nehmen, daß die Unterrichtsverwaltung die Hand, die dies Haus ihr 1 8 um solchen Fortschritt in nächster Zeit in kräftiger und energischer Weise zu machen, nun ihrerseits mit schöpferischer Kraft und schöpferischem Willen ergriffen hätte. Ich habe schon bei der Beratung des Etats des Ministeriums des Innern hervor. gehoben, daß der Gedanke immer mehr Platz greift, ob es sich nicht empfiehlt, die Unterrichtsverwaltung aus dem Kultusministerium aus⸗ zusondern und sie zu einem besonderen Ministerium auszugestalten. Diese Stellung der Unterrichtsverwaltung gegenüber dem Antrag hat mich in der Ueberzeugung bestärkt, daß auf die Dauer die Lösung der großen Aufgabe, welche unserer Unterrichtsverwaltung⸗ gestellt ist, nicht gelingen wird, wenn die Unterrichtsverwaltung in der Ministerial⸗ instanz im Nebenamt von dem Minister für Kultus, und Medizinal⸗ wesen wahrgenommen wird, sondern daß die Unterrichtsverwaltung im Hauptamt wird wahrgenommen werden müssen durch einen eigenen Minister, der seine ganze Kraft darauf verwendet, und daß dieser in dem Sinne, wie wir zum Landwirtschaftsminister, zum Kriegsminister und zum Justizminister einen Fachmann haben, naturgemäß ein Mann wird sein müssen, der nach allen Richtungen praktisch und theoretisch mit dem Unterrichtswesen, mit der Bildung unseres Volkes in engem Zusammenhange steht. Wie dem aber auch sein mag, so scheint mir aus dem ganzen Verhalten der Unterrichtsverwaltung im vorliegenden Falle hervorzugehen, daß wischen den großen Aufgaben und der Fähigkeit, sie iu bewältigen, der Unterrichtsverwaltung ein starkes Mißverhältnis be⸗ steht, das möglichst bald beseitigt 1 anders wir nicht Gefahr laufen wollen, daß wir mit der Lösung der Kulturaufgaben ins Hintertreffen kommen. Aber das darf keinesfalls die Landesvertretung gestatten, sie muß ihrerseits mit allen Kräften dahin wirken, daß wir auf diesem Gebiete fortschreiten, energisch fortschreiten zu dem Ziele, das uns gesteckt ist, und daß wir nicht wegen eines Defizits fähigkeit der Unterrichtsverwaltung mitten . stecken bleiben. Unser Abgeordnetenhaus hat, abgesehen von der der Landesvertretung obliegenden Verpflichtung, noch ein ganz besonderes Interesse, darüber zu wachen, daß die Kulturaufgaben, namentlich die Kulturaufgoben, die bezwecken, die große Masse des Volkes zu fördern und zu heben, mehr denn je in Preußen ge⸗ fördert werden. Man wirft uns vor, ein Klassenparlament, ein Geldsackvarlament zu sein; wir haben die dringende Aufgabe, den Beweis zu liefern, daß wir trotzdem die Kulturaufgaben, die uns gestellt sind, die Fürsorge für die Erziehung und Bildung der großen Masse des Volkes, mit aller Kraft und Energie pflegen und fördern wollen, und deshalb müssen wir nach dieser Richtung Stellung nehmen gegenüber der Unterrichtsverwaltung. Wenn ich Sie auffordere und bitte, für den Antrag, auch wenn Sie nach manchen Rich⸗ tungen Bedenken haben, zu stimmen, so geschieht es in der Hoffnung und Erwartung, daß das Haus sich stark machen wird, nach allen Richtungen die Unterrichtsverwaltung zu drängen und zu treiben zur Lösung der großen Aufgaben, die uns auf dem Gebiete der Schule erwachsen, und dafür zu sorgen, daß die preußische Schule wiederum vorbildlich wird nicht bloß für Deutschland, sondern für die ganze Welt.
Ministerialdirektor D. Schwartzkopff: Der Minister hat mich beauftragt, einige Aeußerungen in der Debatte richtig zu stellen. Der Abg. Funck meinte, daß der Erlaß des Kultusministers v. Goßler, wonach bei der Besetzung der Kreisschulinspektionen auch Seminar⸗ und Mittelsckullehrer hedacht werden sollen, in der Praxis nicht mehr be⸗ achtet würde, und bezieht sich auf die Zustände in Hessen⸗Nassau. In der Presse hat dieselbe Anschuldigung gestenden. Sie beruhtaber auf einem totalen Irrtum in bezug auf die tatsächlichen Vorgänge. In Hessen⸗ Nassau gab es die sogenannten Realschulen, von denen zweifelhaft war, ob sie als Volksschulen, Mittelschulen oder Realschulen anzusehen seien. Diese Schulen unterstanden früber dem sogenannten Rektor, der mit der Kreisschulinspektion für jede einzelne Schule betraut war. Er war also gar nicht eigentlich Kreisschulinspektor, sondern übte die Aufsichts⸗ funktion für jede einzelne Schule. Schon vor langer Zeit kam in der Zentralinstanz zur Sprache, daß in dem Zentralblatt und den amtlichen Nachweisungen diese Rektoren in der Liste der Kreisschulinspektoren geführt wurden, und es wurde angeordnet, daß bei der Stellen sie aus der Liste der Kreisschulinspektoren im Zentralblatt ge⸗ trichen werden sollen. Den Titel Kreisschulinspektor hat man den Herren nicht nehmen wollen, aber sie sind allmählich aus der Liste der Kreisschulinspektoren verschwunden. Diese Feststellung wird Herrn Funck beruhigen. Jedenfalls besteht keine Tendenz, die Theologen zu bevorzugen. Es ist eine ganz irrige Behauptung, daß irgend ein Mangel an Zudrang zum Lehrerberuf vorliegt. Im letzten Jahre hatten wir bei 7500 Stellen ein Angebot von 10 (00 Bewerbungen; 22 % mußten zurückgewiesen werden. Trotzdem behaupten die Herren in jedem Jahre wieder, der Lehrermangel entstehe durch schlechte Gehälter und durch die geistliche Schulaufsicht. Die Schaffung von Lehrerbildungsanstalten st der einzige Ausweg. Deshalb hat der jetzige Kultusminister mit größter Energie die Zahl derselben in den sieben Jahren seiner Verwaltung auf 156 gesteigert. Zudem hat das kolossale Anwachsen der Großstädte und Industriezentren die Verhältnisse vollkom men verschoben. 56 Lehrer haben sich z. B. allein nach der Stadt Hamburg ewandt; das ist die jährliche Produktion von zwei preußischen Semi⸗ naren. Ende 1873 gab es von 48 000 Schulstellen in Preußen 4,5 % unbesetzte, 1877 unter der Verwaltung des Ministers Falk von 55 000 Schulstellen 3800 unkesetzte, das sind 7 %, 1881 waren es wieder nur 4 % und 1906 bei 86 000 Schulstellen unbesetzt rund 35 %. Der Lehrermangel ist also prozentual zurückgegangen infolge der dankenswerten Tätigkeit des jetzigen Kultusministers. Der Abg. von Zedlitz wendet sich mit seiner Kritik des Forthildunesschul⸗ wesens an eine ganz falsche Adresse. Niemand ist so sehr von der Notwendigkeit der Entwicklung dieses Zweiges unserer Kultur überzeugt wie gerade der gegenmärtige Unterrichtsminister. Der Fort⸗ bildungsunterricht untersteht aber größtenteils dem Handelsminister und dem Landwirtschaftsminister, und es sind in ihm in den letzten Jahren sehr gute Fortschritte erzielt worden. Herr von Zedlitz hat die gestrigen Ausführungen des Ministers total mißveistanden. Dieser hat nicht gesagt, die Frage der Schulaufsicht solle ad Kalendas Graecas vpertagt werden, sondern nur, daß jetzt, wo das Schulunter⸗ haltungegesetz zur Ausführung zu bringen sei, wan richt plötzlich den⸗ selben Baamten noch weitere Aufgaben zumuten könne, weil das eine große Unsicherheit in all⸗ Verhältnisse hineintragen würde. Sobald das Schulgesetz durchgeführt ist, wird zu der Schulaufsicht Stellung genommen. Die weiteren Ausführungen des Herrn von Zedlitz fallen damit ganz von selbst zusammen.
