1907 / 77 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 27 Mar 1907 18:00:01 GMT) scan diff

gönigreich Preußen. Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht:

dem Fabrikbesitzer Paul Charlier in Mülheim a. Rhein,

dem Kaufmann Siegmund Pincus in Berlin, dem Bankier Albert Pinkuß ebendort, dem Kaufmann Wilhelm Rautenstrauch in Trier und dem Kaufmann Otto Weber in Berlin den Charakter als Kommerzienrat zu verleihen.

Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinalangelegenheiten.

DDer bisherige Oberlehrer an dem Gymnasium in Franken⸗ stein Dr. Thomas Stolze ist zum Kreisschulinspektor in Gleiwitz II ernannt worden. 88 u“

8*

11““ c isherige Kassensekretär Schustereit heimen Registrator und

der bisherige Kassensekretär Richter zum Buchhalter bei er Hauptbuchhalterei des Finanzministeriums ern nt den.

ist zum Ge⸗

Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. 1

Die Oberförsterstellen Glücksburg im Regierungs⸗ ezirk Merseburg und Lübben im Regierungsbezirk Frank⸗ urt a. O. sind zum 1. Juni 1907 zu besetzen; Meldungen müssen bis zum 10. April d. J. eingehen.

Der Bundesrat versammelte sich heute zu einer Plenar⸗ sitzung; vorher hielten die vereinigten Ausschüsse für Justiz⸗ wesen und für Elsaß⸗Lothringen, der Ausschuß fuüͤr Justiz⸗ wesen, die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Justizwesen, die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Zoll⸗ und Steuerwesen sowie der Ausschuß für Handel und Verkehr Sitzungen. 8 6

1““

Nach kurzer Krankheit ist am 25. d. M. zu Wiesbaden der ordentliche Professor in der medizinischen Fakultät der Wilhelms⸗Universität in Berlin, Wirkliche Geheime

at Dr. Ernst von Bergmann, Generalarzt à la suite des Sanitätskorps, aus dem Leben geschieden.

Am 16. Dezember 1836 zu Riga in Livland geboren und im Jahre 1860 von der medizinischen ööfur v⸗ der Uni⸗ versität Dorpat zum Doktor promoviert, habilitierte sich Ernst von Bergmann 1864 in derselben Fakultät als Privatdozent ür Chirurgie und setzte demnächst seine Studien in

erlin unter von Langenbeck, später in HKönigs⸗ berg unter Wagner fort. Nachdem er diesem im Feldzuge von 1866 in den böhmischen Feldlazaretten als Assistent ur Seite gestanden, kehrte er zu erneuter Lehrtätigkeit nach

orpat zuruck. Beim Ausbruch des deutsch⸗französischen Krieges eilte er wiederum nach Deutschland, um zunächst unter Leitung des berühmten Hallenser Chirurgen von Volkmann ein Kriegs⸗ reservelazarett in Mannheim zu übernehmen. Nach Auflösung desselben im Oktober 1870 führte er die badischen Sanitäts⸗ züge bis vor Paris und wurde sodann mit der Leitung der Friedrichsbaracken zu Karlsruhe betraut. Von 1871 bis 1878 bekleidete er die ordentliche Professur für Chirurgie an der Universität Dorpat. Nachdem er im russisch⸗türkischen Kriege der russischen Donauarmee als Chirurg hervorragende Dienste geleistet, siedelte er im November 1878 als ordentlicher proseffo⸗ nach Würz⸗ burg über. Bereits im Jahre 1882 wurde er auf den Lehr⸗ stuhl Langenbecks nach Berlin berufen und zugleich zum Direktor des Klinischen Instituts für Chirurgie bei der Friedrich Wilhelms⸗Universität ernannt.

In tiefster Trauer steht die wissenschaftliche Welt heute an der Bahre des großen Toten. Aber die Gefühle des Schmerzes über den jäͤhen Verlust des bis zur letzten Stunde schaffensfreudigen Gelehrten treffen zusammen mit den Ge⸗ 88. innigster Dankbarkeit für alles, was er in rastloser

rbeit als Forscher, Lehrer und Arzt geleistet hat.

Durch vielfache praktische Erfahrung auf den Schlacht⸗ deees⸗ angeregt, war Ernst von Bergmann einer der ersten, er Listers Lehre von der Antisepsis ausgestaltete und sodann von dieser ausgehend bahnbrechend zu der heute allgemein durchgeführten aseptischen Wundbehandlung gelangte. Ein nicht minder großes Verdienst hat er sich um die moderne Hirnchirurgie erworben. Hier war er Schöpfer und Meister zugleich. In umfassenden wissenschaftlichen Werken hat er der Diagnose der Gehirnkrankheiten und ihrer operativen Behand⸗ lung neue Wege gewiesen und in der Praxis selbst durch er⸗ folgreiche operative Eingriffe viele Kranke zur Genesung geführt. Auf dem Gebiete der Kriegschirurgie war er der unbeste teene Führer. Die neuzeitliche Behandlung der Kriegswunden, namentlich der Schußverletzungen, auf der Grundlage des aseptischen Prinzips ist sein Verdienst. Seine Lehren haben ungezählten Ver⸗ wundeten und Kranken auf den Schlachtfeldern und in den Friedenslazaretten Segen gebracht. Den mehrfachen Schieß⸗ versuchen der Medizinalabteilung des Kriegsministeriums brachte er stets das größte Interesse und wissenschaftliche För⸗ derung entgegen.

Als akademischer Lehrer der Berliner Friedrich Wilhelms⸗ Universität und der Kaiser Wilhelms⸗Akademie für das militär⸗ ärztliche Bildungswesen trug er seine Lehren direkt hinein in die Köpfe und in die Herzen sowohl der studierenden Jugend wie der alljährlich an die Akademie abkommandierten Sanitäts⸗ offiziere der Armee. Aber weit darüber hinaus richtete er unablässig sein Augenmerk auf die wissenschaftliche Fort⸗ bildung der praktischen Aerzte. So trat er an die Spitze des Eu für vas ärztliche Seee und auch

ie Begründung des denselben Zwecken dienenden Kaiserin

Friedrich⸗Hauses zu Berlin ist ganz wesentlich auf seine Mit⸗

1

wirkung zurückzuführen.

