Religionsunterricht lediglich ermahnt
die Dioözesanen vielmehr
Religionsunterricht in der Schule durch einen solchen in Haus und Kirche zu ergänzen, so wurde doch diese Proklamation des Erzbischofs von der radikalen Presse und leider auch von einem Teile der Geist⸗ lichkeit in dem Sinne ausgelegt, als ob der Erzbischof den Schulstreik billige und zu dessen Verbreitung auffordere.
Die Folgen jenes Aufrufs des polnischen Komitees sowie des erzbischöflichen Hirtenschreibens und der an letzteres in der Presse geknüpften Kommentare war ein plötzliches Aufflammen des Schul⸗ streiks. Während am 1. Oktober 1906 sich in der ganzen Provinz 3372 Kinder geweigert hatten, im Religionsunterricht deutsch zu antworten, schnellte die Zahl mit dem Schulanfang alsbald auf 31 739 empor, um in den nächsten zwei Wochen zu dem Höchstbetrage von etwa 48 000 zu steigen. Diese Zahl bedeutet etwa die Hälfte aller derjenigen Kinder polnischer Muttersprache in der Provinz Posen, welche in Volksschulen zur Zeit den Religionsunter⸗ richt in deutscher Sprache erhalten. Ich muß es als ein er⸗ reuliches Zeichen des in der polnischen Bevölkerung trotz aller Hetzereien noch vorhandenen gesunden Sinnes bezeichnen, daß der Schulstreik keine größere Ausdehnung gewonnen hat, obwohl an seiner Entfachung und Aus⸗ breitung mit allen nur möglichen Mitteln in gewissen⸗ losester Weise gearbeitet worden ist. (Widerspruch bei den Polen.)
Ganz besonders hat sich bei dieser Arbeit natürlich die polnische Presse aller Richtungen hervorgetan. Zunächst wurde den gut⸗ gläubigen Lesern eingeredet, sie seien es dem Gehorsam gegen ihren Erzbischof schuldig, ihre Kinder in den Schulstreik eintreten zu lassen. Habe doch der Erzbischof selbst durch seinen Hirtenbrief zu dieser Bewegung das Signal gegeben. Bei dieser Dar⸗ stellung handelten viele Redakteure schwerlich in gutem Glauben. Denn, wie aus den Aeußerungen der polnischen Presse selbst erhellt, war ihnen sehr wohl bekannt, daß der Erzbischof unter dem 2. August 1905 ein Schreiben an den Erzbischof Popiel von Warschau gerichtet hatte, in welchem er dessen Auftreten gegen den Schulstreik auf russischem Gebiete in den wärmsten Worten billigte. Er bezeichnete in jenem Schreiben das Auftreten des genannten Erzbischofs gegen eine solche Bewegung der Jugend als „wahrhaft begeisternde Worte der Beschwörung und Mahnung“. Das hielt die polnische Presse im vorigen Herbst aber keineswegs davon ab, den Erzbischof von Stablewski als einen Förderer des Schulstreiks zu feiern.
Unter Bezugnahme auf diesen Hirtenbrief wurde den Leuten ferner nach dem Vorgange der „Gazetta Grudziadzka“ von allen Seiten eingeredet, daß sie sich einer schweren Sünde schuldig machten und gegen die Vorschriften ihrer Religion verstießen, wenn sie ihre Kinder nicht zur Teilnahme an dieser Bewegung anhielten. „Der Katholik, der die deutsche Sprache im Gebet und im Religionsunterricht an⸗ wendet“, warnte die „Gazetta Torunska“, „steht mit einem Fuße in der lutherischen Kirche.’“ „Lobe Gott nicht in fremder Sprache“, heißt es in einer anderen Zeitung, „denn ich will Dir eine alte Sache erzählen, daß auch der Teufel hinterm Ofen das Gebet in deutscher Sprache spricht!“ (Pfutl rechts.)
Meine Herren, aber nicht nur an die religiösen Gefühle, sondern auch recht weltliche Eigenschaften der großen Menge wurde appelliert, um sie zur Teilnahme an dem Schulstreik zu bewegen. Die polnische Presse benutzte bei dieser Einwirkung in raffiniertester Weise das Rezept von Zuckerbrot und Peitsche.
Einerseits wurden die streikenden Kinder nach allen Richtungen gelobt, sie wurden als Märtyrer der heiligen polnischen Sache hin⸗ gestellt, sie wurden unter Namensnennung in enthusiastischer Weise verherrlicht, es wurden ihnen Belohnungen versprochen, groß⸗ sprecherische; die Lehrer vezspottende Aeußerungen wurden ihnen in den Mund gelegt, in einzelnen Fällen vorgekommene Unbotmäßigkeiten, wie das Zerreißen der deutschen Religionsbücher, wurden verallgemeinert und als Heldentaten gefeiert. In Posen wurde einzelnen sogar bares Geld angeboten, wenn sie einen Streik hervorriefen.
In gleicher Weise wurden die Eltern, die ihre Kinder zum Schul⸗ streik anhielten, mit Lobsprüchen überschüttet.
Auf der anderen Seite erfuhren die Kinder, welche an dem Streik nicht teilnahmen oder ihn wieder eiastellten, den schärfsten Tadel. Sie wurden als Verräter, als „niederträchtige Schmeichler“ hingestellt, deren man sich schämen müsse.
Diejenigen Eltern, welche ihre Kinder zum Ungehorsam nicht aufreizten, wurden nicht nur mit beleidigenden Ausdrücken wie „Vaterlandsverräter“, „Feiglinge“, „Dummköpfe“ usw. belegt, sie wurden in nicht mißzuverstehender Weise mit dem gesellschaft⸗ lichen, ja mit dem wirtschaftlichen Boykott bedroht! Ihre Namen wurden mit dem Zusatz veröffentlicht, daß sie ihren Kindern verboten hätten, zu streiken, ob wohl sie vom polnischen Gelde lebten und darauf Rücksicht nehmen sollten. Der „Dziennik Kujaweki“ z. B. veröffentlichte eine ganze Liste solcher Namen und fügte hinzu: „Die städtische polnische Volksgesamtheit wird für ihr Verhalten gegenüber jenen Eltern die entsprechenden Schlüsse ziehen, gegenüber jenen Vätern, von denen der eine, der Kaufmann ist, alle Veranlassung hätte, sich mit seinen Landsleuten solidarisch zu erklären“.
