1908 / 25 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 29 Jan 1908 18:00:01 GMT) scan diff

Stadt, in welcher nicht 55

zählt. ergeben, weil die Einkommen von nicht me

näher untersucht werden.

c. Einkommen und Einkommensquellen der pflichtigen mit mehr als 3000 ℳ% Einkommen.

Das veranlagte Einkommen dieser Steuerpflichtigen beträgt 156 245 432 (4 780 688 094) ℳ, ist also gegen das Vorjahr um

7,86 v. H. gestiegen.

Es sondert sich nach den für diese Steuerpflichtigen besonders

zusammengestellten Einkommensquellen, wie folgt: I. aus Kapitalvermögen 1 610 120 938 (1 473 092 074) 1 8 1 184 561 260 (1 170 727 101) 1 743 569 136 (1 622 985 832)

1 500 083 970 (1 354 427 573) D

Grundvermögen

Handel, Gewerbe und Bergbau. 8

gewinnbringender Be⸗ schäftigung usw.

In Abzug

gesetzlichen Abzügen 882 089 872 (840 544 486) gebracht

1 Dieser Betrag setzt sich zusammen aus:

a. zu zahlenden Schuldenzinsen 741 403 381

b. auf besonderen Rechtstiteln be⸗

rAuhenden Renten und dauernden Lasten. 111u“ .

die Steuerpflichtigen mit einem Einkommen von

über 0 bis 3000

(770 381 724)

59 045 087

in den Städten. auf dem Lande überhaupt

in den Städten.. auf dem Lande überhaupt

V V in den Städten. V V V

auf dem Lande überhaupt

in den Städten .. auf dem Lande überhaupt

in den Städten

auf dem Lande *“

9500 bis 30 500

über 30 500 bis 100 000

in den Städten..

über auf dem Lande

8 100 000 (überhaupt e. Ermäßigungen und Befreiungen nach §§ 19 und 20 (18 und 19) des Gesetzes.

Durch das Gesetz vom 19. Juni 1906 ist eine Steuermäßigung wegen des Vorhandenseins unterhaltsbedürftiger Kinder und sohsgigen unterhaltsbedürftiger Angehöriger neu gewährt worden den Steuer⸗ flichtigen mit Einkommen von mehr als 3000 bis zu 6500 Auf Grund dieser Bestimmung sind von 386 376 Steuerpflichtigen dieser Gruppe, welche zu einer Gesamtsteuer von 35 468 733 veranlagt worden sind, 70 407 Steuerpflichtige, und zwar in den Städten 48 460 und auf dem Lande 21 947 auf eine niedrigere Steuerstufe er⸗ mäßigt. Der hierdurch bedingte Ausfall an Steuer beträgt 980 716 ℳ, und zwar in den Städten 668 648, auf dem Lande 312 068 8 Für die Steuerpflichtigen mit Einkommen von mehr als 900 bis zu 3000 ist das bisherige Recht insofern geändert, als für die Ge⸗ währung einer Steuerermäßigung nicht mehr, wie bisher, nur Kinder unter 14 Jahren, sondern auch ältere noch unterhaltsbedürftige Kinder

und auch andere unterhaltsbedürftige Angehörige zu berücksichtigen

1 Steuerstufen

a. die Gesamtzahl der Zensiten.

2

i. das Fffon be mnmen zu h: in Mill. 2 473,92 3 26 % .2. 3223,83 4709,36

978,24 229,82 . 891,72 1 208,06

575,69 392,19 967,88

867,04 1 298,81 197,92 982,80 1 496,73

863,32 173,38 593,94 1 036,69 1 084,41

472,29 188,91 661,20 692,84

K. der Abzug von Sch

8

h. die Zahl der mit mehr als 3000 Ein⸗

nd und als bei dem Vorhandensein von 5 oder mehr derartigen unterhaltsbedürftigen Familienmitgliedern eine Ermäßigung nicht ur, wie bisher, von mindestens einer, sondern von mindestens zwei zeinzutreten hat. Von den Steuerpflichtigen mit Einkommen bis zu 3000 sind auf Grund dieser Bestim⸗ b bei 4 825 065 (4 145 954) Pflichtigen, welche zu einer Ge⸗ samt teuer von 73 544 386 (60 446 178) veralagt worden sind,

Es betrug: 1892 2,44 b. davon Veranlagungssoll 1 . . in Mill. % 124,84 c. Gesamtzahl der nicht physischen Personen

unter den Zensiten 2 028 d. deren Veranlagungssoll

in den Städten auf dem platten Lande.. überhaupt. vom Hundert der in den Städten auf dem platten Lande 1ö1114““; das Veranlagungssoll der Zensiten zu e: in den Städten .. auf dem platten Lande.. überhaupt ... das veranlagte Einkommen zu f: in den Städten auf dem platten Lande überhaupt

28 30,47 . 114,79

. . in Mill. 3 852,60 4 1 851,73

4 g 5 704,33 kommen veranlagten physischen Personen:

in den Städten

auf dem platten Lande....

überhaupt

vom Hundert der Bevölkerung:

in den Städten

auf dem platten Lande..

überhaupt

Zensiten 237 758 79 133

316 889

in den Städten. auf dem platten Lande .... überhaupt und zwar aus Kapitalvermögen: öööb.]; auf dem platten Lande... 5 174,84 überhaupt aus Grundvermögen: in den Städeern.. auf dem platten Lande überhaupt aus Handel, Gewerbe und Bergbau: in den Städten . in Mill. auf dem platten Lande veehaus auz gewinnbringender Beschäftigung: in den Städten .. 88 auf dem platten Lande. überhaupt ..

8 749,91

in Mill. 388,95 366,41

755,36 115,77

501,05 92,89

9 uldenzinsen, Lasten usw: in den Städten auf dem platten Lande überhaupt

276,21 155,28 431,48

93 (50,49) v. H. der Bevölkerung, wie im Durchschnitte der Städte, fondern 80 v. H. zur Einkommensteuer ver⸗ anlagt sind, wird wohlhabender sein als eine andere mit nur 20 v. H; das Durchschnittseinkommen in der letzten Stadt kann aber weit höher als in der ersteren sein, weil sie einzelne sehr reiche Einwohner mehr zäh Einen ganz zuverlässigen Maßstab für die Wohlbhabenheit würde selbst eine völlig gleichmäßige schon deshalb nicht erge r als 900 ℳ, die der groößte Teil der Gesamtbevölkerung bezieht, in ihrer Höhenlage nicht

Steuer⸗

sind an Schuldenzinsen, dauernden Lasten und sonstigen

8

usw.

