schon jetzt die stille Absicht hat, 1911, mit einer neuen Novelle zu kommen. Es werden bis 1911 5 Linienschiffersatzbauten mehr ein⸗ gestellt als das Flottengesetz von 1900 vorsieht. Darüber hinaus verlangt Graf Oriola noch die Ersatzbaupflichtigkeit der Schiffe des Kaisertyps und der Wittelsbach⸗Klasse, wodurch die Zahl der Ersatzbauten noch höher emporschnellen würde. Diese Herren fordern also mehr als die Regierung; und das Frappierende war, daß der Sttaatssekretär erklärte, er sei bereit, darauf einzugehen, wenn sich im Haufe eine Mehrheit dafür fände. Wie kam der Marinestaatssekretär dazu, eine solche Erklärung ab⸗ zugeben? Weil er offenbar sehr genau weiß, daß an der ent⸗ scheidenden Stelle die Absicht besteht, die deutsche Flotte noch über diese Vorlage hinaus bedeutend zu verstärken. Bisher war es im Reichstage Sitte, wenn mehr Ausgaben verlangt wurden, zunächst die Einnahmen zu suchen, wodurch die Deckung zu bewerkstelligen war; hier ist man bereit, ohne Deckung noch mehr Ausgaben weit über das von der Regierung Geforderte hinaus zu bewilligen, während doch der Reichsetat sich in einer geradezu desperaten Lage be⸗ findet! Hier liegt ein Teil der Schuld an dem Flottenverein. Es ist ganz gleichgültig, ob der General von Keim bleibt oder geht; die Dinge werden so oder so ihren Gang gehen; auch ohne einen Flotten⸗ verein werden die Stimmen für die Vergrößerung der Flotte bestehen bleiben. Seit die deutschen Fürsten Protektoren des Flottenvereins geworden sind, ist ja allerdings die Aussicht für die Agitatoren ge⸗ wachsen, Lohn für ihre Arbeit in einer kleinen Dekoration des Knopf⸗ loches zu erhalten. Aus diesem Grunde ist man auch durchaus nicht geneigt, die Fürsten aus dem Protektorat hinauszudrängen oder hinaus⸗ drängen zu lassen. Keim war nur Oberst, als er in den Flotten⸗ verein eintrat; erst nach einiger Zeit der Tätigkeit in demselben wurde er Generalmajor. Eins der ressantesten Kapitel der innerpolitischen und der p Entwicklung ist die 1895 — 1908 bezüg Was in diesem Umfall, an Ve politischen Grundsätze Sei den ist, geht geradezu ins Aschgraue. Der Fürst Bülow hat ja bereits im vorigen Jahre bei Beratung der Interpellation über die Wahlbeeinflussungen dem Flottenverein sein ausdrückliches Lob ausgesprochen und hat ihn in Schutz genommen. Wie man jetzt noch bestreiten kann, daß der Flottenverein ein politischer Verein ist, begreife ich nicht. Nach der Rede, die der Kaiser in London in der Guildhall gehalten hat, ist der Auffassung des Vorredners hinsichtlich unseres Verhältnisses zu England eine gewisse Berechtigung zuzuschreiben; denn bei dieser Gelegenheit hat der Kaiser ausgeführt, die Garantie für den Weltfrieden sei die Aufrechterhaltung der guten Beziehungen zwischen England und Deutschland. Es ist kein Zweifel, daß diese Erklärung in England einen außerordentlich günstigen Eindruck gemacht hat, und sogar die „Times“, die an Mißtrauen und her ee Feindselig⸗ Deutschland nichts zu wünschen übrig läßt, brachte Besprechung dieser Rede. Aber zwei heutige Flottenvorlage bekannt, und mit inem Schlage änderte sich die Stimmung in England. Die bemerkenswerteste Kundgebung war die Aeußerung des bekannten Friedensapostels Stead, der am meisten die Friedensidee propagiert hat. Er war ganz außer sich und sagte, daß nunmehr an Abrüstung nicht gedacht werden könnte. Bei jeder Flottenvorlage ist stets England und kein anderer Staat in Betracht gezogen. England wird alles aufbieten, die Uebermacht auf See sich auch ferner zu erhalten. Es kann aber auch sehr wohl der Moment kommen, wo man sich sagt, wir wollen die Dinge nicht laufen lassen, wo man denkt, wie Japan im Jahre 1904: Wenn du jetzt nicht losschlägst, so bist du perloren. Was wir heute als das Steuerprogramm. des Reichsschatz⸗ sekretärs gehört haben, war Flickwerk. Immer sind es dieselben Klassen, die belastet werden, die große Masse der Nation, während die oberen Klassen immerfort nach neuen Rüstungen drängen. Die Statistik zeigt, wie die Einkommen über 3000 ℳ fortgesetzt steigen, aber wenn es sich darum handelt, die Einkommensteuer für diese Einkommen auch nur um ein einziges Prozent zu er⸗ höhen, dann schreien Sie Zeter und Mordio. tellen Sie (iu den Nationalliberalen) doch dem Steuerprogramm des Staats⸗ sekretärs eine Einkommensteuervorlage gegenüber, wir werden dafür stimmen. Wenn Sie das tun, dann wird Ihr Patriotismus bei uns in einem anderen Lichte erscheinen. Bisher hat Ihr Patriotismus auf uns den Eindruck gemocht, als handele es sich dabei um die Förderung einseitiger Klasseninteressen.
Staatssekretär des Reichsmarineamts, Admiralvon Tirpitz:
Meine Herren! Der Herr Abg. Bebel hat ein Durch⸗ schnittsalter unserer Kriegsschiffe mitgeteilt und ausgerechnet, daß unsere Schiffe das kürzeste Durchschnittsalter von allen Nationen haben. Meine Herren, daß die Schiffe unserer aktiven Flotte eine solche kurze Lebenszeit haben, kommt einfach daher, daß wir mit dem Bau von größeren Linienschiffen überhaupt erst vor 6 bis 7 Jahren angefangen haben (Heiterkeit), und wenn der Herr Abg. Bebel darüber klagt, daß so viele Ersatzbauten in den nächsten Jahren an die Reihe kommen, so sind das alles Schiffe, die er in seiner Be⸗ rechnung ausgelassen hat. Nimmt er sie mit herein, so kommen ganz andere Zahlen heraus.