Abg. Ernst (frs. Vag.) scheint unter großer Unruhe des Hauses zu erklären, daß er nach den Ausführungen der Herren Schiffer und Freiherr von Zedlitz auf das Wort verzichten könne.
Ninister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. von Studt: Der Herr Abg. Frhr. von Zedlitz hat sich bestimmt gefunden, mich auf die verdammte Pflicht und Schuldigkeit der Staatsregterung hin⸗ zuweisen. Eines derartigen Hinweises bedarf es nicht, und ich lehne ihn, namentlich in der Form, ab, in der er geschehen ist. Ich sühle mich veranlaßt, hier vor dem Hause und dem Lande einmal Rechen⸗ schaft von meiner bisherigen Tätiskeit abzulegen. Sie wollen daraus entnehmen, daß die Urteile, die eben noch von Herrn Frhrn. von Zedlitz gefällt worden sind, mindestens auf einer sehr einseitigen Darlegung beruhen.
Meine Herren, als ich am 2. September 1899 das Amt über⸗ nahm, war ich nicht im Zweifel darüber, daß nicht bloß eine Aufgabe von schwerster Verantwortlichkeit, sondern auch von zu großem Um⸗ fange auf meine Schultern gelegt würde. Die Bedenken, die mir in dieser Beziehung erwuchsen, habe ich vielfach geltend gemacht; ich war nachher einigermaßen beruhigt durch die Erwägung, daß mir eine langjährige praktische Erfahrung auf einem der schwierigsten Gebiete meines Ressorts, Eiihtüelth der Schulverwaltung, zur Seite stand.
werden muß, wenn
auf dem Wege
in der Leistungs⸗
Seit 1867, also seit beinahe 40 Jahren, habe ich Gelegenheit gehabt, mich gerade den Aufgaben der Volksschule als Land⸗ rat widmenezu können. Ich habe bei jeder Veranlassung die Schulen angesehen und jahrelang für die Hebung des Volksschulwesens in meinem Kreise so viel getan, daß unter anderem zur Zeit den Herrn Ministers Falke im Jahre 1872 mir die schwierige Aufgabe über⸗ trug, in mehreren Kreisen der Provinz Posen Volksschulen zu be⸗ sichtigen, um Anhaltspunkte für die Ausführung des Schulaufsichts⸗ gesetzes vom 11. März 1872 zu gewinnen.
Nun aber weiter! Ich war Mitglied bezw. Leiter der Provinzial⸗ schulkollegien in Königsberg und Münster; ich habe eine lange Reihe von Jahren hindurch mich dort aufgehalten, um die Revision von zahlreichen Unterrichtsanstalten der verschiedensten Kategorien auszuführen. Einige Erfahrungen stehen mir hiernach zur Seite, und ich glaube auch, ohne in Ruhmredigkeit verfallen zu wollen, daß die Tätigkeit, die ich in den Provinzialschulkollegien entwickelt habe, von Erfolg begleitet gewesen ist.
Nun aber, meine Herren, in häufig übermäßigen Anstrengungen habe ich jahraus, jahrein neben den großen Aufgaben der äußeren Repräsentation, die gerade im Laufe der Zeit dem Kultusminister in erhöhtem Maße oblagen, der zahlreichen Kongresse, der Beziehungen zum Auslande und der Eröffnung neuer, in großer Zahl während meiner Amtszeit gegründeten Anstalten, mich den umfassenden inneren Aufgaben meines Ressorts gewidmet. Sie wollen mir gestatten, Ihnen hierüber eine kurze Darlegung zu geben, die teilweise auch aus den Gesetzen und Verordnungen der Gesetzsammlung ent⸗ nommen werden kann.
Als ich mein Amt übernahm, war ich mir zunächst darüber klar, daß der zweifellos vorhandene Lehrermangel, auf den ich, soweit mein früherer Amtsbereich mir Veranlassung dazu bot, in der Zentralftelle wiederholt aufmerksam gemacht hatte, den Ausgangspunkt der allergrößten Uebelstände auf dem Gebiete des Volksschulwesens bilden würde. Diese Befürchtung ist leider infolge der von dem Herrn Ministerialdirektor vorher schon hervorgehobenen Verschiebung der Bevölkerung und sonstiger Schwierigkeiten, namentlich auch als Folge der Anhäufung großer Volks⸗ und Arbeitermassen in den Industriegebieten, in stetig steigendem Maße eingetroffen. Jetzt werde
ich leider wiederholt für den Lehrermangel verantwortlich gemacht.
Ich habe vom ersten Augenblick an und unter Ueberwindung der aller⸗ größten Schwierigkeiten immer betont, daß es unerläßlich sei, die bis⸗ herige Praxis fallen zu lassen. Erst nach zwei Jahren, im Jahre 1901, ist es mir gelungen, endlich mit größeren Anträgen an das Abgeordneten⸗ haus fortgesetzt herantreten zu können. Ich übergehe die schwierigen Verhandlungen, die ich habe führen müssen, um dieses Prinzip zu dauernder Geltung zu bringen.
Aber gleichzeitig mit dieser Schwierigkeit erwuchs die weitere, daß der Verabschiedung des Gesetzes über die Fürsorge für die Witwen und Waisen der Volksschullehrer fast unüberwindliche Hindernisse entgegen⸗ standen. Das Gesetz war von beiden Häusern des Landtags beschlossen. Es wurden aber so grundsätzliche Bedenken geltend gemacht, daß ich beinahe darauf verzichten mußte, die Verabschiedung dieses für die Lehrer so wichtigen und notwendigen Gesetzes zu erreichen. Es ist mir dies nach dreimonatigem Bemühen endlich gelungen.
