Schluß 5 Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch, den 10. April, 2 Uhr. (Kleinere Vorlagen, zweite Lesung des Reichshaus⸗ haltsetats für 1907, Reichsamt des Innern.)
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Preußischer Landtag.
Haus der Abgeordneten.
Sitzung vom 20. März 1907, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Die Rede, die bei der Beratung des Antrags des Abg.
Dr. Freiherrn von Erffa, in dem Gesetzentwurf, betreffend
die Feststellung des Staatshaushaltsetats für das
Rechnungsjahr 1907, folgenden § Za einzuschieben:
„Die bis zur gesetzlichen Feststellung des Staatshaushaltsetats
und der Axnlage dazu innerhalb der Grenzen derselben geleisteten
AlMusgaben werden hiermit nachträglich genehmigt“,
der Finanzminister Freiherr von Rheinbaben gehalten hat,
hatte nan eenden Wortlaut:
Meine Herren! Herr Freiherr von Eeffa hat seinen großen Verdiensten als Vorsitzender der Budgetkommission um die Finanz⸗ gebarung des Staats ein neues hinzugefügt, indem er einen Ausweg aus der Situation gewiesen hat, die sich daraus ergibt, daß wir
leider auf eine rechtzeitige Verabschiedung des Etats nicht mehr rechnen können. Es wird uns durch die Vollmacht, die er uns zu eben beantragt hat, die Möglichkeit gegeben, die Geschäfte in der gewünschten Weise fortzuführen, andererseits wird uns aber ein großes
Maß von Verantwortung auferlegt.
Was zunächst die laufenden Ausgaben betrifft, so würden wir uns für ermächtigt halten, dieselben in dem Rahmen des vorjährigen Etats, des Etats für das Etatsjahr 1906, zu leisten. Schwieriger wird die Situation, soweit es sich um neue Ausgaben handelt, die erst in den Etat für 1907, der noch nicht verabschiedet ist, eingestellt sind. Ich bestätige die Auffassung des Herrn Freiherrn von Erffa, daß wir zu diesen neuen Ausgaben uns nur dann für ermächtigt er⸗ achten werden, wenn es sich um dringliche und notwendige Leistungen handelt, und wenn wir annehmen können, daß das hohe Haus seine Zustimmung dazu geben wird.
Das ist ja bei einer sehr großen Anzahl von Positionen der Fall, die nicht nur in der ersten Lesung, sondern bereits in der zweiten Lesung dieses hohe Haus passiert haben; nur ein Teil des Kultus⸗ etats steht noch aus sowie der Bauetat. Auch da würden wir uns nur dann zur Leistung der betreffenden Ausgaben für ermächtigt halten, wenn die betreffende Position in der Budgetkommission nicht angefochten ist.
Es handelt sich da vor allem um die Besetzung neuer Stellen, es handelt sich da um die Gewährung von Gehaltszulagen auf Grund der beantragten Gehaltserhöhungen und vor allem um die Vor⸗ bereitung von Bauten. Es würde unter Umständen ein ganzes Bau⸗ jahr verloren gehen, wenn man nicht mit den Vorbereitungen der Bauten alsbald beginnen könnte, wenn man nicht die Beamten an Ort und Stelle schicken könnte, die die Verdingungen vorbereiten könnten und dergleichen, sodaß mit der Bauausführung sofort begonnen werden kann, wenn der Etat verabschiedet ist.
Feste Regeln im einzelnen, wie wir hiernach verfahren werden, lassen sich nicht aufstellen; das muß der ressortmäßigen Verantwortung jedes einzelnen Ressortchefs überlassen bleiben. Wir werden aber be⸗
müht sein, die Geschäfte des Landes in ordnungsmäßiger Weise weiter⸗ zuführen und andererseits den Intentionen des hohen Hauses, wie sie bei der zweiten Lesung des Etats und bei der Beratung in der
Budgetkommission sich kundgegeben haben, nach Möglichkeit zu ent⸗ sprechen.
Bei der zweiten Beratung des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts⸗und Medizinalangelegen⸗ heiten, die im Kapitel „Elementarunterrichtswesen“ bei den Ausgaben für die „Schulaufsicht“ fortgesetzt wird, und zwar zu den Besoldungen der Kreisschulinspektoren bemerkt
Abg. Dasbach (Zentr.): Bei den letzten Wahlen soll im Kreise Trier ein Kreisschulinspektor eine Lehrerkonferenz einberufen und die Lehrer vor der Wahl des Zentrumskandidaten gewarnt haben. In dem Kreise Euskirchen soll der Kreisschulinspektor Hochheim an die Lehrer die Mahnung gerichtet haben, sich auf ihre Königstreue zu besinnen und ihre Stimme weder einem Abgeordneten des Zentrums noch einem Sozialdemokraten zu geben; der Minister erwarte, daß die Lehrer sich an der Wahl beteiligen würden. Diese Mahnung ist zum mindesten sehr überflüssig, denn die Lehrer sind so weit gebildet, daß sie sich ein Urteil selbst bilden können, ob sie ihre Stimme ab⸗
eben sollen oder nicht. Im übrigen protestiere ich dagegen, daß ein Königlich preußischer Kreisschulinspektor sich herausnimmt, dem Zentrum die Königstreue abzusprechen. Selbst Fürst Bülow ist in seinem Silvesterbriefe so weit nicht gegangen; er hat die hervorragenden Verdienste des Zentrums um die Gesetzgebung ausdrücklich anerkannt. Auch in Kreisen, die nicht dem Zentrum angehören, werden die Ver⸗ dienste des Zentrums zugegeben, wie ein Artikel der „Evangelisch⸗ lutherischen Kirchenzeitung beweist. (Präsident von Kröcher: Das geht doch ein bißchen zu weit!) Ich stelle also fest, daß sie allgemein anerkannt werden. 1 1
Ministerialdirektor D. Schwartzkopff: Was den ersten Fall betrifft, so kann die Verwaltung das Verfahren des Kreisschul⸗ inspektors nicht ganz billigen. Der Bericht über den zweiten Fall ist en nicht eingegangen; es kann also darüber kein Urteil abgegeben werden.
Die Abgg. Ernst (frs. Vgg.) und Dr. Arendt (freikons.) befür⸗ worten Erhöhung der Gehälter der Kreisschulinspektoren und Gleich⸗ stellung mit den Seminardirektoren.
Der Titel wird bewilligt.
