Qualitaͤt
gering
mittel Verkaufte
Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner Menge
niedrigster ℳ
höͤchster niedrigster höchster niedrigster höchster ℳ ℳ ℳ4 ℳ
Doppelzentner
Am vorigen Markttage
Durch⸗ schnitts⸗ preis
ℳ ℳ
Außerdem w am Marktucoen nach gevale 1 uüberschlä Schäthen chläglicher oppelzent Preis unbekannth
Durchschnitts⸗ preis für 1 Doppel⸗ zentner
Verkaufs⸗
wert 8 dem
17,60 15,60 15,90 16,40
Landsberg a. W.. Kotthus. . 8 “ Striegau. . . . Hirschberg i. Schl. “ Göttingen. . Iebder “ Döbeln. 8 1 Langenau i. Wrttbg. 3 8 “ ö“ 8 . .“” Neubrandenburg . . 8 1 6 Chateau⸗Salins.. 8 8 —
Bemerkungen. Die verkaufte Men
16,50
18,80 18,50
ige wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswert auf volle Mark abgerundet mitgeteilt.
Hafer.
18,00 1640 16,70 17,00 16,40 17 60 17,50 17,10 17.80
19 20 19,40 19,50
19,00 16 80
17,60
100 16,10 16,40
18,00 16.80 16 90 17,00 16,80 17,60 18,00 17,60 18,00 19,40 83 19,50 22
17 60 16,30 16,50 16,60
17,00 17,50
17,60
17.60 16,10 16,30 16,60
17,00 17,00 1760
18,80 19,00 18,50 19,00
17,00
17,10 1 200
— 17,60 19,9o0
17,80 17,50
16,67 16,60 16,60 16,50
17,14 17,33 17,40 17,43
19,19 19,10 19,00 19,00 16,95 16,95 .
767 10 458
1 200 870
1 593 418 20 340
Der Durchschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen herechnet.
Ein liegender Strich (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ist, ein Punkt (.) in den letzten sechs Spalten, daß entsprechender Bericht fehlt.
88
SDSDSDeeutscher Reichstag. “
18. Sitzung vom 14. März 1907, Nachmittags 1 Uhr.
(Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Tagesordnung: Erste und eventuell zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend den Hinterbliebenen⸗ versicherungsfonds und den Reichsinvalidenfonds, Interpellation der Abgg. Freiherr Heyl zu Herrnsheim, Dr. Stresemann, ““ die Verhältnisse der Privat⸗ beamten, Interpellation der Abgg. Albrecht und Genossen, betreffend Eingriffe von Behörden ec. bei der Reichs⸗ tagswahl.
Staatssekretär des Reichsschatzamts Freiherr von Stengel:
Meine Herren! Die kleine Vorlage, die Ihnen die verbündeten Regierungen haben zugehen lassen, bedarf wohl keiner ausführlichen und eingehenden Einführungsrede. Ich kann aber doch nicht umhin, sie wenigstens mit einigen kurzen einleitenden Bemerkungen zu be⸗ gleiten.
Wenn die Vorlage auch von geringem Umfange ist, so ist sie doch insofern bedeutsam, als sie den ersten gesetzgeberischen Akt dar⸗ stellt zur Ausführung des § 15 des Zolltarifgesetzes, der sogennannten lex Trimborn.
Der nächste Zweck, den wir mit dieser Vorlage verfolgen, ist der, die Verwaltung dieses neuen Versicherungsfonds durch Angliederung an die bereits bestehende Verwaltung des Reichsinvalidenfonds möglichst einfach und möglichst billig zu gestalten. Zugleich haben wir aber in der Vorlage auch darauf Bedacht genommen, daß die bisherige Verwaltung des Reichsinvalidenfonds selbst möglichst sparsam würde wirtschaften können. Es ist nicht ausgeschlossen, daß wir in diesem Bestreben in der Folge, vielleicht schon in den nächsten Jahren noch weiter gehen können, wenn wir nämlich zu gelegener Zeit uns dazu entschließen, etwa die eigentliche Tresorverwaltung als selbständige Verwaltung aufzulösen und die vorhandenen Kapitalbestände der Reichsbank als offenes Depot zu übergeben. Ich habe mir bereits im vorigen Jahre in der Sitzung der Budgetkommission vom 23. Januar 1906 ge⸗ stattet, auf eine solche Möglichkeit hinzuweisen, habe aber auch zu⸗ gleich hinzugefügt, die Sache bedürfe wohl noch einer eingehenden und sorgfältigen Erwägung. Zur Zeit liegen nun nach den von uns angestellten Berechnungen die Verhältnisse so, daß wir allerdings noch etwas billiger wegkommen zu können glauben, wenn wir die Tresorverwaltung selbst in der Hand behalten. Aber schon eine Maßnahme, die wir im Gesetzentwurf vor⸗ gesehen haben, nämlich die Eintragung der Bestände an Reichs⸗ und Staatsanleihen in das Schuldbuch des Reiches oder der Bundesstaaten, wird es voraussichtlich in nicht zu ferner Zeit ermöglichen, auch noch weiter zu gehen in der Verei fachung der Verwaltung und in der Verbilligung der Verwaltungskosten und insbesondere den Schritt zu unternehmen, den Rest der noch vorhandenen Kapitalbestände in Wertpapieren als offenes Depot bei der Reichsbank zu hinterlegen.
