich würde morgen Deutschland die Stirne bieten können. Der Minister führte alsdann aus, daß die Forderung von 6 Kreuzern das unentbehrliche Minimum darstelle, um die Lücken auszufüllen, die in der Flotte durch das Auzscheiden der alten und unzulänglichen Panzer entständen, und wies des weiteren darauf hin, daß auf das Gutachten der nach England entsandten technischen Kommission die Regierung beschlossen habe, die Hälfte der neuen Fcle mit Turbinen auszu⸗ rüsten. Der Minister widerlegte die kritisierenden Ausführungen des Senators Monis, sprach sich anerkennend über die französische Marineartillerie aus und erklärte, daß die Regierung im Begriffe sei, Angriffunterseeboote von 500 Tonnen zu bauen. Frankreich werde so einen Vorsprung ausnutzen können, um sich eine furchtbare Waffe zu verschaffen. er Minister zollte den Taten der französischen Seeleute im Jahre 1870 seine Anerkennung, erinnerte an die Dienste, welche die Marine im äußersten Osten ge⸗ leistet habe und wies darauf hin, daß die Schiffe bereit seien, nach Tanger in See zu gehen, sobald der Befehl dazu erteilt würde. Der Redner versprach, die Lage der Arsenalarbeiter zu verbessern, und erklärte, es würde von Nutzen sein, die Organisation der englischen Arsenale zu studieren. Zum Schluß bat der Minister den Senat, die für die Aufrechterhaltung der maritimen Machtstellung Frankeeichs nötigen Mittel nicht zu verweigern. Der Senat nahm eine Tagesordnung an, in der den Erklärungen der Regierung zugestimmt wird. —Die gestrige Sitzung der Deputiertenkommer ea mit der Beratung des Gesetzentwurfs über die Kultus⸗ reiheit. Nachdem die Dringlichkeit hierfür ausgesprochen war, verlas der Deputierte Lasies (Antisemit), „W. T. B.“ zufolge, eine Erklärung,
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durch die Einspruch erhoben wird gegen die von der Regierung gegen die katholische Kirche vorgeschlagenen Maßnahmen. Der Deputierte Raiberti (radikal) behauptete, der Laienstaat würde keine Beein⸗ trächtigung erfahren, wenn er mit dem Vatikan verhandeln würde.
Er beantragte, daß man in das Gesetz die Bestimmung auf⸗ nehme, daß die Benutzung der Kirchen ohne Vergütung kirch⸗ lich dazu ermächtigten Kultusbeamten übertragen werden könne. Ribot (Republikaner) glaubte, daß Briand bald bedauern werde, das neue Gesetz vorgelegt zu haben. Er könne sich nicht erklären, warum es nötig sei, neue Gesetze zu schaffen. Man habe versprochen, die Kirchen offen zu lassen, möge man sie offen lassen und möge man doch nicht von den Pfarrern verlangen, daß sie abgeben. Der Kultusminister Briand bemerkte gegen⸗ über Ribot, daß jetzt von allen Seiten die vorgeschriebenen Er⸗ klärungen einliefen. Seit langem habe die Regierung vorausgesehen, was heute vorgehe; der Papst habe die französischen Katholiken in Abhängigkeit von sich gehalten, heute solle ihnen nun das Recht gegeben werden, sich frei zu organisieren. „Wir werden“, fuhr der Minister fort, „unser kaltes Blut nicht, wie Ribot befürchtet, verlieren angesichts einer Lage, die, alles in allem genommen, durchaus befriedigend ist. Das Land ist ruhig und billigt unsere Politik. Unsere Politik der Mäßigung wird von der öffentlichen Meinung gut aufgenommen. Mehrere Bischöfe, sogar zwei Erzbischöfe, haben uns gebeten, sie auszuweisen, damit beim Heiligen Stuhle nicht der Verdacht gegen sie aufkomme, daß sie mit uns im Einverständnis seien. Wir wissen, daß der Vatikan auch das Gesetz von 1901 ablehnen wird, aber wir werden es zu erzwingen wissen, daß das Gesetz nicht über⸗ treten wird.“ Der Minister forderte schließlich alle Republikaner auf, die Regterung zu unterstützen. Der Deputierte Piou unterzog darauf die Regierungsvorlage einer Kritik und sagte, durch die Bestimmungen der Vorlage werde der Kultus der Willkür der Gemeindebehörden ausgeliefert. Der Redner nahm für die Katholiken das Recht in An⸗ spruch, dem Papst Gehorsam zu leisten.
