2. Inf. Regts. Kronprinz im 1. Schweren Reiterregiment Prinz Karl von Bavyern, beide unter Beförderung zu Oberstabsärzten, zum Bats. Arzt im 15. Inf. Regt. König Friedrich August von Sachsen den Oberarzt Dr. Bayer des 5. Feldart. Regts. König
Alfons XIII. von Spanien unter Beförderung zum Stabsarzt; zu
versetzen: den Oberstabs⸗ und Regts. Arzt Dr. Wind vom 12. Feld⸗ artillerieregt. zum 20. Inf. Regt., den Stabsarzt Dr. v. Reitz von der Equitationsanstalt als Bats. Arzt zum 2. Inf. Regt. Kronprinz, die Oberärzte Dr. Bestelmeyer vom 10. Feldart. Regt. zum 1. Schweren Reiterregiment Prinz Karl von Bayern und Dr. Brennfleck vom 1. Schweren Reiterregiment Prinz Karl von Bayern zur Equitationsanstalt, diesen unter Beförderung zum Stabsarzt; zu befördern: zu Gen. Oberärzten ohne Patent die Oberstabsärzte Dr. Krampf, Regts. Arzt im 6. Inf. Regt. Kaiser Wilhelm, König von Preußen, und Dr. Everich, Chefarzt des Garn. Lazaretts München, beide überzählig, zu Stabsärzten (überzählig) die Oberärzte Dr. Renner des 11. Inf. Regts. von der Tann und Dr. Broxner des 4. Chev. Regts. König, zu Oberärzten (über⸗ zählig) die Assist. Aerrte Ohlenschlager des Sanitätsamts II. Armeekorps, Dr. Schneidt des Sanitätsamts III. Armeekorps, Keßelring des 7. Inf. Regts. Prinz Leopold, Dr. Laifle des 15. Inf. Regts. König Friedrich August von Sachsen und
Dr. Meyer des 11. Feldart. Regts.; zu charakterisieren: als Gen. Oberarzt den Oberstabsarzt a. D. Dr. v. Grafenstein, als Ober⸗ stabzarzt den Stabsarzt Dr. Hillenbrand, Bats. Arzt im 16. Inf. Regt. Großherzog Ferdinand von Toskana; im “ b zum
am 8. d. M. den Stabsarzt der Res. Dr. Rauh (Straubi Oberstabsarzt zu befördern.
Kaiserliche Schutztruppen.
Schutztruppe für Südwestafrika. Verfügung des Reichskanzlers (Oberkommando der Schutztruppen). 18. Februgr. v. Kameke, Lt. der Res. des Inf. Regts. Graf Schwerin (3. Pomm.) Nr. 14, eingezogen zur Ver⸗ stärkung der Schutztruppe, mit dem 28. Februar d. J. aus dem dienst⸗ lichen Verhältnis zur Schutztruppe ausgeschieden.
27. Februar. Sasse, Kaserneninsp., scheidet am 31. März d. J. behufs Wiederanstellung im Bereiche der Königl. preuß. Heeres⸗
Schutztruppe aus.
28. Februar. Oepen, Feldlalarettinsp., der Charakter als Lazarettverwalt. Insp. verliehen.
6. März. Bannier, Proviantamtsassist., am 15. März d. J. behufs Wiederanstellung im Bereiche der Köͤniglich sächs. Heeres⸗ vermaltung (Proviantamt in Dresden) aus der Schutztruppe aus⸗ geschieden.
Deutscher Reichstag.
19. Sitzung vom 15. März 1907, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Tagesordnung: Dritte Beratung des am 19. September 1906 in Bern abgeschlossenen zweiten Zusatzüberein⸗ kommens zum Internationalen Uebereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr vom 14. Oktober 1890, nebst dem Vollziehungsprotokoll und Interpellation der Abgg. Albrecht und Genossen, betreffend Eingriffe von Behörden ꝛc. bei der Reichstagswahl.
Ueber den Anfang der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Abg. Fischer (Soz.) fortfahrend: Sogar der ehemalige Landrat Winkler hat noch vor wenigen Tagen erklart, daß die Regierung die Ueberzeugungslosigkeit, den Kadavergehorsam höchstens von ihren poli⸗ tischen Beamten fordern könnte. Der preußische Landwirtschaftsminister hat vor kurzem eine geheime Verfügung erlassen, worin die Forstschutz⸗ beamten zum Austritt aus einer bestimmten Organisation unter der Androhung materieller Nachteile aufgefordert werden. Dieser eine Fall zeigt schon, was die Regierung ihren Beamten gegen⸗ über für erlaubt hält. Die nationalliberale Partei spricht in ihrem ersten vor 40 Jahren erlassenen Manifest ausdrücklich von den Gefahren, die bureaukratische Einwirkung auf das allgemeine Wahl⸗ recht herbeiführen könnte. Die Reichstagswahlprüfungskommission hat einen amtlichen ungesetzlichen Einfluß auf die Wahlen schon darin erblickt, wenn die Regierungsorgane erklärten, die Re⸗ gierung wünsche die Wahl dieses oder jenes Kandidaten; der Reichstag hat die Wahlen kassiert, wenn aus den amtlichen Bureaus Stimmzettel oder Flugblätter versandt wurden, ja selbst wenn ein Amtsdiener Stimmzettel verteilte. Dabei wurde zwischen staatlichen und kommunalen Beamten kein Unterschied gemacht. Wie stand es aber bei den letzten Wahlen? Der ganze Beamten⸗ apparat, der Flottenverein, das Schutztruppenkommando hat im Dienste der Wahlagitation gestanden. Jetzt beruft sich der Kanzler auf seine Erklärung bei der Generaldiskussion des Etats. Was hat er da gesagt? Er hat sich auf sein gutes Recht berufen, in die Agitation ein⸗ zugreifen, und versprochen, er werde uns bei den nächsten Wahlen noch ein ganz anderes Lied vorblasen. Ach, weiß man denn, wer bei den nächsten Wahlen Kanzler ist? Wie werden denn Kanzler bei uns be⸗ handelt? Der Fürst Bismarck wurde auf offener Straße aus dem Kaiser⸗ lichen Wagen ausgesetzt. Die Hähne, die gar so laut krähen, gehen früh schlafen. Der Fürst von Bülow war kein Privatmann bei den letzten Wahlen. Wenn er in dem Silvesterbriefe an den Reichslügenverband die Sozialdemokraten, das Zentrum, die Polen und die Welfen als solche stigmatisiert, die für die nationale Würde keine Empfindung haben, wenn er im Namen der Regierung die Wähler aufforderte, gegen diese Parteien zu stimmen, so ist das die stärkste amtliche Wahlbeeinflussung, die es geben kann. Wie beschämend für die Liberalen, für die Frei⸗ sinnigen, für die doch der Silvesterbrief mit geschrieben war! Nicht der Abg. Bassermann hatte die Ehre, der Empfänger solchen Briefes zu sein, nein, der Generalleutnant von Liebert, der Reichsverband, der nichts anderes ist als der Schlammkanal, durch den diese Beeinflussung ing, an den wurde diese briefliche Aufforderun erichtet.