Zugleich verfolgt aber die Vorlage noch einen anderen Zweck, und zwar einen Zweck, der materiell erheblich bedeutsamer ist als di Ersparung von Verwaltungskosten. Wir wollen nämlich durch diese Vorlage für die Reichsinvalidenfondsverwaltung, welche die beiden Fonds künftighin nebeneinander verwalten wird, eine Einrichtung treffen, die sie der Notwendigkeit enthebt, behufs der Veräußerung der in ihrem Besitz befindlichen Papiere des Invalidenfonds auf Grund der verabschiedeten Etats an den offenen Markt, an die Börse zu gehen. Wir wollen das vermeiden, insbesondere deshalb, weil wir auf Grund langjähriger Erfahrungen nur zu gut wissen und bestätigen können — es liegt das ja auch in der Natur der Sache —, daß die fortgesetzte Veräußerung so großer Beträge wie die, um die es hier sich handelt, an der Börse nur dazu führen kann, einen nicht unerheblichen Druck auf den Kurs der erstklassigen Papiere, nicht nur der Reichs⸗ anleihen, sondern auch der Staatsanleihen auszuüben, und wir sind der Meinung, daß es gerade in der Gegenwart und in der nächsten Zukunft doppelt geboten sein wird, auf alle nur immer tunliche Weise Vorsorge zu treffen, daß die Abbröcklung der Kurse jener Papiere, wie solche in neuerer Zeit leider stattgefunden hat, nicht einen noch weiteren Umfang annimmt. Derselbe Grund hat uns auch — und zwar beziecht sich das speziell auf Maßnahmen, die im Sommer des abgelaufenen Jahres getroffen worden sind — dazu bestimmt, Vorkehr dahin zu treffen, daß einstweilen schon im voraus ver⸗ mieden wurde, einen Betrag von rund 30 Millionen, der durch den Etat für 1906 zur Verfügung gestellt war, an der Börse verkaufen zu müssen. Ich bin überzeugt, daß auch das hohe Haus diesen Akt der Vorsorge, den hier der Herr Reichekanzler im Interesse der zahl⸗ reichen Besitzer von Reichs⸗ und Staatsanleihen, eines großen Teils der Sparer in unserem Publikum geübt hat, sicher nur dankbar an⸗ erkennen wird.
Ich kann meine cinleitenden Bemerkungen hiermit schließen, indem ich zugleich der Hoffnung Ausdruck gebe, daß das hohe Haus dem vorliegenden Gesetzentwurf, und zwar in möglichst unveränderter
Fassung, seine Zustimmung nicht versagen werde. (Bravo!)
Abg. Gamp (Rp.): Ich glaube, daß dieser Wunsch in Erfüllung geht und daß diesem wohlüberlegten Gesetzentwurf kein Bedenken entgegengebracht werden wird. Es handelt sich darum, die beiden Fonds in gemeinschaftliche Verwaltung zu bringen, von denen der eine nur Einnahmen und der andere nur Ausgaben hat. Ich bin also mit diesem Gesetzentwurf in jeder Beziehung ganz einverstanden. Ich bin auch damit einverstanden, daß die Zentralverwaltung erhalten bleibt, nur möchte ich die Frage aufwerfen, ob nicht der Zeitpunkt ge⸗ kommen ist, die Depotverwaltung bei diesem Ressort zu beseitigen. Es ist in der Begründung ausgeführt, daß die Verweisung der Depots an die Reichsbank weit größere Kosten verursachen würde, ais es jetzt der Fall ist. Die Sache gewinnt aber doch jetzt ein anderes Gesicht, weil jetzt der Reichsinvalidenfonds einen dauernden Abnehmer im Fonds Trimborn hat. Mit Rücksicht auf die auch von mir gemachten Erfahrungen wäre es vielleicht geboten, die Depots auf das Reichs⸗ schuldbbuch oder auf ein Staatsschuldbuch zu übernehmen. Charakte⸗ ristisch ist das bureaukratische Verhalten der Reichsbank. Ich halte es nicht für berechtigt, einem Deponenten wie das Reich einen so hohen Prozentsatz zu berechnen. Es ist wirklich an der Zeit, von einer so törichten Praxis abzusehen und diese hohen Summen, von denen die Reichsbank so viele Vorteile hat, zu einem billigeren Satz in das Depot zu nehmen. Ich bitte den Staatssekretär, in diesem Sinne fortzuschreiten.
Staatssekretär des Reichsschatzamts Freiherr von Stengel:
Nur zwei Worte der Erwiderung auf die Ausführungen des Herrn Vorredners. Die Eintragung in das Schuldbuch des Reichs oder der Bundesstaaten bietet nur insofern in der Ausführung einige Schwierig⸗ keiten, als wir zwar im Reich ein Reichsschuldbuch, auch in ver⸗ schiedenen Bundesstaaten ein Staatsschuldbuch haben, aber nicht in allen; gerade der Staat, auf den es hauptsächlich ankäme, der Staat, von dem wir die weit überwiegende Zahl von Obligationen im Invalidenfonds haben, nämlich Bayern, hat bis jetzt kein solches. Da versagt also der Rat des Herrn Vorredners, für den ich im übrigen ganz dankbar bin. Wir wollen gewiß auf dem schon be⸗ zeichneten Wege vorwärts gehen, so weit und so schnell als möglich, und ich hoffe auch, daß wir in naher Zeit das Ziel erreichen, von dem auch der Herr Vorredner glaubt, daß es das wünschens⸗ werte ist.
Was noch den anderen Punkt anlangt, den ich erwähnen wollte, so sind das die Gebühren, die die Reichsbank für die offenen Depots verlangt. Hier nun so ohne weiteres eine besondere Abmachung zu treffen, hat insofern seine Schwierigkeiten, als der Gebührensatz für offene Depots durch das Statut der Reichsbank festgelegt ist. Jede solche anderweitige Abmachung mit der Reichsbank würde auch gewisse Rückwirkungen üben auf die Dividende der Reichsbankanteilseigner, wenn sie auch kaum erheblich wären. Ich wollte also nur hervor⸗ heben: so einfach, wie der Herr Vorredner anzunehmen scheint, liegt die Sache auch hier nicht, namentlich deswegen, weil eben das Statut einer solchen Sonderabmachung entgegensteht.
Damit schließt die erste Beratung. In zweiter Beratung wird der Gesetzentwurf im einzelnen ohne Debatte genehmigt. Es folgt die Verlesung der Interpellation der Abgg. Freiherrn Heyl zu Herrnsheim, Dr. Stresemann (nl.) u. Gen.: „Nach den Erklärungen, welche der Staatssekretär des Reichs⸗ amts des Innern in der Reichstagssitzung vom 10. Mai 1904 und er Geheime Oberregierungsrat Dr. Kaufmann in der Sitzung der Petitionskommission vom 18. Januar 1905 abgegeben haben, war die Abfassung einer Denkschrift in Aussicht genommen, welche auf Grund des von den Organisationen der Privatbeamten überreichten und von dem Regierungsvertreter Dr. Kaufmann als ausreichend anerkannten Materials die Verhältnisse der Privatbeamten als Grundlage für eine eventuelle staatliche Pensions⸗ und Hinter⸗ bliebenenversorgung darlegen sollte.
