werden. (Sehr richtig!) Das würde f nicht dahin führen dürfen, daß wir nun grundsätzlich die seitherige Methode verlassen; aber es wird eintreten können, wie es Freiherr von Zedlitz gestern auch betonte, daß wir zeitweilig davon abweichen müssen.
Meine Herren, es ist im Laufe der Diskussion noch eine Reihe von anderen recht wesentlichen Fragen erörtert worden, zu denen ich mich kurz äußern werde.
Der Herr Abgeordnete Macco hat einige Wünsche geäußert, deren Beantwortung ich gestern zurückstellte, da er nicht anwesend war, aber Wert darauf legen wird, zu hören, wie ich darüber denke. Er hat eine sehr wichtige Frage angeregt, die uns wiederholt in den letzten Jahren angesichts des Fehlbestandes an Güterwagen beschäftigt hat, die Frage, ob es gestattet werden darf, daß Private in unseren Be⸗ trieb eigene Wagen einstellen. Es lag außerordentlich nahe, daß wir uns durch Einstellung solcher Privatwagen ergänzten und dem Manko abhalfen. Meine Herren, dies ist eine grundsätzliche Frage ersten Ranges, und zwar aus dem Grunde, weil wir in dem Augenblick, in dem wir die privaten Wagen in unserem Betrieb zulassen, genötigt sind, die Privatwagen auf unseren Rangierbahnhöfen besonders zu behandeln. Das würde das Rangier⸗ geschäft aufs äußerste erschweren und verlangsamen. Da wir auf unseren großen Rangierbahnhöfen ganz außergewöhnliche Leistungen auszuführen haben, müssen wir alles vermeiden, was zu einer Be⸗ einträchtigung der schleunigen Behandlung der Wagen führen kann.
Aus ganz denselben Gründen müssen wir lebhafte Bedenken äußern, die Selbstentladewagen in unsern Betrieb einzustellen, wenn sie nicht für den allgemeinen Verkehr nutzbar gemacht werden koͤnnen. Denn wenn wir Selbstentladewagen in unserem Betrieb laufen lassen, und sie nötigen uns auf den großen Rangierbahnhöfen zu einer be⸗ sonderen Behandlung, so tritt genau dasselbe ein, was ich bezüglich der Privatwagen vorher bemerkte. Wir find daher nur dann in der Lage, die Selbstentlader in großem Umfange zuzulassen, wenn diese Wagenart auch für den allgemeinen Verkehr hergerichtet werden kann. Um das zu erreichen, ist von mir im vergangenen Jahre ein Preis⸗ ausschreiben erlassen worden; die Frist, die dort gestellt ist, ist noch nicht abgelaufen. Es ist in Aussicht genommen, für bestimmte Relationen den Selbstentladebetrieb zu fördern. Ueberall dort, wo die Züge als Pendelzüge hin und her fahren, erweist sich diese Be⸗ triebsart als nützlich, und soll sie unterstützt werden.
Dann hat der Herr Abg. Macco noch eine sehr wesentliche Frage be⸗ rührt; er hat darauf hingewiesen, daß die Leistungsunfähigkeit des Staats⸗ eisenbahnnetzes zum Teil darauf beruht, daß wir auf unsern Hauptlinien in weitestem Umfange auch den Lokalverkehr bedienen müssen. Er hatte dabei den Lokalpersonenverkehr im Auge und meinte, man könne den Mißständen, die sich daraus ergeben, sehr wesentlich abhelfen, wenn man in weiterem Maße, als es bisher geschehen sei, Privat⸗ unternehmungen die Bedienung dieses Lokalverkehrs überlasse. Das ist bereits geschehen. Die Eisenbahnverwaltung steht in dieser Frage nicht auf einem engherzigen Standpunkt. Soweit derartige Wünsche an uns herantreten, finden sie Berücksichtigung und Befriedigung, falls sich aus ihnen nicht eine völlige Durchbrechung des Staatseisenbahn⸗ systems ergibt. Der Herr Abg. Macco wird wissen, daß wir im Westen in dieser Beziehung sehr weit entgegengekommen sind. Wir haben anstandslos Bahnen zwischen Düsseldorf und Crefeld sowie eine Konkurrenzlinie zwischen Cöln und Bonn zuͤgelassen, und es schwebt augenblicklich die Frage, ob wir zwischen Cöln und Düsseldorf nicht auch eine Konkurrenzlinie zulassen sollen. Diese Frage wird außer⸗ ordentlich verschieden beurteilt. Es gibt zwei große Kommunen, die der Meinung sind, es wäre in diesem Falle besser, der Staat baue und nicht die Privaten. Wir werden, wenn derartige Fragen an uns herantreten, unter Wahrung des Standpunktes, daß das Staatseisen⸗ bahnsystem nicht durchbrochen werden darf, solchen Anträgen wohl⸗ wollend gegenüberstehen.
Dann hat der Herr Abg. Macco gestern eine weitere Angelegen⸗ heit hier zur Sprache gebracht, und ich bin ihm dafür dankbar, daß das auch hier im Plenum des Hauses geschehen ist. Wir haben Be⸗ triebsstörungen in Wiesbaden und in Hamburg unmittelbar nach der
Inbetriebnahme der beiden Hauptbahnhöfe erlitten; der Wiesbadener ahnhof ist im November und der Hamburger Bahnhof im Dezember es vorigen Jahres in Betrieb genommen worden. Ich darf vorweg⸗ ehmen, daß diese Störungen nicht auf gleichartige Ursachen zrück⸗ uführen sind. Die Betriebsstörung in Wiesbaden kann ich als aus
einer Kinderkrankheit hervorgegangen bezeichnen, die dadurch kompliziert
wurde, doß in den 36 Stunden, wo der Betrieb gestört war — mehr war es nicht — sehr schwere Nebel auf dem Rheintal lagen, und daß es dem Personal dadurch sehr erschwert wurde, sich auf dem neuen
Bahnhof zurechtzufinden.