Meine Herren, deutlicher kann man doch nicht mit dem wirtschaftlichen Boykott drohen, wenn man sich nicht straf⸗ rechtlich oder zivilrechtlich verantwortlich machen will! Und dieselben Blätter, die auf solche Weise die von dem Publikum abhängigen Ge⸗ schäftsleute durch Verrufserklärungen zwingen, sich dem Schulstreik anzuschließen, scheuen sich nicht, ihren Lesern einzureden, daß diese Be⸗ wegung aus dem innersten Herzen des polnischen Volkes spontan hervorgequollen sei! Ich kann das nur als eine wahrhaft widerliche Heuchelei bezeichnen. (Sehr richtig! rechts und bei den National⸗ liberalen.)
Die polnischen Zeitungen begnügen sich aber nicht, durch An⸗ erkennung und Tadel, durch Lobeserhebungen einerseits, durch Be⸗ schimpfungen und nicht mißzuverstehende Drohungen andererseits ihre Landsleute zur Beteiligung am Schulstreik zu veranlassen — sie nennen das: die Leute „aufklären“ —. Um ihre Aufreizungen auf
gesagt wurde, wurden, den
fruchtbaren Boden fallen zu lassen, tat die polnische Presse und tut
sie leider noch heute außerdem alles Menschenmögliche, um die großen Massen zu erbittern und gegen die Behörden aufzubringen. Lügen und Verleum dungen sind dabei die täglich benutzten Mittel. Besonders die Lehrer und Schulaufsichtsbeamten haben in den
letzten Monaten eine wahre Flut von Verleumdungen in der polnischen Presse des In⸗ und Auslandes über sich ergehen lassen müssen. Dabei wurden sie in gleicher Weise beschimpft, gleichviel ob sie strenge oder milde den Kindern gegenübertraten. Jede Züchtigung der Kinder, auch wenn sie durchaus berechtigt war und mit dem Religionsunterricht oder dem Schulstreik an sich in gar keiner Verbindung stand, wurde als eine Mißhandlung dieser Kinder wegen verweigerter Antwort im deutschen Religionsunterricht dargestellt. Gerade als Scheusale wurden manche Lehrer geschildert, die sich der einreißenden Disziplinlosigkeit der Kinder gegenüber zu körper⸗ lichen Züchtigungen genötigt fanden. Wie dabei mit der Wahrheit um⸗ gesprungen wurde, möchte ich Ihnen an zwei Beispielen erläutern.
Im Oktober v. J. erschien im „Dziennik Posnanski“ ein Artikel, in dem ein polnischer Arzt heftig angegriffen wurde, weil er sich geweigert habe, einem „furchtbar mißhandelten“ Knaben ein ärztliches Attest über die Mißhandlung auszustellen. Einige Tage darauf erließ der Arzt selbst eine Berichtigung, daß er das Attest um deswillen verweigert habe, weil er gar keine Spur der angeb⸗ lichen Mißhandlung gefunden und Mühe gehabt habe, den aufdringlichen Vater loszuwerden. (Heiterkeit.)
Durch die polnische Presse und aus ihr übernommen in deutschen, ja selbst in ausländischen Zeitungen wurde im November vorigen Jahres die Nachricht verbreitet, in einer Schule sei ein Knabe sogar entblößt und auf den nackten Körper gezüchtigt worden. Es wurde dies als ein bezeichnendes Beispiel der preußischen Barbarei und als eine „nackte Tatsache“ dargestellt. (Heiterkeit)
Wie liegt nun aber die Sache wirklich? Ein besonders fauler und frecher Junge sollte wegen Trägheit im Deutschen einige Stockschläge erhalten. Als der Lehrer ihn überlegte, entdeckte er, daß der Schüler drei Paar Hosen übereinander anhatte (Heiterkeit), deren oberste nicht einmal ordentlich zugeknöpft war. Da forderte ihn der Lehrer auf, die oberste Hose herabzuziehen. Er behielt bei der Züchtigung aber immer noch zwei Paar Hosen an. (Geiterkeit.) So entstehen polnische Schauermärchen!
Derartige Verleumdungen der Lehrer und Schulaufsichtsbeamten fanden sich, wie gesagt, nicht nur in erschreckendem Maße in der inländischen, sondern dank der vortrefflichen Verbindungen der groß⸗ polnischen Agitatoren mit zahlreichen Blättern des Auslandes auch in der außerdeutschen Presse diesseits und jenseits des Ozeans. Da die Beleidigungen und Verleumdungen schließlich strafrechtliche Ahndung fanden, so fühlten sich einzelne Blätter veranlaßt, selbst ihre Berichterstatter zu bitten, doch mit der Wahrheit gewissenhafter umzugehen. So bat der „Dziennik Kujawski“ am 6. November 1906, als er zur Richtigstellung einer grob entstellten Nachricht sich genötigt sah, seine Korrespondenten „dringend, ihm nur solche Tat⸗ sachen zu berichten, von deren Wahrheit sie sich persönlich überzeugt hätten. Durch das Berichten unwahrer Nachrichten machten sie nur sich und der Redaktion unnötige Unannehmlichkeiten.“ Aehnliche Vorhaltungen haben noch andere polnische Zeitungen ihren Bericht⸗ erstattern gemacht. Selbst der „Lech“, vielleicht das jenige Blattt das neben der „Gazeta Grudziaska“ im ganzen Schulstreik am rücksichtslosesten gehetzt und verleumdet hat, schreibt am 29. No⸗ vember v. J.: „Die geehrten Korrespondenten bitten wir, uns nur die reine Wahrheit mitzuteilen, da ungenaue oder gar lügenhafte Nachrichten unserer Sache schaden und unser Vertrauen zu den Korrespondenten schwächen. — Daß diese Mahnungen seitens der Berichterstatter genügend beachtet wurden, vermag ich aber leider nicht festzustellen. Die Regierungen in Posen und Westpreußen haben fortgesetzt zahlreiche Berichtigungen auf Grund des Preßgesetzes den Blättern übersenden müssen. In Dutzenden von Fällen, in denen die Hetzereien und Verleumdungen gar zu arg waren, mußte eine gerichtliche Bestrasfung der Redakteure oder ihrer Gewährsmänner veranlaßt werden.