Wir richten an die verbündeten Regierungen die Anfrage, ob das Ergebnis der vorgenommenen Bearbeitung nunmehr vorliegt, und wann die in Autsicht gestellte Denkschrift dem Reichstage zu⸗ gehen wird.“
Auf die Frage des Präsidenten erklärt sich der Staats⸗ sekretär des Innern Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner bereit, die Interpellation zu beantworten.
Abg. Frhr. Heyl zu Herrnsheim (nl.): Der Staatssekretär erklärte neulich, es wäre richtig, wenn man auf dem Gebiete der Sozialpolitik fortschreiten wollte, nicht zu viel auf einmal in Angriff zu nehmen. Ganz einverstanden, aber meine Freunde können die verbündeten Regierungen nicht frei von Mitschuld erklären, wenn auf dem Gebiete der Sozialpolitik zu langsam vorwärts gegangen wird. Der Staatssekretär des Reichsjustizamts hat da ein besseres Beispiel gegeben. Eine Reihe von Materien, so die Frage des Heimarbeiter⸗ schutzes, der Frauenarbeit in den Fabriken usw, sind längst spruchreif und hätten schon zu gesetzgeberischen Vorlagen führen können. ir würden dem Staatssekretär sehr dankbar sein, wenn er geneigt wäre, für die Weiterführung der Sozialpolitik in den Hauptpunkten ein Arbeitsprogramm zu entwerfen und bekannt zu geben. Zu diesen rechnen wir auch die Regelung der Verhältnisse der
rivatbeamten. Man hat uns gesagt, es sei vor allem notwendig, vorweg die Zusammenlegung der drei großen Versicherungszweige sürbel⸗ zuführen. Es kann aber damit leicht noch 10 oder mehr Jahre dauern, bis diese Zusammenlegung möglich wird. Sollen die Privatblamten so lange warten? Damit kann man sie nicht abfertigen. Es muß festgestellt werden, daß der große Aufschwung, den die deutsche Industrie genommen hat, vorwiegend auf die Tätigkeit der Privatbeamten zurückzuführen ist. Gerade die technischen und kaufmännischen Beamten, die sich dieses Verdienst erworben haben, dieser neue Mittelstand, die Kerntruppe des Mutelstandes, diese tüchtigen Kräfte, die nicht im Sinne des Hand⸗ werkers oder Geschäftsmannes selbständig, sondern von einem Arbeit⸗
—
geber abhängig sind, die bei ihrer großen geistigen Inanspru
auch ihre Kräfte viel rascher abnutzen als der Arbeiter, 8ö berücksichtigt werden. Die Gehaltsgrenze von 2000 ℳ macht hier nichts aus; ein Privatbeamter würde bei uns am Rhein eine Stelee kaum unter 3 — 4000 ℳ annehmen, da ja schon der Arbeiter 1500 der Werkmeister 2400 ℳ jährlich mindestens verdient. Es ließe sich b durch Kasseneinrichtungen eine gewisse Abhilfe schaffen, aber das wär nichts Durchgreifendes. Es gibt ja die freiwillige Versicherung; aber die Wartezeit ist hier äͤußerst ungünstig bemessen und die Altersgrenze bildet ein weiteres Hindernis. Die Beamten machen denn auch sat gar keinen Gebrauch von dieser freiwilligen Versicherung; in He sen ist kaum ein derartiger Fall zu konstatieren. Die Industrie hat ja vielfach ihre Beamten bei Privatgesellschaften versichert; aber diese Versicherung ist zunächst viel zu teuer, die Aufnahme der Beamten, wenn sie nicht völlig gesund sind, sehr schwierig. In Oesterreich hat man 1906 müit einer Versicherung für die Prival⸗ beamten begonnen, dort beginnt man mit den geistigen Arbeitern und will die Handarbeiter nachfolgen lassen. Der Deutsche Reichstag hat sich 1903 mit der Angelegenheit befaßt; von Richthofen ver⸗ langte damals bereits für 1904 die Vorlegung eines Gesetzes. Bei der Verhandlung schilderte der Abg. Potthoff die Lage dieser Beamten und die Notwendigkeit der Pensions⸗ und Hinterbliebenenvegsrne in beredter Weise. Der Graf Posadowsky hat damals die Vorlage einer Denkschrift angekündigt; wir fragen, ob sie fertiggestellt ist und wann sie uns zugeben wird. Der Reichstag hat die Ausdehnung ds Ver⸗ sicherungszwanges in gewissen Grenzen auf die Privatbeamten befür⸗ wortet Sollte die Regierung heute einen anderen Standpunkt ein⸗ nehmen, so werden wir dennoch auch weiterhin den bercchtigten Wünschen der Privatbeamten gerecht zu werden bemüht sein.
Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:
Meine Herren! Ich habe nun schon seit Jahren in der Presse häufg den Vorwurf gelesen, man solle nicht mit der sozialpolitischen Gesez⸗ gebung im Automobiltempo vorgehen. Heute hören wir dagegen von einem Vertreter der bürgerlichen Parteien, einem Vertreter der nationalliberalen Partei, daß die verbündeten Regierungen, wie er sagte, hinter den sozialpolitischen Forderungen unserer Zeit nachhinken. Jedenfalls mögen Sie aus der Gegenüberstellung dieser beiden sich widersprechenden Behauptungen sehen, ob es richtig ist, daß die ver⸗ bündeten Regierungen und speziell das Reichsamt des Innern Sozialpolitik in unbedachter Weise, in einem Automobiltempo treibt. So etwas kann man urteilslosen Zeitungslesern wohl vorreden, aber wahr ist es nicht. (Sehr gut! links.) Selbstverständlich bedürfen alle sozialpolitischen Maßregeln, namentlich insoweit sie mit’ einer Belastung der Bevölkerungskreise verbunden sind, einer ernsten Prüfung, und zwar nach der wirtschaftlichen Seite und nach der finanziellen Seite. Aber die Behauptung, daß in unbedachter Hast innerhalb des Reiches Sozialpolitik betrieben wird, ist tatsächlich unbedingt unrichtig. (Sehr wahr! links.) Nunmehr, meine Herren, komme ich zur Sache. Ich habe am 10. Mai 1904 mich bereit erklärt, diejenigen Erhebungen, die die Organisationen der Privat⸗ angestellten einerseits über ihre wirtschaftliche Lage, anderseits über ihr Versicherungsbedürfnis im Wege von Fragebogen angestellt haben, in meinem Ressort bearbeiten zu lassen. Es sind im ganzen rurd 157 000 Fragebogen eingegangen. Davon waren rund 155 000 Frage⸗ bogen zur Bearbeitung geeignet. Auf Grund der aufgestellten Tabellen ist im Reichsamt des Innern eine Denkschrift be⸗ arbeitet worden, in welcher das Ergebnis der Erhebungen zur Darstellung gebracht und ausführliche Berechnungen über die Kosten einer Pension⸗ und einer Hinterbliebenenversicherung der Privatangestellten angestellt werden. Die Denkschritt äußert sich einerseits über die Verwertbarkeit des Materials, ferner darüber, inwieweit durch diese Fragebogen die Durchschnitts⸗ lage der Privatangestellten klargestellt ist, und behandelt endlich das Ergebnis der Erhebungen, und zwar getrennt nach Geschlechtern. Die Denkschrift ergeht sich im einzelnen — ich glaube, es wird die Ver⸗ sammlung interessieren, schon heute diese Einzelheiten zu erfahren das über folgende Punkte: über die Verteilung der gezählten Privat⸗ angestellten auf die verschiedenen Berufsarten und beruflichen Stellungen, ferner über das Alter und den Familienstand, sowie die Zahl und das Alter der Kinder unter 18 Jahren, über die Verteilung des Diensteinkommens nach 10 Einkommensstufen in Verbindung mit dem Alter und Beruf der Priyatangestellten, über den Umfang der reichsgesetzlichen Invalidenversicherung und der anderweitigen Ver⸗ sicherung in Pensionskassen und bei Privatversicherungsanstalten in Verbindung mit dem Alter, Beruf und Diensteinkommen, über die Stellenlosigkeit der Privatangestellten in den letzten fün Jahren, wobei in Verbindung mit dem Alter und dem Beruf die Zahl der Stellungslosen der Privatangestellten, die Dauer der Stellungslosigkeit und die Zahl der Fälle von Stellungslosigkeit dar⸗ gestellt sind.
Die Denkschrift ergeht sich ferner über die Kosten, die eine Ver⸗ sicherung der Privatangestellten für ihre Person und ihre Hinter⸗ bliebenen erfordert, und zwar einerseits, wenn man die Gehalts⸗ steigerung in Rechnung zieht, und anderseits, wenn man der 82 sicherung ein Durchschnittsgehalt zu Grunde legt. Es is ferner festgestellt worden, wie hoch die Beiträge in beiden Fällen zu
bemessen sind, wenn einerseits die Pension nur bei Eintritt ”8
rwerbsunfähigkeit gewährt und anderseits auch schon dann zugebilligt wird, wenn das Alter von 65 bezüglich 60 Jahren vollendet ist, vorausgesetzt, daß alsdann auch die für die Reichsbeamten maßgebende Wartezeit von 10 Jahren zurückgelegt ist Es sind ferner bei Berechnung der Kosten die Forderungen zu Grunde gelegt, die die Privatangestellten selbst gestellt haben, das heißt pensioniert zu werden im Falle der Dienstunfäbigkeit nach den Grundsätzen der Reichs⸗ und Staatsbeamten und auch nach ähnlichen Grundsätzen ihren Witwen und Hinterbliebenen Witwen⸗ und Waisengeld zu sichern.
Ich gehe nun mit einigen Worten auf die finanztellen Schlüsse der Denkschrift ein. Will man den Forderungen der Privatangestellten in vollem Umfang entsprechen, d. h. will man die Pensions⸗ und Hinterbliebenenbezüge nach den für die Reichs⸗ und Staatsbeamten maßgebenden Grundsätzen regeln und außerdem noch eine Heilfürsorge nach den Bestimmungen des Invalidenversicherungsgesetzes einführen — auch eine Forderung der Privatbeamten, die sie in den Leitsätzen veröffentlicht haben —, so wären hierfür als Jahresbetrag 19 % des jeweils bezogenen Diensteinkommens zu erheben, wenn man die Gehaltssteigerung mit in Rechnung zieht. Läßt man die Gehaltssteigerung außer Ansatz und bemißt die Bezüge unter Zugrundelegung der Pensionssätze des Reichsbeamtengesetzes 'nur nach einem stets gleichbleibenden Gehaltsbetrag, so sind rund 14 ½ % des Diensteinkommens erforderlich. Wenn man diesen Satz auf das in der Denkschrift für die befragten Privatangestellten im Durchschnitt ermittelte Jahreseinkommen won lrund 2100 ½2ℳ anwendet, so würde im Durchschaitt für jeden Privatbeamten als Jahresbetrag die Summe von 304 ℳ 50 ₰ zu zahlen sein. Hierfur würden ihm neben der Heilfürsorge nach den Bestimmungen des Invalidenversicherungsgesetzes folgende Jahresbezügetzustehen: —Meme Haren, ich lese das ausdrücklich hier vor, um auch in den Kreisen der Privatangestellten, ganz abgesehen von dem Inhalt der Denkschrift. Klarbeit über den Umfang des Unternehmenst und das wirischaftlich Mögliche und Erreichbare zunschaffen. — “
Es würde nach 10 Dienstjahren eine Invalidenpension von 525 ℳ, eine Witwenrente von 210 ℳ und eine Waisenrente von 42 ℳ für jedes Kind zahlbar sein, nach 20 Dienstjahren eine Invalidenpension von 875 ℳ, eine Witwenrente von 350 ℳ und eine Waisen⸗ rente für jedes Kind von 70 ℳ, nach 30 Dienstjahren eine Invalidenpension von 1225 ℳ, eine Witwenrente von 490 ℳ und eine Waisenrente von 98 ℳ, und nach 40 Dienstjahren keine Invalidenpension von 1575 ℳ, eine Witwenrente von 630 ℳ und eine Waisenrente für jedes Kind von 126 ℳ
Würde man nur einen Jahresbetrag von rund 150 ℳ jährlich — ich habe vorhin von einem Jahresbetrag von 30442ℳ gesprochen — erheben, so würde man die Häalfte dieser Bezüge, also nach 40 Dienst⸗ jahren eine Invalidenpension von rund 780 ℳ, reine Witwenrente von 315 ℳ und eine Waisenrente für jedes Kind von rund 63 ℳ gewähren können. 8
Meine Herren, die Denkschrift wird Ihnen heute gehen. (Bravo!) Nach der Denkschrift werden jetzt die Privatangestellten selbst und die verbündeten Regierungen die finanzielle Seite der Frage, die entscheidend ist, ein⸗ gehend zu prüfen haben und sie werden ferner zu prüfen haben, welche Wege man bei der Versicherung der Privatangestellten, deren Notwendigkeit und wirtschaftliche Nützlichkeit ich ohne weiteres anerkenne (Bravo!), die Gesetzgebung zu beschreiten haben wird. Es wird sich darum handeln: zieht man eine Erweiterung des Invaliden⸗ gesetzes vor, indem man neue Klassen anfügt, oder gründet man auf gesetzlicher Grundlage für die Privatangestellten eine besondere Zwangs⸗ versicherung? Ferner: bis zu welchem Höchstbetrag soll zman die Privatangestellten für zwangsversicherungspflichtig erklären, und ob und bis zu welchem Höchstbetrag sollen die Arbeitgeber verpflichtet sein, zu dieser Zwangsversicherung beizutragen?