(107,63). Durchschnitte

. .48 056 267 25 488 119 .73 544 386 26 950 198 8 518 535

. .35 468 733 12 715 706 2 816 446

15 532 152 .31 253 070 5 788 710 37 041 780 24 434 560 5 178 960 .29 613 520 . 27 479 400 6 976 600

186,89

1 2 661 ISbö 18,76 oe. die Gesamtzahl der physischen Personen unter .

den Zensiten [ohne Angehörige):

126,52 41,61 168,13

5 856,10 2 519,95 8 376,06

334 872 100 824 435 696

und zwar:

(39 414 154) (21 032 024) (60 446 178) (25 757 792) (8 317 536) (34 075 328) (12 137 346)

2 866 704)

6 456 400) (30 124 200)

325 470 (312 137) Pflichtige, (136 153) und auf dem Land 1 359 797 (1 668 (562 322) und au Stufe ermäßigt. 8 811 098 (6 705 009), und

auf die das Land

Es ist mithin gestiegen von je 100 überhaupt auf 112,03 (107,12), in den Städten auf 112,69 (106,95) und auf dem Lande auf 110,03

teuerpflichtigen stellte sich im

.auf 2,04 (2,07) 2,11 (2,13)

An Steuern

c. Beiträgen zu Kranken⸗, Unf 2. I. ahe 8. Lebensversicherungsprämien. e. Schuldentllhungskenr 8

Der Abzug der Schuldentilgungsbeiträge ist erst durch das Gesetz vom 19. Juni 1906 gestattet worden. Der Abzug hat betragen

1“

ägen

all⸗

14 362 617 62 636 535

4 642 252 (

in den Städten 1 522 437 auf dem Lande 3 119 815 „.

erteilt sich

(12 806 886) (57 355 876)

qd. Sollaufkommen der Einkommensteuer.

Das Sollaufkommen der Steuer in Höhe von 225 656 (201 420 066) v

Städte mit 170 889 201 (151 644 732) und 54 767 370 (49 775 334)

in den Städten. Stadtkreisen auf dem Lande überhaupt. veranlagten Einkommens.

8

„9 9 2 9 2 2. 29 9 9 *⁷ 2 9 2 9 2 2

Der Steuerbetrag des einzelnen S

insbesondere

15,72 (15,34)

6,88 (9,03)

13,12 (13,45) ‧„

15,27 (14,96)

438) Pflichtige, und zwar f dem Lande 622 148 (506 116) auf eine niedrigere Der hierdurch bedingte Ausfall an Steuer beträgt zwar in den Städten 4 512 334 (3 316 058),

auf dem Lande 4 298 764 (3 388 951)

Der Umstand, daß bei dem Vorhandensein unterhaltsbedürftiger Angehöriger jetzt auch Steuerpflichtigen von mehr als 3000 bis zu 6500 Einkommen Steuerermäßigungen auf Grund des § 19 zu olge gehabt, daß die Steuerermäßigungen es, nach welchem die Berück⸗ higkeit der Steuerpflichtigen der wirtschaftlicher Verhältnisse bei einem steuer⸗ gestattet ist, gegen das Vorjahr in Betracht kommenden 5 284 256

teil geworden sind, hat zur b in Gemäßheit des § 20 (19) des Gesetz sichtigung besonderer,

wesentlich beeinträchtigen pflichtigen Einkommen bis zu 9500

die Leistungsfä

zurückgegangen sind. Von den hierbei

(4 578 741) Steuerpflichtigen, 124 545 271 (109 525 556 25 708 (27 652), und zwar in den Städten 14 780 dem Lande 10 928 (11 595), freigestellt und 162 311 (156 536), und zwar in den Städten 100 573 (97 076) 59 460), auf eine niedrigere Stufe ermäßigt. usfall an Steuern beträgt 1 332,535 (1 434 890) ℳ, und zwar in den Städten 873 351 (948 999) ℳ, auf dem Lande 459 184 (485 891)

Vergleichende Uebersicht einiger Hauptziffern für die Jahre 1892, 1901 bis 1907.

m folgenden sind noch die wichtigsten Ziffern der Einkommensteuerstatistik für vnhedn Jahre nebeneinander gestellt:

1901 1902 3,65 3,76 188,84

2870 1962

128,24 41,95 170,19

6 002,00 2 557,88 8 559,88

346 339 103 342 449 681

2,304 0,529 1,301

3 783,65 1 009,19 4 792,84

997,87 239,22 1 237,09

607,07 389,18 996,25

1 280,42 194,67 1 475,08

898,29 186,12

498,17 194,67

2 566,56 8 709,25

355 693 106 003 461 696

2,307 0,538 1,315

3 795,52 1 011,65 4 807,17

1 002,34 241,13 1 243,47

624,07 383,18 1 007,25

1 233,75 190,49 1 424,24

985,36 196,85 113221

513,39 200,56 713,95

1904 4,13 191,23

2 583 13,63

2,63 1,50 ¶4,13

16,66 7,56 11,59

133,95 43,65 177,60

6 446,81 2 675,88 9 122,69

369 386 110 449 479 835

2,339 0,557 1,347

3 911,38 1 065,51 4 976,89

1 044,51 255,02 1 299,53

652,59 396,01 1 048,60

1 239,12 200,31 1 439,43

975,16 214,17 1 189,33

540,24 209,05 749,29

welche

zu einer Gesamtsteuer von veranlagt worden sind,

1905 4,39 201,77

2 611 13,73

2,82 1,57 4,39

17,32 7,86 12,11

141,79 46,25 188,04

6 855,40 2 813,21 9 668,61

385 528 115 909 501 437

2,371 0 579 1,383

4 128,10 1128,36 5 256,46

1 111,16 268,34 1 379,50

689,77 419,16 1 108,93

1 294,74 212,21 1 506,95

1 032,43 228,65 1 261,08

575,52 221,61

797,13

1,92 (1,95) v. H. des

Auf den Kopf der Bevölkerung entfallen in den Städten 9,92 (9,05) in den Stadtkreisen 12,53 (11,489) auf dem Lande 2,71 (2,48) und überhaupt 6,02 (5,47) bringen die einzelnen

1,62 (1,66)

1906 4,68 216,80

2 770 15,37

Einkommensgruppen auf,

8

und zwar in den Städten 140 598 e 184 872 (175 984) freigestellt und in den Städten 737 649

und auf dem Lande 61 738 Der dadurch veranlaßte

1907 5,39 249,96

6 967 24,31

3,02

1,65

467

18,04 8,22 12,69

151,64 49,78 201,42

7 340,53 2 991,27 10 331,80

404 710 121 765 526 475

2,416 0,606 1,429

4 388,67 1 232,56 5 621,23

1 173,37 299,73 1 473,09

713,80 456,92 1 170,73

1 394,72 228,26 1 622,99

1 106,78 247,65 1 354,43

602,28 238,26 840,54

8 358,06 3 389,74 11 747,80

432 963 126 528 559 491

2,514 0,625 1,493

4 778,53 1 259,80 6 038,34

1 305,30 304,82 1 610,12

718,96 465,60 1 184,56

1 510,02 233,55 1 743,57

1 244,25 255,84 1 500,08

642,42 239,67 882,09.

