Zunahme der polnischen Bevölkerung vor allem auch darin ihren Grund, daß dem Deutschtum die Quelle der Volksvermehrung, die dem Polentum zur Verfügung steht, der ländliche Kleingrundbesitz und der ländliche Arbeiterstand, fehlte. Das Deutschtum hatte seine Haupt⸗ stütze in den Städten, aber gerade die Kinder und Bevölkerung produzierende ländliche Unterschicht fehlte ihm.
Aus diesem Grunde war die Königliche Staatsregierung zu der Ueberzeugung gekommen, daß, wenn sie dem Prozeß der all⸗ mählichen Abwanderung der Deutschen und der stärkeren Bevölkerungs⸗ zunahme der Polen entgegenwirken wollte, der sicher dazu führen mußte, daß das Nationalgefühl der Polen in demselben Maße wuchs, wie ihre ganze Bedeutung und ihre Macht in der Provinz zunahm, — wenn sie dieser Entwicklung entgegenwirken wollte, sie dann dafür sorgen mußte, diese Schicht, die den Deutschen fehlte, die ländliche Kleinbesitze⸗ und Arbeiterschicht, in die Ostmark hineinzubringen. War das nun eine feindliche Maßregel gegen die Polen? Im Gegenteil, ich muß sagen, gegenüber einzelnen Polen mußte das unter Umständen eine wohltätige Maßregel sein; denn es gab eine große Anzahl von polnischen Großgrundbesitzern, denen es nur erwünscht sein konnte, an die Ansiedelungskommission zu guten Preisen verkaufen zu können, und die auch von dieser Gelegenheit in reichlichem Maße Gebrauch gemacht haben. Aber gegen die groß⸗ polnische Bewegung war es ein harter Schlag und eine Maß⸗ regel, von der sie sich sagen mußte, daß, wenn sie durchgeführt wurde, sie zur Vernichtung ihrer großpolnischen Hoffnungen führen müsse. Deshalb ist von den Polen ein so scharfer und so organisierter Kampf gegen die Ansiedelungskommission ge⸗ führt worden; wenn die Ansiedlungspolitik nicht überall diejenigen Erfolge gezeitigt hat, die man von ihr erwartet hat, so liegt das nicht an Mängeln des Gesetzes von 1886, sondern an dem scharfen Kampfe, den das politisch organisierte Polentum, welches die groß⸗ polnische Idee versicht, gegen dieses Gesetz organisiert hat. Sie wissen, in welcher Weise dies geschehen ist, wie die Parzellierungsbanken ge⸗ gründet sind, um eine Gegenaktion gegen die Tätigkeit der Ansiedelungs⸗ kommission zu schaffen, um deutschen Grundbesitz den Deutschen aus den Händen zu reißen und in polnische Hände zu bringen. Wenn wir jetzt unsere Tätigkeit mit ihrem klaren Ziel, die fehlenden deutschen Kleinbesitzer, die fehlende Quelle der Kraft des Deutschtums zu schaffen, aufgeben, dann fallen wir in den Zustand von 1886 zurückF. Wir können dann zahlenmäßig berechnen, wie lange es dauern wird, bis das Deutschtum in der Provinz so ge⸗ schwächt ist, daß die Ostmarken als rein polnische Landesteile anzusehen sind. Dann, meine Herren, von dem Moment an, wo es den Polen gelungen ist, die Ostmarken polnisch zu machen, dann erst werden sie mit ihren Zielen in unverhüllter Weise hervortreten.
Man leugnet die Gefahren der polnischen Bewegung. Gewiß, augenblicklich bietet diese Bewegung keine Gefahren. Das ist klar; dazu ist der preußische Staat viel zu mächtig und stark; aber denken Sie an Umwälzungen außerhalb unseres Staats, an Zeiten der Not Preußens, dann kann ein polnischer Landesteil, der mitten in das Mark Preußens hineinragt, eine eminente Gefahr für Preußen werden - Es müßte eine pflichtvergessene Regierung sein, die nicht, so lange es noch Zeit ist, die notwendigen Maßregeln ergreift, um dieser von ihr erkannten Gefahr vorzubeugen.
Oberbürgermeister Dr. Kersten⸗Thorn: Es wäre unentschuldbar, wenn nicht ein Vertreter der Ostmark hier das Wort nähme, nachdem Dr. Körte und Graf Tiele⸗Winckler sich gegen die Vorlage aus⸗ gesprochen haben. Ich lebe seit 1885 in verschiedenen Beamten⸗ stellungen unter der gemischtsprachigen Bevölkerung, erst als Landrat, dann als Leiter eines städtischen Gemeinwesens. Mir sind also die Dinge genau bekannt, und ich kann danach nur die trefflichen Aus⸗ führungen des Herrn Adickes unterschreiben. Das Polentum hat den Krieg mit uns an den Haaren herbeigezogen und hat den Frieden, den die Deutschen halten wollten, gestört. Der Kampf ist uns Deutschen aufgezwungen, wir unserseits bedauern, daß der Friede noch immer nicht geschlossen ist. Die Leiter haben beute nicht mehr die Volksmassen in der Gewalt, die Masse drängt jetzt den Adel und die Geistlichkeit vorwärts, diese sind nicht mehr die Führer. Dazu ist es gekommen, daß der Deutsche immer mehr gehaßt und vertrieben und boykottiert wird. Wo sich nur eine deutsche Stelle frei macht, tritt sofort ein Pole ein, erst im Arbeiter⸗ stande, dann im Mittelstande und jetzt auch im Gelehrtenstande. Und die Masse unterstützt diese, bis sie auf eigenen Füßen stehen und die Deutschen verdrängen. Wir können der Regierung nur herzlich danken, daß sie mit dem Zickzackkurs endlich gebrochen hat und vor den schärfsten Mitteln nicht zurückschreckt. Kardinal Kopp sagt, scharfe Maßregeln dürfe man in der ernsten Gefahr ergreifen. Diese ernste Gefahr ist aber vorhanden. Da kann man nicht von Bruch der Verfassung und von Gewalt sprechen. Der Staat fordert nur, was der Selbsterhaltungstrieb erheischt. Nur der feste Kurs gibt die Möglichkeit, zum Frieden iu kommen. Was die Ansiedelungs⸗ kommission geleistet hat, ist ein Kulturwerk ersten Grades gewesen und wird gute Früchte zeitigen, wenn auch nicht gleich in 20 Jahren. Ich kann nicht verstehen, wie Graf Tiele⸗Winckler sogar anraten konnte, die Ansiedlungspolitik aufzugeben. Diese Politik ist eine gesunde gewesen, ich bitte, daran festzuhalten und sie weiter auszubauen. Es wäre das Richtige gewesen, der Regierung in ihrer Vorlage zu folgen
und sie voll und ganz anzunehmen. Aber ich bin dankbar für das, was
das Abgeordnetenhaus bewilligt hat, nachdem die Regierung erklärt hat, daß sie auch mit diesen Machtbefugnissen auskommen kann. Ich bin überzeugt, daß, wenn die Praxis gezeigt hat, daß dieser Weg der richtige ist, wir dann auch der Regierung weitere Machtmittel zur Verfügung stellen werden. Der moralische Effekt der Aanahme der Vorlage wird so groß sein, daß wir ihn nicht hoch genug einschätzen können. Wenn man sagt, das polnische Kapital wird mobil werden, so mögen vorübergehend die umliegenden Städte unter den polnischen Agitationen mehr leiden, aber das wird eben vorübergehend sein, wenn die Regierung bestrebt sein wird, auch die kulturellen Interessen der Städte zu fördern zum Wohle der Ostmark.