Aber wie des Forschers und Lehrers, so gedenkt man auch in den weitesten Kreisen des allzeit hilfsbereiten Arztes, der mit sicherer Hand so vielen Leidenden die Gesundheit wiedergab.

Trotz der außerordentlichen Anforderungen, die an von Bergmann gestellt wurden, ließ er es sich nicht nehmen, sein reiches Wissen auch den allgemeinen Aufgaben des Staats nutzbar zu machen. Fast 25 Jahre gehörte er der Wissenschaft⸗ lichen Deputation für das Medizinalwesen an; zugleich war er Mitglied des Reichsgesundheitsrats. Zahlreiche füralle Zeiten wert⸗ volle Gutachten sind hier seiner Feder entflossen und haben zum Vorteil für die Medizinalverwaltung auf allen ihren weit verzweigten Gebieten Verwertung gefunden. Seinem Wirken auf sozial⸗hygienischem Gebiete zollt besonders die Reichshauptstadt höchsten Dank. Die Entwicklung des Rettungswesens daselbst ist in erster Linie auf seine Initiative zurückzuführen.

Unbegrenztes Vertrauen seiner Fachgenossen legte die Leitung zahlreicher Gesellschaften und Kongresse in seine be⸗ währten Hände, und sein praktisches Geschick wußte sie stets fruchtbringend zu gestalten. Namentlich werden seine Verdienste um die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie unvergessen bleiben!

Als vor wenigen Wochen Ernst von Bergmann sein 70. Lebensjahr vollendete, da zeigte sich deutlich, in welch seltenem Maße er verehrt und geliebt wurde, da haben die Aerzte der ganzen zivilisierten Welt ihm ihre dankbare Huldigung dargebracht. Aber in erster Linie gehoben und beglückt war er an diesem Tage wie allzeit durch die Allerhöchste Gnade seines Kaiserlichen und Königlichen Herrn. Und wie der Dank

des deutschen Volkes ihm über das Grab hinaus folgt, so

auch der Dank seines Kaiser

Ueber die am 16. d. M. im Mathildeschacht der Grube „Gerhard“ bei Saarbrücken durch Seilbruch erfolgte tödliche Verunglückung von 22 Bergleuten 8. die amtliche Untersuchung bisher folgendes er⸗ geben:

Der 423 m tiefe Mathildeschacht dient zum Ausziehen der verbrauchten Grubenluft und zugleich zum Ein⸗ und Aus⸗ fördern der zweier Steigerabteilungen. Mit der für letzteren Zweck gebrauchten Maschine werden nebenbei auch die für die Schachtanlage nötigen Kohlen und einiges Gestein

gehoben.

Die zur Förderung henutzten Seile sind Gußstahlband⸗ seile, bestehend aus 192 Drähten von je 2 mm Dicke. Sie sind sowohl bei ihrer Auflegung als auch regelmäßig während des Betriebes den bergpolizeilich vorgeschriebenen Biegungs⸗ und Zerreißungsproben unterworfen worden. Diese Pro en werden an Seilstücken vorgenommen, die von dem am Förderkorb befestigt gewesenen Seilende abgehauen werden. Das gerissene Seil, das vor beinahe 2 ½ Jahren aufgelegt wurde und damals eine Tragfähigkeit von rund 76 000 kg besaß, zeigte bei seiner letzten Untersuchung am 19. Feheuar d. J. noch eine Tragfähigkeit von über 74 000 kg, sodaß sich, da die Seilbelastung bei der Menschenförderung nur 7606 kg und bei der Produktenförderung 9418 kg be⸗ trug, die Seilsicherheit zu 9,7 bezw. 7,8 berechnete.

Das Seil riß, als am Unglücksmorgen der Förderkorb, an dem es befestigt war, zum ersten Male mit seiner vollen Belastung, d. s. 22 Mann, eingehängt wurde vorher waren bereits mit demselben Korbe 11 Mann eingelassen worden —, und zwar etwa 90 m oberhalb des Korbes, als dieser in eine Tiefe von ungefähr 200 m gekommen war.

Eine nach dem Unglücksfall vorgenommene Untersuchung eines unmittelbar über dem Förderkorb befindlichen Seilstückes ließ nicht erkennen, daß das Seil durch den bisherigen Betrieb gelitten hatte. Die mit einigen Drähten ausgeführten Biegungs⸗ und Zerreißungsproben hatten ein ähnliches Ergebnis wie die Proben am 19. Februar d. J., dagegen stellte sich bei einer genauen Prüfung eines 8 bis 10 m oberhalb der Bruchstelle befindlichen Seilstücks heraus, daß das Seil dort stark mitgenommen war. Die Drähte waren an den Stellen, wo sie nach außen treten, er⸗ heblich abgerieben, und zwar vielfach in dem Maße, daß sie ich an den betreffenden Stellen mit der Hand leicht brechen ließen. Diese Schäden dürften auf den Druck und die Reibung, welche die einzelnen Drähte beim Auf⸗ und Abwickeln des Seils auf die Trommel (Bobine) gegen⸗ seitig ausüben, zurückzuführen sein. Sie sind von den mit der täglichen Revision des Seils betrauten Beamten und von den am Schacht beschäftigten Arbeitern nicht bemerkt worden, hätten auch wohl nur nach sorgfältiger Reinigung des Seils von der teerartigen Masse, mit der das Seil zu seiner Schonung häufig geschmiert wurde, ge⸗ sehen werden können. Ob uͤbrigens die für die Sellfahrt vorgeschriebenen täglichen Seilrevisionen aus⸗ eugen⸗

regelmãäßi geführt worden sind, erscheint nach den bisherigen aussagen noch fraglich. Die von der Staatsanwaltschaft und

dem Bergrevierbeamten geführte Untersuchung dürfte jedoch erst nach ihrem Abschluß hierüber sowie überhaupt über die Frage, ob und welchen Beamten etwa ein Verschulden an dem Unglücksfall zur Last zu legen ist, Bestimmtes ergeben. Das gerissene Seil ist behufs genauer von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden.

