1907 / 285 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 30 Nov 1907 18:00:01 GMT) scan diff

Die Oberförsterstelle Turoscheln im Regierungsbezirk

Allenstein ist zum 1. Januar 1908 bu besetzen; derbungen

müssen bis zum 10. Dezember eingehen. 8

Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinalangelegenheiten.

Dem Gymnasialdirektor Niemann ist die Direktion des Gymnasiums in Celle übertragen worden. Am Schullehrerseminar in Pr. Eylau ist der Seminar⸗ lehrer Schreiner aus Frankenberg als Seminaroberlehrer und am Schullehrerseminar zu Kyritz der bisherige Rektor Hoppe aus Fehrbellin als ordentlicher Seminarlehrer an⸗ gestellt worden.

Königliche Friedrich Wilhelms⸗Universität.

Bekanntmachung.

Zum 1. April 1908 kommt ein Stipendium der Beuth⸗ ung zum jährlichen Betrage von 1200 auf 5 Jahre zur

ergebung.

Die Bewerber müssen würdige und bedürftige Studierende sein und einer der vier Fakultäten der hiesigen Universität oder einer der Abteilungen I und II der Technischen Hochschule Berlin angehören.

Nachkommen des Generalmajors von Willisen, des Geheimen Finanzrats und Provinzialsteuerdirektors August von Maasen, des Oberregierungsrats Hugo von Schierstädt oder des Geheimen Medizinalrats Dr. Quincke haben, ohne den Nachweis der Bedürftig⸗ keit führen zu müssen, ein unbedingtes Vorzugsrecht; nächst diesen steht den Eingeborenen der Stadt Kleve ein Vorzugsrecht vor anderen Bewerbern zu.

Der Inhaber des Stipendiums ist verpflichtet, mindestens noch ein Jahr auf der hiesigen Universität zu studieren, die übrige Zeit kann er sich den Studien auf einer anderen deutschen Universität widmen, das Stipendium auch nach beendigten Studien in der Zeit fortbeziehen, die er zu seiner weiteren Ausbildung verweadet, bevor er 9 eine selbständige mit einem Einkommen verbundene Berufstätigkeit eintritt.

Bewerbungen sind bis zum 15. Februar 1908 einschließlich an uns einzureichen.

Berlin, den 29. November 1907.

Riektor und Senat.

Stumpf.

Königliche Technische Hochschule zu Berlin. Bekanntmachung. Aus dem Fonds der Louis E1“ für

Architekten und Bauingenieure Reisestipendium an einen Bauingenieur zu vergeben.

Nach der von dem Herrn Minister der geistlichen, Unterrichts⸗ b v Der Ausgleichsauschuß des österreichischen Abge⸗

und Medizinalangelegenheiten genehmigten Aufgabe soll Stipendiat das Eisenbahnversicherungswesen in England und tunlichst auch das in Frankreich auf Grund örtlicher Ermittelungen und unter ec nns der Literatur mit dem deutschen vergleichen. Hierbei sollen die herr⸗ schenden Hernges dargestellt und die Mittel zu deren Durchführung mehr nach ihrer Wirkungsweise als nach ihrer konstruktiven Durch⸗ bildung behandelt werden. (Abzüge des Wortlauts der Aufgabe werden vom Bureau der Technischen Hochschule auf Erfordern 2 frei abgegeben.) 1 .

Das Reisestipendium beträgt 3000 Die Reise ist im Jahre 1908 auszuführen und der Bericht darüber spätestens 6 Monate nach veien Beendigung an das Rektorat der Technischen Hochschule ab⸗ zuliefern.

Die Bewerber müssen einen wesentlichen Teil ihrer Ausbildung auf der ehemaligen Bauakademie oder der Technischen Hochschule zu Berlin erlangt haben. Die Gesuche 8 an das Rektorat der Tech⸗ nischen Hochschule zu Berlin in Charlottenburg unter Beifügung des Lebenslaufs, der Nachweise über den Studiengang und die praktische und literarische Tätigkeit sowie von Entwürfen des Bewerbers aus k-n- des Bauingenieurwesens bis zum 10. Januar 1908 ein⸗ zureichen.

Charlottenburg, den 25. November 1907.

Rektor der Königlichen Technischen Hochschule zu Berlin. Kammerer.

Bekanntmachung.

Nach Vorschrift des Gesetzes vom 10. April 1872 (Gesetzsamml. S. 357) sind bekannt gemacht:

1) das am 21. Januar 1907 Allerhöchst vollzogene Statut für die Drainagegenossenschaft Hausen II zu Hausen im Kreise Worbis durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Erfurt Nr. 45 S. 268, ausgegeben am 9. November 1907;

2) die Allerhöchste Konzessionsurkunde vom 8. Juli 1907, betreffend den Bau und Betrieb einer vollspurigen Nebeneisenbahn von Oster⸗ wieck über Hornburg nach Berfiun innerhalb des preußischen Staats⸗ gebiets durch die Osterwieck⸗Wasserlebener Eisenbahn⸗Aktiengesellschaft,

1 durch die Amtsblätter

der Königlichen Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin Nr. 41 S. 470, ausgegeben am 11. Oktober 1907, und der Königlichen Regierung zu Magdeburg Nr. 42 S. 419,

ausgegeben am 19. Oktober 1907;

3.) der Allerhöchste Erlaß vom 8. August 1907, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an die Stadtgemeinde Cassel zur Ausführung der geplanten 1 Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Cassel Nr. 42 S. 313, aus⸗ gegeben am 16. Oktober 1907;

4) das am 1. September 1907 Allerhöchst vollzogene Statut für die Deichgemeinde Süderheverkoog durch das Amtsblatt der König⸗ lichen Meierung zu Schleswig Nr. 44 S. 481, ausgegeben am 26. Oktober 1907;

5) der Allerhöchste Erlaß vom 7. September 1907, betreffend die Beilegung der Rechte einer öffentlichen Körperschaft und die Ver⸗ leihung des Rechts zur Chausseegelderhebung usw. an den Chausseebau⸗ und Unterhaltungsverband Plawniowitz⸗Rudzinitz im Kreise Tost⸗ Gleiwitz für die Chaussee von Plawniowitz nach Rudzinitz, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Oppeln Nr. 43 S. 367, ausgegeben am 25. Oktober 1907;