571

wurden (16 057) und auf

Rechtsmittelverfahren.

Ueber Anzahl und Ergebnis der für das Steuerjahr 1907 ein⸗ gelegten Rechtsmittel Berufungen und können zur Zeit vollständige Angaben nicht gemacht werden, da das Verfahren noch nicht zum Abschlusse gelangt ist. Schon jetzt steht in⸗ dessen fest, daß die mit der Gesetzesnovelle vom 19. Juni 1906 verfolgte Absicht, die Einkommensteuer⸗Berufungskommissionen zu entlasten, in vollem Umfang erreicht worden ist. Denn während nach dem Stande vom 31. Oktober für das Steuerjahr 1906: 370 195 Berufungen eingegangen waren, deren Entscheidung den Berufungskommissionen oblag, hat s diese Zahl für das Jahr 1907 auf 54 269 vermindert. on diesen 54 269 Berufungen betrafen 36 995 Steuerpflichtige über 3000 Einkommen; die übrigen 17 274 Berufungen betrafen Steuerpflichtige mit Einkommen bis zu 3000 ℳ, bei welchen das Rechtsmittel sich gegen die von der Veranlagungskommission im Einspruchsverfahren getroffene Entscheidung richtete.

erklärungen.

Staat 705 263 Steuererklärungen (gegen 647 932 im Vorjahre) ab.⸗ gegeben worden. Von diesen haben zu Erörterungen mit den Steuer⸗ pflichtigen Anlaß gegeben 220 687 (im Vorjahre 186 650), das sind 313 (im Vorjahre 28,8) v. H. der abgegebenen Steuererklärungen. Die Erörterungen führten zur Berichtigung der Steuererklärungen in 160 159 Fällen, das sind 72,6 v. H. der erörterten und 22,7 v. H. der überhaupt abgegebenen Steuererklärungen (im Vorjahre 151 987 Fälle und 81,1 bezw. 23,5 v. H.).

Gegenüber den Angaben der betreffenden Steuererklärungen sind mehr veranlagt worden an steuerpflichtigem Einkommen 1d. 303 Millionen Mark oder 30,4 v. H. (im Vorjahre 246 Millionen Mark oder 29,2 v. H.) und an Einkommensteuer rd. 10 Millionen Mark oder 35,2 v. H. (im Vorjahre 8 Millionen Mark oder 34,1 v. H.). Bei unveränderter Zugrundelegung der Angaben der Steuererklärungen würden also die beteiligten Steuerpflichtigen im Durchschnitt um mehr als ein Drittel zu niedrig veranlagt worden sein. Es ergibt sich damit zugleich, daß in der weitaus überwiegenden Mehrzahl der es sich nicht nur um unbedeutende Erhöhungen der deklarierten eträge ge⸗ handelt haben kann.

Die Steuerbeträge der Steuerpflichtigen, deren Erklärungen be⸗ richtigt wurden, (rund 39 Millionen Mark) ergeben 3 v. H. des nach Spalte 10 veranlagten Einkommens (rund 1302 Millionen Mark). Dieser Prozentsatz entspricht demjenigen, welcher an Einkommensteuer von den Einkommen über 3000 im Durchschnitt aufkommt. Das läßt erkennen, daß die Erörterungen sich nicht nur auf die Steuer⸗ erklärungen der Pflichtigen mit geringerem oder mittlerem Ein⸗ sondern auf die Steuererklärungen aus allen Stufen erstreckt aben.

Zuwiderhandlungen gegen das Einkommensteuer⸗ und das Ergänzungssteuergesetz.

In dem Jahre vom 1. Oktober 1906 bis Ende September 1907 sind im ganzen 1471 Fälle von Zuwiderhandlungen gegen diese Gesetze anhängig gewesen (gegen 1724 im Vorjahre). In 1254 von diesen 1471 Fällen handelte es sich um Zuwiderhandlungen gegen § 72 des Einkommensteuergesetzes; 87 dieser Fälle enthielten zugleich Zuwider⸗ handlungen gegen das Fezisnmasshenees. Lediglich auf Grund des § 44 des letzteren Gesetzes sind in 14 Fällen Untersuchungen an⸗ hängig gewesen. 203 Fälle kommen auf § 74 des Einkommensteuer⸗ bezw. § 47 des Ergänzungssteuergesetzes.

Was die Höhe der Strafen betrifft, so betrug in den im Wege der vorläufigen Straffestsetzungen durch die Regierungen an⸗ hängig gewordenen Untersuchungen (1225) die insgesamt festgesetzte Strafsumme 295 401 (im Vorjahre 1460 Fälle mit 365 312 50 ₰), der Durchschnittsbetrag für den einzelnen Fall also rund 241 Bei den sogleich zur gerichtlichen Entscheidung abgegebenen und in dem Berichtsjahre zur rechtskräftigen Entscheidung gelangten Fällen (80) betrug die Summe der erkannten Geldstrafen 38 993 ℳ, also rund 487 für den einzelnen Fall.

Ueber die Höhe der im Anschluß an das Straf⸗

Nachsteuern geben die folgenden

verfahren festgesetzten b Zahlen Aufschluß. Es sind an Nachsteuer 8 jur Einkommensteuer. 207 031 51 ₰,

8 zur Ergänzungssteuer. 8 F“ festgesetzt worden. Die Gesamtsumme der festgesetzten (bezw. rechtskräftig erkannten) Strafen und der im Anschluß an das Straf⸗ verfahren festgesetzten Nachsteuern beläuft sich auf 545 309 81 (im Vorjabre 582 533 23 Z).