Dann folgt für das Jahr 1900 eine große Ausgestaltung der evangelischen Landeskirche in Hannover, die Bildung von Gesamt⸗ verbänden usw. Das liegt auf kirchlichem Gebiete. Es ist aber her⸗ vorzuheben, daß gerade die damaligen Organisationsgesetze für die Landeskirche in Hannover nicht bloß sachlich, sondern auch politisch eine recht schwierige Aufgabe boten, die glücklich gelöst worden ist.
Daran schließt sich im November 1900 die Neuordnung des ge⸗ samten höheren Schulwesens, der Gymnasien, Realgymnasien und Oberrealschulen. Ich hatte aus meinen früheren Erfahrungen die Ueberzeugung gewonnen, daß ein Schulfriede zwischen diesen ver⸗ schiedenen Kategorien der höheren Unterrichtsanstalten hergestellt werden müßte. Es ist dies über Erwarten gelungen, denn die Aller⸗ höchste Order vom 19. November 1900 hat sich segensreich bewährt; die in der Zwischenzeit gemachten Erfahrungen bestätigen, daß nicht nur der Schulfrieden gesichert, sondern auch unser höheres Schulwesen eine bessere Ausgestaltung erfahren hat.
Zugleich habe ich eine Neuordnung der Lehrpläne für die Lehrer⸗ seminare in die Hand genommen und unter Mitwirkung des Herrn Ministerialdirektors Kügler den Abschluß dieser wichtigen Aufgabe herbeigeführt. Mir ist auch von der linken Seite dieses hohen Hauses nach Inkrafttreten dieser Neuordnung dafür besonders gedankt worden, daß sie den weitgehenden Forderungen der Lehrer gerecht geworden ist.
Im Jahre 1902 hat dann auch wieder in der evangelischen Landeskirche eine Neuordnung, beispiels weise für Frankfurt a. M. sowie für die Konsistorien in Hannover durchgeführt werden können.
Zugleich ist die einheitliche Rechtschreibung, eine einheitliche deutsche Orthographie von der Memel bis an den Fuß der Alpen, hergestellt worden, ein Ergebnis, wie es noch niemals erzielt worden ist. Sie ist nicht nur für den preußischen Staat, sondern auch für die übrigen Bestandteile des deutschen Sprachgebiets durchgeführt. Es war nicht so einfach, eine Zahl von etwa 30 Landesregierungen unter einen Hut zu bringen. Es ist außerdem die österreichische Monarchie und die Schweiz diesem Uebcreinkommen beigetreten, und die Folge daron ist, daß wir endlich das erreicht haben, was uns seit mehr als 100 Jahren fehlte: eine einheitliche Rechtschreibung, welche die bis dahin bestandene Verwirrung endlich beseitigt hat.
Ich habe außerdem einen allgemeinen Lehrplan für den Zeichen⸗ unterricht durchgesetzt, etwas, was als dringend notwendig erkannt und Jahre lang unterblieben war. Und endlich, was mir große Schwierig⸗ keiten bereitet hat, von denen das Haus wiederholt Zeuge gewesen ist, die Neuordnung der Gehälter der Gymnasiallehrer.
Es sind ferner eine Anzahl von Akademien sowie von Handels⸗ hochschulen und ärztlichen Fortbildungsanstalten eingerichtet worden. Ferner bietet das Gesetz, betr. die Erhebung der Kirchensteuern in der evangelischen Landeskirche, konform mit dem Gesetz für die katholische Kirche, Ihnen den Beweis, daß auch auf diesem wichtigen Gebiete eine Materie, die lange Jahre der Lösung wartete, zum Segen der beteiligten Kirchengemeinschaften und, wie ich glaube nicht in letzter Reihe, zur Förderung des konfesstonellen Friedens zum Abschluß ge⸗ bracht worden ist.
Im Jahre 1905 folgte das Gesetz, betreffend die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten. Dasselbe war, da die inzwischen veralteten Bestimmungen der Verordnung von 1835 ersetzt werden mußten, vom
Standpunkte der Wissenschaft und Praxis als eine wahre Erlösung
begrüßt worden. Mit welchen Schwierigkeiten dabei iu kämpfen war ist Ihnen bekannt. Dem sind weitere Organisationsgesetze für kath . lische Diözesanbedürfnisse usw. sowie eine große Reihe von Ausführungz⸗ gesetzen und Bestimmungen 1906 zum Abschluß gelangt; zum Schlusse das neue Volksschulunterhaltungsgesetz, welches seit 89 Jahren an⸗ gestrebt, dank Ihrer Mithilfe im vorigen Jahre endlich zustande ge⸗ kommen ist.
Sie mögen hiernach meine Tätigkeit beurteilen, wie Sie wollen so wird auf der anderen Seite doch anzuerkennen sein, daß dasß Ministerium, welches mir anvertraut ist, in den 7 Jahren eine treue und erfolgreiche Arbeit geleistet hat (Bravoy! im Zentrum und beij den Konservativen), und zwar eine Arbeit, die auch, wie ich glaube, nicht nur den Ansichten der konservativen und Zentrumspartei, sondern auch einem großen Teil der übrigen Parteien durchaus entsprochen hat. (Na, na! links.) Es sind doch mit Ihrer Zustimmung — auch von der linken Seite dieses Hauses — eine Menge derartiger Gesetze und Verordnungen zustande gekommen, und ich habe wenigstens bei den zahl⸗ losen Anfeindungen, die mir sonst zuteil werden, vielfach auch auf jener Seite die Anerkennung erfahren können, daß in bezug auf die finanzielle Ausgestaltung meines Ressorts sehr viel erreicht worden ist; ich brauche nur auf die Zahl des gegenwärtigen Etats mit über 200 Millionen hinzuweisen.
So sieht die Tätigkeit aus, die ich geleistet habe. Meine Schwächen kenne ich genau; aber das muß ich für mein Ministerium und für die treue Arbeit meiner Räte in Anspruch nehmen, daß diese 7 Jahre nicht vergeblich gewesen sind; im Gegenteil, wir haben einen Erfolg erzielt auf vielen Gebieten, der früher in jahrelangen An⸗ strengungen nicht zu erreichen war. (Bravo! im Zentrum und bei den Konservativen.)
Nun möchte ich Herrn von Zedlitz erwidern — ich habe den letzten Ausführungen meines Herrn Kommissars nicht durchweg bei⸗ wohnen können —, daß die Schlußfolgerungen, die er aus meiner gestrigen Erklärung gezogen hat, wie es scheint, auf etwas einseitig ge⸗ färbten parlamentarischen Berichten beruhen müssen. Ich bitte ihn⸗ den Wortlaut meiner Erklärung durchzulesen; er wird finden, daß ich im Tenor genau mit seinen Wünschen übereinstimme, und zwar damit, daß, wenn die Erfahrungen mit dem Volksschul⸗ unterhaltungsgesetz, die er selbst als notwendig bezeichnet hat, abge⸗ schlossen sein werden, dann auch ernstlich an die Aufgabe, die dem Antrage zu Grunde liegt, herangegangen werden wird.