Ferner ist — auch von Antwort bemängelt worden, die ich in der Budgetkommission auf die Frage gegeben habe: „Was sind die Intentionen der verbündeten Re⸗ gierungen nach vier Jahren? Wäre es nicht zweckmäßig, daß wir den früheren Ersatz auch der Kaiserschiffe und der Wittelsbach⸗Schiffe sofort festsetzten?“ Ich möchte die Mitglieder des hohen Hauses fragen, wenn dem Staatssekretär des Reichsmarineamts oder dem Herrn Kriegsminister mehr angeboten wird, als die verbündeten Re⸗ gierungen gefordert haben, — was soll er dann anderes antworten? (Heiterkeit.) Ich habe übrigens nicht das gesagt, was der Herr Abg. Bebel vorgetragen hat, sondern: wenn Sie eine Mehrheit für Ihren Antrag im Reichstage schaffen, so will ich denselben von meinem militärischen Standpunkt aus beim Bundesrat gern be⸗ fürworten. Das ist doch noch etwas anderes, und damit fallen auch alle die Folgerungen weg, die der Herr Abg. Bebel an meine Antwort geknüpft hat.
Hauptsächlich habe ich mich aber zum Worte gemeldet, um der Behauptung des Herrn Abg. Bebel, daß unsere Flottenvorlage Un⸗ ruhe in England erweckt habe und habe erwecken müssen, auf das nachorücklichste entgegenzutreten. Ich habe bereits in der Budget⸗ kommission einige Hauptstimmen der englischen Presse angeführt und will dieselben mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten hier wiederholen. So sagt der Morning Leader vom 26. November:
„Bis jetzt war die offizielle Lebensdauer eines deutschen Linien⸗ schiffes 25, die eines Kreuzers 20 Jahre. Diese Fixierung der Lebensdauer war nachweisbar ein Irrtum. Es gibt kein Linien⸗ schiff von 20 Jahren, das nicht auf den Haufen alten Eisens ge⸗ hört. Ein Kreuzer desselben Alters ist ein schlechter Witz. Die einschlägige deutsche Bestimmung ist also eine sehr milde Maß⸗ regel; sie läßt in der nominellen Gefechtsstärke der deutschen Schiffe noch manche, die in unserer Marine nicht einmal des Aus⸗ xüstens für wert gehalten würden.“
Der Engineering, das erste englische Fachblatt, sagt mit Bezug auf die Bemnerkung der Denkschrift über das Lebensalter:
„Bezüglich des Lebensalters sei darauf hingewiesen, daß im eng⸗ lischen Flottendienst kaum noch ein Schiff vorhanden ist,
freundliche Tage darauf wurde die
8
dem Herrn Abg. Dr. Wiemer — meine
das älter Kosten
ist als 20 Jahre. Deutschland schließt sich also jetzt der englischen Marinepolitik an und rangiert die veralteten Schiffe früher aus als bisher.“
Den Ausspruch der Army and Navy Gazette hat Herr Freiherr von Richthofen vorher schon angeführt. Sie sagt, daß Deutschland mit diesem Schritt erst in Reih und Glied mit anderen Mächten tritt. Das sind nur einige Preßstimmen, die gegenüber unserer Flotten⸗ vorlage in England veröffentlicht worden sind.
Meine Herren, es ist mir auch vollkommen unverständlich, wie diese Flottenvorlage Veranlassung zu einer Unruhe in England geben kann. Wir haben ja 1900 bereits gesagt, was wir für eine Flotte haben wollen, und in der jetzigen Flottenvorlage wird ja gar keine Vermehrung derjenigen Flotte gefordert, die wir bereits im Jahre 1900 verlangt haben, sondern es wird, wie ich auch in der ersten Plenarsitzung ausgeführt habe, nur ein Fehler der Berechnungsweise herauskorrigiert (Heiterkeit bei den Sozialdemokraten); weiter geschieht nichts. Also es ist mir unverständlich, wie das Unruhe erzeugen kann.
Meine Herren, wir bauen unsere Flotte gegen njemand. Wir haben auch gar keine Veranlassung, gegen irgend jemand, gegen einen bestimmten Staat eine Flotte zu bauen. Wir stehen durchaus auf dem Standpunkt, den auch der Marinereferent der französischen De⸗ putiertenkammer in dieser Frage eingenommen hat, wie ich mir bereits erlaubte, in der Budgetkommission mitzuteilen. Der Herr sagte in bezug auf die Flottenvorlage der französischen Regierung, die nämlich auf einmal sechs große Linienschiffe aufzulegen beabsichtigt:
„Die Beziehungen der Nationen zu einander sind zu wandelbar, als daß man eine Flotte nur gegen einen bestimmten Feind bauen könnte. Die Freunde von heute können morgen unsere Gegner sein.“
Meine Herren, was tun denn alle übrigen Staaten? Alle Staaten schaffen sich eine ihren Verhältnissen angemessene Seemacht an, und weiter tun wir auch nichts. Und was speziell England anbetrifft, so muß ich sagen — ich bin ja in der Welt ziem⸗ lich berumgekommen —, ich wüßte auf dem ganzen Erdenrund keinen Interessenkonflikt zwischen England und uns, der es auch nur im ent⸗ ferntesten rechtfertigen könnte, daß er durch einen Appell an die Waffen gelöst würde. (Sehr richtig!) Ich wenigstens kann mir das nicht vorstellen.