6) der Allerhöchste Erlaß vom 14. September 1907, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an die Gemeinde Bonn für die Anlegung, eines Begraͤbnisplatzes in der Gemarkung Pottendorf, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Cöln Nr. 43 S. 299, ausgegeben am 23. Oktober 1907;

7) der Allerhöchste Erlaß vom 14. September 1907, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an die Ae eans enscha Barmer Bergbahn für die Anlage einer Kleinbahn von Müngsten nach Krahen⸗ böhe, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Düsseldorf Nr. 41 S. 539, ausgegeben am 12. Oktober 1907;

8) der Allerhöchste Erlaß vom 23. September 1907, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an die Stadtgemeinde Berlin zur bebauungsplanmäßigen Freilegung der Gormannstraße auf der Strecke zwischen der Mulackstraße und der Steinstraße, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin Nr. 43 S. 490, ausgegeben am 25. Oktober 1907;

9) der Allerhöchste Erlaß vom 23. September 1907, betreffend die Verleihung des Rechts zur Chausseegelderhebung usw. an den Kreis Gardelegen für die Chaussee von Klötze über Lockstedt bis zur Kreis⸗ ggsrenze in der Richtung nach Neuendorf, durch das Amtsblatt der

st für das Jahr 1908 ein

analisation der Stadt Cassel, durch das

516 460 Francs betragen. Betrag von ungefähr 3 Millionen erreichen, wozu noch 3 Millionen für Materialausgaben kommen.

handlung über den Marineetat fortgesetzt.

vI11I1I Königlichen Regierung zu Magdeburg 26. Oktober 1907; 10) der Allerhöchste Erlaß vom 7. Oktober 1907, betreffend die

Verleihung des Enteignungsrechts an den Kreis Osthavelland für die

Anlage einer Kleinbahn von Bötzow nach Spandau, durch das Amts⸗ blatt der Königlichen Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin Nr. 46 S. 509, ausgegeben am 15. November 1907;

11) der Allerböchste Erlaß vom 15. Oktober 1907, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an die Gemeinde Wettringen im Regierungsbezirke Münster für den Ausbau des öffentlichen Weges von Haddorf nach Bilk, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Münster Nr. 45 S. 442, ausgegeben am 7. November 1907;

12) der Allerhöchste Erlaß vom 15. Oktober 1907, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an den Landkreis Reckling⸗ hausen, zusammen mit den Gemeinden Herten und Buer, für die An⸗ lage einer Kleinbahn von Herten nach Buer (Erle⸗Middelich), durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Münster Nr. 45 S. 442, ausgegeben am 7. Novemtt66“

Deutsches Reich.

Prenßen. Beßzn n, 80. Nopember. Die vereinigten Ausschuüͤsse des Wundesrats für Eisen⸗ bahnen, Post und Telegraphen und für das Landheer und die Festungen, die vereinigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuer⸗ wesen und für Justiz 88 die vereinigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen für Rechnungswesen, die ver⸗ einigten Ausschüsse für . Nükund Steuerwesen und für Eisen⸗ bahnen, Post und Telegraphen sowie die vereinigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerm. und für Handel und Verkehr hielten

8 1““

Laut Meldung des „W. T. B.“ geht S. M. S. „Panther“ am 3. Dezember von Alt⸗Calabar nach Duala in See.

S. M. S. „Fürst Bismarck“ geht heute von Schanghai nach Amoy in See. 1

Der ausreisende Ablösungstransport für S. M. S. „Planet“ ist mit dem Reichspostdampfer „Yorck“ gestern in Singapore eingetroffen und setzt heute die Reise nach Hongkong fort. 9

Oesterreich⸗Ungarn.

ordnetenhauses erles gestern den Artikel 25 sowie das Mantelgesetz des Ausgleichs, womit das gesamte Aus⸗ gleichsoperat unverändert angenommen ist. Auf verschiedene An b erklärte, wie das „W. T. B.“ meldet, der Minister⸗ räsident:

8 Zwischen den beiderseitigen Regierungen bestehen keine Verein⸗ barungen für den Fall, daß der Ausgleich am 1. Januar nicht in Kraft trete. In diesem Falle sünden wir allerdings vor einem voll⸗ ständigen Vacuum mit allen r uen Konsequenzen. Die beiden Re⸗ gierunzen waren darüber eing, daß vollständige Ruhe und Ordnung in den beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnissen nur eintreten könnten, wenn der Ausgleich in vollständig konstitu⸗ tioneller Art und Weise erledigt würde. Der Ministerpräsident wiederholte, daß durch die Verabschiedung des ungarischen Er⸗ mächtigungsgesetzes und Inkraftsetzung der Ausgleichsbestimmungen der Ausgleich in Ungarn vollständig gesetzlich wilksam werde. Außer den in den vorgelegten Schriftstücken enthaltenen staatsrechtlichen vnen. fioh seien Ungarn keinerlei andere Zugeständnisse gemacht worden.

Hierauf wurde die Ausschußsitzung geschlossen.

Der Präsident des Abgeordnetenhauses Weißkirchner hatte gestern eine Unterredung mit dem Obmann des deutsch⸗ nationalen Verbandes Dr. Chiari, in der er seinem lebhaften Erstaunen darüber Ausdruck gab, daß seine vorgestrige Antwort auf die Anfrage des Abgeordneten Glom⸗ binski vielfach eine ganz unrichtige Auffassung gefunden habe.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ erklärte er, daß seine Aeußerungen weder gegen das Deutsche Reich noch gegen das Bündnis mit diesem gerichtet gewesen seien. Die christlich⸗soziale Partei lege vielmehr gerade auf das Bündnis allergrößten Wert, da sie in ihm die wichtigste Friedensbürgschaft erblicke. Ebensowenig sei aus seinen Aeußerungen eine Tendenz gegen das Deutschtum in Oesterreich Frealehen, Er habe lediglich e,ee.g. wollen, daß die berührte Angelegenheit, bei der ja unter Umständen auch Interessen von öster⸗ reichischen Staatsbürgern in Frage kommen könnten, im österreichischen Abgeordnetenhause einzig und allein im Wege einer Interpellation an den Ministerpräsidenten zur Sprache gebracht werden könne.