Abg. Schiffer (nl.): Auch die gestrige Antwort des Ministers betraf das nicht, was ich gesagt hatte, und betraf vieles, was ich nicht gesagt hatte. Der Minister hat nicht die Motive des Ges tzes von 1872 erörtert. Ich habe die Anomalie nicht darin gefunden, daß die geistliche Schulaufsicht im Widerspruch mit dem Gesetz stände, sondern im Widerspruch mit den natürlichen Bedürfnissen der Schule. Ich hatte erwartet, daß jetzt, nachdem das Schulunterhaltungsgesetz ver⸗ abschiedet ist, wegen unserer Mitwirkung bei diesem Gesetz unsere Wünsche ernstlich und wohlwollend geprüft würden. Ich bin dabon enttäuscht, daß nicht ein Wort darüber für unsere Tätigkeit gesagt worden ist. Der Minister behauptet, mißverstanden worden zu sein; aber ich habe auch jetzt aus seinen Worten nur herausgehört, daß nach Ausführung des Seaie,. . er die Prüfung der Fragen unseres Antrages in Aussicht stellt. Das Ergebnis seiner gestrigen Erklärung war materiell ein Nichts, vielleicht noch weniger; in dem zweiten Teile seiner Erklärung machte er zwar einige Zugeständnisse, aber wohl mehr aus Entgegenkommen als aus sachlicher Ueberzeugung. Durch die geistliche Schulaufsicht erfolgt eine außerordentliche Unterschätzung des wissenschaftlichen und technischen Gehalts der Erziehung. err Heckenroth sagte, die Kirche wäre zu der Schulaufsicht deshalb geeignet, weil ihr ja selbst die großen erzieherischen Aufgaben zukommen, und weil sie großen Wert auf die Erziehung der Jugend legt. Mit demselben Rechte könnte man auch dem Elternhause das Recht vindizieren, die Schulinspektion auszuüben. Durch den noch so guten Willen des Geistlichen kann das fehlende pädagogische Wissen nicht ersetzt werden; gerade die Geistlichen, die mit ernstem Willen nach der Wahrheit in dieser Sache forschen, lehnen die Schul⸗ aufsicht für sich ab. Daß die Religion Hauptsache und alles andere nur Zutat ist, das wollen wir nicht. Hierüber werden noch Kämpfe einzu⸗ setzen haben, aber unser Antrag kann angenommen werden, ohne die ganzen Fragen aufzurollen. In Hannover habe ich allerdings von unseren weiteren Zielen gesprochen, aber darum handelt es sich jetzt hier nicht. Die allgemeine Herrschaft der Kirche über die Schule um des Religions⸗ unterrichts halber können wir nie anerkennen, sondern werden sie be⸗ kämpfen. Herr Heckenroth spielte auch auf das politische Gebiet an. Wir meinen, daß es nicht möglich ist, im Reiche andere Politik zu treiben als in Preußen, im Reiche liberale Grundsätze anzuerkennen und sie nicht in Preußen durchzuführen. Die Worte des Reichs⸗ kanzlers können sich nicht bloß auf das Reich beziehen, sondern auch auf Preußen. Wo in der inneren Politik kommt aber diese Welt⸗ anschauung zum Ausdruck? Wir haben gerade diesen Punkt heraus⸗ gegriffen und diesen Antrag gestellt, weil wir glauben, so eine neutrale Basis zu finden. Den Konservativen legen wir damit kein Opfer ihrer politischen Ueberzeugung auf. Herr Heckenroth hätte entgegen⸗ kommen können, wenn er sich auf den Boden gestellt hätte, von dem einmal unsere gesamte Politik gemacht werden Es widerspricht den Worten des Reichskanzlers, wenn jetzt die Regierung eine dila⸗ torische Erkläruug geben wird und die Konservativen uns eine runde Absage erteilen. Wir müssen feststellen, daß das Abgeordnetenhaus nicht zurückschreiten, sondern einen Fortschritt machen will. Die Personalunion zwischen dem Reichskanzler und dem preußischee Ministerpräsidenten liegt darin begründet, daß die Politik im Reiche und Preußen eine einheitliche sein muß. Ich fürchte aber, daß die Haltung gegen unseren Antrag im Widerspruch steht nicht nur mit dem Intereässe der Schule, sondern auch mit den allgemeinen Interessen der jetzigen Politik. 3 3
Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.): Die Antwort, wie der Reichskanzler denkt, wird dieser selbst erteilen. Ich spreche für meine Partei nur aus, daß wir es für bedenklich halten, wenn man die Reichspolirik einfach auf unsere preußischen Verhältnisse übertragen will. Die Fragen im Reiche haben mit dieser Frage der Stellung unserer Geistlichen nichts zu tun. Ich habe Bedenken, daß hier eine konkrete Frage so oder so beantwortet werde, weil Cr Reichstage sich eine Parteistellung so oder so ergeben hat. Die ef klärung des Ministers ist der Linken nicht ausreichend, uns schien 841* Erklärung recht weit zu gehen. Wie unser Standpunkt in de Sache ist, hat Herr Heckenroth in klarer Weise ausgesprocher, er wird noch in der Lage sein, gegenüber einem Mißverständan des Herrn von Zedlitz den Sinn in persönlicher Bemerkung klarzuste 8 Eine Verständtgung in dieser Frage könnte möglich sein, aber sie deir erschwert durch die Art des Auftretens des Herrn von Zedlitz. llich solcher Ton gegen einen Minister erscheint uns sehr S. Die Minister stehen in einer Stellung, in der man 1 nicht mit einer solchen Nichtachtung entgegentreten darf. 888 Parteien, die den Antrag gestellt haben, stellen noch nicht ehae, die Mehrheit, sondern nur eine Minderheit dar. Ob v Mehrheit für den Antrag finden, können wir ja abwarten. sehr Herr von Zedlitz diesen Ton weiter anwendet, macht er es g5 8 schwer, Verständigung zu suchen. Ich erkenne an, en bat, Vortreffliches im vorigen Jahre beim Schulgesetz geleiste digen⸗ aber in dieser Tonart können wir uns nicht verständig
(Zwischenrufe bei den Konservativen und links.) Sie werden une. 2
erlauben, auch unsere Meinung zu sagen. Der Minister 1
vorig Feuerkopse⸗
ahre sehr weit entgegengekommen. Wenn lauter solche . 8 Herr von Zedlitz hier wären, wäre ein solches ß nicht zu stande gekommmen wie im vorigen Jahre.