Ergibt sich, daß ein verstorbener Steuerpflichtiger Steuern vor⸗ enthalten hatte, so sind die Erben innerhalb gewisser Zeit, auf Höhe ihres Erbteils, zur Nachzahlung der Steuern verpflichtet. Auf Grund dieser Bestimmung sind im Berichtsjahre in 500 Fällen Nachsteuern im Gesamtbetrage von 271 481 12 (im Vorjahre 495 Fälle mit 175 028 36 ₰) festgesetzt worden. Die oben genannte Gesamt⸗ summe der Strafen und Nachsteuern erhöht sich unter Hinzurechnung der gegen Erben festgesetzten Nachsteuern auf 816 790 93 (im Vorjahre 757 561 59 ₰). 11““

1“

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 19. Sitzung vom 28. Januar 1908, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Auf der Tagesordnung steht die Beratung des Etats der Justizverwaltung.

Der Titel der Einnahmen für Prüfungen der Beamten sowie Rechnungsgebühren, die auf 698 500 angesetzt sind, hat den Abgg. Peltasohn (freis. Vgg.), Witz⸗ mann (nl.), Roeren (Zentr.) und Cassel (freis. Volksp.) Anlaß zu längeren Ausführungen über die Ausbildung, erste Prüfung und den Vorbereitungsdienst der jungen Juxisten gegeben, über die bereits in der gestrigen Nummer d. Bk. berichtet worden ist. Auf diese erwidert der Justizminister Dr. Beseler: Meine Herren! Die höchst wichtige Frage der Ausbildung und Vorbereitung der jungen Juristen beschäftigt das Justiz⸗ und Unter⸗ richtsressort unausgesetzt. Ein abschließendes Urteil, ob im großen und ganzen die jetzige Art und Weise die richtige sei, hat sich aber noch nicht gewinnen lassen, weil unausgesetzt neue Wünsche in dieser Richtung laut werden. Man hat bisher auf der Grundlage gestanden, daß den jungen Juristen eine wissenschaftliche Ausbildung gegeben werden solle, die in methodischer Weise durchgeführt, sie lehrt, wie man seine Ge⸗ danken logisch und folgerichtig zu formen habe, um den Zwecken, die man verfolgen will, zu dienen. Es ist unerläßlich, daß dabei ein gewisse Beschränkung eingehalten wird; denn, wenn man die jungen Leute alles lehren wollte, würde es darauf hinauskommen, daß fie eigentlich nichts lernten, weil eine allgemeine Bildung in allen Fächern der Wissenschaft und des Lebens dem einzelnen auf der Universität in einer verhältnismäßig kurzen Zeit unmöglich gegeben werden kann. Auf diesem Standpunkte stehend, daß die Ausbildung sich im großen und ganzen innerhalb des Rahmens einer bestimmten Wissenschaft bewegen muß, sind wir an die Frage herangetreten, was

gefordert werden müsse, um ein klares Urteil darüber 1n; 8 können, wie die Lernenden ihre Zeit ausgenutzt haben. 4

Beschwerden)

Umfang und Ergebnisse der Prüfung der Steuer..

Be der Veranlagung für das Steuerjahr 1907 sind im gane·n

11“1“¹]

zu der Erwägung geführt, d

vünschenswert sei. Die Redner, welche diese Frage heute berührten,

sich im großen und ganzen zustimmend zu dem Gedanken gäußert, daß die bisherigen Teile der Prüfung zu ergänzen sein nöchten durch sogenannte Klausurarbeiten. Diese sind gedacht in einer infachen Form, ohne daß besondere Schwierigkeiten geschaffen werden sollen, deren Lösung vielleicht noch nicht verlangt werden könnte von denen, die sich doch erst kurze Zeit mit der Wissenschaft beschäftigt haben. Immerhin wird sich aus den gefertigten Klausurarbeiten wohl imn Urteil darüber bilden lassen, wie weit das Verständnis und die iigene Urteilskraft der zu Prüfenden gelangt ist. Diese Arbeiten

werden in zwiefacher Hinsicht nach meiner Ueberzeugung von Nutzen

in. Einmal werden sie selbstredend eine Ergänzung der jetzt gefor⸗

zerten schriftlichen Arbeiten bilden, die aufzugeben nach allen Erwägungen, die man darüber angestellt hat, nicht angezeigt erschien. Underseits werden sie aber auch für die mündliche Prüfung günstig wirken insofern, als mancher Kandidat in der Unruhe des Examens richt so gesammelt ist in seinem Wissen, als wenn er in verhältnis⸗ mnäßiger Muße die Frage, die er zu beantworten hat, an sich heran⸗ neten sieht. Also für diejenigen, welche gut gelernt haben, aber doch von einer gewissen Unruhe erfaßt sein mögen, werden diese Klausur⸗ gbeiten entschieden ein großer Vorteil sein. Das ist das, was ich im allgemeinen über die Absichten der Staatsregierung wegen Ausbildung der Prüfung zu sagen habe.

Ich möchte jetzt nur noch auf das zurückgehen, was über die spätere Ausbildung der Referendare gesagt worden ist. Gewiß wäre 8 eine gute Einrichtung, wenn man eine Fortbildung, wie sie jetzt für die jungen Verwaltungsbeamten eingeführt ist, auch für die Justin zurchführen könnte. Sie wollen aber erwägen, daß es sich bei der Verwaltung um etwa 200 Referendare handelt, während bei der Zustiz deren 7000 sind. Lehrkräfte und Lehrkörper für 7000 zu bilden, ist eine schwierige Aufgabe; trotzdem ist die Justizverwaltung schon seit Jahren darauf bedacht, auch in dieser Hinsicht zu helfen. An vielen Gerichten besteht schon die Einrichtung, wonach gewisse Schulungen gewährt werden zur Einführung in die Praxis, die allerdings den Referendaren nicht zwangsweise zugemutet werden, sondern ihrem freien Willen überlassen sind. Aber die meisten machen gern von der Gelegenheit Gebrauch und, wie ich höre, auch mit gutem Erfolg. Die wissenschaftlichen Kurse, die auch er⸗ wähnt wurden, sind durchaus mit Zustimmung der Justizverwaltung und mit ihrer vollen Förderung ins Leben gerufen. Es ist bereits erwähnt worden, daß in diesem Jahre dafür auch höhere Mittel aus⸗ geworfen sind, und ich kann erklären, daß der Wunsch der jungen Angestellten, namentlich aber auch der Assessoren, an diesen Kursen teilzunehmen, sehr lebhaft ist, und daß dazu sehr zahlreiche Meldungen eingegangen sind, die davon zeugen, daß bei den jungen Juristen das enste Streben besteht, sich weiter zu bilden.