Das Eisenbahnministerium hat an die Ver⸗ waltungen der Oesterreichisch⸗Ungarischen Staatseisenbahn⸗ Pseuschaft, der Südnorddeutschen Verbindungsbahn und der

öhmischen Nordbahn eine Einladung gerichtet, wegen even⸗ tueller Verstaatlichung der gesellschaftlichen Bahnlinien De⸗ legierte namhaft zu machen, die sich wegen des Zeitpunktes der Verhandlungen mit dem Eisenbahnministerium ins Ein⸗ vernehmen zu setzen hätten. 8 Fraukbelech.

Der Ministerpräsident Clemenceau, b Aeußern Pichon und Kriegsminister Picquart hatten, wie das „W. T. B.“ meldet, gestern eine Besprechung über die Vorgänge an der algerisch⸗marokkanischen Grenze. Picquart teilte mit, daß er an den Kommandeur des XIX. Armee⸗ korps telegraphiert habe, er überlasse ihm die vollste Frei⸗ heit, ohne daß er über die notwendig werdenden Truppen⸗ bewegungen nach Paris zu berichten brauche, und daß er be⸗ stimmt habe, daß in Oran wieder eine starke Reserve gebildet werde, die geeignet sei, allen Eventualitäten zu begegnen. Die Maßregel wurde von Clemenceau und Pichon gebilligt.

Der Senat verhandelte in seiner gestrigen Sitzung über die Ergänzungskredite.

In Erwiderung auf eine Anfrage erklärte, obiger Quelle zufolge, der Kriegsminister Piequart, daß die nicht im Etat vorgesehenen Ausgaben für die Unterhaltung der Landtruppen in Marorko bis zum

10. Oktober für Casablanca 1 411 313 Francs und für Üdschda Sie werden bis Ende des Jahres den

Die Ergänzungskredite wurden darauf bewilligt. In der Deputiertenkammer wurde gestern die Ver⸗

Der Marineminister Thomson sprach, laut Bericht des „W. T. B.“, in Beantwortung der Ausführungen einiger Vorredner seine Ansicht dahin aus, daß in erster Linie für Toulon und Brest

,ausgegeben am p ourg, Lorient und Rochefort nichts von

zielle Aufwendungen zu machen seie tzde Cher⸗

itärischen Bedeutung. Bei Besprechung der Arsenale erklärte der Minister, daß die Arbeit dort ebenso schnell und mindestens ebenso gut ausgeführt werde, wie von der Privatindustrie. Er sei kein Freund von langfristigen Flottenprogrammen und glaube, daß auch die anderen Mächte bei ihrem Flottenbau nach⸗ einigen Jahren von ihrem Programm werden zurückkommen müssen. England sei bestrebt, stets zum Kampf gegen die Flotten zweier Maͤchte gerüstet zu sein. Deutschland ändere sein Programm an⸗ dauernd und mache sehr bedeutende Anstrengungen, um mit seiner

lotte gegen die stärkste Seemacht auftreten zu können. Wie in Deutschland, so sei auch in Frankreich der oberste Marinerat um den Bau von Panzerschiffen bemüht. Alle anderen Marinen handelten ebenso. Es sei für Frankreich wichtig, keine Zeit zu verlieren, da eine Versäumnis hernach nicht wieder einzuholen sei.

Nach unerheblichen Bemerkungen verschiedener Redner wurde die Generaldebate geschlossen. Die Kammer nahm eine Resolution an, durch die die Regierung aufgefordert wird, so schnell wie möglich einen Gesetzentwurf über die Organisation der Kriegsmarine vorzulegen.

Der Abg. Bussar verlangte darauf die Aufhebung der Posten⸗ der Marineattachos. Der Marineminister Thomson wies die ver⸗ langte Verminderung seines Etats zurück und erklärte, daß die be⸗ sonderen Missionen, durch welche die Marineattachés ersetzt werden müßten, teurer sein würden als sie selbst.

Der Zusatzantrag wurde darauf verworfen, die Fort⸗ sebung der Debatte auf Nachmittag angesetzt und die Sitzung aufgehoben. 1

In der Nachmittagssitzung wurden die letzten Kapitel des Marinebudgets angenommen und darauf die Beratung des

Armeebudgets begonnen.

Der Abg. Varenne (Sozialist) sagte, die Zwischenfälle beim 17. Regiment zu Agde seien nicht verschuldet durch die Art der Re⸗ krutierung der Armee. Bei inneren Unruhen sei es Grundsatz der modernen Armee, daß jeder Mann Soldat sei, nicht aber Gendarm. Varenne und mehrere andere Redner traten für das System der örklichen Rekrutierung ein. r Kriegsminister Piequart be⸗ kämpfte dieses System mit demn, Hinweis, daß die Soldaten, wenn sie bei ihren Familten blieben, der Gefahr ausgesetzt seien, über ihren persönlichen Interessen die höheren Pflichten gegen das Vaterland zu vergessen. Er erklärte sich aber mit einem System ein⸗ verstanden, welches dem Soldaten ermöglicht, von Zeit zu Zeit seine - zu besuchen. Der Minister erklärte sich für die regionale Rekrutierung, und versicherte, daß er nur die Verteidigung des Landes im Auge habe.

Das Haus nahm sodann mit 345 gegen 131 Stimmen

die Tagesordnung an, worauf die Sitzung geschlossen Italien.

Die Deputiertenkammer verhandelte gestern über die

Vorlage, betreffend den Heeresersatz.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ beantragte der Abg. Bissolati

Se Aufschub der ganzen Vorlage, da er die Aenderungen beim

eeresersatz mit einer Verkürzung der Dienstzeit auf zwei Jahre ver⸗ bunden wissen wolle. Dagegen wünscht die Regierung die Frage über die Dauer der Dienstzeit e e bis der Bericht der mit Er⸗ hebungen über die Verwaltung der Armee beauftragten Kommission vor⸗ liegt. Da die Einschränkung von Befreiungen vom aktiven Dienst eine dringende Lebensfrage für die Armee sei, um diese auf dem not⸗ wendigen Effektivbestand zu erhalten, forderte der Ministerpräsident Giolitti eine Ablehnung des Antrags Bissolati und versicherte zugleich, daß die Regierung selbst den Wunsch habe, die Frage der weisehüht Dienstzeit auf das eingehendste zu prüfen, und sobald es möglich sei, zu lösen.