Bei den Vergütungen für Reise⸗ und sonstige Dienst⸗ unkosten der Kreisschulinspektoren beschwert sich
Abg. Dr. Krüger (kons.) über die Ueberlastung der Kreisschul⸗ inspektoren seiner Heimat infolge der weiten Entfernungen, die sie bei den Revisionen zurückzulegen haben.
Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat von Bremen sagt Prüfung dieser Beschwerde zu.
Als Entschädigungen an Ortsschulinspektoren für die Teilnahme an amtlichen Kreiskonferenzen werden 50 000 ℳ und als Entschädigungen an Elementarlehrer und ⸗lehrerinnen für die Teilnahme an amtlichen Kreiskonferenzen 302 500 ℳ gefordert.
Abg. Viereck (freikons.): Diese Konferenzen sind im hohen Grade geeignet, den kollegialen Zusammenhalt unter den Lehrern zu
ärken und Fühlung zwischen Eltern, Kindern und Lehrern
herzustellen. Der gesellschaftliche Umgang mit den Lehrern ird den Rektoren und Sculinspektoren b
.*
“
elegenheit geben, diese
näher kennen zu lernen, als es im Amt moöglich ist. Viel⸗ leicht könnte in dem betreffenden Titel das Wort „Kreis“ gestrichen efshen; es ist richtiger, wenn die Konferenzen nur einen Bezirk um⸗ assen. Geheimer Oberregierungsrat Klotzsch erkennt die Berechtigung der von dem Vorredner gegebenen Anregung an; die Streichung des Wortes „Kreis“ sei aber nicht nötig, da unter „Kreiskonferenzen“ alle Konferenzen zu verstehen seien, an denen der Kreisschulinspektor teilnehme.
Abg. Hirt (kons.) regt eine Erhöhung der Entschädigung für die Ortsschulinspektion an. 1 8 8 8 den Ausgaben für die höheren Mädchenschulen emerkt
Abg. Dr. Arendt (freikons.): Bei der Reform des Mädchenschul⸗ wesens muß auch das Berechtigungswesen geregelt werden. Auch auf eine Neuorganisation des Mittelschulwesens und die Regelung der Be⸗ soldungsverhältnisse der Mittelschullehrer müssen wir rechnen. Die Beihilfen zur Unterhaltung höherer Mädchenschulen betragen in diesem Etat nur 345 000 ℳ, die zur Unterhaltung nicht staatlicher Lehrerinnenbildungsanstalten nur 60 000 ℳ Eine Erhöhung hat nicht stattgefunden; der Staat sollte mit stärkeren Mitteln ein⸗
greifen.
Minister der geistlichen, Unterrichts⸗ angelegenheiten Dr. von Studt:
Meine Herren! Der Herr Abgeordnete hat zu Beginn seiner Ausführungen zunächst eine nähere Auskunft gewünscht über den Reformplan für das höhere Mädchenschulwesen. Ich behalte mir vor, diese Auskunft zu erteilen bei dem Kapitel über die höheren
Unterrichtsanstalten, sobald es da gewünscht wird.
Was aber, meine Herren, die materielle Ausgestaltung des höheren Mädchenschulwesens anbetrifft, so kann ich doch die von dem Herrn Abgeordneten vorgebrachte Klage über eine nicht genügende Be⸗ rücksichtigung der beteiligten Interessen nicht in vollem Umfange an⸗ erkennen. Meine Herren, ich habe sofort zu Beginn meiner ministeriellen Tätigkeit es erreicht, daß im Jahre 1900 der betreffende Titel um 60 000 ℳ, im Jahre 1902 um 50 000 ℳ, im Jahre 1904 wiederum um 50 000 ℳ und im Jahre 1905 um 15 000 ℳ verstärkt worden ist. Das bedeutet gegenüber den ursprünglichen Summen doch eine gewaltige Aufbesserung. Nun kommt noch hinzu, daß im Jahre 1904 der Titel 31 b „Beihilfe zur Unterhaltung nicht staatlicher Lehrerinnen⸗Bildungsanstalten“ neu eingeführt worden ist mit 50 000 ℳ und im Jahre 1905 auf 60 000 ℳ erhöht worden ist.
Nun, meine Herren, ich glaube, daß diese Summen doch eine be⸗ deutende Verbesserung darstellen; und wenn für das neue Etatsjahr keine Erhöhung stattgefunden hat, so erklärt es sich daraus, daß der Abschluß der von mir im vorigen Jahre in Angriff genommenen Reform des höheren Mädchenschulwesens doch wohl angemessener Weise abzuwarten sein wird, um mit größeren Anforderungen vor dieses hohe Haus zu treten. Ich glaube, damit den Beweis geführt zu haben, daß meinerseits alles geschieht, die berechtigten Interessen zu fördern.
Ich muß aber anerkennen, daß, wenn man damit die bloßen Zahlen der Opfer vergleicht, die der Staat für die höhere Knaben⸗ schulbildung bringt, die Fürsorge für die höheren Mädchenschulen sich immerhin noch in bemerkenswertem Rückstande befindet. Diesen zu beseitigen, soll eine der wichtigsten Aufgaben der Unterrichts⸗ verwaltung sein.
Abg. Ernst: (frs. Vag.): Nicht Gleichartigkeit, sondern Gleich⸗ wertigkeit der Erziehung beider Geschlechter ist das erstrebenswerte Ziel. Die Reform des höheren Mäaädchenschulwesens darf nicht weiter hinaus⸗ geschoben werden. Ist es gerechtfertigt, das Zölibat der Lehrerinnen noch aufrecht zu erhalten? In England gibt es viele verheiratete Lehrerinnen.
Abg. Hirt (kons.): Mit Spannung sieht man den Ausführungen des Ministers über die Reform des höheren Mädchenschulwesens entgegen. Wir erwarten, daß die Reform auch den Lehrern und Lehrerinnen voll gerecht werden und ihre Besoldungsverhältnisse regeln wird.
Zur Erleichterung der Volksschullasten sind an Beihilfen für Gemeinden 29 360 000 ℳ, d. s. 300 000 ℳ mehr als im Vorjahre, ausgeworfen.
Abg. von Lucke⸗Büttnershof (kons.) beschwert sich über schwere Belastung kleiner Landgemeinden mit Schullasten und namentlich darüber, daß im Regierungsbezirk Magdeburg ursprünglich zugesicherte Beihilfen später wieder verkürzt worden seien.