ber damit nicht genug. Der Kanzler stellte den öö 30 000 ℳ zur Verfügung. Aus amtlichen Geldern soll davon kein roter Heller stammen. Ich zweifle keinen Augenblick an seinem guten Glauben; aber können nicht hinter seinem Rücken unterstellte Be⸗ hörden die ihnen amtlich anvertrauten Gelder mißbraucht haben? Stürmisches Ohol rechts.) Ja, Sie bestreiten alles, auch wenn man hnen die Beweise unter die Nase reibt. Nach § 24 des Gesetzes vom 11. Mai 1898 dürfen außerordentliche Remunerationen und Unterstützungen für Beamte nur aus denjenigen Fonds gewährt werden, welche im Etat dazu ausgesetzt sind, und 1898 hat der Minister von Rheinbaben 50 000 ℳ dem geheimen Fonds entnommen, um die Schutzleute zu entlohnen, welche bei dem Straßenbahnstreik Dienste geleistet hatten. Noch heute werden Witwen von Polizeispitzeln aus diesem geheimen Fonds unterhalten, und als der Minister von Köller aus dem Amte schied, hat er mehrere Male je 10 000 ℳ dem geheimen Fonds entnommen, jedenfalls um sie dem Verlag er Hülleschen Zeitschriften zur Bekämpfung der Sozialdemokratie zuzuwenden. Der Fürst Bülow sagte, der Flottenvereinspräsident Fürst zu Salm habe ihm die 30 000 ℳ zur Verfügung gestellt; er, der Kanzler, habe sie nicht selbst verteilt; das scheint wie eine Entschuldigung zu klingen. Man hat es bisher für Fvn, ge⸗ halten, daß ein Reichskanzler sich dazu hergeben würde, für den nationalen Block den finanziellen Makler zu spielen. Jetzt erklärt es der Kanzler für sein gutes Recht, bei den Wahlen hervorzutreten. Gut, dann ist es unser gutes Recht, zu fragen, woher er die Gelder genommen hat. Gerade in diesem Falle war es doppelte Pflicht des Reichskanzlers, in seinem und der Regierung Interesse eine Antwort zu geben. Wir wissen es ja: die Gelder stammen von der
“ verwaltung (als Hausverwalter beim Kadettenhause in Plön) aus der sich ihm bicte.
versprochen hat. Man sagt, das Geld sei von Kirdorf, Vopelius gegeben worden als Dank für die hohen verleihungen, die sie am 6. Januar erhalten haben. die Regierung auch hier das Unglück, daß die betreffenden Briefe ver⸗
Ordens⸗
öffentlicht werden und der Kanzler, der seinerzeit von russischen 1
Schnorrern und Verschwörern gesprochen hat, kann es noch erleben, daß ihm das Wort von den Blockparteien entgegengeschleudert werden wird. von der Industrie hergegeben worden ist. Ln⸗ fortdauernde Unruhe und Zwischenrufe.) Sie wollen ja zu den Sozialdemokraten gehen, wenn sie nicht genug kriegen, von ihnen ist ja auch ein Schwein in den Reichstag gekommen, wie gestern der Reichskanzler im Landwirtschaftsrat gesagt hat. Die Parteten, die jetzt schweigen, haben natürlich die Besprechung der Interpellation nicht unterstützt, weil sie sagen müssen: nostra culpa, nostra maxima culpa. Es gibt ja politische Zwecke genug, für die es sich die Kapitalisten ein Stück Geld kosten lassen; ich erinnere nur an den Flottenrummel. Was „Berliner Tageblatt“ und „Nationalzeitung“ seinerzeit gegen diese kapitalistische Unterftützung geschrieben haben, trifft wörtlich auf den vorliegenden Fall zu. Der Reichskanzler hat seinerzeit die 12 000 Mark⸗Affäre mißbilligt; nun hat er das alles selber getan. Die 30 000 ℳ sind auch nicht das einzige, was er bekommen hat. Wir haben inzwischen erfahren, daß die bekannten Briefe gar nicht gestohlen worden sind; abschreiben und stehlen sind zweierlei. Es liegt nur ein Vertrauensmißbrauch vor, das sage ich selber, verursacht durch eine gans gewöhnliche Schlamperei im Flottenverein; dadurch sind die Indiskretionen hervorgerufen worden. Vielmehr ist zu beachten, daß der Minister Studt gerufen hat, Gott sei Dank, daß von den Briefen, die Keim bekommen hat, keiner fehlt, sonst wäre der Skandal fürchterlich. Dernburg hat einem Vertrauensmann mitgeteilt, daß der Rest außer den 30 000 ℳ sich auch noch aufbringen lassen werde. Aus dem Briefwechsel zwischen dem General Keim und der Firma Mittler u. Sohn ergibt sich, daß im Auftrage aus der Wilhelmstraße von dem Generalstabe Flugschriften und Broschüren verfaßt und gedruckt worden sind. Es handelt sich da um die „Lügen des Herrn Erzberger“. Der Kanzler hat seine Verbindung mit dem Flottenverein als unschul⸗ dig hinzustellen gesucht; er sagte, er nehme jede Unterstützung an, die 5 Man kann auch das Lob verstehen, das er dem General Keim gezollt hat. Dieser schreibt am 2. Januar dem Ge⸗ heimrat von der Groeben, dem Preßdezernenten im Kolonialamt: „Der Reichskanzler ist damit einverstanden, daß eine Zentralstelle für die Herausgabe von Flugblättern usw. geschaffen wird; ich habe darauf gesagt, daß der Flottenverein diese Stelle im Interesse der guten Sache annehmen wird. „Nun könnte der Reichskanzler sagen, was geht es mich an, was Keim erfahren haben will. Dieser schreibt aber einen Tag später: „Ich bin gestern bei Fürst Bülow und heute bei Herrn von Loebell gewesen. . Der Geheimrat von Loebell ist ja ein alter Praktiker in Wahlfälschungen. (Stürmische Unterbrechungen rechts, ohrenbetäubender Lärm. — Vizepräsident Kaempf ruft den Redner wegen dieser Aeußerung zur Ordnung.) Der Reichstag selber hat die Wahl des Geheimrates von Loebell kassiert, weil er das Geschick besaß, in Brandenburg, wo er Landrat und Kandidat war, das Wahl⸗ resultat durch seine Praktiken zu beeinflussen. (Großer Lärm rechts, in dem die Ausführungen des Redners im einzelnen untergehen.) Ihr Schreien hilft nichts. Der Reichstag hat solche Fälle als Wahlfälschung betrachtet und die Wahl kassiert. In diesem Sinne kann ich nicht einmal zur Ordnung gerufen werden. (Gelächter rechts. — Vizepräsident Kaempf: Ich muß bitten, gegen den Ordnungsruf nicht zu polemisieren. Wenn Sie sich gegen den Ordnungsruf verwahren wollen, so müssen Sie den geschäftsordnungsmäßig vorgeschriebenen Weg betreten.) Es heißt da also .. wir (Fürst Bülow, von Loebell und General Keim) sind konform in dem, was die Wahlagitation be⸗ trifft! Da ist kein Zweifel, daß der Flottenverein im Auftrage und im Einvernehmen mit dem Reichskanzler und der Reichskanzlet diese Zentralstelle gebildet hat. Dann wird über den Titel der Wahl⸗ broschüre gegen Erzberger gesprochen. Das Kolonialamt muß die Korrekturen der Broschüren und Flugblätter an den General Keim schicken usw. Es ist ja höchst würdevoll für den Reichskanzler, wenn er sich mit dem Generalmajor Keim darüber unterhält, wie man einem Mitglied des Hauses den Vorwurf der Lüge, der bewußten Unwahrheit, machen kann. Der Reichskanzler, der oberste und berufenste Hüter der Gesetze, hat offen und skrupellos das preußische Vereinsgesetz