air wünschen, daß der Minister noch lange seines Amtes walten I. Herr von Zedlitz verlangt Dezentralisation der Schulverwaltung b-5 tritt für die Lehrer ein, aber mit dieser seiner Tätigkeit kann man 88 nicht ganz einverstanden sein. Wir erkennen auch die berechtigten ofesche der Lehrer gern an, aber die Art, wie Herr von Zedlitz für 8 Lehrer 1 hiche . 11“ 8g Saß 8 tig! rechts) — Nun, Herr von Zedlitz, es wird ja nicht “ sitzen Sn eeg Stelle Heuf b FAelez sch zeigend). — Dann werde ich sehen, wie es Ihnen gefällt, wenn tsch Figenge n geübt wird, wie Sie sich dem Minister gegenüber waubt haben. Wir Konservativen wollen auch Fortschritte auf dem gebiet der 8 ““ ja blind sein .“ Fittresen der inder, unseres besten gatzes, wenn wir gegen Fortschritte wären. ereh vednde Wö“ ist G ch;. vesgbestieh. des christlichen Lebens unsere olkes möglich. eil wir 19 e- Antrag in seinen ersten Anfängen dazu dienen muß, das Christentum, die Religion und die Kirche in ihrem Einfluß Fickudrängen, ist es uns unmöglich, in diesem Augenblick für den u stimmen. Lntra 7 Dr. Porsch (Zentr.): Der Abg. Funck sagte, die Tendenz des Kultusministeriums gehe dahin, nur die Geistlichen als Schul⸗ inspektoren 8 neee Dex Eöövöö hat darauf “ ifle aber nicht, daß bei dem Uebelwollen gegen uns in einem
di nee n. der gegnerischen Presse es so börgestelt wimd. als ob wir besonderes praktisches Interesse an dieser Frage haben. Deshalb stelle sch fest, daß, wenn von 330 Kreisschulinspektoren im Hauptamt 63 Geistliche find, unnen diesec geischichen “ 9 1 iner oder zwei katholische Geistliche sind. Von 230 Lokalschul⸗ büpettoren sind höchstens 60 bis 70 katholische Geistliche. Die Schlesische Volkszeitung“ bat erst kürzlich festgestellt, wie gering die Zahl der geist⸗ lichee Ortsschulinspektoren in Oberschlesien ist; dort gibt es 110 welt⸗ liche Ortsschulinspektoren. Herr Schiffer hat gesagt, der Antrag solle den Weg weisen zum Fortschritt, er hat diesen Weg aber nicht näher bezeichnet; Herr Funck hat deutlicher gesagt, der Antrag sei ein erster Schritt auf diesem Gebiete. Das macht uns doch begierig, das Schul⸗ programm der Herren kennen zu lernen. Wenn die Herren diesen eisten Schritt tun, wollen wir auch ihr Ziel kennen lernen. Auf das Imühmfttsprogranum 5 Trennung 5 “ inisterium will ich nicht eingehen, i elle aber fest, daß Herr Sbiffer eine Mitwirkung der Kirche in der Schule zugestanden hat. Eine kleine Konzession ist allerdings gemacht beim Schulunterhaltungs⸗ gesetz in der Richtung, daß der Geistliche in der Schuldeputation mitwirkt. 5o dankbar wir diese Konzession anerkannt haben, so ist sie nach inserer Auffassung doch nicht ausreichend. Auch der evangelische dberkirchenrat hat sich 1897 für die Sicherung des Einflusses der seistlichen in der Schule ausgesprochen. Herr Schiffer sagt, das entrum wolle die Herrschaft in der Schule und erkenne die Staatshoheit in der Schule nicht an. Ich bedaure, daß Herr Schiffer unseren 1— Ueberdeu sislegten Sriandpuntf noch nicht kennt. Wir wollen keine Herrschaft uüͤber die Schule, aber die Licche kann nicht abseits stehen, wenn unsere Jugend erzogen wird. Die ee ö “ 88 gefestigt — wenn die 5 an der Erziehung mitwirkt. arum wollen wir eine Mit⸗ wirkung der Kirche, damit die Erziehung eine religiös⸗sittliche ist. Es ist die Qualifikation der Geistlichen zur Schulaufsicht bemängelt worden, mit Unrecht, 8b die 88. “ 8” 9. 8 aufsicht vor; in der özese Breslau z. B. ist es Vorschrift der Kirche, daß die Geistlichen einen sechswöchigen Kursus im staat⸗ lichen Lehrerseminar durchmachen. Herr Schiffer behauptet, daß auch katholische Lehrerkreise die fachmännische Aufsicht wünschen. Ich habe mich hei einem katholischen Volksschullehrer über die Stimmung in den Lehrerkreisen erkundigt, und er schreibt mir, daß es wohl Lehrer geben möge, die diesen Wunsch haben, daß aber auch keiner dieser Herren von den Rechten der Kirche das Geringste aufgeben wolle. Auf einem Lehrerverbandstag ist in einem Referat gesagt worden, daß jede Schul⸗ zufsicht die Erteilung des Religionsunterrichts durch die Kirche und zie Ueberwachung der Erziehung durch die Kirche respektieren müsse. Danach kann sich Herr Schiffer nicht darauf berufen, daß die katholischen ehrerkreise die fachmännische Schulaufsicht verlangten. Herr Schiffer zeutete auch an, daß ein Kampf über die geistliche Ortsschulaufsicht hworstehe. In einem nationalliberalen Blatte hat gestanden, daß in der geistlichen Ortsschulaufsicht eine Hauptquelle der ultramon⸗ imnen Macht liegt. Es ist gesagt, man müsse das Volk mündig nachen. Welche Erfahrungen hat man denn mit der Mündigmachung der Arbeiter gemacht? Auf diesem Wege vird auch die ländliche Bevölkerung der Staatsordnung atfremdet werden. Ich sehe es schon dahin kommen, daß wir bei Vahlen als antinational bezeichnet werden, weil wir an der christ⸗ lchen Volksschule festhalten. Wir bedauern dieses Jonglieren mit dem Begriff „national“ durch die Freisinnigen, die jetzt allerdings zationale Musterknaben geworden sind. Es ist gesagt, der Minister⸗ näsident müsse angerufen werden, wenn die einzelnen Minister nicht volfen, und in Preußen könne keine andere Politik getrieben werden als in Reiche. Wir wollen das zunächst abwarten; aber im vorigen Jahre war neben dem Schulunterhaltungsgesetz in Preußen die Finanzreform im Kiche zu machen, und das war nicht möglich ohne Mitwirkung des Jentrums. Hätten wir uns auf den Standpunkt des Herrn Funck ce wären wir zum Kultusminister gegangen und hätten gesagt: n Schulgesetz gefällt uns zwar nicht, aber wir wollen es annehmen; wenn es jedoch noch weiter verschlechtert wird, nehmen wir die Finanz⸗ resorm im Reiche nicht an. Das haben wir nicht getan, wir haben in der Finanzreform im Interesse des Vaterlandes mitgearbeitet und
benso am Schulgesetz. Wir haben bei diesem Gesetz keine Neben⸗
agierung gebildet und haben nicht hinter den Kulissen an Verhand⸗ uungen gearbeitet. Die lächerliche Beschuldigung des Kuhhandels haben vir gerade bei diesem Gesetz widerlegt, und hier verlangt Herr Funck nit der fachmännischen Schulaufsicht die Einlösung eines Wechsels! wir müssen den Antrag a limine abweisen und sind überzrugt, daß sder katholische Lehrer hinter uns steht. 8e, Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.) spricht vährend fast der ganzen folgenden Rede mit leiser Stimme und wird niederholt von Rufen „Lauter!“ unterbrochen, ist aber trotzdem nur telenweise auf der Tribüne verständlich; er führt u. a. aus: Es kommt nit lediglich darauf an, einen Teil der Angriffe aus dem Hause zu nderlegen. Der Ministerialdirektor wies darauf hin, daß ein Teil Fortbildungsschulwesens dem Landwirtschaftsministerium und nicht sn Kaltusministerium unterstehe. Ich halte gerade einheitliche sortverhältnisse für erforderlich. Der Ministerialdirektor hat meine nutwort auf die gestrige Erklärung des Kultusministers damit be⸗ tagelt, daß ich diese Erklärung falsch aufgefaßt habe. Ich zeit heute eine ganze Reihe von Parlamentsberichten in den beltungen verglichen und daraus denselben ersehen. Es bs also an einer besonderen Undeutlichkeit der rklärung gelegen Erite wenn sie nicht besser verstanden ist. Keineswegs ist aber die has grung als ausreichend anzusehen, und wenn die Regierung sagt, nüs sie der F ienache hinwegzukommen. und seiner Verwaltung chwer gefallen. Der Herr ältester Bekannter in diesem
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in erfüllen,
in seiner Verwaltung geübt habe.