In derselben Weise wie durch die Presse und fast genau nach demselben Rezept ist in den letzten Monaten durch zahllose Volks⸗ versammlungen auf die polnische Bevölkerung eingewirkt worden. Wenn in einem Dorfe der Schulstreik nicht recht in Be⸗ wegung kommen wollte, wurde sofort auf Anregung der Zeitungen eine Versammlung einberufen, in der die Familienväter in ganz derselben Weise mündlich be⸗ arbeitet wurden, wie dies im übrigen durch die Presse⸗ geschah.
Es ist daher nicht zu verwundern, wenn diese von den polnischen Agitatoren lediglich aus politischen Gründen entfachte und ge⸗ schürte Bewegung mehrfach zu groben Ausschreitungen geführt hat. Man hat sich nicht darauf beschränkt, den Lehrern die Fenster⸗ scheiben einzuwerfen, sie zu bedrohen und zu beschimpfen, man ist in einzelnen Fällen zu Mißhandlungen der Lehrer und zu Be⸗ schädigungen der Schulräume geschritten. Fast noch schlimmer als diese glücklicherweise nur vereinzelt gebliebenen Ausschreitungen zeigt sich die Wirkung des Schulstreiks aber in der deutlich zu Tage tretenden Verwilderang der Schuljugend. Diese gegen die bestehende Ordnung aufzureizen und mit groß⸗ polnischen Ideen zu erfüllen, ist ja zweifellos der Hauptzweck der eigentlichen Leiter der ganzen Be⸗ wegung. Diesen Zweck haben sie leider in traurigem Maße erreicht. Den Schaden von der ganzen Bewegung wird aber schließlich die polnisch sprechende Bevölkerung selbst zu tragen haben. Dieser ganze ebenso unpädagogische wie unkirchliche Schulstreik wird zweifellos so enden, wie es die Berliner „Germania“ in einem sehr beachtenswerten Artikel schon am 11. November 1906, wie folgt, vorausgesagt hat:
Jetzt prügeln die Lehrer die Kinder, weil sie trotzig und ungehorsam sind; bald werden die Eltern die armen Kinder prügeln müssen, weil sie auch im Hause unartig, störrisch und unbotmäßig sind — und nach einigen Jahren werden die herangewachsenen Kinder ihre Eltern prügeln,
(lebhafte Zustimmung rechts und bei den Nationalliberalen. bei den Polen) die sie in ihren jungen Jahren zur Nichtachtung der Autorität und zur Unbotmäßigkeit angehalten haben.“ (Lebhafte Zustimmung rechts und bei den Nationalliberalen. spruch bei den Polen.) Die unter Verletzung der bestehenden Schulordnung, unter
unbändig,
Unruhe
Wider⸗
Zuwiderhandlung gegen Strafgesetze und unter Anwendung geradezu roher, vom Standpunkte der Pädagogik durchaus verwerflicher Mittel
durchgeführte Widerstandsbewegung legte der Regierung die Erwägung
nahe, ob dieser Widerstand nicht durch Anwendung Mittel, insbesondere auch hoher Zwangsstrafen, alsbald zu b
sei. — Wenn sich im übrigen der Herr Abg. Stychel gegen die rrche liche Zulässigkeit solcher Zwangsstrafen heute ausgesprochen 8 bitte ich ihn, aus den gedruckten Entscheidungen des Oh 8 verwaltungsgerichts eine Belehrung darüber zu entnehmen g- die Unterrichtsverwaltung jederzeit befugt ist, ihren Anordnungen 1 Zwangsstrafen Folge zu geben und vor allen Dingen auch die 8 rungen der Schulordnung durch Zwangsstrafen zu beseitigen. 8
Die Regierung hat davon in vorsichtiger Abwägung aller Gründ für und wider im Bereich der Provinz Posen vorläufig Abstand d⸗ nommen, und auch die von manchen Seiten empfvhlenen Mittel 5 Schließung der streikenden Schulen, Ausschließung der widerspensti G Kinder, Beseitigung des Religionsunterrichts in der Schule für ae Dauer des Streiks, nicht angewendet. Sie hat sich beschränkt auf die 8 führung von Nachsitzstunden für die nicht antwortenden Kinder und 8 sonstige Disziplinarmittel. Die hierdurch den Lehrern erwachsene du gabe war eine besonders schwierige; sie erforderte Besonnenheit kä, Selbstbeberrschung. Aber zum Ruhme des Lehrerstandes si es gesagt, daß derselbe, abgesehen von ganz vereinzelten Ausnahmen, in unentwegter Pflichttreue und mit -eh; Takte der Aufgabe gerecht geworden ist. (Lebhafter Beffal rechts und bei den Nationalliberalen. Widerspruch bei den Polen) Dank der ruhigen und festen Haltung der Regierung ist 7 Streik in langsamer, aber stetiger Abnahme begriffen. Die der widerspenstigen Kinder ist innerhalb der letzten 4 Monate don rund 48 000 auf 25 000, der Schulen von etwa 750 auf 590 zurüdk. gegangen. In Westpreußen streiken nur noch 5000 Kinder in 180 Schulen.
Sollte die Stimme der Vernunft bei den unverantwortlichen Leitern und Hetzern der Bewegung nicht endlich die Oberhand ge⸗ winnen, so bleiben schärfere Maßnahmen, so bedauerlich es auch sein würde, unvermeidlich. Aber die Unterrichtsverwaltung sieht den weiteren Verlaufe der Sache mit Ruhe entgegen, denn auf ihrer Seite ist nicht bloß die Macht, sondern auch das gute Recht. (Lebhafte Beifall rechts.)
Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.): Die Leidenschaftlichkeit der Herren von der polnischen Fraktion kann ich nicht verstehen. Die Herren sollten bedenken, daß die Polen in Galizien, wo sie die Majorität haben, ganz anders verfahren, als wir i Preußen, wo wir eine maßvolle, gerechte Verwaltung haben. Um was handelt es sich eigentlich? Darum, daß die Verwaltung verlangt, daß in der preußischen Schule in allgemeinen deutsch gesprochen wird, und daß sie nur die polnische Sprache im Religionsunterricht zuläßt, wo die Kinder des Deutschen noch nicht so mächtig sind, um dem Religiont⸗ unterricht Verständnis entgegenzubringen. Die Polen meinen aber, daß die Kinder selbst zu entscheiden haben und nicht die Schulverwaltung, wie verfahren werden soll. Wenn man sich das vergegenwärtigt, wie kann man dann dozu kommen, von religiöser Vergewaltigung zu sprechen! Bis zu dem Schulstreik hat niemand daran gedacht, daß dieser Zustand, der seit Jahrzehnten so bestanden hat, in Wider pruch stehe mit den Anforderungen der katholischen Religion. Die katholische Kirche nimmt in der Bretagne und in Irland eine andere Stellung gegen die Muttersprache ein als bei uns. Es ist also eine leere Phrose, zu behaupten, daß die katholische Religion verletzt werde. Es haneelt sich nicht um eine Forderung des Menschenrechts an der Keltgion, sondern um einen nationalen Kampf. Da ist für uns der Stand⸗ punkt gegeben. Die Polen stoßen mit ihren nationalen Forderungen auf einen nationalen Staat, und dieser kann sich nicht selbst aufgeben. Wenn den Polen nachgegeben wird, verlangen sie alsbald den polnischen Unterricht in allen Schulfächern und schließlich die polnische Sprache überhaupt in den polnischen Landesteilen. Mögen die Polen ihren nationalen Standpunkt hier vertreten, ich habe Verständnis dafür, aber wie können Sie (zu den Polen) es ver⸗ antworten, daß Sie zum Deckmantel Ihrer nationalen Politik Ihre eigenen Kinder gemacht haben, die in Achtung dvor der Autorität der Lehrer und der Obrigkeit und den Vorschristen der Schule erzogen werden sollen! Sie haben einen Konfittt in den Kindern entfesselt, der einmal Konsequenzen nicht nach Ihren Wünschen haben wird! Im nationalen Kampfe soll man nicht seine Kinder vorschicken, sondern selbst vorangehen, Die Regierung hat verständige Maßregeln angewendet, aber ich fürchte, sie allein werden einen Erfolg nicht haben. Die Wirkung liegt nicht bei den Kindern, sondern außerhalb der Kinder; die Regierung wird erst Erfolge haben, wenn sie gegen die Eltem selbst vorgeht. Wir werden die Regierung bei solchen E unterstützen. Worüber beklagen Sie sich, meine Herren Polen? Sie klagen über Barbarei und menschenunwürdige Zustände. Aber wer ist es denn gewesen, der Ihnen Kulturzustände gebracht hat, die Sie niemals zuvor gekannt haben? Wer Wohlstand gebracht, eine so geregelte Verwaltung, wie man fie kaum jemals in polnischen Ländern kennt? Es ist undark⸗ bar von Ihnen, wenn Sie sich als die Gemißhandelten bin⸗ stellen. Wir werden und können die Regierung nicht im Sti lassen, wenn sie ihre Autorität in der Schule aufrechterhalten wil. Geben Sie Ihren Widerstand auf! Wir müßten uns selbst aufgeben, wenn wir den Standpunkt der Regierung verlassen würden!
der schärfstg
Abg. Dr. Dittrich (Zentr.): Wir müssen es durchaus mißbilligen,
wenn die Schule und die Kinder in die nationalen Kämpfe hinem⸗ gezogen werden. Aber die Polen kehren die zeligiöse Seite her der Erzbischof sagte, es handle sich um die Gefährdung der Sergeg und um das Seelenheil. Es stehen sich hier die Autorität der Geift⸗ lichen und die weltliche und pädagogische Autorität gegenüber. Wer hat da zu entscheiden? Ich meine, die Schulaufsichtsbehörde sollte im Ein⸗ verständnis mit den Geistlichen die Frage des Unterrichts ent cheiden. ge fragt sich lediglich, ob das Kind für die ihm gebotene religiöse Lehre dar nölige Verständnis mitbringt. Die Kische steht über den Nationalitäten, In einer fremden Sprache wird man niemals so warm und so tie empfinden können wie in der Muttersprache, und die ganze Bedentun⸗ des Religionsunterrichts ist zu bemessen nach den Wirkungen auf 2 Gemüt. Ob diese Vo aussetzungen in den Schulen in Leee Westpreußen und Oberschlesien vorhanden sind, darüber köng
die Autoritäten entscheiden, aber nicht wir in diesem Hause. - Schulstreik ist aber durchaus verwerflich. Schule und Pan müssen in der Erziehung harmonisch zusammenwirken, und deshalb 8 es nicht angebracht, daß die Eltern die Kinder zum Widerstand ge 8 die Schule vera lassen. In den Kindern wird dadunch ein gen - Konflikt hervorgerufen, der ihrer Entwicklung nur schädlich sein una Daß die Regierung den Schulstreik nicht ruhig binnahm, sondern an den gebotenen Mitteln einschritt, ist wohl begreiflich. Aber „u
fragen, ob cs nicht richtiger gewesen wäre, das Uebel an der d zu fassen und die zu bestrafen, die die Kinder zum Streik g haben, anstatt die Kinder das Vergehen der Eltern büßen zu -5 Man muß bedenken: sunt pueri, pueri puerilia tra 2 Die Maßnahmen gegen die Eymnasiasten finden wir esgen ordentlich hart und bitter, weil unverdient. Die jungae,
Leute werden aus ihrer Laufbahn einfach herausgeworfen ins ehr
Wge a Es wäre bestimmte und wissen nicht, was sie anfangen sollen Aenderung
zu wünschen, daß die Regierung in dieser Beziehung ine 2 eintreten ließe. Wir vom Zentrum 8 den Schulstreik und hoffen, daß er bald ein Ende finden möge, und daß diese lungen dazu beitragen mögen, dem Streik ein rasches Ende zu im Interesse der Schule, der Eltern und der Kinder. Wenn der
kat Ihnen
hervor;
8 d, wird die Unterrichtsverwaltung sich aber fragen müssen, ob ond. dig unae gewisf en Sinne den Wünschen der polnischen Bevölkerung
Fenih zommen kann. Auf dem zarten Gebiet der Relizion muß die el
b zußerordentlich vorsichtig vorgehen und sich nicht von Fanieung ensten lassen Es wird den Charakter der Schule nicht Vermrachtigen, wenn man den Religionsunterricht nicht in den b19 der nationalen Politik stellt. Es ist vorgeschlagen, den vne sonsunterricht so lange in der Muttersprache zu erteilen, bis die g. in den Kommunionzunterricht des Geistlichen kommen. Wenn Fin Echule und die Geistlichen zusammenwirken, werden die Geistlichen M Beicht⸗ und Kommunionsunterricht so intensiv gestalten können, alle etwaigen Unvollkommenheiten beseitigt werden. Wenn man de Oberschlesten nach den Wünschen der Geistlichen den polnischen dnengiorsunterricht in der Mittel⸗ und Oberstufe zuließe, würde man den Polen die Hauptwaffe der nationalen Agitation nehmen. Ihre Hpposition gegen die deutsche Schule würde dann mindestens er⸗ lahmen. Wenn der 8 wiederhergestellt ist, muß der Kirche ein tößerer Einfluß auf den Religionsunterricht eingeräumt werden. burch den Falkschen Erlaß ist dieser Einfluß auf ein Minimum berabgesetzt worden. Wir bedauern also den Schulstreik und hoffen, raß alle, die dazu berufen sind, ihm recht rasch ein Ende bereiten im Interesse des Staates, der Kirche und der Familie.
