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17,50 17,90 18,60
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Verkaufswert auf volle Mark abgerundet mitgeteilt. Der Durchschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet.
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Ein liegender Strich (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ist, ein Punkt (.) in den letzten sechs Spalten, daß entsprechender Bericht fehlt.
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8 Deutscher Reichsttag.
14. Sitzung vom 9. März 1907, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
gggesordnung: Interpellationen der Abgg. Albrecht und Genossen und Dr. Ablaß und Genossen, betreffend Ein⸗ führung von Schiffahrtsabgaben auf natürlichen Wasser⸗ straßen in Preußen, Interpellation der Abgg. Trimborn, Dr. Sihe⸗ betreffend Rechtsfähigkeit der Berufsvereine, efähigungsnachweis, Ausverkaufswesen, Arbeitszeit der Fabrik⸗ arbeiterinnen, Arbeitskammern, und Interpellation der Abgg. Graf von Hompesch und Genossen, betreffend Revision der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes. Nachdem der Staatssekretär des Innern Dr. Gref von Posadowsky⸗Wehner auf Befragen erklärt hat, daß er dem Präsidenten den Tag mitteilen werde, an dem der Reichs⸗ kanzler die erste auf der Tagesordnung stehende Interpellation beantworten werde, und er zur sofortigen Beantwortung der Interpellätion, betreffend die Rechtsfähigkeit der Berufsvereine, bereit sei, begründet der Abg. Trimborn, wie in der vor⸗ 11“
gebe en Nummer d. Bl. mitgeteilt worden, in längerer Rede eine Anfrage.
Staatsminister, Staatssekretär des Innern Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:
Meine Herren! Der Herr Interpellant hat damit begonnen, alle die amtlichen Aeußerungen anzuführen, aus denen hervorgeht, daß sowohl der Herr Reichskanzler wie mit ihm auch die verbündeten Regierungen fest entschlossen sind, die Sozialpolitik fortzusetzen. Ob Sozialpolitik zu treiben ist oder nicht, darüber sind in der Welt die Ansichten ver⸗ schieden. Es gibt einen Standpunkt, der auch in Deutschland, wenn auch in verschleierter Form, sich in der Oeffentlichkeit bisweilen geltend macht, der, wenn er ganz sein Herz entdeckte und aufschlösse, vielleicht erklärte: „die Sozialpolitik war ein verhängnisvoller Schritt; der Kräftige in der Welt wird sich schon selbst behaupten, der Schwache wird untergehen; für den Schwachen muß nur das Notwendigste geschehen, und das hat die Armenpflege zu besorgen. Es liegt in der Sozial⸗ politik für die Entwicklung der Kraft eines Volkes etwas Ent⸗ nervendes; eine Anzahl von Staaten haben sich deshalb auf den We
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der Sozialpolitik noch nicht begeben; diese Staaten sind besser darn als diejenigen Staaten, die Sozialpolitik treiben.“
Nun, meine Herren, in dieser klaren und schroffen Form äußen
man sich zwar nicht, man erklärt auch, man sei für Fortführung der Sozialpolitik (Sehr gut! in der Mitte und links), bekämpft aber jeden einzelnen Schritt, der auf diesem Wege vorwärts gemacht wird. (Sehr gut!) -Auf diesem Standpunkt steht nicht der Herr Reicht⸗ kanzler, auf diesem Standpunkte stehen nicht die verbündetes Regierungen und ein Volk, das in dem Maße in der Volksbildung vorgeschritten ist wie das deutsche, stellt auch in Unglück höhere Anforderungen an seine Lebenshaltung, als die Armenpflege gewähren kann, und deshalb kann ein vn von dem Kulturstande des deutschen Volkes die Sozialpolitik nich aufhalten und nicht aufgeben, trotz aller stillen und offenen Gegner. (Sehr richtig! und Bravo! in der Mitte.)
