daß er geneigt ist, eine Erhöhung der Gehälter der Beamten bei den verbündeten Regierungen zu vertreten. Ich setze voraus, daß die heutige Erklärung des Staatssekretärs so zu verstehen ist, daß der Reichskanzler die Resolution wörtlich ausführen will, nicht bloß die Richtungslinie einhalten will. Hiernach ist eine Einstellung der Summe in das Notgesetz nicht mehr nötig. Wir brauchen deshalb auch nicht mehr für den Antrag Gröber zu stimmen, sondern wir werden nunmehr für die Resolution stimmen.
Abg. Dr. Arendt (Rp.): Ich habe den Eindruck, daß die Rede des Staatssekretärs und die Erklärung des Reichskanzlers dem Vorredner das Konzept gründlich verdorben hat. In der Kommission bieß es, eine Resolution habe keinen Zweck. Jetzt zieht sich der Abg. Singer auf die Resolution zurück! Würden wir gesagt haben, der Staatssekretär hat eine unbefriedigende Erklärung abgegeben, und träten wir auf den Boden des Antrages Gröber, dann würde ein Konflikt zwischen Regierung und Reichstag entstanden sein und die Beamtenschaft hätte keinen roten Heller bekommen. Daß es anders gekommen ist, geschah nur dadurch, daß die anderen Parteien dem Zentrum ein Paroli geboten haben durch die Re⸗ olution. Der Abg. Singer hat die Prinzipien eingehend erörtert. Es kann gar kein Zweifel darüber bestehen, daß der Etat wie die ganze Gesetzgebung eine Vereinbarung des Willens beider Faktoren der Gesetzgebung sein muß. Dann darf der Reichstag die Parole ausgeben: Friß Vogel, oder stirb. Eine so schwächliche Regierung werden wir hoffentlich nicht haben, ie sich dem fügt. Der Vorredner meinte, die erhöhten Ausgaben seien eine Folge des Zolltarifs. Nein, eine Folge es Zolltarifs ist es, daß das Reich die Finanzkraft hat, die Beamten besser zu stellen. Außerdem, wo liegen denn die Preissteigerungen die diese Ausgaben nötig machen! Am wenigsten bei dem Groß⸗ grundbesitz, sondern in der Hauptsache bei den Artikeln der In⸗ dustrie, namentlich solcher, die keine Zölle tragen, bei der Kohle, den Metallen und den Baumaterialien. Daher die Erhöhung der Wohnungspreise. Gestiegen sind die Arbeitslöhne und diese sind nur gestiegen durch unsere Zolltarife, durch die nationale Arbeit, der wir unsere Erfolge bei den Wahlen verdanken. Fahren Sie (zu den Sozial⸗ demokraten) nur so fort und wir werden noch weitere Erfolge erzielen. Der Abg. Singer sprach von dem Mangel an Disziplin. Der Staats⸗ sekretär hat darin recht, daß unser Beamtenstand nicht in seiner inneren Festigkeit durch solche Debatten erschüttert werden darf. Darin werden wir dem Staatssekretär stets zur Seite stehen. Der Abg. Speck meinte, es hätte gar kein Interesse, bis zur dritten Lesung zu warten, wenn die Mehrheit nicht große Abstriche macht. Zwischen der Veranschlagung des Etats im Herbst und seiner Ver⸗ abschiedung im Frühjahr liegt diesmal ein gutes halbes Jahr und es ” sehr wohl möglich, daß die Einnahmen sich wesentlich besser gestalten und so große Abstriche nicht notwendig sind. Aber was soll man zu der Finanzpolitik des Zentrums sagen, der Partei, die bis zum 13. Dezember 1906 unerschütterlich an dem Grundsatz festgehalten hat: „Keine Ausgabe ohne Deckung“? Das Zentrum zieht jetzt einfach auf die Erhöhung der Matrikularbeiträge zurück; oder wird es an dem Zustandekommen der neuen notwendigen Steuervorlagen mitarbeiten? Nehmen wir die Gehaltsrevision der Beamtenschaft auf uns, so haben wir auch die Verpflichtung für Deckung zu sorgen. Wir haben heute doch etwas mehr als „schöne Redensarten“ vom Bundes⸗ ratstische gehört. Wir haben uns nicht verführen lassen, in einen Konflikt mit den Verbündeten Regierungen hineinzutreiben; wir haben den Weg beschritten, der allein zum Ziele führen konnte, indem wir die 3 Millionen als nicht ausreichend ablehnten und die Beamten lieber noch 2 Monate länger warten ließen, um dadurch einen schärferen Druck auf die Regierung zu Gunsten der notleidenden Beamtenschaft auszuüben; wir haben hier etwas erreicht, was die Beamtenschaft, die Preußen⸗Deutschland groß gemacht hat, wieder zufrieden machen wird.
Abg. Speck (Zentr.): Mit Rücksicht auf die durch den Staatssekretär des Reichsschatzamts mitgeteilte Erklärung des Reichskanzlers, wodurch die Erfüllung der in 1 Antrage niedergelegten Frverfißet im Widerspruch mit den von dem Staatssekretär in der Kommission ab⸗ gegebenen Erklärungen schon für 1907 in bestimmte Aussicht gestellt wird, ziehe ich den Antrag Gröber zurück.
Abg. Dr. Wiemer (frs. Volksp) zieht mit Rücksicht auf die von dem Staatssekretär gemachten Ausführungen seinen Zusatzantrag ebenfalls zurück. b
Abg. Vogt⸗Hall (wirtsch. Vgg.): Nach dem Verlauf der Debatte wird jetzt eine überwiegende Mehrheit für die Resolution vorhanden sein; wir werden ihr zustimmen. Es ist mit Freuden zu begrüßen, daß der Abg. Singer sich auf die Resolution zurückzieht, die von der rechten Seite gestellt ist. Es wäre zu wünschen, daß die Herren von der Sozialdemokratie noch recht oft so etwas täten. Meine Partei hat eine Verbesserung der Gehalts⸗ und Lohnverhältnisse für die Beamten schon früher be⸗ antragt. Eine Ersparnis am unrechten Orte haben wir stets be⸗ kämpft, bei den Gehältern der Beamten wäre sie am wenigsten am Platze. Wir Christlich⸗Sozialen sind bestrebt, die Berufsfreudigkeit der Beamten zu erhalten und damit auch die deutsche Gesinnung. Wenn wir somit für die Gehalts⸗ aufbesserung der Beamten eintreten, so beweisen wir, daß wir für die soziale Frage ein richtiges Verständnis haben. (Vizepräsident Kaempf bittet den Redner, sich nicht zu weit vom Thema zu entfernen.) Meine Fraktion hat mich beauftragt, dieser unserer sozialen Gesinnung Ausdruck zu geben gegenüber der Auf⸗ fassung, daß wir für die Beamten nicht genug tun. Wie schlecht sich die Unterbeamten stehen, ergibt sich auch aus der Statistik über die Löhne der Arbeiter. Die Arbeiter stehen sich großenteils viel besser als die Unterbeamten. Die Arbeiter stehen sich deshalb so gut, weil die Nachfrage nach Arbeitern infolge der neuen Zollgesetzgebung eine viel größere geworden ist. Die Lebens⸗ haltung der Arbeiter hat sich wesentlich gehoben; die Arbeit für die Herstellung der Lebensmittel wird teurer bezahlt als früher. Gerade durch die erhöhten Zolleinnahmen sind wir in die Lage gesetzt, auch mehr für die Beamten zu tun. Was die Deckungsfrage betrifft, so hat gerade meine Fraktion der Regierung schon oft neue Quellen für Reichseinnahmen genannt; wir werden mit aller Energie darauf dringen, daß diese neuen Steuerquellen in erster Linie in Angriff genommen werden. Wir stimmen also für die Resolution der Kommission.