Ministerialdirektor D. Schwartzkopff: Die Lehrer haben einen Rechtsanspruch auf ein ganz bestimmt fixiertes Dienst⸗ einkommen, und die Staatsregierung muß sich an die durch das Lehrerbesoldungsgesetz gezogenen Grenzen halten. Nun ist seinerzeit im Etat eine bestimmte Summe zur Verfügung ge⸗ stellt worden, um denjenigen Gemeinden, welche leistungsunfähig sind, zu Hilfe zu kommen. Es sollte bei der Prüfung der Leistungs⸗ fähigkeit mit der äußersten Vorsicht vorgegangen, und Gemeinden und Gutsbezirke sollten gleichmäßig behandelt werden. Wenn nun im Bezirk Magdeburg die Leistungsunfähigkeit anerkannt und nachher eine Kürzung der Beihilfe angeordnet worden ist, so ist mir der spezielle Fall nicht bekannt. Der Minister wird sehr gern bereit sein, in eine Prüfung dieses Falles einzutreten. Generell läßt sich die Sache nicht regeln, sondern es muß von Fall zu Fall entschieden werden. Sollten etwa generell in allen Teilen des Bezirks Magdeburg die Beihilfen um einen bestimmten Prozentsatz verkürzt werden, so würde das nicht im Interesse der Billigkeit liegen. Es wird nichts anderes übrig bleiben, als die einzelnen Beschwerdefälle zu prüfen.
Abg. von Pappenheim (kons.): Wir werden in der schwierigen Frage der Leistungsfähigkeit der Gemeinden nicht eher zu einem günstigen Resultat kommen, als bis man die bisherige Praxis verläßt. Es ist unmöglich, von der Zentralinstanz aus die Leistungsfähigkeit der kommunalen Verbände richtig abzuwägen. Wir haben schon bei der Emanierung des Schulunterhaltungsgesetzes darauf hingewiesen, daß nur die unteren Instanzen, womöglich der Kreisausschuß, die Leistungsfähigkeit der Gemeinden beurteilen können. Es kommt doch immer darauf an, wie die steuerliche Be⸗ lastung überhaupt entstanden ist. Wenn z. B. eine Gemeinde große Ausgaben für Wasserleitungen und für alle möglichen technischen Zwecke macht, so werden dadurch die Ausgaben des einzelnen außer⸗ ordentlich herabgesetzt. Die Bewohner biauchen das Wasser nicht mehr von weit her heranholen zu lassen, keine tiefen Brunnen zu graben usw. Darüber können nur die nächstliegenden Organe ent⸗ scheiden, und diese sind für die kleinen kommunalen Verbände die Kreisausschüsse. Solche krassen Fälle, wie sie der Vorredner angeführt hat, haben wir auch in anderen Provinzen. Sehr oft wird auf Grund von Trugschlüssen die steuerliche Belastung der einen Gemeinde zu hoch und bei der anderen zu niedrig bemessen, und die Beiträge werden nicht richtig abgeschätzt. Das Allerbedenklichste ist aber, daß eine Gemeinde unter Zusicherung staatlicher Leistungen dauernde Lasten übernehmen muß und dann die Staatshilfe verkürzt wird. Wenn z. B. eine zweite Schulstelle gegründet werden soll, und die staatliche Unter⸗ stützung zwar nicht juristisch zugesichert, aber in sichere Aussicht gestellt wird und dann, wie es oft vorkommt, diese Leistungen zurück⸗ gezogen werden — auch in meiner nächsten Nähe, in meiner Provinz ist das bekannt geworden —, so muß darunter natürlich die staatliche Autorität außerordentlich leiden. Wenn eine Gemeinde eine zweite
und Medizinal⸗
Schulstelle gründet, und ihr die Unterstützung in sichere Aussicht
wird, so leidet weniger das Ansehen des Landrats, denn dieser k sagen: ich habe mit bestem Wissen und in der sicheren Hof ann beglauah dab eß so wird — gen L ve. Beidilie vrg er eren Instanz zurückgezogen wird, so muß das - Staates leiden. Ansehen des
Abg. Rosenow (fr. Volksp.): Die Stadt Berlin leiste Enormes für neue Schulgebäude, es sind ungefähr 250 Berlin mit 9000 Klassen. Wir sind dauernd bestrebt, ständen abzuhelfen.
Der Titel wird bewilligt.
Nach Titel 34 sind an Beihilfen an Schulverbände we⸗ Unvermögens für die laufenden Ausgaben der Schulverwaltim 17 492 893,24 ℳ, d. s. 320 588 ℳ mehr als im Vorfahes
ausgeworfen. Zedlitz und
Hierzu hatten die Abgg. Freiherr von Neukirch (freikons.) und Genossen beantragt: ddie Staatsregierung zu ersuchen, 1) bis zur Neuregelung d
Lehrerbesoldungen allen Lehrern mit weniger als 1
Grundgehalt einen Zuschuß von jährlich 100 ℳ an Staatsmitteln zu gewähren; 2) der entsprechenden Erhöhun des betreffenden Fonds schon für das Etatsjahr 1907 zuzustimmend
Die Abgg. Dr. Iderhoff (freikons.) und Genossen hatten beantragt:
die Regierung zu ersuchen, bei der Erhöhung der Grund⸗ gehälter und Alterszulagen der Volksschullehrer, die durch die unten Tit. 34 Kap. 121 der Ausgaben des Etats der geistlichen, Unter⸗ richts⸗ und Medizinalangelegenheiten ausgeworfenen Mittel ermög⸗ licht wird, die Inhaber der mit einem Kirchenamt verbundenen Stellen in gleicher Weise wie die anderen Lehrer ohne Rücksicht auf vhhnen für das Kirchenamt gewährte Entschädigung zu berück⸗
igen. ““
Der letztere Antrag ist inzwischen dahin geändert worden daß hinter „gewährte Entschädigung“ einzuschalten ist: „welche von der Schulaufsichtsbehörde im Einvernehmen mit der kirch⸗ lichen Behörde festgestellt ist“.