Nachdem noch mehrere Redner gesprochen hatten, wurde die Generaldiskussion geschlossen und zur Beratung der ein⸗ zelnen Artikel übergegangen. Schließlich nahm die Kammer das Gesetz mit 383 gegen 146 Stimmen an und vertagte sich bis zum 28. Dezember. Die Mehrheit umfaßt die Sozialisten, die Sozialistisch⸗Radikalen, die Radikalen und die demokratische ereinigung. Die Minorität setzt sich aus der Rechten, den Nationalisten und einigen ge⸗ mäßigten Republikanern zusammen. 36 Deputierte, darunter ein großer Teil der republikanischen Vereinigung und mehrere protestantische Radikale, enthielten sich der Abstimmung.
— Nach einer Meldung des „W. T. B.“ hat sich gestern in Vesoul ein Zwischenfall bei der Ausweisung der Lehrer und Zöglinge des dortigen Großen Seminars ereignet, indem Gendarmen die Umzäunung mit Leitern übersteigen und die Türen der Kapelle einstoßen mußten, um in die Anstalt zu ge⸗ langen. Dabei kam es zu Handgreiflichkeiten. Ebenso ver⸗ ursachte, wie aus Toulouse gemeldet wird, der Auszug des dortigen Früctscgeft aus seinem Palais eine Straßenkund⸗ gebung, bei der die Polizei 30 Personen, darunter 12 Geist⸗ liche, verhaftete.
Rußland.
Durch einen Ukas vom gestrigen Tage werden die Wahlen zur Reichsduma auf den 19. e 1907 an⸗ gesetzt. Dieser Ukas gilt, „W. T. B.“ zufolge, nicht für den Nordkaukasus und den Transkaukasus, für Mittelasien und Sibirien, für welche Gebiete der Wahltermin noch nicht fest⸗
esetzt ist.
8 Stadt und das Gouvernement Baku sind durch Ukas im Fessn⸗ des außerordentlichen Schutzes, an⸗ statt im Kriegszustande befindlich, erklärt worden. 8
Italien. “
Der Päpstliche Stuhl hat den Mächten gestern eine Note übermittelt, in der er gegen die von der französischen Regierung in dem Palais des Vertreters des Heiligen Stuhles vorgenommene Haussuchung, gegen die Fortschaffung verschiedener Schriftstücke und die gewaltsame Aus⸗ treibung des Mgr. Montagnini protestiert.
Die Note betont, „W. T. B.“ zufolge, die Ungeheuerlichkeit eines selchen Vorgehens, das bisher bei den zivilisierten Nationen beispiellos dastehe. Denn selbst wenn die diplomatischen Beziehungen zwischen zwei Staaten aufhörten, so respektiere man doch nach wie vor den Wohnsitz und das Archiv der fremden Vertreter. Die französische Re⸗ gierung habe Kataloge und Akten aus der Nuntiatur aus den Zeiten Claris und Lorenzellis fortgeschafft und einen Schlüssel für Tele⸗ gramme, die zwischen Lorenzelli und dem Heiligen Stuhl ausgetauscht worden seien. Diese Sequestierung sei eine sehr schwere Beleidi⸗ gung nicht nur für den Heiligen Stuhl, sondern auch für alle zivili⸗ sierten Mächte, die ein höchstes Frtene daran hätten, die diplomatischen Geheimnisse respekliert zu sehen. Der Hentige Stuhl protestiert in gleicher Weise gegen die durch die französische Regierung vorge⸗ nommene Verletzung eines unbestreitbaren Rechtes des Kirchenfürsten, anhaftend seiner Eigenschaft als Oberhaupt der Kirche, nämlich des Rechtes, direkt durch Vermittlung bestimmter Personen in Brief⸗ wechsel zu treten mit den Katholiken der ganzen Weli, mit Bischöfen sder einfachen Gläubigen, über alles das, was auf das geist⸗ liche Wohl der Katholiken selbst Bezug hat.
