1908 / 19 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 22 Jan 1908 18:00:01 GMT) scan diff

Börsenplätzen

für die Woche vom 13. bis 18. Januar 190 s8 nebst entsprechenden Angaben für die Vorwoche.

1000 kg in Mark.

(Preise für greifbare Ware, soweit nicht etwas anderes bemerkt.)

Roggen, guter, gesunder, mindestens 712 Weizen, 2 8 755

Hafer, 3 Mannbeim. Roggen, Pfälzer, russischer, mittel . .. Weizen, Pfälzer, russischer, amerik., rumän., mittel. Hafer, badischer, russischer, mittel .. ...

st badische, Pfälzer, mittel. 3

erste russische, Futter⸗, mittel..

Wien.

Roggen, Pester Boden..

Weizen, Theiß . Hafer, ungarischer I... Gerste, slovakische. 8 Mais, ungarischer M 2

Budapest.

Roggen, Mittelwallrer. Weizen, Hafer, Gerste, Futter⸗

Mais,

Odessa. Roggen, 71 bis 72 kg das hl.. Weizen, Ulka, 75 bis 76 kg das hl. . Riga. Roggen, 71 bis 72 kg das hl.. 155““ 8 Paris. Rocgen lieferbare Ware des laufenden

Antwerpen.

Donau⸗, mittel bE.1“ E11“” Kansas Nr. 2.. v“ ööö

Amsterdam.

St. Petersburger.

Roggen - 16““

Weizen Mais

amerikanischer Winter⸗ amerikan. bunt La Plata.

London.

engl. 928 (Mark Lane)

Weizen

Weizen englisches Getreide, .“ Hafer Mittelpreis aus 196 Marktorten (Gazette averages)

Liverpool. v““ roter Winter⸗ Nr. 2 Manitoba La Plata.. Australier .. Kurrachee..

;“ Hafer, englischer, weißer- neuer

Odessa. Gerste, Futter⸗] amerikanische

L““ amerikan., bunt. La Plata, gelber

Chicago. EEöIG““ September Mai..

““ roter Winter⸗Nr. 2.. Lieferungsware - n.

. Mat.. Buenos Aires.

Durchschnittsware .

Gerste

Weizen

Mais

Weizen, Lieferungsware Mais

Weizen - Mais Weizen

Woche

13./18.

Januar 1908

208,58 220,58 171,83

217,19 249,63 195 00 214,38 163,75

197,77 230,87 148,54 174,85 134,96

187,12 212,34 140,73 131,56

185,36

182 99

186,49 177,30 185,84 177,95

176,84 173 48 166,49 133,19 152,78

192,74 179,11 200,73 195,56 200,73 179,11 173,41 149,92 149,64 V 126,46 123,64 123,64

160,66 152,31 147,31 100,06

166.45 172,70 164,17 115 55

146,10

Mais ¹) Angaben liegen nicht vor.

Bemerkungen.

1 Imperial Quarter ist für die Weizennotiz an der Londoner Pro⸗

95,33

Da⸗ gegen Vor⸗

woche

209,42 221,67 171,83

216 25 249 50 195,00

211,88 sich

163,75

199 42 229 97 146,81 176,51 136,62 129,84

189,66 212,56 144,05 131,53 118,80

158,23 174,39

170,58 185,30

151,77

186,29

183,90

186,34 178,44 187,80 178,04

170,84 174 87 163,59 174,17 133,69 125,23

176,93 173,57

165,39 152,05 150,97

193,78 181,08 202,24 196,13 201,55 182,49 173,49

Deutscher Reichstag. 85. Sitzung vom 21. Januar 1908, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Auf der Feeeeh steht die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des Süir über das Telegraphenwesen des Peutschen Reichs vom 6. April 1892.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:

Meine Herren! Zur Einführung des Gesetzentwurfs möchte ich einige wenige Worte sagen. Anlaß zu dem Entwurf hat die Ent⸗ wicklung und weitere Ausgestaltung der Funkentelegraphie für praktische Zwecke gegeben. Notwendig wird gegenwärtig die Aenderung des Telegraphengesetzes einmal für Zwecke des eigenen Landes, für das Binnenland, weil wir für die Landesverteidigung, für die Kriegs⸗ und Handelsmarine und für Zwecke der Verkehrstelegraphie auf die Ent⸗ wicklung der Funkentelegraphie Rücksicht nehmen müssen, zweitens um internationale Verpflichtungen zu erfüllen. Die Funkentelegraphie hat schnell entwickelt und hat sich sehr bald, insbesondere für die Marine, als sehr wichtig herausgestellt. Den Herren ist bekannt, welchen Wert augenblicklich die Funken⸗ telegraphie schon hat, daß die meisten größeren Personendampfer Apparate an Bord haben, daß die Funkentelegraphie während des Krieges in Ostasien einen sehr großen Wert gehabt hat und daß auch im Binnenlande für militärische Zwecke ich darf nur an die Manöver, ferner an den Aufstand in Südwestafrika erinnern die Funkentelegraphie sich als sehr wertvoll und nützlich herausgestellt hat.

Nun haften der Funkentelegrap hie aber viele Unvollkommenheiten an, und zwar nach der Richtung, daß sie nicht wie die sonstige Tele⸗ graphie an einen metallischen Leiter gebunden ist und nur diejenigen Apparate in Tätigkeit setzt, die an diesen Leiter angeschlossen sind, sondern daß sie ihre Wellen durch den Aether sendet und daß diese Wellen überall andere Stationen mit in Tätigkeit setzen, die auf gleiche oder ähnliche Wellenlängen abgestimmt sind. Infolge dieses Umstandes sind solche Stationen in der Lage, Telegramme aufzu⸗ fangen, die gar nicht für sie bestimmt sind, und außerdem durch Zeichengebung in den Aether hinein die Telegramme zu stͤren, die hinausgesandt sind Diese beiden Umstände machen es notwendig,

sie in den Motiven des Entwurfs.

150,50 145,79

125,58 126,52

123,70

164,20

152,60 diesem Vertrage auferlegt werden sollten.

stimmung war vorgesehen, daß jedes Schiff mit jeder Uferstation in Verbindung treten müsse, ohne Rücksicht darauf, ob Apparate desselben

147,28 100,84

167,12

174,66 164,52 8 8 2. 8 115,78 Berlin zusammenzuberufen von sämtlichen europäischen Staaten und

145,21 lage zu einem internationalen Vertrage festgelegt worden ist. 92,65.

duktenbörse = 504 Pfund engl. gerechnet; für die aus den Umsätzen

an 196 Marktorten des Königreichs ermittelten Durchschnittspreise für 8 itte ich Si Bro einheimisches Getreide (Gazette averages) ist 1 Imperial Quarter Hterum bitte iih Eie. (Hrh 5 Weizen = 480, Hafer = 312, Gerste = 400 Pfund engl. angesetzt.