Der Unglücksfall hat gelehrt, daß die bisher wohl allgemein verbreitete Annahme, die e litten am meisten an den Stellen, wo sie am Förderkorb befestigt sind, weil sie dort häufig gestaucht werden, für Bandseile nicht oder wenigstens nicht immer zutrifft, und daß daher die Ergebnisse der Biegungs⸗ und Zerreißungs⸗ proben mit den am Förderkorb befindlichen Seilenden für Bandseile nicht maßgebend sind, vielmehr oft irreführen können. Die Bandseile, die sich nicht, wie die Rundseile auf den Trommeln, nebeneinander legen, sondern übereinander auf⸗ wickeln und deren Drähte sich dadurch gegenseitig reiben, scheinen infolgedessen nicht so sicher zu sein, wie die Rundseile.

Die Oberbergämter sind angewiesen worden, die Revier⸗ beamten hierauf aufmerksam zu machen und diese mit einer gründlichen Untersuchung der in Betrieb befindlichen Band⸗ seile zu beauftragen. Auch sind die Oberbergämter zur Aeußerung darüber aufgefordert worden, unter welchen be⸗ sonderen Bedingungen die weitere Benutzung von Bandseilen zur Menschenförderung noch gestattet werden kann.

Der Königlich bayerische Gesandte Graf von Lerchen feld hat Berlin verlassen. Während seiner Abwesenheit fungiert der Legationsrat Freiherr von Grunelius algs

Geschäftsträger.

Der amerikanische Botschafter Charlemagne T hat Berlin verlassen. Während seiner Abwesenheit hne 8 Erste Botschaftssekretär Spencer Eddy als Geschaͤfts⸗ räger.

Der Königlich norwegische Gesandte von Ditten ist Berlin und hat die Geschäfte Genfifnaß wieder uͤbernommen. t

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Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Niobe“ vorgestern von Hongkong nach Swatau in See gegangen.

S. M. S. „Iltis“ ist vorgestern von Tsingtau nach Tschifu in See gegangen.

S. M. S. „Jaguar“ ist gestern von Nagasaki nach Wusung in See gegangen.

S. M. S. „Bussard“ ist gestern von Kapstadt nach Port

Elizabeth in See gegangen.

Großbritannien und Irland.

Im Unterhause fragte der konservative A geordnete 1

Arnold Forster an, ob die Verhandlungen zwischen dem britischen Botschafter in Washington und der amerikanischen Regierung die Regelung der Zolltariffrage zwischen den Vereinigten Staaten und Canada mit umfaßten, und ob der Sekretär des Staatsdepartements der Vereinigten Staaten den Vorschlag ien; habe, daß Canada bei sich den amerikanischen Zolltarif gegen England und alle anderen Länder zur Einführung bringen und dann Freihandel zwi chen Canada und den Vereinigten Staaten hergestellt werden solle.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ erwiderte der Staatssekretär Sir Edward Grey, daß die allgemeinen Unterhandlungen bezüglich der Reziprozität in den Handelsbeziehungen, die im Jahre 1898 uner⸗ ledigt geblieben seien, in den jüngsten Unterhandlungen mit dem britischen Botschafter nicht wieder eröffnet worden wären. Bezüglich des zweiten Teils der Frage antwortete Grey, daß der englischen Regierung von einem derartigen Vorschlage nichts bekannt sei, in Beantwortung einer weiteren Anfrage fügte der Staatssekretär hinzu, daß der Botschafter ermächtigt sei, sein möglichstes zu tun zur Erledigung der ausstehenden Fragen zwischen Canada und den Vereinigten Staaten. Die Verhandlungen des Jahres 1898 bezüglich der Frage der Gegenseitigkeit in den Handelsbeziehungen würden, ““ genommen, zu diesen ausstehenden Fragen gehören, doch hätten bei den letzthin geführten Verhandlungen weder die Vereinigten Staaten noch Canada irgend welchen Wunsch nach einer erneuten Behandlung der Frage an den Tag gelegt.

Bei einer gestern in London abgehaltenen Zusammen⸗ kunft des Ausschusses der liberalen Liga hielt Lord Rosebery eine Rede, in der er sich über die innerpolitische Lage äußerte. Wie das „W. T. B.“ berichtet, führte er u. a. aus:

„Er erkenne an, daß die Regierung über große Schwierigkeiten mit außergewöhnlichem Erfolge hinweggekommen sei; aber er fürchte, die Regierung möchte zu viel Versprechungen ükernehmen und so Enttäuschung und Reaktion hervorrufen. Niemals hätte man mehr Anlaß gehabt, auf der Hut zu sein als jetzt; er sei der Regie⸗ rung nicht zur Treue verpflichtet, sei ihr kein Vertrauen schuldig und habe auch zu ihr keine offenen oder geheimen Beziehungen. Rosebery legte Verwahrung ein gegen die riesenhaften Ver⸗ sprechungen der Regierung, E . über Irland, und gegen die Drohungen gegen das Oberhaus. Diese Ver⸗ sprechungen würden unfehlbar Enttäuschung und Gegenwirkung hervor⸗ rufen. Er füschte, daß die Zeit nicht fern sei, wo die Regierung zwischen dem Sozialismus und dem Konservatismus erdrückt werde. Jeder allgemeine Angriff auf Eigentum würde dem Fortbestand der Regierung ein Ende bereiten. Rosebery betonte, daß, wenn die von der Regie⸗ rung für Irland geplante Maßnahme ein unabhängiges Parlament einzurichten beabsichtige, sie weit über alles, was Gladstone im Sinne Füest habe, hinausgehen würde. Der Redner tadelte sodann die

eden, die von den ganz links stehenden Mitgliedern der Regierung gebalten worden sind, und schloß, er empfehle Mäßigung als einziges Mittel, J land zu helfen, und sei der Ansicht, die große Masse des

Volks werde nie ein Homerule dulden.