Meine Herren, was nun die Idee anbetrifft, daß wir mit Eng⸗ land konkurrieren wollten, daß wir England gegenüber eine Seemacht schaffen wollten, die ihm die Seeherrschaft streitig machen könnte, so sind das Phantasiegebilde (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten), Phantastegebilde, gegen die man mit Gründen sehr schwer wird aufkommen können. Meine Herren, man braucht nur die absoluten Stärkeverhältnisse der beiden Flotten in Betracht zu ziehen. England ist tatsächlich mehr als dreimal so stark wie wir, und England ist auch tatsächlich in der Lage, sehr viel schneller zu bauen wie wir. England hat viel mehr Werften. England hat 3 oder 4 große Kanonenfirmen, wir nur eine. England ist tatsächlich der Weltlieferant für Kriegsschiffe. Noch neulich habe ich in den Zeitungen gelesen, daß 3 in England in Bau befindliche, ursprünglich für die brasilianische Regierung bestimmte „Dreadnoughts“ zum Verkauf angeboten werden. Ich weiß nicht, ob die Nachricht an sich richtig ist. Es kommt nur darauf an, daß hier für einen fremden Staat wie Brasilien auf ein Mal drei „Dreadnoughts“ gebaut werden. Also, meine Herren, England ist in der Lage, uns in jeder Beziehung vorbeizulaufen. Also, wie ist es nur möglich, daß man aus unserem Vorgehen, das von langer Hand vorbereitet ist, das gar keine akute Bedeutung hat, auch keine haben kann und soll, da zur Schaffung einer Flotte bekanntlich eine Generation gehört, auf eine Provokation Englands schließen kann? So habe ich wenigstens den Herrn Abg. Bebel verstanden. Das ist mir ganz unbegreiflich. (Sehr richtig! rechts.)
Meine Herren, ist denn unsere Armee eine Provokation, reizt unsere Armee denn zum Kriege? Ich glaube, wenn der Herr Abg. Bebel sich diese Frage vorlegt, dann wird er sie gewiß verneinen. Er würde, wenn er es nicht täte, allein stehen mit seiner Ansicht. Ich wundere mich eigentlich, daß nach den Verhandlungen in der Budgetkommission der Herr Abg. Bebel gerade diese Seite der Frage hier entrollt hat. Ich hatte mich der Illusion hin⸗ gegeben, daß meine Darlegungen in der Budgetkommission, die ja freier sein können als hier vor dem hohen Hause im Plenum, den Herrn Abg. Bebel zu überzeugen imstande gewesen wären (Zurufe rechts und bei den Nationalliberalen), daß wir tatsächlich nur eine Flotte bauen, die uns, wie der Herr Abg. Freiherr von Richthofen aus⸗ geführt hat, lediglich den Frieden sichern soll.
Meine Herren, ich glaube, im Interesse unseres Vaterlandes — das ist doch auch das Vaterland des Herrn Abg. Bebel und seiner Genossen — ist es nicht zweckmäßig, in dieser Weise mit dem Feuer zu spielen. (Sehr wahr! rechts.) Denn ich glaube, es wird immer hüben und drüben Leute geben, die nicht ein so volles eingehendes Verständnis haben, und bei denen es eine unnötige und recht schäd⸗ liche Unruhe erzeugt (Sehr richtig! rechts und bei den National⸗ liberalen), und das zu vermeiden, haben wir meines Erachtens alle Ursache. (Lebhafter Beifall rechts und bei den Nationalliberalen.)
Abg. Dr. Arendt (Rp.): Bei Beginn der Rede des Abg. Bebel glaubte ich, es geschehen Zeichen und Wunder, er würde eine Rede für die Vorlage halten. Der Schluß seiner Rede hat mich ja enttäuscht; aber zu Anfang erging er sich doch in einer leb⸗ haften Verteidigung der Regierung, die immer das Richtige und in richtigem Maße fordert. Eine Anzahl der Behauptungen des Abg. Bebel hat der Staatssekretär bereits als unrichtig nachgewiesen. Es wird dem Staatssekretär auch bezeugt werden müssen, daß er in seinem soldatischen Wesen ausführte, er würde denen, die mehr fordern, seine militärische Unterstützung angedeihen lassen, wenn sie im Reichstage eine Mehrheit stellten. Wenn der Abg. Bebel von den ungeheuerlichen Wahlbeeinflussungen bei den letzten Reichstagswahlen sprach, so liegt darin eine schwere Beleidigung der deutschen Wählerschaft, denn wir haben doch das Feheme Wahlrecht. Kein Mensch in Deutschland, hat der Abg. von Richthofen ausgeführt, beabsichtigt, der englischen Flotte nach⸗ oder gleichzukommen. Wenn schon Stead solche Anschauung hat, wie sie der Abg. Bebel zitierte, dann müssen wir uns doch zeitig in Deutschland so stellen, daß wir gegen alle aggressiven Pläne gesichert sind. Glaubt der Abg. Bebel, Worte wie diejenigen „jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo wir über Deutschland berfallen müssen“ werden in England nicht gehört? Es ist außerordentlich bedauerlich, hier von dieser verantwort⸗ lichen Stelle aus so mit dem Feuer zu spielen. Was Frank⸗ reich betrifft, so bin ich immer ein Freund der Versöhnung und des Wiederfindens mit diesem Volke gewesen, aber nach den letzten Aeußerungen in der französischen Deputiertenkammer haben wir doch alle Veranlassung, mit größter Aufmerksamkeit nach der deutschen Westgrenze zu blicken. Die Deckungsfrage hat der Abg. Bebel auch nicht so behandelt, wie es der Sache entspricht. Die
der letzten Flottenvermehrung sind ausschließlich von
8
den wohlhabenden Klassen das wieder so sein wird; aber alles aus dem großen Geldbeutel der Reichen zu nehmen, ist eine Unmöglichkeit, der Beutel möchte schließlich leer werden. Ueber die Ergebnisse der preußischen Einkommensteuer 1907 hat der Abg. Bebel ganz eigentümliche Angaben gemacht. Das Erfreulichste an diesen Zahlen ist, daß gerade die kleinen Einkommen von 900 bis 3000 ℳ am allerstärksten ge⸗ stiegen sind, nicht diejenigen über 3000 ℳ Ueber die Aufbringung der Mittel für diese Vorlage heute zu sprechen, halte ich für ver⸗ früht. Vorlagen, bei denen die nationale Wehrhaftigkeit in Frage steht, müssen trotz aller finanziellen Bedenken erledigt werden, darin unterscheide ich mich auch von dem Kollegen Svahn. Wenn die Landesverteidigung in Betracht kommt, könnte ein Versäumnis zu den verhängnisvollsten Folgen führen. Hierin unterscheidet sich ja die jetzige Situation des Reichstags von den früheren, da könnte Abg. Spahn ein Machtwort sprechen. Ich bitte den verehrten Kollegen zu erwägen, ob nicht vielleicht auch gerade diese Erörterungen hier im Reichstage mit einer der Momente waren, die in der Volksentwicklung zu den vorjährigen Wahlen geführt haben. Der öffentliche Ausdruck der Stimmung in den Wahlen ging sicherlich auch dahin, daß in nationalen Fragen unbedingt eine Mehrheit vor⸗ handen sein müsse. Ich freue mich aber, annehmen zu können, daß
auch der Abg. Spahn mit seinen Freunden der Vorlage zustimmen wird,
als die Vorlage um so
und ich freue mich darüber um so mehr, je stärker die Mehrheit
Band des Friedens sein wird, für sie ist. Ebenso wie die Ausgaben für das Heer produktive Ausgaben im besten Sinne des Wortes gewesen sind, weil sie den Frieden erhalten haben, ebenso ist es jetzt mit den Ausgaben für die Flotte. Bliebe Deutschland in bezug auf die Flotten⸗ ausrüstung eine quantité négligeable, dann könnte das den eng⸗ lischen Jingos vielleicht wirklich zu gute kommen, die auf den günstigen Zeitpunkt warten, über Deutschland herzufallen. Für die Zeit nach 1911 hat sich auch der Abg. Wiemer für seine Freunde freie Hand vorbehalten; ich begrüße das. Ich meine auch, es wird schon rechtzeitig eine neue Vorlage kommen und rechtzeitig auch für die Zeit nach 1911 das Notwendige für unsere Flotte bewilligt werden.