Teotzdem beharrte Bissolati auf seiner Forderung, und da ihm mehrere Abgeordnete, die einen Beschluß in dieser Frage ebenfalls als unaufschiebbar ansehen, ihr Votum zu⸗ sagten, kam es zur namentlichen Zwar war die Abstimmung resultatlos, da das Haus nicht beschlußfähig war, doch hat die Regierung eine sehr große Mehrheit.

Portugal.

Anmtlich wird ein Dekret des Königs veröffentlicht, demzufolge es den Friedensrichtern obliegt, die Uebertretungen der gtadtäschen Verordnungen und der polizeilichen Vorschriften abzuurteilen. 1 Belgien.

Die in Brüssel tagende Kolonialkonferenz hat gestern, „W. T. B.“ zufolge, die Beratungen des Kolonial⸗ gesetzes mit der Annahme zweier Amendements beendet, von denen dasjenige des Sozialisten Vandervelde die Ein⸗ setzung einer sechagiiebeigen Kommission verlangt, die mit dem Schutz und der Besserung der moralischen und materiellen Lage der Eingeborenen sich zu befassen hat. Das zweite Amendement des eaeneege iben Schollaert regelt die Lage der Belgier, der Eingeborenen und der Ausländer in Belgisch⸗Congo. Nach dem Amendement Schollaert genießen Belgier und Ausländer die von der belgischen Verfassung und den Koloniäalgesetzen anerkannten Rechte, die Eingeborenen diejenigen Rechte, die durch die Kolonialgesetze anerkannt oder durch Sitten, die der öffent⸗ lichen Ordnung nicht zuwider laufen, geheiligt sind. Bis zur Einbringung des Gesetzentwurfs, betreffend Angliederung des Congostaates, hat sich die Kolonialkonferenz vertagt.

Türkei.

Nach einer Meldung des „K. K. Telegraphen⸗Korrespondenz⸗ Bureaus“ überfiel eine auf dem Seewege gekommene, 40 Mann starke griechische Bande vorgestern bei Vrasta am Golf von Orfano 125 bulgarische Tagelöhner aus Nevrokop und Razlog, die, von 2 Gendarmen begleitet, nach dem Berg Athos gingen. Während Konsulardepeschen melden, daß sich 75 Mann gerettet haben, 2 verwundet sind und der Rest vermißt wird, gibt die Pforte an, daß nur 25 vermißt werden. Türkische

Truppen haben die Verfolgung der Bande aufgenommen.

b Bulgarien. Der Minister des Aeußern hat als Antwort auf die letzten Schritte der Mächte wegen Zunahme der Bandentätigkeit in Mazedonien ein Memorandum ausarbeiten lassen, in dem er, „W. T. B.“ zufolge, die Verantwortung für die Tätigkeit der bulgarischen Banden ablehnt und auf die zu⸗ nehmende Tätigkeit der griechischen und serbischen Banden hin⸗ weist. Wenn letztere nicht eingedämmt werde, könne die bul⸗ garische Regierung für die Folgen dieser Unterlassung keine Verantwortung übernehmen. A1A4“

Montenegirio. 6 Die Skupschtina ist gestern von dem Fürsten Ni kolaus mit einer Thronrede eröffnet worden, in der er nach dem

Bericht des „W. T. B.“ sagte:

Er habe die Konstitution gegeben, damit in der Volksvertretung die Stimme eines jeden gehört werden könnte und die für die Allge⸗ meinheit beste Ansicht durchdringe. Die frühere Skupschtina habe 5 von störenden Elementen fortreißen lassen und sei deshalb aufgelöf

worden. 8

und großer Arbeiten in Antivari und den Abschluß

Reichstags und des

lnun das

lwern bereit, daran teilzunehmen,

deiter

8 F Die Thronrede kennzeichnet alsdann kurz das Programm des Kabinetts Tomanowitsch, betont mit Befriedigung die rdnung der Finanzen, die Ausführung neuer Straßenbauten des Handelsvertrags mit Deutschland und erwähnt schließlich die Aufdeckung des Anschlags gegen den Fürsten und die Dynastie.

Afrika. Nach Meldungen des „W. T. B.“ haben marokkanische

Banden, die den Stämmen der Ulad Mansur und Homnas

ungehören, bei Adscheru am Kißflusse die algerische Grenze überschritten und Plünderungen begangen. Gestern frug lrangen die Marokkaner in großer Menge gegen Port⸗ Say vor. Geschütze, die auf den Höhenzügen aufgestellt waren, richteten ihr Feuer auf die Angreifer, die unter Mit⸗ nahme ihrer Toten über den Kiß zurückgingen und ihre früheren Stellungen wieder einnahmen.

chlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reie 8 auses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten, Zweiten und Dritten Beilage.

In der heutigen 62. Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Innern Dr. Zhichata9s ol 8 . der Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke, der Staats⸗ seretär des Reichsschatzamts Freiherr von Stengel, der Staatssekretär des Kolonialamts Dernburg und der Staats⸗ sekretär des Auswärtigen Amts von Schoen beiwohnten, wurde in dritter Lesung der Vertrag mit den Nieder⸗ landen über Unfallversicherung endgültig ohne Debatte genehmigt.

Das Haus setzte darauf die Generaldiskussion des Etats für 1908 und der Flottenvorlage 3