Frankreich.

1 Nach einer Meldung der „Agence Havas“ hat die fran⸗

zösische Regierung ihre Vertreter im Auslande beauftragt, den Signatarmächten der Akte von Algeciras den Beschluß des französischen Ministerrats, betreffend die provisorische Be⸗ setzung von Udschda, zur Kenntnis zu bringen.

In der Kammer sprach der Deputierte Chaussier gestern den Wunsch aus, die Regierung über die Ermordung des französischen Arztes H interpellieren. Der Minister Pichon schlug die sofortige Erledigung dieser Interpellation vor und das Haus beschloß demgemäß.

Der Deputierte Chaussier eröffnete, wie das „W. T. B.“ be⸗ richtet, die Debatte mit einer Rede, in der er die Mordtat, die von der gesamten zivilisierten Welt mit Entrüstung empfunden werde, besprach und zu wissen verlangte, ob Maßnahmen ergriffen seien, um die Sicherheit in Marokko zu gewährleisten. Die Regierung müsse die Erklärung abgeben, daß die Verantwortung völlig auf die marokka⸗ nische Regierung zurückfalle, wenn der Pascha von Marakesch über die unter den Eingeborenen herrschende Stimmung nicht unter⸗ richtet gewesen sei. Nicht bloß Frankreich, sondern die ganze Mensch⸗ heit verliere einen der Besten. Chaussier schilderte darauf die Lauf⸗ bahn des Dr. Mauchamps. Sodann sprach sich Trouin, der Deputierte 1 Oran, für eine Truppenlandung aus. Es folgte Dubief, der sich

en Ausführungen Chaussiers anschloß und auf die Verdienste Mauchamps hinwies, mit dem Bemerken, daß Mauchames nie⸗ von der franz sischen Gesandtschaft in Schutz genommen worden sei. (Entrüstungsrufe.) Er erzählte darauf die Begleitumstände des Mordes und betonte, daß die Verantwortlichkeit ganz den Go verneur von Marakesch und die marokkanische Regierung treffe. De Redner sprach die Hoffnung aus, daß Frankreich eine völlige Genug tuung zu erreichen wissen und in Zukunft in der Auswahl seiner Ver treter sorgfältiger sein werde. Trouin unterbrach hier den Redne mit dem Rufe: Jawohl, denn außer Revoil ist bisher keiner sein Aufgabe gewachsen gewesen. Der Minister des Aeußern Picho erwiderte, daß Mauchamps niemals von seiten der Beamten des Mi 8 nisteriums des Aeußern eine unfreundliche Aufnahme oder eine schlechte Behandlung erfahren habe. Er habe in Marokko nicht ganz die erforderliche Voraussicht bewiesen, aber er habe sich verdient gemach und sei wohltätig gewesen. Pichon widmete Mauchamps Wort wärmster Anerkennung und sprach dessen Familie sein Beileid aus Es sei richtig, daß der Gouverneur von Marakesch nicht dee erforder⸗ lichen Maßnahmen ergriffen habe. Das Verbrechen sei die Folge einer Reihe von Vorgängen, die Frankreich in eine demütigende Lage ver⸗ setzen würden, wenn dieses Verbrechen nicht Bestrafung fände. Unser Siellung in Algier“, sagte der Minister, „unsere besonderen 2 machungen sind mißachtet worden.“ Darauf berlas Plichon die Reihe der Beschwernen Frankreichs und erklärte, daß auf die verschiedenen Forderungen Frankreichs der Machzen keine Genugtuung gegeben habe. Die Namen der Mörder Charbonniers seien der französischen

feanzösischen Staatsangehörigen Achtung zu verschaffen.

ebung, die der Dinge zu unterbrechen, wenn der Organismus des Staats bis u seine Grundfesten erschüttert werde. Es gebe im Leben des Staats

aft in Tanger bekannt, die scherifischen Behörden eeebbb [Torres verantwortlich sei. Der Minister fuhr dann fort: „Die agelegenbeit Lassalas rief gleichfolls eine lebhafte Erregung heivor Der Machzen beantwortete unsere Beschwerden unhöflich. Wenn ich sese Tatsache zur allgemeinen Kenntnis bringe, so geschieht das, um beweisen, welche Langmut und Geduld Frankreich gezeigt hat, ehe energische Maßregeln ergriff. Ich für meinen Teil beglückwünsche ich wegen dieser Langmut.“ Pichon setzte dann die Aufzählung der nanzösischen Beschwerden fort und fragte: „Was ist bei dieser un⸗ füarzolichen Lage in Marokko zu tun? Etwa weiterhin Beschwerden 8 eben? Oder mit Drohungen fortfahren? Das wäre nutzlos, wie rankreich zu seinem eigenen Schaden erfahren hat. Die Regierung fn also wirksame Maßregeln ergriffen, um den Sultan zu nötigen, Frankreich gegenüber wieder zur Ordnung und zur Gesetzmäßigkeit urückzukehren.“ Pichon verlas sodann das Verzeichnis der Forderungen, 9 Frankreich erhebt, nämlich: Bestrafung der Mörder, Absetzung und Bestrafung des Gouverneurs von Marakesch, Geldentschädigung für die amilie Mauchamps, 1r, für die Sicherheit der sir neigen Staatsangehörigen in Marolko, Durchführung der vom Machzen durch Spezialverträge mit Frankreich sowie durch die Atte von Algectras übernommenenen Verpflichtungen, und schließsich Hintanhaltung von Unruhen, Räubereien und Einfällen in Mauretanien. Udschda, erklärte der Minister, werde so lange besetzt bleiben, bis diese Forderungen erfüllt seien. Die besonderen Abkommen von 1901 und 1902 würden durch die Beschlüsse der Konferenz von Algeciras nicht berührt. Frankreich sei berechtigt, das sofortige Inkrafttreten der in diesen Abkommen vorgesehenen Ordnung der Dinge zu verlangen. Die Algecirasakte mache es Frankreich zur Pflicht, sofort die Polizei in den Hafenplätzen zu organisieren. Frankreich verlange, daß man aufhöre, in Mauritanien und Adrar die Be⸗ völkerung aufzureizen; es habe nämlich den Beweis dafür, daß Marokko in diesen Gegenden die Hand im Spiele hätte. Die Politik ßrankreichs sei frei von jedem Gedanken an Eroberung oder Ein⸗ griffen in fremdes Gebiet, aber sie sei entschlossen, diejenige Macht aufzubieten, die notwendig wäre, um den Rechten und dem