Der Herr Vorredner hat appelliert an die Aeußerungen des Reichskanzlers. Der Herr Reichskanzler hat während des W
kampfes und hier im hohen Hause in großen Zügen seinen politischen Standpunkt entwickelt. Sie können aber nicht verlangen, daß der leitende Staatsmann bei dieser Gelegenheit auch auf Einzelheiten der Gesetzgebung eingeht (Sehr wahr! in der Mitte), um so weniger, da er selbsiverständlich zwar solche Erklärungen abgibt in allgemeiner Fühlung mit der Stimmung der verbündeten Regierungen, aber den verbündeten Regierungen über alle Einzelheiten von Gesetzen, die erst noch im Bundesrat zu beraten sind, nicht vorgreifen kann. Ich glaube also, in dieser Beziehung waren die Erklärungen des Herrn Reichs⸗ kanzlers vollkommen klar und ausreichend.
Nun, meine Herren, verzeihen Sie mir den Ausdruck, — aber wir sind ja bei Beginn der Session mit einem wahren Lawinensturz von Anträgen überschüttet. (Sehr richtig! und Heiterkeit). Wenn man aber praktische Politik treiben und sachlich vorwärts kommen will, halte ich es für einen schnelleren und deshalb besseren Weg, einzelne große Aufgaben herauszugreifen und sich mit denen wirklich ernst zu beschäftigen, dann kommt man eher zum Ziel.
Ich werde mich deshalb auf diese Interpellation, die ganz be⸗ stimmte Fragen an den Reichskanzler bezw. an die verbündeten Regierungen stellt, auch in ganz bestimmter knapper Form äußern.
Zunächst ist über das Schicksal der Gesetzesvorlage über die Berufsvereine eine Anfrage an den Reichskanzler bezw. an mich ge⸗ richtet worden. Von dem Berufsvereinsgesetz kann ich aus vollster, innerer Ueberzeugung sagen: es war wie Maria Stuart besser wie sein Ruf. (Nal nal links und in der Mitte.)
Meine Herren, ein paar Worte nur. Ich habe selten gefunden — das ist meine innerste und ehrliche Ueberzeugung —, daß ein Gesetz und seine Absicht so mißverstanden wäre, wie das Ge⸗ setz über die Berufsvereine, und wenn die Herren, die das Gesetz so angriffen, die Begründung gründlicher studiert hätten, würden sie doch vielleicht zu einer anderen Ueberzeugung ge⸗ kommen sein.
Aber ich glaube, es bestand zwischen der Auffassung der Regierungen und den Parteien ein tiefgehender sachlicher Unterschied, der auf einem Mißverständnis beruhte. Die Forderung auf Einführung der Rechts⸗ fähigkeit der Berufsvereine ging von dem Wunsche aus, die ver⸗ wickelten Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu beseitigen und für die Verleihung der Rechtsfähigkeit ein anderes Verfahren einzu⸗ führen als das des Bürgerlichen Gesetzbuchs, welches die Verleihung der juristischen Person an Vereine in das arbiträre Ermessen von Verwaltungsbehörden stellt. Diese Forderung war aber in dem Gesetz⸗ entwurfe über die Berufsvereine unzweifelhaft erfüllt. Aber wie im Leben, so auch in der Gesetzgebung, kommt manchmal der Appetit beim Essen, und man knüpfte an die Regelung der Rechtsfähigkeit der Berufsvereine Forderungen an, die früher in Verbindung mit der Aenderung des
ürgerlichen Gesetzbuchs nicht erhoben worden sind: man wollte eine Regelung des gesamten Rechts der Gewerbevereine, man wollte eine Neuregelung des Koalitionsrechts, man wollte schließlich auch eine Regelung des gesamten Vereins⸗ und Versammlungsrechts — Dinge,
die auf einem wesentlich anderen rechtlichen Gebiete beruhen.
solle sich aufbauen auf dem Gesetz über die Berufsvereine, und man wolle insbesondere an den Arbeitskammern nur die Arbeitergruppen eteiligen, die innerhalb rechtsfähiger Berufsvereine ständen, und somit die rechtsfähigen Berufsvereine privilegieren und auf Umwegen eine Art politischen Einfluß auf die rechtsfähigen Berufs⸗ vereine und damit mittelbar auch auf alle übrigen Arbeitervereine üben. Diese Auffassung ist eine irrige. Das Gesetz über die Arbeits⸗ kammern soll nach dem Standpunkt bei Entwurf des Gesetzes und auch nach dem Standpunkt, den die verbündeten Regierungen bei Vorlage des Gesetzes einnahmen, nicht aufgebaut werden auf dem Gesetz über die rechtsfähigen Berufsvereine, soll überhaupt damit in keinen inneren Zusammenhang gebracht werden. Damit fällt der Hauptangriffspunkt, der seinerzeit gegen dieses Gesetz gerichtet wurde, fort und ich würde es vielleicht für praktisch halten, um dieses Mißtrauen ganz unzweifelhaft zu beseitigen, wenn die verbündeten Regierungen sich zuerst einigten über das Gesetz über die Arbeits⸗ kammern und dasselbe einbrächten, und dann erst in Erwägung träten, ob und in welcher Form das Gesetz über die Berufsvereine wieder eingebracht werden soll.