Abg. Dr. Wiemer (fr. Volksp.): Der Reichskanzler hat gestern in der Rede gegen Bebel die Gründe der Reichstagzauflösung 1 inmal erwähnt. Ich freue mich, daß er so eatschieden dem Versuche zer Legendenbildung entgegengetreten ist. Die am 13. Dezember zu⸗ sammengestanden haben, haben die Pflicht, solche Geschichtsklitterung sicht aufkommen zu lassen. Wir waren auf seiten der Regierung, veil es sich um die nationale Ehre handelte, weil dl⸗ malige Mehrheit eine Abstimmung erzwingen wollte, die en Wünschen des Volks widersprach. as Volk hat hei den Wahlen entschieden. Der Abg. Bebel appelliert sonst immer in das Volk, wenn aber das Volk gegen ihn und seine Freunde ent⸗ sheidet, dann spricht er von Dummköpfen oder Verrätern. Er be⸗ chäftigte sich auch mit der Frage des Blocks. Es ist ein undank⸗ zares Geschäft, sich den Kopf anderer Leute zu zerbrechen. Auf seine Prophezeiungen ist nach den bisherigen Erfahrungen, nament⸗ ch nach seinen Erfahrungen bei den Wahlen von 1907, lichts zu geben. Er meinte, Zentrum und Konservative würden ch wieder zusammenfinden, die paßten am besten zu einander. ei den letzten Wahlen haben wir gesehen, daß Zentrum und Sozial⸗ demokratie sich zusammengefunden haben. Spahns Rede machte den Eindruck, als sollte es nach der Regierung hin klingen: Kein Engelein st so rein, laßt's eurer Huld empfohlen sein. Das Zentrum trägt die Verantwortung für die ungünstige Entwicklung der Reichsfinanzen. Wir unsererseits haben seit den letzten Jahren doch nicht etwa vier Milliarden Schulden gemacht, das ist unter der Herrschaft des Zen⸗ trums der Fall gewesen. Man könnte von der papiernen Finanzpolitik des Zentrums sprechen, wie von seiner papiernen Sozialpolitik. Die jezige Finanzmisere ist eine Erbschaft der Zentrumsherrschaft. Die lex Trimborn ist insofern auch ein Fehler, als dadurch unsere Finanzen sch verschlechtert haben. Wir haben deswegen gegen diese lex Trim⸗ orn gestimmt, und weil wir nicht wollten, daß durch eine solche Politik die Verteuerung der Lebensmittel stabiliert würde. Da aber Gesetz geschaffen, werden wir die Konsequenzen siehen und wünschen, daß möglichst bald die Witwen⸗ und Waisenversorgung der Arbeiter durchgeführt wird. Ueber den finanziellen Abschluß sind wir überrascht, umsomehr, als noch im Sommer Freiherr von Stengel eine günstige Entwicklung der Finanzwirtschaft in Aussicht gestellt hatte. Man sollte nicht über⸗ nreiben. Hätten wir nicht neue Ausgaben gehabt, so hätten wir nicht das Defizit; das chronische Defizit scheint uns eine Fiktion. Die neuen Steuern sind auch noch nicht voll zur Erscheinung gekommen; namentlich ist die Erbschaftssteuer noch nicht voll in ihren Wirkungen bervorgetreten. Die Budgetkommission wird prüfen müssen, ob überhaupt eine Erhöhung der Steuern notwendig ist. Die Fahrkartensteuer und die Automobilsteuer sind weit hinter den gehegten Erwartungen zurückgeblieben, und auch die Brausteuer hat nicht das gebracht, was man erwartet hat. Das unerfreulichste Produkt der neuen Steuern ist unzweifelhaft die Fahrkartensteuer, die den Einzelstaaten mehr entzogen hat, als sie dem Reiche zugeführt hat, und die dem Publikum unendliche Scherereien hereitet. Die Fahrkartensteuer sollte ganz aufgehoben werden; den Gedanken, die vierte Klasse heranzuziehen, würden wir nicht unterstützen können. Der Staatssekretär hat, wenn sie fallen ollte, Ersatz verlangt; und auch ich meine, wenn neue Steuern ingeführt werden müssen, dann muß auch für diese verfehlte Steuer Ersatz geschaffen werden. Der neue Etatsentwurf bringt ins nicht weniger als 146 Millionen neue Ausgaben im Ordinarium; das muß natürlich das Bild des Etats sehr nnoünftig beeinflussen. Diese Mehrausgaben kommen zum großen Teil auf Rechnung der neuen Zollpolitik; die Naturalienverpflegung für Heer und Marine nfordert infolge der Steigerung aller Preise ganz bedeutende Mehr⸗ jeträge. Dazu kommt die notwendige Erhöhung der Beamtengehälter, sie der Staat durch seine Verteuerungspolitik heraufbeschworen hat. der Abg. Bebel schien zu zweifeln, ob wir dieser Politik genüber unsere frühere Haltung beibehalten würden. Ich kann sie Herren darühber beruhigen; wir werden unsere Auffassung von der jeutigen Agrar⸗ und Wirtschaftspolitik in keinem Punkte korrigieren, senn die Erfahrung hat uns Recht gegeben. Es besteht eine euerung aller Lebensmittel, die wir nicht auf die leichte ichsel nehmen dürfen. Der wirtschaftliche Rückgang ist nicht mehr verkennen. Das beste Mittel gegen das beklagte Anwachsen der Natrikularbeiträge ist die Einschränkung der Ausgaben. Ein anderes Mittel aber muß jetzt endlich scharf ins Auge gefaßt werden: der anderweitige Verteilungsmaßstab für die Umlegung. trotz aller Schwierigkeiten muß diese Frage gelöst werden. De Ecbschaftssteuer muß sich erst einleben; so lange, bis sie einen Aus⸗ deg aus diesen Schwierigkeiten finden hilft, können wir nicht warten. s kann nicht Aufgabe des Reichstags sein, neue Steuervorschläge un machen, denn ihm fehlt das steuertechnische Material. Es ist

Spiritusvertriebsmonopol vorgeschlagen worden, für ein plches Monopol könnten wir uns nicht erwärmen. Anders liegt g aber mit der Reform der Branntweinbesteuerung ohne Nonopol; es könnte dann endlich die Liebesgabe beseitigt werden. Dder Abg. von Richthofen hat die Mitwirkung seiner Freunde an iner solchen Reformarbeit nicht ohne weiteres abgelehnt. Wir sind damit die Liebesgabe und die beseitigt oder letztere wenigstens gründlich eformiert wird. Die Zigarrenbanderolesteuer ist auch gerüchtweise dhetändigt; wir wissen nicht, ob sie kommt, aber der gestrige Lifer des Ministers pon Rheinbaben in dieser Hinsicht erscheint mir erdächtig. Ich schließe mich in der Beurteilung des Vorschlages dem Abg. Bassermann an. Auch die Erzielung höherer Erträge aus dem kabak ist wenig aussichtsvoll. Wir sind und bleiben Gegner einer j Erhöhung der indirekten Steuern. Bleiben also die