Abg. Kopsch (fr. Volkep.): Das Zentrum hat durch die Zurück⸗ ziehung seines Antrages jetzt auch den von der Kommissionsmehrheit eingeschlagenen Weg als den allein richtigen anerkannt. Ohne Not bier staatsrechtliche Streitfragen aufzurollen, dazu haben wir keine Lust; im übrigen weiß der Abg. Singer und wissen die
Sozialdemokraten, daß wir stets die verfassungsmäßigen Rechte der Volksvertretung hochgehalten und verfochten haben. Aber in diesem Falle würde der Reichstag die Kriegskosten zu tragen haben und auch uns steht das Wohl und Wehe der Beamten zu hoch, als daß wir hier Konflikte suchen sollten. nicht nur vom Brote, sie bedürfen bei Pflicht auch der Anerkennung des Volkes. Die die der Abg. Speck für die Zurückziehung seines gab, wonach die heutige Erklärung des Schatzsekretärs anders gelautet hätte als vorher in der Budgetkommission, kann ich nicht als zutreffend anerkennen, denn diese Erklärungen haben sich im wesentlichen gar nicht widersprochen. 1 Zentrum unrecht gegeben; der Abg. Speck hätte wohl kaum seine Aus⸗ führungen gemacht, wenn er die Mitteilungen des Staatssekretärs hätte ahnen können. Wir meinen aber, daß auch die Beamten bis zu 4500 ℳ Gehaltesatz berücksichligt werden müssen. Wir freuen uns, daß durch die Einmütigkeit des Hauses der Weg für Besserstellung der Beamten geebnet ist. Die sorgenfreie Stellung der Beamten ist eine Kulturaufgabe ersten Ranges.
11 “ NSeeg gut, alles gut“ kann man i der heutigen Ver 8 s
Eea aedend heh g handlung sagen. Ich freue mich dieser
Wenn die Beamten
der Erfüllung ihrer
auf das sozialdemokratische Wohlwollen ange⸗
Auch unsere Beamten leben all or er deutend sei, daß vielmehr den Motivierung, Antrags
Der Gang der Dinge hat dem unterricht als
Hauses und bin weit davon entfernt, sie zu stören. 1 ül en Ministeriums, weshalb dies geschehen, erwiderte die Schuldeputation,
8
wiesen wären, würden sie statt Brot Steine bekommen. das dennd. welches der Reichstag bietet, immer so einmütig bleiben wie heute.
Damit schließt die Diskussion.
Der Antrag Werner ist zurückgezogen.
Die Position von 3 Millionen wird einstimmig aus dem Notetatsgesetz gestrichen und die Resolution der Kom⸗ mission einstimmig unter großer Bewegung und Heiterkeit des sehr stark besetzten Htes angenommen.
Nach § 4 der Vorlage soll der Reichskanzler ermächtigt sein, zur Bestreitung extraordinärer Ausgaben 200 Millionen im Wege des Kredits flüssig zu machen; nach § 5 soll ihm die Ermächtigung zur Ausgabe von Schatzanweisungen, aber nicht über den Betrag von 350 Millionen Mark hinaus zu⸗ stehen. Die Kommission hat die Summe von 200 auf 150 Millionen herabgesetzt. 8
Ohne Debatte stimmt das Haus diesen Kommissions⸗ vorschlägen zu.
Auch der Rest der Vorlage wird unverändert genehmigt.
Darauf vertagt sich das Haus.
Eingegangen ist eine Interpellation des Abg. Will⸗ Straßburg und Genossen, betreffend das Grubenunglück in Klein⸗Rosseln (Elsaß⸗Lothringen).
Schluß 6 ¼ Uhr. Nächste Sitzung: Dienstag, 1 Uhr. (Vertrag, betreffend den Beitritt des Großherzogtums Luxem⸗ burg zur Norddeutschen Brausteuer⸗Gemeinschaft; Fortsetzung der Besprechung der Interpellation Albrecht wegen amtlicher Wahlbeeinflussungen; Interpellation der Polen wegen des polnischen Schulstreiks.) ““
Preußzischer Landtag. Haäaus der Abgeordneten. 36. Sitzung vom 18. März 1907, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Das Haus setzt die Beratung des Etats des Ministe⸗ riums der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗ angelegenheiten, und zwar die bei dem Ausgabetitel „Gehalt des Ministers“ übliche allgemeine Besprechung dieses Etats, fort.