im Abg. Dr. von Jazdzewski (Pole): Sie dürfen uns nicht ver⸗ übeln, wenn wir diese Frage mit einer gewissen Schärfe behandeln. Der Minister bestreitet, daß es Grundsatz der katholischen Kirche ist, daß der Religionsunterricht in der Muttersprache erteilt werden soll. Im Tridentinischen Konzil ist dieser Grandsatz aber absolut festgelegt, ind danach haben alle Bischöfe für ihre Diözesen diesen Grundsatz betont. Es ist ganz ausgeschlossen, daß Kinder von acht Jahren, wenn sie in die Mittelstufe eintreten, der deutschen Sprache so mächtig sind, daß sie das richtige Veeständnis für den deutschen Religionsunterricht haben. Bis 1873 herrschten in der preußischen Schulverwaltung ganz andere Grundsätze, als dann in der Ver⸗ ordnung über die Unterrichtssprache von 1873 zur Geltung gebracht wurden; bis dahin herrschte der einzig vernünftige Grundsatz, daß der Unterricht in der Muttersprache erteilt werden müsse. Der konservative Redner hat mit großer Schärfe ecklärt, daß seine Partei die jetzige Richtung der Schulverwaltung aufrechterhalten und unterstützen werde Die Schule ist aber nur dazu da, das Familienleben und die Erziehung in der Familie zu unterstützen, und davon kann bei dem Unterricht in einer fremden Sprache gar nicht die Rede sein. Es ist möglich und wahischeinlich, daß der Schulstreik aufhört, und das wird der Regierung angenehm sein, aber damit hört die Unzufriedenheit nicht auf, der Stachel bleibt. Die Erfolge des Unterrichts der polnischen Kinder können bei dem stzigen System nur gering sein; wenn die Kinder die Schule verlassen haden, verlernen sie die deutsche Sprache wieder in einem Jahre. Und der Unterricht in der polnischen Sprache kommt gleichfalls zu kurz, sohaß die Kinder vielfach nicht Polnisch lesen und schreiben lernen. Das ganze System der Volksschule muß in den polnischen Landes⸗ feilen geändert werden, und es bleibt nichts anderes übrig, als den Religionsunterricht in die Hände der Kirche zu legen. Die Unterrichtsverwaltung ist auf einen toten Strang geraten, sie will nicht zurückweichen. Was wir aber verlangen, ist ein Ver⸗ langen der Bevölkerung. Die Schuld trägt die Schulverwaltung, wenn keine geordneten Verhältnisse hergestellt werden können. Auch die Schulianspektoren und die Lehrer tragen die Schuld, weil sie ein Uebermaß von Schulzucht angewendet haben. Nur durch Gerechtigkeit wird es möglich sein, den Frieden wieder herzustellen zum allgemeinen
Besten. Mnister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. von Studt:
Meine Herren! Der Herr Abg. von Jazdzewski hat es wiederum,
wie schon in der Budgetkommission, als einen unumstößlichen, unter allee Umständen zu befolgenden Grundsatz der katholischen Kirche be⸗ zeichnet, daß der Religionsunterricht in den Volksschulen in der Muttersprache zu erteilen sei. Wäre diese Behauptung richtig, so würde der Zustand, der seit Menschenaltern in den ge⸗ mischt sprachigen Landesteilen der Monarchie herrscht, schon längst Veranlassung gegeben haben, um von autoritativ⸗kirchlicher Seite eine grundlegende Aenderung herbeizuführen. Das ist tat⸗ sächlich nicht der Fall, und es ist höchst charakteristisch, daß die Ver⸗ suche, eine Aenderung in dem bestehenden faktischen Zustand herbeizu⸗ führen, und jenen angeblichen Grundsatz der katholischen Kirche unter allen Umständen zur Geltung zu bringen, immer nur von einem be⸗ fimmten Agitationsgebiet ausgehen. Soweit dies Agitationsgebiet nicht seine Wirkung übt, hört die Geltendmachung dieses Grundsatzes auf, wie die tägliche Erfahrung lehrt. Schon allein dieser tat⸗ Gs. Zustand beweist, daß der Herr Abgeordnete nicht im echt ist. Die Hochachtung aber vor der Gelehrsamkeit und der Gewissen⸗ haftigkeit des Abg. von Jazdzewski hat mich veranlaßt, nachdem er neulich mit so besonderer Prägnanz diesen Grundsatz wieder theoretisch zur Geltung gebracht hat, noch eine erneute Erörterung der Sache von unterrichteter Seite vornehmen zu lassen, und ich muß um Nach⸗ sicht bitten, wenn ich in aeternam rei memoriam nunmehr diese Darlegungen dem hohen Hause zur Kenntnis bringe.
Die allgemein vom Herrn Abg von Jazdzewski vertretene Auf⸗ fasung, das unter allen Umständen der Religionsunterricht nach den Grundsätzen der katholischen Kirche in der Muttersprache zu erteilen sei, ist eine irrige. Sie wird in erster Linie gestützt auf Bestimmungen im 7. Kap. der 24. Sitzung des Konzils von Trient, woselbst vor⸗ geschrieben ist, daß die Geistlichen vor der Spendung der Sakramente deren Bedeutung und Nutzen den Gläubigen pro suscipientum captu etiam lingua vernacula si opus sit et commode fieri poterit zu erklären haben.