60, 1 Bushel Mais = 56 Pfund englisch;

1 Bushel Weizen

1 Pfund englisch = 453,6 g; 1 Last Roggen = 2100, Weizen =

2400, Mais = 2000 kg.

Bei der Umrechnung der Preise in Reichswährung sind die klar zu Tage; welche Fortschritte noch dort gemacht werden können, „Reichsanzeiger“ ermittelten 1. an der Berliner Börse zu Grunde gelegt, und zwar für Wien und Budapest die Kurse auf Wien,

aus den einzelnen Tagesangaben im wöchentlichen Durchschnittswechselkurse

für London und Liverpool die Kurse auf London, für Chicago und Neu York die Kurse auf Neu York, für Odessa und Riga die Kurse auf St. Petersburg, für Paris, Antwerpen und Amsterdam die Kurse

auf diese Plätze. Goldprämie. 8

Berlin, den 22. Januar 1908. . Kaiserliches Statistisches Amt. van der Borght.

Preise in Buenos Aires unter Berücksichtigung der

BVereinbarung ein Ende gemacht wird.

1 v

daß eine feste Regelung eintritt. Nun hat nach dem Telegraphengesetz vom 6. April 1892 das Reich das Recht, Telegraphenanlagen zur Vermittlung von Nachrichten anzulegen und zu betreiben, und zwar steht dieses Recht ausschließlich dem Reich und in Bayern und Württemberg diesen Staaten zu. Die Funkentelegraphie fällt unter die Telegraphie im Sinne des Telegraphengesetzes. Darüber ist auch kein Zweifel. Infolgedessen wäre ja die Materie ganz hübsch ge⸗ ordnet, wenn nicht im Telegraphengesetz, und zwar im § 3, Aus⸗ nahmen für bestimmte Fälle vorgesehen wären, in denen Telegraphen⸗ stationen eingerichtet und betrieben werden können ohne Genehmigung des Reichs und in Bayern und Württemberg ohne Genehmigung der dortigen Verwaltung. Ich kann wohl darauf verzichten, den Herren diese Bestimmung des Gesetzes vorzulesen. Sie finden Abgesehen von diesen Ausnahmen sind Zweifel darüber entstanden, inwieweit das Telegraphengesetz An⸗ wendung findet auf unsere Kauffahrteiflotte außerhalb des deutschen Gebiets.

Um diese Verhältnisse bald regeln zu können, ist dieser Entwurf Ihnen vorgelegt worden. Außerdem kommt noch ein anderer Punkt in Betracht. Die Ausrüstung der Schiffe, sowohl der Kriegsschiffe wie der Handelsschiffe, mit Funkentelegraphenapparaten hat viele Schwierigkeiten insofern hervorgerufen, als einzelne ausländische Ge⸗ sellschaften für sich in Anspruch genommen haben, daß Schiffe, die mit ihren Apparaten ausgestattet sind, nur mit Schiffen sprechen dürfen, die die Apparate desselben Systems haben. Das ist ein Zustand, der für die Schiffe, so nützlich sonst die Funken⸗ telegraphie ist, große Mißhelligkeiten und Gefahren hervorruft. In Anbetracht der Wichtigkeit der Funkentelegraphie für die Schiffe ist schon im Jahre 1903 hier in Berlin eine Konferenz zusammen⸗ getreten, um zu erwägen, auf welche Weise diesem Uebelstande abge⸗ holfen werden könne. Eingeladen waren vom Deutschen Reich zu dieser Konferenz die hauptsächlichsten Uferstaaten Europas und die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Man einigte sich damals auf der Grundlage, daß es nützlich wäre, einen internationalen Vertrag abzuschließen, durch den gewisse Bestimmungen allen Teilnehmern an Als die wichtigste Be⸗

oder verschiedenen Systems sich bei der Landstation und an Bord des Schiffes befinden. Es ist dann im Jahre 1906 gelungen, einen Kongreß hier in

den hauptsächlichsten Staaten der übrigen Welt, mit denen die Grund⸗

Um diesen internationalen Vertrag ausführen zu können, muß das Reich in der Lage sein, allen Schiffen und allen Stationen an Land vorschreiben zu können: „diese und jene Bedingung müßt ihr erfüllen, sonst bekommt ihr die Genehmigung zur Errichtung einer Station nicht“. Das bezweckt die Aenderung des Gesetzes, also um es kurz zu sagen: Die Bahn frei für alle Systeme der Telegraphie ohne Draht! Ich glaube, das hohe Haus kann dem Entwurf zustimmen; und

Abg. Euen (d. kons.): Meine Fraktion stimmt dem vorgelegten Ent⸗ wurfe zu; bei der rapiden Entwicklung der Funkentelegraphie ist ein solches Einschreiten der Gesetzgebung unerläßlich. Die eminente Bedeutung der Funkentelegraphie far Krieg und Frieden liegt

ist heute nicht zu übersehen, besonders wenn es gelingt, noch weitere Differenzierungen der Schallwellen zu erreichen und die Apparate noch mehr zu verfeinern. Die beutigen Telegraphenleitungen sind schon so überlastet, daß eine Entlastung durch Ausdehnung der Funkentelegraphie dringend erwünscht erscheint. Eine ordnende Hand muß eingreifen; es dürfen nicht ungeregelt und planlos überall Stationen errichtet werden, denn ein Wirrwarr ohnegleichen würde die Folge sein. Nur eine Stelle darf berechtigt sein, vorzuschreiben, wo Stationen zu errichten sind, wo Nachrichten aufgenommen und übermittelt werden können. Eine solche Regelung ist nicht nur innerhalb der Landes⸗ grenzen erforderlich, sondern sie muß international sein. Die aus⸗ ländischen Gesellschaften erstrebten ein Monopol; das führte zu einem sehr lästigen Abhängigkeitsverhältnis, dem durch die internationale Zerei 1 Ohne das können wir aber die Konvention nicht durchführen. Das neue Monopol, um das es sich hier handelt, hat keinen metallischen Beigeschmack, sondern fällt

Land liegen die Verhältnisse zur See, denn hier besteht v nicht so unzweifelhaft. Die bestehenden Rleht da⸗ küle seitigen, ist der weitere Zweck der Vorlage, auch darin stimmen 2

zu. Wir werden unserseis die Vorlage ohne Kommissionsberatn annehmen, einer solchen aber nicht widersprechen, wenn sie andet Parteien wünschen.