Der Kardinal⸗Staatssekretär fügt hinzu: „Es ist auch nicht der Schatten einer Grundlage vorhanden für den Vorwand, den die frarzöoͤsische Regierung zur Rechtfertigung ihres Vorgehbens angegeben hat. Mgr. Montagnini hat den drei Geistlichen in Paris, die wegen Verletzung des Gesetzes von 1905 verfolgt werden, keinerlei Mitteilungen zukommen lassen. Die Vertreter des Heiligen Stuhls erhielten außer⸗ dem ein Zirkular, das die Gründe für die bis dahin vom Heiligen Stuhl gegenüber der französischen Regierung beobachtete Haltung, betreffend die Anwendung des Gesetzes von 1905, darlegt. Diese Gründe sind so gewichtig und klar, daß niemand dem Heiligen Stuhl Unversöhnlichkeit oder ungerechtfertigte Feindseligkeit gegenüber der französischen Regierung vorwerfen kann. Das Gesetz von 1905 verkannte die wesentlichen Rechte der Kirche, die auf ihrer Verfassung selbst beruhen, nämlich die, welche die von ihrem göttlichen Gründer eingerichtete Hierarchie als die Grundlage der Organisation der Kirche ansehen. In der Tat übertrug das Gesetz von 1905 nicht nur den Kultusverbänden bezüglich der Ausübung des Kultus und bezüglich des Besitzes und der Verwaltung der Kirchengüter Rechte, die ausschließlich die kirchliche Behörde besitzt, sondern es entzog sogar die Verbände selbst der Hierarchie. Es machte sie unabhängig, um sie der Jurisdiktion der weltlichen Behörde zu unterstellen. Es ist klar, daß der souveräne Pontifex die Bildung solcher Verbände nicht gutheißen konnte, ohne gegen seine Pflichten in seiner Eigenschaft als Oberhaupt der Kirche zu verstoßen und ohne selbst die dogmatischen Grundsätze der Kirche zu verletzen. Dies gilt noch mehr von dem Rundschreiben des Kultusministers Briand vom 1. Dezember. Ohne andere Erwägungen anzustellen, konnte der Heilige Stuhl unter keiner Bedingung eine ungerechte und unerträgliche Lage zulassen, welche dies Rundschreiben für die Diener des Kultus in der Ausübung ihres Amtes schuf. Um sich davon zu überzeugen, genügt es, folgende Be⸗ stimmung anzuführen: Geistliche oder Vikare wird es in der Kirche nur noch ohne rechtlichen Titel geben, sie werden kein Recht haben, irgend einen Verwaltungsakt auszuüben und noch weniger einen
kannten Instruktionen gab. di Empfindungen erfüllt wäre und der Kirche in Frankreich eine Lage
schaffte, die zum mindesten nicht ihre wesentlichen Rechte antastete, so könnte der Heilige Stuhl, ohne den Grundsatz der Trennung im Prinzip anzuerkennen, doch eine solche Lage dulden, um schwere Uebel⸗ stände zu vermeiden, wie er es in anderen Ländern getan hat.“
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— Die Deputiertenkammer hat in ihrer gestrigen Sitzung einen Gesetzentwurf zu Gunsten der Karabinieri⸗ truppe angenommen.