und die Ansiedlung weiter zu fördern. schaften der — uns nicht den und in Frieden mit uns leben. gefährdete Deutschtum im Osten müssen wir schützen. Ich glaube, der unheilvolle Einfluß der polnischen Banken wird zurückgedrängt werden. Ich kann nur die Regierung bitten, diesen Schritt zu tun
und auf diesem Wege fest zu beharren, und ich kann das Haus nur
bitten, die Regierung in diesem Schritt, wenn nicht freudig, so doch in unserer Zwangslage möglichst einmütig zu unterstützen.
Oberbürgermeister Dr. Bender⸗Breslau: Meine Stellungnahme
wird erschwert durch die Ausführungen des Fürsten Radziwill. Die Gegner des Gesetzes machen sich ihre Stellungnahme sehr leicht, indem sie für ideale Güter kämpfen. Ich wäre den Polen sehr dankbar, wenn sie erklärten, daß sie keine Bestrebungen gegen den preußischen Staat haben. st 1 a halte aus praktischen Gründen dieses Gesetz für verfehlt, es seinen Zweck nicht erreichen wird. 1 .
dem Kardinal Kopp zu. Viele werden für das Gesetz stimmen, icht weil sie es billigen, sondern weil sie in dieser schweren rage nicht in Gegensatz zur Regierung treten wollen. Der Finanz⸗ inister sagte, die serung habe das Polentum bereits
Ausdruck gebracht wird. 1 Um diese Erklärung drücken sie sich stets berum. Vorschrift, daß ein Gesetz die Befugnis geben müsse, er entspricht
der Vorschrift, daß Entschädigung zu gewähren sei, und zwar in Ich stimme deshalb
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in allen Tonarten bekämpft, aber diese Politik ist doch anderen Datums; bis zu den 80 er Jahren hat die Regierung das Deutschtum in der Ostmark in keiner Weise gefördert, sie hat vielmehr alle Mittel aufgewendet, um die Polen kenntnisreich und wissend zu machen. Man hat sich eingebildet, wenn man die Polen deutsch sprechen lehrte, dann würden sie preußische Untertanen werden. Da⸗ 8 man 4⁷ * dummes 29 2- v e deutschen Bauern in tpreußen waren damals genau so gebi
heute, 8g war ein niedriger Mann; heute ist der polnische Bauer in Westpreußen auf der Höhe und dem deutschen Bauern voll⸗ kommen ebenbürtig, und schuld daran ist nur die Regierung. Unter dieser Politik ist die deutsche Minorität immer weiter zurn An evangelischen Kirchen hat es für die Deutschen gefehlt. Die Deutschen in den Städten s sind treue deutsche Männer, aber der Staat hat ihnen in ihren Interessen nicht eholfen; es gab z. B. bis zu den 80 er Jahren in Westpreußen und Posen in Archiven und Bibliotheken nichts, was über das Bedürfnis 82 Se-ee he; eneghe., 2 K E die Lehrerschaft durchweg aus polni rern, un d deutsche Jugend hin. Da stellte sich Mitte der 80 er Jahre plötzlich heraus, daß die deutsche Bevölkerung auf dem Lande sich verloren hatte. Es ist doch nicht Zufall, die Bamberger in Posen, die 1850 deutsch waren, jetzt polnisch sein wollen; man hat ihnen trotz ihrer Wünsche keine deutschen Lehrer gegeben, die Jungen konnten schon nicht mehr deutsch sprechen. Als ich Anfang der 80 er Jahre zum ersten Male in einer liberalen Versammlung in Westpreußen sprach, wurde ich wegen Bel⸗ g eines höchst zweifelhaften polnischen Ngüaten⸗ angeklagt. Der Reichs⸗ kanzler Graf Caprivi war die Polen schwach, für die Deutschen hat er nichts getan. Ich keinen . ihn zu verteidigen, daß er aber einen Fühter der polnischen Fraktion zum Enzbischof in Posen machen konnte, zeigt, daß er von den dortigen Gegensätzen gar keine Ahnung hatte. Ich bin kein Gegner der Ansiedlung an sich; die Ansiedlung von Bauern ist ein gutes Mittel gegen die Polen; aber unsere Politik verschärft nur die Gegensätze zwischen Deutschen und Polen. Fü Bismarck hat das Ansiedlungsgesetz als ein Greis gemacht; es war überhaupt die Zeit der scharfen Maßregeln, des „Sozialistengesetzes usw. Jede eE eines Volksteiles gegenüber dem anderen — das zeigt sich auch in Oberschlesien — fällt auf den Staat zurück. Wer ist schuld daran, daß es den polnischen Agitatoren gelungen ist, die Polen bis zum letzten Mann sich dienstbar zu machen? Die Wasser⸗ polen in Oberschlesien konnten bis Mitte des vorigen Jahrhunderts noch nicht polnisch s. sie standen den Polen schon durch ihre Sprache fern; aber als egierung vor der Frage stand, ob sie ihnen Deutsch oder Polnisch beibringen sollte, entschied sie sich für das Hochpolnische, weil es ihnen läge, und dadurch sind die Wasserpolen in Oberschlesien erst wirklich Polen ge⸗ worden. Unter einer festen und gerechten Verwaltung wird der Deutsche wieder Mut gewinnen und den Polen Konkurrenz machen können. Wenn man schon zu den schärfsten Maßregeln greifen muß, so hebe man lieber die polnischen Schulen auf, damit die Kinder nichts mehr lernen. Das würde schneller wirken als die Enteignung des Grundbesitzes. Die Zunahme des polnischen Grundbesitzes liegt daran, daß für einen Deutschen das Leben dort ungemütlich ist. Wo werden denn die enteigneten Leute bleiben? Die ausgekauften Besitzer werden ihr Geld nicht nach Paris oder sonst wohin tragen, sondern bleiben im Lande und ergreifen einen anderen Beruf. as ist der Fluch dieser Gesetzgebung, daß sie den ruhieen Polen zu einem wilden Polen macht. Die Polen im Privatrecht zu differenzieren, ist eine große Torheit. Das Gesetz ist in sich häßlich, es wird nicht nutzen, es wird die Gegner stärken, und es ist ein Präzedenzfall, an den wir noch zu denken haben werden. 8
Justizminister Dr. Beseler:
Meine Herren! Die verfassungsrechtliche Seite des vorliegenden
Gesetzentwurfs ist bisher nur kurz gestreift worden, und ich hätte ja vielleicht warten können, mich darüber auszulassen, bis die weitere Diskussion darauf hingeführt hätte. Indes bin ich der Meinung, daß dieses hohe Haus von der Regierung eine Erklärung erwarten wird, wie sie sich zu dieser sehr wichtigen Frage stellt.