G In Hamburg lag es anders. Die Hamburger Bahnhofsanlagen
ssind mit den Altonaer Anlagen als ein Ganzes zu betrachten. Die Alnlagen sind stückweise dem Betriebe übergeben worden. Die Altonaer Anlagen sind bereits anfangs der 90 er Jahre in Betrieb genommen. Man wird anerkennen müssen, daß die dortige Eisenbahndirektion unter ganz ungewöhnlich schweren Verhältnissen einen umfassenden Umbau der gesamten Anlagen durchgeführt hat, und daß sie während der ganzen Umbauzeit es hat vermeiden können, daß dem Betriebe irgend eine Störung zugefügt worden ist. Im letzten Augenblick ist sie nun nicht ganz vorsichtig gewesen. Sie hat, ohne zu berücksichtigen, daß es sich um unvollkommene Anlagen handelt, und daß sehr wesent⸗ liche Teile noch fehlten, ein Provisorium aufgegeben, das für die Be⸗ dienung des Vorortverkehrs in der Richtung Friedrichsruhe — Büchen
eingerichtet war, und dann hat sie einen neuen Vorortverkehr auf⸗ genommen. Das war zu viel für die Altonaer Einrichtungen. Daraus haben sich die empfindlichen Störungen ergeben, die heute ja behoben sind. Die
Direktion hat optima mente gehandelt. Sie wußte, wie schwer die Hamburger Interessen durch die Unvollkommenheit der dortigen An⸗ lagen gelitten haben, und sie war bestrebt, den dortigen Interessenten eine vollkommene Anlage zuzuführen. Hierbei ist über das Ziel hinausgeschossen worden, und so erklärt sich die Störung. Ich habe Veranlassung genommen, zu bestimmen, daß vor der Inangriffnahme so umfassender Betriebs⸗ und Verkehrsanlagen eine Feststellung durch Kommissare des Ministers erfolgen soll. Ich glaube, derartiges wird sich nicht wiederholen.
Dann hat der Herr Abg. Wallenborn eine Klage berührt, die in den letzten Wochen die Oeffentlichkeit beschäftigt hat, anknüpfend an einen Betriebsunfall, der sich auf dem Bahnhof Ottersberg zwischen Bremen und Hamburg in der Weihnachtszeit zutrug. Es fuhr der Hamburger Schnellzug in einen Eilgüterzug. Ein Verschulden konnte nicht festgestellt werden, da Heizer und Führer getötet wurden.
Zweifelsohne ist der Unfall zurückzuführen auf das Ueberfahren der Signale infolge dichten Nebels und Rauhfrost. Bei diesem Unfall ist leider eine größere Zahl von braven Eisenbahnbeamten und Post⸗ beamten getötet bezw. verletzt worden. Das Personal, das sich in dem Postwagen befand, ist insbesondere schwer mitgenommen worden. Der Postwagen befand sich in der Tat einrangiert unmittelbar hinter der Maschine. Ich darf bemerken, daß die Betriebsordnung für die Eisenbahnen Deutschlands scharf unterscheidet zwischen Reisenden und Nichtreisenden, und zu den Nichtreisenden das Personal der Eisenbahn⸗ verwaltung und der Postverwaltung rechnet. In der Betriebsordnung ist ausgesprochen, es solle tunlichst dafür Sorge getragen werden, daß die Postwagen nicht hinter der Maschine einrangiert werden, — „tun⸗ lichst“. Das ist auch im weitesten Umfange geschehen im Bereich der ganzen Verwaltung. Es gibt aber eine ganze Reihe von Zügen, bei denen es nicht möglich ist, das sind alle Abteilszüge, die Kopfstationen anlaufen — es würde dort ein unzulässiger Aufenthalt durch die Rangiermanoͤver entstehen — und weiter die D⸗Züge, zumal die Post⸗ wagen bisher keine Seitengänge haben, die den unmittelbaren Durch⸗ gang gestatten würden. Infolge dieses Unfalls — wir haben auch zwischen Frankfurt und Gießen einen ähnlichen gehabt, nur nicht mit so schweren Folgen — sind erneute Verhandlungen mit der Reichs⸗ postverwaltung angeknüpft worden, und wir haben uns dahin ver⸗ ständigt, daß in erster Linie darauf gehalten werde, die Postwagen nicht unmittelbar hinter die Maschine zu bringen, soweit das betrieb⸗ lich zulässig ist. Dann soll den Postwagen eine andere Konstruktion gegeben werden; sie sollen viel stärker gebaut und auf beiden Seiten mit Schutzabteilungen versehen werden.
Dann ist von dem Abg. Wallenborn darauf hingewiesen worden, daß wir die Sonntagsruhe des Personals in besonderem Maße fördern möchten, mehr, als das bisher geschehen ist. Ich habe dieser Frage meine Aufmerksamkeit zugewendet nach zwei Richtungen über dasjenige hinaus, was bereits geschehen ist. Es soll bei allen Abfertigungsstellen nachgeprüft werden, ob nicht die Beamten und Arbeiter auf den Güterböden und auf den Bureaus ohne Schädigung des Verkehrs in erheblicher Weise entlastet werden können, sodaß ihnen in weiterem Maße die Sonntagsruhe zugewendet werden kann. Dann aber ist weiter an⸗ geordnet worden, daß allen Beamten und Arbeitern nach jeder ein⸗ wöchigen Tag⸗ und Nachtdienstperiode eine Ruhezeit von 30 bis 36 Stunden frei gemacht werden soll, um dem Personal eine aus⸗ reichendere Ruhe zu gewähren. Ich darf hierbei bemerken, daß heute bereits in umfassendem Maße dafür gesorgt wird, daß die Ruhetage auf die Sonntage verlegt werden. Von den Gesamtruhetagen des Monats, die in Summa 1 480 000 betragen, werden bereits heute über 1,1 Millionen an Sonntagen absolviert.
Herr Abg. von Quast hat Zweifel gehabt, ob es möglich sein würde, die 20 t⸗Güterwagen auf die Nebenbahnen übergehen zu lassen. Es wird bei fast allen Nebenbahnen möglich sein, und wo es nicht möglich sein sollte, wird abgeholfen werden durch Verwendung einer größeren Zahl von Schwellen.
Dann hat der Herr Abg. von Quast bemängelt, daß keine Mit⸗ teilung gemacht sei darüber, welche Lasten uns daraus erwachsen, daß wir die Reichspost in den Zügen frei befördern. Diese Mitteilung befindet sich auf Seite 41 des Etats. Daraus ist zu ersehen, daß sich diese Kosten auf 32 Millionen belaufen; dabei sind die Gegen⸗ einnahmen aufgerechnet.