Ueber das Universitätsstudium kann ich mich hier nicht aussprechen, das berührt das Gebiet des Herrn Kultusministers, mit dem ich jedenfalls darüber vorher ins Einvernehmen treten müßte. Daß aber auch die Universitäten bemüht sein werden, den neuen An⸗ forderungen, welche durch die Klausurarbeiten hervorgerufen werden, Rechnung zu tragen, ist mir bekannt. Die Fakultäten gehen darauf aus, ihre Lehrfächer entsprechend auszugestalten, und deshalb besteht auch die Absicht, diese Neuerung nicht sofort ins Leben treten zu lassen, sondern etwa erst nach Ablauf eines Semesters, damit die Studien⸗ pläne der Universitäten dem entsprechend aufgestellt werden können. Es wird also auch den Wünschen der Herren Rechnung getragen werden, welche die Vorbildung im erweiterten Umfange auf den Universitäten durchgeführt sehen wollen. ““ 11“

Ddie Einnahmen werden bewilligt.

3u den dauernden Ausgaben, und zwar zu dem Titel „Gehalt des Ministers“ liegt der Antrag der Abgg. Schiffer (nl.) und Genossen vor,

„die Staatsregierung zu ersuchen: 1] 8 1) im Bundesrat für die schleunige Einbringung eines Gesetz⸗ entwurfs über das Strafrecht, das Strafverfahren und den Strafvollzug in Beziehung auf jugendliche Personen einzutreten, 1 1 1 2) bis zum Erlaß eines solchen Gesetzes die bereits an⸗

estellten Versuche, auf dem Boden des bestehenden Rechts im Pege der Verwaltung und der Geschäftsverteilung das Straf⸗ verfahren gegen jugendliche Personen in einer ihrer Eigenart ent⸗

sprechenden Weise zu gestalten, nach Moöglichkeit zu fördern und zu verallgemeinern.“

Abg. Dr. Rewoldt (freikons.): In der Kommission ist auch die Frage des Ausschlusses der Oeffentlichkeit berührt worden. Auf Einzelheiten, namentlich auf die Prozesse der letzten Zeit will ich nicht eingehen. Es e. aber darauf hingewiesen werden, daß die Erfahrungen der letzten Jahre mit dem ungenügenden Ausschluß der Oeffentlichkeit im Lande eine große Mißstimmung und Beunruhigung hervorgerufen haben, daß aus den Gerichtssälen durch Vermittlung der Presse Strömungen ins Land hineingetragen worden sind, welche geeignet waren, die Sittlichkeit weiter Kreise zu gefährden. Wir haben in unserer Rechtspflege das Rechtsgut der Oeffentlichkeit des Verfahrens, und dieses Rechtsgut soll und muß von den Ge⸗ richten gewahrt und gehütet werden. Ueber diesem Rechtsgut der Oeffentlichkeit steht aber das höhere Recht des Schutzes der Sittlichkeit, und die Gerichte sind nicht bloß berechtigt, sondern auch verpflichtet, als Hüter der Sittlichkeit die Oeffentlichkeit aus⸗ zuschlieen, wo eine Gefährdung der Sittlichkeit zu befürchten st. Man hat nun erlebt, daß zwar in manchen Fällen die Oeffentlichkeit ausgeschlossen worden ist, daß die Personen, die sich eingefunden hatten, veranlaßt wurden, den Saal z verlassen, daß aber die Presse zugelassen wurde. Damit wird b das Gegenteil von dem erreicht, was man erreichen will.

ejenigen Personen, die sich sonst bei dem Prozeß eingefunden haben, find meist nicht so gefährlich. Weit gefährlicher ist die Verbreitung von Berichten über die Vorgänge durch die Presse. Es kommen nun zwei Faktoren bei der Ausschließung der Oeffentlichkeit in Betracht. An erster Stelle entscheidet der Richter über den Aus⸗ schluß der Oeffentlichkeit; da möchte ich nun an unsere Richter

ganzen Lande die Mahnung richten, sowohl an die jüngsten wie an die erfahrensten, daß sie diesem Punkte die allergrößte Auf⸗ merksamkeit zuwenden möchten, daß sie sich davor hüten, etwa auch unbewußt irgendwie den Anschein zu erwecken, als ob die vielfach vor⸗ andene Sensationslust auch in den Kreisen der Richter nur irgendwie Anklang finden könnte. Auch der jüngste Assessor als Schöffengerichts⸗ vorsitzender muß sich sagen, daß er auf einem sehr ernsten Sessel sitzt, daß er alles vermeiden muß, was den Anschein erwecken könnte,

er einer Sensationslust nachgebe, die vielfach bei den Parteien und leider auch bei den Vertretern der Parteien hervortritt.

eben den Richtern sind die Staatsanwälte berufen, darüber zu

wachen, daß das allgemeine Interesse der Sittlichkeit überall da gewahrt werde, wo sie es für nötig halten. Sie haben das Recht, in jedem Stavium des Verfahrens einzugreifen und zu sagen: hier