eübte Kritik ist mir außer⸗ inister ist seit Jahren viel⸗ Hause, wir sind persönlich
seit langem zwischen uns. Tag für Tag verkehrt, wir mitgemacht.
haben den Feldzug von 1866
die Stagnation in der Entwicklung unserer Lehrerbildungs⸗
erkenne unbedingt die ganz besonderen
zisters, seine Energie und seine Tatkraft an
1- aber die Organisation,
einziger Mann die Unterrichtsverwaltung neben den übrigen
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Räftalten beseitigt, daß er die Beseitigung des Lehrermangels angebahnt 9
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erdienste des
[roßen Aufgaben des Ministeriums übersehen soll, ist hinderlich für die Entwicklung der Unterrichtsverwaltung. Herr von Heydebrand hat die Güte gehabt, die Majorität und die Minorität auszuspielen. Ich habe nur verlangt, daß der Minister zu einer Resolution des Hauses eine zustimmende Erklärung abgebe, die von der großen Mehr⸗ heit, zu der auch die Freunde des Herrn von Heydebrand gehörten, im vorigen Jahre beschlossen ist. In meinen sachlichen Forderungen steht also die ganze Mehrheit von 1906 hinter mir. Sollte diese Mehrheit sich heute in eine Minderheit verwandelt haben, so wäre das eine Aenderung in der Stellung der konservativen Partei, die mit ihrer sonstigen Stetig⸗ keit wenig vereinbar ist. Meine Kritik an der Unterrichtsverwaltung habe ich auf meine persönliche eigene Verantwortung genommen. Gewiß, ich bin Manns genug, meine eigene Verantwortung zu tragen. Wenn Herr von Heydebrand eine solche Kritik für einen Ab⸗ geordneten nicht für angemessen erachtet, so unterschätzt er die Pflicht eines Abgeordneten. Wir haben nicht mehr das Recht, sondern unter Umständen die Pflicht, die Kritik an der Regierung zu üben, die wir nach gutem und ehrlichem Gewissen, nach ehrlicher Ueberzeugung für notwendig erachten, und ich werde mich von dieser Pflicht durch keinen Angriff, von welcher Seite er auch komme, abhalten lassen. Ich bin gewohnt, meine Pflicht zu erfüllen, meinen Weg gerade vorwärts zu gehen, gewiß meinen Weg gerade vorwärts zu gehen und meine Abgeordneten⸗ pflicht und Abgeordnetenwürde der Regierung gegenüber in vollem Umfange zu wahren. Wenn Herr von Heydebrand seine Bemerkungen durch den Scherz würzte, daß ich bald an jener Stelle sitzen würde, so vergißt er, daß meine unabhängige Gesinnung mich schon längst davor bewahrt hat, daß die Versuchung an mich herantritt, einmal Minister zu werden, abgesehen davon, daß man mit 67 Jahren noch schwerlich in die Gefahr kommt, der Ver⸗ suchung zu unterliegen, ein so schweres Amt wie das Minsster⸗ amt, das rasche Entschließungen fordert, zu übernehmen. (Abg. Busch (Zentr.): Reichsamt des Innern! — Stürmische Heiter⸗ keit.) Diese Heiterkeit erübrigt es, auf diese Bemerkung einzugehen. Wenn ich scharf geworden bin, so gibt es eben Momente, in denen man scharf sein muß, um das Ziel zu erreichen, das man erstrebt, das in diesem Falle lediglich darin bestehen kann, daß unser Unter⸗ richtswesen, unsere Volksschule auf die Höhe gehoben und auf der Höhe erhalten wird, die Preußen zur Ehre gereicht, die Preußen not⸗ wendig hat, um seinen Beruf als erster Staat zu erfüllen.
Abg. Dr. Friedb erg (nl.): kann nur noch eine kleine Nachlese halten. Auf die Auseinandersetzung zwischen den Herren von Heydebrand und von Zedlitz gehe ich nur mit einer Be⸗ merkung ein. Auch „von der konservativen Partei sind die Minister unter Umständen nicht ganz glimpflich behandelt worden. So war einmal eine Rede des Grafen Limburg⸗ Stirum gegen den Minister Falk nicht gerade sehr wohlwollend, als er erklärte, daß Herr Falk den großen Fehler habe, von Kopf bis zu den Füßen kein Staatsmann zu sein. Herr von Heydebrand hat uns eine Belehrung geben wollen. Wenn wir allerdings so etwas dem Kultusminister sagen würden, so würde es sofort heißen: Ich verbitte mir eine Belehrung darüber, und Herr v. Heydebrand würde das als angemessen betrachten. Natürlich macht es einen Unterschied, der Minister, der damals öffentlich gerüffelt wurde, war ein Nationalliberaler. Wenn also Herr von Hevydebrand über den Ton, in dem gesprochen ist, sich äußert, so war das nicht wohlgetan. Wenn Herr von Heydebrand uns als Minderheit be⸗ zeichnet, so ist mir nicht bekannt, daß es in diesem Hause eine Mehr⸗ heit gibt, Herr von Heydebrand kann eine Mehrheit nur mit Hilse des Zentrums bilden. Wenn ihm dieser Sukkurs angenehm ist, so gibt es in der konservativen Partei doch auch andere Strömungen, wo man diese Konsequenz nicht wünscht. Herr von Heydebrand sagte, nach den Ausführungen des Herrn von Zedlitz könne er für den Antrag nicht stimmen, danach soll man doch seine Abstimmung nicht einrichten, ob eine Rede so oder so gehalten ist. Die Freunde des Herrn von Heydebrand haben es schwer getadelt, als das Zentrum einmal wegen einer entgleisten Rede erklärte, daß es nach dieser Rede eine Forderung nicht bewilligen könnte. Und diesen Standpunkt nimmt jetzt Herr von Heydebrand ein, er sagte ja, daß es nach der Rede des Herrn von Zedlitz ihm unmöglich sei, in diesem Augenblick für den Antrag zu stimmen. Es ist uns auch ein großes Entgegenkommen des Ministers beim Schulunterhaltungsgesetz im vorigen Jahre vorgehalten worden. Mit dieser Legende muß ich aufräumen. Ich bin erstaunt, daß Herr von Heydebrand, der an den Verhandlungen beteiligt war, das aussprechen konnte. Wenn eine Partei bei diesem Gesetz
getäuscht worden ist, so ist es die nationalliberale Partei. Entwurf war uns unannehmbar. Er war Partei auf den Leib geschnitten, nicht uns. Es ist allmählich gelungen, die Regierung auf einen anderen zu bringen. Sie hat bis zum letzten Moment einen solchen Wider⸗ stand geleistet, daß wir zuletzt die Lust an den Verhandlungen verloren und drauf und dran waren, uns davon zurückzuziehen. ie
einmal anerkannt hat. Der Antrag soll die Tendenz haben, den christlichen Einfluß in der Schule zurückzudrängen. Der christ⸗ liche Einfluß in der Schule kann doch nur dadurch zum Aus⸗ druck gelangen, daß christlicher Religionsunterricht erteilt wird. Daß er dadurch gewahrt werden soll, daß man die nicht dazu qualifizterten Geistlichen für die Aufsicht über den ganzen Schulunterricht an⸗ stellt, das verstehe ich nicht. Es ist eine ganz abwegig⸗ Forderung, das veraltete Institut der geistlichen Schulaufsicht zu erhalten. Wenn in Oberschlesien 110 weltliche Schulinspektoren vorhanden sind, so muß doch Herr Porsch, der diese Verhältnisse kennt, Herr Porsch kann sich doch selbst ausmalen, was für Zustände sonst bei den dortigen nationalen Verhältnissen entstehen könnten. 8 Porsch ver⸗ wies auf das Verlangen der evangelischen Geistlichen, die?