Abg. Dr. Iderhoff (freikons.): Namens meiner Freunde habe ich zu erklären, daß wir den gestellten Antrag Zedlit hiermit jurückziehen, nachdem der Minister das Lebrerbesoldungs gesetz für nächstes Jahr in Aussicht gestellt hat. — In Durchführung der an leistungsschwache Gemzinden zu ge⸗ währenden Beihilfen, um den ersten und“ alleinstehenden Lehrern ein Mindestgehalt von 1100 ℳ zu ermäglichen hat der Minister eine Verordnung an die Königlichen Regierungen erlassen, wonach die Inhaber solcher Lehrerstellen, die ein damit organisch verbundenes Kirchenamt ausüben und dafür eine Enschädigung erhalten, dieser Beihilfe nicht oder nur teilweise teilhaflig zu werden brauchen. Unser Antrag will hier eine Aenderung schaffen. Wenn 1. B. in einem Falle ein Lehrer, der ein Kirchenamt ausübt, 1500, ℳ insgesamt erhält, so werden 1000 ℳ als Lehrergehalt und 500 ℳ als Ent⸗ schͤädigung angesehen; Entschädigungen für Muͤhewaltungen für ein kirchliches Amt über 400 ℳ hinaus werden nun dem Gehalte zu⸗ gelchlagen und so auch in diesem Falle 1100 ℳ Einkommen aus ehrergehalt als gegeben angesehen. Eine derartige Vernchnung widerspricht aber den klaren Bestimmungen des Lehrerbesoldungs⸗ gesetzes, worin die Entschädigungen für Mühewaltung in einem krch⸗ lichen Amt ausdrücklich von dem Lehrergehalt geschieden werden. Man hat auch diese Verfügung ohne Rücksicht auf die verschiedenen Verhältnisse zur Anwendung gebracht und nicht unterschieden, für welche kirchlichen Aemter diese Mühewaltung stattfindet. Auch der vorläufige Charakter dieser Beihilfen kann an unserer Auffassung nichts ändern. Zuletzt würde es möglicherweise auch dahin kommen, daß für diese Kirchenämter kaum noch Lehrer zu haben sein werden, weil sie durch diesen Modus der Verrechnung sich nicht wesentlich besser stehen werden als die Lehrer, die eine Beihilfe erbalten. Die Anrechnung der Entschädigung für das kirchliche Amt auf das Lehrergehalt widerspricht dem, was beim Volksschulunterhaltungt⸗ gesetz beschlossen ist. Die Sache hat eine sehr große prinzipielle Be⸗ deutung, die Schulverwaltung hat sich über die Mitwirkung der Kirchenbehörde hinweggesetzt. Ich bitte, dem Antrage einstimmig m⸗ zustimmen. 1—
Ministerialdirektor D. Schwartzkopff: Der Vorredner ist im Irrtum, es handelt sich hier gar nicht um die Ausführung des Lehrer⸗ besoldungsgesetzes und die Anrechnung des kirchlichen Gehalts. Der Fehler des Vorredners liegt darin, daß es sich hier um eine provi⸗ orische Aufbesserung einiger notleidender Lehrer handelt; nur dahin ging der frühere Beschluß des Hauses. Es soll nur, wo ein Lehrer nicht genug bekommt, provisorisch durch Hergabe weiterer Mittel geholfen werden. Die Unterrichtsverwaltung hat scch nun gesagt, daß da, wo das Grundgehalt schon 1500 ℳ be⸗ trägt, eine Aufbesserung nicht notwendig ist. Wir wollten bloß da helfen, wo die Gefahr einer Landflucht der Lehrer wegen un⸗ genügenden Einkommens vorlag. Ein Lehrer, der schon 1500 — 2000 ℳ Grundgehalt hat, unterliegt dieser Gefahr aber nicht. In dem Me⸗ ment, wo die Revision des Lehrerbesoldungsgesetzes bevorstedt, haben wir keine Veranlassung, die von dem Antragsteller erwähnten Stellen herauszugreifen, um sie zu verbessern. Man würde damit un ‚en Lehrern Mittel nehmen, wo sie sie nötig haben, und sie denen üder⸗ eden die sie nicht nötig haben. Ich bitte deshalb, den Anttag abzulehnen.
Abg. Dr. Iderhoff: Wenn ein Grundgehalt von 1500 ℳ vor liegt und 500 ℳ auf das kiächliche Amt entfallen, so fehlen an dem Grundgehalt von 1100 ℳ noch 100 ℳ Dieser Fall ist in dem Erlaß vorgesehen, das entspricht aber nicht dem Beschluß beim unterhaltungsgesetz.
t 2 Schulen den Uebel.
Ministerialdirektor D. Schwartzkopff: In dem Erlaß ist weiterze
nichts gesagt, als daß da, wo 1500 ℳ vorhanden sind, wir uns um diese Stellen gar nicht kümmern sollen. Es sind infolgedessen über⸗ haupt nur 4,5 % der Stellen nicht berücksichtigt worden. bie Mittel 17 “ worden für die Stellen, ist jetzt nicht möglich, ihnen wieder etwas zu nehmen. Abg. Ernst (frs. Vgg): Die Ausführungen des Abg. Jerbo haben mich mehr überzeugt als die des Ministerialdirektors. Meine Freunde werden für den Antrag Iderhoff stimmen. Seinerzeit beschlossen worden, daß das Grundgehalt der ersten Lehrer 881 1100 ℳ und das der alleinstehenden Lehrer auf 1000 ℳ er — werden sollte, aber das Kirchenamt ist dabei gar nicht in Frage g 1 kommen. Man hat an manchen Stellen einfach das Brennmaler Wum 100 ℳ höher angesetzt, das entspricht aber nicht den Winsche des Hauses. Der Lehrer hat Anspruch auf sein volles Lehrerge was er nebenbei hat, muß besonders formuliert werden. s Abg. von Pappenheim (kons.): Eine praktische Folge nde der Antrag Iderhoff nicht haben, da die Mitt bereits — sind. Wir hoffen, im nächsten Jahre ei Lehrerbeso ung⸗ gesetz zu stande zu bringen, und damit ] würden . un die praktischen Wirkungen des Antrages gperlieren. 8 — Tendenz des Antrages, die Entschädigung für das Kirchenam oche Lehrergehalt nicht zu berücksichtigen, haben wir auch befürw Bei der ganzen Beratung des Schulunterhalt von 8 n Freunden mit besonderer Vorsicht vermiede 3 dr „die eine Trennung des Kirchenamte’s von dem L Fen l Folge haben könnten. Mit der Tendenz dos Antrages sind meng durchaus einverstanden und aus dieser Rücksicht geneigt, für den zu stimmen.
gestellt wird, und wenn letztere nachher nicht eintritt oder zurückgezogen l
Deutschen Reichsan
Zweite Beilage
Berlin, Donnerstag, den 21. März
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Abg. Dr. Friedberg (nl.): Wir schließen uns den Ausführungen des Antragstellers und des Abg. Ernst an und stimmen auch für den Antrag. Bezüglich der Ausführung des Bremserlasses sind uns eine anze Reihe Zuschriften zugegangen, die zum Teil wertvolles Material geeten, mit denen ich mich aber doch nicht ganz identifizieren kann. Nur zwei Fälle daraus muß ich erwähnen. Der Landrat des Land⸗ kreises Düsseldorf hat an den Bürgermeister eine Verfügung erlassen, wonach den Gemeinden, welche die Alterszulagen der Lehrer über 180 ℳ heraufsetzen, die widerruflichen Staatszuschüsse entzogen werden sollen. Ferner hat der Landrat des Landkreises Dort⸗ mund, nach der „Westdeutschen Lehrerzeitung“, angeordnet, daß ihm alle Anträge der Schulvorstände auf Erhöhung der Lehrergehälter zunächst eingereicht werden sollen. Ich möchte fragen, ob dem Minister diese Fälle bekannt sind?