Was speziell das Gesetz über die Berufsvereine betrifft, so ist es selbstverständlich, daß nach der Kritik, die dieses Gesetz hier von ver⸗ schiedenen Parteien im hohen Hause gefunden hat, die verbündeten Regierungen von neuem in Erwägungen eintreten werden, ob und welche Veränderungen an diesem Gesetzentwurf vorzunehmen sind und ob und wann das Gesetz demnächst wieder einzubringen ist. Bei dem jetzigen Stande der Verhandlungen kann ich darüber eine bestimmte Erklärung nicht abgeben. Wegen des Gesetzes über die Arbeitskammern habe ich mich bereits mit den preußischen Ressorts in Verbindung gesetzt. Die kommissarischen Verhandlungen stehen bevor und soweit ich eine allgemeine unverbindliche Aeußerung hier kund⸗ geben darf, nehme ich an, daß in der nächsten Session dem Reichs⸗ tage ein Gesetzentwurf über die Arbeitskammern vorgelegt werden wird. (Bravo!) .
Ich komme nun zu dem zweiten Gesetzentwurf, betreffend den sogenannten kleinen Befähigungsnachweis. Dieser Gesetzentwurf ist bereits in zwei Lesungen in Ausschüssen des Bundesrats beschlossen worden. In der nächsten Zeit findet eine dritte Lesung statt und ich glaube, daß auch der Bundesrat sich sehr bald über den Gesetzentwurf schlüssig machen wird. Ob und wann das Gesetz vorgelegt werden wird, wird lediglich von dem Geschäftsstand des hohen Hauses abhängen und von der Zeit, die dem hohen Hause für die Beratung von Gesetzentwürfen in dieser Session noch übrig bleibt.
Es ist ferner angefragt worden, wie es mit dem Gesetze über den unlauteren Wettbewerb stände. Gegenüber den viel⸗ fachen Beschwerden, die aus Kreisen der Interessenten, aus den Kreisen der Rechtswissenschaft und aus dem hohen Hause selbst über die Wirksamkeit dieses Gesetzes erhoben sind, habe ich ver⸗ anlaßt, daß eine eingehende Prüfung desselben durch Sachverständige stattfinden soll. Die Vernehmung der Sachverständigen hat am 15. und 16 Februar im Reichsamt des Innern stattgefunden. Insgesamt waren 34 Sachverständige aus den verschiedensten Kreisen des Handels, des Handwerks, der Industrie, Vertreter der gewerblichen Vereine, sowie auch je ein Mitglied des Reichsgerichts und des Kammergerichts anwesend. Die
ernehmung erstreckte sich zunächst auf die Frage der Revision des Gesetzes 8 8888 8.