Raischraumsteuer

direkten Steuern. Diese werden von den Einzelregierungen per⸗ horresziert. Ihre Berufung auf die Verfassung ist zunaͤchst hinfällig, denn der Antrag, die Einnahme des Reichs auf direkte Steuern zu beschränken, ist seinerzeit ausdrücklich abgelehnt worden. Der Finanzminsster warnte vor einer Zerbröckelung der Selbständigkeit der Einzelstaaten durch eine direkte Reichsstener. Dasselbe Bedenken äußerte er schon bei der Reichserbschaftssteuer, die Einzelstaaten, wie Preußen könnten ans eine solche Einnahme niemals verzichten. Man sollte von einem solchen „Niemals“ niemals sprechen. Ob die Reichs⸗ einkommensteuer eine direkte Steuer ist oder nicht, will ich nicht unter⸗ suchen. Die Tantiemesteuer ist nach einer Entscheidung des Reichsgerichts jedenfalls eine direkte Reichseinkommensteuer. er erste Schritt ist also getan. Die Rechte hat dem preußischen Finanzminister darin zugestimmt, daß die direkte Reichssteuer die Axt an die politische und wirtschaftliche Selbständigkeit der Einzelstaaten lege. Das⸗ selbe partikularistische Argument hätte sich auch gegen die Reichs⸗ post anführen lassen. Der Abg. Müller⸗Meiningen sagte s. Z., daß nur zur Zeit die Einführung einer Reichseinkommensteuer undurchführbar sei. Die Reichsvermögenssteuer ist ü leichter einzuführen. Ob sie eine Ergänzungssteuer ist, ist gleich⸗ gültig, wenn sie nur eingeführt wird; wie sie durchgeführt wird, ist eine sekundäre Frage; sie könnte ja auch für das Reich von den Einzelstaaten erhoben werden. Wie steht es denn mit einer Erweiterung der Reichserbschaftssteuer? Meine Freunde sind bereit, die Ausdehnung der Erbschaftssteuer ernsthaft zu erwägen. Wir wollten im vorigen Jahre nicht auf Vorrat Steuern bewilligen, heute ist zu erwägen, ob wir jetzt nicht die Steuer ausdehnen wollen auf die Deszendenten und Ehegatten. Es ist nicht unsere Aufgabe, ein Ebööö. aufzustellen; das Notwendige babe ich —. gesagt. Jedenfalls muß durch direkte Steuern ü- Teil der Lasten auff die der⸗ tn Keheleg beveäben, die Steuern müssen gere und na⸗ eer Leistungsfähigkeit verteilt werden. (Schluß des Blattes.)

Das Haus der Abgeordneten nahm in der heutigen 88 Sitzung, welcher der Finanzminister Freiherr von Rheinbaben, der Justizminister Dr. Beseler, der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten von Arnim und der Minister des Innern von Moltke beiwohnten, zunächst den Antrag der Abgg. von Pappenheim (kons.) und Ge⸗ nossen, die Regierung zu ersuchen, zu veranlassen, 91 das gegen den Abg. Boehmer beim Amtsgericht zu Stargard i. P. schwebende Privatklageverfahren wegen Beleidigung für die Dauer der laufenden Session eingestellt werde, ohne Debatte an und setzte dann die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Stärkung des Deutsch⸗ tums in den Provinzen Westpreußen und Posen fort.

Abg. Wolff⸗Lissa (fr. Vgg.): Anläßlich der Vorkommnisse im österreichischen Abgeordnetenhause habe ich zu erklären, daß auch wir der Meinung sind: wir müssen uns derartige Einmischungen in unsere inneren Angelegenheiten auf das entschiedenste verbitten. Für die hier zur Beratung stehende Vorlage ist für meine Fraktion das Staatzinteresse die Hauptsache. Wir werden die Vorlage leiden⸗ schaftslos prüfen. Anzuerkennen ist, daß die Ansiedelungskommission mit der Gründung von Musterwirtschaften für 100 000 deutsche Ansiedler im Osten eine segensreiche Tätigkeit entwickelt hat; für die Städte kann man allerdings die Tätigkeit der Ansiedelungskommission nicht als so segensreich betrachten. Tausende aus den städtischen Er⸗ werbskreisen haben abwandern müssen. Den Ansiedlern muß man einen gewissen Spielraum in wirtschaftlicher Beziehung geben; sie sind keine Kinder, denen man durch die Genossenschaften einen Zwang auferlegen muß. Ich halte es für unberechtigt, daß man in einem preußischen Parlament die Tonart anschlägt, wie Herr von Oldenburg. Die preußischen Polen sind nach der Verfassung gleich⸗ berechtigte Staatsbürger. Rechte und Pflichten der Staatsbürger sind nicht so eng miteinander verbunden, daß man sagen dürfte: wer die Pflichten gegen den Staat nicht erfüllt, hat auch keine Rechte. Die staatsbürgerlichen Rechte hat auch ein zu Zuchthaus Verurteilter. Ich gebe zu, daß der Wortlaut der Verfassung diese Vorlage zuläßt, aber wir machen eine laxe Auslegung der Verfassung nicht mit. Wo irgend Zweifel bestehen, werden wir vor dem Grundgesetz des Staates Halt machen müssen; die Majorität allein kann darüber nicht entscheiden, sonst könnte jede Majorität gegen die Verfassung verstoßen. Grundgesetze können selbstverständlich nicht alle einzelnen - regeln, aber wo Zweifel bestehen, darf man nicht durch eine falsche