Hierzu liegt der Antrag der Abgg. Fritsch (nl.) und
Genossen vor:
„die Regierung zu ersuchen, den Bestrebungen zur Ver⸗ einheitlichung der deutschen Stenographie tun⸗ lichste Förderung bezw. Mitwirkung zuteil werden zu lassen.“
Abg. Cassel (frs. Volksp.): Der Kultusminister hat am vorigen Sonnabend selbst darauf hingewiesen, wie umfangrich und verant⸗ wortungsvoll die Aufgaben sind, die auf seinen Schultern lasten; dem gegen⸗ über könnte man die Frage aufwerfen, ob man nicht Maßnahmen treffen sollte, um diese Last zu erleichtern, das Ressor tdes Kultusministers zu ver⸗ einfachen. Schon seit längerer Zeit hat man die Trennung des Medi⸗ zinalwesens von dem Unterrichtswesen verlangt. Durch die Ausbildung der Gesundheitspflege und Hygiene, durch die Maßregeln zur Ab⸗ wendung von Seuchengefahr sind die Aufgaben der Medizinal⸗ verwaltung von Jahr zu Jahr gewachsen. Eine Verzögerung der Erledigung der einschlägigen Fälle wird häufig dadurch herbeigeführt, daß sehr häufig sowohl die Zustimmung des Kultus⸗ ministers, wie die des Ministers des Innern erforderlich ist. Würde die Erledigung dieser Aufgaben dem Ministerium des Innern übertragen, so würde die Sache einheitlicher und schneller erledigt werden können. Würde diese Trennung durchgeführt, so könnte auch das Fortbildungsschulwesen, das jetzt mit der Verwaltung des Handels⸗ ministeriums und des landwirtschaftlichen Ministeriums verbunden ist, mit dem Kultusministerium verbunden und nach einem Geiste einheitlich geleitet werden. Was der Abg. von Zedlitz über die Gesamtschulverbände gesagt hat, verdient sorgfältige Erwägung sowohl im Interesse möglichst leistungsfähiger Schulverbände, wie in dem der Freiheit der Gemeinden. Wünschenswert wäre es, wenn bei der Aus⸗ gestaltung des Lehrerbesoldungsgesetzes auch die Frage der Schulaufsicht gelöst würde; allerdings wird sich der Abg. von Zedlitz nach den Regierungserklärungen vom Sonnabend einem Optimismus nicht hingeben können. Auch ich bin der Meinung, daß man beim Lehrerbesoldungsgesetz endlich einmal ganze Arbeit schaffen muß dadurch, daß man im wesentlichen einen Normalsatz findet, der möglichst im ganzen Lande Geltung hat. Ueber die Einzel⸗ heiten wird man sich r klar werden können. Ueberrascht hat mich, daß nach dem Kommentar des Geheimen Rats von Bremen die Regierung beabsichtigen soll, regelmäßig zum Vorsitzenden des Schulvorstandes in den Landgemeiden den Lokalschulinspektor zu bestimmen. Dies ver⸗ stieße durchaus gegen die Absicht des Schulunterhaltungsgesetzes. Im Gesetz heißt es, der Vorsitzende des Schulvorstandes wird in der Regel aus der Zahl der Mitglieder des Schulvorstandes bestimmt. In dem ursprünglichen Gesetzentwurf war vorgesehen, daß der Orts⸗ schulinspektor regelmäßig an sich der geborene Vorsitzende des Schul⸗ vorstandes sein solle. Die Kommission hat dies geändert. Das Gesetz wäre beinahe daran gescheitert, daß es in dieser Frage sehr schwer war, zwischen den Mehrheitsparteien eine Einigung zu erzielen. Es wäre ein bedauerliches Zeichen von dem Geist der Schulverwaltung, wenn so verfahren würde, wie es beabsichtigt sein soll. Vielleicht wäre es überhaupt besser gewesen, wenn man schon damals eine solche Besorgnis durch Annahme unserer Anträge zerstreut hätte. Bei der Beratung des Schulunterhaltungsgesetzes im Herrenhause hat Herr von Durant die Befürchtung geäußert, daß zu viele jüdische Lehrer in den Schulen angestellt werden könnten. Er vergaß, daß von den
Steuern der jüdischen Mitbürger die Schulen mit unterhalten werden.
Der Ministerialdirektor Schwartzkopff erwiderte, daß die Anstellung jüdischer Lehrer in christlichen Schulen nur im Falle des unbedingten Bedürfnisses stattfinden würde. Hätte er erklärt, daß dies geschehen würde nur in Fällen des Bedürfnisses, so würde ich das zwar nicht de lege ferenda anerkennen können, aber es entspräche dem geltenden Gesetz, wonach die jüdischen Lehrer nur für den Religionsunterricht in Betracht kommen. In dieser Hinsicht waren die Kommissionsvorschläge abgeändert worden, worin den Gemeinden weitergehende Befugnisse nach ihrem Ermessen gelassen wurden. Der Ministerialdirektor erklärte aber damals, daß der Unterschied nicht be⸗ Gemeinden freistehen solle, wenn anders nicht für jüdischen Religionsunterricht gesorgt sei, jüdische Lehrer anzustellen. Was wollte aber nun der Ministerialdirektor im Herrenhause damit sagen, daß diese Anstellung nur in Fällen des „unbedingten Bedürfnisses“ erfolgen solle? Der Kultusminister Falk hat ausdrücklich der Stadt Berlin in einem Reskript gestattet, katholische oder jüdische Lehrer für den Religions⸗ ordentliche Lehrer anzustellen, und an diesem Reskript ist immer festgehalten worden, auch für andere Gemeinden. Es scheint nun nach dem Ausdruck von dem „unbedingten Bedürfn’s“, daß nicht mehr in dem erforderlichen Maße für den jüdischen Religionsunterricht Sorge getragen werde. Ferner ist in einem Erlaß des Ministers von 1895 angeordnet worden, daß bei Vertretung einer Lehrkraft der Vertreter demselben Bekenntnis an⸗ gehören soll, wie der Vertretene. Das macht große Schwierigkeiten bei Erkrankungen von Lehrern. Es ist vorgekommen, daß eine katholische Lehrerin eine evangelische vertrat. Auf eine Anfrage des
Möge
bei der Beratung des Lehrerbesoldungsgesetzes
daß sie sich sonst nach dem Erlaß richte, daß aber eine Ausna Fenes werde, wenn eine Lehrkraft desselben Bekenntnisses nicht hme anden sei. Darauf sind vom Ministerium solche Ausnahmen doh. boten worden. Dies hat große Mißstimmung erregt. Sollen etw 6 Schulen geschlossen werden, bis eine in diesem Sinne geeignete Lehrt ’. gefunden wird? Kann den Kindern durch eine solche zeitweise Verteenrast ein Schaden geschehen? Mir ist mitgeteilt worden, daß auf dem Luung eine andere Praxis geübt wird. Es ist doch auch besser vnn ein Lehrer eines anderen Bekenntnisses Unterricht erteilt, 8 daß gar kein Unterricht erteilt wird. In Berlin sind 28 meisten Lehrer und Hilfslehrer evangelischen Bekenntnisses di katholischen sind in der Minorität; jetzt müssen auch jädische Lene und Lehrerinnen angestellt werden. Wenn diese katholischen ber jüdischen Lehrer nicht als Hilfslehrer einen evangelischen Lehrer zeit⸗ weise vertreten dürfen, so können sie nicht diejenige praktisch fahrung erlangen, die sie für eine Anstellung befähigen würde. Nichtbestätigung des Dr. Penzig in Charlottenburg ist vom nisterium gebilligt worden. Die Nichtbestätigung ist erfolgt wege der politischen Anschauung, weil Dr. Penzig, der Dissident ist sn die Ersetzung des Religionsunterrichts durch einen Moralunterricht eintriit. Herr Dr. Penzig ist an sich eine durchaus tadellose Persönlichkeit. Der