Abg. Schneider (Zentr.) ist mit dem Vorredner in den meist Punkten einverstanden, wünscht aber doch Kommissionsberatung. g

Abg. Dr. Junck (nl.) schließt sich diesem Antrage an. d Frage des Telegraphenregals und die Fortschritte der Starkstane technik müßten gründlich erörtert werden. Wenn man das Reiche telegraphenregal noch nicht hätte, müßte es jetzt eingeführt dege es werde daher jetzt auch daran festzuhalten sein. Ohne dasselbe waͤnz an geordnete Zustände nicht zu denken, da ja das Wesen 8 drahtlosen Telegraphie eben darin bestehe, daß Wellen überalldin in den Aether entsendet und überall aufgefangen werden sönnen Die Vorlage zieht aber auch die Seeschiffe in das Regal hinein: die Wirkungen dieser Vorschriften müßten bis in die letzten Kon⸗ sequenzen untersucht werden. Ueber die für die deutschen Schiffe zu. zulassenden Erleichterungen sollte der Reichskanzler das Nötige zu 8 ordnen befugt sein; in der Kommission werde man hoffentlich einigen, maßen über den Inhalt dieser Verordnungen Aufflärung erhalken. Es frage sich ferner, ob für die internationale drahtlose Telegraphie das Reich die Bürgschaft übernehmen könne, wie es in der Konvention in Aussicht genommen sei, da unter Umständen doch verschiedenartige Systeme zur Anwendung gelangen könnten. Schließlich wolle man die Mitwirkung des Reichstages bei einer etwaigen Erhöhung ees Gebübrensätze außer Kraft setzen, habe dafür aber nur eine gar zu al⸗ gemeine Begründung gegeben. Der Möglichkeit eines Fiskalismus mn dieser Stelle müsse beizeiten vorgebeugt werden. Der neue inter⸗ nationale Vertrag sei ein Beweis des Fortschreitens inter⸗ nationaler friedlicher Beziehungen; es verlohne sich auch, mit Sto; hervorzuheben, daß der ursprüngliche Entdecker der drahtlosen Tele⸗ graphie ein Deutscher, der Professor Hertz, gewesen sei; die modern⸗ Naturwissenschaft, weit entfernt, auflösend und zersetzend zu wirken, ver⸗ binde die Völker immer inniger. 2

Abg. Dr. Delbrück (frs. Vgg.): Marconi hat allerdings

2 94 8 seine Theorie aufgebaut auf den 3

Versuchen unseres deutschen Physikerz Albert Hertz. Aber auch Deutsche, wie Professor Braun⸗Skraßburg haben an Hertz angeknüpft, und die Deutsche Telefunkengesellschaf stellt sich der Marconi⸗Gesellschaft ebenbürtig zur Seite. Von 1500 vorhandenen Stationen auf der Erde sind 44 pCt. nach dem Tele⸗ funken⸗, nur 22 pCt. nach dem Marconi⸗Spstem eingerichtet; die übrigen verteilen sich auf andere Systeme. Die Telefunken gesellschaft ist hauptsächlich in Deutschland vertreten, ich weise nur auf die Stationen an der unteren Elbe und auf Arkona hin. Namensz der liberalen Fraktionsgemeinschaft spreche ich über die Vorlage und die Vereinbarung unsere Befriedigung aus. Bedenklich ist mir der Ge⸗ eenpeuft, über den auch wir in der Kommission Näheres zu hören offen.

„Abg. Tr. Frank (Soz.): In den Streit der Frakt onen über die Urheberschaft der drahtlosen Telegraphie will ich mich nicht mischen. Die Funkentelegraphie ist entstanden infolge des Z sammenwirkens der internationalen Wissenschaft. Deutschland, England, Rußland, Japan und die Vereinigten Staaten stehen friedlich nebeneinander im Vertrage, die wirksamste Propaganda der Tat für den Frieden und die internationale Kulturgemeinschast. Die Motive sprechen aber auch von den Interessen der Landesverteidigung und der Marine. Daraus entstanden unsere Bedenken. Wir vermissen eine Sicherung dagegen, daß die Erfindung für militaristische und marinistische Zwecke aus⸗ gebeutet wird. Dem Reichskanzler wollen wir auch keine Blanko⸗ vollmacht erteilen, wir stimmen dem Antrage auf Kommissions⸗ beratung zu.

Der Entwurf geht an eine Kommission von 14 Mitgliedern.

Es folgt die zweite Lesung des Gesetzentwurfs, betreffend die Bestrafung der Majestätsbeleidigung. Die Vor⸗ lage htr 12 7 Wortlaut:

Für die Verfolgung und Bestrafung der in den 88 95, 97, 99, 101 Str.⸗G.⸗B. bezeichneten Vergehen gelten üen⸗ Vorschriften:

„Die Beleidigung ist nur dann auf Grund der §§ 95, 97, 99,

101 strafbar, wenn sie böswillig und mit Vorbedacht begangen wird.

Die Verfolgung tritt, sofern die Beleidigung nicht öffentlich begangen ist, nur mit Genehmigung der Landesjustizverwaltung ein; für den Bereich der Militärstrafgerichtsbarkeit ist nur in Friedens⸗ zeiten die Genehmigung erforderlich und steht der Erteilung der

Militärjustizverwaltung zu.

Die Verfolgung verjährt in 6 Monaten.

Ist die Strafbarkeit nach Absatz 2 ausgeschlossen, so finden die Vorschriften des XIV. Abschnitts Str.⸗G.⸗B. Anwendung.“

Die Kommission hat den Absätzen 1 und 2 folgende

Fassung gegeben:

„Die Beleidigung ist nur dann strafbar, wenn sie in der Absicht der Ehrverletzung, böswillig und mit Ueberlegung begangen wird. Sind in den Fällen der §§ 95, 97, 99 mildernde Umstände vorhanden, so kann die Gefängnisstrafe oder die Festungshaft bis auf eine Woche ermäßigt werden.

Im Falle des § 95 kann neben der Gefängnitstraft auf

Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter erkannt werden. Im

übrigen ist die Fassung des Entwurfes unverändert geblieben.