nicht; wenn man von einem Rechte spricht, so verschiebt man die Rechts⸗
lichen Händen förderlich sei, aber man kann sie nicht als ein Recht hinstellen. Herr Porsch verwahrt
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rage nähertreten wolle, so ist das eine gute Form, über Die von mir an dem Unterrichts⸗
es bestehen gewissermaßen freundschaftliche Be⸗ Wir haben lange Jugendjahre
1 Deshalb war für mich eine schwere Pflicht wenn ich heute schärfere Kritik, als vielleicht sonst üblich, Ich erkenne seine Verdienste voll 8 z ich habe wiederholt anerkannt als sein ganz besonderes Verdienst, liche Se für den gesamten Unterricht notwendig sein soll, und wenn der
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schaft über die Schule erstrebe. Die katholische Kirche ist aber noch heute der Ansicht, daß die Schule eine Annex der Kirche ist. Diesen Standpunkt hat sie jahrhundertelang festgehalten, und wenn sie jetzt in dieser Hinsicht mit dem Staat ein Kompromiß geschlossen hat, so ist das begreiflich, denn sie würde heute gar nicht in der Lage sein, die Volksschule wieder zu übernehmen. Aber die Herrschaft über den Religions⸗ unterricht ist die Herrschaft über die Schule, denn der Religionslehrer soll die missio canonica haben. Wir haben ja nicht das Fachschulsystem, sondern das Klassensystem, und wenn die missio canonica einem Lehrer entzogen wird, so ist er untauglich für die Schule, kann den Wander⸗ stab nehmen und auswandern, denn in Deutschland kann er nicht mehr unterrichten. So erstrebt die katholische Kirche durch den Grundsatz der geistlichen Schulinspektion tatsächlich die Herr⸗ schaft der Kirche über die Schule. Und es wüͤrde sehr ge⸗ fährlich sein, wenn diesem Bestreben von evangelischer Seite Folge geleistet würde. Mein Freund Schiffer hat den Geistlichen nicht die Qualifikation für die Schulaufsicht abgesprochen, sondern nur gesagt, es fehle dem Staate jede Kontrolle darüber. Nachdem wir das Kontrollexamen in Preußen abgeschafft haben, be⸗ steht über den Bildungsgang der katholischen Geistlichen keinerlei Kontrolle. Ob sie überhaupt methodisch nd und sich einer allgemeinen Bildung erfreuen, ch der staatlichen Kontrolle. Und diese Leute über die methodisch ausgebildeten Volksschullehrer, die Examina gemacht haben, zu stellen, ist unzweckmäßig. Darum sollte eigentlich auch die katholische Kirche unseren Antrag unterstützen. Wenn die geist⸗
entzieht
zanze Schulunterricht nur als Drill für eine wird, so lehnen wir das entschieden Wir wollen nicht, daß die sämtlichen Unterrichtsstunden bloß eine Ausstrahlung des Religionsunterrichts sein sollen. Daß in der geistlichen Ortsschulaufsicht eine bedeutende Quelle der
vfe angesehen a
sich energisch dagegen, daß die Kirche die Herr⸗
vorgebildet
schlecht behandelt und in ihrem Vertrauen durch die Regierung Der der konservativen Wuns nur
Weg gebaut hat, die dazu beitragen können, die
Regierung ist uns also nicht entgegengekommen, wie auch Herr Strosser
das begreifen.