Abgesehen von diesen Fragen, kommt noch eine andere Frage in Betracht, die auch eine hohe wirtschaftliche Bedeutung hat, nämlich die: wie weit kann man eine solche Zwangsversicherung ausdehnen, ohne das Gebiet der privaten Versicherungsgesellschaften in einer diesen höchst abträglichen Weise einzuschränken?
Die verbündeten Regierungen werden es sich angelegen sein lassen, auf Grund der Denkschrift diese schwierigen Fragen eingehend zu prüfen, und ich werde sehr bald die Gelegenheit ergreifen, die Auf⸗ fassungen der verhündeten Regierungen einzuholen, ob sie bereit sind, in den von den Privatangestellten gewünschten Richtungen den Weg der Gesetzgebung zu beschreiten, und auf welchen Grundlagen diese Gesetzgebung aufgebaut werden soll. Ich glaube, ehe man endgültig Beschlüsse in dieser Frage faßt, wird es auch für die Mitglieder des hohen Hauses und für die Privatangestellten selbst nützlich sein, sich in die verwickelten Einzelheiten der Denkschrift zu vertiefen (Sehr richtig!) und sich hierbei auch klarzuwerden, inwieweit sie imstande sein werden, den finanziellen Anforderungen einer solchen Zwangs⸗ versicherung zu genügen. (Sehr richtig!)
Meine Herren, daß für die Privatangestellten das Bedürfnis vorliegt, für ihr Alter im Falle der Arbeitsunfähigkeit und für ihre Hinterbliebenen im Falle ihres Todes Vorsorge zu treffen, das erkenne ich gerne an (Bravo!) und das, glaube ich, werden mit mir auch die verbündeten Regierungen anerkennen. (Bravo!) Es ist etwas unendlich Trauriges, und ich habe es aus eigener Erfahrung kennen gelernt, wenn ein Privatangestellter nach jahrelangen treuen Diensten dienstunfähig wird, er dann keine Stelle mehr findet und schließlich — und solche Fälle sind nicht selten, meine Herren — mit seinen Angehörigen sogar der öffentlichen Wohltätigkeit verfällt. (Sehr richtig!)
Besonders traurig habe ich das gefunden und besonders dringend ist das Bedürfnis auf dem Gebiete der Landwirtschaft. (Sehr wahr!) Gerade die landwirtschaftliche Tätigkeit eines Privatangestellten stellt an seine geistigen Kräfte, an seine Umsicht bei dem heutigen hohen technischen Stande der Landwirtschaft, aber auch an seine körperliche Widerstandsfähigkeit ganz außerordentliche Forderungen. (Sehr richtigl) Es kommt häufig vor, daß so mancher, der vielleicht ein ganz ausgezeichneter Privatbeamter war, sich im Dienst verbraucht und kränklich wird. Er kann dann ein Unterkommen nicht mehr finden. Der einzelne Arbeitgeber ist auch häufig nach seinen finanziellen Ver⸗ hältnissen gar nicht in der Lage, einem solchen Manne einen dauernden Lebensunterhalt für den Fallzkseiner Erwerbsunfähigkeit zu gewähren. Dann wandert solch ein Mann versuchsweise von Stelle zu Stelle, schließlich kommt er herunter und muß, wie c82 vielleicht sogar die öffentliche Wohltätigkeit in Anspruch
men
ch zu⸗
Also, meine Herren, über die wirtschaftliche Notwendigkeit, üke die sittliche Berechtigung einer solchen Versicherung kann, glaube ich, kein Zweifel unter den beteiligten Kreisen sein, und ich habe bei den früheren Verhandlungen von keiner Seite des hohen Hauses gehört, daß darüber ein Zweifel besteht. Im Gegenteil, ich glaube, das ganze hohe Haus war in der Auffassung, daß eine solche Vorsorge getroffen werden müsse, einig. (Sehr richtig!)
Zweifelhaft kann man nur über die Wege sein und über die Frage, wie die notwendigen finanziellen Mittel aufzubringen sind, und diese Frage kann erst Gegenstand der Erwägungen sowohl der verbündeten Regierungen wie des hohen Hauses und der Beteiligten selbst sein, wenn Sie von der Ihnen noch heute zugehenden Denk⸗ schrift Kenntnis genommen haben. (Lebhafter Beifall.)
Auf Antrag des Abg. Bassermann (nl.) tritt das Haus in die Besprechung der Interpellation ein.