Es ist bekannt, daß darüber im anderen Hause des weiteren bei verschiedenen Gelegenheiten verhandelt worden ist, und es ist ebenfalls bekannt geworden, daß Meinungsverschiedenheiten dabei hervorgetreten sind. Die Staatsregierung hatte die Pflicht, diese wichtige Frage von vorn herein auf das sorgsamste zu prüfen, und es ist das geschehen, bevor der Gesetzentwurf eingebracht worden ist und zwar nach jeder Richtung hin. Namentlich mußte dabei auch erwogen werden, ob etwa dieser Gesetzentwurf nicht in Einklang stände mit der Gesetzgebung des Reichs. Es handelt sich dabei um verschiedene Gesetze, deren Vor⸗ schriiften in Frage kommen können. Aber eine sorgfältige Prüfung hat der Staatsregierung die Ueberzeugung verschafft, daß der jetzige Gesetzentwurf mit der Reichsgesetzgebung nicht in Widerspruch steht.
Es blieb selbstverständlich in erster Linie auch zu erwägen, wie die preußische Verfassung sich zu der vorliegenden Materie verhält. Ich kann mich bei den Bemerkungen, die ich zu machen habe, kurz fassen. Denn die Verfassung behändelt die Frage auch in einer kurzen Vor⸗ schrift, und es kommt daneben nur in Betracht, ob etwa mit Hinblick auf andere Verfassungsbestimmungen ihr eine andere Auslegung ge⸗ geben werden muß, als sich aus dem Wortlautle jener Vorschrift er⸗ gibt. Es handelt sich um den Artikel 9 uaserer Verfassung, welcher das Recht des Eigentums und das Recht des öffentlichen Wohles in der Weise regelt, daß er bestimmt: das Eigentum ist unver⸗ letzich, es kann nur entzogen werden aus Gründen des öffentlichen Wohles durch Gesetz und gegen Entschädigung. Der Inhalt ist klar: er besagt, vollen Schutz soll das Eigentum ge⸗
nießen, es soll nur zurücktreten vor den Anforderungen des öffentlichen
Wohls, aber auch dann nur kraft Gesetzes und gegen Entschädigung. Auf diesem Boden steht die gegenwärtige Vorlage, sie beruht auf dem Gedanken, daß das öffentliche Wohl die vorgesehene Maßnahme er⸗ fordert. Was öffentliches Wohl sei, sagt die Verfassung nicht. Es
ist darüber gestritten worden, indem einige bebaupten, es könne sich nur um wirtschaftliches Wohl handeln, während andere viel weiter gehen Die polnischen Banken und vom politischen Wohl, andere vom Staatswohl im nationalen Sinne werden dadurch nicht in die Lage kommen, mehr Kapital zu erhalten Ich schätze die guten Eigen⸗ olen hoch, und in anderen Provinzen wird der Pole
Aber das Gesamtheit verwenden muß, es dann auf gesetzlichem Wege nehmen
darf, wenn er die volle Entschädigung gewährt.
sprechen. Es unterliegt meines Erachtens und auch nach Ansicht der Königlichen Staatsregierung nicht dem geringsten Zweifel, daß der Staat, wenn er Eigentum des Einzelnen im Interesse der Wohlfahrt der
Die Regierung ist⸗ wie heute bereits wiederholt hervorgehoben worden ist, der Ueber⸗ zeugung, daß der Staat im vorliegenden Falle des in Rede stehenden
Eigentums notwendig bedarf, um sich so zu erhalten, wie er ist. Von
diesem Gesichtspunkt aus ergibt sich die Rechtslage höchst einfach; dann erfordert das öffentliche Wohl die Enteignung, das zwangsweise Nehmen von Eigentum, und das ist es, was in diesem Gesetze zum Der Entwurf entspricht vollkommen der
vollem Maße. Es ist von Seiner Eminenz dem Herrn Kardinal von Kopp darauf hingewiesen worden, daß in gewissem Sinne befangene Stellen
der Staatsregierung über alles zu entscheiden haben sollten; ich habe
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seine Worte so verstanden. wäre nicht zutreffend; denn der Rechtsweg wegen der Höhe der Entschädigung ist vollkommen zu⸗ gelassen. Also alle Garantien, die sonst bei der Enteignung statt⸗ sinden, sind bei diesem Gesetze auch gewahrt.
Der Herr Kardinal hat außerdem einige juristische — ich will nicht sagen Schlagwörter — aber vielleicht Sprichwörter angeführt
8
aus denen er Gründe für seine Anschauung herleiten will, indem er
hervorhob, daß auch von Gegnern seiner Ansicht in ähnlicher Weise verfahren worden sei. — Ich erlaube mir darauf aufmerksam zu machen, daß es kaum möglich ist, auf Grund solcher Sprichwörter rechtliche Entscheidungen zu treffen. Das sind meist allgemeine Gedankenausdrücke, die aber keineswegs die Bedeutung haben, daß sie wie Gesetze ausgelegt werden müssen.