Ich bitte um Entschuldigung, meine Herren, wenn ich hier den lateinischen Text verlesen habe. (Zurufe bei den Polen: Weiter lesen!) Es ist aber zum Verständnis der Sache notwendig. Diese erwähnte Vorschrift bezieht sich einmal überhaupt nicht auf den Schulunterricht, sondern auf die Unterweisung von kirchlicher Seite. Volksschulen in unserm Sinne be⸗ standen damals bekanntlich überhaupt nicht. Die Vorschrift stellt im übrigen die lingua vernacula oder lingua vulgaris, d h. die dem Volke veiständliche Sprache, der offiziellen Kirchen⸗ sprache, dem Lateinischen, gegenüber. Dagegen betrifft sie keineswegs den Unterschied zwischen Muttersprache und Landessprache. Schließlich schreibt sie eine Erklärung der Sakramente in der linguag vulgaris nur dann vor, wenn es notwendig ist und schicklich geschehen lann. Auf genau demselben Standpunkt stehen die staat⸗ lichen Verordnungen über den Religionsunterricht in den Volks⸗ schulen in der Provinz Posen. Es ist ausdrücklich vorge⸗ scheieben, daß der Religionsunterricht den Kindern polnischer Zunge zunächst in polnischer Sprache und erst dann in der deutschen zu er⸗ teilen ist, wenn die Kinder zu einem hinlänglichen Verständnis diser Sprache durch den anderweit erhaltenen Unterricht vorge⸗ schritten sind.
Hiermit ist der vorerwähnte Grundsatz der kathollschen Kirche darchaus beachtet. Die Kirche ist welt entfernt — cs würde dies auch schon ihrem unlversellen Charakter widersprechen
die Pflege der Muttersprache eines einzelnen Volksstammes unter allen Umständen und ohne Rücksicht auf entgegen⸗ stehende staatliche Interessen zu verlangen. Et geht dies klar hervor aus dem beachtenswerten Breve, welches der Papst Leo XIII. unter dem 20. Juli 1901 an die böhmischen und mährischen Bischöfe be⸗ züglich der Sprachenfrage gerichtet hat. Eo wich dort mit Recht ausgeführt, daß es an sich niemandem verwehrt sei, accçeptam a proavis linguam amare tuerique velle. Dann fährt der Papst aber fort: quod tamen de cetoris privatorum juribus valet, valere hic etiam tuendum ost, no quid ez eorum prosecutione communis rel publicae utilitas patiatur. (Sehr richtig! bei den Polen.) Pat heißt, en bürfe kas Allgemeinwohl darunter nicht leiden. 7ch kann Pbrigenz noch eine speziellere päpstliche Kundmachung des jetzigen Pawsten bafbr anfühten, daß die an unsern Volksschulen bestehenbe Regelang bes Relizionz⸗ unterrichts den kirchlichen Vorschriften burchaus Genhoe leistet.
Unter dem 15. April 1905 hat der Paust Pius X. eine Enzyklika: Acerbo nimis erlassen, durch welche hie Erteilung eiaes eingehenden kirchlichen Religionsunterrichts sie ie Jupenb und die Einführung einer besonderen nngreogatio docwtrinze christianae zur Unterstützung des Pfarrklerus bei bieser Arigabe vot⸗ geschrieben wurde. Gegen die Ausdehnung der Vorschriften bieser Enzyklika auf Preußen haben die Bischöfe Preußens in Uebetein⸗ stimmung mit dem Erzbischof von Freiburg und tem Bischof von Mainz bei der Kurie Einspruch erhoben mit der Begründung, daß in Preußen für die religiöse Unterweisung der Jugend durch Kirche und Schule hinreichend gesorgt sei, und deshalb für die Einführung einer besonderen congregatio doctrinae christianae kein Bedürfnis vorliege. Der Papst hat dem Antrage der Bischöfe entsprochen und durch Schreiben vom 21. August 1905 diese benachrichtigen lassen, daß durch die in Preußen bestehenden Einrichtungen, postulatis quorum mentio ac jussio in enclyclicis litteris acerbo nimis habetur, schon vollauf genügt werde.
Daß in der Tat die katholische Kirche selbst bei der Unterweisung der Kinder keineswegs immer deren Mutteesprache, vielmehr auch jede andere, den Kindern verständliche Sprache benutzt, können Sie im übrigen, wie dies schon der Herr Abg. von Heydebrand bemerkt hat, aus der Praxis der Kirche in Irland und in der Bretagne ersehen. Wie in der beachtenswerten Broschüre des Geheimrats Zimmer, des bekannten Keltisten an der hiesigen Universität, „Randglossen eines Keltisten zum Schulstreik in Posen⸗Westpreußen und zur Ost⸗ markenfrage“ ausführlich dargelegt wird, erteilt der irische Klerus durchweg und der bretonische ganz überwiegend den Religions⸗ unterricht in englischer bezw. in französischer Sprache auch in solchen Gegenden Irlands und der Bretagne, wo die keltische Sprache als Volkssprache vorherrscht. Wie bekannt, wird auch in den Klosterschulen in den vlämischen Provinzen Belgiens der Religions⸗ unterricht in großem Maßstabe in französischer Sprache erteilt. Ebenso haben die katholischen Orden, namentlich die weiblichen Kon⸗ gregationen zur Zeit des dritten Kaiserreichs, in den deutschen Kreisen des Elsaß mit Vorliebe den Religionsunterricht an die kleinen Kinder in französischer Sprache erteilt. In einem Rundschreiben des Präfekten des Niederrheins an die Unterpräfekten vom 28. Oktober 1859 wird deswegen die Eröffnung von Kinderbewahr⸗ anstalten durch Ordensgenossenschaften als vorzügliches Mittel zur Ausbreitung der Kenntnis der französischen Sprache empfohlen, von Kinderbewahranstalten, oul tout cedit en français de maniòre que l'enfant est initié à cette langue avec des idées et des conceptions entiérement nouvelles, qui se fondent dans son jeune esprit.
Endlich bietet aber ein schlagendes Beispiel dafür, daß es unmöglich ein ausnahmloser Grundsatz der katholischen Kirche sein kann, den Religionsunterricht den Kindern nur in deren Muttersprache zu erteilen, das Verhalten der polnischen Geistlichen selbst.