Dann hat der Herr Abg. Dr. Voltz auf Vorgänge hingewiesen, die an Beschlußfassungen des Landeseisenbahnrats anknüpfen. Der Herr Abg. von Pappenheim hat dieselbe Frage behandelt und hat die Auffassung des Herrn Abg. Dr. Voltz bekämpft mit Argumenten, denen ich im wesentlichen nur beitreten kann. Die Beschlußfassungen des Landeseisenbahnrats in den Fragen der Tarifierung von Gaskohle und Detarifierung von Schwefelsäure liegen ja auf ganz verschiedenen Gebieten. Ich darf bemerken, daß der Antrag, die Gaskohle sehr er⸗ heblich im Tarif zu ermäßigen, abgelehnt worden ist; der Landes⸗ eisenbahnrat hat mit ganz überwiegender Majorität, und zwar zum Teil unter Berücksichtigung der Schiffahrtsinteressen, die geschützt werden sollen, diesen Antrag abgelehnt. Der Minister der öffentlichen Arbeiten hat bei dieser Sachlage doch Abstand nehmen müssen, gegen das Gutachten einer Körperschaft von solcher Bedeutung, der die ersten Kräfte aus allen Berufszweigen des Landes angehören, anzugehen; wenn der Minister der öffentlichen Arbeiten sich entschließt, gegen ein Gutachten des Landeseisenbahnrats anzugehen, dann müssen doch ganz bestimmte, entscheidende Momente vorliegen.
Nun hat der Herr Abg. Dr. Voltz sich darauf berufen, daß um⸗ gekehrt der Landeseisenbahnrat sich für die Detarifierung von Schwefel⸗ säure ausgesprochen habe; die Beschlußfassung ist mit 20 gegen 17 Stimmen erfolgt, aber hier hat die Generalkonferenz der deutschen Eisenbahnverwaltungen mit Rücksicht auf die großen Interessen, die gegen den Antrag sprechen, sich einstimmig gegen die Detarifierung ausgesprochen. Ich meine doch, die beiden Fälle sind völlig anders gelagert.
Es ist dann von mir noch eine Bestätigung darüber gewünscht worden, daß dem hohen Hause alljährlich eine Denkschrift über die Tätigkeit des Zentralamts vorgelegt werden möge. Ich halte diese Anregung für außerordentlich dankenswert, ich glaube, das hohe Haus wird sich im Laufe der folgenden Jahre davon überzeugen, wie außerordentlich nützlich sich die Tätigkeit des Zentralamts ent⸗ wickeln wird.
Abg. Kirsch (Zentr.) bittet zunächst erneut den Minister, den Beamten ausreichende Gelegenheit zu geben, den Gottesdienst besuchen zu können. — Um den Rheinstrom noch mehr dem Fremdenverkehr zu erschließen, hätten die beteiligten Eisenbahndirektionen, auch die süddeutschen, gemeinsam ein Ausschreiben, betreffend ein Reklame⸗Rhein⸗ Plakat, erlassen. Bedauerlicherweise solle darin der Rhein nur von Cöln bis zur schweizerischen Grenze berücksichtigt werden; die land⸗ schaftlichen Schönheiten des Niederrheins bis zur holländischen Grenze und die Bedeutung der Stadt Düsseldorf für die künstlerische Welt würden dadurch in den Hintergrund gedrängt. Der Minister möge doch auch in ähnlichen Fällen dafür sorgen, eventuell durch das neue Zentralamt, daß die Direktionen darin nicht so uneinheitlich vor⸗ gingen. Abg. Nehbel (kons.): Die Heizungsanlagen in den Sekundär⸗ bahnzügen sind außerordentlich mangelhaft. Es kann einem passieren, daß bei 10 bis 15 Grad Kälte draußen einem die Hose angesengt wird, und man das Fenster öffnen muß, weil die Heizung nicht ab⸗ gestellt werden kann. Ebenso primitiv in gesundheitlicher und ästhe⸗ tischer Hinsicht sind die Abortanlagen auf den Nebenbahnen. bitte den Minister, auch hierin Vollkommenes zu schaffen.
Abg. Münsterberg (frs. Bgg.) dankt dem Minister dafür, daß den Beamten jes möglichst viel Sonntagsruhe gewährt wird. Er schließt sich den
orrednern in ihren Wünschen einer rechtzeitigen]
Vorsorge für den Ausbau des Betriebsmaterials auch in Zeiten ge.
ringeren Verkehrs an und betont, daß eine planmäßige Entwicklung des Gütertarifierungswesens im weitesten Interesse notwendig sei.
Abg. Vorster (freikons.): Die Frage der Selbstentladung der Wagen harrt ihrer dringenden Lösung, und es sind die dafür angestellten Versuche mit Genugtuung zu begrüßen. Diese Selbstentlader werden zu einer außerordentlichen Erleichterung des dienen. Schon der Abg. Hirsch⸗Essen hat gestern klargelegt, daß eine Revision der Abfertigungsgebühren notwendig ist. Diese Gebühren können einen Transport außerordentlich ver⸗ teuern, obwohl es für die Verwaltung dieselbe Arbeit be⸗ deutet, ob ein Wagen von 10, 12 oder 20 Tonnen abzufertigen ist. Darunter haben z. B. die Braunkohlendistrikte Sachsens sehr zu leiden. Eine Gebühr von 5 ℳ für die großen Wagen würde ge⸗ nügen, weil die Verwaltung ohnehin durch diese großen Wagen schon spart. — Ein außerordentlicher Mißstand für die Besitzer von Privat⸗ anschlüssen an den Güterwagenverkehr liegt darin, daß ihre Wagen erst dann zugelassen werden, wenn der amtliche Verkehr abgefertigt ist. Es kann vorkommen, daß erst 60 zusammengeschobene Wagen auseinandergezogen werden müssen, ehe diese Privatwagen berücksichtigt werden. Dadurch ist der Kunde der Eisenbahnverwaltung schlechter daran als der kleine. Ich bitte den Minister, Anordnungen zur Abhilfe zu treffen.
Abg. Reinhard (Zentr.) bespricht die Frage der Ausnahmetarife für Roheisen in ihrer speziellen Wirkung auf den Großhandel Osnabrücks. Die Ausnahmetarife hätten ihre einschneidende Bedeutung erst durch das Syndikatswesen. Es sei dahin gekommen, daß die Beförderung von 10 000 Kilo Roheisen vom Industriegebiet nach Bremen nur 139 ℳ koste, hingegen die nach Osnabrück, das bedeutend näher liege, 179 ℳ Ja man sei imstande, durch geeignete Umleitungen (der Redner legt zum Beweise dessen zwei Frachtbriefe vor) Roheisen über Bremen billiger nach Osnabrück zu schaffen als auf dem direkten Wege. Eine generelle Beseitigung aller damit ver⸗ knuͤöpften Mißstände sei wohl nur durch die gänzliche Abschaffung der Ausnahmetarife herbeizuführen.