So ist gelegentlich auch von dem Geiste der Verfassung gesprochen worden. Es ist versucht worden, eine Definition dafür zu finden. Ich meinerseits habe auch nach einer solchen gesucht, aber nur ge⸗ funden, daß der Geist der Verfassung, soweit er die vorliegende Frage berührt, in dem Artikel 9 zum Ausdruck gebracht ist und daß die richtige Auslegung dieses Artikels den Geist der Verfassung wieder⸗ gibt: Die Gewalt, welche die Verfassung selbst der Gesetzgebung in dieser Beziehung eingeräumt hat, ist ein Grundrecht, auf dem die Gesetzgebung sich bewegen kann, ohne daß dadurch die Verfassung als solche berührt wird.
Auf die weiteren Argumente will ich nicht eingehen, es würde zu weit führen; ich behalte mir vor, je nachdem sich die Debatte weiter ausdehnt, darauf zurückzukommen. Meine Aufgabe war, zu erklären, daß die Regierung davon überzeugt ist, auf dem Standpunkt der Ver⸗ fassung zu stehen und daß sie in dieser ihrer Auffassung durch den Beschluß des andern Hauses unterstützt wird, welches mit großer Majorität dieser Vorlage zugestimmt hat.
Graf Droste zu Vischering: Die Vorlage ist für mich un⸗ annehmbar, sie stellt ein Ausnahmegesetz dar. Die Enteignung aus politischen Gründen entspricht nicht der Gerechtigkeit, die ein chrift⸗ licher Staat niemals verletzen darf. Die Enteignung richtet sich auch gegen unschuldige Minderjährige, die plötzlich während der Vormundschaft enteignet werden können. Alle diese Eingriffe erfolgen auf ad ativem Wege; es ist ein Kampfgesetz gegen die Staats⸗ bürger polnischer Zunge und kann nur erbittern. Die Regierung hätte alle Veranlassung, die Erbitterung zu bedauern, anstatt Ver⸗ hältnisse zu schaffen, die auf die Dauer nicht auf zu er⸗ halten sind. .ee kommen wir schließlich bis zur Konfiskation und zur nung der Polen, wir geraten damit in den sozialdemokratischen Staat. Die Vorlage ist nicht zu vereinen mit dem Freizügigkeitsgesetz, sowie mit dem Artikel 4 der preußischen Verfassung über die Gleichberechtigung vor dem Gesetz und mit dem Artikel 9 über die Enteignung. Der Begriff des öffentlichen Wohls erfährt eine Ausdehnung, die den Artikel 9 überhaupt überflüssig macht, denn dann gibt es eigentlich kein Eigentum mehr. Mit dem Ent⸗ eignungsgesetz von 1874 deckt sich die Vorlage auch nicht. Wie man den Widerspruch mit der Verfassung leugnen kann, ist unverständlich. Es heißt, die Vorlage sei notwendig für das Staatswohl. Die bisherigen Erfolge besagen aber nicht, daß nur diese Wege zum Ziel führen. Die Vorlage wird ihren Zweck nicht erreichen, sondern nur eine Ueberflutung der anderen Pro. binzen mit Polen verursachen. Wenn immer wieder und wieder eine Auffüllung des Polenfonds notwendig wird, um unbequeme Eigen⸗ tümer loszuwerden, so gibt das doch zu denken. Ich möchte die Regierung dringend bitten, das ganze System gründlich zu revidieren Es wäre ein großes Verdienst des Hauses, wenn es erreichen könnte, daß noch in letzter Stunde die Vorlage zurückgezogen wird. Weng nicht, dann bitte ich das Haus, im Interesse des Grundeigentums, das eins der größten Bollwerke des monarchischen Staates ist, die Vorlage abzulehnen. 65 .“
Darauf wird die Besprechung geschlosen.
Persönlich bemerkt der 1
Fürst Radziwill gegenüber Herrn Dr. Bender, daß er von einem Schutz nicht der polnischen Ideale, sondern nur der polnischen Eigen⸗ tümlichkeiten gesprochen habe.
Graf Botho zu Eulenburg beantragt darauf, die Vorlage einer Kommission von 25 Mitgliedern zu überweisen und die Kommissionsmitglieder sofort zu wählen.
Das Haus beschließt demgemäß.
Es folgt die Beratung von Petktionen. 2
Die Petition von Samatzki zu Langfuhr⸗Danzig um Wieder⸗ anstellung als Küster bei der dortigen Herz Jesu⸗Kirche wird für nicht geeignet zur Beratung im Plenum erklärt.
Berichterstatter der Petitionskommission Herr von Puttkamer berichtet über zwei Petitionen, die vom Generalrat der deutschen (Hirsch⸗ Dunckerschen) Gewerkvereine und von dem Ortsverein derse Gewerkvereine ausgehen und die Einführung des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechts mit geheimer Stimmabgabe für die Wahlen zum Hause der Abgeordneten verlangen. Kommission beantragt: mit Rücksicht auf die in der Sitzung des Hauses der Abgeordneten vom 10. Januar dieses Jahres von dem Herrn Ministerpräsidenten abgegebene Erklärung über die Petitionen zur Tagesordnung überzugehen.
Das Haus beschließt ohne Debatte demgemäß.
Schluß gegen 4 ³¾ Uhr. Nächste Sitzung unbestimmt, voraussichtlich nicht vor dem 17. Februar.
88
Nr. 5 des „Eisenbahnverordnungsblatts“, heraus⸗ gegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 25. Januar d. J., hat folgenden Inhalt: Erlasse des Mirnisters der öffentlichen Arbeiten: vom 13. Januar 1908, beireffend den Bezirkseisenkahnrat in Breslau; vom 19. Januar 1908, betreffend Strafbefugnis der Vorstände der Maschineninspektionen. — Nachrichten.
Land⸗ und Forstwirtschaft.
Räückgang der russischen Schafzucht. 8 Die russische Schafzucht ist in den letzten Jahren in auffallender Weise zurückgegangen, die feinwollige ist bereits an der Grenze 68 vollständigen Verschwindens angelangt. Diese Tatsache rgübt, 5 am deutlichsten aus der rapiden Abnahme der russischen Wo
roduktion. 8 9 Die Wollausfuhr, die im Jahre 1891 noch 2 ½ Millionen, Pad betrug, ging nämlich in den folgenden Jahren zusehends zurü betrug im letztverflossenen Jahre nur noch 720 000 Pud, dagegen die Einfuhr von Wolle von 600 000 Pud im Jahre 189 &☛ 1 800 (00 Pud im Jabre 1906. Wenngleich die Zunahme der v8 fuhr 81 . nach valh ac. der rus abrikindustrie zu setzen ist, so lieg b . 8 in der -e-e en, ..es der feinwolligen Schafberden, die immer mehr zusammen .