der Moment gekommen, wo das öffentliche Interesse verlangt,

Privatklageverfahren ein Ende zu machen und in das öffentliche

Verfahren einzutreten. Das ist kein Eingriff in die Rechtspflege, fondern ein Recht, das unbestreitbar ist. Ich möchte bei der Ge⸗ legenheit aber auch an die Presse eine Mahnung richten. Es hat sich zu einem Skandal herausgewachsen, daß selbst die bessere Presse sich nicht glaubt der eingehendsten Berichterstattung entziehen ju können, wo im Privatklageverfahren geschlechtliche Dinge eingehend verhandelt werden. s hat großes Aergernis hervor⸗ gerufen, daß auch in der „Kölnischen Zeitung“über derartige Prozesse solche Dinge berichtet wurden, die nicht in ein anstaͤndiges Haus gehören. Es ist im höchsten Grade ge⸗ fährlich, wenn solche Dinge in die Hände von Kindern, An⸗ gestellten kommen und von unreifen Gemütern verschlungen werden. Die gute Presse sollte alles das, was in Sensationsblättern vor⸗ gebracht wird, ihrerseits nicht aufnehmen. Hinsichtlich des Entschuldungsplanes der ostpreußischen Landschaft hat der Justiz⸗ minister formelle Bedenken. Entschuldungsverfahren ist so wichtig, daß man es bedauern muß, wenn solche Pläne verhindert werden sollten. Der Minister möge uns über seine juristischen Be⸗ denken aufklären. So sehr man wünschen muß, daß dem Ent⸗ schuldungswesen die Wege geebnet werden, so darf doch die Liquidität, die Sicherheit und die Schätzung unserer Pfandbriefe in keiner Weise beschränkt werden. Wenn der ostpreußischen Landschaft Bedenken entgegentreten, die auch im Interesse anderer Landschaften nicht zu umgehen sind, so wird sie ⸗ihre Pläne in solche Wege zu leiten haben, daß Bedenken nicht mehr vorliegen. Die ostpreußische Landschaft muß nicht allein von ihren Interessen und von den Interessen der Entschuldung ausgehen, sondern auch auf die Interessen der Landschaften insgesamt Rücksicht nehmen. Nicht allein auf die Erhaltung des Realkredits ist Rücksicht zu nehmen, sondern auch auf die Rechte der Pfandbriefgläubiger. Darin sind wir wohl einig, daß die landschaftlichen Pfandbriefe eine allererste Sicherheit sind, die von manchen sogar höher bewertet wird, als selbst die der Staatspapiere; mindestens sind sie aber unseren Staatspapieren durchaus gleichwertig. Wir dürfen also hier nicht Schritte tun, die auch nur zweifelhaft sind. Die sfreesgibes⸗ Land⸗ schaft kann nicht über rechtliche Bedenken damit hinweggehen, daß sie sagt, das höhere staatliche Interesse zwinge sie, über zweifelhafte Privatansprüche hinwegzugehen. Wir dürfen die Pfandbrief⸗ inhaber, die der Landschaft unkündbar ihr Geld anvertraut haben, nicht in einen zweifelhaften Rechtszustand setzen. Es handelt sich hier um eine schwierige Frage, in der man zu einem harmonischen Resultat gelangen muß und hoffentlich auch gelangen wird. Be⸗ züglich der Handhabung unserer Rechtspflege hat der Oberbürger⸗ meister Adickes im Herrenhause vor zwei Jahren eine Art Warnungs⸗ signal aufgestellt, um die Regierung darauf aufmerksam zu machen, daß in unserer Rechtspflege nicht alles so ist, wie es sein könnte. Seine Ausführungen sind vielfach angefochten worden. Mir ist in dieser Frage beachtenswert, daß in England den Richtern juristische Hilfsarbeiter beigegeben sind, die aus dem Advokatenstand kommen, und zwar wird verlangt, daß diese Hilfsarbeiter bei den Friedens⸗ richtern, also in der ersten Instanz, sieben Jahre in der Advokatur gewefen sein müssen, während sie zur höheren Instanz schon nach fünf Jahren in der Advokatur zugezogen werden können. Danach hat also die englische Rechtspflege das Bedürfnis, grade in der unteren Instanz große Garantien zu schaffen. Das muß uns eine Mahnung sein,

Hunsere Amtsgerichte ebenfalls so zu besetzen, daß die Richter diese nicht

bloß als Darchgangsstationen ansehen, sondern daß wir ein besonders tüchtiges Material in der unteren Instanz haben. Das ist um so mehr erforderlich, wenn die Zuständigkeit der Amtsgerichte erweitert wird. In seinem Vortrage in Breslau hat der Oberlandesgerichts⸗ präsident Vierhaus eines der wichtigsten Gebiete der Rechtspflege, die Zivilrechtspflege, behandelt, und er kommt zu einem herben Urteil üͤber das Verfahren nach der Zivilprozeßordnung von 1879, indem er sagt, daß das formelle Recht siege. Ich möchte mir sein Urteil in dieser Schärfe nicht aneignen. Unsere Zivilprozeßordnung ist vielmehr ein ausgezeichnetes Werk, geeignet, unsere Rechtspflege gut zu erhalten, wenn wir uns nur entschließen können, einige Maßregeln zur Ver⸗ besserung des Verfahrens zu ergreifen. Im ganzen hat sich die Zivil⸗ prozeßordnung als ein nationales Werk bewährt. Als Mängel betrachte ich aber die Ueberbürdung der Richter und die ungenügende Ausbildung der Referendare. Durch eine Vermehrung der Richter⸗ stellen wird das vielbeklagte Hilfsrichtertum nicht beseitigt. Die Ueberbürdung der Richter liegt in der ganzen Art der Prozeß⸗ führung. Idealprinzip der Mündlichkeit des Verfahrens können wir aufrecht erhalten, auch wenn wir das Verfahren in einigen Punkten einer Revision unterziehen. In kleineren Staaten ist eine strikte Durchführung des Prinzips der Münd⸗ lichkeit wohl möglich, aber nicht unter unseren Verhältnissen. Da es eben unmöglich ist, das Prinzip vollkommen durchzuführen, so macht man es oft, wie man es eben kann, wie es aber das Reichs⸗ gericht offiziell nicht wissen darf, indem man mündlich nur noch das vorträgt, was gerade notwendig ist. Wir müssen die Mündlichkeit des Verfahrens im praktischen Sinne so ändern, daß nur der Kern des Tatbestands und die rechtlichen Punkte herausgeschält und münd⸗ lich vorgetragen werden, das andere aber den Akten überlassen wird. Dadurch ließe sich viel Zeit ersparen, die wieder nach anderer Rich⸗ tung der Rechtspflege zugute kommen könnte. Die Richter müssen heute bogenlang den Tatbestand schreiben und alles, was möglicherweise nur in Frage kommen könnte oder von den Parteien eventuell vorgebracht werden könnte, dabei berücksichtigen. Dem gesunden Menschen⸗ verstand liegt es näher, solche nebensächlichen Momente zu übergehen und sich damit zu begnügen, daß der Richter nur den status causae et controversiae aufnimmt. Heute muß der Richter schreiben, und wenn man fragt, was er schreibt, so sagt er: den Tatbestand. Daher kommt es auch, daß die Vorbereitung der Referendare ungenügend ist, weil gerade in den oberen Instanzen den Richtern die Zeit fehlt, sich darum zu kümmern. Der Tag hat eben nur eine bestimmte Anzahl von Stunden und der Richter nur ein gewisses Maß von Kräften. Früher lag den Referendaren ein Referat ob, das ist aber fast ver⸗ schwunden. Unter diesen Umständen fehlt es schließlich an der juristischen Durchdringung der Sache bei den Richtern und bei den Referendaren. Der Minister möge deshalb da ansetzen, wo wir an⸗ setzen können, um eine durchgreifende Entlastung der Rechtspflege und eine Verbesserung der Vorbereitung unserer jungen Juristen zu erzielen.