Minister der öffentlichen Arbeiten Breitenbach:
Meine Herren! Ich kann es verstehen, daß der Herr Vorredner
darauf hinzuwirken sucht, eine Inkongruenz — tariftechnisch nennt man dies eine Disparität — der Eisenausnahmetarife zu beseitigen. Das Ministerium der öffentlichen Arbeiten beschäftigt sich mit der Regelung dieser Frage schon seit Jahren, ja, wie ich aus eigener Erfahrung sagen kann, schon seit Jahrzehnten. Die Tarife sind von den Privat⸗ bahnen eingeführt, und zwar durch die Cöln⸗Mindener Bahn, als sie nach Bremen und Hamburg durchbaute. Man hat diese Tarife nach der Verstaatlichung bestehen lassen ganz in Uebereinstimmung mit dem sonstigen Vorgehen der preußischen Staatseisenbahnverwaltung, der⸗ artige Ausnahmetarifierungen zur Schonung bestehender Interessen be⸗ stehen zu lassen. Man hätte an die Frage gelegentlich des Zollanschlusses der Städte Bremen und Hamburg herantreten können; denn es ist zu⸗ treffend, daß diese Ausnahmetarife den Zweck hatten, der Konkurrenz des englischen und des ausländischen Eisens zu begegnen. Man hat sie aber — wiederum zur Schonung bestehender Interessen — bestehen lassen, weil bei den mit den Verhältnissen durchaus vertrauten Lokalbehörden die Auffassung bestand, daß die Aufhebung schließlich doch eine Stärkung der Konkurrenz des Auslandes nach sich ziehe. So liegt die Sache im wesentlichen auch heute noch. Ich erkenne vollkommen die Gründe des Herrn Vorredners an, daß — wenn auch unter erschwerten Ver⸗ hältnissen — durch diese Ausnahmetarife unserem Inlandverkehr in beschränktem Umfange Konkurrenz gemacht werden kann. Es müsen aber doch immer gewisse Manöver gemacht werden, um einem Tuans⸗ port, der auf Bremen oder Hamburg gerichtet ist, eine rückläußge Bewegung zu geben, da doch eine Kontrolle besteht, daß die Güter abgenommen werden; sie müssen also abgenommen und dann neu auf⸗ gegeben werden. Wenn der Herr Vorredner einen Fall anführte, daß Eisen auf demselben Wagen, in dem es in Hamburg eingetroffen war, ins Land zurückgefahren worden ist, so ist dies allerdings etwas der⸗ dächtig.
Die Staatseisenbahnverwaltung hat in Anerkennung der Gründe des Herrn Vorredners immer erneut geprüft, wie man wenigstens zu einer Ab⸗ schwächung der Nachteile des bisherigen Zustandes beitragen kann, und es sind auch ganz gleichartige Erwägungen angestellt worden, wie sie der Herr Vorredner angestellt hat. Eine gänzliche Beseitigung erscheint ausgeschlossen; das wäre ein so starker Eingriff, wie ihn die Staats⸗ eisenbahnverwaltung kaum je an einer Stelle sich hat zuschulden kommen lassen. Es kann sich also nur um einen Ausgleich handeln. Ich kann dem Herrn Abgeordneten erklären, daß nach dieser Richtung hin auch heute noch Erwägungen schweben, bitte ihn aber, zu berück⸗ sichtigen, daß es sich hier um eine Einrichtung handelt, die nunmehr bald 30 Jahre in Geltung ist.
Abg. Fritsch(nl.): Der Unterstaatssekretär des Finanzministeriums hat gestern darauf hingewiesen, daß gewisse Expansivbestrebungen bei den einzelnen Ressorts auf größere Ausgaben mit Rücksicht auf die zu erwartenden Ueberschüsse der Eisenbahnverwaltung hindrängen; es wäre erwünscht, daß die einzelnen Ressorts auch ihrerseits an Ersparun dächten. Es ist angebracht, daß die Eisenbahnverwaltung vor sol Expansivbestrebungen, die ja schon durch die Zwischeninstanz des Finang⸗ ministeriums gemildert werden, geschützt wird. Die Tarife befinden sich seit Einführung des Normaltarifs erfreulicherweise in sinkender Tendenz; aber zu einem Landeseisenbahnrat müßten noch mehr die Vertreter des Mittelstandes, des kleinen Gewerbestandes herangezogen werden. In der Ermäßigung der Tarife ist jetzt immerhin eine ge⸗ wisse Stagnation eingetreten. 62,8 % der gesamten Gütermengen werden zu Ausnahmetarifen befördert. Landwirtschaftliche und Gärtnereiprodukte bedürfen besonders niedriger Tarife. Im Bezi der Eisenbahndirektion Frankfurt a. M. und in Süddeutschland finden bereits Versuche nach englischem Muster mit der Beförderung von Kleingütern mit geringem Gewicht zu ermäßigten Einheitsfätzen st Eine Beseitigung der bestehenden verschtedenen Ungerechtigkeiten in der E wird nur durch eine Revision des Normaltarifs zu finden sein.