übertreten, das dem Flottenverein jede politische Be⸗ tätigung verbietet. In diesen Tagen wurde in Berlin eine Ver⸗ sammlung aufgelöst, weil Frauen teilnahmen, und das trotz der be⸗ rühmten Segmentauffassung des Herrn von Hammerstein! Nun wissen wir ja, daß auch für Offiztere unter Umständen nichts anderes übrig bleibt, als die Gesetze zu übertreten, wenn sie nicht mit Schimpf und Schande aus dem Heere ausgestoßen werden sollen. Aber die Sozial⸗ demokraten werden als Gesetzesverächter stigmatisiert. Noch ein charak⸗ teristisches Beispiel. Am 19. Januar beschwert sich der General von Liebert darüber, daß er in seinem Wahlkreise mit Mißtrauen empfangen sei. Ich begreife ja, daß er sich an den General Keim mit dem Ruf: Hilf, Samiel, hilf! wendet. Wir kennen ja die alten, von dem Abg. Ablaß hier vorgetragenen Geschichten von der Ernennung des Generals Liebert zum Gesandten in Peking. Die Herren im Auswärtigen Amt und der gute alte Memoirenfürst Hohenlohe, so meinte der Abg. Ablaß, waren in großer Verlegenheit. Liebert konnte unmöglich die Qualifikation zum Gesandten haben; man sann auf einen Ausweg und schickte ihn als Gouverneur von Ostafrika mit dem bescheidenen Gehalt von 50 000 ℳ dorthin. Das ist auch so ein Bild von dem persönlichen Regiment, schloß der Abg. Ablaß; sehen Sie (zu den Nationalliberalen), jetzt sind Sie still. (Große Heiterkeit. Rufe rechts: Es ist ja kein Wort davon wahr, alles wider⸗ legt!) Ja, Ablaß hat das doch hier vorgetragen, ich kann das Stenogramm nicht ändern. Also er wurde in seinem Wahlkreise mit Mißtrauen aufgenommen. Für Liebert sind nicht bloß die Sozial⸗ demokraten die schlechten Kerle, sondern ganz in derselben Lage ihm gegenüber sind die christlichen Gewerkschaften, die ja auch der Landrat in Grimmen, von Maltzahn, mit den Sozialdemokraten zusammen in einen Topf geworfen hat. Wenn dem General Liebert die Arbeiter mit Mißtrauen begegnen, finde ich das ganz natürlich! Liebert bezieht nach Tausenden Pension, er hat kein Recht, auf die Begehrlichkeit der Arbeiter zu schimpfen. Aus Ueberzeugung tritt mancher für die Kolonialpolitik ein; als finanziell Beteiligter an Gesellschaften hat er auch Profit davon (Stürmische wiederholte Rufe rechts: Pfui! Unverschämtheit). .. Es gibt recht viele, die in dieser Beziehung unterm Bruststück nicht sauber sind; unverschämt sind immer nur Sie! (Vizepräsident Kaempf ruft den Abg. von Liebert wegen des Ausdrucks „Unverschämtheit“ und den Redner wegen des⸗ selben Ausdrucks zur Ordnung und macht den letzteren auf die geschäftsordnungsmäßigen Folgen des zweiten Ordnungsrufs aufmerksam.) Es ist ja erbitternd für uns und aufregend, über alle diese Dinge sprechen iu müssen, wie wir vergewaltigt und verleumdet sind durch diese Wahlbeeinflussung. Es steht Ihnen (rechts) sehr wohl an, uns zu provozieren, damit wir durch den Ordnungs⸗ ruf gehindert werden sollen, uns auszusprechen; des halb halten Sie uns Unverschämtheit entgegen. (Sehr gut! bei den Soztaldemo⸗ kraten. Großer Lärm. Glocke des Präsidenten. Zuruf von den Frei⸗ sinnigen: Unverschämtheit! Abg. Stadthagen ruft: Das war ein Freisinniger, das hört der Präsident nicht! (Stürmische Heiterkeit rechts. Fortdauernde Unruhe.) Am 15. Januar wurde dem General von Liebert mitgeteilt durch den offiziellen Vertreter des Flottenvereins, den Generalmajor Keim: Es ist von hier aus alles geschehen, auch
von seiten der Reichskanzlei, um Ihnen die unbequeme Konkurrenz vom Halse zu
halten. Die Konkurrenz war der Kandidat der Blockparteien; die Reichskanzlei hält es also für ihre Aufgabe, diesen Kandidaten zu bekämpfen, um dem Generalleutnant von Liebert zu einem Mandat zu verhelfen. Ist das Wahlbeeinflaͤssung oder ist das keine? Dem Abg. Eickhoff wurde vom Flottenverein mitgeteilt, daß alles geschehen sei, um seine Wahl zu fördern. Ich war gestern, schreibt ihm General Keim, im Palais des Reichskanzlers, habe den Fürsten Bülow selbst gesprochen und ihn darauf aufmerkfam gemacht,
Börse. Daher auch die Börsenreform, die der Reichskanzler
“ “
daß die Regierung dem Kurs eine Wendung um einige Grade nach
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von
Vielleicht hat
Es ist schließlich gleichgültig, ob das Geld von der Börse oder
links geben und dafür sorgen muß, daß die Konse Bund der Landwirte nicht Sonderpolitik reäcbennsertben, und
treppenpolitik und um der Hintertreppenpolitik des Hirter. willen ist ja der Reichstag aufgelöst. Am 15. Januar erbiel Senttume Eickhoff folgendes Schreiben: „In der Wilhelmstraße 77 wer n.
sich für Ihre Wahl lebhaft interessiert, ist, um die Sache prafgan
zu gestalten, die amtliche Unterstützung im Wahlkreise Lennen. mann in jeder Weise sichergestellt. Was den Wahlkreis dnep.M t. betrifft, so bedaure ich die Wilhelmstraße lebhaft. Dies Veensal aber ganz vertraulich.“ Was hilft alles Reden, Drehen, We itteilung Deuten? Auch hier die amtliche Wahlbeeinflussung in klasfischsteden und Der Abg. Eickhoff hat sich diese gefallen lassen, darauf kommt es Lern. hat selbst erzählt, er habe sogar die Adressen der Mühlhauser an. r trauensleute dem General Keim zur Bearbeitung eingeschickt Ar Ver⸗ Oberkommando der Schutztrvppen konnte, wo es so viele vaea sierende Generale gab, nicht untätig sein. Es ist Aufgabe drvolit⸗ gierung, zu beurteilen, wie weit sie es für angebracht hält 8 Ne⸗ Armee in den politischen Tageskampf hineingezogen wird 1 9 sie sollte sich die Vorgänge in Frankreich zur Warnung dienen 8 Am 25 Januar teilte der “ Salza mit, daß er sich 8 glase verein auf ausdrücklichen Wunsch des Oberkommandos zur Verfb 8 stellt habe. Wenn irgend wo das Wort „Ihr Wunsch ist mir Vesetns e trifft, so an dieser Stelle. Die Agitatoren des Flottenvereins und des Neitze verbandes sind einträglich honoriert worden. Wenn die Verle cics. des Reichsverbandes wieder einmal ehrlos genug sind, uns vor. daß wir uns von Arbeitergroschen mästen und Arbeitergroschen d pressen, dann wollen wir sie auf diese wohlbezahlten Haust güae; 8 des Patriotismus aufmerksam machen. Wir hoffen, daß 2es Reichsverband, ebenso wie die sozialdemokratische Partei und 8 Gewerkschaften, genau Buch führt und öffentlich Rechnung legt g. die empfangenen Gelder. (Zuruf des Abg. Dr. Arendt. . sollen denn die gekommen sein?) In der Wilhelmstraße können e das genau erfahren. Ob man Sie nun gerade für wäd gehalten hat, solche zu empfangen, ist eine andere f Ordonnanzen, Kanzleidiener und Offiziere im Maxrineamt haß⸗ sich ebenfalls für Wablbeeinflussungen zur Verfügung geicch Wenn ich die