im allgemeinen, wobei die etwaige Einführung einer Generalklausel über den Begriff des unlauteren Wettbewerbs erörtert wurde, sodann auf die einzelnen Bestimmungen des Gesetzes und schließlich auf das Ausverkaufswesen. Hierbei kam die Frage des Warennachschubs, der Konkursausverkäufe, die Frage der Anmeldepflicht und der polizeilichen Reglementierung der Ausverkäufe zur Verhandlung. Das sehr wert⸗ volle Ergebnis jener Sachverständigenverhandlungen ist jetzt Gegen⸗ stand der Prüfung innerhalb der Reichsressorts und wird dann auch Gegen⸗ stand der Prüfung innerhalb der verbündeten Regierungen sein. Daß große Mißstände auf dem Gebiete des Ausverkaufswesens bestehen, ist unzweifelhaft. Ich bin aber — und das werden Sie verstehen — heute noch nicht in der Lage, eine bindende Erklärung abzugeben, in welcher Richtung diese Sachverständigenverhandlung Anregung zu einer Aenderung des Gesetzes bieten wird. Was ferner die Arbeitszeit so habe ich mich über diese äußert. Ich bin der Ansicht, daß in einer Zeit, wo die preußische Staatsregierung in einer großen Anæzahl siskalischer Betriebe zur neunstündigen Arbeitszeit der Männer übergegangen ist, die elfstündige Arbeitszeit der Frauen nicht länger aufrecht zu erhalten ist. (Bravo!) Ich meine, der gesunde Körper der Frau, der uns das künftige Geschlecht liefern soll, ist in unserem Volksleben ein so wichtiger Faktor, daß wir bei unserer fortschreitenden Industrie, die zum Teil auch mit erhöhten Gefahren für Gesundheit und Leben ver⸗ bunden ist, dieser Frage ein ernstes Augenmerk zuwenden müssen. (Sehr richtig! in der Mitte und bei den Sozialdemokraten.) Ich bin deshalb mit dem Herrn Handelsminister in Preußen darüber ein⸗ verstanden, daß der zehnstündige Arbeitstag der Frauen eingeführt werden muß (Bravol), und ich hoffe, daß die verbündeten Regierungen einer Vorlage die Zustimmung erteilen, daß diese Einführung er⸗ folgen soll. Ich hoffe, daß in der nächsten Session eine ent⸗ sprechende Vorlage dem hohen Hause unterbreitet werden kann; aber es wird notwendig sein, für die Einführung des zehnstündigen Arbeitstages für Frauen eine gewisse Uebergangszeit zu schaffen und auch gewisse Ausnahmen zuzulassen. Unter dieser Vor⸗ aussetzung bin ich mit dem Herrn preußischen Handelsminister einig, daß die Gesetzgebung in dieser Richtung alsbald zu ändern ist.
Meine Herren, zum Schlusse möchte ich mir noch zwei Be⸗ merkungen gestatten: Wir haben aus der vorigen Tagung des Reichs⸗ tags noch ein sehr großes Residuum an Gesetzentwürfen (Sehr richtig! rechts), die teilweise bereits das Kommissionsstadium verlassen hatten, solche, über die auch bereits omnium consensus in der Kommission bestand und die unter allen Umständen aufgearbeltet werden müssen. (Sehr richtig! rechts.) Wir haben ferner eine sehr große Menge anderer gesetzlicher Fragen vor uns, die einer schnellen Lösung unbedingt bedürfen. Ich glaube aber, wenn unsere Gesetz⸗ gebung, selbst auf Grund von Vorlagen der verbündeten Regierungen nicht in dem schnellen Maße fortschreitet, wie es in den Interessenten⸗ kreisen erwünscht ist, so liegt es vielleicht auch daran, daß man bei einer Gesetzesvorlage zuviel auf einmal verlangt, daß jeder, der mit an dem Gesetz interessiert ist, gleich einen idealen Zustand der Dinge, wie er ihn sich vorstellt, herbeiführen will. Ich glaube, in der Ge⸗ setzzebung kommt man weiter, wenn man mit Abschlagszahlungen vorlieb nimmt, wenn man nach der Höhe, auf die man gelangen will, zunächst auf einzelnen Stufen fortschreitet. Würde man in diesem Sinne an die Beratung von gesetzgeberischen Vorlagen herangehen, ich glaube, man würde schneller praktische Erfolge erreichen.
Und dabei komme ich auch auf die Aeußerung des Herrn Reichs⸗ kanzlers, daß er an eine Reform des Vereins⸗ und Versammlungsrechts denke. Das Vereins⸗ und Versammlungsrecht unterliegt ja nach Art. 4 der Reichsverfassung der Beaufsichtigung des Reichs und es ist ein promisso⸗ rischer Verfassungsartikel, seinerzeit ein einheitliches Reichsvereinsgesetz in Deutschland zu schaffen. Wenn nun der Herr Reichskanzler jetzt erklärt, er denke an eine Reform des Vereins⸗ und Versammlungs⸗ rechts, so hat er diese Erklärung mit der Vorsicht und Zurückhaltung abgegeben und abgeben müssen, die er dem Bundesrat, der gesetz⸗ gebenden Versammlung des Deutschen Reiches selbstverständlich schuldig ist; aber er hat doch damit ein Programm geäußert; er hat erklärt, daß er eine Reform des Vereins⸗ und Versammlungsrechts für wünschenswert, für notwendig hält und daß er bereit ist, diese Frage in die Hand zu nehmen und zu fördern. Ich glaube, das ist schon ein erheblicher Fortschritt gegenüber dem bisherigen Zustand der Dinge, und das ist nicht nur ein Versprechen, sondern diese Erklärung des Herrn Reichskanzlers wird Gegenstand sehr ernstgemeinter Verhandlungen zunächst innerhalb der Reichsressorts und mit den preußischen Ressorts sein müssen.