Abg. Dr. Dahlem (Zentr.): Millionen kann die Staatseisenbahn gewinnen, wenn sie meinen Anregungen folgt. Von Lothringen werden große Gütermengen über die belgische Bahn nach Antwerpen geführt, und die belgischen Bahnen haben den Gewinn. e preußischen Bahnen sollten diesen Verkehr an sich ziehen. Hunderte von Wagen werden täglich unserem Verkehre entzogen, da die lothringischen und luxemburgischen Erze mit unseren Wagen durch Belgien nach Antwerpen transportiert werden. Diese Transporte sollten unter rationellerer Ausnutzung unseres Wagenparks m unseren Bahnen nach Oberlahnstein und von da zu Schiff na Antwerpen gebracht werden. Das wäre zugleich ein großer Gewinn für die preußischen Eisenbahnen und für unsere Schiffahrt; außerdem würde dies eine Tarifersparung bedeuten. Ferner sollte nach der Vereinbarung der Zollfreiheit für schwedische Pflasterste ne in dem schwedischen Handelsvertrag unsere heimische Basaltindust e durch Ermäßigung der Tarife für Steine unterstützt werden. Von dem Westerwald nach Castell besteht ein Ausnahmetarif dafür, aber nicht nach dem nahe gelegenen Hafen in Oberlahnstein handelt sich hierbei um den Schutz der armen Bevölkerung des Weft waldes. In dem Betriebsbericht der preußisch⸗hessischen Staatseisen⸗ bahn wird auch auf die Wohlfahrtseinrichtungen hingewiesen. —
nd wohl auch die Warteräume für das Publikum zu rechnen. N.⸗ enne aber am Rhein zahlreiche Unterkunftsräume, die menschenunwürdee
find. Ferner haben mir Beamte geklagt, daß sie 14 Wochen hinter⸗ einander überhaupt keine Sonntagsruhe gehabt haben, und daß eine große Menge der Beamten überhaupt niemals die Gelegenheit hat, einen Gottesdienst zu besuchen. Die nachgeordneten Behörden scheinen nicht immer Verständnis für die Intentionen der Zentralinstanz in dieser Richtung zu haben. An Mariä Lichtmeß werden die Gewerbe⸗ treibenden am Rhein gezwungen, ihre Waggons entladen zu lassen, wenn e nicht durch Standgeld bestraft werden wollen. An solchen Feier⸗ agen ugs das Standgeld aufgehoben werden. Ich habe das Vertrauen zu dem Minister, daß er dieser Unsitte ein Ende machen wird; es gilt nur, einen alten Zopf abzuschneiden. Der Wagenmangel wird dadurch nicht vermindert, denn die verständigen Gewerbetreibenden lassen an . Feiertagen doch nicht entladen. Dafür sollte man sie nicht urch das Standgeld bestrafen, das nur ein bitteres Gefühl er⸗ eugen muß. 1 Abg. Meyer⸗Diepholz (nl.) stimmt dem Abg. Reinhard in dem Wunsche nach Beseitigung der Ausnahmetarife für Eisen zu Gunsten von Bremen und zu Ungunsten von Osnabrück bei.
Abg. Dr. Lotichius (nl.) bittet unter Zustimmung zu den Aus⸗ führungen des Abg. Dahlem, Ausnahmetarife auch für Bausteine aus dem Westerwald nach Oberlahnstein zu gewähren, um die wirtschaft⸗ lichen Verhältnisse der armen Bevölkerung des Westerwaldes zu heben, und wünscht ferner die Wiedereinführung der Ausnahmetarife, die als Ersatz für die Aufhebung des Rheintrajektverkehrs bei
ingen zugestanden gewesen seien. B
Abg. Dr. von Boettinger (nl.) bringt einige Wünsche der Blei⸗
weißfabrikanten zur Sprache. Die Bleiweißfabrikanten beschwerten ch über die ungleiche Behandlung bei dem Ankauf von Materialien durch die Eisenbahndirektionen. Hoffentlich werde sich dies ändern, wenn alle Materialien durch das Zentralamt beschafft würden. Die Blei⸗ weißfabrikanten seien ferner durch eine Verfügung vom vorigen Jahre benachteiligt, welche die Verwendung von Eisenmennige vorschreibe. Als ein Mißstand in den P⸗Wagen werde es oft empfunden, daß auf den Korridoren Reisende an den Fenstern ständen und den Sitzenden das Licht wegnähmen. Der Redner empfiehlt ferner, daß bei den D⸗Wagen wie in England auch an den Seiten für jede Abteilung Ausgangstüren angebracht würden, die eine schnellere Entleerung der Wagen ermöglichen würden, sowie die Verlegung der Totletten von den Enden der D⸗Wagen nach der Mitte, um den im Sommer unangenehm bemerkbar werdenden Ausdünstungen beim Ein⸗ und Aus⸗ steigen entgehen zu können. Er bemängelt ferner die emaer wen Wiesbaden und Frankfurt, die neuerdings eine Verlängerung der Strecke um 5 Kilom. gemacht hätten, und widerspricht schlisglich dem Wunsche des Abg. Voltz nach Detarifierung der Schwefelsäure. Die ständige Tarifkommission des Eisenbahnrats habe diesen Wunsch mit 8 gegen 5 Stimmen abgelehnt, und ebenso habe der Landeseisenbahnrat selbst entschieden. Die Produktion der Schwefelsäure liege im Westen anders als in Schlesien. Im Westen werde Schwefelkies aus Spanien be⸗ zogen und müsse bezahlt werden, während Schlesien die Schwefel⸗ säure aus den Blenden in den Zinkhütten fabriziere. Wenn Schlesien 8 Produkt durch billige Tarife nach Mitteldeutschland werfen önnte, so würde die Produktion des Westens zwischen zwei Feuer estellt werden, da sie auch dort mit einer außerordentlich starken
roduktion aus den Rückständen der Zinkfabrikation zu kämpfen habe.
Minister der öffentlichen Arbeiten Breitenbach:
Meine Herren! Es ist bemängelt worden, daß die Fortbildung unseres Tarifwesens, so weit sie nicht durch die Gewährung von Ausnahmetarifen erfolgt, sich überwiegend so vollziehe, daß wir die Güter detarifieren, die in den niedrigsten Tarifklassen sich befinden, also diejenigen Güter, die in Spoezialtarife aufgenommen sind. Es ist hervorgehoben, daß die Güter der Normal⸗ klasse — das sind die Güter der allgemeinen Wagenladungsklasse — seit Bestehen des allgemeinen deutschen Gütertarifs mit geringen Aus⸗ nahmen eine Ermäßigung nicht erfahren haben. Es war der Herr Abg. Fritsch, der dieser Meinung Ausdruck verlieh. Er hat ja freilich hervorgehoben, daß der Stückguttarif doch nicht unverändert geblieben ist, daß bereits in den 80er Jahren ein ermäßigter Stückguttarif ein⸗ geführt worden ist, daß ferner wenige Jahre später ein Staffelstück⸗ guttarif gewährt worden ist, und er hat es unterlassen, hervor⸗ zuheben, daß fast zur selben Zeit ein sehr ermäßigter Ausfuhrtarif für Stückgüter eingeführt wurde. Meine Herren, meines Erachtens ist es doch ein naturgemäßer Vorgang, daß, wenn wir an die Fortbildung unseres Tarifsystems herangehen, wir sie im wesentlichen beschränken auf die Güter der niedrigeren Tarifklassen, namentlich Halbfabrikate und Rohprodukte, und daß nur in Ausnahmefällen an die eigentlichen Normalklassen — die bilden das Standard unseres Tarifsystems — herangegangen wird.