Regierungspräsident hat die Bedeutung des Herrn vollkommen anerkannt und ihm seine Hochachtung ausgedrückt Professor von Liszt hat nachgewiesen, daß Herr Dr. Penzig durchauz den Glauben anderer achte; die Persönlichkeit des Dr. enzig ist also durchaus für die Verwaltung der Schulangelegenheiten geeignet Er ist von der Charlottenburger Stadtverordnetenversammlung, in der auch zahlreiche Konservative und Positive sitzen, einstimmig zum Mitglied der Schuldeputation gewählt worden. Ich halte den Standpunkt des Herrn Dr. Penzig bezüglich des Religionsunterrichts nicht für richtig, ich kann aber nicht finden, daß eine gesetzliche Be⸗ stimmung besteht, die ihn wegen dieser seiner Anschauungen don der Mitgliedschaft in einer Schuldeputation ausschlösse. Er würde auch keine Gelegenheit haben, seine Anschauungen über den Religions⸗ unterricht und den Moralunterricht in der Deputation geltend zu machen, denn das könnte nur durch die Gesetzgebung geschehen. Wenn die Befugnis, Mitglied der Schuldeputation zu werden, von religiösen Anschauungen abhängig gemacht wird, so kann das zu den bedenklichsten Konsequenzen führen. Ein solches Verfahren wird dazu führen, daß die Zahl derjenigen, welche den Religionsunterricht aus der Schule entfernen wollen, immer größer werden wird. Andere Fälle dieser Art werde ich bei späteren Etatstiteln vorbringen. Die Selbstverwaltung der Gemeinden muß bei der Ordnung der Schulverhältnisse gewahrt werden. Der Fall Penzig zeigt deutlich, daß die Rechte der Stadt⸗ verordnetenversammlung auch dann nicht gewahrt werden, wenn sie aus den verschiedensten politischen Anschauungen zusammengesetzt sind. Die Bestimmungen über die Anstellung jüdischer Lehrer gehen weit über das Konfessionalitätsprinzip des Schulunterhaltungsgesetzes hin⸗ aus; denn darin heißt es nur, daß „in der Regel“ die Kinder bon Lehrern ihrer Konfession unterrichtet werden sollen. Wir haben also auf den Gebieten der Schule nur den Schein einer Selbst⸗ verwaltung. In der Schulverwaltung der Regierung herrscht ein engherziger bureaukratischer Standpunkt. Herr von Zedlitz hat recht darin, es müssen Rechtskontrollen gegen das Belieben der staatlichen Schulverwaltung geschaffen werden. Die administrativen Reskripte pfropfen fremde Reiser auf die Gesetze auf. Mit der Dezentralisierung der Schulverwaltung muß Klarheit über das materielle Recht auf dem Gebiete der Schule geschaffen werden. Wenn wir im Falle Penzig noch so I. im Rechte zu sein glauben, so haben wir doch kein Mittel, im Wege einer Klage unser Recht zu verfechten. Wir werden nicht zur Ruhe kommen, ehe nicht matenelch Schulrecht geschaffen ist, und durch zweifelsfreie Entscheidung des Ober⸗ verwaltungsgerichts eine Praxis geschaffen ist. — Was die Regierung zur Beseitigung des Lehrermangels durch Vermehrung der Seminare und Präparandenanstalten getan hat, genügt nicht. Gewiß erkennen wir an, daß der Minister in schultechnischen Angelegenheiten, 3. B. durch die Herstellung der Gleichberechtigung der drei höheren Lehr⸗ anstalten, viel getan hat. In der Schulreform hat er gewiß den besten Willen, aber seine Ueberzeugungen sind engberzig und mit dem modernen Geiste nicht vereinbar. Deshalb müssen wir uns aufs energischste gegen seine Verwaltung wenden, die mit den Traditionen der großen Minister zur Zeit der Volkserhebung im schroffen Widerspruch steht. Konservative und Zentrum haben ja am Sonnabend dem Minister recht gegeben, und ich bin viel zu konstitutionell erzogen, um nicht mit dieser Tatsache zu rechnen. Zur Mehrheit bei dem Schulunterhaltungsgesetz gehörten auch Freikonservative und Nationalliberale. Die Mehrheit am Sonnabend stand aber im Wider⸗ spruch mit der vom Reichskanzler empfohlenen Paarung des liberalen und konservativen Geistes. Zur Vertretung dieses Geistes ist der jetzige Kultusminister am wenigsten geeignet. Es muß Befemden erregen, daß im Landtage nichts geschieht, um dieses Zusammenwirken liberalen und konservativen Geistes zur Tat werden zu lassen. Sollen wir uns ohne weiteres fügen, wenn hier im Landtag ein Bündnis zwischen Konservativen und Zentrum geschlossen wird, während im Reichstag ein Bündnis zwischen Liberalen und Konservativen gegen Zentrum und Sozialdemokratie empfohlen wird? Das kann bei uns natürlich kein Behagen erwecken. Wir glauben, für unsere Ge⸗ sinnung eine weitere Berücksichtigung erwarten zu dürfen, als 8s sich in der Zahl unserer Sitze zu erkennen gibt. Wir gelten im Lande mehr als hier nach der Zahl unserer Sitze. Meine Freunde im Lande haben in der Selbstverwaltung sehr viel getan zur Entwicklung des Vaterlandes. Dafür verlangen wir, daß die Selbstverwaltung ausgedehnt 5 möglichst dezentralisiert wird. Ich bedauere, daß Herr von Heydebran am Sonnabend dem Abg. von Zedlitz Vorwürfe gemacht hat bezüg⸗ lich der Form der Angriffe gegen den Kultusminister. Ich glaube, daß die Kritik daͤrüber nur dem Präsidenten zusteht. Im übrigen will ich mich in den Streit über die Form nicht mischen. muß aber bestreiten, daß ein Führer der Mehrheit der Regierung gegenüber zu anderen Formen sich für berechtigt halten dur⸗ als ein Mitglied der Minderheit, wie der Abg. von Heydebrand e zu erkennen gab. Jeder Abgeordnete ist hierher gesandt, uc seinen Ueberzeugungen Ausdruck zu geben, mag nun dieser Ausdru scharf sein oder nicht. Die Worte des Abg. von Heydebrand eruse an den bekannten Ruf eines seiner Freunde: Ruhe in der Mia dens Die Gestaltung der Mehrheitsverhältnisse in diesem Hause sollte 2 anlassung geben, daß wir nicht in Zustände gelangen, in uns immer nur mit einem Minister zu unterhalten haben. de Ministerpräsident sollte nicht bloß in einer Korporation, sondern dle im Abgeordnetenhause im Interesse der Klarheit seine 3 8 entwickeln. Wir haben stets den nationalen Standpunf vertreten und müssen die Kritik des Reichskanzlers, die ber an unserer Partei geübt hat, zurückweisen. Herr hunq be nur am Sonnabend gesagt, daß die Schulfrage eine varions K.- Herr Porsch sprach darauf von uns als nationalen Mustertnader Wie kommt der Abg. Porsch dazu, uns ein Jonglieren ml. 8— nationalen Geist vorzuwerfen? Ein solcher Vorwurf wäre doch 2 berechtigt, wenn wir unserseits einer anderen Partei einen d sm Vorwurf gemacht hätten. (Zuruf aus dem Zentrum: Ihre Pref d. Wahlkampf!) Wir werden uns durch solche Angriffe nicht ve lassen, auch fernerxhin für unsere Ueberzeugung, namentli 2 4 Gebiete der Schule, einzutreten, und wir werden die Mächte 88 8 sturzes bekämpfen, uns aber nicht als Troß und Bagage der⸗ 6 aktionären Parteien behandeln lassen. Das Vaterland kann nen 24 deihen, wenn unsere Ideen anbders verwirklicht werden, als es in
letzten Jahren geschehen ist.