ie Be⸗ setung von Udschda sei eine provisorische, die dauern solle bis zu dem Tage, an welchem Genugtuung gegeben sei. Es werde vom Machzen abhängen, den Eintritt des Zeitpunktes zu beschleunigen. Frankreich habe kein Interesse daran, eine Süfe zu verlängern, die hm nur Lasten auferlege. Zum Schluß sprach Pichon den Wunsch aus, daß die Feindseligkeit unter den Fremden in Marokko aufhören möchte, denn sie sollten Genossen bei dem gemeinsamen Werke sein, einträchtig ein einziges Siel zu erreichen. Der übermäßige Wettbewerb, der eine Gefahr für Europa sei, müsse aufhören. Dann hätte, so schloß der Minister, der Tod unseres Landsmannes der Einigung der Rassen, der Zivilisation, dem Frieden und der Ver⸗ brüderung der Völker einen Dienst geleistet. Ribot (Republikaner) verteidigte die Vertreter Frankreichs in Marokko, die Frankreich zum fiiedlichen Eindringen in das Land veranlasse, die es aber auch unter⸗ stützen müsse. Man müsse mit dem Fanatismus der Mobammedaner rechnen, die seit einem Jahre Zeugen der Spaltungen Europas ge⸗ wesen seien. Dieser im Dunkeln geführte Kampf der Fremden in Marokko sei eine Schädigung der Zivilisation. Die Europäer müßten auf diese Politik der Spaltungen verzichten. Das Ultimatum Frank⸗ richs sei so maßvoll, daß seine Absichten nicht beargwöhnt werden könnten. Ribot wünschte, daß die Besetzung von Udschda nicht lange aufrecht erhalten zu werden brauche, Frankreich wolle in Marokko dine Eroberungspolitik beginnen.

Heme nahm das Haus durch Handaufheben einstimmig

sugende Tagesordnung an: 1

Die Kammer billigt die Erklärugen der Regierung, vertraut auf

e Festigkeit, um die Sicherheit unserer Mithürger in Marokko zu währleisten, und geht zur Tagesordnung über.

Die Kammer erörterte sodann die Interpellation des sezialistischen Radikalen Colliard wegen der Heimsendung der Militärklasse von 1903.

Der Kriegsminister Piequart sprach sich im Interesse der nationalen Verteidigung gegen die Heimsendung dieser Altersklasse aus, die erst im September erfolgen könne.

Die vom Obmann des ““ beantragte und von der Regierung angenommene einfache Tagesordnung wurde mit 278 gegen 236 Stimmen abgelehnt. Dieses Ab⸗ stimmungsergebnis rief große Bewegung hervor. Der Sozialist Gérault⸗Richard brachte hierauf eine neue Tagesordnung ein, in der das Vertrauen ausgesprochen wird, daß die Regierung die Heimsendung der Altersklasse von 1903 sobald wie möglich veranlassen werde.

Der inisterpräsident Clemenceau akzeptierte diese Tages⸗ ordnung und sagte, die Tagesordnung Colltard habe er deshalb abge⸗ lehnt, weil diese erklärt habe, daß die Entlassung der Jahresklasse 1903 mit der Landesverteidigung vereinbar sei, und weil die Minister ein⸗ stimmig der gegenteiligen leficht seien. Er stelle die Vertrauensfrage. Die Unterstellung, daß die Tagesordnung Gérault⸗Richard kriegerisch sei, weise er zurück. Er erkenne an, vaß die Lage in Europa, ohne verwickelt zu sein, aufmerksame Beobachtung verdiene.

Darauf wurde die Tagesordnung Gäérault⸗Richard mit 413 gegen 79 Stimmen angenommen.

Der Senat hat in seiner gestrigen Sitzung ohne debatte den Gesetzentwurf angenommen, durch den die am A. Dezember 1904 abgeschlossene Haager Konvention, betreffend die Befreiung von Lazarettschiffen in Kriegszeiten von denjenigen Abgaben, die den Schiffen zu Gunsten der Staatskasse in den Häfen auferlegt werden, gebilligt wird, sowie den Gesetzentwurf, betreffend Regelung der Arbeit un Bord von Handelsschiffen. Der Senat vertagte sich dann bis zum 7. Mai.