Nun hat der Herr Abgeordnete gemeint, man solle doch auf diesem Gebiete weitergehen und namentlich den Stückguttarif in dem Sinne weiterbilden, daß wir uns demjenigen anschließen, was in Süddeutschland in Geltung ist; es gelten dort Pakettarife und Expreßguttarife. Diese Pakettarife sind den preußischen Eisenbahnen durchaus bekannt; denn bei der Verstaatlichung der Hessischen Ludwigs⸗ bahn übernahmen wir diese Einrichtung, und es ist unmittelbar nach der Verstaatlichung sehr eingehend erwogen worden, ob es sich empfiehlt, diese Pakettarife, die auf gewisse Entfernungen erheblich Geringeres bieten als die Reichspost, allgemein in unsern Staatsbahn⸗ tarif zu übernehmen. Nach eingehenden Erwägungen ist man aber doch zu der Auffassung gekommen, daß sich das nicht empfehlen würde; denn einmal war die Meinung: es empfehle sich nicht, der Reichspost, die diesen Kleinverkehr in ganz ausgezeichneter Weise und eigentlich alle zufriedenstellend besorgt, Konkurrenz zu machen von seiten unserer preußischen Staatsbahnen; dann aber war es eine rein wirtschaftliche Erwägung, die dagegen sprach, es würde ja unzweifelhaft zu einer Zersplitterung dieses Kleinverkehrs führen, beide große Unternehmer, Reichspost und Staatsbahn, würden diesen Verkehr in Anspruch nehmen; der Verkehr könnte keinesfalls so wirtschaftlich abgefertigt werden, und es würden sich, weil er geteilt wird, möglicherweise Verzögerungen für den Verkehr ergeben.
Dann wurde erwogen, daß dieser Verkehr, wenn wir ihn führen wollen, unbedingt mit unseren Personenzügen gefahren werden muß; denn wenn wir ihn nicht mit unseren Personenzügen fahren, befördern wir ihn nicht so beschleunigt, daß das Publikum Interesse hat, sich unserer Einrichtungen zu bedienen; befördern wir ihn aber mit unseren Personenzügen, so belasten wir die Personenzüge, und dieses wiederum führt zu einer Verzögerung der Abfertigung der Personenzüge. Ich glaube, die Gründe sind so überzeugend, daß anerkannt werden muß, das es sich nicht empfiehlt, auf diesem Wace weiter fort⸗ züschreiten. 1
Meine Herren, Herr Abg. Dr. Dahlem hat eine Frage berührt, die ja ganz jüngst zu einer Entscheidung geführt hat, das ist die Frage der Umschlagstarife nach Oberlahnstein und dem luxemburgisch⸗ lothringischen Revier. Meine Herren, das luxemburgisch⸗lothringische Revier fertigt ja, sofern es seinen Verkehr über die Häfen abgeben will, über die belgischen Seehäfen ganz naturgemäß ab, das ist der gewiesene Verkehrsweg, und es würde ja eine, ich möchte sagen, un⸗ natürliche Verkehrsbedienung sein, diesen Verkehr abzuziehen, erst von dem Westen nach dem Osten zu fahren und dann über den Rheinweg
und die belgischen oder holländischen Häfen zu exportieren. Die Frage hat aber ganz außerordentliche Konsequenzen. Wenn ich mich auch zu der Auffassung bekennen könnte, daß es unter gewissen Umständen sich rechtfertigen ließe, eine solche Verkehrsbedienung und Verkehrsleitung eintreten zu lassen und zu beeinflussen durch Gewährung von Aus⸗ nahmetarifen, so erscheinen doch die Konsequenzen so weit⸗ gehend, daß die Maßregel nicht in Aussicht genommen werden kann. Wir würden Gleichartiges allen Umschlagshäfen ge⸗ währen müssen im Versand von bestimmten Gebieten, an denen sie ein besonderes Interesse haben; wir würden den Berufungen, die aus dem rheinisch⸗westfälischen Gebiet an uns herantreten, im Verkehr nach Ruhrort⸗Duisburg uns nicht erwehren können. Gewähren wir aber solche Ausnahmetarife, dann würden wir mit den Beschwerden unserer deutschen Häfen zu rechnen haben, daß wir durch Ausnahmetarife den Verkehr über die Rheinhäfen nach den Auslandshäfen bringen. Das ist der Zirkel, in dem wir uns bewegen und aus dem wir nicht herauskommen und der schließlich dahin führt, daß man sagen muß, es geht nicht.
Dann hat der Herr Abg. Dr. Dahlem den allgemeinen Aus⸗ nahmetarif für Pflastersteine behandelt. Dieser Ausnahmetarif ist im vergangenen Jahre zur Einführung gelangt und hat unmittelbar nach der Einführung zu weitergehenden Anträgen Veranlassung gegeben, die namentlich in der Richtung sich bewegten, daß in den Ausnahmetarif auch noch andere Steine, u. a. Bausteine auf⸗ genommen werden mögen. Diese Anträge sind von anderen Seiten auf das lebhafteste bekämpft worden, und augenblicklich schwebt die Sache; eine Entscheidung ist noch nicht getroffen.
Der Herr Abg. Dr. Dahlem hat darauf hingewiesen, daß am Rhein sich eine Wohlfahrtseinrichtung der Staatseisenbahnverwaltung befinde, die zu den lebhaftesten Beanstandungen Anlaß gebe. Er hat auf Aufenthaltsräume unseres Betriebspersonals hingewiesen, die geradezu menschenunwürdig seien. Meine Herren, ich darf im An⸗ schluß an das, was ich gestern mir auszuführen erlaubte, feststellen: es widerspricht durchaus den Auffassungen, die an der Zentralstelle und auch in den Direktionen bestehen, daß solche menschenunwürdigen Räume unserem Personal zur Verfügung gestellt werden. Ich wäre dem Herrn Abg. Dahlem dankbar, wenn er mich des näheren Unter⸗ richtete, wo sich diese Räume befinden. Ich glaube die Zusicherung geben zu können, daß sie alsbald beseitigt sein werden.
Dann hat der Herr Abgeordnete hervorgehoben, daß an dem katholischen Feiertage Mariä Lichtmeß von den Verladern und Ab⸗ ladern verlangt würde, daß sie entladen, und, wenn sie ihrer Auflage nicht entsprechen, das Wagenstandgeld erhoben würde. Meine Herren, es ist unter dem 18. April 1895, also noch unter dem Minister von Thielen, folgende Anordnung ergangen, die heute noch zu Recht besteht und unbedingt befolgt werden muß:
An Orten mit überwiegend katholischer Bevölkerung ist von der Berechnung von Wagenstandgeld von vornherein abzusehen an folgenden katholischen Feiertagen: Heilige drei Könige, Mariä Lichtmeß, Martä Verkündigung, Fronleichnam, Peter und Paul, Allerheiligen, Mariä Empfängnis;
darunter befindet sich Mariä Lichtmeß. Also ist von einer Berechnung von Wagenstandgeld von vornherein abzusehen. Das ist das Entscheidende. Es muß sich also hier um irrtümliche Anwendung einer bestehenden Bestimmung handeln. Der Schlußsatz lautet:
Die Stationsorte, in denen die erwähnte Voraussetzung zutrifft,
sind von den Direktionen zu ermitteln. In zweifelhaften Fällen
ist die Entscheidung des Oberpräsidenten zu erbitten. Sie sehen, die Sache ist durchaus ordnungsmäßig geregelt.