Ministerialdirektor D. Schwartzkopff: Das Vorgehen des Land⸗
rats im Landkreise Dortmund ist uns nicht bekannt und noch nicht hei uns zur Sprache gekommen. Ich kann mir gar nicht denken, daß die Sache so liegt, wie in der Zeitung dargestellt ist. Es muß ein Mißverständnis vorliegen. Solche Mißverständnisse kommen in Ge⸗ haltsfragen sehr leicht vor; ich bin aber bereit, in eine Prüfung des Falles einzutreten. Wie leicht Mißverständnisse vorkommen, beweist das, was dem Abg. Cassel über den Fall Löwenberg zugegangen ist, den Herr Cassel bei der Debatte über den Bremserlaß als besonders gravierend hervorhob. Er verlangte damals Aufklärung darüber, ich kann sie erfreulicherweise heute geben, indem ich den Brief des Magistrats der Stadt Löwenberg verlese, welchen dieser dem Abg. Cassel geschickt und dem Minister abschriftlich eingereicht hat. Das Schreiben lautet: „Infolge falscher Information haben Sie nach über⸗ einstimmenden Zeitungsberichten in der Sitzung des Abgeordneten⸗ hauses vom 9. Februar 1907 Erklärungen über die Erhöhung der Gehaltssätze der städtischen Lehrer in Löwenberg und über die angebliche Versagung der Genehmigung der von den städtischen Körper⸗ schaften gefaßten Beschlüsse seitens der Königlichen Regierung in Liegnitz abgegeben, die mit den Tatsachen nicht übereinstimmen. Rchtig ist nur, daß die Stadtverordnetenversammlung die Erhöhung des Grundgehalts um 50 ℳ und der Alterszulagen um 70 ℳ be⸗ schlossen hat. Auf Anfrage des Magistrats wegen der Stellungnahme der Königlichen Regierung hat diese unter dem 18. Januar 1907 dem Magistrat folgendes eröffnet: „Welchen Standpunkt wir zu einem etwaigen Beschluß der städtischen Körperschaften einnehmen werden, können wir zur Zeit nicht sagen.“ Von einer Nichtgenehmigung war in diesem Passus nicht mit einem Wort die Rede. Da der Magistrat und die Schuldeputation hohes Gewicht darauf legen, die Gehaltsfrage der Lehrer zum endgültigen Abschluß zu bringen, haben wir dann in wohlverstandenem Interesse der Lehrer die Erhöhung des Grundgebaltes um 70 ℳ und der Mietsentschädigung um 60 ℳ beschlossen. Diesem Beschluß hat die Stadtverordnetenversammlung am 1. Februar einstimmig fugestimmt. Nach diesem einstimmigen Beschluß der städtischen Körper⸗ stasten beträgt jetzt das Grundgehalt 1200 ℳ und die Mietsentschädigung 9ℳ Diese Beschlüsse sind nun erst der Königlichen Regierung zur Ge⸗ mnnigung vorgelegt worden, ein Bescheid darauf ist bisher nicht ügetroffen.“ Ich darf hier einschalten, daß diese Genehmigung in⸗ wischen ausgesprochen ist. Der Magistrat schreibt weiter: „Wir leffe, daß Sie Ihre Aeußerungen auf Grund dieser authentischen Ingaben im Abgeordnetenhause baldigst richtig stellen werden, und dürfen wohl einem gefälligen Bescheide, wann dies geschieht, demnächst entgegensehen“ Dem Abg. Cassel sind also auch ganz unrichtige Nachrichten zugegangen, und er wird sie hoffentlich richtig stelen. Man muß also in der Verwertung von Nachrichten in der hresse sehr vorsichtig sein. Ich empfehle dringend, solche Fälle genau zu prüfen; soweit die Regierung es kann, wird sie gern das erforderliche Material zur Verfügung stellen. Das Vorgehen des Landrats im Landkreise Düsseldorf, wonach die Zurückziehung der Staatsbeihilfen für den Fall einer Erhöhung der Alterszulagen oder des Grundgehaltes gewissermaßen angedroht ist, würde mit den Intentionen der Regierung nicht übereinstimmen. Aus Anlaß eines anderen Falles hat der Minister ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die einmal gewährten Staats⸗ beihilfen nur dann zurückgezogen werden, wenn sich in den Verhält⸗ nissen der leistungsunfähigen Gemeinde etwas ändert. Daß eventuell für die Genehmigung einer Gehaltserhöhung in einer Gemeinde, die als leistungsunfähig zu erachten ist, die Leistungsfähigkeit geprüft werden muß, wird auch Herr Dr. Friedberg zugeben, aber die An⸗ drohung einer Zurückziehung entspricht nicht unseren Intentionen.
Abg. Dr. Dittrich (Zentr.) meint, daß nach den Bestimmungen des Lehrerbesoldungsgesetzes dem Antrage Iderhoff nicht stattgegeben werden könne.
Ministerialdirektor D. Schwartzkopff: Ich teile den Stand⸗ punkt des Abg. von Pappenheim insofern, als auch ich meine, daß bei der endgültigen Regelung der Lehrergehälter eine Anrechnung der Mühewaltung für kirchliche Aemter auf das Gehalt nicht statthaft sein soll, vorläufig aber müssen wir dabei bleiben.
Abg. Dr. Friedberg (nl.) bringt einen weiteren Fall zur Sprache, in welchem einer Gemeinde die beabsichtigte Lehrergehaltserhöhung unterbunden wurde.
Auf eine Bemerkung des Abg. Cassel (freis. Volksp.) erwidert
Ministerialdirektor D. Schwartzkopff, daß durch den sogenannten Bremerlaß des Ministers nicht die Königlichen Regierungen sollten verhindert werden, Anträge von Gemeinden auf LCchrergehalts⸗ erhöhungen überhaupt erst dem Minister vorzulegen; die Gemeinden ätten zumeist aus eigener Initiative darauf verzichtet.