In der ganzen Rede des Abg. Bebel habe ich jedes Argument gegen
die jetzige Vorlage vollkommen vermißt. Haben wir einmal die lotte, so müssen wir sie auch vollkommen auf der Höhe der Zeit alten. Das erkennt sogar der Abg. Bebel an; aber als grund⸗ sätzliche Gegner der Flotte müssen die Herren auch jede Verbesserung ablehnen. Sonderbarerweise denken die Sozial⸗ demokraten aber nicht so, wenn es sich Auslandsflotten handelt; so ließ sich der „Vorwärts“ 1904 über die russische Port⸗ Arthur⸗Flotte dahin aus, daß Flottenpolitik großbürgerliche Politik sei, weshalb auch die unker gegen die „gräßliche Flotte seien Der entgegengesetzte Standpunkt, den der Abg. Bebel beute vertrat macht sich namentlich für den Vertreter Hamburgs sehr charakteristisch Wir werden der Vorlage gern zustimmen, wie wir immer die die Verstärkkung der deutschen Flotte n getragen haben; wir sind auch bereit, bei den Steuervorlagen die Konsequenzen zu ziehen. Ueber diese Vorlagen zu sprechen, halten wir noch nicht an der Zeit, da wir sie noch nicht kennen. Daß die verbündeten Regierungen eine Steuervorlage brächten, die den Beifall des Abg. Bebel findet, ist unwahrscheinlicher als den Stein der Weisen zu finden. Graf Oriola hat den Standpunkt der Flottenfreunde sehr maßvoll vorgetragen; es ergibt sich daraus, daß zwischen den Anschauungen meiner politischen Freunde und der seinigen über die Flotte kein Unterschied besteht. Niemand hat bei Erlaß des Flottengesetzes daran gedacht, die Siegfried⸗Klasse unter die eigentlichen Schlachtschiffe einzurechnen; aber es brachte uns das im Reichstage den taktischen Vorteil, daß wir dann früher Ersatz⸗ bauten einstellen konnten. Auch den Wunsch können wir nur von Herzen teilen, daß auch für die Kaiser⸗Klasse so schnell als möglich Er⸗ satz geschaffen wird; aber auch andere Flotten haben gleich veraltetes Material. In Amerika sind 28 Schäffebanten durch den Etat auf Stapel gelassen, das ist gar nicht erheblich mehr, als der jetzige Etat für Deutschland vorschlägt. Wir erhalten also durch den gegenwärtigen Etat eine ganz außerordentli Stärkung der Flotte, und der Staats⸗ sekretär verdient dafür alle Anerkennung, daß er unter den jetzigen schwierigen Verhältnissen einen solchen Etat e in der Lage war. Und diese Anerkennung muß auch auf den Staats schatzamtes ausgedehnt werden. Zu den Auseinandersetzungen über den Flottenverein möchte ich nur bemerken, daß man solchen Verein nicht für jeden Vereinsredner und für jeden Hitas sesrene verant⸗ wortlich machen kann. Daß er außerordentlich nü⸗ lich für die Auf⸗ klärung über die Flottenfrage gewirkt hat, geben auch wir bereitwillig zu, wir wünschen dringend, daß die Einigkeit wiederhergestellt wird, und der Verein seine fruchtbringende Tätigkeit auch in Zukunft un⸗ geschwächt fortsetzen möge. Die Resolution müssen wir annehmen, wenn sie auch die Ursache einer weiteren schweren Belastung des Reichsetats wird, die Finanzen können uns nicht maßgebend sein in einer Frage, wo es sich um Lebensinteressen der deutschen Nation handelt. 88 bitte, für die Flottenvorlage einzutreten. Abg. Mommsen (fr. Vgg.): Die Frage der Lebensdauer ist auch für uns eine technische und die Annahme der Vorlage eine Konsequenz der technischen Entwicklung. Es gibt nicht bloß in Eng⸗ land Chauvinisten, sondern auch in Deutschland, und uns haben Beratung dieser Vorlage die deutschen Chauvinisten recht sehr geschadet. Darum begrüße die Entwicklung im Flotten⸗ verein insofern, als dort der Chauvinismus eine Art Bankrott ge⸗ macht hat. Der Flottenverein geht uns hier im FSa aber überhaupt nichts an, und wir haben uns durch ihn nicht eeinflussen zu Lassen. Eine Opferwilligkeit, die der Abg. Arendt den Staatssekretären nach⸗ gerühmt hat, kann ich bei dieser Vorlage nicht erkennen. Wenn man ihnen auch nicht zumuten kann, daß sie die Kosten aus eigener Tasche bezahlen, so hätten sie doch wenigstens Pläne für die Deckung vor⸗ legen sollen, so aber kann man noch weniger von einer Opfer⸗ willigkeit reden. Die Armee⸗ und Flottenfragen sind immer mehr zu technischen Fragen geworden, und die politische Seite wird immer mehr ausgeschaltet. Deshalb ist es ganz 24 zu sagen, wenn wir die technische Notwendigkeit einer sol orlage ein⸗ sehen, so stimmen wir ihr zu, und der Abg. Arendt at keinen Grund, der Linken in diesem Punkte eine Inkonsequenz vorzuwerfen. Wenn ich höre, daß die Vorlage noch nicht weit genug geht, so muß ich dabei immer an das schöne Wort denken: der Appetit kommt beim Essen. Ueber diese Vorlage hinaus findet sich im Reichstag zweifellos keine Mehrheit, und wenn wir sie annehmen, so binden wir uns keineswegs damit, daß wir nun au den künftigen Steuerprojekt der Regierung, die sie uns möglicherweise bringt, unsere Zustimmung geben. Der Zeitpunkt für eine Reichseinkommensteuer ist näher, als man aubt. und namenllich durch unwirtschaftliche Steuerprojekte wird ihre Einführung noch näher gerückt werden. Wir stimmen der Flottennovelle zu, aber nur unter den erwähnten Vorbehalten. Abg. Liebermann von Sonnenberg (wirtsch. Vag.): Dem Vorredner möchte ich bemerken, daß es allerdings außerordentlich in wünscht wäre, wenn wir in allen nationalen stece eine Einigkei hätten, wir haben aber läider in der Kommission in einer Frage bereits eine Absplitterung vom Block erlebt. Der Referent und noch mehr der Abg. Graf Oriola haben bereits alles Notwendige so 8 schöpfend 228 daß ich mich auf sehr kurze Ausführungen 5 schränken kann. Wir stimmen der Flottennovelle und dementsprecheg⸗ dem Marineetat zu, wie er sich in der Kommission gestaltet hat. 8 ist sehr erfreulich, daß in allen Hauptsachen in der Kommission g, 8 Einigkeit erzielt worden ist bei allen Parteien die 8. und üen ständnis für die Flotte haben, d. h. bei alle bürgerlichen Parteien.