neuliche Erklärung des Admirals Capelle richtig dee standen habe, so ist das Verbot erst erfolgt, nachdem die ong⸗ Wahlagitation bereits abgeschlossen war. Was die freiwillige A der Kanzleidiener usw. betrifft, so wissen wir alle zur Genüge, wi damit bestellt ist. Bei der Wahl Malkewitz hat doch der Landrat Landratsschreiber Nachts die Kuverts für die konservative Partei schre lassen; während er sonst immer zu Haufe war, war er gerade da ven Als letztes Glied in der Kette der Wahlbeeinflussungen erscheint das Reiche postamt. In einem Briefe vom 7. Januar ersucht der Generalmajor den den Chef der Reichskanzlei, er möge bei der „Staatsbürger⸗Zeitunge dahn wirken, daß diese ihren Kampf für die christlich⸗nationale Arbeiterbewegung in den Hintergrund treten läßt, was übrigens für die Sozialpolitik da Blockparteien sehr charakteristisch ist. Der Chef der Reichskanzlei sollt auch die „Vossische Zeitung“, das „Tageblatt“ und den „Börsen⸗Courier beeinflussen, von ihrer Mißtrauenspolitck abzustehen. Am Schluß d Briefes heißt es: „Der Chef der Reichskanzlei möge sich durch Ua⸗ mittlung des Reichspostamts die Adressen der Postdirektoren gehe lassen, damit diese die Flugblätter verteilen lassen könnten, wie die schon 1903 geschehen sei.“ Das ist denn auch an einer ganzen Reihe da Orten geschehen. So haben alle Behörden die skrupelloseste Wahlkern⸗ flussung getrieben, wie man sie selbst 1878 bei den Attentatswabla nicht erlebt hat. Man müßte schon nach Ungarn gehen, umn ss etwas zu erleben, wo der liberale Minister Polonyi Wahlen maht. Der Kanzler ist mitverantwortlich für den Inhalt der Broschüre. In der Kritik muß ich aber die Zügel anlegen. Wam nur ein Gefühl für politische Ehre hat, muß diese Flugschrift be⸗ urteilen. Wer im Reichstag hat z. B. den Mut, für das Flugblett Zentrum und Sozialdemokratie einzutreten, das unterzeichnet ist: Ver trieb patriotischer Zeitschriften im Verlage der National⸗Zeitung“. Eigentlich müßte es heißen: Vertrieb scham⸗ und jzuchtloser geit schriften. In anderen Flugblättern wird niedrige Demagogie wie in jenen getrieben. Ich erwähne „die Lügen des Herrn Enberger“. Burns ist in gemeinster Weise angegriffen worden. Billgt der Kanzler das? Weiß er, daß in einer Schrift, die auf Vermlassung der Reichskanzlei geschrieben ist, von August Bebel gesagt ist, daß er die deutschen Soldaten beschimpft habe, eine Behauptung, die bewußt erlogen ist? Für eine andere Schrift wollte nicht einmal Scherl seinen Namen hergeben, worauf sie unter der Firma Patria erschien Auch sie strotzt von Verleumdungen. Der Kaiser hat in Han Arbeitern die Medaille gegeben, weil sie nicht dem Beispiele vaterlandslosen Gesellen gefolgt seien, die am Tage vor der Ausfe nach China die Arbeit niedergelegt haben. Dabei waren jene Ar ausgesperrt! Der Redner erinnect weiter an Flugblätter im Wahlkresse des Abg. Pauli⸗Potsdam und des Abg. Dr. Paasche und die neulcch er⸗ wähnte Affäre hinsichtlich der Entfernung der Kruzifixe aus den Schulen. Der Abg. Paasche habe sich entrüstet gegen eine solche Schanttat wendet, während doch in Mainz die Kruzifixe aus den Simult schulen entfernt wurden, und die Nationalliberalen sich an „Schandtat“ beteiligt hätten! Das fortschrittliche Wahlflu
im dritten Berliner Wahlkreise könne nur ein politischer Teot oder Lumpazi geschrieben haben, worin gestanden habe, daß deꝛ sch um die Erhaltung des Deutschen Reichs bei der Wahl bandle Der Kanzler habe gesagt, die Sozialdemokraten hätten gelacht, er von dem Heldenmut der Krieger in Südafrika gesprochen bad Das sei absolut falsch. Die Sozsaldemokraten hätten nur die Arsic ausgesprochen, daß die Regierung einen Teil der Sculd ah den kolonialen Verlusten und den Strapazen der Kolonialkrieger trac⸗ Viele von diesen wären nicht hingegangen, wenn sie gewaff hätten, was ihnen dort blüht. Die Leute wären hingegangen, wen sie sich sagten, mehr könnten sie dort nicht chikaniert werden wie eier⸗ Viele seien nach Afrika getrieben von der sozialen Not, weil lhnc Bilder vorgegaukelt seien, die der Wirklichkeit nicht entspräs Es sei eine nichtswürdige Verleumdung, zu sagen, seine Partei hän bei der Schilderung der Not in Südafrika gelacht. Wenn der 1b von Liebert von dem Genossen Schöpflin behauptet habe, er darf die schwarz⸗weiß⸗rote Flagge einen Schmutzlappen des Hottentoter⸗ blocks genannt, so sei das eine Verdrehung des Tutbestandes. Der Redme fährt dann fort: Der General von Liebert sagt dann so schön: .W 452 früher eine bescheidene, einfache, ehrliche Presse mit anständigem —f gehabt, in den letzten Jahren hat sich diese Presse aber zum u herdenton bekehrt.“ Ja, man braucht nur die Flugblätter des Reiches lügenverbandes zu lesen, dann stimmt das. Was haben vüiig Wahlbeeinflussungen, an Wahlkurruptionen, an niederträͤchtig⸗ Fälschung erlebt! Uand diese Wahlen sollen nach der Aasicht † Reichskanzlers die Strafe fuͤr unsere Kampfesweise sein. is habe Ihnen ja vorgeführt, welchen vornehmen Ton die amag Wahlagitation innegehalten hat. Wir hätten wenigstens noch 72 Entschuldigung für uns, daß wir Arbeiter siad. 98 b deswegen etwa kein Arbeiter mehr, weil ich nicht „ 9 Setzkasten stehe? Das glauben Sie ja selber nicht. Der Rert⸗ kanzler steht auf der Sonnenböhe des Glückes und Reichtumg, e „ tan mit den Attributen hoher Bildung; er wirft uns unseren „528 in einer Rede, wo er selbst von Rüpeleien, Parteibonzen, wnnse Angriffen spricht! Gesiegt hat nicht das deutsche Bürgertum 242 Wahl, sondern die skrupelloseste Demagogie! Und wenn ne⸗
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Funte von Recht und Gerechtigkeit in diesem Reichstage vorad wäre, dann müßten alle Blockmandate kassiert werden! . luh der Macht und daher sind Sie auch im Recht. Wenn Sie „ babe ich glaube noch an Recht und Gerechtigkeit in diesem - rcht Sie meine Ironie nicht verstanden. Diese Mehrheit ist Spiegelbild der Wahlkorruption. 1 raments Abg. Dr. Schaedler (Zentr.): Wenn auch nicht ganz so tempegeenc voll wie der Vorredner, dessen Lebhaftigkeit ich übrigen zar so doch nicht weniger ensschieden, gebe ich dem gegenüber den amtlichen Wahlbeeinflussungen, und es schieden zu leugnen, daß sich die Staatsleitung in ihren venischt Nemtern in einer Art und Weise in die Wahlen Feast aarx- die entschiedenen Protest herausfordert und nach Abbi Reichskans ruft. Es wäre wohl angezeigt gewesen, wenn auch der
1
„ Reichstage wieder einmal die Ehre seiner Gegenwart geschenkt l. unseretwegen, aber was der Abg. Fischer ausgeführt hat, war