Abg. Sitfart (Zenir): Die Misellung des Staakesckreiaärs üͤber die für heute in Aussicht gestellte Denkschrift ist sehr erfreulich Daß sie uns in diesen Tagen zugehen würde, war vorauszusehen, denn im No⸗ vember bereits hatte ich an den Ministerialdirektor Dr. Casper nicht öffentlich, sondern privatim die Frage gerichtet, wann wir die Denk⸗ schrift erhalten würden, und er batte geantwortet, noch vor Weih⸗ nachten oder kurz nachher. Es trat dann das bekannte Hindernis ein, daß wir aber die Denkschrift in der nächsten Zeit bekommen mußten, war klar. Ich könnte nun die Interpellation so bezeichnen, wie es vor einigen Tagen von nationalliberaler Seite mit unserer Inter⸗ pellation geschehen ist, wo man sagte, wir rennten offene Türen ein. Ich könnte diese Interpellation einen Schlag ins Wasser nennen, tue es aber nicht, im Gegenteil, ich begrüße sie, weil sie ausgeht von der nationalliberalen Partet, weil sie begründet worden ist von einem bervorragenden Industriellen, ich begrüße die Persönlichkeit des Be⸗ gründers, weil ich hoffe, daß weite Kreise von Unternehmern, der
und der Industriellen, die Handelskammern, die sich nicht immer ganz privatbeamtenfreundlich gezeigt haben, aus dem Vorgehen des Abg. v. Heyl und der nationalliberalen Partei für die Zukunft etwas lernen werden. Ich hätte ja gerne vorher von der Denkschrift Kenntnis genommen, die Interpellation ist aber doch zeitgemäß, weil sie im Lande beruhigend wirken wird. Der Begründer der Interpellation hat aber die Geschichte der Privatbeamtenbewegung nicht ganz korrekt dar⸗ gestellt, er erklärte, daß im Jahre 1903 die erste Beamtenbewegung geboren worden sei. Das ist nicht richtig, wie das Aktenmaterial der letzten 10 Jahre beweist. In diesem Hause wurde die Bewegung der Privatbeamten am 31. Januar 1902 angeschnitten, und zwar von mir; ebenso geschah dies von mir im Februar 1903; beide Male erscholl auf meine Ausführungen kein Widerhall. Aber im Dezember 1903, nach der Neuwahl, erschienen drei Anträge für die Privatbeamten auf einmal im Reichstage. In der Klage über das lange Ausbleiben der Denkschrift stimme ich mit dem Inter⸗ pellanten völlig überein. Der betreffenden Kreise hat sich bereits eine gewisse Ungeduld bemächtigt; und mit Recht, denn mehr als drei Fähte sind verflossen, seit die Ergebnisse der privaten Enquete in Bearbeitung durch das Statistische Amt genommen worden sind. Von einer Absicht der Verzöge oder Verschleppung kann aller⸗ dings nicht die Rede sein. D. b hat einmal eine große finanzie Tragweite und dann ist sie prinzipiell präjudizierlich für die Hineinziehung höherer Gesellschafts⸗ schichten in die soziale Fürsorge. Wer die Fundamente zu einem solchen Bau legen, die statistischen Berechnungen dazu machen soll, der muß äußerst vorsichtig vorgehen, und dieses Zeugnis können auch die Herren aus dem Reichsamt des Innern für sich in An⸗ spruch nehmen. Früher erklärte der Staatssekretär, derjenige Teil der Privatbeamten, der unter 2000 ℳ bezieht, könne sich schon jetzt versichern; dagegen meint der Abg. von Heyl, ein solcher Privat⸗ beamter beziehe mindestens 3⸗ bis 4000 ℳ Ich bin meinerseils überzeugt, daß kaum 10 % der Privatbeamten so viel bekommen. Ich kenn nachweisen, daß es sogar Diplomingenieure gibt, die mit 150 bis 200 ℳ monatlich auskommen müssen. Heute ging der Staatssekretär erfreulicherweise viel weiter; er hat das Bedürfnis der Versicherung und Versorgung anerkannt und eine große Vorarbeit geleistet. Dieses Entgegenkommen sollte den Privatbeamten zeigen, daß sie im Unrecht sind, wenn sie meinen, es werde ihren Be⸗ strebungen und ihren berechtigten Wünschen von der Regierung nicht das gehörige Interesse entgegengebracht. Dem Grafen Posadowsky wie seinen Helfern, dem Direktor Camper, dem Geh. Rat Beckmann und dem neuen Präsidenten des Reichs⸗ versicherungagamts Kaufmann müssen wir unseren ausdrück⸗ lichen Dank votieren. Immer wieder ist es nötig, auf die nackte Wirklichkent hinzuweisen. Der bocherfreuliche Aufschwung der deutschen Industrie, so gewiß er zunächst sich an ein⸗ zelne führende Geister anknüpft, ist doch in der Haupt sache denen zu danken, die die Gedanken dieser führenden Geister in die Tat umgesetzt haben. Dieser ihrer Bedeutung entspricht aber nicht ihre Stellung im wirtschaftlichen Leben; Unsicherheit hezüglich der Anstellung, der Dauer ihrer Tätigkeit, bezüglich der Besoldung, bezüglich ihrer rechtlichen Stellung und eine grausame Unsicherheit bezünlich ihrer eigenen und der Zukunft ihrer Familie ist das charakteristische Merkzeichen ihrer Lage. Da tut eine großzügige Sozialpolitik not. „Ein jeder ist seines Glückes Schmied“, das trifft bei den Privatbeamten nur in sehr beschränklem Maße zu; er wird von der vnirtschaftlichen Konjunktur wie ein Spielball hin und her F er wird auf den Strand geworfen und geht zu Grunde, wenn er nicht eine mildtätige Hand findet; der Arbeitslose wird bald auch hrotlos. Und wenn er alt geworden ist und die bange Frage des Schicksals seiner Angehörigen an ihn herantritt, dann schwindet ihm oft auch die letzte Energie. Wir wollen gewiß den einzelnen nicht zu sicher stellen, um ihm nicht die Energie zu rauben; wir wollen ihm ja auch nur ein Existenzminimum schaffen. Darüber hinaus soll der einzelne schaffen und er wirod schaffen, um sich und seine Familie zu erhalten und ihre Zukunft möglichst befriedigend zu gestalten. Das im Dezember 1906 erschienene österreichische Gesetz wurzelt in einer beinahe 20 jährigen Vorgeschichte. Seit 1888 ergoß sich ein Strom von Petitionen auf das österreichische Abgeordnetenhaus. 1896 wurde eine amtliche Enquete beschlossen, deren Ergebnis 1898 vorlag. 1901 erfolgte die Einbringung des ersten Entwurfs; dreimal wurde er umgearbeitet; nach 5 ½ Jahren kam er endlich zu stande, 19 Jahre nach dem Petitionssturm. Das möge den Privatbeamten in Deutschland zeigen, wie unrecht der Vorwurf gegen Reichstag und Regierung ist, als würde bei uns die Sache nicht mit dem nötigen Eifer betrieben. Lassen Sie uns in dieser Friedensarbeit einträchtig wie früher alle zusammenarbeiten. Uebrigens möchte ich hier erklären, daß uns von Maßnahmen behufs gemeinsamer Arbeit aller Fraktionen auf diesem Gebiete, wie es in einer Korrespondenz erwähnt worden ist, nichts bekannt geworden ist. Sind solche Anregungen gegeben worden, so möchten e doch verfrüht gewesen sein; die Aufregung des letzten Wahlkampfes, in dem man gegen uns als Antinationale, als Reich feinde vorgegangen ist, ist nicht geschwunden, wird aber hoffentlich bald schwinden. Wo der Wille 5 entschieden hervorgetreten ist wie hier, wird sich auch der Weg finden. Im übrigen verweise ich auf unsere Anträge, die ch in ö bewegen. Ergänzende Mitteilungen behalte
mir eventuell vor.