8 9
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
getragen worden, und ich wünsche, daß
notwendigen Opfer gern
ekretär des Reichs⸗
zum Deutschen Rei
½ 26.
Zweite Beilage
Berlin, Donnerstag, den 30. Januar
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Die Vorlage enthält lediglich das Notwendige. Die Finanzierung vorweg zu nehmen, halte
.
wir wünschen eine gründliche Finanzreform womõö sollte sie sich aber bedauerlicherweise verzögern, ünd darf darunter die Ausgestaltung unserer Seemachtstellung unter Es stebt für uns außer allem 3
Jahre,
keinen Umständen leiden. daß durch die Novelle zur See
die
3 einen tüchtigen Schritt schlüge der Budgetkommission halte ich aber dessen, was bei der gegenwär
ist eben die Kunst des Erreichbar
nationalliberalen wünschen ist es nun von Wert,
nationalliberalen Partei mit
ausgesprochen haben, daß das Höchsterreichbare ist.
sche Stimmen gebettelt. greifen. sich in richtigen Bahnen erein und stellt ihn Protektion verdankt der V notwendigen Konsequenzen m Flottenverein ürsten. Narineministerium in die je finanzielle Tragweite önnen, und daß das
selbst verbietet. ache gute Dienste leisten.
as Verständnis für die Bedeutung einer starke ach Maßgabe unserer Leistungsfähigkeit immer mehr wachsen möge. Zur Marineverwaltung haben wir unbegrenztes Vertrauen; sie weiß Maß zu halten und läßt nichts außer Auge,
dienen kann.
Uneinigk
das
bewegt.
zie eit
ihrer . 1 Ministerium vielfach kann. ohne die Verhältnisse des Auslandes Eine Reorganisation des
Ich
“
Entwicklung unserer
vorwärts macht.
aller
an dieser
ich hätte um
viel besser, als unter
herrscht,
Vorschläge nicht
nicht
hoffe und wünsche, da
Damit schließt die Diskussion.
Die Flottenvorlage wird gegen die demokraten und Polen angenommen;
Kommission vorgeschlagene Resolution.
Hierauf
8
wird Vertagung beschlossen. 8 Schluß gegen 6 Uhr. Nächste Sitzung 3 (Marineetat; Etat der Justizverwaltung.)
3. Sitzung vom 29. Januar 1908, 3 Uhr. b (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureaul)
Der Eeste Vizepräsident Freiherr von Manteuffel er⸗ öffnet die Sitzung mit folgendem Nachruf: Wir stehen heute unter dem Eindruck tiefster Trauer in die wir
alle durch das vor wenigen Tagen erfolgte Ableben unseres hochverehrten
Herrn Präsidenten, des Fürsten zu Inn⸗ und Knyphausen, versetzt sind. Ich habe den tiefgebeugten Hinterbliebenen namens des Herrenhauses meine aufrichtigste Teilnahme ausgesprochen und einen Kranz am
Grabe des Entschlafenen,
hiermit Ihrem Wunsche gemäß ürst das Präsidium dieses hohen Hauses geführt, eine ver⸗ und doch hat sich
hat der hältnismäßig kurze Zeit,
selbst tief bewegt, niedergelegt. Ich hoffe, gehandelt zu haben.
Genau 4 Jahre
der Verewigte die all⸗
seitige Verehrung und Anerkennung, ja die Liebe aller Mitglieder
erworben, und
sonders begnadet gewesen
Im Sinne des Heimgegangenen
wer das
sein,
wollte ich von dieser Stelle ar Ez lag nicht in seinem Wesen, sein Tun und seine Person in den
Vordergrund zu stellen;
bewußt, ging er seinen Weg, und
Gottesfurcht, Gerechtigkeit
vermag,
Gott be⸗ ja auch. —
muß von und das war er
dürfte es nun nicht gehandelt sein,
s heute seine Eigenschaften rühmen.
schlicht und einfach, des inneren Wertes sich verfolgte er beharrlich sein Ziel.
Mit hoher Vaterlandsliebe waren eine
große Herzensgüte und persönliche Lebehbmärwigtet in glücklichster
Weise gepaart; Eigenschaften, Maße befähigten, auf segens J ebenso für seine Heimat;
seine Aufgaben zu wirken, nannte ihn am Grabe den
Ster
welche unsern lie reiche Weise für dieses hohe Haus und
en Toten in reichem
der Geistliche
n und den Stolz der Ostfriesen.