W
8
Berlin, Dienstag, den 19. März
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. von Studt: Meine Herren! Ich will dem Herrn Vorredner auf das Gebiet der
hohen Politik nicht folgen. Ich beschränke mich nur auf die Be⸗ merkung — da der Herr Abg. Cassel auf die persönlichen Angriffe zurückgekommen ist, die Herr Abg. Freiherr von Zedlitz am Sonn⸗
abend sich gegen mich gestattet hat —, daß, wie ich glaube, ich diesen
Angriffen die richtige Behandlung habe zuteil werden lassen dadurch, daß ich sie ignorierte. In dieser Ueberzeugung werde ich mich auch
durch die heutigen Ausführungen des Herrn Abg. Cassel nicht irre⸗
machen lassen. Ich möchte noch hinzufügen, daß ich aus den Dar⸗ legungen des Herrn Freiherrn von Zedlitz diesmal nur den Eindruck habe gewinnen können, daß es sich nicht um einen seiner gewohnten
Husarenritte, sondern um ein Husarenfieber handele. (Heiterkeit rechts.) Und die Tatsache, daß der lebhafte Beifall, der ihm namentlich
von der äußersten Linken dieses Hauses zuteil wurde, von seiner eigenen Fraktion nicht unterstützt worden ist (sehr richtig! rechts), in ihr viel⸗ mehr gerade in diesem Augenblick eine eisige Kälte geherrscht hat, bestärkt mich in der Richtigkeit meiner Auffassung. Damit kann ich das Thema wohl verlassen.
Im ersten Teil seiner Ausführungen ist Herr Cassel auf die
Abtrennung der Medizinalverwaltung von dem Kultusministerium näher eingegangen, und ich gebe ohne weiteres zu, daß diese Frage
durchaus erwägenswert ist. Sie ist auch nicht neu, sondern wiederholt erörtert. Den Herren wird aus den Verhandlungen der zweiten Be⸗
ratung über den Etat des Ministeriums des Innern wie auch aus den Erklärungen, die der Herr Unterstaatssekretär in meiner Vertretung in der Budgetkommission abgegeben hat, erinnerlich sein, daß zuletzt in den Jahren 1901 und 1902 von dem damaligen Minister des Innern die der Medizinalverwaltung vom Kultusministerium und deren Ueber⸗ weisung an das Ministerium des Innern angeregt ist. Es haben hierüber eingehende Verhandlungen stattgefunden, die der Schwierigkeit der Materie mit beiderseitigem verständnis eingestellt wurden. Inzwischen hat bekanntlich ein Personenwechsel im Ministerium des Innern gefunden, und der Nachfolger des damaligen Ministers hat die Frage bisher nicht wieder aufgenommen. Auch für mein Ressort
lag dazu um so weniger Veranlassung vor, weil die Medizinalabteilung
in dieser Zeit mit der Lösung wichtiger, von mir bereits in Angriff genommener Aufgaben beschäftigt war. Es handelte sich damals wesentlich um die Ausgestaltung des Kreisarztwesens, auch um die weitere Organisation der Aerztekammern, und endlich war in Vor⸗ bereitung die von mir als dringend notwendig erkannte Neuordnung der Seuchengesetzgebung, die auf einer unzureichenden Verordnung aus dem Jahre 1835 beruhte. Dies Gesetz ist bekanntlich 1905 unter großen Schwierigkeiten zustande gekommen.
Was nun die dauernde Belassung der Medizinalabteilung beim Kultusministerium betrifft, so sprechen dafür sehr gewichtige Gründe. Schon der Herr Abg. Cassel hat die Entstehungsgeschichte der Medizinalabteilung berührt.
Nachdem die Verordnung vom 16. Dezember 1808, betr. Aende⸗ rung der Behördenorganisation, die gesamte innere Landesverwaltung dem neu geschaffenen Ministerium des Innern übertragen hatte, be⸗ stimmte die Verordnung vom 3. November 1817: Der Minister des
ab. Damit wurde das Kultusministerium ins Leben gerufen,
und es wurden gleichzeitig für das Medizinalwesen zwei Ressorts
geschaffen: das eine für das Medizinalwesen mehr nach seiner wissenschaftlichen Seite hin und das andere zur allgemeinen Landespolizei gehörende Medizinalpolizei. Letztere
verblieb beim Ministerium des Innern. Meine Herren, aus dieser
Duplizität haben sich vom Beginn an und fortgesetzt in gesteigertem Maße die erheblichsten Kompetenzschwierigkeiten ergeben. So mußte bei der großen Choleraepidemie im Jahre 1831 zur Bekämpfung der
Seuche unter Ausschaltung der Ministerien eine besondere Immediat⸗ kommission eingesetzt werden. Endlich einigte sich das Staats⸗ ministerium unter Zustimmung der beiden beteiligten Ministerien dahin, daß das gesamte Medizinalwesen einschließlich der Medizinal⸗ volizei dem Kultusministerium zu überweisen sei. Dies geschah dann durch die Allerhöchste Ordre vom 22. Juni 1849. Seitdem ist die gesamte Medizinalverwaltung bei dem Kultusministerium geblieben.