rund genug, dem Reichskanzler Anlaß zur Antwort und eventuell zur
irbtastellung zu geben. So darf man sich nicht darüber wundern, wenn ech bier gesagt worden ist, da ja der ganze Bundesrat durch gbwesenheit glänzt, seine Wirkung auch draußen im Volle nicht ver⸗ fehlt. Ich habe bereits in der Generaldebatte (Zuruf recht;: Sehr ichtig! Große andauernde Heiterkeit) — dieser Zuruf charakterisiert an Urbeber ausgezeichnet als Gedankenleser, er kann vielleicht beim ugen Hans noch Unterkunft finden — diese Beeinflussungen aufs entschiedenste verurteilt. Wir haben heute davon ein Bild be⸗ kommen, welches noch vervollständigt werden könnte. Mußten nicht die Berliner Schutzleute antreten und sind ihnen gegen⸗ über nicht Aeußerungen gefallen, daß sie keinen Zentrumsmann zu wählen hätten? Ist dasselbe auch Eisenbahnbeamten gegenüber hier in Berlin und anderswo geschehen? Darauf müssen wir Antwort ordern; wir sitzen schon lange genug kanzlerlos hier. Der Graf osadowsky sagte doch neulich zu, der Kanzler werde Antwort geben; aber es ist nichts daraus geworden. Möglich, daß, nach⸗ dem der Landwirtschaftsrat den Kanzler bei sich gesehen, auch der Reichstag wieder einmal die Ehre hat. Die strupellose Agitation des Flottenvereins habe ich ebenfalls aufs entschiedenste verurteilt. Man mag den Flottenverein noch so liebevoll unter die Fittiche nehmen, wie es der Kanzler getan hat, man mag ihm verzeihen, daß er in Schlesten mit den Sozialdemok aten anbandeln wollte, denn gegen das Zentrum, das war ja auch eine nationale Tat — so viel steht fest, der Flottenverein ist unpolitisch, er umfaßt Angehörige aller Parteien und Konfessionen und hat nach seinen Statuten die Aufgabe, das Verständnis des deutschen Volkes für die Flotte zu pflegen und zu stärken. Diese Statuten sind nicht abgeändert worden. „Dieser un⸗ politische Verein hat in der fkrupellosesten Weise politisch agttiert. Er ist mit Wissen und Willen des Reichskanzlers die Zentralstelle der ganzen amtlichen Wahlagitation und darum ist der Kanzler für die Machenschaften seiner Wahlmacherzentrale mitverantwortlich. Diese Behandlung des Flottenvereins hat die ausdrückliche Billigung des Fürsten Reichskanzlecs gefunden. „Wilhelmstraße 77“ holt man sich Rat und Information; „Wilhelmstraße 77“ hat die zur Agitation notwendigen Gelder, von da wird dieser Goldregen verteilt. Es wäre tatsächlich interessant, wie diese Gelder verteilt worden sind. Ich denke, es wird noch ein Rest übrig geblieben sein, aus hem die Karikaturen bezahlt worden sind, mit denen die Etats⸗ reden des Kanzlers illustriert worden sind. Der offizielle Wahl⸗ Boß Keim, der die Wahlgeschäfte geführt hat, erscheint als Regierungsinstrument, mit dem man die sogenannten nationalen Wahlen gemacht hat. Der Flottenverein hat Leistungen aufgewendet, wie aus den Briefen hervorgeht, die eine verfluchte Aehnlichkeit mit Denunzjation haben. Ich erinnere bloß an den Briefwechsel mit unserem früheren Kollegen Itschert in Wiesbaden. Allerdings anfangs hat der Flottenverein die Krallen etwas eingezogen gehabt; zuerst sollte noch der unpolitische Charakter des Vereins gewahrt werden. Gegen Weih⸗ nachten erhielt der Flottenverein aus der Reichskanzlei gez. Günther, ein Dankschreiben, unterzeichnet: J. A. der Reichskanzler. In einem anderen offiziellen Schreiben an die Mitglieder des Re⸗ gierungsbezirks Cöln, wo auch eine ganze Zahl von Zentrumswählern Mitglieder des Flottenvereins sind, heißt es, es müsse gegen die redaktionellen Mitglieder des Zentrums Front gemacht werden. In weiteren Schreiben wird noch eine kräftigere Sprache geführt. Die Mitglieder des Zentrums, welche Mitglieder des Flottenvereins waren, werden dafür dankbar sein, und die es noch sind, verdienen nichts Besseres. Der Flottenverein hat auch die Broschüre vertrieben: „Lügen des Herrn Erzberger“. Ich würde dem Abg. Erzberger raten, einmal ein Buch zu schreiben: Lügen über Herrn Erzbergern“ und diesem Band zwanglose Hefte folgen zu lassen. Der Flottenverein hat sich auch nicht ge⸗ schut, den furor protestanticus zu entfesseln. Ich erinnere an das Schreiben des Wahlmachers des Flottenvereins, an Lizentiat Weber,
porin es heißt: daß der Kampf gegen das Zentrum auch den Kampf
gegen den Ultramontanismus, den VTodfeind unserer evange⸗ lischen Konfession bedeutete. Bekannt ist das Verhalten des Flottenvereins, beziehungsweise Keims gegenüber dem bis⸗ herigen katholischen Vorsitzenden der dortigen Verbandsgruppe. Der lottenverein hat selbst gefühlt, daß er auf schiefer Ebene wandelt; er gat das schon im vorigen Jahre gefunden. Die Augsburger Abend⸗ zeitung schrieb, daß der E schon seit 2 Jahren angefangen habe, auf das politische Gebiet überzugreifen. Man kam nun zu dem Auskunftsmittel, daß man von dem Flottenverein als von dem Nationalen Verein sprach, daß man den General Keim als Privatmann hingestellt hat. Die Kreuzzeitung hat darauf geschrieben, das alles ließe sich hören, wenn die Vertreter des Flottenvereins sich auf die Bekämpfung der Sozialdemokratie beschränkten und nicht das Zentrum als die größere Gefahr bezeichneten; Gott bewabre die Vereine vor dem furor protestanticus oder furor catholicus. Der Kreuzzeitung gebührt Dank für diese Erklärung. Keim ist nicht Privatmann in dieser Frage, sondern der offizielle Wahlmacher und der Kanzler trägt die Verantwortung. Es ist eigentümlich, daß der Reichskanzler über gewisse Briefe so nervös ist. Die Spuren führen schon nach Belgien: der Attentäter soll de Jesuiten zugeneigt sein, sogar selbst Jesutt sein usw Diese Aufregung, diese Nervosität auf manchen Seiten verstehe ich nicht recht (Zurufe bei den Nationalliberalen.) Nein, ich werde nicht aufgeregt, von Diebstahl kann keine Rede sein. Diedstahl bleibt Diebstahl, auch wenn es ein Jesuit ist. Eigentümlich ist doch, daß ein Brief von Roeren in die Häfmburger Nachrichten“ zwei Tage vor der Wahl gekommen ist. Wo blieb da Ihre Entrüstung. Wie sind rivatbriefe in die Münchner „Neuesten Nachrichten“ gekommen? uf welchem Wege ist Bismarck in den Besitz gewisser Aktenstücke gekommen, die das Freiburger erzbischöfliche Oroinarfat bettafen? Wenn man hierüber sttr⸗ entrüstet ist, dann will ich auch glauben, daß auch diese Entrüstung über jene Briese echt ist. Die Briefe sind veröffentlicht, sind publici juris, sie sind politisch von großer Bedeutung. Die Frage, wie dies gekommen ist, habe ich nicht zu untersuchen, wohl aber ergibt sich aus denselben, daß eine Wahlagitation allertraurigster Art getrieben ist und daß durch diese eine Korruption gezeigt wird, die ein Skandal