4 Abg. Pauli⸗Potsdam (dkons.): In dieser Frage scheinen alle Parteien einig zu sein. Wenn aber der Vorredner für sich in An⸗ spruch genommen hat, daß er der erste gewesen sei, der die Függ⸗ angeregt hat, so befindet er sich im Irrtum. Schon zwei Jahre früher war es der Freiherr von Richthofen, der zuerst die Frage angeschnitten hat. Ich nehme also für meine Partei die Prioritäͤt in Anspruch. Es handelt sich hier um eine große Zahl von Privatbeamten, ungefähr zwei Mil⸗ lionen, die keinen Anspruch darauf haben, irgendwie für den Fall der Invalidität und hohen Alters versorgt zu werden. Sie haben seit langem petitioniert und eine Besserstellung gewünscht. Die Privat⸗ beamten nicht im Dienste des Mittelstandes, man findet
einstellt.
sie bei den großen Betrieben, den großen Etablissements und bei Rechtsanwälten. Die Arbeitgeber sind wohl in der Lage, vermöge der Größe ihres Geschäftes und ihrer finanziellen Leistungs⸗ fähigkeit die Lasten einer solchen Versicherung auf sich zu nehmen. Es gibt auch im Staatsbetriebe Privatbeamte, z B. in dem Institute 8 Spandau, die ohne weiteres, wenn wir ein solches Gesetz bekämen, einen Anspruch auf eine Versorgung haben würden. Vielleicht würde das Reich oder der Staat es vorziehen, diese Beamten lieber anzustellen, als diesen Umweg zu nehmen. Wenn nun der Be⸗ gründer der Interpellation behauptet hat, daß die Privatbeomten immerhin ein großes Einkommen häͤtten, von 3000 ℳ usw., so weiß ich aus Erfahrung, daß die Gebälter der Privatbeamten erheblich niedriger sind als in den Staatsbetrieben, ausgenommen die Ingenieure, die allerdings in den Privatbetrieben keine Peesionen erhalten. Der Privatindustrielle wird bestrebt sein, möglichst junge Leute anzustellen, und der junge Mann verlangt eben ein Gehalt in derselben Höhe wie der Arbeiter. Eine Steigerung ist nur in geringem Maße zu verzeichnen. Daher sind die Privar⸗ beamten fast gar nicht in der Lage, für Krankheit und Inralidität etwas zurückzulegen. Sie finden deshalb auch in mittlerem Alter sehr 5 eine andere ähnliche Stelle; im Alter finden sie überhaupt keine Stelle. Die Privatbeamten sind also viel schlechter daran als die Handwerker. Wenn nun eine Denkschrift in Auesicht gestellt ist, so ist das dankbar zu begrüßen. Der Staatssekretär hat darauf hin⸗ gewiesen, wie hoch die Prozente sein werden, wie hoch die Entschädigungen, die Pensionen sein werden. Man wird einen Schreck bekommen; denn es sind ganz horrende Beiträge zu leisten. Anderseits wird zu bedenken sein, daß ein großer Teil der Beiträge den Unternehmern zufallen muß. Ferner wird auch ein Reichszuschuß eintreten müssen. Kein Privat⸗ beamter wird solche Beiträge, wie sie der Staatssekretär genannt hat, in jedem Jahre leisten können. Dazu ist sein Verdienst zu gering. Hoffentlich wird man nicht so lange warten wie in Oesterreich, wo man 20 Jahre braucht, bis man zu einer Vorlage kommt. Die Re⸗ gierung wird, wenn auch nicht ein Automobiltempo, doch ein schnelleres Tempo einschlagen können. Die Landwirtschaftskammern haben sich ihrer Beamten auf freiwilligen Wegen bereits angenommen. Zum Teil ist in den landmwirtschafrlichen Betrieben schon eine Besse⸗ rung für die Privatbeamten eingetreten. Dr. Potthoff führt in einem Buche an, was die Privatbeamten alles beanspruchen. Darin ist sehr wichtiges Material für ein Gesetz gegeben, und wenn auch nicht alle diese Wünsche erfüllt werden, so nehme ich doch an, daß man ihnen im allgemeinen Rechnung tragen wird. Unsere deutschen Mitbürger haben einen Anspruch darauf, daß man sie sichert gegen Krankheit, Unfall und Invalidität. Hoffen wir, daß bald die ver⸗ bündeten Regierungen es sich angelegen sein lassen, uns einen Gesetz⸗ entwurf vorzulegen. Die bestehende Einhelligkeit in diesem Hause läßt hoffen, daß es sehr schnell erledigt werden wird. Wir würden das mit Freuden begrüßen.