Rußland. A14“ In der Reichsduma wurde gestern die Beratung über die Abschaffung der Kriegs⸗ und Feldgerichte fort⸗ gesetzt. Nach dem Bericht des „W. T. B.“* erhoben die Rechte und die Linke abwechselnd Vorwürfe gegeneinander, bis der räͤsident schließlich unter Lärm des Hauses bat, sich auf den egenstand der Tagesordnung zu beschränken. Nach Schluß der Debatte, die noch die ganze Sitzung ausfüllte, erklärte der Ministerpräsident Stolypin: Das Gesetz über die Kriegs⸗ und Feldgerichte sei ein zeitweiliges und könne nichk eher als einen Monat nach der Einbringung des An⸗ trags bei dem Dumapräsidenten abgeschafft werden. Aber abgesehen von diesen formellen Erwägungen, set es klar, daß die Duma von der egierung eine gerade Antwort erwarte. Er könne sich mit Juristen vom Fach wie Maklahoff nicht in eine Polemik einlassen, der Staat müfse aber die außergewöhnlichsten und energischesten SS ergreisen, wenn er in Gefahr sei. Es gebe keine Gesetz⸗ der Regierung verbiete, die Ordnung

normale

verhängnisvolle Augenblicke, wo die Notwendigkeit gebieterischer sei als das Recht, wo man zu wählen habe zwischen der Richtigkeit der Theorien und der Sicherheit des Vaterlandes. Provisorische Maß⸗ nahmen wie das Gesetz über die Kriegs⸗ und Feldgerichte könnten nicht en Charakter dauernder Einrichtungen annehmen, sie seien dazu be⸗ fimmt, die Flut des Verbrechens zu brechen und dann zu verschwinden, dir Regierung könne aber noch nicht die Ruhe gewährleisten, ohne zu außergewöhnlichen Maßnahmen zu greifen. Der Minister⸗ präsident verlas darauf die auf einem Kongreß der Sozialrevolutionäre pfaßten Beschlüsse und wies darauf hin, daß diese die Massen des vLalkes zu einer bewaffneten Erhebung aufriefen und daß deren end⸗

liches Ziel die demokratische Republik sei. „Ich frage Sie, darf die Regierung unfer derartigen Um⸗ ständen der revolutionären Bewegung nachgeben? Die Re⸗ gierung hat die Ueberzeugung, daß das Land von ihr nicht einen Beweis der Schwäche, sondern einen Beweis des Vertrauens erwartet. Wir wollen glauben, daß Sie dem blutigen Wahn Einhalt tun werden, daß Sie das Wort aussprechen werden, welches uns Alle zwingen wird, an der Wiederherstellung und der Herrlichkeit Rußlands mitzuarbeiten. Inzwischen wird die Regierung die Zuständigkeit der Kriegs⸗ und Feldgerichte auf außergewöhnliche

älle und auf die verwegensten Verbrechen beschränken, und wenn die Reichsduma Rußland auf der Bahn ruhiger Arbeit vorwärtsgebracht haben wird, wird das Gesetz über jene Gerichte schon durch die Tatsache, daß es nicht den gesetzgebenden Körperschaften vorgelegt wird, außer Kraft treten. Die Beruhigung Rußlands ist in ihren Händen. Rußland wird das von Henkershand vergossene Blut von dem Blut zu unterscheiden wissen, das durch die

nd der gewissenhaften Aerzte vergossen wird, die außerordentliche

aßnahmen anwenden, die die einzige Hoffnung zur Heilung des Kranken bieten.“

Der Berichterstatter Hessen wandte sich gegen Stolypins Ausführungen und verzichtete dann auf seine Forderung, daß die Kommission der Duma den Antrag binnen 24 Stunden prüfen soll. Der Präsident stellte darauf den Vorschlag, zur Prüfung des Antrags, betreffend Abschaffung der Kriegsgerichte, eine Kommission von 16 Mitgliedern zu wählen, zur Ab⸗ stimmung. Die Duma nahm ihn mit überwältigender Mehr⸗ heit an und vertagte sich darauf.

Bei den Mitte März in Finnland stattgehabten Wahlen der Landtagsabgeordneten, sind, obiger Quelle zufolge, insgesamt im ganzen Lande abgegeben worden: 293 021. Stimmen fuͤr die Sozialisten, 212 235 für die Suomeritaner, 104 732 für die Jungfinnen, 97 712 für die schwedische Volks⸗ partei un 8

Durch Austausch von Noten zwischen dem italienischen Geschäftsträger in London und dem englischen Ministerium des Auswärtigen ist, „W. T. B.“ zufolge, am 19. März zwischen der italienischen und der englischen Regie⸗ rung ein Uebereinkommen abgeschlossen worden bezüglich der Regelung der gegenseitigen Beziehungen im Somalilande. “]

Stolypin fuhr fort:

““

8 Rumänien.

Das amtliche Journal veröffentlicht eine Kundgebung

der Regierung, in der behufs Wiederherstellung der Ruhe, Sicherheit und des Friedens zu patriotischer Mithilfe aller aufgefordert und die Vorlegung von Gesetzentwürfen zur Linde⸗ rung der Not der Bauern angekündigt wird. Dieser Zweck soll namentlich erreicht werden durch Erleichterung der Be⸗ schaffung des Pachtgeldes, durch eine Reform der Be⸗ teuerung des kleinen Grundbesitzes, durch eine Revi⸗ sion der Bestimmungen der landwirtschaftlichen Ver⸗ träge über den Umfang und die Art der von den Bauern zu leistenden Arbeit, ferner durch Festsetzung eines Maximal⸗ zinsfußes für die den Bauern zu gewährenden Vorschüsse, schließlich durch Beschränkung des Besitzes des Pächter⸗ trusts. Die Regierung werde, heißt es in dem Manifest, alles aufbieten, damit die Gesetze peinlichst befolgt werden; sie sei entschlossen, die Unruhen energisch zu unterdrücken und die⸗ senhgen streng zu bestrafen, die aus den Verwüstungen Vorteil iehen. 1 Wie die „Frankfurter Zeitung“ aus Bukarest meldet, herrscht in den Bezirken Temcorna und Wlaschka Panik. Die Bauern verwüsten und zerstören alles und morden jeden, der sich ihnen in den Weg stellt. Die Betroffenen sind nicht Juden, sondern christliche rumänische Guts⸗ besitzer und Pächter. Bukarest ist von geflüchteten Guts⸗ besizern und Pächtern überfüllt, die die ustände als fürchterlich schildern. Den Gutsbesitzern und Pächtern wurden die Ringe von den Fingern gezogen oder die Finger abgehauen. Alles Getreide in den Scheunen wurde verbrannt. Der Schaden beziffert sich nach Millionen. Die Lage in der Walachei ist, dem 1“ Blatte zufolge, noch immer äußerst kritisch. Das Militär schreitet energisch ein und kämpft überall mit großem Mut, besonders zeichnen sich die Offiziere aus. Allgemein wird die Lage dahin auf⸗ efaßt, daß die Foffnung v- der Aufstand werde dank bers energischen Vorgehens der Regierung nicht weiter um sich greifen. Nach einer Meldung der „Agence Roumaine“ vom heutigen Tage ist im Moldaugebiet die Ruhe wieder⸗ hergestellt. Das offiziöse Blatt weist im Gegensatz zu obigen Meldungen darauf hin, daß in der Moldau, obgleich die Ruhe⸗ störungen dort fast allgemein waren und die Lage der dortigen sehr mißlich sei, Mordtaten nicht begangen worden eien.