Abg. Dr. Iderhoff: Bei unserem Antrag handelt es sich nicht
um Zuschüsse für Lehrer, sondern für leistungsschwache Gemeinden, damit diese in jedem Falle 1100 ℳ Grundgehalt garantieren können. Nach der Verfügung des Ministers brauchen selbst leistungsfähige Gemeinden bei 1500 ℳ insgesamt ihren Lehrern keine Erhöhung des Lehrergehaltsanteils auf 1100 ℳ tatsächlich zu gewähren. Die Ge⸗ haltserhöhung bleibt eine rein rechnerische. Miiaisterialdirektor D. Schwartzkopff entgegnet, daß die Re⸗ gierung da, wo ein Gesamteinkommen von 1500 ℳ vorliege, auch eine provisorische Notwendigkeit der Erhöhung des Lehrergehalts⸗ anteils von 1000 auf 1100 ℳ nicht anerkennen könne.
Nachdem Abg. Dr. Dittrich erklärt hat, nunmehr für den Antrag Iderhoff stimmen zu müssen, wird nach weiteren kurzen Bemerkungen der Abgg. Busch (Zentr.), Cassel und des Ministerialdirektors D. Schwartzkopff der Antrag Ider⸗ off der Budgetkommission überwiesen.
An widerruflichen persönlichen Zulagen für Volksschul⸗ ehrer und ⸗Lehrerinnen in den Provinzen Posen und West⸗ preußen behufs besonderer Förderung des deutschen Volks schulwesens sind 1 150 000 ℳ gefordert.
„Die Abgg. Ernst (frs. Vgg.) und Lusensky (nl.), be⸗ antragen, diese persönlichen Zulagen nach 5 Dienstjahren fuj 300 ℳ, nach 15 Dienstjahren auf 400 ℳ zu erhöhen und sich damit einverstanden zu erklären, daß diese Forderung schon
clarn vorliegenden Etat durch entsprechende Erhöhung Geltung e.
Die Abgg. von Staudy (kons.) und Viereck (frkons.) beantragen, diese Zulagen nach fünfjähriger Dienstzeit vom 1. April 1908 ab auf 300 ℳ, bei einem die Summe von 3000 ℳ übersteigenden Diensteinkommen aber auf 10 v. H. dieses Diensteinkommens zu erhöhen.
Abg. Vierecklfrkons.): Unter dem Eindruck der besonderen Schwierig⸗ keiten, welchen die deutsche Lehrerschaft in Posen und Westpreußen durch den sogenannten Schulstreik ausgesetzt ist, und wegen der be⸗ sonderen Leistungen, die sie zu vollbringen hat, hatte ich mit meinem Freunde Gamp in der Budgetkommission den Antrag gestellt, eine Erhöhung der sogenannten Ostmarkenzulage für die Lehrer und Lehrerinnen schon für dieses Jahr vorzunehmen. Wir haben uns aber in der Budgetkommission eines anderen überzeugen lassen und stellen jetzt mit dem Abg. von Staudy den Antrag, eine Erhöhung dieser Zulagen für Lehrer von 120 auf 300 ℳ nach fünfjähriger Dienst⸗ tätigkeit erst im Etat für 1908 vorzunehmen. Wir wollen dadurch der Lehrerschaft im Osten einen gerechten Ausgleich schaffen für die be⸗ sonderen Schwierigkeiten; wir wollen weiter dadurch für den Osten tüchtige Lehrkräfte gewinnen und sie festhalten. Die Lehrerschaft im Osten hat nicht bloß mit der Schwierigkeit zu kämpfen, daß die Kinder nicht deutsch sprechen können, sondern auch damit, daß sie nicht einmal deutsch antworten wollen, wenn sie es können. Die Klassen sind dort auch vielfach überfüllt, 80 und 90 Schüler und mehr kommen wieder⸗ holt vor; die Lehrer haben auch vielfach Vertretungen zu übernehmen. Es kommt dazu, daß die Lehrer fast gar keinen Verkehr haben können und sehr angefeindet werden; erst neulich las ich, wie ein Kreisschul⸗ inspektor durch eine aufgeregte Volksmenge förmlich belagert wurde. Wir müssen unsere Ostmarkenzulagen steigern, damit wir unsere Lehrer nicht verlieren. Schon äußerlich bleibt die Ostmarkenzulage für die Lehrer welt hinter der für die anderen Beamtenkategorien zurück, obgleich gerade die Lehrerschaft am meisten im Kampfe um das Deutschtum stehen muß. Ich empfehle Ihnen unseren Antrag zur Annahme.
Abg. Lusensky (nl.): Die Erörterungen der letzten Tage haben gezeigt, unter welch schwierigen Verhältnissen die Lehrer in den Ost⸗ marken zu kämpfen haben. Nicht nur die widerspenstigen Kinder erschweren den Unterricht, sondern auch die fanatisierten Eltern, die in die Schulräume eindringen und den Lehrern Vorhaltungen machen. Mir liegt eine Reihe von Drohbriefen vor, die von solchen Eltern geschrieben sind. Es heißt darin u. a.: wenn du den katholt⸗ schen Glauben antastest, sollst du ein Ende nehmen. Weiter: wenn du weiter mein Kind mißhandelst, du glaubenslose Seele, du Glaubens⸗ brecher, so werde ich dich töten, wo ich dich treffe. Ferner auch Aus⸗ drücke wie: du gemeines Geschöpf. Einer schreibt: Hurra, Polen lebt; der Tod droht dir, du Judas, wir schlagen dich, hurra! Polen lebt. Derartige Briefe kann man im allgemeinen allerdings nicht besonders tragisch nehmen, aber hier ist zu bedenken, daß in der Provinz Posen üabe Aufregung herrscht, und deshalb ist die Sache doch ernster. Es ind Mißhandlungen der Lehrer vorgekommen, sie werden bedroht, und es werden ihnen die Fenster eingeschlagen. Ich habe Berichte aus meinem Wahlkreise bekommen, wonach die Lehrer mit Mißhandlungen bedroht worden sind; fanatisierte polnische Kaufleute weigern sich, den Lehrern Waren zu verkaufen, ein polnischer Milchhändler wollte einem Lehrer nicht mehr „polnische Milch“ für seine Kinder geben. Es ist doch bedenklich, wenn tatsächlich die Abgabe von Lebens⸗ mitteln verweigert wird. Die Lehrer sind 2* in schwerer Lage in den gemischtsprachigen Gebieten. Deshalb ist es gerecht⸗ fertigt, ihre Zulage etwas reichlicher zu bemessen. Es ist nicht zu befürchten, daß hieraus Folgerungen für die anderen Beamtenklassen gezogen werden müssen, und die Lehrer stehen mit der Bevölkerung in viel näherer Berührung als die anderen Beamten. Die in Aussicht stehende allgemeine Regelung der Besoldung der Lehrer sollte uns nicht abhalten, sofort etwas für diese Lehrer zu tun. Wir glauben, daß unser Antrag vorzuziehen ist, wir werden aber, Venn er abgelehnt werden sollte, auch für den Antrag von Staudy timmen.