Bei der Frage der Ueberführung der Medizinalverwaltung an das Ministerium des Innern wird in der Resolution nur von der Sanitäts, und Medizinalpolizei gesprochen. Das ist nicht richtig. Die Medizinalverwaltung umfaßt nicht bloß die Sanitäts⸗ und Medizinalpolizei, sondern auch das gesamte Heilwesen, ins⸗ besondere den Aerztestand. Um den Aerztestand auf seiner er⸗ freulichen Höhe zu erhalten, ist nicht nur seine Ausbildung, sondern auch seine wissenschaftliche Forthildung zu sichern. Diese wird bei dem Ministerium, welchem die Universitäten unterstellt sind, besser aufgehoben sein, als bei dem Polizeiministerium. duch die Standesorganisationen der Aerzte, die Aerztekammern und die ärztlichen Ehrengerichte, haben an sich mit einem Polizei⸗ ninisterium nichts zu tun. Andererseits darf ich hervorheben, daß ie Sanitäts⸗ und Medizinalpolizei in immer gesteigertem Grade
C1.“ von der Unterrichtsverwaltung Ihnen vor Augen iu führen.
Abtrennung aber wegen Ein⸗
statt⸗
für die
nicht erfolgt. Innern gibt das Departement für den Kultus und den öffentlichen bbe e hiülng üdescher Lehrer am
Unterricht und das damit in Verbindung stehende Medizinalwesen
unter dem Einfluß der wissenschaftlichen Medizin steht und jedenfalls zur Zeit noch nicht der Beziehung zu den zahlreichen wissenschaftlichen
Anstalten an den Universitäten entbehren kann. Auch möchte ich
nicht unerwähnt lassen, daß nicht alle Polizeisachen dem Ministerium
5 Innern und der Polizei unterstellt sind. Ich brauche nur an die senbahnpolizei, an die Baupolizei, an die Handels⸗ und Gewerbe⸗ ü;8 und die Veterinärpolizei zu erinnern. (Abg. Dr. Heisig: Sehr
ig!) Ich will das Thema nicht weiter erörtern, meine Herren. genügt die kurze Darlegung, um die Schwierigkeiten einer Trennung
Schulverwaltun
Aber eins, meine Herren, muß ich noch hervorheben. Mit der Abtrennung einer einzelnen Verwaltung, die im Verhältnis zu den anderen Verwaltungen nicht einmal den größten Geschäftsumfang des mir unterstellten Ressorts darstellt, würde die zweifellos vorhandene Ueberlastung meines Ministeriums nicht beseitigt werden. Es drängt sich von selbst die auch bei verschiedenen Veranlassungen angeregte und erörterte Frage auf, ob nicht überhaupt eine größere Teilung des Ressorts stattzufinden hätte. Aber in dieser Beziehung erheben sich gleich wieder von vornherein sehr große grundsätzliche Schwierigkeiten, die auch hier schon in diesem hohen Hause kundgegeben worden sind. Auf der einen Seite wurde befürwortet, es möchte lediglich die ganze Unterrichtsverwaltung in einem Ministerium vereinigt werden, während andererseits wieder Wert darauf gelegt wurde, daß mit der Unter⸗ richtsverwaltung auch die Kultusverwaltung verbunden bleiben müsse, und dieser letztere Gedanke ist dann namentlich von nationalliberaler Seite sofort als völlig unannehmbar bezeichnet worden. Die Herren sehen also, welche Schwierigkeiten sich bei einer anderweiten Ressort⸗ abgrenzung ergeben. Angesichts der zweifellos vorhandenen Ueber⸗ lastung meines Ressorts habe ich es jedoch als meine Pflicht ange⸗ sehen, das Material für eine angemessene Erledigung der Frage einer Teilung des Ressorts zu sammeln.
Seit dem Jahre 1881, seit der Zeit, wo mein Herr Vorgänger von Goßler das Ministerium übernahm, ist geradezu eine Verdoppelung der Geschäfte des Kultusministerlums eingetreten, und es hat sich die Zahl der Journalnummern in den sieben Jahren, wo ich die Ehre habe, an der Spitze des Ressorts zu stehen, um 25 700 Nummern allein vermehrt. Rechnen Sie außerdem dazu die gewaltige Zunahme der tiefgreifendsten wissenschaftlichen, kulturellen und sozialen Aufgaben auf fast allen Gebieten meines Ressorts, so werden Sie zu der Ueber⸗ zeugung gelangen, daß über kurz oder lang eine Teilung dieses Ressorts notwendig ist.
Ich schließe mit der Erklärung, daß die gesamten Fragen wegen einer Entlastung des Ministeriums meinerseits einer sorgfältigen Er⸗ wägung und Vorbereitung unterzogen worden sind und, wie ich glaube, in nicht allzuferner Zeit zum Abschluß kommen müssen, wenn nicht die mir anvertrauten Interessen Schaden leiden sollen. (Bravo!)
Ministerialdirektor D. Schwartzkopff: Der Minister hat mich beauftragt, die speziellen Fragen des Abg. Cassel zu beantworten. Die Bemerkung in dem Kommentar des Geh. Rats von Bremen zum Schulunterhaltungsgesetz bezieht sich nur auf die Schulvorstände in den Einzelgemeinden, die mit der inneren Verwaltung betraut sind, während in den Gesamtschulverbänden der Vorstand nach anderen Gesichtspunkten zusammengesetzt ist. Das sind zwei ganz verschiedene Dinge. Für den Schulvorstand der Einzelgemeinde schrieb die Re⸗ gierung damals vor, daß darin der Lokalschulinspektor sein solle; das wurde von den Nationalliberalen bekämpft, und es wurde die Be⸗ stimmung angenommen, die Aufsichtsbehörde solle den Vorsitzenden in diesem Vorstand ernennen, nachdem die Regierung ausdrücklich erklärt hatte, daß sich in ihrer Praxis darin nichts ändern werde. Zur Frage der jüdischen Lehrerinnen und des jüdischen Religionsunterrichts muß ich mich etwas vorsichtig ausdrücken: wenn schon aus dem Wort „unbe⸗ dingt“ Schlußfolgerungen gezogen werden sollen, deren Tragweite ich nicht übersehen kann, so ist es begreiflich, wenn ich mich einer ge⸗ wissen Zurückhaltung in der Ausdrucksweise befleißige. Soweit ich Herrn Cassel folgen konnte, besteht eigentlich eine Differenz unserer Auffassungen nicht. Das Gesetz wollte den geltenden Rechts⸗
zustand bezüglich der Anstellung jüdischer Lehrer an christlichen Schulen
unberührt lassen, irgend eine Erweiterung des geltenden Rechts ist Ich sehe deshalb die Zweifel des Abg. Cassel nicht ein.