Um den gänzlichen Verfall der russischen Schafzucht nach
zu verhindern, ist neuerdings im wirts⸗ —
ein Komitee für Schafzucht errichtet worden, das die Aufgabe die noch vorhandenen Bestände an Schafen durch Petent spreceanf Maßnahmen zu vergrößern und die Schafzucht allmählich t Höhe zu bringe. (Torg. Prom. Gaz.
8
S 8 LE1“ 11““
parie, 31. Inn. (e. T. 8) Noch amtlchen ges
t die Weinproduktion im vergangenen Jahre in nfreich 66 Millioren Hektoliter, in Algerien be Frankreich 9 8
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g den im Rreichsaml des Innern zusammengestellt (ür „Nachrichten für Handel und Hlesrengen
gewinnung von Kohlen, Eisenerzen und Roheisen in
oßbritannien, den Vereinigten Staaten von Amerika 8 und dem Deutschen Reich in verschiedenen Jahren.
Die gesamte Kohlenerzeugung in Großbritannien (und in den Staaten von Amerika) stellte im Jahre 1906 auf
51 068 000 (369 672 000) Tons gegen 195 361 000 (171 416 000) Tons in Jahre 1896. Die Jahre 1904 und 1905 wiesen eine uktion 232 428 000 (314 122 000) beziehungsweise 236 129 000
821 000) Tons auf. Die Zahlen für die Vereinigten Staaten
don Amerika umfassen Stein⸗ und Braunkohlen. Die entsprechenden zahlen für Deutschland sind aus der X --eg. ersichtlich:
n metrischen Tonnen ET . . 85 690 . 120 818 ie Eisenerzgewinnung Großbritanniens (der Vereinigten Staaten von Amerika) betrug im Jahre 1906: 15 500 000 (49 670 000) Tons, vährend das Jahr 1896 eine Ausbeute von 13 701 000 (16 005 000) Tons ergab. In den Jahren 1904 und 1905 erreichte die Produktion 13774 000 (27 644 000) bezw. 14 591 000 5 526 000) Tons. Für Deutsche Reich mit Luxemburg kamen folgende Mengen in Be⸗ acht: 1906: 26 735 000, 1896: 14 162 000, 1904: 22 047 000, 1905: 23 444 000 metrische Tonnen. Das Ergebnis der Erzeugung von Roheisen in Großbritannien (den Vereinigten Staaten von Amerika) belief sich im Jahre 1906 10 149 000 (25 307 191) Tons. Im Jahre 1896 wurden 8659 681 (8 623 127) Tons gewonnen. Für das Jahr 1904 stellte die Ausbeute auf 8 694 000 (16 497 033) Tons, während das V * 1905 mit einer Prodaktion von 9 608 000 (22,992 380) Tons zbschloß. Von der Produktion des Deutschen Reichs einschließlich Laremburgs an Roheisen entfielen auf: It 12 294 000 metrische Tonnen eeee“ Ve-5. 1905 10 875 000 8 n.
(Kach Statistical Abstract for the principal and other foreign countries.)
Erteilung von Schürfkonzessionen in Rußland.
Nach einer vor kurzem im Amtsblatte „Kawkas“ veröffentlichten Bekanntmachung hat ein gewisser Ferdinand Denissowitsch *. Helenendorf, Goubernement Jelissawekpol, die Erlaubnis zur Vor⸗ zahme von Schürfarbeiten nach Kupfer und anderen Metallen in der Dertlichkeit Ziranunz, Kreis Jelissawetpol, erhalten, ferner ein visser Nikolaus Iwanowitsch Manikopow die Schürferlaubnis in der Oertlichkeit Jegnassar, Kreis Jelissawetpol. Beide
jessionen gelten für drei Jahre. (Bericht des Kaiserlichen Generalkonsulats Tiflis.)
Absatz von Papiertapeten nach Mexriko.
Mexiko bezieht Papiertapeten vorzugsweise aus den Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und Deutschland. Die mexi⸗
kkanische Kundschaft wünscht, daß die Topetenmuster aus den Muster⸗ [büchern in natürlicher Größe ersichtlich seien, da man sich nur dann
eine richtige Vorstellung von ihrer Wirkung auf den Wänden selbst machen könne. Da die Neordamerikaner in den letzten Jahren Muster⸗ bücher mit Mustern in verkleinertem Maßstabe vorlegten, haben sie ihr Ausfuhrgeschäft nach Mexiko geschädigt. Wichtig ist auch, daß
ldie Farben nicht allzu schnell verbleichen, wobei auf die weit stärkere
Einwirkung der atmosphärischen Einflüsse in den Tropen Rücksicht genommen werden muß. Manche europäischen Fabriken wissen Tapeten in den zartesten ierungen und nichtsdestoweniger dauerhaft berzustellen, während in Nordamerika diese Technik noch unvollkommen ist. Den europäischen Fabriken kommt es auch zugute, daß sie in Stil, Farbe und Zeichnung mehr Abwechslung und Originalität kund⸗ geten als die nordamerikanischen. (Handelsmuseum, Wien, nach einem nordamerikanischen Konsulatsbericht.’.)) 111“
Zanzibar.
Neue Zollordnung. Unterm 9. Oktober 1907 ist in Zanzibar eine neue Zollordnung erlassen, wonach zur Förderung des Durchfuhrhandels in Zukunft bei der Wiederausfuhr von Waren der volle Zoll vergütet werden soll, während früher nur 87 ½ v. H. des gezahlten Zolles rückvergütet wurden. Auf Waren, die schnell derderben, wie Früchte, Kartoffeln usw., wird keine Rückvergütung Fwährt. Zur Erleichterung der Einfuhr im allgemeinen sind die Lagerhausgebühren für Kohle und alle Zölle für Warenmuster ab⸗ fischafft Ferner ist zur Hebung der Landwirtschaft der Zoll auf lebendes Vieh aufgehoben und der Einfuhrzoll auf landwirtschaft⸗ iche Geräte, Maschinen, auf Pflanzen, Saat und Strecklinge sowie def 82—v (Matten und Kandas) für Zanzibarerzeugnisse
Dbo⸗s ꝙ?