Abg. Strosser (kons.): Daß der Reichskanzler in seiner bekannten Rede die Vorlegung des Entwurfs eines neuen Reichsstrafgesetzbuches angekündigt hat, haben meine politischen Freunde mit Freude begrüßt; denn wir sind uns bewußt, daß das Reichsstrafgesetzbuch außer⸗ ordentlich verbesserungsfähig ist. Wenn der Vorredner über den Moltke⸗Harden⸗Prozeß nicht sprechen wollte und auch der Justiz⸗ minister in der Budgetkommission dies abgelehnt hat, da das Urteil noch keine Rechtskraft erhalten hat, so können wir doch nicht einsehen, warum wir nicht über die Erscheinungen sprechen sollen, die bei diesem Prozeß in so unangenehmer Weise zu Tage getreten sind. Gerade aus dem Moltke⸗Harden⸗Prozeß ergibt sich in erster Linie die Reform⸗ bedürftigkeit der strafrechtlichen Bestimmungen hinsichtlich unserer Beleidigungsprozesse. Nach Lage der heutigen Gesetzgebung muß der Beleidiger den Wahrheitsbeweis erbringen, um straffrei zu sein. Was aber ist ein Wahrheitsbeweis? Das Wort: Was ist Wahr⸗ heit? ist außerordentlich alt, und die Schwierigkeit seiner Beant⸗ wortung zeigt sich noch heute bei dieser Gelegenheit. Was hat in dem erwähnten Prozesse Herr Hirschfeld in der ersten Verhandlung für Wahrheit erklärt? Was hat das Gericht auf Grund dieses Gut⸗ achtens als Wahrheit angenommen? Vergleichen Sie das mit dem, was derselbe und andere Gutachter bei dem zweiten Verfahren gesagt haben, und wie das Gericht wieder zu einer entgegengesetzten Ansicht gekommen ist, so muß man sich fragen: was heißt schließlich noch ein Wahrheitsbeweis? Selbstverständlich können wir ihn aus der Gesetzgebung nicht ganz entfernen, aber seine Bedeutung ist nicht die⸗ jenige, die der Gesetzgeber ihm hat geben wollen. Dann hat der Reichskanzler gefagt, alle Prozesse der letzten Zeit zeigten deutlich, daß wir einen besseren Schutz des Privatlebens und der persönlichen Ehre haben müssen. Diese beiden Punkte sind so außerordentlich wichti 5 das deutsche Strafgesetzbuch nach dieser Richtung

d Aenderungen erfahren muß. Daß die persönliche I1u“

Ehre des einzelnen in höchst mangelhafter Weise heute Feschügt ist, manchmal sogar beinahe gar nicht, ist ein offenbarer Mangel. Es ist immer wieder auf die Notwendigkeit der Beseitigung des Duells hingewiesen worden; will man aber das Duell wirklich ver⸗ hindern oder ganz aus der Welt schaffen, dann muß man die Sühne für die verletzte Ehre ganz anders gestalten. Darum kann ich den Minister nur bitten, seinen Einfluß nach dieser Richtung eines neuen Strafgesetzbuches geltend zu machen. Dann hat sich aber auch aus den Verhandlungen des Moltke⸗Harden⸗Prozesses ergeben, daß der Schutz, den der Vorsitzende den Zeugen bezw. Klägern gegen unerhörte Angriffe von Verteidigern gewähren soll, in keiner Weise gesichert ist. Das ist nicht nur eine Erfahrung des letzten Prozesses; ich habe schon vor zwei Jahren auf denselben Umstand aufmerksam gemacht. Wohin es führen muß, wenn der Verteidiger vor Gericht das Recht hat, die persönliche Ehre eines Zeugen oder Klägers in der unerhörtesten Weise mit Schmutz iu bewerfen, dafür liefert uns der Moltke⸗Harden⸗Prozeß ein Material, wie es himmelschreiender nicht gedacht werden kann. Die Folgen derartiger Vorfälle sind für die Gerichte ganz außer⸗ ordenklich unangenehm; denn es ist keine Frage, daß die Angst, vor Gericht als Zeuge erscheinen zu müssen, in unserer Bevölkerung der⸗ maßen zugenommen hat, daß es für die Rechtspflege! zweifellos nicht ohne die ernstesten Bedenken ist. Was den Ausschluß der Oeffentlichkeit bei Gefährdung der Sittlichkeit betrifft, so ist die Art und Weise, das Publikum von der Oeffentlichkeit aus⸗ zuschließen und die Presse zuzulassen, das Gegenteil von dem, was wir wünschen müssen. Wenn die Presse aus⸗ geschlossen wäre, und das Publikum, das einmäal im Saal anwesend war, ruhig darin belassen wäre, so würde der Schade nicht den tausendsten Teil so groß gewesen sein. Es ist bedauernswert, daß der Staatsanwalt nicht die Sache früher in die Hand genommen hat; er wäre dazu sehr woyl in der Lage ge⸗ wesen. Ich verstehe, daß man nicht gern die Verhandlungen durch ein solches Eingreifen stört; wenn sich aber herausstellt, daß in vollster Oeffentlichkeit Dinge des ehelichen Lebens durch Zeugenaussagen an die Oeffentlichkeit gezerrt werden, die nur dazu dienen, Gift in die Bevölkerung hineinzubringen, dann war es Pflicht des Staatsanwalts, wenn er es überhaupt für richtig hielt, einzugreifen, dies früher zu tun, als es geschehen ist. Man weiß bei den vielen öffentlichen Gerichtsverhandlungen heute nicht mehr, wie man es anstellen soll, daß die Zeitungen nicht jungen Mädchen und Kindern in die Hände kommen, deren ganze Phantasie damit vergiftet werden kann. Es ist ganz falsch, wenn man sagt, die Kinder müssen schon frühzeitig über alle möglichen Dinge aufgeklärt werden; die größere Anzahl der Eltern wünschen ihre Kinder über den Schmutz, der dort behandelt wird, nicht aufgeklärt zu sehen. Deshalb wünschen auch meine politischen Freunde, daß der Justizminister auch seinerseits den Wunsch aus⸗ spricht, die Oeffentlichkeit überall da auszuschließen, wo die Sittlichkeit geschädigt werden kann. Ein weiterer Punkt ist die erschreckliche Zunahme der Roheitsverbrechen, und zwar gegen wehrlose Frauen und Kinder. Sie wissen alle, daß gerade hier in Berlin und Charlottenburg, aber auch in anderen Städten in den letzten Jahren geradezu entsetzliche Dinge passiert sind. Man sollte glauben, daß diese Scheußlichkeiten besonders gegen kleine Kinder eine schwere Krankheit unserer Zeit wären. Was das größere Unglück dabei ist, ist dies, daß die Kriminalpolizei fast niemals in der Lage gewesen ist, den Täter aufzufinden. bei Beratung des Etats des Ministeriums des Innern die Frage besprechen und meinem Bedauern Ausdruck geben, daß die Kriminal⸗ polizei nicht besser organisiert ist. Nun müssen wir fragen: reichen