erster Güte ist. Man hätte im Interesse der ö“ müssen, daß diese daran nicht einmal indirekt beteiligt ist. an hat alle möglichen Versuche gemacht, den Flottenverein zu entlasten. Man ist sogar so weit egangen, daß man ein Wort gepräat hat: Ich freue mich, daß der lotten verein seine Sache so prächtig gemacht hat. Ich würde es als die größte Beleidigung dessen betrachten, dem dieses Wort in den Mund gelegt wird, wenn ich annehmen müßte oder könnte, daß der Kaiser auch nur eine Ahnung davon gehabt hat, in welcher Weise dieser Wahlkampf geführt worden ist. Auch in den Kreisen des Flottenvereins selber macht sich eine gewisse Gegenströmung geltend, allerdings wird man unwirsch im Flottenverein, das ergibt sich aus der Art, wie man z. B. den Generalleutnant v. Bock behandel that, wenn man ihn — dem man doch ganz gewiß den nationalen Sinn nicht absprechen kann und der doch selbst Mitglied des Vorstandes des Flottenvereins ist — anschnauzt: Mit Verlaub, Herr Genexral⸗ leutnant, was wissen Sie von der Zweckbestimmung des Deutschen Flottenvereins? Wenn man ihm sagt, es wäre 6 schon richtig, was er sagt, aber besser hätte er geschwiegen. In Bayern hat die dortige Sektion gegen den Verein Front gemacht. Die Sektion in Schlesien hat sich der Tätigkeit des Flottenvereins nur sehr auwarm gegenüber gestellt. Es wäre sehr angezeigt, wenn über alle diese Dinge einmal Auskunft gegeben würde und wenn der Reichs⸗ kanzler einmal wieder das Haus mit seinem hohen Besuch beehrte. Die Pfade der Regierung sind manchmal so verworren, daß sie uns schon selbst Klarheit verschaffen muß über diese Verworrenheit und diesen Zickzack. Etwas anderes ist es, Aufklärung zu geben, etwas anderes, den ganzen Beamtenapparat bis herunter zum letzten Flur⸗ schütz in Bewegung zu setzen. Wir verurteilen auf das entschiedenste das Eintreten der Regierung für einen Parteiblock, für einen andidaten. Was wir wollen, was wir verlangen, sinh gleiche Waffen. ehr brauchen wir nicht, unseren Weg finden wir schon selber. Abg. Kreth (kons.): Meine Fraktion befindet sich in der an⸗
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tagswahlrecht irgendwie zu rütteln.
genehmen Lage, feststellen zu können, daß die von den Interpellanten behaupteten Wahlbeeinflussungen in keinem einzigen Falle zu Gunsten eines unserer Kandidaten ausgeübt sind. Es ist weder in der prese zu lesen gewesen noch bei den Verhandlungen hier im Hause gehört, daß einer von unseren Kandidaten auf seine politische
Keimfähizkeit untersucht worden ist. Wir billigen der Regierung das
Recht zu, Stellung zu nehmen in den Wahlen, zu den einzelnen
Parteien und den einzelnen Kandidaten. Ob dieses Recht in irgend
einer Weise überschritten worden ist, ist nicht festgestellt.
die sich in diesen Wahlkampf gemischt haben, in behördlicher Eigen⸗ schaft eingegriffen hätten, sind nicht erbracht. Die Interpellation kommt auch viel zu früh, denn diese Behauptungen sind noch nicht einmal geprüft. Behördliche Wahlbeeinflussung und Wahlmache sind ein Begriff, unter dem sich jeder denken kann, was er denken mag; eigentlich kann sich niemand etwas darunter denken.
seiner Beteiliung an dem Aufbau der 2 ein richtiges Urteil darüber für sich in Anspruch nehmen konnte.
Fürst Bismarck hat sich im Norddeutschen Bundestag am 14. April 1860 über diese Frage ausgelassen und hat dabei ansgeführt, daß die
Regierung ebenso gut wie die Parteien und namentlich die ihr ent⸗ gegengesetzten Parteien ihre Pflicht bei den Wahlen zu tun habe; nur dürse sie nicht durch Drohen oder durch Inaussichtstellung von Vorteilen oder Nachteilen dazu veranlassen, so oder so zu stimmen. Auch am 3. März 1881 hat Fürst Bismarck sich in gleichem Sinne geäußert. (Der Redner verliest diese Ausführungen.) Fürst Bülow befand sich also in voller Uebereinstimmung mit ihm. denselben Standpunkt hat auch unser Fraktionsgenosse Winckler ver⸗ treten würde ihm bekannt sein, daß der Abg. Winckler als Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses wegen seiner Haltung in der Kanal⸗ vorlage diszipliniert worden und aus dem Staatsdienst ausgetreten ist. Er hat durch sein Beispiel gezeigt, dem Dank der Regierung in politischen Angelegenheiten entziehen kann, wenn man ein aufrechter Mensch ist. Der Beteiligung der
Behörden an der Wahl sind doch auch Schranken gezogen durch die
einschlägigen Paragraphen der Reichs⸗Straf⸗Prozeßordnung und in der Praxis wird man sich auch im großen und ganzen an die
Grundsätze halten, welche die Wahlprüfungskommission aufgestellt Wir unsererseits glauben allerdings, daß man nicht feste Grund⸗-
hat. sätze aufstellen, sondern von Fall zu Fall entscheiden sollte, ob eine Wahlbeeinflussung stattgefunden hat oder nicht. In manchen Kreisen
scheint man jede Aeußerung einer amtlichen Persönlichkeit für eine
Beeinflussung zu halten. Es ist mir doch im hohen Grade zweifelhaft, ob die Wähler, die den Interpellanten nahe stehen, sich von den Wünschen einer einzelnen Behörde oder durch Flugblätter des Flotten⸗ vereins haben abschrecken lassen, einen Sozialdemokraten zu wählen. Ich habe den Flottenverein nicht zu vertreten und habe nie in poli⸗ tischer Beziehung zu ihm gestanden, die Antwort auf die Angriffe gegen ihn wird wohl von anderer Seite erfolgen. Ich meine aber, daß diejenigen Herren, gerade die Herren von der Linken, die immer die Wahlbeeinflussung als etwas Ausschlaggebendes bei den Wahlen hinstellen, den Gegnern des Reichswahlrechts die Argumente direkt in die Hand spielen. Meine Fraktion hat noch niemals einen Anlaß zu der Unterstellung gegeben, als ob sie beabsichtige, an dem Reichs⸗ Sie können uns Vorwürfe machen, welche Sie wollen, aber nicht den, daß wir mit unseren An⸗ sichten hinter dem Berge hielten. Wir sind ab und zu sogar viel zu deutlich gewesen, als es im Interesse unserer Partei, im Inter⸗ esse des Stimmenfangs unseren Wählern gegenüber läge. Wir sind
stolz darauf, daß wir uns dem Despotismus der breiten Wähler⸗