Berichterstatter ist der Abg. Dr. Osann (nl.), der aber bei Eröffnung der Beratung nicht das Wort nimmt.

Abg. Roeren (Zentr.): Die wichtigste Aenderung, die durch die gegenwärtige Vorlage gemacht wird, enthält die Bestimmung, wonach nicht, wie bisher, jede einfache ehrverletzende Aeußerung, sondern nur diejenige, die böswillig und mit Porbedacht gemacht wird, als Majestätsbeleidigung betrachtet wird. Die Verhandlungen der Kommission über die dortigen Abänderungsvorschläge haben sich denn auch in der Hauptsache auf diesen Punkt bezogen. Schon in der ersten Lesung wurden 9een. Beieichnung „böswillig“ und „mit Vorbedacht“ Bedenken erhoben. Die Kommission hat statt dieser Worte gesetzt: „in der Absicht der Ehrverletzung, böswillig und mit Ueberlegung“. Ob gerade durch das Aneinanderreihen dieser drei Tatbestandsmerkmale, die eigentlich auf dasselbe hinauskommen, eine Verbesserung eintritt, lasse ich dahin⸗ gestellt. In einem Gesetz, das klar und bestimmt sein solg, sollte man eine solche Tautologie vermeiden; der Hauptzweck des Gesetzes wird aber dadurch nicht vereitelt. Viel wichtiger ist aber der völlige Mangel an einer objektiven Einschränkung. Die drei Merkmale be⸗ ziehen sich lediglich auf die Person des Täters, auf eine Aksicht, deren Vorhandensein man nur aus der inneren Gesinnung des Täters er⸗ schließen kann. Das führt notwendig dadin, daß die hs An⸗ gehörigkeit zu einer Partei mit entscheidend in die Wagschale fäͤllt bei der Feststellung jener drei inneren Momente. Das hat weiter zur Folge, daß bei jemand, der einer Partei angehört, die nach der An⸗ schauung des erkennenden Richters als staats⸗ und regierungsfeind ich gilt, die Böswilligkeit und Absicht der Ehrverletzung, während bei An⸗ gehörigen anderer Parteien Unvorsichtigkeit usw. angenommen werden kann. Die Justiz setzt sich dadurch dem Verdacht einer Parteijustiz aus. Es wäre deshalb, wie gesagt, notwendig, daß auch oblektive Be⸗ schränkungen hinzutreten. Der Kollege Traeger hat schon eine Anregung dahin gegeben, indem er auf den Gotteslästerungsparagraphen bin⸗ wies, wonach bestimmte Aeußerungen vorliegen müssen. Ich babe deshalb in der Kommission beantragt, daß eine Beleidigung nur dann als Majestätsbeleidigung bestraft werden sollte, wenn sie durch bestimmte Aeußerungen begangen ist. Dieser Antrag bat in der Kommission keine Mehrheit gefunden, und auch die Fraktions⸗ genossen des Abg. Traeger haben dagegen gestimmt. Deshalb habe ich diesen Antrag nicht Meder aufgenommen. Eine fernere Aenderung, die durch die Kommissionsbeschlüsse an der Vorlage vorgenommen ist, ist die, daß die vorherige Genehmigung der Landesjustiz⸗

ohnehin unter das Telegraphenregal. Nicht so klar, wie für das

verwaltung, die auf die nicht öffentlichen Beleidigungen be⸗ schränkt war, überhaupt gestrichen worden ist. Die Unter⸗

kzcdung zwischen öffentlicher und nicht öffentlicher Beleidigung ist cebcwankend, die geheimen Beleidigungen geschehen ja auch nur unter vier Augen, und die Oeffentlichkeit hat kein großes Interesse an ir Verfolsung dieser Beleidigungen. Die Streichung dieser Be⸗ timmungen ist eine glückliche Aenderung der Kommission. Eine peitere ist die Herabsetzung des Strafminimums bei mildernden Umständen auf eine Woche. Dieser Aenderung werden wohl alle Harteien zustimmen, wenn sie auch praktisch von geringem Werte ist; inn bei jeder Majestätsbeleidigung sind die oben angeführten drei Anlässe notwendig, und man wird wohl stets mildernde Umstände an⸗ zehmen Eine weitere Aenderung ist, daß das Wahlrecht geschützt ist, soll nur auf Verlust der Bekleidung öffentlicher Aemter erkannt werden; diese letztere Bestimmung ist sehr wertvoll. Trotz mancher Frdenken gegen das Gesetz müssen wir doch so weitgehende Ver⸗ esserungen gegen den bisherigen Zustand zugeben, daß ich Ihnen nir die Annahme der Kommissionsbeschlüsse empfehlen kann. 8 Abg. Dr. Brunstermann (Rp.): Das Prinzip der Vorlage ist zusch die Beschlüsse der Kommission voll gewahrt; wir tragen daher ein Bedenken, der Fassung der Kommission zuzustimmen. Diese geht jber den Entwurf doch dadurch hinaus, daß mildernde Umstände zu⸗ zlassen werden, welche die Ermäßigung der Strafe bis auf eine Poche herbeiführen können; außerdem soll durch die Verurteilung die gberkennung der aus öffentlichen Wahlen hervor egangen Rechte nicht vegeben sein. Wenn die Kriterien für eine Majestätsbeleidigung ver⸗ shärft und die Verjährungsfrist verkürzt wird, lauben wir uns der Heffnung auf eine beträchtliche Verminderung der Majestätsbeleidigungs⸗

Uagen bingeben zu dürfen. Es geht ein Antrag Albrecht u. Gen. ein, die §§ 95,

97, 99 und 101 Str.⸗G.⸗B. aufzuheben.