1 E echte der Kirche zu wahren. Ein Rechtsanspruch auf die geistliche Schulaufsicht besteht aber lem Rer rlchie⸗ eeee Wort, während lar 5 lage. Man kann der Ansicht sein, daß die Ortsschulinspektion in geist⸗ Wort. hrend laute Rufe
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8
Macht für die katholische Kirche liegt, ist nicht zu bezweifeln. Herr Dr. Porsch warnt davor, die Leute auf dem Lande mündig zu machen. Wenn aber irgend eine Partei der Mündigmachung der Arbeiter Vorschub geleistet und in sozialpolitischen Fragen der Sozial⸗ demokratie den Rang abzulaufen gesucht hat, so ist es die Zentrums⸗ partei gewesen. Und wenn Herr Dr. Porsch meint, daß diese Mündigmachung die verhängnisvollsten Konsequenzen haben könne, so hat sich gerade bei den letzten Wahlen gezeigt, daß die Prinzipien des Zentrums keinen Schutz gegen die Sozialdemokratie bieten. Dem Zentrum ist es nicht gelungen, sondern gerade dem liberalen Bürgertum in den Städten, mit seinen Waffen die Sozialdemokratie bei den Wahlen zurückzudrängen. Diese Folge der Mündigmachung ist also doch nicht so schlecht, wie Herr Porsch sich ausmalt. Der Abg. Porsch ist dann auf das allgemeine politische Gebiet über⸗ gegangen. Ob in Preußen wirklich so viel Rückständigkeit vorhanden ist, lasse ich dahingestellt; in betreff der Schulverhältnisse sind wir in Preußen immerhin noch weiter als in Württemberg. Aber darin kann ich beistimmen, daß der Ministerpräsident sich mehr um Preußen kümmern sollte. Auch heute ist nur der Kultusminister hier, als ob es sich nur um eine Ressort⸗ frage handelte, anstatt daß alle Minister hier anwesend wären, um ihre einheitliche Haltung hier zum Ausdruck zu bringen. Herr Porsch hat die Frage des Zusammenhanges zwischen Reichspolitik und preußischer Politik mehr auf das handelspolitische Gebiet hinübergespielt; für uns handelt es sich um die Einheit⸗ lichkeit in Reichs⸗ und Landespolitik. Der Abg. Fervers hat in einer Rede behauptet, daß das Schulunterhaltungsgesetz niemals ohne die Konservativen und das Zentrum zustande gekommen wäre. Er sagt damit, daß das Zentrum seinen Einfluß in sehr energischer Weise geltend gemacht hat. (Oho! im e.e Ja, Sie haben das Schwergewicht Ihrer ausschlagge enden Stellung auch bei diesem Gesetz ausgespielt. (Lebhafte Zurufe aus der Mitte: Nein! Unwahr!) Wissen Sie denn, welche Verhandlungen mit dem Fürstbischof Kopp geführt worden sind? Der Kultusminister hat zu meiner bedauerlichen Ueberraschung seine Erklärun gestern so abgegeben, daß ich lieber gewünscht hätte, e wäre einfach im ablehnenden Tone erfolgt, man würde doch dann wissen, womit man zu tun hat. Er las aus seiner Erklärung einzelne Teile vor, dann folgte ein Stück persönlicher Polemik und dann wieder ein Teil der Erklärung, und er schloß damit, daß er in Aussicht stellte, er würde nach Durchführung des Volksschulunterhaltungsgesetzes in eine Prüfung der Fragen unseres Antrages eintreten. Gerade diese Form seiner Antwort wird außerordentliche Erbitterung im Lande schaffen. Wir werden fortfahren, zu verlangen, daß der Reichskanzler als Ministerpräsident auch in Preußen eine Politik verfolgt, die mit den Mehrheitsparteien im Zusammenhange bleibt. Abg. Dr. von Woyna (freikons.): Die Beratung ist jetzt in ein Stadium reichlich akademischer Natur eingetreten. Wir haben auf allen möglichen Gebieten Abschweifungen gemacht, daher möchte ich auf das thema probandum zurückkommen. habe mit einem Teil meiner politischen Freunde den Antrag unterzeichnet, weil wir glauben, damit den tatsächlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen, die ganz allmählich kommen müssen. Gegen die Macht der tatsäch⸗ lichen Verhältnisse kann niemand an. Ich verstehe, daß die Kirche sich den Einfluß, den sie seit vielen Jahren über die Schule gehabt hat, nicht nehmen lassen will, aber ich glaube, unser Antrag enthält das, was sich im Laufe der Tatsachen verwirklichen wird. 1b Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. von Studt: Meine Herren! Ich bin genötigt durch die Ausführungen der Herren Vorredner, insbesondere auch durch die des Herrn Dr. Fried⸗ berg, den Wortlaut meiner gestrigen Erklärung, wenigstens teilweise, in den entscheidenden Punkten wiederzugeben. Ich habe gesagt „Gewiß darf man nicht davor zurückscheuen, diese Fragen — also der anderweiten Organisation der Schulaufsicht und die in dem Antrage der Herren Hobrecht und Genossen enthaltenen Vorschläge — ernstlich ins Auge zu fassen. Ich kann mitteilen, daß sie den Gegenstand ernst⸗ licher Prüfung sowohl innerhalb meines Ressorts wie auch innerhalb der Staatsregierung bilden.“ 1 Meine Herren, das stimmt absolut nicht mit dem überein, was der Herr Abg. Friedberg mir heute in den Mund gelegt hat. Er hat gesagt, eine ernstliche Prüfung würde in eine graue Ferne gerückt, und mit derartigen Versprechungen könnte man unmöglich kommen; die wären vollständig ungenügend. Ich bedaure den Irrtum, der in dieser Ausführung des Herrn Abg. Dr. Friedberg enthalten ist; ich bedaure das um so mehr, als er auf diesen Irrtum wieder Schlußfolgerungen auf⸗ öffentliche Meinung irre zu Wenn behauptet wird, daß meine Erklärung eine Erbitterung so sind das Uebertreibungen, für die die (Leb⸗
führen. hätte hervorrufen müssen, Verantwortung zu übernehmen, ich weit von mir weisen muß. haftes Bravo rechts.)
Damit schließt die Besprechung.
Nach einigen persönlichen Bemerkungen der Abgg. Strosser (kons. „Dr. Porsch, Heckenroth, Dr. Fried⸗ berg und Freiherr von Zedlitz wird der Antrag Bachmann mit geringer Mehrheit durch die Stimmen der Konservativen, des Zentrums und der Polen abgelehnt.
Darauf geht nach 3 ½ Uhr unter sehr großer Unruhe das Haus zur allgemeinen Besprechung des Kultus⸗ etats über.
Präsident von Kröcher erteilt dem nächsten Redner das 1b 1 ufe: Vertagen! ertönen. Wäͤhrend der Saa sich rasch leert, nimmt das Wort
Abg. Dr. Porsch (Zentr.) und kommt zurück auf eine Ausführung des Abg. Dr. Friedberg, der aus einer Notiz in der „Schlesischen Zeitung“ den Schluß gezogen hatte, daß durch die Franziskaner⸗Niederlassung Borek an der oberschlesisch⸗russischen Grenze das Jesuitentum indirekt in Preußen wieder eingeführt und begünstigt werde, und daß sogar durch diese Franziskaner der großpolnischen Agitation Vorschub ge⸗ leistet worden sei. Tatsache sei, daß in dem Boreker Bezirk für den konservativen Kandidaten bei der letzten Reichstagswahl 1133 Stimmen, für den katholischen Geistlichen aber nur 23 Stimmen abgegeben worden seien. Ein Wallfahrtsort bestehe dort allerdings auch, aber bereits seit Jahr⸗ hunderten. Möchte den Wünschen der Franziskaner endlich nachgegeben und ihnen das Recht auf Gymnasialausbildung gewährt werden. Der Redner bemerkt zum Schluß: Bei dieser Gelegenheit möchte ich endlich einmal vollständig die Unwahrheit tot machen, mit der man im ganzen Lande hausieren geht, daß die katholische Kirche das ganze Land mit einem Netz von Kongregationen überzogen habe. Das ist eine Lüge. Bisher
ist noch nicht eine einzige dieser Kongregationen vom Kultusministerium genehmigt worden.
Darauf wird Kultusetats auf entwürfe, betreffend und Danzig).
egen 4 Uhr die weitere Beratung des ontag 11 Uhr vertagt (vorher Gesetz⸗ die Erweiterung der Stadtkreise Hanau
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* 8 8 Dem Reichstage ist der Vertrag zwischen dem Deutschen Reiche und Luxemburg vom 2. März 1907 über den Beitritt Luxemburgs zur norddeutschen Brausteuergemein⸗