Wenn unserem Personal, das im Betriebe tätig ist, zeitweilig
die Sonntagsruhe, die für dasselbe vorgesehen und ganz bestimmt begrenzt ist, nicht hat gewährt werden lönnen, so liegt das eben an den außerordentlichen Betriebsschwierigkeiten, mit denen die Verwaltung in einzelnen Teilen des Staatseisenbahnbereichs in den letzten Monaten zu kämpfen gehabt hat. Trotz alledem besteht die ausdrückliche Anweisung, daß jeden zweiten, mindestens jeden dritten Sonntag der Angestellte, Beamte oder Arbeiter Gelegenheit zum Kirchenbesuch haben soll. Danach muß ver⸗ fahren werden. Im allgemeinen ist unser Personal aber darüber unterrichtet, daß es eben zu schweren Zeiten auch an Sonntagen seine Pflicht tut. Wenn sich diese Ausnahmezustände außerordentlich ver⸗ längern, wenn sie zu einer ständigen Einrichtung werden sollten, dann muß selbstverständlich das Personal so vermehrt werden, daß die gebotene Sonntagsruhe auch gewährt werden kann.
Es ist dann im Hinblick auf die Vorgänge, die sich an die Be⸗ seitigung des Trajektes Bingerbrück —Rüdesheim knüpften, gewünscht worden, daß der Ausnahmetarif, der für Wagenladungsgüter zwischen Bingerbrück und Rüdesheim gewährt worden ist, um die Härten aus⸗ zugleichen, die sich aus der Aufhebung des Gütertrajektes ergaben, er⸗ gänzt werde durch den Artikel Holzwolle. Ich glaube das in Aussicht stellen zu können, während ich lebhafte Bedenken habe, die Ausnahme⸗ maßregeln, die eben doch als solche eng begrenzt sein sollen, auf Stück⸗ güter auszudehnen.
Dann hat der Herr Abg. von Böttinger eine Reihe von Wünschen vorgetragen, die sich mit dem Verkehr in den D⸗Zügen befassen; er hat gewünscht, daß das Publikum verhindert werden soll, in den Korridoren vor die Fenster zu treten und diejenigen Reisenden, die in den Abteilen sitzen, der freien Aussicht zu berauben. Das ist ein Mißstand, der ohne weiteres anerkannt werden muß, und wenn die Verfügung nicht beachtet wird, wird sie eben erneut eingeschärft werden. Ich stehe ganz auf dem Standpunkte des Herrn von Böttinger. (Bravo!)
Was aber den Wunsch betrifft, in den D⸗Wagen neue Türen einzubauen, etwa vor jedem Abteil, so muß ich dem widersprechen. Diese Frage ist, wie die Herren sich vielleicht erinnern werden, im Anschluß an den Offenbacher Unfall erörtert worden. Damals wurde das Verlangen gestellt, daß im Interesse der Reisenden die D⸗Wagen in weit größerem Umfange mit Türen versehen werden möchten außer den beiden Türen an den Enden. Es ist mit Recht darauf hin⸗ gewiesen, daß dieses eine erhebliche Schwächung der Wagen bedeuten, daß das Publikum davon keinen Vorteil, sondern sehr erhebliche Nach⸗ teile haben würde. Denn das hat sich unzweifelhaft ergeben bei den Unfällen des letzten Jahrzehnts, daß die D⸗Wagen doch eine große Sicherung für die Reisenden bedeuten. Es muß daher alles vermieden werden, was dem entgegenwirlt.
Die Frage der Waschabteile ist streitig. Ein großer Teil unserer Passagiere wünscht eben die Waschabteile an der Türseite, nicht am
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Fenster, weil sie am Fenster die freie Aussicht hindern, d. h. die Möglichkeit, sich dort zu plazieren.
Betreffs der Züge nach Wiesbaden kann ich dem Herrn Abg. von Böttinger auch nicht beipflichten. Wir haben im Interesse Wiesbadens, des großen internationalen Bades, es dahin gebracht, daß die Züge der Hauptbahnen, von Cöln ausgehend nach Frankfurt, Wiesbaden unmittelbar anlaufen. Die Wiesbadener — ich glaube, der Herr Abg. Lotichius wird das bestätigen — haben diese Verbesserung mit großer Freude aufgenommen. Es hat sich ja naturgemäß eine kleine Verzögerung in der Abfertigung der Züge daraus ergeben; das war nicht zu vermeiden. Die Vorteile der Wiesbadener waren eben größer. Eine Verteuerung für den durchgehenden Verkehr nach Cöln ist nicht eingetreten; die Tarife regeln sich nach den Entfernungen der linken, nicht nach der rechten Seite des Rheins. Wohl aber hat sich eine kleine Verteuerung des Lokalverkehrs für Wiesbaden ergeben. Das hat Beschwerden hervorgerufen, aber es wird sich wenig dagegen tun lassen. Eine nützliche Maßnahme mußte durchgeführt werden, die zu kleinen Nachteilen geführt hat.