Wir alle haben zu ihm wie zu einem Freunde und Berater auf⸗
geblickt.
unser Leben lang, suchen wir in
Bewahren wir dem Entschlafenen ein treues Gedenken
seinem Geiste fortzuleben und zu
arbeiten, — das dürfte der beste Dank sein für die unvergeßlichen, dem Vaterlande und dem hohen Hause geleisteten Dienste.
Das Haus hört den Nachruf stehend zu Ehren des Ver⸗
storbenen an.
Ferner ist seit der letzten Sitzung das Mitglied des Hauses Wirklicher Geheimer Rat Dr. Hinzpeter gestorben.
Neu berufen Göttingen, Freiherr von
von Wrochem, Kammerger
sind die
Herren: Professor Dr. Klein⸗
Bodelschwingh⸗Plettenberg⸗Heeren,
Dr. Borchers⸗Aachen, Professor
Bankier Delbrück, General
Vogel von Falckenstein.
Freiherr von der Goltz,
ichtspräsident Dr. Lisco, Professor
Dr. Krohn⸗Danzig, von Salisch, Wallraf,
Nach Eintritt in die Tagesordnung erfolgt zunächst die Wiederwahl von 4 aus der Matrikelkommission aus⸗
scheidenden Herren: Graf von
Hutten⸗Czapski, Pro⸗
fessor Dr. Loening, Graf von Ziethen⸗Schwerin, von
Winterfeldt⸗Menkin.
3u dem Gesetzentwurf, des Landespolizeibezirks
Stadtgemeinde Lichtenberg un
Rummelsburg),
beantragt, nachdem Unterstaatssekretär H
mit der der
Ministers des Innern dies
anerkannt hat.
G
betreffend die Erweiterung Berlin (Einbeziehung der
d der Landgemeinde Boxhagen⸗ hat der Berichterstatter, Oberbürgermeister
Schustehrus⸗ Keetegs. egg redaktionelle Aenderung e
entwurf angenommen wird,
in Vertretung des erkrankten nderung als formelle Besserung “
twendi 8 Frage der ich nicht für möglich, auch glich in diesem so kann
weifel, Wehrkraft 1 Die Vor⸗ für das Höchstmaß und der Finanzlage des Fhriches Alew mehsekenga 8
finan 3 eiches überhaupt erreicht werde Selbstverständlich reicht uns 2 1
kann. er Ideal höher hinauf, aber die Politik en. Die Jungliberalen, die Jung⸗ in ihren Resolutionen viel mehr. Da darauf hinzuweisen, daß die Vertreter der EE“ Zeuligbet in der Kommission eschlossene Ich bin genötigt, einer Legendenbildung entgegenzutreten. Lesung des Etats ausgesprochen, in B zug auf die Flotte und ich bin deshalb aus Flottenvereinsk Diese Angriffe waren unbegründet, die Wie notwendig es ist, solchen
ten, beweist auch die Behauptung, Den Genera Ich verkenne nicht die
Stelle Ich habe bei der ersten daß leider weitergehende Wünsche keine Berücksichtigung finden können, reisen hart angegriffen worden. Tatsachen haben mir recht ge⸗ Legendenbildungen entgegen⸗ 3 „ur ozialdemokra⸗ eneral Keim will ich hier nicht an⸗ Nützlichkeit des Flottenvereins, wenn „Gründet man aber einen solchen unter Fürstliche Protektion, erein viel, so muß hen. Es ist
und dieser man daraus auch die 8 Fünn V . en deutschen Das Schlimme ist, daß vielfach schiefe Urteile über unser Oeffentlichkeit gelangen von Leuten, die beurteilen antworten zu berühren, was sich von Flottenvereins könnte der ß im Volk n und mächtigen Flotte
was dem Vaterlande
Stimmen der Sozial⸗ ebenso die von der
Donnerstag 1 Uhr.
Der Gese entwurf, betreffend die Uebertragung polizeilicher efugnisse in Gemeinde⸗ und Guts⸗ bezirken der Umgebung von an an den König⸗ lichen Polizeidirektor zu Cotsdam, nach dem die Sicherheitspolizei der stark srequentierten Umgebung Potsdams dem dortigen Polizeidirektor unterstellt werden soll, wird nach dem Antrage des Berichterstatters, Oberbürgermeisters Schustehrus⸗ Charlottenburg, ohne Debatte unverändert an⸗ genommen.
Ebenso wird dem Gesetzentwurf, betreffend die Erweite⸗ rung des Stadtkreises Magdeburg (Eingemeindung von Rothensee), nach dem Antrage des Berichterstatters, Ersten Bürgermeisters der Stadt Halberstadt Dr. Gerhardt, zu⸗ 86 der Gesetzentwurf, betreff
uch der Gesetzentwurf, betreffend die Zahlung der Beamtenbesoldung und des neee n Slhdhrssgs ohne Debatte nach dem Antrage des Berichterstatters, Grafen von Keyserlingk⸗Neustadt, genehmigt. Ebenso wird der Ver⸗ ordnung zur Bekämpfung der Wechselfieberepidemie im Ge⸗ meindebezirk und in dem südlichen Teil des Kreises Wittmund nach dem Antrage des Berichterstatters Dr. Grafen von Wedel⸗Gödens zugestimmt.
Schluß gegen 4 ½ Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag, 12 ½ Uhr. (Vereidigung neuer Mitglieder; Peasidentenwahs⸗ Ostmarkenvorlage; etitionen.)
8
8 Haus der Abgeordneten. B
20. Sitzung vom 29. Januar 1908, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Das Haus seßt die Beratung des Etats der Justiz⸗ verwaltung, und zwar die allgemeine Besprechung bei dem Titel „Gehalt des Ministers“ fort.