Abg. Heine (Soz.): Gegen den Entwurf bedeuten die Kom⸗ missionsbeschlüsse gewiß einen Fortschritt; wir können aber doch dafür nicht stimmen, sondern für die einfache Aufhebung des Majestäts⸗ beleicigungsvaragraphen. Es scheint mir unnötig, diesen unseren Antrag noch besonders zu verteidigen. Die verbündeten Regierungen selbst sehen sch ja jetzt gezwungen, eine Vorlage zu machen, die den gröbsten Miß⸗ bräuchen steuern soll; das beweist schon, welch' großer Mißstand hier vor⸗ liggt. Hier muß das Messer benutzt werden; die ganze Befugnis der Gerichte und der Staatsanwaltschaft, den Freimut der Rede durch solche Strafanträge zu verfolgen, muß beseitigt werden. Wenn wir gegen die Vorlage stimmen, so sind wir dadurch gezwungen, weil das Wort „böswillig“ stehen geblieben ist. Von der jetzigen Fassung werden ein paar arme Teufel von Schwätzern Vorteil haben; was uns aber die Hauptsache ist, die Befreiung der politischen Presse und der politischen Vereinsbetätigung von dieser Fessel, wird durch diese Fassung nicht erreicht. Man weiß js, mit welcher unlogischen Gewalt an den Haaren die Behauptung herbeigezogen wird, daß dieser oder jener politische Redner gerade den und den Fürsten habe beleidigen wollen. Ich muß hier zuf den Prozeß gegen den Redakteur Marckwald in Königsberg zurück⸗ kommen. Der Reichstag ist kein Tribunal, das über Artikel ab⸗ zuurteilen hat; aber doch eine Instanz, die zu prüfen hat, wie Gesetze angewendet werden, und wie sie angewendet werden könnten. Ich lege den Artikel der „Königsberger Volkszeitung“ auf den Tisch des Hauses nieder. Der Artikel ist zwei Spalten lang und behandelt ausschließlich Vorgänge, die der Geschichte angehören, die hundert Jahre zurückliegen, die sich in der Erniedrigung Preußens 1806 ab⸗ gespielt haben. Erst der letzte Absatz des Artikels befaßt sich mit der Gegenwart. Das Gericht hat den Redakteur zu 15 Monaten Ge⸗ fänznis verurteilt; es erklärt ausdrücklich, auf die bistorischen Aus⸗ führungen lege es keinen Wert und habe sie nicht in Betracht gezogen. Was ist das für eine Juristerei, die den Artikel nicht als Ganzes faßt? Der größte Teil dieses Artikels hätte allerdings zu Erörterungen geführt, denen das Gericht wohl aus dem Wege gehen wollte. Jede Meinung hat doch das Recht, sich auszusprechen; es ist das gute Recht der anderen, sich darüber zu entrüsten, nicht aber, ihm die Freiheit seiner Meinungeäußerung zu rauben. Der Artikel bebandelt die Junkerherrschaft in Preußen; die Ueberschrift „Die Schandsäule in Memel“ ist stark, und es läßt sich über das Wort streiten; wie aber darin eine Majestätsbeleidigung liegen soll, ist vnerfindlich. In Breslau haben wir erlebt, daß das Gericht in ir Kritik von Vorfahren des jetzigen Königs eine Majestäts⸗ zeleidigung dieses Königs erblickt. So dachte sich auch der Ankläger in Königsberg die Sache; das Gericht ist aber diesen Weg nicht gegangen. Wie kommt es nun zu der Verurteilung? Ja, der Ausdruck „Tragikomödie der Memeler Denkmalsenthüllung“ sei eine Majestätsbeleidigung, weil der König dabei gewesen sei. Einem solchen Gericht muß auch zugetraut werden, daß es bei jedem politi⸗ schen Gegner die Böswilligkeit bejahen wird. Der Vorsitzende, der dieses Urteil publiziert hat, versteht den Ausdruck „Tragikomödie“ nicht; es gibt ja Leute, die das ganze Leben als eine „Tragikomödie“ bezeichnen. Die Majestätsbeleidigung ist an den Haaren herbeigezogen worden. Ich wundere mich auch nicht, daß es ein liberales Blatt war, die „Königsberger Hartungsche Zeitung“, welches den Denunzianten spielte; aber das Gericht sollte sich doch den Kopf klar halten. Statt dessen hat es mit künstlichen, geschraubten Wendungen und mit Verdrehung der Tatsachen das Urteil gestützt Wir werden gegen das Gesetz stimmen. Wir haben noch beantragt, die Paragraphen gänzlich auf⸗ juheben. In der Kommission ist ein Antrag von uns angenommen, wenigstens den Absatz des § 95 zu streichen; die Aberkennung der öffentlichen Wahlrechte ist beseitigt, der Verlust der öffentlichen Lemter aber aufrecht erhalten worden.

Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Nieberding:

Meine Herren! Ich will mir nur einige kurze Bemerkungen ge⸗ ftatten. Was zunächst den Antrag betrifft, der noch nicht zur Ver, teilung gelangt ist, wonach die Paragraphen des Strafgesetzbuchs, welche die Majestätsbeleidigung behandeln, bis zum § 101 überhaupt aufgehoben werden sollen, so möchte ich den Herren Antragstellern an⸗ beim geben, die Reihe der aufzuhebenden Paragraphen doch noch um tinen zu vermehren; denn konsequenterweise müssen sie auch den § 103 des Strafgesetzbuchs beseitigen, in dem die Beleidigung aus⸗ ländischer Fürsten unter Strafe gestellt wird. Wenn Sie diesen Para⸗ graphen stehen lassen, so würde die Folge sein, daß die inländischen Fürsten nur dem gewöhnlichen Beleidigungsrecht unterliegen, daß Sie für die Fürsten des Auslands dagegen besondere Bestimmungen gelten lassen wollen. (Sehr richtig!) Wenn Sie aber diese Bestimmung streichen, so werden die fremden Regierungen die sie gewiß überraschende Fest⸗ stelung machen können, daß zwar in ihren Ländern neben dem ein⸗ beimischen Staatsoberhaupt und seiner Familie auch die Ehre deutscher Fürsten unter besonderen Schutz gestellt ist, daß das Deutsche Reich aber die erste Gelegenheit hat ergreifen wollen, um den Fürsten anderer Länder den gleichen Schutz zu entziehen. Ich glaube nicht, daß dies das Ansehen des Deutschen Rechts im Auslande

n würde.