Nicht nur von mir, sondern auch von meinen Amtsvorgängern namentlich von den Herren von Goßler und Bosse, ist in diesem hohen Hause wiederholt darauf hingewiesen worden, in welchem Maße die polnische Geistlichkeit in den Erzdiözesen Gnesen und Posen mit Hilfe des polnischen Beicht⸗ und Kommunionunterrichts von Hause aus deutsche katholische Kinder polonisiert hat. (Hört, hört! rechts.) Daß diese Behauptung zutrifft, dafür kann ich zunächst mich im allgemeinen auf eine Aeußerung des Herrn Abg. von Jasd⸗ zewski am 8. März 1900 berufen, der als Grund für die ungenügende Seelsorge der deutschen Katholiken ganz offen zugab, daß es in den Diaͤzesen Gnesen und Posen wenigstens 50 % katholische Geistliche gebe, die nicht deutsch predigen können. Wenn aber jemand nicht einmal eine deutsche Predigt ausarbeiten kann, kann er selbstverständlich noch viel weniger in deutscher Sprache Religionsunterricht erteilen. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Er ist daher ohne weiteres gezwungen, auch im Beicht⸗ und Kommunionunterricht die polnische Sprache anzuwenden ohne Rücksicht darauf, ob sich unter seinen Beichtkindern solche deutscher Muttersprache befinden. (Sehr wahr! rechts.) Nun leben, wie bekannt, in der Provinz Posen annähernd 150 000 deutsche Katboliken, die keineswegs auf einige wenige größere Städte zusammengedrängt sind, sondern verstreut in der ganzen Provinz wohnen. Es wird nur eine geringe Zahl von Kirchengemeinden geben, zu denen nicht auch einzelne deutsche Katholiken gehören. Nach der von dem Herrn Abg. von Jazdzewski selbst zugegebenen mangelnden Kenntnis der polnischen Geistlichen in der deutschen Sprache müssen daher notwendig eine ganze Reihe deutscher Kinder polnischen Beicht“ und Kommunion⸗ unterricht erhalten. Daß dies tatsächlich der Fall ist, könnte ich Ihnen an einer großen Anzahl amtlich festgestellter Beispiele beweisen. (Hört, hört! rechts und bei den Nationalliberalen.)
Meine Herren, zum Schluß muß ich sagen, daß der Herr Abg. von Jazdzewski heute wiederum eine lediglich vom Standpunkt der besonderen Verhältnisse in der Eridiözese Posen⸗Gnesen von ihm be⸗ gründete, vom Staat aber als unerfüllbar bezeichnete Forderung auf⸗ gestellt hat. Daß wir diese Forderung nicht erfüllen, das ist ganz er⸗ klärlich; die Schuld liegt nicht auf unserer Seite. (Lachen hei den Polen.) Ein mit unerlaubten, verwerflichen Mitteln unter Verletzung der elementarsten pädagogischen Rücksichten und der elementarsten Rück⸗ sicht auf Schulordnung, auf staatliche Autorität begonnener Streik kann unmöglich von uns mit Konzessionen beantwortet werden. (Sehr richtig! Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen.)
Abg. Dr. Friedberg (nl.): Die Herren Polen schelnen heute ihren großen He Tag haben zu wollen, aber sie werden dabei nicht auf ihre Rechnung kommen. Es ist ihr besonderes Miß⸗ geschick, daß sie Herrn Stychel haben vorangehen lassen, der durch die ganze Art seines Vortrages, durch seine Uebertreibungen durch sein Pathos einer nüchternen Beurteilung der Frage entgegengearbeitet hat und auch keine Wiekung bei denen haben wird, die seine Argumente vielleicht annehmen würden. Er tat auch nicht klug daran, aus der Schule zu plaudern, als er
davon sprach, daß es sich bei dem Schulstreik um Abwehrmaßregeln
gehandelt habe. Damit hat er ausdrücklich zugegeben, daß hauptsäch⸗
sch politische Motive zu dem Schulstreik geführt haben, und die
Ich frage Sie:
wenn man die
ethischen Motive sekundärer Natur gewesen sind. kann es ein ethisches Motiv überhaupt sein, armen, unglücklichen Kinder vor den Agitation spannt? kann ich dem Kultusminister nur beistimmen. Tat eigentümlich, daß die katholische Kirche gemischtsprachigen Ländern nicht auf Ausübung unterrichts in der Muttersprache bestanden hat. sich die Polen auch sehr spät auf dieses religiöse besonnen, denn die betreffende Verordnung stammt Jahre 1873, und jetzt erst ist es den Polen eingefallen, armen Kinder in den Schulstreik hineinzutreiben. Argument ist nicht recht ernst zu nehmen. Wir,
des
die die
zu vertreten, wohin käme die seiner Muttersprache ablegte! katholischer Priester müsse diese Dinge besser verstehen.
Instanzen in Rundschau“
der katholischen Kirche zu. 1t entnehme ich, daß ein polnisches Kind in
wenn es deutsch spräche. Herrn Stychel viel eher am Platze.
und Westpreußen erst sein! Nun ist gesagt worden, daß die Lehrer gar keine Rücksicht nehmen auf solche Kinder, die nur polnisch sprechen können und erst in die Schule aufgenommen werden. Das bestreite ich nach den Aufklärungen, die uns in der Kommission gegeben worden sind. Es wäre vollkommen sinnlos, wenn solche Kinder nur deutsch angesprochen würden. (Erneute Zurufe von den Polen: Das ist falsch! nicht wahr!) Warum sollen denn Ihre (zu den Polen) Behauptungen richtiger sein als meine? Sind Sie Kreisschulinspektor, Herr
Korfanty? Es wird bei uns so rücksichtsvoll verfahren, wie in allen anderen gemischtsprachigen Ländern auch. Zum Beweise dessen, wie not⸗
wendig für die polnischen Kinder die Kenntnis des Deutschen ist, verweise
ich auf Graubünden, wo man aus freiem Entschluß dazu gekommen ist, für den Schulunterricht das Deutsche einzuführen, auch für den Religionsunterricht, weil man der Meinung war, daß jeder N⸗
e Erteilung des Religionsunterrichts in der Muttersprache würde auch zu
möglichst eine der großen Kultursprachen beherrschen muß.
einer vollkommenen Polonisierung führen; das ist ein geschickter Trick
von Ihnen, Sie wollen den Religionsunterricht als Hintertür benutzen.
Herr von Jazdzewski hat nun auch von pädagogischen Grundsätzen ge
sprochen, denn er ist viel zu klug, seine nationalpolnischen Motive zuzugeben.
Aber mit den pädagogischen Grundsätzen ist es wie mit den religiösen.