In der gestrigen Sitzung stellte sich das neue Kabinett der Kammer vor. Der Ministerpräsident Sturdza forderte die Kammer auf, der liberalen Regierung in der gegenwärtigen schweren Stunde zu helfen. Die ehemaligen Minister Jonescu, Lahovary und Carp sicherten der Regierung ihre Unterstützung zu. Die Regierung unterbreitete dann, „W. T. B.“ zufolge, dem ause Gesetz⸗ entwürfe, betreffend die Aufhebung der Fünffrancs⸗ steuer, die Weinsteuer und die Reform der Grund⸗ steuer der Kleinbauern, sowie andere e zu Gunsten der landwirtschaftlichen Bevölkerung. Die Kammer nahm einstimmig sämtliche Gesetzentwürfe an. 9

Bulgarien. 8 8

Die Sobranje hat gestern das Gesetz gegen die Anarchisten und gegen die Personen, die einen Anschlag auf amtliche Persönlichkeiten verübt haben, genehmigt. Wie das „W. T. B.“ ferner meldet, hat der Ministerpräsident Gudew gestern in der Sobranje einen Kredit von 600 000 Fr. zur Besserung der Lage der Eisenbahnbeamten be

antragz. Nach einer Meldung des „W. T. B. Mesched vom dortigen russischen Konsul nach Sabzevar, wo eine russenfeindliche Bewegung ausgebrochen ist, ein Beamter mit einer Abteilung Kosaken entsandt worden. Die persischen Behörden sind⸗bemüht, die Unruhen zu unterdrücken.

Afrika.

Aus dem Innern sind in Tanger Nachrichten über den Eindruck eingetroffen, den die Ermordung des Dr. Mauchamps dort gemacht hat. Besonders aus Casablanca wird eine gewisse Erregung der Bevölkerung gemeldet, unter der die Meinung verbreitet sei, der Beginn der Amtstätigkeit der französisch⸗spa⸗ nischen Polizei werde das Signal für ein Massacre der Europäer sein. Diesen Meldungen kommt, der „Agence Havas“ zufolge,

WE1

indessen keine andere Bedeutung zu, als die, die sie als ein

Nach derselben Quelle ist die scherifische Mahalla in der Gegend von Tanger absolut untätig und befindet sich wegen Mangels an Mitteln in einem Zustande vollständiger Des⸗ organisation. Die für die Operationen der Mahalla be⸗ stimmten Kredite sind völlig erschöpft, die Soldaten desertieren in großer Zahl.

Der englischen Regierung ist, nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“, keine Information zugegangen über den angeblichen Angriff auf das Haus des lengüschen Kon⸗ sularagenten in arakesch oder sein Schießen auf den marokkanischen Volkshaufen.

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung. Gestern mittag fand in Berlin eine von 2500 Gehilfen des Schneidergewerbes besuchte Versamm⸗

Generalaussperrung am bevorstehenden Sonnabend vorzunehmen. Es wurde, der „Voss. Ztg.“ zufolge, darauf hingewiesen, daß, da die Vorschläge der Arbeitgeber unannehmbar seien, es be⸗ stimmt zur Generalaussperrung kommen würde. Zum Schluß nahm die Versammlung einstimmig folgende Erklärung an: „Die heute tagende Mitgliederversammlung des Schneiderverbandes erklärt, daß die Tarifvorlage der Arbeitgeber nicht nur einige Unebenheiten zeigt, sondern daß sie einer ganzen Umarbeitung bedarf, die nur in gemein⸗ samen Verhandlungen am Orte stattfinden können. Die Versammlung kann deshalb ihrem Zentralvorstand die Annahme des durch die Presse veröffentlichten Ultimatums nicht empfehlen.“

Siebzig Arbeiter der Gummiwarenfabrik Gebrüder Kunth in Münden sind, wie die „Voss. Ztg.“ meldet, am 25. d. M. wegen Lohnstreitigkeiten in den Ausstand getreten.

Die Arbeiter der Ludwigshafener Ziegelwerke sind, nach demselben Blatte, gestern in den Ausstand getreten.

Aus Hamburg wird dem „W. T. B.“ telegraphiert: Der

afenbetriebsverein erklärt die Meldung der wefhe daß vorgestern die auf den Schiffen im Kuhwärderhafen be⸗ a

deshalb auf sämtlichen dort liegenden Schiffen geruht habe, für unwahr. Da jetzt 5000 Arbeiter vorhanden sind, war es gestern möglich, alle Betriebe voll zu besetzen. Trotzdem soll die Zahl der Arbeiter auf 6000 verstärkt werden. Es wird beabsichtigt, die englischen Arbeiter mit Ablauf ihres Kontraktes zurückzuschicken und durch deutsche Arbeiter zu ersetzen, die man hier seßhaft machen will. Die Hamburg⸗ Amerikalinie richtete an den Senat den Antrag, wonach auf Waltershof imgroßen Umfange Wohnungen für Hafenarbeiter angelegt werden sollen. Obwohl mit der Ausgabe der neuen Arbeits⸗ ordnung erst gestern früh begonnen wurde, sind 150 Personen aus der

eintreffen. Die Zahl der im Hafen auf Entladung und frachtung wartenden Schiffe ist auf 252 Dampfer und 58 Segelschiffe gestiegen, sie dürfte aber bald geringer werden, da vor⸗ gestern und gestern Dampfer mit Arbeitswilligen sowohl aus England wie aus Irland eingetroffen sind. Am Montag kam es zu mehr⸗ fachen Ausschreitungen Ausständiger gegen Arbeitswillige.