Was dann den Begriff hier von verschiedenen Seiten gesprochen worden, dies Wort könne vermöge seiner bestimmten Bedeutung dahin führen, die Anwendung ganzen Vorschrift in der Rechtsprechung so zu gestalten, daß gewisse volitischen Parteien darunter ganz besonders zu leiden haben würden. Es wäre ja wünschenswert das gebe ich zu —, das Wort „bös⸗ willig durch ein noch bestimmteres Wort zu eecsetzen; aber die Ver⸗ dandlungen der Kommission und auch die bisherige Aussprache in nster und zweiter Lesung hier im Hause hat doch ergeben, daß weder dei den verbündeten Regierungen noch auch bei Ihnen sich ein Ge⸗

gefunden hat, dies zu erreichen. Es wird also unter den Um⸗

sind aus⸗ un⸗

betrifft, so Besorgnisse darüber

„böswillig“

der

ständen nichts anderes übrig bleiben als das Wort „böswillig“ im Vertrauen auf die Gewissenhaftigkeit der deutschen Richter beizu⸗ behalten oder aber gänzlich zu streichen. Die verbündeten Regierungen würden gegen das Wegstreichen dieses Wortes kein Bedenken erheben, sie teilen aber andererseits auch nicht das Mißtrauen, als wenn diese Bestimmung von den Gerichten in einer einseitigen und einzelnen politischen Parteien besonders nachteiligen Weise verwertet werden solle. (Sehr gut!) Ich gebe zu, daß die Möglichkeit einer falschen Auslegung dieses Wortes besteht; sie besteht aber nach meiner Meinung, nach den Erklärungen der Motive, nach der Aussprache der Regierung in der Kommission und nach den Ausführungen, die hier im Hause gemacht sind, nur für einen Richter, dem ich seinerseits Böswilligkeit unter⸗ stellen müßte (sehr gut!) und das tue ich nicht. Sollte ausnahms⸗ weise aber dieser Fall dennoch vorkommen denn möglich ist ja alles —, dann haben wir die Instanzen, die den unglücklicherweise gemachten Fehler wieder zu beseitigen in der Lage sind: jetzt im Wege der Revision, nach der neuen Strafprozeßordnung aber auch noch im Wege der Berufung. 9

Ich möchte indessen noch ausdrücklich konstatieren, daß, wie schon die Motive der Vorlage ergeben, und wie in den Verhandlungen der Kommission ausdrücklich von berufener Stelle ausgesprochen worden ist, es den Tendenzen und der Auffassung der verbündeten Regierungen durchaus entgegen sein würde, bei der Anwendung dieser Vorschrift die verschiedenen Parteien im Lande mit verschiedenem Maßstake zu missen nach unserer Auffassung würde das dem Sinne des Gesetzes nicht entsprechen. Das Wort böswillig“ ist so gemeint, daß damit nur der besondere, energische Wille bezeichnet werden soll, den Herrscher direkt ohne andere Absichten und Motive in seiner persönlichen Ehre zu treffen; und die Böswilligkeit, die dabei vorausgesetzt wird, muß liegen in der Tat selbst, in der unmittelbaren, ausschließlichen Ver⸗ bindung der einzelnen Handlung, die zur Verfolgung steht, mit dem Willen des Täters seine allgemeinen politischen Anschauungen, seine politischen Bestrebungen im übrigen kommen für die Beurteilung der Tat nicht in Betracht. Ich konstatiere ausdrücklich, daß es dem Sinne des Gesetzes nicht entsprechen würde, wenn man aus der allgemeinen politischen Auffassung eines Mannes etwas herleiten wollte für die größere oder geringere Böswilligkeit seines Ver⸗ haltens in dem einzelnen Falle. (Lebhafte Zustimmung.) Das ist nicht die Absicht der verbündeten Regierungen, das ist nicht die Absicht des Reichstags, wie ich sie verstehe. Ich bin überzeugt, die deutschen Gerichte werden sich nach dieser Direktive richten, und das hohe Haus kann wohl beruhigt sein, daß in der unzutreffende Anwendung von der Bestimmung des Gesetzes gemacht werden wird. (Bravo!)

Abg. Osann (nl.): Die sozialdemokratische Partei hat schon seit

langen Jahren den Grundsatz aufgestellt, daß ein Unterschied zwischen Fürsten und jedem anderen Stoatsbürger nicht bestehe, und daß es des⸗ halb nicht notwendig sei, die allgemeinen Bestimmungen des Str. G. B. nicht auch auf die Fürsten anzuwenden. Die Mehrheit des Hauses hat wiederholt mit Recht erklärt, daß es sich hier nicht um die Person des Monarchen, sondern um das Staatsoberhaupt des betreffenden Staates handelt, das man nicht herunterdrücken dürfe in die Reihe der übrigen Staatsbürger. Deshalb ist nicht nur in deutschen, sondern auch in anderen Strafgesetzbüchern dem Staatsoberhaupt eine privilegierte Stellung gewährleistet, und nicht Monarchenstaaten, sondern auch in einer Republik wie Frankreich. Gegen den Begriff „böswillig“ hatten auch wir ursprünglich Bedenken. Nach den Verhandlungen in der Kommission besteht aber gar kein

Zweifel mehr, daß es sich nicht um politische Maßregelungen handelt.

Wir können die Bestimmung den Richtern mit dem Vertrauen in die

Hand legen, daß sie an der Hand des Kommissionsberichtes und der

heutigen Erklärung des Staatssekretärs den Begriff so auslegen werden, wie er gemeint ist. Der Abg. Heine hat den Königsberger Prozeß angeführt. Man kann ja darüber zweifelhaft sein, ob, nachdem

zu üben. Es ist die Gepflogenheit des Hauses und auch richtiger, nur dann Kritik zu üben, wenn wir es mit einem rechtskräftigen Urteil zu tun haben, weil eine gewisse Beeinflussung der höheren Instanz nach der einen oder anderen Seite hier vorgenommen wird.

Das Denkmal in Memel wurde als eine „Schandsäule“ bezeichnet

in dem betreffenden Artikel, und die Königin Luise als ver⸗

schlagen und versteckt bezeichnet. 1G ert; . Etellen des Artikels. Das Gericht hat in Verbindung mit dem Schlußsatz des Artikels festgestellt, daß es sich hier um eine Be⸗

leidigung der Majestät handelt und derjenigen, die an der Enthüllung; Perspektive wollte ich nur beilaͤufig hinweisen. Wenn die Verhältniffe

des Denkmals teilgenommen oder es begründet haben. Ich lasse es vollständig dahingestellt, ob es politisch klug war, einen solchen Prozeß zu führen, ob die Staatsanwaltschaft in dieser Richtung richtig verfahren ist. ch meine, gerade in solchen Punkten sollte man außerordentlich vorsichtig sein. Ich gebe durchaus zu, daß man über die damaligen historischen Verhältnisse, auch über die Persön⸗ lichkeit der Fürsten verschiedener Meinung sein kann, wenn sich die Kritik von Beleidigungen fern hält. 2 is kel Beleidigungen schwerster Art übergegangen, zunächst der Königin Luise, dann aber auch der Teilnehmer. Gerade die sozial⸗ demokratische Presse geht sehr oft über die Grenzen der historischen Kritik hinaus Sie müssen uns doch wirklich halten, wenn Sie uns den Glauben zumuteten, sozialdemokratische Presse nur das Bedürfnis gehabt historische Darstellung zu geben. doch die, die Königin Luise herunterzusetzen