Aber freilich, meine Herren, bei allen diesen Fragen auf sozial⸗ politischem Gebiete, auf allgemein politischem Gebiete, wie z. B. dem
weiblicher Personen anbetrifft, Frage bereits früher ge⸗
Versammlungsrechtes,
Vereinsrecht, ist die Voraussetzung die, daß die Forderungen sich in den wirtschaftlich und politisch möglichen Grenzen halten. Wir haben vorgestern die Verhandlungen gehört über die Zustände, die angeblich im Weinhandel existieren. Ich hoffe, sie sind teilweise etwas zu schwarz gemalt. Wir haben heute und wiederholt früher in dem hohen Hause Klagen über Uebelstände gehört, die in Handel und Ge⸗ werbe auf dem Gebiete des Ausverkaufs bestehen. Wir haben Klagen gehört auf dem Gebiete der Ernährung des Volkes in bezug auf Verfälschung von Nahrungsmitteln.
Gewiß, meine Herren, die Gesetzgebung muß gegen solche Uebel⸗ stände einschreiten. Aber die Gesetzgebung kann eine sichere Heilung der Uebelstände nicht allein auf sich nehmen. Sie kennen das berühmte römische Wort: plurimae leges, publica, je mehr Gesetze, Die Gesetzgebung ist nur die äußere zwingende Form; aber jeder in seinem Kreise muß auch dazu beitragen, um solche Zustände, wie sie hier dargestellt sind, durch Hebung der Sittlichkeit, durch Förderung von Treu und Glauben und Redlichkeit in unserem ge⸗ samten Volksleben zu bekämpfen. (Sehr richtig!) Man kann das nicht nur mit der Gesetzgebung, mit der zwingenden äußeren Form erreichen; der Anstand der Kreise, die hier beteiligt sind, muß gehoben, das Rechtsbewußtsein in Schule, Haus und Verkehr geweckt werden. (Bravo!) Und dazu kann jeder in seinem Kreise beitragen. (Sehr richtig!) Möge man doch bei Firmen, die im Verdacht stehen, daß sie den Wein fälschen, daß sie unredliche Manipulationen machen, nicht kaufen. (Heiterkeit.) Gewiß, meine Herren, bei einem Manne, den ich für unreell halte, kaufe ich keine Waren. Mag doch das Publikum endlich lernen, in den marktschreierischen Geschäften mit Räumungsausverkäufen oder Konkursausverkäufen oder Ausverkäufen
wegen Todesfalls usw., wenn man glaubt, daß das nicht ein wirklicher
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pessima res
desto schlechter das Gemeinwesen.
Arbeiterschaft
Ausverkauf, sondern nur ein außerliches Mittel ist unter unwahren Vorwänden, unter unwahrer Reklame heranzulocken — mag doch das Publikum endlich so klug werden, in solchen Ge⸗ schäften nicht zu kaufen. (Sehr wahr!) Meine Herren, es gibt in einem großen Volke selbstverständlich viele soziale Mißstände; aber die sozjialen Mißstände dürfen nicht nur mit der Gesetzgebung bekämpft werden, sondern der anständige und gerechte Sinn des Volks und namentlich die Führung der gebildeten Klassen muß dazu das größte Teil tun, und da kann jeder in seinem Kreise sehr nützlich, sehr heilsam zur Besserung unserer sozialen und geschäftlichen Zustände in Deutschland beitragen. (Bravo!) Meine Herren, ich schließe damit die Beantwortung dieser Inter⸗ pellation: was an mir liegt, was an den Reichsinstanzen liegt, wird geschehen, um diese großen gesetzgeberischen Aufgaben, die hier berührt sind, so schnell als möglich zu fördern. (Bravo!) Ich bitte Sie dann aber auch, die Vorlagen mit einem wohlwollenden Blick ent⸗ gegenzunehmen und, meine Herren, in den Forderungen, die Sie stellen werden, sich auf das wirtschaftlich Mögliche und politisch Zulässige zu beschränken. (Lebhaftes Bravo!)