In der Diskussion hob der Deputierte Santini die Verdienste dieser Truppe im inneren und äußeren Dienst hervor. Der Bericht⸗ erstatter Cottafavi wies auf die großen Verdienste der Karabinieri in Kreta und Mazedonien hin, wo die Karabinieri zur Aufrecht⸗ erhaltung der Ordnung auserwählt worden seien und sich einen großen Namen gemacht hätten. Er freue sich über die allgemeine 12. deren sich das Karabinierikorps erfreue, das stets seine Pflicht erfüllt und die Disziplin gewahrt habe.
Spanien.
Die Deputiertenkammer hat in ihrer seftaien Sitzung, „W T. B.“ zufolge, das Budget der Kolonien angenommen. 8 Schweiz. Der Nationalrat hat in der gestrigen Beratung des neuen Militärorganisationsgesetzes, „W. T. B.“ zu⸗ folge, mit 65 gegen 55 Stimmen die Bestimmungen ange⸗ nommen, daß, wenn Konflikte wirtschaftlicher Natur die Ruhe im Innern gefährden oder stören, das dadurch notwendig werdende Truppenaufgebot einzig zu dem Zweck der Aufrecht⸗ erhaltung der öffentlichen Ordnung erfolgen darf. Das gesamte Gesetz, das im Frühjahr vom Stände⸗ rat in die zweite Beratung gezogen wird, ist mit 105 gegen 4 Stimmen angenommen worden. Es enthält eine wesentliche Verlängerung der Rekruten⸗ und Offiziersschulen sowie eine Erweiterung der Pflichten und Kompetenzen der höheren Truppenführer und unter anderem die Bestimmung, daß Familien von einberufenen Wehrmännern im Falle der Not vom Bunde unterstützt werden. Niederlande. “ Die Zweite Kammer hat, wie das „W. T. B.“ meldet, nach fünftägiger Debatte mit 60 gegen 38 Stimmen das Kriegsbudget angenommen und auch die vom Kriegs⸗
minister vorgeschlagenen Maßnahmen zur Entlastung der Chargen und des Arbeitsdienstes der Miliztruppen.
Türkei.
Die Pforte hat, einer Meldung des „Wiener Tele⸗ raphen⸗Korrespondenzbureaus“ zufolge, durch den Ober⸗ ommissar Muchtar-Pascha gegen die Absicht Englands Protest eingelegt, das Sinaigebiet als ein unab⸗ hängiges Departement unter einen englischen Funktionär zu stellen und die Kapitulationen auf⸗ zuheben. Die Pforte weist darauf hin, daß Aegypten ein
integrierender Teil der Türkei ist.
Afrika.
Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ soll in der scherifischen Mahalla immer mehr die Stimmung zum Ausdruck kommen, daß, wenn die Marokkaner kämpfen sollen, sie dies nur gegen die Europäer und nicht gegen die eigenen Landsleute tun würden. Es wird — erklärt, daß der Einführung der Polizei um jeden Preis Widerstand entgegengesett werden soll.
in Telegramm der „Kölnischen Zeitung“ aus Tanger berichtet, daß zahlreiche Rifstämme die Aufforderung Raisulis erhalten haben, ihm Hilfstruppen zu senden, Bum einen feindlichen Einfall zurückzuschlagen. Ihre Antwort lautete fast stets, daß im Falle eines solchen feindlichen Unternehmens Hilfstruppen entsendet werden würden, nicht aber zu einem Kriege Raisulis gegen den Machzen. Auch sn heiligen Krieg würden sie nur dann Raisuli zu Hilfe kommen, wenn der Sultan selbst sie dazu rufe. Dem⸗ nach scheinen Verwicklungen nur im Falle einer unzeitgemäßen Landung von Truppen oder bei einem ungeschickten Verhalten der heute in Tanger eintreffenden scherifischen Mahalla zu er⸗ warten zu sein.