daß hat,

und diejenigen, die

sich an der Einweihung des Denkmals beteiligt haben, die nicht eine

Schandsäule errichten wollten, sondern ein nationales Denkmal. Ich will darauf nicht weiter eingehen, ich bin ja auch nicht Preuße, mache auch nicht den geringsten Anspruch darauf, ein Bändchen ins Knopfloch zu bekommen. Der Abg. Heine sagte nun, über den Geschmack lasse sich nicht streiten. Das ist die bekannte Manier: Das Blatt läßt man fallen, bezeichnet es als taktlos, aber einer strafbaren Handlung hat er sich nicht schuldig gemacht. Wir haben ja schon berühmte Muster. Ich erinnere nur an einen Artikel der Leipziger Volkszeitung hinsichtlich der Albertinischen Profile. Wir wollen durchaus nicht verhindern, daß die Taten lebender Monarchen kritisiert werden, aber diese Kritik darf nicht in Be⸗ leidigungen übergehen, man kann ja auch anders ausdrücken. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Herrenhaus. Vizepräsident Kaempf: Das Wort hat der Abg. Ofann!) Man kann seinen Stand⸗ punkt einem Monarchen gegenüber sogar in der enervischesten Weise darlegen, ohne daß man daran Beleidigungen anknüpft. Die Sozialdemokratie sollte doch auch ein Verständnis dafür haben, daß wir hier in diesem Entwurf im Interesse des freien Wortes und der freien Kritik einen Fortschritt machen. Es muß doch merkwürdig berühren, daß bei anderen Parteien als der sozial⸗ demokratischen Majestätsbeleidigungen außerordentlich selten sind. Als ein Muster dafür möchte ich die Kritik bezeichnen, die die Kölnische Volkszeitung vor einiger Zeit an einer Handlung des jetzt lebenden Monarchen geübt hat. Auch damals hat die Staatsaawaltschaft An⸗ stalten gemacht, einen Prozeß einzuleiten, aber davon überzeugt, daß jene Kritik nicht über die zulesfigen Grenzen hinausgegangen ist, daß es sich nicht um eine beleidigende Kritik handelte, sondern um eine solche, die jedem Staatsbürger auch gegenüber dem Höchsten im Staat zustehen muß. ““ 1 Abg. Dr. Graef (wirtsch. Vgg.): Die Sozialdemokratie hat doch ganz genau gewußt, daß ihr Antrag nur von ihr selbst unter⸗

prozesse

Judikatur keine

2 barn n, Ob, em politischen Reife. noch die zweite Instanz angerufen ist, hier der Platz ist, eine Kritik 3 . en Kommissionsfassung an, hoffen aber, daß die Revision des Straf⸗ gesetzbuches diese Milderung noch ganz erheblich erweitern wird.

Der Redner zitiert noch weitere verdienen diejenigen, die an einem gegnerischen Blatte mitarbeiten?,

Tatsächlich ist der Artikel zu

für sehr töticht die eine

Aöbsicht war ist ein ganz außerordentlicher, besonders die Voraussetzung, daß die

stützt werden würde; es war also ein seltsames Unternehmen, ihn nochmals einzubringen. Ich nehme nicht an, daß irgend eine andere Partei sich darauf einlassen wird. Die Sozialdemokra ie tritt hier ein für das Recht der freien Kritik; man weiß doch, daß bei ihnen errade die freie Kritik die geringste Rolle spielt. Wird der Zukunfts⸗ gat eingeführt, so werden auch die §§ 95, 97, 99 und 101 schleunigst wieder eingeführt werden müssen. Das Urteil gegen den Artikelschreiber in Königsberg stimmt durchaus mit dem Empfinden der größten Mebrheit des deutschen Volkes überein. Für eine solche „historische“ Kritik, wie in dem Artikel, danke ich. Meine politischen Freunde stehen etwa auf dem Standpunkte, den vorher der Abg. Roeren entwickelt hat. Nach der objektiven Seite hin den Tatbestand enger zu begrenzen, ist uns in der Kommission nicht gelungen, trotzdem wir uns die redlichste Mühe gegeben haben; der subjektive Tatbestand ist aber in wirkungsvollster Weise eingeengt worden. Als wesentlichsten Vorzug sehen wir an, daß die Genehmigung der Landesjustiz⸗ verwaltung gestrichen und so die Unterscheidung zwischen öffentlichen und nicht öffentlichen Majestätsbeleidigungen I“ Auf alle Fälle wird dem Denunziantentum durch die neue rlage ein wirksamer Riegel vorgeschoben und die Zahl der Majestätsbeleidigungs⸗ prozesse mindestens stark verringert werden.