Nach dem Abg. von Brandenstein (kons.), über dessen Ausführungen bereits in der estrigen Nummer d. Bl. berichtet worden ist, nimmt das Wort der
Justizminister Dr. Beseler:
Meine Herren! Was die Frage des Ausschlusses der Oeffentlich⸗ keit anlangt, so bestimmt hinsichtlich der Zulassung einzelner Personen trotz ausgeschlossener Oeffentlichkeit der § 176 des Gerichtsverfassungs⸗ gesetzes: Zu nichtöffentlichen Verhandlungen kann der Zutritt einzelnen Personen vom Gericht gestattet werden. Ich habe diese Bestimmung niemals dahin ausgelegt, daß die Presse eine Ausnahmestellung ein⸗ nehme in der Art, daß ihre Vertreter darauf zu rechnen hätten, daß ihren Zulassungsanträgen stattgegeben werde, sondern ich finde sogar einen Widerspruch darin, wie dies der Herr Abg. von Brandenstein auch hervorgehoben hat, daß man die Anwesenden entfernt und nur die Vertreter der Presse zuläßt. (Bravo! rechts.) In jedem Falle hat das Gericht zu entscheiden, inwieweit es von seiner Befugnis Gebrauch machen will. Diese Entscheidung muß ich ihm selbstverständlich überlassen. (Sehr richtig! links.) Es wird bei der Frage, ob die Vertreter der Presse eine Ausnahme⸗ stellung im einzelnen Falle erhalten sollen, jedenfalls von allgemeinen Grundsätzen, die es für die richtigen hält, ausgehen müssen. Aber ich wiederhole, daß ich eine Auffassung, daß der Presse der Zutritt zu ge⸗ statten sei, wenn im übrigen die Anwesenheit von Zuhörern ausge, schlossen werde, durch das Gesetz nicht bestätigt finde.
Es ist von dem Herrn Abgeordneten dann hingewiesen worden auf die Anweisung oder vielmehr die Aufforderung des Herrn Reichs⸗ kanzlers — ich glaube, er hat es eine Anweisung genannt — (Wider⸗ spruch rechts) — nun, dann ist es eine Anregung gewesen. Sie ist nicht an die Gerichte erlassen, sondern an die Regierungen, und der Herr Reichskanzler hat sich in seinem Schreiben selber auf den Stand⸗ punkt gestellt, daß die Regierungen erwägen möchten, ob den Staats⸗ anwaltschaften irgend welche Weisungen zu geben seien. Ich habe infolge dieser Anregungen, die sich auf den Zeugniszwang bezogen, eine Ver⸗ fügung an die Staatsanwälte erlassen, in der es heißt — ich glaube, sie ist schon bekannt gegeben worden; aber ich kann ja den Hauptsatz darin wiederholen —:
Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben, bevor sie die An⸗ ordnung der Haft zur Erzwingung des Zeugnisses bei den Gerichten in Antrag bringen, nicht nur deren gesetzliche Zulässigkeit, sondern auch die weitere Frage sorgfältig zu prüfen, ob die Zwangsmaßregel zu ihrem voraussichtlichen Ergebnis und zur Bedeutung der Sache im richtigen Verhältnis steht.
Damit ist nicht gesagt, daß in den Fällen, wo es sich um Vergehen durch die Presse handelt, die Zeugniszwangshaft ausgeschlossen sein solle, sondern nur, daß — was selbstverständlich ist — die Behörden⸗ welche sich mit der Frage zu befassen haben, gründlich erwägen müssen, ob im einzelnen Falle die Maßregel, die doch durch das Gesetz für zulässig erklärt ist, Platz greifen soll oder nicht. Das ist ein objektiver Erlaß, der zur sorgfältigen Prüfung auffordert, und ich glaube, daß damit das Richtige getroffen ist.
Es ist ferner von dem Herrn Abgeordneten im Hinblick auf die gestrigen Ausführungen über gewisse bildliche Darstellungen darauf hingewiesen worden, daß gewissermaßen ein Freibrief für die allge⸗ meine Verbreitung solcher Darstellungen gegeben sei, nachdem ein Gericht den Angeklagten freigesprochen habe. Das trifft nicht zu; denn jede neue Verbreitung dieser selben Schriftstücke würde eben eine neue Straftat sein, sobald ein anderes Gericht annimmt, daß die Bildnisse unzüchtige Darstellungen sind. Also ein allgemeiner Frei⸗ brief auf die Verbreitung ist mit der Entscheidung eines einzelnen Gerichts nicht gegeben.
Daß Rechtsmittel gegen solche Urteile zulässig sind, ist selbst⸗
sich um Urteile der Strafkammern handelt. Ob die Revision, die doch vornehmlich ein formales Rechtsmittel ist, in vorliegendem Falle angezeigt gewesen wäre, entzieht sich meiner Prüfung, weil mir die Sache nicht näher bekannt ist. Die Bildnisse noch einmal daraufhin
nachzuprüfen, ob sie, wenn sie anderswo verbreitet würden, zu einem
4
8 8 1
zanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
1908.
erneuten Einschreiten Anlaß geben müßten, bin ich bereit. Ich würde also dem Herrn Abgeordneten dankbar sein, wenn er diese Bildnisse „dem Justizministerium zur Verfügung stellen wollte, damit, soweit die strafrechtliche Verfolgung gegebenen Falls angezeigt ist, Vorkehrungen getroffen werden, damit, falls sie anderswo erscheinen, ein neues Ein⸗ schreiten stattfindet.
Was die Sachverständigenfrage anlangt, so hat mich der Herr Abgeordnete nicht ganz richtig verstanden. Ich hab⸗ gestern gesagt, daß meiner Ansicht nach bei Beurteilung der Frage, ob ein Bildwerk unzüchtig sei oder nicht, ein Sachverständiger nicht nötig sei; ich habe nur betont, daß die Vernehmung von Sachverständigen — und ich be⸗ merke gestellter Sachverständiger — von der Strafkammer erfolgen muß. Ich habe, anknüpfend an das, was der Herr Abg. Roeren sagte, hervorgehoben, daß, wenn Sachverständige gestellt würden, die dem Gericht vielleicht nicht geeignet erschienen, es ja unbenommen bleibe, auch noch andere Sachverständige, denen es mehr Vertrauen schenkt, zu hören; daß das aber nötig sei, habe ich nicht gesagt. Wenn das Gericht ein selbständiges Urteil darüber hat, ist es sein volles Recht, demgemäß iu verfahren, und meiner Meinung nach fann es das in der Regel auch tun.