uslegung Rechte verkürzen. Die Verfassung muß nach ihrem Sinne, nach ihrer Bedeutung ausgelegt werden. Wenn Art. 9 der Verfassung das Eigentum nur aus Gründen des öffentlichen Wohles beschränken läßt, so zeigt uns die Entstehungsgeschichte des ehmnncege. von 1874 deutlich, was unter öffentlichem Wohl in dieser Beziehung zu verstehen ist. Danach kann es sich nur um das öffentliche Wohl in wirtschaftlichen Beziehungen, nicht in politischen Fragen handeln. Noch niemals ist das Enteignungsrecht aus politischen Gründen erteilt worden. Wir können keine Gesetz⸗ gebung mitmachen, die der Sozialdemokratie in gewisser Beziehung recht gibt. Für uns ist entscheidend, daß es sich hier um ein Ausnahmegesetz, und zwar um ein Ausnahmegesetz schlimmster Art handelt. Herr von Oldenburg sagt: ich will das Gesetz nur, weil es ein Ausnahmegesetz ist. Das ist ein charakteristischer Standpunkt. Man zitiert den Fürsten Bismarck, aber dieser hat die Matgesebgebung und das Sozialistengesetz wieder aufgegeben, er bat also mit Ausnahmegesetzen keine guten Erfahrungen gemacht. Das Ansiedlungsgesetz von 1886 hat die Polen gestärkt, den Deutschen aber keinen Nutzen gebracht, denn der Grund und Boden in deutschem Besitz ist im ganzen zurückgegangen. Die konservativen Parteien und die Nationalliberalen wollen ein Ausnahmegesetz gegen die Polen, der deutsche Grundbesitz soll nicht von der Enteignung betroffen werden können. Dann ist das Gesetz überhaupt unmöglich; denn wenn nur Polen enteignet werden sollen, so verletzt die Vorlage den Artikel 4 der Verfassung, wonach alle Preußen vor dem Gesetze gleich sind. Die wirtschaftlichen Erfolge der Anstedlungspolitik zeigen sich in der Steigerung der Güterpreif . Mir sind bereit, die Ansiedlungepolitik mitzumachen, soweit sie die wirtschaftlichen Zustände des Landes ver⸗ bessert. Wenn aber nach diesen Gesetzen bestimmte Gebiete abgegrenzt werden, in denen die Besthf jeden Augenblick die Enteignung zu be⸗ fürchten haben, glauben Sie, daß dann noch ein gedeihlicher Wirt⸗ schaftsbetrieb in diesen Gebieten möglich ist? Wir lehnen die Vorlage ab, weil sie ein Ausnahmegesetz ist, und wir handeln in patriotischem Sinne, wenn wir Sie bitten, die Vorlage nicht anzunehmen.

Abg. Lusensky (nl.): Herr von Oldenburg hat gestern die Organisation der Ansiedelungskommission scharf angegriffen. Es ist nicht zu verkennen, daß das Verfahren derselben in mancher Hinsicht ein sehr langsames ist; wir werden in der Kom⸗ mission eventuelle Verbesserungen vorzuschlagen haben. Im übrigen werden wir uns aber dadurch die Freude am Ansiedlungs⸗ werk nicht stören lassen. Die Ansiedelungskommission hat zunächst eine Verschiebung im günstigen Sinne in der Verteilung des klein⸗ bäuerlichen Besitzes der Usenarken herbeigeführt. Auch in den Städten des vnsgedganseg eeh ist eine Zunahme der Bevölkerungs⸗ ziffer um 47 % zu konstatieren, in den Städten außerhalb dieses Ge⸗ bietes nur um 8 %. Die Handwerker, die überwiegend deutsche Meister sind, haben sich in den Städten des Ansiedlungsgebiets in demselben Zeitraum von 20 Jahren um 29,6 % gehoben, während in den anderen Städten die deutschen Handwerker abgenommen und nur die polnischen sich vermehrt haben. Auch dafür können wir vielleicht Verbesserungsvorschläge machen. Die Gegner haben nun die Ansiedlungspolitik als eine gänzlich verfehlte hingestellt. Das ist schon gestern widerlegt worden, und ich weise auch auf die Broschüre des Polen von Turno darüber hin. Dieser nimmt allerdings darin die Legalität für die Polen in Anspruch; aber diese Legalität üben die Polen sicherlich nicht dem Gesetze zuliebe, sondern weil sie unter dem Zwange der Gesetze stehen. Die Ziele unserer Polenpolitik von 1886 dürfen wir nicht preisgeben. Die Vorlage verlangt ins⸗

sesamt 400 Millionen Mark; der Kommission wird es schwer sein, ber die Höhe der Summe zu entscheiden, wir werden die Ibess veinj bewilligen köͤnnen, auch die 50 Millionen, die für die Sicherung des deutschen Besitzes durch Bildung von Rentengütern gefordert werden, weil hiermit ein Risiko des Staates nicht verbunden ist. Daher kommt jetzt die Enteignung in Frage. Die Enteignung soll nicht allgemein gelten, sondern lediglich für die Erwerbungen im Rahmen der 300 Millionen Mark, welche diese Vorlage für Ankäufe vor⸗ 5b Auf die Verfassungsfrage werde ich nicht eingehen, e wird in der Kommission erörtert werden. Wir sind heute noch nicht in der Lage, uns für die Enteignung zu erklären. Nur unter gewissen Voraussetzungen werden wir uns damit befreunden können. In bezug auf die Einwirkung der Enteignung auf die Preisbewegung gehen die Ansichten auseinander. Man wird Mittel finden müssen, der Spekulation vorzubeugen. Was machen wir aber mit den enteigneten Polen? Der Minister sagte, daß nur der dritte Teil der ausgekauften Polen sich wieder anderswo angesiedelt habe. Daraus kann nicht unbedingt auf die Zukunft geschlossen werden. Wenn die Polen in die Städte drängen, so werden wir auf weitere Mittel gegen die polnische Gefahr in den Städten sinnen müssen. In dem Augenblick, in dem wir dieses Gesetz verabschiedet haben werden, entzieht es sich eigentlich unserer Mitwirkung. Eine derartige Macht, wie dieses Enteignungsrecht, ist bisher noch nie einer Fegterung verliehen worden; wir fühlen uns daher verpflichtet, die Vorlage in allen Teilen eingehend zu prüfen. Wir sind bereit, an diese Prüfung in der Kommission heranzutreten, und wir hoffen, daß entsprechend der Bedeutung des Ansiedlungswerkes diese Prüfung zu einem gedeihlichen Ergebnis führen möchte. Die große Kolonisierungsarbeit Friedrichs des Großen wurde von seinen Zeitgenossen e beurteilt, und noch viele Jahre nach seinem Tode hat man sein Werk nicht gebilligt; erst in späterer Zeit, als man es objektiv beurteilen konnte, hat man es gewürdigt. Hoffen wir, daß die jetzige Kolonisierungsarbeit zum Wohle des Vaterlandes ausfällt, daß auch dieses Werk ebenso günstig beurteilt wird, wie das Friedrichs des Großen.

(Schluß des Blattes.)