8 Nach der alten Zollordnung wurde für gewisse in das Zanzibar⸗ pllamt eingehende, aus dem Sultanat stammende Güter ein Einfuhr⸗ zell erhoben. Tatsächlich war dieser Zoll ein Ausfuhrzoll, da die in Betracht kommenden Erzeugnisse zum großen Teil Ausfuhrwaren varen und das Zollamt nur zur überseeischen Ausfuhr wieder ver⸗ lrhen. Nach der neuen Verordnung wird dieser Zoll als Ausfuhrzoll gaboben. Gleichzeitig ist bei einer Reihe von Artikeln, deren Fre in Zanzibar und Pemba sehr gering ist oder die nur den rts zwecks Weiterbeförderung eingehen, der alte Einfuhrzoll fanllich aufgehoben worden. Diese Artikel sind Boritis, Kopal, Eben⸗ Selh. Korn, Reis, Chirski, Erdnüsse, Flußpferdzähne, Elfenbein, Drseille, Rhinozeroshörner, Schildpatt.
„ Alle aus .-1.Z-. Tgn Sn und aus dem Uganda⸗Schutz⸗ sdiete nach Zanzibar eingeführten Erzeugnisse sind, soweit sie nicht uns den genannten Ländern selbst stammen, zollpflichtig.
1 8 88 68 “X““ Ausbeutung von Phosphatlagern in Algier.
Durch einen Beschluß (Arroëté) des Generalgouverneurs vom 18. Dezember 1907 wird die Genehmigung für die in Gemäßbeit 8 tskonsults von 1863 vorgenommene zung und Küfteilung des Gebiets des Brarcha⸗Allaouna⸗Stammes unter Mit⸗ Slung des Ergebnisses des Verfahrens erteilt. Damit ist das üadernis beseitigt, das bisher der Annahme und Genehmigung von zesuchen um Aufsuchung und Ausbeutung der in dirsen Territorien Aünen veebrülche⸗ entgegenstand. Bezüglich ihrer Abfassung it, wie ergänzend bemerkt werden mag, außer dem Dekret vom . März 1898 „relatif à la recherche et à pexploitation des nements de phosphates de chaux en Algérie“ die dazu er⸗ ungene Ausführun vom 16. Mai desselben — .. sur les autorisations de recherches de phosphates
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Der Arrété ist gleichzeitig in den amtlichen Orga
bacher“ vom 21. Dezember 1907 und dem „Bulletin Officiel du- Gouvernement Général de 1' rie“ Nr. 1859 vom gleichen Datum veröffentlicht. Daß er durch Anschlag bekannt gemacht worden sei, erhellt nicht. Ein K-II der letzteren Ver⸗ öffentlichung, auf deren 1317 bis 1321 der Beschluß
ckt ist, liegt während der nächsten vier Wochen im Reichsamt des Innern, Berlin, Wilbelmstraße 74,
im Zimmer 174, Int ten zur Ein e aus. 8ie ae e. 126 sg ei BPeas wochen, der, neles veschäfrlchen Notizen über den Stamm der Brarcha⸗Allaouna, über die geographische EE die Bodenbeschaffenheit, das Klima und die
ng ihres Gebiets Auskunst gibt und den Gang des Ab⸗ grenzungs⸗ und Aufteilun ahrens darstellt. Es handelt sich um
gsverf eine Fläche von 968 829 ha 96 a, die 12 Douaren zugeteilt ist. Als solche, in denen das Vorkommen von Phosphaten bisher festgestellt ist, werden S. 1308 und 1309 die Douara von Tasbent, und Gourigneur bezeichnet. Konsulats in Algierl)
. Troubia (Nach einem Bericht des Kaiserlichen
“ 1 öö“ Ausschreibungen.
Lieferung 897 Steinkohlen nach Frankreich. Am 5. März 1 Nachmittags 3 ¾ Uhr, wird auf der Mairie in Sevran (Seine⸗et⸗Oise) die Lieferung von 3 Millionen Kilogramm Steinkohlen (für Bellevillekessel) für die poudrerie nationale von Sevran Livry in 2 gleichen en vergeben. Kaution pro Los 1500 Fr. Vor⸗ bereitende Verhandlung am 15. Februar 1908 bei der bezeichneten poudrerie. (Moniteur des Intérsts Matériels.)
Niederlande. Lieferung von 2 eisernen Zylindern (boorbuizen) zum Zwecke von 2 nlagen im Wege des Gefrierverfahrens für die bei Hoensbroek. Ver⸗ handlung: 17. Februar 1908, 3 Uhr, in Heerlen, Bureau der Staatsgrus in Limburg. Preis des „bestek“ (Nr. 13): 1 Gulden. (Nederlandsche Staatscourant.)
Ein Konzessionsgesuch für eine warig⸗ Eisen⸗ bahn von Murcia nach Caravaca (Spanien) ist der Di- reccin 1 de Obras püblicas in Madrid vorgelegt worden. Gesuchst ist Diego Fontes Alemän (Wohnort nicht genannt). Mitbewerber haben Ang bis zum 18. Februar bei der genannten Behörde einzureichen.
Lieferung einer Dampfkesselgarnitur (vier Stück) für das spanische Kanonenboot „Infanta Isabel“. Zu dieser Ausschreibung wird jetzt seiteng der Junta administrativa del- Arsenal de la Carraca in Caͤdiz nt gemacht, daß die Sub⸗ E auf den 14. Februar 1908, Vormittags 10 Uhr, festg
Lieferung von 5 Bojen nebst Ketten und Ankern für den Hafen von Gijön⸗Musel (Spanien). Verhandlung: 16. März 1908. Angebote sind bei der Sscretaria de la Junta de een. .23 einzureichen. Kostenvoranschlag: 13 416,46 Pesetas.
aution: o.
Lieferung von 22 t Kupfersulfat nach Madrid an die Direcciön general de Correos y Telégrafos, Carretas 10. Ver⸗ handlungstermin: 15. Februar 1908. Anschlag: höchstens 1025 Pesetas pro t. Vorläufige Kaution: 5 % des Wertes der Lieferung, end⸗ gültige: 10 % der Zuschlagsumme. (Gaceta de Madrid.)
Bau einer Wasserleitung in Angera (Italien, Prov. Como). 59 2” 75 000 Lire. Kautkion: 6000 Lire. Ver⸗ handlung: 15. Februar 1908, Nachm. 2 Uhr, bei der Gemeinde⸗ verwaltung.