nicht fügen. Wir sprechen unsere Ansicht aus, ganz gleich, ob wir anstoßen oder nicht. Der Fürst Bismarck hat einmal gesagt, das allgemeine gleiche und geheime direkte Wahl⸗ recht wäre ein gutes Instrument, man müßte nur darauf zu spielen verstehen. Der einzige Vorwurf, den wir der leitenden Stelle ge⸗ macht haben, war der, daß sie dies Instrument nicht zu spielen ver⸗ stünde. Wir haben wiederholt angedeutet und gewünscht, daß der Reichskanzler die lyrische Flöte beiseite lege und auch einmal zu schmettern verstehe. Das hat er getan und es wäre falsch, ihn zu desavouieren, nachdem er gezeigt hat, daß er dies Instrument recht gut zu spielen versteht. Er hat bei den letzten Wahlen gezeigt, daß es recht äut geganzen ist, und wenn er in Aussicht gestellt hat, daß er in Zukunft noch schärfere Töne blasen werde, so wird es die Auf⸗ gabe der bürgerlichen Parteien sein, ihm dabei zu akkom⸗ pagnieren, damit auch der letzte Rest der sozialdemokratischen Partei hier weggeblasen wird. Wenn von allen Seiten und insbesondere von dem Abg. Bebel bei der Etatsdebatte gesagt wurde, daß ihre beziehungsweise seine Partei mit dem Ausgange der Wahlen durchaus zufrieden sei, dann scheint mir das berühmte Kartenspiel entdeckt zu sein, wo alle Mitspieler gewinnen. Dann hätte auch die Sozialdemokratie keinen Anlaß, dem Reichs⸗ kanzler einen Vorwurf zu machen, daß er diesen Versuch mit un⸗ tauglichen Mitteln unternaommen habe, die Wahl zu beeinflussen, wenn er nachher eine derartige Niederlage erlitten habe dadurch, daß die Sozialdemokratie eine Viertelmillion Stimmen mehr gewonnen hat. Wer Wahlen mitgemacht hat, wird doch sehr bald die Ueberzeugung gewonnen haben, daß mit einem derartigen kleinlichen Mittel der Wahlbeeinflussung eine Aenderung der Volksstimmung nicht zu erreichen ist. In meiner Heimat Ost⸗ preußen, der früheren Hochburg der Fortschrittspartei, war es früher einer anderen Partei nicht möͤglich, gegen si⸗ etwas auszurichten. Ganz plötzlich, und zwar mit Beginn der Wirtschafts⸗ politik, der Schutzzollpolitik, wurde die Stimmung eine absolut andere. Mit Ausnahme der katholischen Teile Ermlands und einzelner größerer Städte gibt es jetzt in Ostpreußen weiter nichts als Deutsch⸗Konservative und Deutsch⸗Freisinnige. Bei dem stärksten Konflikt zwischen Regierung und Volk, zur Zeit des Ver⸗ fassungskonflikts, sind die Wahlen verschieden ausgefallen, daß man von irgend einer amtlichen Wahlmache nicht gut sprechen konnte. Im Jahre 1861 gab es im preußischen Abgeordnetenhause 207 Liberale und 59 Konservative und beim Beginn des Konflikts 256 Liberale und 15 Konservative. 1862, wo der Verfassungskampf am schärssten tobte, gab es 285 Lbberale und 12 Konservative. Bei den Wahlen von 1866 verloren die Fortschrittler 105 und erwarben die Konservativen 130 Sitze. Man sieht daraus, daß dem Willen des Volkes gegenüber derartige Einfluͤsse ganz bedeutungsles sind. Gerade damals konnte die Regierung Wahlbeeinflussungen in viel rößerem Umfange ausüben und daß der Fürst Bismarck der Mann war,
achtmittel zu benutzen, die ihm zu Gebote standen, wissen Sie selbst. Und welche diskretionären Befugnisse haben 1. B. denn die preußischen Behörden, um einen so dunklen unheimlichen Einfluß auf die Wahlen auszuüben? Ich bin lange Jahre Verwaltungsbeamter und Landrat gewesen, ich weiß nichts davon. Die Befugnis, über die Konzession zu entscheiden, wird von dem Landrat im Verein mit dem Kreis⸗ ausschuß ausgeübt; denn es besteht eine Fülle von Rechtsmitteln gegen unrichtige Entscheidungen. Also damit ist es nichts. Wohl aber weiß man, wie kräftig z. B. in republikanischen Staaten manchmal der Beamtenapparat für die Wahlen funktioniert. Ueber der Vernunftehe zwischen rechts und links schweht allerdings eine dunkle Wolke in der Gestalt des Abg. Gothein, der unsere Flitterwochenseligkeit stoͤren möchte; ich hoffe, die Frei⸗ sinnige Volkspartei wird da ihren mäßigenden Einfluß geltend machen. Der Abg. Gothein hat auf den Namen Malkewitz zurück⸗ gegriffen; er scheint auch im neuen Hause sein altes Geschaͤft, falsch zu prognostizieren, fortsetzen zu wollen. Er meinte 1906, die Wahl Malk witz' sei nur durch unerhörte amtliche Wahlbeeinflussung 1903 zustande gekommen; nun ist jetzt Malkewitz mit viel größerer Mehrheit wiedergewählt und seine Wahl diesmal von den Liberalen nicht einmal angefochten worden! Etwas sollte man also doch aus den Tatsachen lernen. Dem Abg. Schaedler und dem Zentrum muß ich sagen: Es tut mir in der Seele weh, daß ich Dich in der Gesellschaft seh'! Ich hoffe, wir werden das Zentrum bald auf unserer Seite sehen gegen die Sozialdemokratie! Namens der Deutschkonservativen spreche
massen
schr Es sind Behauptungen aufgestellt, aber Beweise dafür, daß die Persönlichkeiten,
8 1 Mit unserer Auffassung befinden wir uns in Uebereinstimmung mit dem ersten Reichskanzler, der bei Reichsverfassung gewiß
enau
Wenn der Abg. Fischer den Almanach studiert hätte, so
in welcher Form man sich
ich dem korrekten Verhalten der Frelsinnigen Volkspartei unsere volle Anerkennung aus. Die Stadt Könizsberg, die Stadt der reinen Vernunft, ist lediglich durch das Zusammenwirken aller Parteien vor der Unvernunft einer sozialdemokrakischen Wahl bewahrt worden. Nun ist in Königsberg vog dem Stellvertreter des Abg. Gyßling noch ausgeführt worden, in einer Stichwahl zwischen dem Konservariven und dem Sozialdemokraten müsse für den letzteren als für das leinere Uebel gestimmtwerden. Solche Aeußerungen sind geeignet, Verwirrung hervorzurufen. Der Abg. Fischer zieht über die amtliche Wahl⸗ beeinflussung und die Geldspenden her, aber die bürgerlichen Parteien sollten sich gerade an der Sozialdemokratie ein Beispiel nehmen, wie sie es versteht, ihre Aanhänger zu Beiträgen heranzu⸗ ziehen, wie sie sogar Kriegskontribution einzog von Gewerbetreibenden, die gar nicht zu ihr gehören. Der Abg. Bebel hat das ja verurteilt, wenn ein etwas zu sehr enragierter Parteigänger versucht, die Geister seiner Wähler durch Lieferung von Naturalien etwas anzu⸗ feuern; der alte Satz lautet ja: Naturalia non sunt turpia, Naturalien sind nicht schimpflich. Der betreffende Vorwurf ist ja auch gegen den jetzt hier im Hause sitzenden Kollegen erhoben worden; hoffentlich wird die Sache bald zu unserer Entscheidung gestellt. Die „National⸗Zeitung“ hat behauptet, der konservative Kandidat von Riepenhausen in Stralsund habe durch Bestechung Sozialdemo⸗ kraten zur Stimmenthaltung oder zur Stimmabgabe für ihn verleiten wollen. Der liberale Komiteevorsitzende in Stralsund telegraphiert mir, daß ihm nichts davon bekannt sei, der Abg. von Reepenhausen selbst verurteilt diese Machenschaften, wenn sie vorgekommen sein sollten. Ich erkläre im Auftrage der Fraktion, daß für einen Abgeordneten, der solches getan hätte, in unseren Reihen kein Platz sein würde. Im Kreise Jerichow soll von Byern mit Hilfe der Sozialdemo⸗ kraten gewählt worden sein; ich höre, daß die letzteren sich der Stimme enthalten haben sollen, ganz ohne Zutun des Abg. von Byern, ein Vorwurf für diesen kann darin also in keiner Weise liegen. Viel gefährlicher als