Abg. Strosser (kons.): Eine alte Klage ist es, daß die Speise⸗ wagen nicht allen Ansprüchen genügen. Der Verkehrsminister hat früher stets darauf die Auskunft gegeben, daß die Speisewagen n leicht gebaut seien, und hat Besserung in Aussicht gestellt. Es ist aber absolut nichts in dieser Hinsicht geschehen, wenigstens habe ich auf meinen Reisen die Erfahrung gemacht, daß Personen gar nicht so selten im Speisewagen durch das starke Schütteln von den Sitzen direkt heruntergeworfen werden. Bezüglich der so oft gerügten Ueber⸗ füllung der Stadt⸗ und Untergrundbahn in Berlin entgegnete der Minister, das wäre ein Uebelstand, der sich nicht vermeiden ließe, man solle eben einfach nicht zu solchen Zeiten fahren, wo eine Ueber⸗ füllung zu erwarten sei. Wer aber gesehen hat, wie die Angestellten der Stadt⸗ und Untergrundbahn die Passagiere hineindrängen und hineinklemmen, so daß, wie ich es selbst einmal sah, ein Abteil für 8 Personen 24 aufnahm, der muß sich 5 sagen, was einmal auch nur bei dem geringsten Unglück auf der Stadt⸗ bahn daraus werden könnte. Wiederholt ist auch die Aufmerksamkeit des Ministers auf die Seee des Vorortsverkehrs, wie er bis jetzt nur in Berlin besteht, auch in anderen Großstädten hingelenkt worden. Gerade aus Breslau sind Wünsche wiederholt dafür laut eworden, und man hat sich in Petitionen, so aus Brockau, an den Landtag gewandt; auch in dem Herrenhause sind Stimmen in diesem Sinne laut geworden. Man hat aber vom Ministerium einfach er⸗ widert, daß der Vorortverkehr sich nicht einmal in Berlin rentiere. Ich meine aber, daß die Frage doch nicht bloß von diesem Gesichts⸗ punkt aus zu betrachten 88 Auch andere große Städte neben Breslau haben ein großes Interesse daran, daß die Bewohner auch ihrer weiteren Umgebung billige Fahrgelegenheit haben, um die Stadt erreichen zu können. Ich habe weiter vom Minister gehört, daß in Zukunft eine Fahrtverbilligung bei Vereins⸗ und Fahrten von rößeren Gesellschaften nicht mehr stattfinden solle und önne. Auch hier ist der Wunsch an mich herangetreten, daß bei Gelegenheit des 7. deutschen Sängerbundfestes, das in diesem Sommer in Breslau stattfinden soll, ebenso wie bei früheren Gelegen⸗ heiten für Turnerfeste usw. Verbilligungen gewährt würden. Sollten solche Verbilligungen ganz aufhören, so würden damit für Kriegervereine, wenn sie die Schlachtfelder besuchen wollen, au fin Fahrten zu Kaisermanövern derartige Vergünstigungen ganz weg⸗ allen. Wenigstens müßte doch aber dann schon konsequent verfahren werden; aber die Ferienzüge sind geblieben und werden bleiben und bringen besonders Berlin große Vorteile. Ich möchte den Herrn Minister bitten, diesen Wünschen doch einige Berücksichtigung zu teil werden zu lassen.
Abg. Ziesché (Zentr.) schließt sich dem Vorredner in der Bitte an, daß wenigstens bei Gelegenheit des 7. deutschen Sängerbund⸗ festes in Breslau eine Vergünstigung wie bisher um 50 % für die Teilnehmer gewährt werde. 8
Abg. von Heyking kkons.) bemängelt, daß man von kleinen Städten und Ortschaften des platten Landes nicht nach allen Städten Fahrkarten lösen könne, sondern oft zweimal, wie es ihm passiert sei, von der Reise von Pest nach Dessau sogar dreimal eine Fahrkarte lösen müsse. Zu den Unbequemlichkeiten, die damit verbunden seien, komme noch binzu, daß durch die Fahrkartensteuer eine immerhin ins Gewicht fallende Verteuerung der Fahrt eintrete. Auch die Gepäckgebühren erhöhten sich dadurch. Die kleinen Städte hätten schon genug unter dem Mangel von Schnellzügen zu leiden. Wenigstens müsse von allen Städten der preußisch⸗hessischen Eisenbahnverwaltung nach allen anderen Städten die Lösung von Fahrkarten möglich sein.
Darauf wird ein Schlußantrag angenommen.
Damit schließt die allgemeine Besprechung. Die beiden Titel der Einnahmen aus dem Personen⸗ un Güterverkehr werden bewilligt. Die Verhandlungen des Landeseisenbahnrats von 1906 und der Betriebsbericht für 1905 werden durch Kenntnisnahme für erledigt erklärt, die Resolution der Kom⸗ mission über die Verwendung der 50 Millionen für Betriebs⸗ mittel über den Etat des Jahres 1906 hinaus wird ange⸗ nommen.
Als der Präsident von Kröcher zur Besprechung der Personentarifreform übergehen will, fragt
Abg. Freiherr von se dlitzund Neukirch (freikons.) zur Geschäfts⸗ ordnung an, welche Absichten der Präsident über die Fertigstellung des Etats hege. Schwerlich könne man den Kultusetat noch vor Ostern fertig stellen, da zudem noch die Erledigung des Polizeikostengesetzes vor Ostern angebracht sei, und die Kommissionsberatungen für das Berggesetz usw. keine derartige Verlangsamung erfahren dürften, daß nachher für die Plenarsitzungen kein Stoff vorhanden sei.
Präsident von Kröcher erwidert, daß es erste Pflicht des Hauses sei, den Etat rechtzeitig fertigzustellen, und wenn das nicht möglich sei, ihn so schnell wie möglich zu fördern. Durch event. Zuhilfe⸗ nahme von Abendsitzungen sei die Erledigung des Kultusetats vor Ostern durchaus möglich. Wenn aber das Haus etwas anderes be⸗ schlösse, so würde er der erste Diener des Hauses sein.
Abg. Dr. Porsch (Ztr.) stimmt den Ansichten des Abg. von Zedlitz bei. Es erscheine auch seiner Fraktion ganz ausgeschlossen, daß, wenn bisher keine Abendsitzungen erfolgt seien, gerade der Kultusetat durch solche erledigt werden solle.
Akg. Dr. Friedberg (nl.) schließt sich den Vorrednern an und hält es verfassungsgemäß gar zweckmäßig, daß in erster Linie der Bau⸗ etat behandelt werde, denn die Bauverwaltung könne nach den Er⸗ Cöhmüfsen der zweiten Lesung eher an die Lösung ihrer Dispositionen gehen.
Abg. Dr. von Heydebrand und der Lee (kons.) spricht sich in demselben Sinne aus, ebenso Abg. Dr. von I.
Praͤsident von Kröcher: Ich werde die mir angeführten Gründe überlegen, fürchte aber, daß ich zu keinem anderen als meinem bis⸗ herigen Resultat kommen werde. 8
Abg. Dr. Friedberg fragt an, ob sich das Haus vielleicht morgen am Schlusse der Sitzung nach dem Resultat der Ueberlegung des Herrn Präsidenten erkundigen dürfe.
Präsident von Kröcher: Die Schnelligkeit meiner Ueberlegung 55 zunächst davon abhängen, wie das Haus den Eisenbahnetat er⸗ edigt.
Darauf vertagt das Haus um 4 ¼ Uhr die weitere Be⸗ ratung des Eisenbahnetats auf Freitag 11 Uhr.
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