Auf Antrag des Abg. Dr. Spahn (Zentr.) tritt das Fen in die Besprechung der Interpellation ein; gegen die esprechung stimmt ein Teil der Nationalliberalen.
Abg. Hieber (nl.): Die lebhafte Zustimmung, welche die sozial⸗ olitischen Ausführungen des Staatssekretärs mit der Ankündigung fesialpokitischer Gesetze im ganzen Hause von rechts bis links gefunden haben, ist ein Beweis dafür, daß auch im neuen Reichstage für eine positive Fortführung der Sozialreform eine sichere Mehrheit vorhanden ist. Das kann, glaube ich, dem Abg. Trimborn hinweghelfen über die elegische Stimmung, in der er vorhin über die alte Situation des Reichstags gesprochen hat. Der Staatssekretär hat uns eine schätzens⸗ werte Ergänzung zur Thronrede und zu den Ausführungen des Reichskanzlers gegeben. Das konnte uns nach der Haltung der Regierun und der des Staatssekretärs als Minister für Sozialpolitik nicht überraschen. Wir haben eine solche Erklärung von dem Staatssekretär auch im neuen Reichstage erwart und ich konnte bei manchen Ausführungen des Kollegen Trimborn d Eindruck nicht los werden, daß er da und dort offene Türen ein gerannt hat, insofern er einen gewissen Keil hineinzutreiben gesucht hat zwischen die Rechte und Linke, oder da zulegen versucht hat, als ob der neue Reichstag eine geringere Gewähr fr die positive Fortführung der Sozialpolitik wäre, als der alte Reichstag unter der Führung des Zentrums. Die Sozialpolitik ist doch bisher nicht ein bloßes Unternehmen des Zentrums gewesen. (Abg. Trimborn: Hat niemand behauptet!) Durch die Ausführungen des Abg. Trimborn klang der Grundton durch, als ob der neue Reichstag weniger Gewähr biete als der alte. Seit einer Reihe von Jahren ist doch in allen Parteien die Zahl der jenigen Männer 18 die eben eine positive Sozialreform im Deutschen Reiche energisch ise g. zu sehen 1“ Jede einzelne der in der Interpellation berührten Fragen könnte uns tagelang beschäftigen. Immerhin sind diese Fragen aktuell und für die Gesetzgebung reif. Ich halte es auch be. rüct. daß in diesem Zusammenhang auch die Frage der Mittelstandspolitik behandelt wird. Diese Frage ist im Grunde genommen eine Frage der Sozial politik. Fast gar nicht eingegangen ist der Abg. Trimborn auf die auffälligste Aenderung gegen den bisherigen Zustand, daß die Sozial⸗ demokratie fast auf die Hälfte ihrer Mandate reduziert ist. Wir werden dadurch verpflichtet, in diesem Jahre den Beweis zu liefern, daß der Reichstag auch ohne und gegen die Sozialdemokratie gute soziale Gesetzgebung machen kann, daß man sie nicht braucht, um soziale Reformen durchzuführen. Der Graf Posadowsky spielte auf gewisse Richtungen an, die von der Sozialpolitik nichts wissen wollen, das aber nicht offen eingestehen mögen. Er hat damit
anz recht. Wenn gewisse Stimmen uns zuraunen wollten, es ei jetzt damit genügend, man sollte bremsen, so erklären wir demgegenüber, es gäbe gar keinen sichereren Weg, der so schwer aufs Haupt geschlagenen Sozialdemokratie neue Kraft zuzuführen, als wen wir diesem Rate Folge leisten wollten. Jetzt haben wir viel⸗ mehr die doppelte Pflicht, zu beweisen, daß auch auf dem Bode der heutigen Gesellschaftsordnung die Unbemittelten und Bedürftige zu besseren Verhältnissen gelangen; und wir meinen, auch der Kanzler und die verbündeten Regierungen sind darin mit uns einverstanden. Das geht aus der Thronrede, aus der Antwort des Kanzlers an den Vorstand des Zentralverbandes der Industriellen hervor, wie aus der Erklärung des Staatssekretärs, er sei ein