Statistik und Volkswirtschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
Von der Berliner Ortsverwaltung des Holzarbeiter⸗ verbandes ist, wie die „Voss. Ztg.“ mitteilt, der Arbeitgeber⸗ organisation folgender Beschluß der Vertrauensmänner übermittelt worden: „Nachdem die Unternehmer alle beantragten Verbesserungen des neuen Vertrags abgelehnt haben, sind die weiteren Verhandlungen abzulehnen, wenn nicht die Unternehmer vorher Zugeständnisse in Aussicht stellen. Das Einigungsamt des Gewerbegerichts ist anzurufen, um ein Urteil abzugeben über den Vertragsbruch der Unternehmer.“ — Die Aussperrung der Automobildroschkenführer ist, nach demselben Blatte, nunmehr von den Arbeitgebern beschlossen worden. Der Verein der Kraftdroschkenbesitzer nahm Kenntnis von der Ab⸗ stimmung der Automobildroschkenführer und beschloß daraufhin, dem Verein der Droschkenführer noch einmal das Ultimatum zu stellen, entweder noch den Vorschlag der Unternehmer anzunehmen oder sich auf die Generalaussperrung am 1. Januar gefaßt zu machen. (Vgl. Nr. 300 d Bl.) — Die dem „Verband der Tapezierer und verwandter Berufsgenossen Deutschlands“ angeschlossenen Polsterer und Dekorateure Berlins nahmen Donnerstag⸗ abend in sehr zahlreich besuchter Mitgliederversammlung Stellung zur Erneuerung ihres Tarifvertrages, der Anfang 1907 abläuft. Ein von der Vertrauensmännerversammlung ausgearbeiteter Tarifentwurf wurde durchberaten und angenommen. Er enthält, der „Voss. Ztg.“ zufolge, nachstehende Punkte: „Eine Verkürzung der Arbeitszeit von 8 ½ auf 8 Stunden. Der Mindeststundenlohn wird von 65 auf 75 ₰4 erhöht. (Der Durchschnittslohn soll jetzt nach der aufgenommenen Statistik bei 1000 Polsterern und Dekorateuren 63 ₰ be⸗ tragen.) Näherinnen (mehr als 1000 sollen im Tapezierer⸗ gewerbe tätig sein) 45 ₰ (gegenwärtig 40 ₰), Zuschlag bei Ueberstunden 20 ₰. Regelung des Spesentarifs für Deko⸗ rateure. Tarifdauer zwei Jahre. Auf die Forderung der Innungsvorstände — mit denen unverbindliche Vorbesprechungen stattgefunden haben —, „beide Tarife, den der Kleber sowie den der Polsterer und Dekorateure, zu gleicher Zeit endigen zu lassen,“ erklärten die Versammelten, in Rücksicht auf etwaige Lohnbewegungen nicht eingehen zu wollen, da die Konjunktur der Kleber im Februar beginne, die der Polsterer jedoch erst im März. Die Forderungen, die den Innungen sofort unterbreitet werden, sollen auch in den Großbetrieben (Warenhäusern, Magazinen) durchgeführt werden.
Aus Münster wird der „Rh.⸗Westf. Ztg.“ telegraphiert: Da seit einigen Wochen in Elmstedt etwa 1000 Textilarbeiter aus⸗
Verfügungsakt. Alles dies zeigt deutlich, daß der Heilige Stuhl nur genau seine Pflicht tat, indem er dem französischen Klerus e be⸗ . Wenn die Regierung von billigeren sind, . eine Lohnerhöhung.
ständig sind, fordert der Münsterische Arbeitgeberverband die Streikenden auf, zu entscheiden, ob die Arbeit in der nächsten Woche wieder aufgenommen wird. Falls dieses nicht geschehen sollte, sollen etwa 1000 Arbeiter ausgesperrt werden. 3
Auf der Kohlenzeche „Hasard“ in Micheroux bei Lüttich sind, wie die „Post' erfährt, 700 Arbeiter ausständig. Sie verlangen
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