Abg. Dr. Müller⸗Meiningen (frs. Volksp.): Der Abg. Roeren hat die Komm ssionsbeschlüsse zwar empfohlen, aber uns eine Reihe ungerechtfertigter Vorwürfe gemacht. Die objektive Einschränkung, die der Abg. Roeren beanttagt hatte, ist allerdings abgelehnt worden; wir hatten aber in ander Richtung eine solche Einschränkung ver⸗ sucht, wobei uns gerade das Zentrum im Stiche ließ. Wir haben aber auch eine objektive Einschränkung vorgeschrieben; denn in Zu⸗ kunft kann z. B. die Majestätsbeleidigung durch Sitzenbleiben bei dem Kaiserhoch nicht mehr bestraft werden. Wir haben dann subjektiv eine Kumulierung eintreten lassen, indem wir die Ah⸗ sicht der Ehrverletzung, die Böswilligkeit und dann noch die reifliche Ueberlegung bei Begehung einer Majestätsbeleidigung verlangen. Der Abg. Roeren meinte, es würden nach der neuen Fassung kaum noch mildernde Umstände in Betracht kommen. Ja, wir hatten die Herabsetzung des Strafminimums auch ohne mildernde Umstände bis auf einen Tag beantragt, und das ist ab⸗ gelehnt worden, wenn ich nicht irre, auch durch das Zentrum. Wenn ich mich irre, so fällt diese Bemerkung weg. Als süddeutscher Richter hege ich die ausgesprochenen Befürchtungen wegen der nicht absoluten Unabhängigkeit der Richter in keiner Weise. Ob die Königsberger Hartungsche Zeitung hat denunzieren wollen, muß ich bezweifeln, aber meinerseits muß ich mich doch gegen die Zweckmäßigkeit solcher historischen Majestätsbeleidigungs⸗ erklären. Man soll da sehr vorsichtig sein und sich nicht zu verkünstelten Rechtsdarstellungen versteigen. Damit wird das Ansehen der Majestät nicht gehoben. In Javpvan wird die Beleidigung des Ahnenkultus bestraft; aber selbst Japan hat sich 1903 davon frei gemacht, und wir sollten dahinter nicht zurückbleiben. Die Staatsanwaltschaften sollten doch selbst auf Einschränkung dieser sehr zweifelhaften Prozesse hinwirken. Der Staatssekretär vermißte in der Kommission den Anstand des Publikums und forderte uns auf, auszusprechen, daß anständige Leute in dem anständigen Rahmen auch gegenüber ihrem Fürsten bleiben. Gewiß ehrt sich das Volk selbst, wenn es auch den Träger der Staatsgewalt ehrt; es beleidigt den Staat, wenn es den König beleidigt. Das ist aber die englische Rechtsau fassung, wo der Träger der Krone sich ängstlich bemüht, in den täglichen Kampf der Meimnungen nicht einzutreten, nicht politisch, nicht militärisch, nicht wissenschaftlich. Diese Lage der Verhältnisse bedingt in England die große Achtung des Volkes vor der Majestät. In Eagland wurde der letzte Majestätsbeleidigungsprozeß 1823 verhandelt, wo behauptet wurde in einer Zeitung, der König sei geisteskrank; und der

monarchische Sian des engkischen Volkes ist heute so hoch wie nur ne irgendwo in der Welt. allein in

Wir in Deutschland stehen unter anderen Verhältnissen: bei uns herrscht nicht die weite Freiheit der Meinungs⸗ äußerung, die man dort dem Volke zugesteht. Das Volk denkt dort so monarchisch, weil man ihm Vertrauen schenkt und ihm die demütigende polizeiliche Ueberwachung seiner Aeußerungen erläßt. Aus diesen enalischen Verhältnissen sollten wir in Deutschland lernen; je weniger Majestätsprozesse, desto höher das Anseben des Reiches selbst. Ibering hat gesagt, der Aufwand an Strafen steht im umgekehrten Verhältnisse zur Reife eines Volkes. Der einzige Schutz der Majestät im englischen Sinne ist die Erziehung eines Volkes zur Darum kennt England keine Beschränkung der Vereins⸗, Versammlungs⸗ und Aeußerungsfreih it. Wir nehmen die

Abg. Dr. Wagner⸗Sachsen (dkons.): Wenn erst im Zukunftsstaate das proletarische Empfinden der einzige Gott sein wird, dürfte sich die Zahl der Verurteilungen wegen Verletzung der Majestät in ei Umfange zeigen, gegen den die heutigen nur Kinderspiele sind. Was fragte Bebel auf dem Parteitage in Dresden. „Prüge!!“ rief eine Stimme, und es folgte allgemeiner dröhnender Beifall. Auf diese

in England anders liegen, so liegt das an dem anders gearteten Charakter des englischen Volkes und seiner Erziehung; hier könnte unser Volk vom englischen noch viel lernen.

Abg. Wellstein (Zentr.): Zum Antrag Albrecht hat sich mein Kollege Roeren nicht äußern können. Der Antrag ist ja nicht neu; schon früher hat ihn der Abg. Bebel vertreten. Der meinte damals, ein

großer Teil der Prozesse werde hervorgerufen durch Denunziation von Leuten, von denen man es am wenigsten erwarten sollte, er meinte, die Hauptschuld daran trüge die falsche Auslegung der §§ 95 und ff. Das hat heute auch der Abg. Heine darzutun versucht. In dem so, so handeln die Sozialdemokraten falsch, wenn sie Verbesserungen, die dech wenigstens in etwas solchen falschen Auslegungen einen Riegel vorschieben, ablebnen. Einer denunziösen Rechtsprechung läßt sich überhaupt kein Riegel vorschieben; aber der hier gebotene Fortschritt

Majestätsbeleidigung in der Absicht der Ehrverletzung getan sein muß. Die einfache Aufhebung der vier Paragraphen können wir natürlich

nicht mitmachen.

Abg. Heine (Sol.): Ich lege zu dem Königsberger Blatt auch noch den Bericht über die Gerichtsverhandlung auf den Tisch des Hauses. Der Abg. Osann führte aus, der Artikel sei eine Beleidigung der Königin Luise. Es gibt aber kein Gesetz, welches die Beleidigung verstorbener Fürstlichkeiten unter Strafe stellt, und das ist das Empörende, daß man diesen Mangel auf Schleichwegen zu ersetzen sucht. Das scheint aber dem Abg. Osann gar nicht zum Bewußtsein zu kommen, daß das nicht der richtige Weg ist. Ich muß das Gericht gegen den Abg. Osann in Schutz nehmen; es hat nicht wegen Beleidigung der Königin Luise verurteilt, sondern es hat eine Beleidigung des jetzigen Monarchen auf dem Umwege herausgeschlagen, indem es erklärte, in den Ausführungen über das Junkertum in Verbindung mit denjenigen, die dieser Denkmals⸗ enthüllung beiwohnten, diese Beleidigung gefunden haben. Besser als der Abg. Osann uns verteidigt hat, koͤnnten wir selbst uns auch nicht verteidigen. Si tacuisses! Was Sie gesagt haben, Herr Osann, wird am wirksamsten für uns sprechen. Trotz der Versicherung des Staatssekretärs haben wir kein Vertrauen in die Jud katur; Richter werden sich nicht ändern die seit 25 Jaren Schritt für Schritt weiter gegangen sind in der Beschränkung der historischen Kritik in Verwendung der Majestätsbeleidigungsparagraphen. Der Geist der Justiz wird nicht so leicht geändert; das sehen wir aus den Ausführungen des Abg. Graef, der auch Richter ist, und anderer, die es nicht verschweigen, daß sie Mitglieder des Reichsverbandes zur Bekämpfung der Sozialdemokratie sind, also Richter in einer partei⸗ politischen Verbindung! Was nützt es, wenn gesagt wird, wir hätten nach diesem Gesetz die freiesten Bestimmungen von allen euro⸗ päischen Staaten? Wir können die freiesten Bestimmungen haben und die verknechtetste Pragil— EEI” .