Abg. von Staudylkons.): Die Ostmarkenzulage hat einen doppelten Zweck, eine besondere Entschädigung für den schweren Dienst zu bieten und die Beamten und Lehrer länger in der Provinz Posen festzuhalten. Die Lehrer haben eine besonders schwierige Stelle und haben sogar Gefahren für Leben und Gesundheit zu bestehen. Bei der bisherigen Ostmarkenzulage kann man nicht verlangen, daß die Lehrer lange in der Provinz bleiben. Die minimale Entschädigung von 120 ℳ ist für die Schwierigkeit der polnischen Verhältnisse bei weitem nicht genug.
habe von vornherein einen Betrag von 300 ℳ für die Ostmarkenzulage als angemessen bezeichnet. Wir haben in unserer Provinz besonders mit dem Lehrermangel und dem häufigen Wechsel zu kämpfen; die Regierung muß deshalb die Präparanden⸗ anstalten weiter vermehren. Es können nur noch finanzielle Bedenken bestehen, und diese müssen meine Freunde bei allen Maßnabmen in den Vordergrund stellen; wenn es aber nicht anders geht, müssen wir die Mittel zum Schutze des Deutschtums bereitstellen. Es kann nicht so weiter gehen wie jetzt, und ich bitte, unsern Antrag möglichst ein⸗ stimmig anzunehmen.
Geheimer Finanzrat Löhlein: Die Schwierigkeiten der Stel⸗ lung der Lehrer in den Hern schtsprachigen Landesteilen erkennt die Regierung durchaus an. Ich habe aber die undankbare Aufgabe, das zu bitten, die finanzielle Tragweite der Anträge im ganzen zu edenken. Wenn man jetzt die Lehrer besonders bedenkt, so würde das für die übrigen Staatsbeamten außerordentlich zurücksetzend seh Der halb würde es sich empfehlen, von dem Antrage Abstand zu nehmen.
Abg. Dr. Krüger⸗Marienburg (kons.) tritt dafür ein, daß die Ost⸗ markenzulage auch auf die fünf westpreußischen Kreise ausgedehnt werde, welche bisher von dieser Wohltat ausgeschlossen seien. Hoffent⸗ lich werde die Regierung endlich diesen Wunsch erfüllen.
Abg. Martini (kons.): Die Lehrer werden von den Polen vorzugs⸗ weise jetzt schlecht behandelt und wirtschaftlich geschädigt. Die jetzige Zulage von 120 und 200 ℳ ist kein ausreichender Ausgleich für die größere Mühewaltung in den Schulklassen und für die Wirtschafts⸗ schädigung durch den Boykott. Wenn die Unter⸗ und Subaltern beamten eine höhere Ostmarkenzulage erhalten können, so wäre das sehr erfreulich. Bei Echöhung der Gehälter im nächsten Jahre ist es doch selbstverständlich, daß auch wieder eine entsprechende Erhöhung der Ostmarkenzulage stattfindet.
Abg. Dr. Voltz (nl.): Die Ostmarkenzulage für die Lebrer in Posen und Westpreußen bedarf in der Tat dringend der Erhöbung. Da ich die schwierigen Verhältnisse, unter denen wir überhaupt in der Ostmark gegen das Großpolentum zu kämpfen haben, und nament⸗ lich auch der Lehrerstand zu kämpfen hat, kenne, trete ich auch, trotz dem ich Oberschlesier bin, speziell für diese Anträge mit Wärme ein. Ich bedaure, daß die Budgetkommission dem Antrage, schon in diesen Etat erhöhte Mittel dafür einzustellen, nicht entsprochen hat. Ich möchte deshalb in erster Linie bitten, daß das Haus sich anders be⸗ sinnen und nach dem Antrage Ernst sofort die Mittel in den Etat einstellen möge. Ich bedauere, daß auch in diesem Jahre für Ober⸗ schlesien den Lehrern und anderen Beamten die Zulage nicht gewährt wird, die sie bedürfen, und werde später noch darüber sprechen. Nehmen Sie wenigsteno den Antrag Ernst an. Solhte dieser abge⸗ lehnt werden, so stimmen wir auch für den Antrag Staudy. .
Geheimer Finanzrat Löhlein: Dem Antrage Ernst würde schon deshalb nicht entsprochen werden können, weil er die erhöhten Mittel
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zeiger und Königlich Preu
anzeiger. 1907
noch in diesen Etat einstellen will. Die Regierung ist nicht in der Lage, Deckungsmittel für die Aufwendungen, die aus diesem Antrage entstehen würden, in den vorliegenden Etat einzustellen.
Abg. Ernst (fr. Vgg.): Ich verzichte darauf, noch weiteres Material für die schwierige Lage der Lehrer bei⸗ zubringen, aber eine Erhöhung der Ostmarkenzulage ist nötig. Auch das Zentrum würde der Erhöhung zustimmen, wenn die Zulage unwiderruflich wäre. Wir sind im Prinzip auch für die Unwiderruflichkeit, aber da pir sie nicht erreichen können, müssen wir die widerrufliche Zulage nehmen. Die Regierung hat finanzielle Bedenken, aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Die Regierung will die Einheitlichkeit der Besoldung nicht beeinträchtigen lassen, aber die Lehrer sind von vornherein verschieden von den Be⸗ amten behandelt worden. Die Regierung sollte eine Statistik über das durchschnittliche Dienstalter der Lehrer in Posen und West⸗ preußen aufstellen, ich glaube, sie würde finden, daß es erschreckend niedrig ist. Das Dienstland können die Lehrer nicht bearbeiten und müssen es verpachten, wobei sie oft Einbuße erleiden. Die Wohnungs⸗ verhältnisse der Lehrer sind traurig. In den letzten Tagen hat man den Lehrern für ihre Haltung im polnischen Schulstreik ge⸗ dankt. Betätigen Sie den Dank dadurch, daß Sie unserem Antrage zustimmen.