Bei der Reichstagsersatzwahl 18 den verstorbenen Abgeordneten Dasbach im ersten Wahlkreise des Regierungs⸗ bezirks Trier (Daun⸗Prüm⸗Bitburg) wurden nach den bis⸗ herigen Ergebnissen, „W. T. B.“ zufolge, für den Erbprinzen zu Löwenstein (Zentr.) 18 317 Stimmen, für Berlage (Block) 801 Stimmen abgegeben. Ersterer ist somit gewählt.

—öö—

3 8 8 Jagd.

Dienstag, den 3. Dezember, findet Königliche Parforce⸗ jagd statt. Stelldichein: Mittags 12 Uhr 30 Minuten am Restaurant „Gardestern“.

8 Berkehrsanstalten.

Breslau, 29. November. (W. T. B.) Die Königliche Wasserbauinspektion macht bekannt: Im Breslauer G gebiet befinden sich so viele Schiffe, daß bereits jetzt seitens der Oderstrombauverwaltung Liegestellen nicht mehr an⸗ gewiesen werden können. Weiterhin eintreffende Schiffe werden gezwungen sein, auf freiem Strome zu überwintern, wodurch sie sich unter Umständen großer Gefahr aussetzen. Im Auftrage des Ober⸗ präsidenten! aher vor der Bergfahrt nach Breslau gewarnt.

Theater und Musik.

Im Königlichen Opernhause wird morgen, „Madama Butterfly“ wiederholt Kaiserlichen Hofoper einheimischen Kräften die Herren Maclennan, wold in größeren Aufgaben werden Die Meistersinger von Nürnberg“ (Anfang 7 Uhr in folgender Besetzung gegeben: Sachs: Herr Bachmann; Eva: Destinn; Walter Stolzing: Herr Grüning: Beckmesser: Fn 8g; I eee . Pen von Scheele⸗

üller; Pogner: Herr Griswold; Kothner: Herr Berger. Dirigent ist der Kapellmeister Dr. Strauß. n 3

Im Königlichen Schauspielhause geht morgen, zum hundertsten Male, Shakespeares „Julius Caesar“ in Szene. Den Caesar spielt Herr Zimmerer, den Octavius Herr Staegemann, den Marcus Antonius Herr Matkowsky, den Marcus Brutus Herr Kraußneck, den Cassius Herr Sommerstorff, den Casca Herr Pohl, den Decius Brutus Herr Geisendörfer, die Calpurnia Fräulein von Arnauld, die Portia Frau Poppe. Am Montag wird Ernst von Wildenbruchs Schauspiel „Die Rabensteinerin“ in der bekannten Be⸗ setzung wiederholt. .

Im Neuen Königlichen Operntheater wird morgen, Sonntag, „Figaros Hochzeit“ in der bekannten Besetzung der Haupt⸗ rollen durch die Damen Herzog, Hempel, Martick, von Scheele⸗ Müller, Darch, die Herren Berger, Knüpfer, Sommer, Nebe, Krasa und Alma aufgeführt. Dirigent ist der Kapellmeister von Strauß.

Im Deutschen Theater wird am morgigen Sonntag sowie an allen Tagen der kommenden Woche Shakespeares Lustspiel „Was ihr wollt“ aufgeführt, mit Ausnahme von Dienstag und Freitag, an welchen beiden Abenden Kleists „Prinz Friedrich von Homburg“ in Szene geht. In den Kammerspielen des Deutschen Theaters wird morgen sowie am Mittwoch, Donnerstag und nächsten Sonntag Wedekinds Kindertragödie „Frühlings Erwachen“ aufgeführt. Am Montag wird „Der Marquis von Keith“ von Frank Wedekind, am Dienstag und Freitag Schnitzlers „Liebelei“ und am Sonnabend „Gyges und sein Ring“ von Hebbel gegeben.

Im Neuen Schauspielhause wird morgen abend sowie am Dienstag, Freitag, Sonnabend und nächsten Sonntagabend „Zar Pette. aufgeführt. (Anfang 7 ½ Uhr.) Montag wird „Judith“,

ittwoch (7 ½ Uhr vu Donnerstag „Die große Ge⸗ meinde“ gegeben. Am Mittwoch, Nachmittags 3 Uhr, wird das Fest⸗ spiel „Stein“, am Sonnabend, Nachmittags 3 Uhr, zum ersten Male das Weihnach smärchen „Frau Holle“ dargestellt.

Das Lessingtheater hat für nächste Woche folgenden Spiel⸗ plan aufgestellt: Morgen abend, Mittwoch und Sonnabend: „Vom andern Ufer“; Montag: Rosmersholm“; Dienstag: „Kollege Crampton“; Donnerstag: „Nora“; Freitag: „Der Biberpelz“; nächst⸗ folgenden Sonntagabend: „Die Stützen der Gesellschaft“. Als Nachmittagsvorstellung ist für morgen „Der Bund der Jugend“, für nächstfolgenden Sonntag „Die versunkene Glocke“ angesetzt.

Im Schillertheater 0. (Wallnertheater) wird morgen nach⸗ mittag „Das vierte Gebot“, morgen abend sowie am Mittwoch „Reiterattacke“ gegeben. Montag und Donnerstag geht das Volks⸗ stück „Gebildete Menschen“, Dienstag und Sonnabend „Das vierte

e Sonntag, Fräulein Grete Forst von der in Wien singt die Titelpartie. Von den sind die Damen Rothauser, Lindemann, Hoffmann, Lieban, Philipp, Gris⸗ beschäftigt. Am Montas

Gebot“, Freitag „Monna Vanna“ in Szene. Für nächsten Sonntag

ist Nachmittags „Traumulus“, Abends „Heimats angesetzt.

Das Schillertheater Charlottenburg bringt morgen nach⸗ mittag „Maria Stuart“, Abends „Wilhelm Tell“. Montag, Freitag und Sonnabend wird „Maria Stuart“, Dienstag „Reiter⸗ attacke’, Mittwoch das Lustspiel „Gebildete Menschen“ ge⸗ spielt, am Donnerstag geht „Rosmersholm“ in Szene, nächsten Sonntagnachmittag „Der Richter von Zalamea“, Abends (zur Feier von Björnsons 75. Geburtstag) „Ein Fallissement’“. Morgen, Mittags 12 Uhr findet im Schillertheater Charlottenburg das letzte ;. Sonntagskonzert statt;⸗— im Bürgersaal des Seees Rathauses wird morgen ein „Mozart⸗Abend“ ver⸗ ansta 8