die Wahlbestechung ist die Wahllüge. Es scheint, alb wenn wir die Wahllüge bei anderen heftiger verurteilen, als wenn sie im eigenen Lager vorkommt. Die Sozialdemokratie bringt dieses Mittel sehr häufig selbst zur Anwendung. Der Tischlermeister August Pauli in Pots⸗ dam stand in Potsdam⸗Osthavelland dem sozialdemokratischen Rechts anwalt Dr. Liebknecht gegenüber. Schon 1903 hat man in diesem Wahlkreise das Geld mit vollen Händen hinausgeworfen, ohne für Liebknecht, den Sohn des alten Läebknecht, ein Resultat zu erreichen. Gegen den Fürsten Herbert Bismarck hat man soztialdemokratischerseits immer ausgespielt, er sei der kleine Sohn des großen Vaters gewesen; hier bei Liebknecht liegt es ganz anders; Bebel, und Singer sind selbst in den Wahlkampf gekommen, um die alten Beziehungen zur Dynastie Liebknecht zum Ausdruck zu bringen. Aufgefallen ist mir in den Flugblättern der Byzantinismus, der mit dem Naͤmen Bebel getrieben wurde. (Der Redner verliest das betreffende Flugblatt, das die Rede Bebels gegen den Fürsten Bülow verherriicht.) Mehr Saperlative kann man kaum auf einmal verlangen. Im Vergleich zu den Flugblättern, die von der sozialdemokratischen Partei verteilt sind, waren diejenigen der nationalen Parteien in ihrem Tone sehr vornehm gehalten. Die sozialdemokranschen Flug⸗ schriften sprachen von der Bande, die aus nichtigem Anlaß am 13. Dezember nach Hause geschickt wäre. Unter den Anschuldigungen gegen die Regierung, die in diesen Flugschriften enthalten sind, ist besonders bemerkenswert die, daß die Regierung sich schuldig mache der grundsätzlichen und hartnäckigen Begünstigung einer kleinen Schar Edelster der Nation, in deren Taschen ein goldene Strom aus dem Schweiße des Volkes fließt. Die Edelsten der Nation haben von diesem goldenen Strome noch nicht das geringste verspürt. Im Wahlkreise Spandau wurde eine Flugschrift zu Gunsten des sozialdemokratischen Kandidaten Liebknecht verteilt, die mit Illustrationen versehen war, die den Abg. Held als Leoparden, den Grafen Kanitz als Tiger, den Grafen Schwerin⸗ Löwitz als Löwen darstellten, und die von dem Brotwucherer, dem konservativen Gegenkandidaten Pauli sprachen. Hier steht also der Brotwucherer Tischler Pauli dem Proletarier Rechtsanwalt Dr. jur. Liebknecht gegenüber. Der Abg. Eickhoff hat mit seiner Be⸗ merkung vom Anttiantisemitismus recht, mir scheint auch, daß die Sozialdemokratie in dieser Beziehung nicht ganz stubenrein ist. Literarisch am abschreckendsten sind die sozialdemokratischen Flug⸗ blätter, die sich auf das Weihnachtsfest beziehen. Dabei sind die Schreiber dieser Schriften akademisch gebildete Männer, die sich nicht scheuen, die uns heiligen Bibelsprüche herunter zu zerren und mit sozialdemokratischen Schlagworten wie „Wo ist Lug und Trug? Wo ist Wabhrheit und Recht?“ verquicken. Jede christliche Partei muß das Tischtuch zwischen sich und der Sozialdemokratie ganz energisch zer⸗ schneiden. Ich will nicht so weit gehen, zu verlangen, daß jeder hier im Hause nur über Dinge redet, von denen er etwas versteht. Dann würde die Sozialdemokratie vollständig zum Stillschweigen verurteilt sein. Wenn sie ihre Liebenswürdigkeiten nicht auf andere Parteien abladen könnte, so würde sie bald an innerer Vergiftung zu Grunde gehen; aber Sie (zu den Sozial⸗ demokraten) werden mir doch gestatten, Ihnen auf die Vorwürfe, die Sie hier erhoben haben, zu antworten. Ich glaube nicht, daß der Abg. Südekum mit seinem Versuch, eine Wohlanständigkeit des Tones in der sozialdemokratischen Presse und namentlich im Vorwärts ein⸗ zuführen, Glück hat. Das wäre eine Leistung, die denen des leider viel zu früh verstorbenen Herkules würdig an die Seite gestellt werden könnte. Wenn die Sozialdemokratie wirklich so zuversichtlich und im Innern geschlossen ist, wie Sie es hier im Hause immer betonen, wozu treten Sie denn draußen in ver⸗ schiedenen politischen Soubrettenkostümen auf, bald mit flammender Fackel, bald als “ katholischer Deutscher, der nur die armen Soldaten aus Afrika zurück haben will, usw.) Sie werden aber auf die Dauer bei den Wählern damit kein Glück haben. Vielleicht werden Sie nach den nächsten Wahlen nicht einmal ein Doppelquartett be⸗ setzen können. Wir freuen uns, daß die verbündeten Regierungen zu der Einsicht gekommen sind, daß sie nicht mehr der Verhetzung und den Wahllügen das Stillschweigen der Verachtung entgegensetzen, sondern mit Ihnen (zu den Sozialdemokraten) ringen und kämpfen ben die Seele des deutschen Volkes, und hoffentlich werden sie dabei egen.
Abg von Liebert (Rp.): Meine politischen Freunde stimmen mit dem Vorredner darin überein, daß die Reichsregierung das Recht und die Pflicht hatte, nach der Reichstagsauflösung an die Wähler sich zu wenden und sie aufzuklären über die Anschauungen der Regierung. Sie hat sich dabei durchaus in den richtigen Grenzen gehalten. Ketn Beamter ist in den Wahlkampf entsendet worden und keine öffentlichen Gelder sind dazu verwendet worden. Daß der Kolonialdirektor in öffentlichen Versammlungen über den wirtschaftlichen Wert unserer Kolonien gesprochen hat, soll ihm gewiß hoch angerechnet werden; dafür verdient er Anerkennung und wir hoffen, daß bei den nächsten Wahlen auch andere Staatssekretäre und Minister jede Gelegenheit benutzen, um den Standpunkt der verbündeten Regierungen vor dem Volke darzulegen. Vorgestern hat nun der Abg. Bebel in langen, ermüdenden Darlegungen den Kolontaldirektor herabzuziehen und seine Zahlen anzufechten gesucht. Dabei ist ihm aber selbst ein schwerer Rechenfehler passiert. Der Kolonialdirektor sprach nämlich von Ballen Baumwolle zu 500 Pfund, während der Abg. Bebel die Baumwolle nach Tonnen berechnet hat, also zu 2000 Pfund. Es sitzen doch hier im Hause Afrikaner genug und auch ein großer Teil von Abgeordneten hat sich die Kolonien näher angesehen und hat ein genaues Bild von dem wirtschaftlichen Wert der Kolonien erlangt. Es besteht unter diesen ein still⸗ schweigendes Uebereinkommen, die kolonialen Reden des Abg. Bebel nicht zu kritisieren. Täte man das, so könnte man reden, „bis früh um fünfe, kleine Maus“. Der Begründer der Inter⸗ pellation hat die schwersten persönlichen Angriffe gegen mich gerichtet. Wenn er Bezug nimmt auf einen Brief des Generals Keim, worin dieser sagt, er habe die Reichskanzlei für mich in Bewegung gesetzt, so weiß ich in der Tat nicht, wie die Reichskanzlei irgend etwas in Sachsen für mich hätte tun können. Wäre das geschehen, so hätte es Wahlproteste geregnet, und man hätte Zeter und Mordio geschrieen.