Abg. Dr. Dittrich (Zentr.) erklärt, daß die Ostmarkenzulage in der Theorie und in der Praxis viele Bedenken gegen sich habe, da sie widerruflich sei und nicht allen Lehrern zu gute komme; weil sie diese Voraussetzungen nicht erfülle, seien seine Freunde nicht in der Lage, für die Anträge zu stimmen.
Abg. von Prittwitz und Gaffron (kons.): Auch in Oberschlesien haben die Lehrer mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, und doch ist seinerzeit Oberschlesien von der Ostmarkenzulage ausgeschlossen worden, weil der Finanzminister ausführte, daß die Polenfrage in Oberschlesien nicht so nennenswert sei, und daß es deshalb bedenklich sei, die Maß⸗ regeln in Westpreußen und Posen auf Oberschlesien auszudehnen. Dieser Standpunkt der damaligen Regierung hat in weiten Kreisen Oberschlesiens Beunruhigung erregt. Wie die Reichstagswahlen gezeigt haben, war der Standpunkt der Regierung nicht richtig, zu meiner Freude hat sie ihn aber jetzt geändert, und ich bitte deshalb, die Folgen daraus zu ziehen und die Ostmarkenzulage den Lehrern in Oberschlesien zu geben. Das ist ein Schritt der Gerechtigkeit und der politischen Notwendigkeit, da von den Lehrern ungeheuer viel verlangt wird, denn außer ihrer täg⸗ lichen Arbeit haben sie noch für Bildungszwecke in den Krieger⸗ vereinen, für Volksunterhaltungsabende usw. tätig zu sein, und das alles ist mit Aufwand von Zeit und Geld verbunden. Dafür ist das Einkommen der Lehrer durchaus nicht genügend, und ich bitte, sie durch Gewährung der Ostmarkenzulage zu unterstützen.
Abg. Viereck (freikons.): Die Regierung fürchtet Konsequenzen für die anderen Beamten, aber die Beamten werden doch so viel Ver⸗ ständnis für die Lage der Lehrer haben, um zu wissen, daß diese ganz anderen Schwierigkeiten in der Ostmark ausgesetzt sind als die übrigen Beamten, und kein Beamter wird den Lehrern diese Zulage mißgönnen. Die Lehrer sind auch schlechter gestellt als manche mittleren Beamten. Die bevorstehende Gehaltsregelung steht einer Erhöhung der Ostmarkenzulage nicht ent⸗ gegen; sie wird die Lehrer in der ganzen Monarchie besser stellen, aber wir wollen doch gerade die Lehrer in der Ostmark gut stellen. Wenn die Gehälter erhöht sind, so wird die jetzige Zulage von 120 ℳ hinter 10 % des Gehalts zurückbleiben. Will die Regierung also die Lehrer nicht schlechter stellen, so muß sie die Ostmarkenzulage neu regeln. Wir wollen der Regierung den Weg dazu bahnen und sie durch diese Resolution stark machen, daß sie die Zulage so erhöht, daß sie wirksam ist. Dem Antrage Ernst stehen allerdings etatsrechtliche Bedenken ent⸗ gegen, da er die Erhöhung schon in diesem Etat herbeiführen will, und er ist aus diesem formellen Grunde schon für meine Freunde nicht annehmbar. Der Antrag Ernst kann eine Mehrheit im Hause nicht erreichen, während wir die Zuversicht haben, daß unser Antrag angenommen wird.
Nach einer kurzen Bemerkung des Abg. Ernst wird die Debatte geschlossen. 8
Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.) bittet, die Ab⸗ stimmung über die Anträge bis zur dritten Lesung auszusetzen, da das Haus nur schwach besetzt ist.
Abg. Korfanty (Pole) macht darauf aufmerksam, daß bisher über diese Frage ohne Rücksicht auf die Besetzung des Hauses entschieden worden sei, und wünscht deshalb sofortige w“ hält dies aber nicht aufrecht, nachdem auch die Abgg. Dr. Porsch, Ernst, Dr. Friedberg und Viereck sich für die Aussetzung der Abstimmung erklärt haben.
Das Haus beschließt demnach die Aussetzung der Ab⸗ stimmung über die Anträge. Der Titel selbst wird bewilligt.
Darauf vertagt sich das Haus.
Präsident von Kröcher schlägt vor, morgen die Beratung des S bis zum Kapitel der Universitäten einschließlich fort⸗ zuführen.
Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa wünscht, daß die Sitzung morgen schon um 10 Uhr beginne und das Kapitel der Universitäten nicht mit auf die Tagesordnung gesetzt werde, damit das Haus früh fertig werden und in die Ferien gehen könne.
„Abg. Dr. Friedberg ist mit diesem Vorschlage einverstanden, während Abg. Dr. Porsch glaubt, daß das Kapitel der Univer⸗ sitäten zu großen Debatten keinen Anlaß geben werde.
„Präsident von Kröcher bemerkt, daß er nicht die Absicht gehabt hätte, morgen vorzuschlagen, daß das Haus in die Ferien gehe; aber er verzichte auf eine Widerlegung der Gründe des Herrn von Heydebrand und sei mit dem Ausschluß des Kapitels der Universitäten einverstanden.
Schluß 4 ¼ Uhr.
Nächste Sitzung Donnerstag 10 Uhr. (Kultusetat.l) v“ 8 1““
Statistik und Volkswirtschaft.
Die Tätigkeit des Reichsversicherungsamts im Jahre 1906.
Der dem Reichskanzler alljährlich einzureichende Geschäftsbericht des Reichsversicherungsamts ist für das Jahr 1906 — das 22. Ge⸗ schäftsjlahr des Amts — erstattet worden und dem Reichstag zu⸗ gegangen. Nach dem Bericht waren auf dem Gebiete der Unfall versicherung über 20,2 Millionen Versicherte vorhanden.
Die Zahl der angemeldeten Unfälle betrug nach einer vorläufigen Ermittelung 645 611, die der erstmalig entschädigten Unfälle 140 270. Die gezahlten Entschädigungen beliefen sich nach einer vorläufigen Ermittelung auf 142 900 086 ℳ
Die statistischen Arbeiten des Reichsversicherungsamts betrafen in der Hauptsache die laufende Berichterstattung auf dem Gebiete der Arbeiterversicherung, die statistischen Angaben für die den Kongressen für Versicherungswissenschaft und Versicherungsmedizin gewidmeten Schriften und die Veröͤffentlichungen in dem dom Kaiserlichen
Statistischen Amt herausgegebenen Reichs⸗Arbeitsblatte