die Strafen bei dem jetzigen Strafsyftem für solche scheußlichen Taten

noch aus? Man sagt immer, es sollten nicht Abschreckungsstrafen festgesetzt werden, und die Wirkung der Abschreckung wird überhaupt von vielen geleugnet. Ich stehe auf diesem Standpunkt nicht und glaube deshalb, daß wir es uns überlegen müssen, ob für solche Scheusale in Menschengestalt nicht noch andere Strafen am Platze sind. Nach dieser Richtung müßte tatsächlich in dem neuen Strafgesetzbuch Wandel geschaffen werden. Ich scheue mich gar nicht, es auszusprechen, daß einmal geprüft werden müßte, ob nicht körperliche Strafen für diese Menschen am Platze wären, die für andere Strafen unempfindlich sind. Wenn man dies Thema berührt, kann man, wie ich weiß, einen mittelalterlichen, zurückgebliebenen Menschen gehalten werden Aber ich möchte daran erinnern, daß neuerdings verschiedene Staaten bei besonders scheußlichen Verbrechen in ihrer Gesetzgebung auf die körperliche Züchtigung zurückgegriffen haben. Es ist auch eine bekannte Tatsache, daß gerade die allergrausamsten Menschen, die sich selbst nicht scheuen, die größten Niederträchtigkeiten zu verüben, daß diese Teufel in Menschengestalt am allerempfindlichsten sind, wenn sie selbst Schmerz aushalten sollen. Jeder Arzt, der solche Leute behandelt, wird mir diese Behauptung bestätigen können. Ich führe nur an, daß, als der berüchtigte Nobiling damals auf unseren verstorbenen Heldenkaiser geschossen hatte, er ganz außerordentlich empfindlich war nach dem Selbstmordversuch, den er gemacht hatte, bezüglich der Art und Weise, wie er angefaßt werden sollte, 8. er laut jammerte, und die Leute, die ihn wegbringen wollten, ermahnte, ihn doch nicht so roh anzu⸗ fassen. Selbst können diese Leute wenig Schmerz vertragen, dennoch sind sie es gerade, die vor nichts zurückscheuen und die größten Scheuß⸗ lichkeiten begehen. Gerade im Interesse der Humanität und zum Schutze der wehrlosen Frauen und Kinder wünsche ich dieser Bestien wegen die Einführung der körperlichen Strafen. Um jeder miß⸗ bräuchlichen Anwendung vorzubeugen, um sicher zu sein, daß die Strafe auch im Einklang mit dem öffentlichen Rechtsbewußt⸗ sein steht, könnte auch bestimmt werden, daß ein jedes solches Urteil durch den Strafsenat des Oberlandesgerichts bestätigt werden müßte. Eine weitere, der öffentlichen Erörterung bedürftige Frage ist die der Vereidigung von Zeugen in Bagatellsachen. Immer wieder erleben wir, daß bei den alleruntergeordnetsten Prozessen eine ganze Anzahl von Menschen im gerichtlichen Verfahren vereidigt werden muß, und die Befürchtung erhält neue Nahrung, daß dadurch⸗ der Eid in der öffentlichen Meinung herabgesetzt wird, und die Meineidsverbrechen zunehmen. Mir liegt ein Bericht von einer Gerichtsverhandlung über eine Beleidigungsklage vor, die ihren . e, in einem Dorfe im Kreise Neustadt am Rübenberge hatte. Dort waren zwei Einwohner einander begegnet und hatten sich mit dem Vornamen und mit „du“ be⸗ grüßt. Nachher fanden beide in der Anrede eine Beleidigung und gingen vor Gericht. Es sind nicht weniger als sieben Zeugen darüber ver⸗ nommen worden, was Brauch sei; und durch die sieben Zeugen, welche mit scheuer Vorsicht und Umständlichkeit eidlich ihre Aussagen machten, wurde einwandsfrei festgestellt, daß in dem Dorfe, wie in den anderen jener Gegend, sich fast alle Einwohner mit „du“ und mit dem Vornamen anredeten. Ist der Eid dazu da, in solchen Bagatellen überhaupt angewendet zu werden? In einem anderen Falle war eine Kuh in einen Nachbargarten gegangen; 10 Zeugen mußten eidlich darüber aussagen, ob es diese Kuh war. Der Eid sollte wirk⸗ lich für wichtigere Dinge reserviert werden. Ferner möchte ich den Minister bitten, dafür zu sorgen, daß in dem revidierten Strafgesetz⸗ buch der Anschauung keine Konzessionen gemacht werden, daß der Ver⸗ brecher für seine Tat weniger verantworklich ist, wenn er krankhaft veranlagt ist. Es ist eine krankhafte Neigung unserer Zeit, in jedem Ver⸗ brecher einen krankhaft Veranlagten zu sehen. Wir müssen doch wün⸗ schen, die Menschheit gegen Verbrecher zu schützen; das kann nicht ge⸗ schehen, wenn die weiter mit solchen Augen angesehen werden. Voriges Jahr habe ich mich über die Pspchiater ausführlich aus⸗ gesprochen. Ich habe damals eine ganze Anzahl Briefe bekommen,

die mir vorwarfen, ich hätte meine Behauptung beweislos hingestellt.

Ich hatte gesagt, die Psvpchiater gäben Gutachten ab über Leute, die sie niemals gesehen hätten. Ich hatte meine vorjährigen Mitteilungen auf Grund von Notizen gemacht, die ich mir aus Zeitungen angelegt hatte; diesmal bin ich vorsichtiger gewesen und habe mi

vom 27. Juli 1907 hier in Berlin die scheußlichen Un⸗ Unhold drei kleine Kinder schwer

„Berliner Lokal⸗Anzeigers“ Am 26. Juli waren taten geschehen, daß ein v1X““ 11“

Ich werde

leicht für

mir zum Be⸗ weise dessen, wie die Psvchiater manchmal vorgehen, die Nummer des mitgebracht.

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