Oeffentliche Bauten in Jassy (Rumänien). Am 10./23. März 1908, Vormittags 10 Uhr, wird im Justizministerium (direction de la comptabilitée) der Bau eines Gerichts⸗, Ver⸗ waltungs⸗ und Postgebäudes vergeben. Anschlag: 1 968 421,50 Fr. 5 Kaution 157 473,70 Fr. (Moniteur des Intérsts
Triels.
Die Konzession zum Betrieb einer Straßenbahn in Craiova (Rumänien) soll am 1. März (a. St.) 1908 bei der Primarie in Craiova vergeben werden. (Bukarester Tagblatt.)
Lieferung von Kautschukwaren nach Bukarest an die Ephorie der Zivilspitäler. Verlangt werden: 50 Kautschukkissen, 400 m Guttapercha, 800 m roter Kautschukschlauch für Irrigatoren, 1000 m vulkanisierte Wachsleinwand. Verhandlungstermin: 9. 22. Fe⸗ bruar 1908. Näheres bei der Ephorie der Zivilspitäler (Eforia Spitalelor Civile), Bukarest, Bulevardul Elisabeta. (Moniteur des Intérsts Matériels.)
Eine neue Schlachthausunternehmung in Serbien. Im Sommer 1907 wurde, wie das österr.⸗ung. Konsulat in Belgrad be⸗ richtet, der Englisch⸗Serbischen Handelsgesellschaft (Anglo-Serbian Tra- ding Comp. Limit) in London, vertreten durch Eduard Liebmann aus London, auf die Dauer von 25 Jahren die Konzession zur Schlachtung von Vieh und zur Konservierung des daraus bereiteten Fleisches sowie zur Verwertung der Nebenprodukte gewährt. Die Gesellschaft genießt die üblichen weitgehenden Begünstigungen des serbischen Industrie⸗ eeee. Das Unternehmen soll bei Paracin (wo von der Hauptlinie Belgrad— Nisch die nach Osten führende neue Linie abzweigt) als lokaler Monopolbetrieb errichtet werden, ein Kapital von mindestens 1,5 Millionen Francs investieren und den Betrieb in den inzwischen fertiggestellten Baulichkeiten im Juni 1910 aufnehmen. ö“ (Handels⸗Museum, Wien.)
Der Arbeitsmarkt in Deutschland im Jahre 1907.
„Die Gestaltung der Verhältnisse auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist im Jahre 1907 2, e— günstig gewesen, im letzten Viertel des Jahres hat sich im Anschluß an Krisenerse Geld⸗ und Warenmarkt auch auf dem Arbeitsmarkt ein Umschlag vollzogen, der aber bis zum Schluß des Jahres nicht den Charakter einer Krisis angenommen hatte. Im Gegenteil zeichnete sich die Arbeitslage in der deutschen Industrie durch eine relative Festigkeit gegenüber den internationalen wirtschaftlichen Vorgängen aus, sodaß der Rückgang der Beschäftigung sich im allgemeinen nicht stürmisch und nicht allgemein vollzog.
Im ganjen war das Jahr 1907 in seinem größeren Teil noch ein
bildete. Auf dem Waren⸗ und markte traten die ersten Anzeichen eines Umschlags bereits viel früher ein, schon im März, als die Zink⸗ und Kuͤpferpreise zu weichen begannen, während der Stand der Be⸗ schäftigung in der Industrie dadurch noch nicht berührt wurde. Nach einer vorübergehenden Erholung in den Sommermonaten kam es aus einer Reihe von Gründen — Ueberspannung der Anforderungen an 8 grobe Meth atnce, der 2 Ueber⸗ pannung amerikants anksystem — im Oktober in Amerika zu einer Bank⸗ und Geldkrisis schärfster Art, die durch ihre Rückwirkung auf den europäischen Geldmarkt auch hier die wirtschaftliche Konjunktur endgültig zum Weichen brachte.
In den letzten Monaten des Jahres ist dann ein Rückgang der Beschäftigung, der über das durch die Jahreszeit bedingte Maß hinaus⸗ geht, eingetreten, ohne daß indessen die Entwicklung auf dem Arbeits⸗ markt bis zum Jahresschluß, wie gesagt, einen krisenhaften Charakter
angenommen Der ü günstige Charakter des Jahres tritt darin hervor, daß es in der Prabuktibn durchgängig Rekordziffern geschaffen hat. Die Kohlenproduktion stieg für Steinkohlen auf.. t 143 222 886
Braunkohlen „ 62 319 802 Koks 11I11““
Wungen auf dem
Jahr internationaler deren Abschluß es gleichzeitig
Dam trat in dem senen Jahr duch eine starke Mehr⸗
einfuhr von Braunkohlen, der Verbrauch die folgenden Ziffern
erreichte: Steinkohlen t 136 934 494 E b““
“ 18 729 679, “ welche den bisher höchsten Verbr darstellen. Trotzdem wurde der Konsum nicht befriedigt, die Kohlen blieben während des ganzen Jahres knapp, die Preise erreichten am Jahresschlusse eine ungewöhn⸗ liche Höhe, die sie nach dem Beschluß des Kohlensyndikats auch während des ganzen Jahres 1908 behalten sollen.é Nach der Notiz der Essener Börse stellen sich am Jahresschluß im Vergleich mit den Preisen von Anfang 1906 und 1905 die Preise, wie folgt, in Mark pro Tonne, loko Werk:
I. Gas⸗ und Flammkohle
8 8828 jetzt Anfang 1906 Anfang 1905
Gasförderkohle. 12,50 — 15,00 11,50 — 13,50 11,00 — 12,50 Gasflammförderkohle. 11.50 — 12,50 11,00 — 11,50 9,7. 10,75 Flammförderkohle. 11,00 — 11,50 10,50 — 11,00 9,00 — 9,75
II. Fettkohle Förderkohle. 11,00 — 11,50 10,50 — 11,00 9,00 — 9,75 Bestmelierte Kohle 12,50 — 12,60 12,10 — 12,60 10,50 — 11,00 . 12,25 — 13,25 11,50 — 12,00 9,50 — 10,00
CEbee. III. Magere Kohl Förderkohle. . 10,00 — 11,00 9,50 — 10,50 7,75 — 8,75 1ö melierte 11,25 — 12,25 11,25 — 12,25 9,50 — 10,00 Anthrazitnußkorn I. 18,50 — 19,50 17,50 — 19,50 17,50 — 19,00 F 8 II. 20,00 — 23,50 20,00 — 23,50 19,50 — 23,00 Koks
Hochofenkoks . 16,50 — 18,50 15,50 — 17,50 15,00 Gießereikoks 19,00 — 21,00 18,00 — 19,00 16,00 — 17,00 Brechkoks I. und II. 21,00 — 24,00 18,00 —- 19,50 17,00 — 18,00.