Nun hat der Herr Abgeordnete die Roheitsdelikte berührt. Ich habe gestern bereits erwähnt, daß ich die Anklagebehörden darauf hingewiesen habe, daß die Erscheinungen der jüngsten Zeit auf diesem Gebiete zur ernstesten Aufmerksamkeit mahnten, und daß sie verpflichtet seien, sorgfältig darauf zu achten, daß die strafbaren Handlungen in dieser Richtung mit besonderer Sorgfalt verfolgt würden. Mehr zu tun, ist nicht möglich; es müßten dann doch erst die Gesetze geändert werden. Die Strafen, welche angedroht sind auf solche Roheitedelikte, sind keineswegs gering; sie bewegen sich auf einem sehr weiten Boden, und es gibt Fälle von Roheiten, wo die allerschwersten Strafen eintreten können. Also an der Möglichkeit strengen Ein⸗ schreitens fehlt es nicht, und daß die Anklagebehörden in dieser Hinsicht säumig gewesen wären, ist mir bisher nicht zur Kenntnis ge⸗ kommen.
Auch wegen der vorgekommenen Straßenaufläufe muß ich einiges erklären zu dem, was der Herr Abgeordnete gesagt hat. Alsbald, nachdem diese Vorkommnisse bekannt geworden waren — und das ist ja sofort, nachdem sie geschehen, der Fall gewesen —, wurde bei den hiesigen Staatsanwaltschaftsbehörden angefragt, ob sie in der Lage wären, den etwa an sie herantretenden erhöhten Anforderungen — es könnte ja sein, daß eine große Zahl von Leuten zur Untersuchung gezogen würde — voll zu genügen, damit unverzüglich und mit Nach⸗ druck in dieser Richtung eingeschritten werden könnte. Es ist den Be⸗ hörden dabei auch gesagt worden, daß, wenn sie irgendwelche Bedenken hätten, die Justizverwaltung sofort auf Vermehrung der Kräfte Be⸗
zu entschieden . etreten werden.
soweit sie dem Handwerk Konkurrenz macht,
Abg. Roeren vollständig übereinstimmen,
verständlich. Die Berufung wird es in der Regel nicht sein, da es
dacht nehmen würde. Daß die Staatsanwaltschaft sich bereits mit den Polizeibehörden in Verbindung gesetzt hat, bezweifle ich nicht im geringsten. Daß jetzt schon Verhandlungen stattfinden und Urteile ergehen könnten, glaube ich nicht, aber wo ein Einschreiten geboten ist, ist sicherlich auch die Staatsanwaltschaft nicht säumig, diesen einzelnen Fällen strenge nachzugehen. Daß die Rädelsführer am strengsten zu bestrafen sind, ist ohne Frage zuzugeben, es ist das auch in dem Gesetz bereits zum Ausdruck gebracht, und es gibt Vorschriften im Straf⸗ gesetzbuch, durch welche für die Rädelsführer sehr schwere Strafen vorgesehen sind. Es wird sich also darum handeln, diese Rädelsführer zu ermitteln. Bisher ist darüber geklagt worden, daß sie es wohl verstanden hätten, sich im Hintergrund zu halten. (Sehr richtig!) Sie zu finden und zu überführen ist schwerer als die Leute, welche auf der Straße erscheinen und dort, veranlaßt durch andere, den Lärm verursachen. Daß auch fernerhin von den Staatsanwälten und Anklagebehörden mit allem Eifer und Nachdruck vorgegangen wird, glaube ich versichern zu können, und ich glaube, daß die Besorgnisse des Herrn von Brandenstein nach dieser Richtung nicht begründet sind.
Abg. Busch (Zentr.): Auch meine Freunde verurteilen die Straßen⸗ demonstrationen der Sozialdemokratie, glauben aber, daß die Staatsanwaltschaft auch ohne die Mahnung des Herrn von Branden⸗ stein ihre Pflicht erfüllen wird. Druck erzeugt stets Gegendruck. Es muß diesen Demonstrationen mit . Wen⸗ aber nicht
8 omme zu einigen anderen Punkten. Es heißt, daß Preußen gegen den im Bundestat gestellten Antrag auf Gewährung von Diaͤten an Geschworene und Schöffen sei. Ich wäre dem Minister dankbar, wenn er diese Zeitungsnachricht richtig stellte. Die Gewährung von Diäten empfiehlt sich namentlich an Arbeiter im Interesse der Versöhnung der Klassengegensätze. Für die Einschränkung der Gefängnisarbeit,
eit s rk Konkur sind wir dem Minister aufrichtig dankbar. Vielleicht könnte in dieser Beziehung noch mehr geschehen, als es bisher der Fall gewesen ist. Ferner möchte ich den Minister bitten, das Wiederaufnahmeverfahren im Disziplinar⸗ verfahren in die Wege zu leiten. Dieser Wunsch der preußischen Beamten ist durchaus recht und billig, und wir haben uns im vorigen Jahre für eine Berücksichtigung dieses Wunsches ausgesprochen. Was die Verhängung des Zeugniszwanges gegen die Redakteure betrifft, so haben wir zu dem jetzigen Justizminister das Vertrauen, daß er für eine Milderung des bisherigen Zustandes an maßgebender Stelle ein⸗ treten wird; wir werden ihn in dieser Richtung gern unterstützen.
Abg. Krause⸗Waldenburg (frkons.): Ich kann im Namen meiner politischen Freunde erklären, daß wir in einer Frage mit dem Roeren b nämlich in der Frage der Bekämpfung der obscönen Wenn sich wirklich so⸗ genannte Künstler gefunden haben, die als Sachverständige aus⸗ gesagt haben, daß diesen Bildern ein künstlerisches Interesse inne⸗ wohnt, so muß ich sagen: das deutsche Volk wird sich von diesen so⸗ genannten Künstlern in seiner großen Mehrheit abwenden und ihnen die Qualifikation als Künstler in jeder Beziehung absprechen. Welcher Kunstrichtung man auch zuneigt, darüber ist doch die große Mehrheit des deutschen Volkes einig, daß es die erste und vornehmste Aufgabe der Kunst ist, in unserem Volk den Sinn für das wahrhaft Schöne zu wecken, zu fördern und zu stärken und dadurch eine ver⸗ edelnde Einwirkung auf unsere ganze Lebensanschauung, insbesondere auf die sittliche Empfindung der Jugend, zu üben. Solche Bild⸗ werke, wie sie hier vorgezeigt worden sind, ertöten in der Jugend das Empfinden für das Schöne und erwecken in ihr gemeine und
niedere Triebe. Welche Verheerung muß es anrichten, wenn solche Bilder in großen Mengen in unserem Volke und der heranwachsenden