In Wien wurden, wie „W. Verhandlungen zwischen den beiden Lohnkomitees der Damen⸗ schneider abgehalten. Es kam zu einer Annäherung, da die Arbeit⸗

eber sich zu Zugeständnissen verstanden. Die Vorschläge wurden 88 der Vollversammlung der streikenden Damenschneiderinnen vor⸗ gelegt und wurden angenommen. Der Ausstand ist somit beendet.

Die englische Zeitung „Daily Chronicle“ meldet aus Chicago: Die Leiter der westlichen Eisenbahnen scheinen ebenso entschlossen gegen die Bewilligung eines 12 % Lohnzuschlags zu sein, wie die Angestellten ihn fordern. Da das Ultimatum der Streikenden

man, daß der ganze Westen binnen kurzem sich inmitten eines riesenhaften Eisenbahnausstandes befinden wird. Die Bahnleiter sandten Depeschen an Pierpont Morgan, Harriman und Hlll, in denen sie b auffordern, ihren Einfluß aufzubieten, um den Streik abzu⸗ wenden.

Eine von Vertretern der Bergleute des Beckens von Charleroi abgehaltene Versammlung beschloß, wie die „Köln. Ztg.“ erfährt, einmütig, angesichts der bei der letzten Verdingung von Kohlen für die Staatsbahn eingetretenen Preiserhöhung von fast 2 Fr. auf die Tonne eine zwanzigprozentige Lohnaufbesserung zu verlangen.

In Dünkirchen sind, laut Meldung des „W. T. B.“, 1200 Arbeiter der Schiffswerft „La France“ wegen verweigerter Lohnerhöhung in den Ausstand getreten.

Aus Lausanne wird dem „W. T. B.“ telegraphiert, daß die Arbeiterunion beschlossen hat, den Generalstreik zu verkünden. Die Regierung wird das 4. Bataillon einberufen.

Kunst und Wissenschaft. 88

In der Internationalen Vereinigung für vergleichende Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftblehre sprach am Montag der Staatsminister z. D. Hentig über: „Rechtsver⸗ gleichung und Politik-. Der Redner legte das Wesen der systematischen fachwissenschaftlichen Vergleichung des Rechtes dar und schilderte deren Aufgabe für die Erweiterung und Vertiefung unserer politischen Bildung, namentlich für den Inbalt und die Technik der Gesetzgebung, die Rechtsverschmelzung, wie sie sich für das Wechsel⸗ recht, einen Teil des Eisenbahnrechts und andere Wirtschaftsgebiete vorbereitet, und die Rechtsausgleichung, wie sie sich bereits durch die Haager Konferenzen von 1893, 1894 und 1900 in dem Bereiche des internationalen Privatrechts für bestimmte Fragen des Zivilprozesses, der Eheschließung, Ehetrennung und der Vormundschaft über Minder⸗ jährige bereits vollzogen hat. Nach einem Ausblick auf den Anteil der vergleichenden Rechtswissenschaft an den Ergebnissen der ersten Friedens⸗ konferenz erörterte der Redner die Wirkungen der Rechtsvergleichung durch die Literatur und Presse auf das öffentliche Leben, indem er besonders hervorhob, daß die Beleuchtung fremder Rechts⸗ zustände im Zeitalter des Konstitutionalismus und des allgemeinen Wahlrechts durch das Medium einer Gewinnung der öffentlichen Meinung durch Wahlen und Parlamente nicht selten als Vorbild und Beispiel zur Verwirklichung bestimmter politischer Zwecke beitrage. Eingehend wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, bei aller Rechts⸗ vergleichung für ihre politische die nationale Be⸗ sonderheit und die großen Unterschiede in der geschichtlichen Ent⸗ wicklung, der wirtschaftlichen Kraft und der internationalen Stellung

jedes Landes zu den anderen Staaten Rücksicht zu nehmen, um vor

falschen Schlußfolgerungen bewahrt zu bleiben. Pflicht der Ver⸗ einigung sei es, die Methode der vergleichenden Rechtswissenschaft zu vervollkommnen und durch Beachtung der Grenzen ihrer Leistungs⸗ fähigkeit in der Sicherheit ihrer Ergebnisse zu steigern, sodaß sie der Staatskunst immer wirksamer dienen und die fortschreitende Ent⸗ wicklung im öffentlichen Leben der Kulturvölker fördern koöͤnne.

Der Lehrer des Türkischen am Seminar für orientalische Sprachen in Berlin, Professor Dr. Karl Foy ist gestorben. Er hat ein Alter von 50 Jahren erreicht. Der Verstorbene war in seinen Studien⸗ jahren nach Athen und Konstantinopel gekommen und hatte dann, von der klassischen Philologie ausgehend, der neugriechischen und türkischen Sprache seine Studien zugewendet. Er gehörte seit 1890 dem Lehr⸗ körper des Seminars an.

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Spiegelbild des in der Bevölkerung herrschenden Geistes habe.

lung statt, um den Beschluß der Arbeitgeber zu besprechen, eine 8

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igten englischen Arbeiter die Arbeit verweigerten und die Arbeit

Stadt vorgemerkt, während aus dem Inlande Hunderte von erh e⸗

T. B.“ meldet, gestern nachmittag

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nur noch wenige Tage für eine Entscheidung Zeit läßt, befürchtet

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