Es köanen auch ausgezeichnete Schulerfolge erzielt werden, wenn man sich bei dem Unterricht nicht der Sprache bedient, die man sonst
gewohnt ist. Man hat von Tendenzen in der Familie gesprochen, die man unterstützen müsse, oder denen man entgegentreten müsse. meinen, daß die Schule eine Veranstaltung des Staates ist, und
daß nach den Lehrplänen der Schule ohne Rücksicht auf Tendenzen,
Wagen der großpolnischen In betreff der angeblichen religiösen Motive
ist bisher in anderen Religions⸗ Uebrigens haben Motiv aus dem
Herr von Jazdzewski hat erklärt, er als Wie kann ein einzelner Pfarrer sich als Vertreter der katholischen Kirche hinstellen, das steht doch nur den Bischöfen oder noch höheren Aus der „Katholischen d in West⸗ falen seinem Lehrer sagen mußte, daß sein Vater es zu Hause schlüge, arüber wäre doch die Entrüstung des Wenn solche Dinge schon in Westfalen vorkommen, wie groß mag dann die Verhetzung in Posen
Das ist
ir
Also dieses wir die Ehre haben, diese Fragen vom Standpunkt der Erhaltung des Staates müssen fragen, wohin solche Ansprüche führen sollen;
üstiz, wenn jeder verlangte, daß er den Eid nur in
die sich geltend machen können, der Unterricht erteilt wird. Erzwingen
lassen sich solche Verhältnisse in den Familien doch nicht, denn das Gewalt; er muß aber Staatsbürger heranziehen, die imstande sind, wirtschaftlich und politisch Bürger Die preußische Regierung muß in ihrer
hat der Staat nicht in der
ihres Vaterlandes zu werden. Haltung fest bleiben. Ich kann ihr die Anerkennung nicht versagen, daß sie fest, aber auch außerordentlich maßvoll gewesen
sage den deutschen Lehrern in Posen und Westpreußen den herzlichsten Dank dafür.
1- Gegenüber der von polnischer Seite geübten ungeheuren Verhetzung haben sich die Lehrer im Osten mit vielem Takt benommen, und ich
Ich gebe zu, daß die Maßregel der Relegierung von
Schülern höherer Lehranstalten, deren Geschwister in den Volksschulen
am Schulstreik teilgenommen haben, hart erscheint, aber wir befinden
uns in einem Kriege, der uns aufgedrängt worden ist. Der Kultusminister
hat auch in Aussicht gestellt, daß solche Maßregeln sofort zurückgenommen
werden, wenn die Beteiligung der Geschwister am Schulstreik aufhört,
und das soll auch schon geschehen sein.
Herr Stychel hat gesagt, die
Haltung der polnischen Kinder im Schulstreik habe die Bewunderung
der ganzen Welt erregt. scheinungen gegenüber einem Gefühle Ausdruck geben will, so dürfte es nur das des Mitleids mit den armen verführten Kindern sein. Zu meiner Genugtuung sagte Herr Stychel nicht, daß auch die Eltern Bewunderung erregt hätten. Ich meine auch,
Wenn die ausländische Presse diesen Er⸗
daß deren
Harteng ganz andere Gefühle erregen müßte, denen ich hier nicht Ausdruck geben will. Das Herz der Kinder wird in einer Weise ver⸗
giftet, die nicht wieder gut zu machen ist. Die seitens der polnischen Abgeordneten beliebten Uebertreibungen wegen des „Barbarismus haben ja auch lebhaften Widerhall in Galizien gefunden, wo der dortig Landesmarschall die Kühnheit besaß, eine Erklärung wegen Behandlung der Polen in Preußen abzugeben.
der Das ist eine Kühnheit
gewesen, denn die Polen in Galizien hätten Ursache, über ganz andere
Dinge entrüstet zu sein.
Ritter von Jaroschky im österreichischen Reichsrat den
Am 21. Dezember 1906 hat der Abg. dortigen
Kultusminister wegen der Behandlung der Ruthenen in Galizien
interpelliert. Er hat dabei mitgeteilt, daß ein polnischer Lehrer den Kindern verboten hat, daß er den ruthenischen Kindern ihre Muttersprache als Umgangs⸗ sprache verboten hat, und daß er zuletzt eigenmächtig haupt die ruthenische Sprache im Schulunterricht aufhob. Die Eltern beschwerten sich, und der Statthalter versprach eine Unter⸗ suchung. Es erfolgte dann der Bescheid seitens des K. K. Be⸗
in die ruthenische Kirche zu gehen,
über·
zirkshauptmanns, daß der Lehrer einer der hervorragendsten Schul⸗
mäaner seines Bezirkes sei, und Beschwerden gegen ihn unzulässt
seien. Ich frage Sie, hat man jemals in Preußen gehört, daß
es polnischen Kindern verboten ist, in die Kirche zu gehen? Können Sie nachweisen, daß Kinder nicht zum
zugelassen worden sind?
d polnischen Gottesdienst (Der Redner verliest noch mehrere Fälle
aus der österreichischen Interpellation, nach denen in Galizien eine Unterdrückung der ruthenischen Sprache, besonders im Religionsunter⸗ richt, stattgefunden habe.) Die große tragische Maske, unter der die polnischen Redner auftreten, haben wir keine Veranlassung tragisch zu
nehmen. Der preußische Staat hat ein gutes Gewissen, die Schul⸗
verwaltung hat ihre Pflicht nach allen Richtungen getan, sie ist fest
und maßvoll geblieben.
Ich hoffe, daß sie auf diesem Wege bleiben
wird; sie wird dabei die Unterstützung der Mehrheit dieses Hauses
haben.
voraus, daß die in den „Preußischen Jahrbüchern“ von meinem Freunde Delbrück vertretene Auffassung nicht von der Mehrheit meiner Freunde geteilt wird. Der polnische Schulstreik hat drei Ziele gehabt Zunächst hat man das Mittel des Schulstreiks in Preußen erproden wollen,
Abg. Freiber⸗ von Zedlitz und Neukirch (freikons.): Ich schick⸗ aß
es sollte eine Kraftprobe gemacht werden; sodann ist zweifellot
bezweckt worden, durch den Schulstreik den Teil der völkerung zu den polnischen Bestrebungen heranzuzteden, der wie namentlich die bäuerliche Bevölkerung, dieder zu der pelrischen Bewegung kühl verhalten hat; es sollte eine Generalrrede sir der Straz⸗ und Sokolvereine, eine Prode der Vellständigkeit und K
der polnischen Organisation gemacht werden. Seite des Schalstreiks eine ganz untergeerdnete Nele
—— .
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nur den Deckmantel gebildet für die pelttsschen Medede and Swand⸗
Be.