christlichen Volksschulen steht die Unterrichtsverwaltung noch auf dem Standpunkt des Ministers Falk, daß diese Anstellung nur zulässig ist, soweit jüdischer Religionsunterricht nötig ist. Darin besteht zwischen Herrn Cassel und mir keine Differenz, ich übersehe nur nicht, ob er etwa meint, daß die Anstellung jüdischer Lehrer Sache der Gemeinden allein ist; sie bedarf natürlich der Genehmigung der Schulaufsichts⸗ behörde, die das Bedürfnis prüft. Auch für die speziellen Berliner Verhältnisse steht die hter e twnnen auf dem Boden des Ministers Fenr. Auch hier hat Falk erklärt, daß die Anstellung jüdischer Lehrer an christlichen Volksschulen nur so weit zuzulassen sei, als es zur Erteilung des Religionsunterrichts notwendig ist. Diese Entscheidung erging 1876, und die Berliner Schulverwaltung machte von dieser Befugnis einen etwas weitgehenden Gebrauch. Im Jahre 1894 entstand eine sehr lebhafte Bewegung in Berlin, weil die Berliner Schulverwaltung evangelischen Religionsunterricht durch jüdische Lehrer erteilen ließ. Damals erließ der Minister Goßler 1895 die Bestimmung, daß jüdlsche Lehrer zur Erteilung des Religions⸗ unterrichts 1r seien, aber daß sie mindestens 12 Stunden jüdischen Religionsunterricht erteilen müßten, und daß sie dann darüber hinaus in anderen Fächern unterrichten könnten. Das Provinzialschulkollegium machte dann in einzelnen Fällen die Erfahrung, daß doch über den Rahmen dieser ministeriellen Vorschrift hinaus von der städtischen Schul⸗ verwaltung in Berlin in weiterem Umfange jüdische Lehrerinnen heran⸗ gezogen wurden, selbst da, wo es sich überhaupt nicht um jüdischen Religionsunterricht handelte, sondern um andere Fächer. Dagegen glaubte das Provinzialschulkollegium einschreiten zu müssen, die städtische Schuldeputation erklärte aber, sie könne das Prinzip von 1895 nicht konsequent durchführen, weil öfter eine evangelische Lehrerin zur Vertretung nicht vorhanden wäre, und deshalb müsse sie öfter auf eine jüdische Lehrkraft zurückgreifen; sie bat um die generelle Ermächtigung, in geeigneten Fällen zur Ver⸗ tretung eine Lehrkraft eines anderen Bekenntnisses heranziehen zu dürfen. Dagegen hat sich das Pterte vt wreüales mit Recht ablehnend verhalten; es erklärte, es sei an die Entscheidung des Ministers gebunden und könne eine generelle Ermächtigung nicht er⸗ teilen. Die städtische Schuldeputation beschwerte sich darauf beim Minister, 8h Entscheidung aber noch nicht ergehen konnte, weil es noch nicht gelungen ist, die genauen Zahlen des Vertretungsverhält⸗ nisses in Berlin zu erhalten. In Berlin besteht das eigentümliche Verhältnis, daß auf 4000 evangelische Lehrkräfte ca. 500 evangelische Vertretungen kommen, dagegen auf 50 jüdische Lehrerinnen 50 jüdische Vertreterinnen. Es scheint also ein gewisses Mißverhältnis zu Gunsten der jüdischen Lehrerinnen vorzuliegen. Daß es nicht genug evangelische Lehrkräfte gibt, kann ich nicht anerkennen. Wenn Herr Cassel wünscht, könnte ich ihm Dutzende nennen; jedenfalls ist aus diesen Verhältnissen keine bureaukratische Handhabung der zu Lelgem. Den Vorwurf des bureaukratischen Ver⸗
fahrens wollte Herr Cassel sodann mit dem Fall Penzig begründen.
Es ist mir eine aufrichtige Freude, daß dieser Fall hier zu Sprache
nisse klargestellt werden können.
gebracht worden ist, damit endlich einmal die tatsächlichen Verhält⸗ Der Abg. Cassel hat vielleicht die
Verfügung nicht gelesen, durch die die Bestätigung des Herrn Dr. Penzig fuͤr die Charlottenburger Schuldeputation versagt worden ist. Ich stelle fest, daß nach der Verfügung Herr Dr. Penzig nicht deshalb nicht bestätigt worden ist, weil er die Anschauung hat, daß der Religions⸗ unterricht durch einen Moraluntericht ersetzt werden soll, sondern darum, weil er diese Anschauung in Wort und Schrift in scharfer agitatorischer Weise zum Ausdruck gebracht hat. Nach den bestehenden orschriften ist aber der Religionsunterricht ein Hauptbestandteil des Unterrichts überhaupt, und von diesem Grundsatz aus war Herr Dr. Penzig nicht geeignet, in der Schulverwaltung mitzuwirken. Herr Dr. Penzig ist nicht nur der ideale Schwärmer einer Weltanschauung, auf die ich hier nicht näher eingehen will, sondern er vertritt sie z. B. in seiner Schrift „Der Kampf um die Volksschule“ dahin, daß er die Mithilfe der Sozialdemokratie erhofft, um den Religionsunterricht aus der Schule auszuschalten. Er meint, daß, wie man auf die Dauer nicht Politik gegen das Volk treiben könne, die Regierung auch auf die Dauer nicht den Religionsunterricht gegen den ausgesprochenen Willen des Volkes werde beibehalten können; wenn erst zu April und Ostern jedesmal 4⸗ bis 500 Unterschriften zur Dispensation vom Religionsunterricht einlaufen, wenn in Zehntausenden von Unterschriften gegen den Religionsunterricht in der Schule protestiert wird, dann brauche man es gar nicht mehr erst auf die Kraftprobe ankommen lassen, ob die Re⸗ gierung auch genug polizeiliche Organe besitze, um ebentuell die nötigen Zwangsmaßregeln zu ergreifen; einer solchen Bewegung werde die Regierung nicht standhalten können. Auch an anderen Stellen hat 5 r. Penzig immer S daß es darauf ankomme, die ozialdemokratie zum passiven Widerstand gegen den Religionsunter⸗ richt zu bringen. Die katholischen Geistlichen, die die polnischen Kinder zum Schulstreik veranlaßt haben, sind mit schweren Gefängnis⸗ strafen belegt worden; Herr Dr. Pensig mag sich ja etwas vorsichtiger ausdrücken, aber sein Standpunkt ist nicht weit entfernt davon. Einen solchen Mann, der die Sozialdemokratie zu Hilfe gegen den Religionsunterricht ruft, soll die Regierung in die Schulverwaltung einstellen?! Das wäre eine Pflichtwidrigkeit