Staatssekretär nicht gegen, sondern für Sozialpolitik, Daß auf diesem Gebiete der Arbeiter⸗ versicherungsgesetzgebung riesengroße Arbeit bevorsteht, wissen wir alle, aber davon zu reden, ist jetzt nicht die Zelt; jetzt handelt es sich um Organisationsfragen, um die Fortbildung und Sicherung des Koalition rechtes, um die Beseitigung der Rückständigkeit des Vereins⸗ und um eine Regelung der Berufsvereinsfrage ohne Polizeischikane, um die Einrichtung von Arbeitskammern. Der von dem Staatssekretär zu der letzten Frage eingenommene Standpunkt scheint mir durchaus anerkennenswert. Dagegen ist es ihm wohl nicht gelungen, uns von den Vorzügen des Berufsvereins⸗ esetzentwurfs zu überzeugen. Eine Reihe von Bestimmungen des⸗ htse sind Angstgeburten gewesen; keine Partei hat sich unbedingt für das Gesetz ausgesprochen. In der Kommission würde gleichwoßl vielleicht etwas ganz Brauchbares herauskommen, zumal da gewisse Einflüsse nicht mehr so wirksam sich äußern können. Der Ent⸗ wurf wäre herausgekommen auf eine Besserung der eingetragenen und auf eine Berücksichtigung der nicht eingetragenen Berufsverelne. Mißverständnisse wegen der Tragweite und Bedeutung einzelner Vorschläge mögen obgewaltet haben; aber nahezu ein⸗ mütige Ablehnung des Gesetzes seitens organisierten konnte darauf nicht beruhen. Die Arbeiter⸗ organisation hatte eben den Eindruck des unbefangenen Beobachters überhaupt, daß durch den ganzen Entwurf ein Polizeigeist des Miß⸗ trauens ging, der in ein solches positives Gesetz nicht hineingehört. Die Entwicklung der Arbeiterorganisation, wie der Organisationen überhaupt dehnt sich in neuerer Zeit unaufhaltsam weiter aus; es ist auch unvermeidlich, daß sich aus diesem wirtschaftlichen Organi⸗ sationskampfe Organisationen hüben und drüben entwickeln, un das Fehlen eines Gesetzes hat auf diese Entwicklung einen hemmenden Einfluß keineswegs geübt. Die korporative Zusammenfassung der Berufsstände, wie sie sich auch in dem Gelehrtenberufe noch immer mehr vollzieht, wird auch ferner fortschreiten, ob die Gesetzgebung noch so sehr nachhinkt oder hemmend einwirken möchte. Die Befürchtung hege ich nicht, daß durch liberale Ausgestaltung der Rechtsfähigkeit der Berufs⸗ vereine der politische Einfluß der Sozialdemokratie gestärkt wird Und es war ein Konservativer, Professor Kropatscheck, der hierin einen durchaus gesunden Gedanken erkannte und befürwortete. Wie wi man es verantworten, bei der Organisation allein gegenüber de Arbeitern strengere Grundsätze walten zu lassen, die Zügel straffer anzuziehen als anderen Schichten der Gesellschaft gegenüber? Dem sozialpolitischen Programm der Thronrede hat jene Vorlage unbedingt nicht entsprvochen. Im Zusammenhang hiermit steht der Gedanke der Reform des gesamten Vereins⸗ und Versammlungsrechtes. Der Graf Posadowsky hat im November gesagt, jene Berufsvereinsvorlage schaffe eine Grundlage für ein deutsches Vereinsrecht; da
der
moöchte ich aussprechen, daß das Programm des Reichskanzlers in
diesem Punkte nicht ein bloßer Gedanke bleiben möchte, sondern daß möglichst bald uns der Entwurf eines deutschen Vereinsgesetzes vor⸗ gelegt werden möchte. Mit welchem kleinlichen Polizeigeist wird in
Preußen in dieser Beziehung regiert! In Württemberg, wo es ein eigentliches Vereinsgesetz überhaupt nicht gibt, haben wir eine sehr
freie Gewohnheit und kommen damit sehr gut aus; alle, auch die
man bei uns im Süden hat, besteht
Sozialdemokraten, sind damit zufrieden, ja die einzige Furcht, die darin, daß mit dem künstigen