Abg. Dr. Potthoff (frs. Vag.): Auch ich danke dem Staats⸗ sekretär, um so mehr, als seine Ausführungen mich freudig überrascht haben. Er hat das große Vertrauen gerechtfertigt, das die Privat⸗ beamten ihm persönlich entgegenbringen. Ich möchte i-m sagen, daß, wenn es in den letzten Wochen von gewissen Seiten wie der Post' versucht worden ist, ihn aus seiner maßgebenden Stellung zu verdrängen, die Privat⸗ beamten ihm nach wie vor ihr volles Vertrauen entgegenbringen. In der letzten Wahlbewegung haben bei weitem die meisten Kan⸗ didaten bezüglich der Versicherung der Privatangestellten sehr ent⸗ gegenkommende Erklärungen abgegeben; unsere Freunde gleichfalls. Anträge haben wir jetzt nicht eingebracht, die Sache ist ja in guten Händen und die Denkschrift läßt der Staatssekretär uns noch heute zugehen. In den Wettbewerb über die Priorität will ich mich nicht einmischen. Die vorher erwähnte Anregung zu gemeinsamem Vor⸗ gehen in dieser Sache ist von mir ausgegangen; das Zentrum hat auch davon erfahren, wie mir der Abg Trimborn bestätigen wird; das Zentrum oder ein Teil desselben hat aber ein gemeinsames Vorgehen abgelehnt. Wenn der Abg. Sittart sich auf böse Dinge aus dem Wahlkampf berief, so trifft mich das nicht; in meinem Wabhlkreise gibt es keinen Zentrumswähler. Von anderer Seite im Wahlkampf bin ich allerdings in unglaublicher Weise mit Schmutz beworfen worden; trotzdem habe ich mich auch an den Abg. Schack wegen eines solchen gemeinsamen Vorgehens gewand’, weil mir diese Sache viel höher steht als der leidige Partei⸗ streit. Bedauern muß ich freilich doch, daß der Graf Posadowsky uns die Denkschrift nicht einige Tage früher zugehen ließ, denn sie war doch seit Monaten fertig, wenigstens im Maauskript. Allmählich greift ja ein etwas größeres soziales Verständnis auch bei de Richtern Platz; sind doch schon Urteile ergangen, welde einen Anstellungsvertrag mit 40 ℳ Monatsgehalt für einen Angestellten für unsitlich erklärten; diese Feststellungen zeigen, wie unsogial noch unser Recht und dessen Anwendung ist. Nicht bloß der Sachwucher, sondern auch der Personenwucher muß unter Strafe gestellt werden. Die Banken arbeiten jetzt an einem großen Pensionsstatut für alle ihre Angestellten. Diese Erscheinung und ähuliche beweisen, daß gründlich nur durch staatliche Versicherung geholten werden kann. Die Ergebnisse der neuen Berufs⸗ und Betriebszählung abzuwarten, möchte sich nicht empfehlen; es würde bloß Zeit verloren und das allermeiste statistische Material, wad wir hier brauchen, liegt ja schon vor. Die Vorarbeiten für as künstige Gesetz könnten also schon jetzt in Angriff genommen werden. Die Wünsche der Angestellten sind ja nicht ganz einbeitlich. Erstrebt wird in erster Linie eine eigene Pensions⸗ versicherung nach dem Muster der Staatsbeamten und nach dem öster⸗ reichischen Muster, Invalidenpension, Altersrente, Hinterbliebe en⸗ versoraung. Nach den Berechnungen des Staatssekretärs wären 19 pCt. des Gehalts der Angestellten für ihre Zwangsversicherung notwendig. Das ist natürlich zu hoch, auch wenn die Arbeitgeber die Hälfte tragen. Ich nehme an, daß der Staatssekretär dabei den Reichszuschuß, wie er bei der Arbeiterversicherung üblich ist, nicht mit Was dafür gelreistet werden soll, entspricht demjenigen, was beute die Staatsbeamten erhalten, aber nicht dem Notwendigen. In Oesterreich werden von verschiedenen Kassen nur 7 pCt. verlangt ünd dafür erheblich höhere Gegenleistungen geboten. Auch die Pensions⸗ kasse für die Angestellten des Bundes der Landwirte gewährt bei 9 pCt. höhere Leistungen. Das österreichische Gesetz ist ja auch kein Ideal, denn es beruht ebenfalls auf Kompromissen, aber es enthält doch vor allem den allgemeinen Versicherungszwang und die Beteiligung der Arbeit⸗ geber. In letzterem Punkte geht das österreichisch Gesetz viel weiter als das deutsche je wird gehen konnen; bei Einkommen bis zu 2400 K. trägt der Arbeitgeber 3, bei Einkommen von 2400 — 7200 K die Hälfte der Prämie. Das dritte wichtige Moment des österreichischen Gesetzes ist die absolute Freizügigkeit, die absolute Unabhängiskeit vom Stellenwechsel. Hat man im Reichsamt des Innern sich noch nicht an eine kritische Prüfung dieses Gesetzes gemacht, hot man nicht die Möglichkeit einer Uebertragung der Grundzüge desselben auf Deutschland erörtert, hat man nicht schon erwogen, wieviel günstiger die Versicherung in Deutschland mit dem Reichszuschuß, wie er ja den Arbeirern gesetzlich sichergestellt ist, arbeiten könnte 2 Und können wir nicht schon jetzt über die Ergebnisse dieser Prüfung eine wenn auch unverbindliche Auskunft erhalten? Will man nicht auf den Boden des österreichischen Gesetzes treten, so bleibt nich übrig als der Ausbau des Invalidenversicherungsgesetzes. Es würden dem bisherigen Bau neue Lohnklassen aufgepflanzt und der Zwang bis auf Einkommen von 4000 oder 5000 ℳ ausgedehnt werden müssen. Dieses System würde aber die Fehler, die es b in ihrer Wirkung außerordentlich steigern; das Klebesystem wäre noch mißlicher, die Altersgrenze von 70 Jahren fi die geistigen Arbester viel zu hoch und der Beriff der Invalidität müßte völlig abweichend definiert werden. Gewiß werden die Angestellten lieber einen solchen Ausbau nehme als gar nichts. Mit der großen Reform der Zusammenlegung der Ver⸗ sicherungsgesetze und der Witwen⸗ und Waisenversicherung der Arbeiter muß die Versicherung der Privatangestellten Hand in Hand gehen. Moͤgen der Staatssekretär und das Haus diese Frage inbaltlich und zeitlich möglichst fördern; denn die Sache ist für die An⸗
EWEWNN2 damit
„2 5
d