ersten Ranges. Es war lediglich die Notwendigkeit, die staatliche Autorität über die Schule aufrecht zu erhalten, wenn zweimal die Ablehnung des Antrages der städtischen Verwaltung in Charlottenburg verfügt wurde. Herr Dr. Friedberg hat nun noch einen zweiten 38 vorgetragen, in dem er ein bureaukratisches Verfahren sieht. s handelt sich um den Nichtempfang einer Lehrerdeputation aus Rheinland⸗Westfalen. Der Magdeburger Lehrertag hatte bekanntlich ein Mindestgehalt von 1350 ℳ und 150 ℳ Zulage gefordert; das würde dem Staate 30 Millionen kosten. Aber gegen diesen Beschluß des Lehrertages erfolgten aus Lehrerkreisen verschiedene Widersprüche, so wollte man 1500 ℳ Grundgehalt und 200 ℳ Alterszulage, was 51 Millionen kosten würde. Einem Verein zur Wahrung wirtschaft⸗ licher Interessen des Lehrerstandes in Rheinland⸗Westfalen gerlaf⸗ auch das nicht mehr, er verlangte 1850 ℳ und 250 ℳ lterszulage, das würde etwas über 100 Millionen kosten. Diese Verein legte seine Wünsche in einer dicken Broschüre nieder und ba außerdem um einen persönlichen Empfang durch den Minister. Die Unterrichtsverwaltung antwortete, daß sie die Deputation nich empfangen könne. Was denkt Herr Dr. Friedberg, was wir ander antworten sollten? Entweder konnten wir noch sagen, der Empfang der Deputation wäre zwecklos gewesen, das hätte man dann wieder Bureaukratismus genannt, oder man hätte die Deputation empfangen und sie mit einigen wohlwollenden Worten wieder abgehen lassen dann hätte die Lehrerschaft sofort daraus gefolgert und verkündet, daß die Unterrichtsverwaltung pesen diese Forderungen nichts einzuwenden habe. Unsere Form der Absage ist eine durchaus milde gewesen, viel leicht eine zu milde. Ich erhoffe von der Objektivität des Herrn Dr Friedberg, daß, wenn ihm im Falle Penzig und im Falle des Empfanges dieses Vereines die Tatsachen genau bekannt gewesen wären er sein Urteil über die bureaukratische Handhabung in der Schul⸗ Eö“ Revision unterzogen hätte. “ Abg. Dr. Heisig (Zentr.): Auch ich habe mich über die Form ver⸗ wundert, in welcher am Sonnabend die Angriffe des Herrn von edl itz erfolgten. Nachher stellte sich ja heraus, daß er nur für seine Pes gesprochen hatte. Herr von Zedlitz hatte u. a. gemeint, die Klagen der Lehrer über die geistliche Ortsschulaufsicht wollten nicht auf⸗ hören. Mein Vater war Lehrer und stand unter geistlicher Orts⸗ und Kreisschulinspektion, auch habe ich Lehrer als Verwandte in meiner Familie, aber niemand hat sich noch darüber beschwert und Plagt, daß die Schulinspektion ihn irgendwie beeinträchtigt habe. Die Leute fühlen sich außerordentlich wohl dabei. Wir wollen das Verdienst des Ministers um den Religionsunterricht durchaus an⸗ erkennen. Aber einige Wünsche habe ich doch noch vorzutragen, zu⸗ nächst den um die Gleichstellung der Oberlehrer mit den Richtern, wie überhaupt eine völlige Gleichstellung zwischen Beamtenkategorien mit akademischer Vorbildung angebracht wäre. Weiter wollte ich bitten, daß die Seminarlehrerinnen bessergestellt würden, die etwa 50 % des Einkommens der Seminarlehrer haben, wohingegen sonst 8 das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Arbeitskräften auf dem Lande nur 32 % beträgt und in der Industrie fast gar nicht vorhanden ist. Die Anträge wegen Regelung der Lehrergehälter werden ja in der Kommission geprüft werden. Mir liegen ferner zwei Petitionen katholischer Lehrer aus Oberschlesien vor, und ich unter⸗ stütze die darin geäußerten Bitten, daß den Lehrern in den gemischt⸗ sprachigen Landesteilen eine feste Zulage gegeben wird, und daß diese unwiderruflich ist. Die Gleiwitzer Schulverhältnisse lassen sehr viel zu wünschen übrig. Zunächst haben sehr viele Kinder viel zu große Entfernungen, bis zu 3 km, zurückzulegen. Bei der VI. Schule z. B. kommen auf 563 deutsche Schüler 770 polnische, ein Erfolg im Unterricht ist da außerordentlich erschwert. Der Schulhausbaufonds muß besser verteilt werden nach der Leistungs⸗ fähigkeit der Gemeinden. Die Zahl der Schüler in der Stadt Gleiwitz hat derart zugenommen, daß in einem Zimmer 70 bis 80 Schüler sitzen. Die Petitionen der Stadt Gleiwitz um Abhilfe sind nicht berücksichtigt worden, die Stadt kann aber ihre Steuern nicht mehr erhöhen; wir haben schon 250 bis 260 % Realsteuern, also sogar mehr, als nach dem Kommunalabgabengesetz eigentlich zulässig ist. Die Eisenbahnverwaltung ist nicht gewerbesteuerpflichtig, aber den größten Teil der Schullasten hat der Stadt gerade die Eisenbahnverwaltung gebracht, und zum 1. April sollen noch 300 neue Eisenbahnbeamte nach Gleiwitz kommen. Statt einer Staatsunterstützung hat die Regierung die Gemeinde einfach auf Sparsamkeit hingewiesen. Wenn die Unterstützung jetzt gegeben würde, würde das Sprichwort wahr gemacht: bis dat, qui cito dat. Bei dem Krankenhaus bestehen gleichfalls Miß⸗ tände. Bei dem Hirschberger Giftmordprozeß ist festgestellt, daß der behandelnde Arzt die Vergiftung nicht ermitteln konnte, sondern daß erst nach der Exhumierung das Gift nachgewiesen wurde. (Präsident von Kröcher erinnert den Redner daran, aß dies nicht beim Kultusministerium, sondern beim Justizministerium zu behandeln sei.) Ich wollte nur bemerken, daß der Hirschberger Prozeß gegen die Leichenverbrennung spricht. Als der Redner sodann noch auf die Ver⸗ unreinigung eines Baches bei Gleiwitz eingehen will, wird ihm vom Fissggenüen unter der Heiterkeit des Hauses bemerkt, daß er dies beim Ministerium des Innern 88 beiegeg müsse. Abg. Ernst (frs. Vag.): Bei der Lehrerbesoldung muß r Stadt
Arbeit gemacht werden behufs der Gleichstellung der Lehrer in und Land, damit die Freizügigkeit gewährleistet wird. Was die An⸗