Für 1908 sind durch Syndikatsbeschluß neue, wenn auch nur Tee-n e ench (um 25 bis 50 ₰ bei einzelnen Sorten) worden.
Bei dieser Sachlage waren die Werke während des ganzen Jahres voll beschäftigt, um den Anforderungen des Verbrauches genügen zu können. Der Kohlenbergbau wurde somit von dem gegen Jahres⸗ schluß einsetzenden Rückgang der Konjunktur auch nur wenig berührt.
Die deutsche Roheisenproduktion stieg im Jahre 1907 auf die Rekordziffer von rund 13 Millionen Tons gegen 12 ½ Millionen im Jahre 1906, rund 11 Millionen 1905, 10,1 Millionen im Jahre 1904 und 7,8 Millionen im Jahre 1901. Das Jahr 1907 liefert also den Rekord aller bisherigen Jahresziffern. Ein Nachlassen der Produktion ist hier erst in bescheidenem Umfang in den Monaten Novemher und Dezember eingetreten. Infolge der unsicheren wirt⸗ schaftlichen Verhältnisse und der Krisis auf dem Geldmarkt trat im zweiten Halbjahr ein starkes Sinken der Preise ein, das im Zusammen⸗ hang mit der Krisis auf dem Geldmarkt gegen Schluß des Jahres eine stärkere Zurückhaltung der Abnehmer zur Folge hatte. Das Jahr schloß indessen im garzen bei voller Beschäftigung der Werke. Trotz⸗ dem trat eine Verringerung des Arbeiterstandes ein, da die Werke angesichts der Entwicklung der Verhältnisse ihren Bestand an Arbeits⸗ kräften tunlichst einzuschränken suchten.
Wesentlich ungünstiger und wenig einheitlich war die Lage der eisenverarbeitenden Werke. .
Im großen und ganzen günstig konnten dagegen auch die 8vS Branchen der Maschinenindustrie das Jahr abschließen, insbesondere war die Arbeitslage bis zum Schluß günstig in allen Branchen, welche mit dem Eisenbahnwesen im Zusammenhang stehen, ins⸗ besondere dem Waggonbau, Lokomotivbau usw. Aber auch sonst melden die Maschinenfabriken, welche Bergwerks⸗ maschinern, landwirtschaftliche Maschinen, Werkzeugmaschinen, Textil⸗ maschinen herstellen, der Turbinenbau wie überhaupt der größere Teil des Maschinenbaues, daß, trotz Nachlassens der Aufträge zum Schluß des Jahres, das Jahr 1907 als zufriedenstellend beschäftigt bezeichnet werden muß. 8
Das Gleiche gilt auch ohne Einschränkung für die elektrische und chemische Industrie, die während des ganzen Jahres ange⸗ spannt zu tun hatten, um den Bedürfnissen gerecht zu werden. Wenn trotzdem die Arbeitslage für Elektrizitätsarbeiter nicht ganz so günstig war, wie man darnach hätte erwarten können, so liegt das an dem vermehrten Uebergang der elektrischen Industrie zu Arbeiter sparenden Maschinen. Die Lage der Textilindustrie wurde stark beeinflußt durch die Gestaltung der Preise der Rohmaterialien, insbesondere der Wolle und Baumwolle, die beide in dem größeren Teile des Jahres sehr hoch getrieben waren und erst gegen Schluß des Jahres ein Nachlassen zeigten. Die Beschäftigung wurde relativ weniger davon berührt, wenigstens hatten die Spinnereien während des ganzen Jahres reichliche Aufträge zu erledigen und Arbeitskräfte waren gesucht. Nicht so günstig lagen die Verhältnisse in der zweiten Hälfte des Jahres in einem Teil der Webereien, insbesondere der Wollwebereien, ohne daß aber die größere Geschäftsstille in diesen Zweigen einen ungewöhnlichen Umfang angenommen hätte. Im ganzen war auch für die Textilindustrie und ihre Arbeiter das Jahr 1907 ein günstiges Jabr.
Am stärksten machten sich die Störungen des Wirtschaftslebens durch die internationale Gestaltung des Geldmarktes geltend im Baugewerbe und infolgedessen in allen seinen Nebengewerben, der Holzindustrie usw. Bei dem sehr hohen Zinssuß waren die Bau⸗ gelder teils garnicht, teils nur unter großen Schwierigkeiten zu be⸗ schaffen. Außerdem wurde das Baugewerbe im Berichtsjahre in Deutschland durch eine Reihe großer Arbeitsstreitigkeiten erschüttert, von denen die große Aussperrung in der Holzindustrie und der Bau⸗ arbeiterstreik in Berlin, die sich insgesamt über beinahe 9 Monate erstreckten, die bedeutsamsten und folgenschwersten waren. Von hier aus zeigt sich auch in einer Reihe von Branchen, die mit dem Baugewerbe zusammenhängen, ein ziemlich starkes Nachlassen des Be⸗-
schäftigungsgrades gegen den Schluß des Jahres. Im ganzen war das
Jahr 1907 auf dem Arbeitsmarkt ein Jahr steigender Löhne unter
gleichzeitigem Herabgehen der Arbeitszeit, ein Prozeß, der erst im letzten
Drittel des Jahres im allgemeinen zum Stillstand kam.
Die Schilderung, die hier gegeben ist, findet stätigung in den Ziffern, an denen man im allgemeinen die Stärke der wirtschaftlichen Konjunktur zu messen pflegt. Einfuhr und Ausfuhr erreichten in den ersten 9 Monaten des Jahres 1907 die höchsten bisher erreichten Ziffern — die Einfuhr 6564,96 Millionen Mark, die Ausfuhr 5134,86 Millionen Mark.
ihre Be⸗
Die Einnahmen aus dem Güterverkehr der deutschen Eisen⸗ bahnen zeigten ein ständiges Steigen, das sich auch im Dejember
fortgesetzt hat.
Güterverkehreinnahmen der deutschen Eisenbahnen
gegen 1906 + oder —
auf
im ganzen 1 .
ℳ
5
122 388 763 116 515 516 133 453 036 128 249 672 129 581 333 125 258 669 133 083 069 139 515 368 135 761 011 153 156 035 144 390 285 125 662 606
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