eher schwere Verbrechen dort begangen sind, denn die ürsorge⸗ zöglinge waren sittlich durch und durch verwahrlost. Der Vorsteher der Anstalt hat selbst erklärt, daß er weder Zeit noch Ge⸗ legenheit hätte, von 9 Uhr Abends ab überhaupt noch eine Aussicht auszuüben. Junge Mädchen dürften es überhaupt nicht wagen, nach 9 Uhr auf die Straße zu gehen, weil die Zwangszöglinge die Beherrscher der ganzen Situation waren. Ununterbrochen passierten Diebstähle und schwere Einbrüche, von denen man annahm, daß sie von den Zöglingen begangen waren. Man soll nicht die ganze Zwangserziehung aufbeben, aber es wird in erster Linie zu erwägen sein, ob man die Zwangszöglinge nicht in verschiedene Klassen zu sondern hat, in solche, die geistig zurückgeblieben sind, solche, die noch der Besserung zugänglich sind, und drittens dighenioen, bei denen eine Besserung so gut wie ausgeschlossen ist. zu erwägen, würde für das Reichsjustizamt eine dankenswerte Aufgabe sein. Im Anschluß an die Verhandlungen des Abgeordnetenhauses über den Justizetat ist es mir aufgefallen, besonders in der öffentlichen Diskussion in der Presse, als ob sich als eine Folgeerscheinung des Moltke⸗Harden⸗Prozesses das Bedürfnis herausgestellt hätte, mehr als bisher die Unsittlichkeit auf künstlerischem und literarischem Gebiet zu be⸗ kämpfen, als ob eine neue lex Heinze nahte. Ich glaube, der Kollege Roeren wittert Morgenluft. Ich habe das ernsthafteste Bedenken, daß die Freiheit für Kunst und Literatur vielleicht im Interesse von Dunkelmännern manchen Beschränkungen unterworfen werden solle. Den gänzlichen Ausschluß von Sachverständigen bei allen Prozessen, wo Kunst, und Literaturfragen in Betracht kommen, halte ich für einen großen Fehler. In vielen Fällen wird die Unterlassung der Zuziehung den größeren Schaden im Gefolge haben. Ich habe auf den Tisch des Hauses Reproduktionen von Kunstwerken niedergelegt, die die Breslauer Staatsanwaltschaft in einer dortigen Papier⸗ handlung beschlagnahmt hat. Die hier reproduzierten Bilder und Postkarten waren öffentlich ausgestellt und sind im April 1907 von einem Polizeibeamten dort gekauft worden. Die Postkarten sind Reproduktionen von Gemälden, das Urteil des Paris von Peter⸗ Paul Rubens, die Venus und eine unbekleidete Mädchengestalt. Als Beweis für die Unzüchtigkeit der Bilder wurde von der Staatsanwaltschaft angeführt: Zeugnis des Kriminalkommissars Müller II. Es ist fraglich, ob der Kriminalkommissar die ge⸗ eignete Instanz für die Beurteilung des künstlerischen Wertes dieser Bilder ist. Das Unzulängliche ward hier Ereignis. Die Staats⸗ anwaltschaft in Breslau vermochte sich nicht auf den Standpunkt zu stellen, daß das Ewigweibliche hinanzieht, sondern meinte, daß es herabzieht. Die Begründung des Urteils der Strafkammer in Breslau ist einfach klassisch. Der Angeklagte wurde frei⸗ gesprochen aus der Erwägung, daß ihm das Bewußtsein der Rechts⸗ verletzung gefehlt habe, eingezogen aber müßten die Karten werden; denn sie seien öffentlich ausgestellt und objektiv unzüchtig. Jeder Vorübergehende ohne Unterschied des Alters und Geschlechts habe sie für 20 ₰ kaufen können. Es ist nicht gerade schön, von Kunstwerken in der Weise zu reden, wie es hier ein preußisches Gericht getan hat. Wir belämpfen alle miteinander einmütig alle pornographischen Erzeugnisse. Wenn Sie aber, lediglich objektiv, nicht subjektiv esprochen, fragen, was in diesem Prozeß pornographisch ist, o werden Sie He die Darstellung des Staatsanwalts und des Gerichts. Ueberall sucht man, die Kunst dem Volk näher zu bringen, und ich kann nicht einsehen, warum der Umstand, daß die Karten hillig verkauft wurden, sie objektiv unzüchtig machen sollte. Das lauft darauf hinaus, daß der Kaviar nicht für das Volk ist. Der Humor bei der Sache ist der, daß die Staatsanwaltschaft in Breslau sich gemüßigt fühlte, der ganzen Angelegenheit weiteren Fortgang zu geben, sie wandte sich mit einer Eingabe an die Staats⸗ anwaltschaft in Dresden mit dem Ersuchen, daß auch sie gegen die Kunsthandlung einschreiten sollte. Die Dresdener Staatsanwaltschaft lehnte es aber ab, da die Originale dieser Nachbildungen bekannte Kunst⸗ werke seien und anerkanntermaßen nur einen künstlerischen Zweck hätten. Deshalb sei auch die künstlerische Nachbildung eines solchen Kunstwerkes nicht unzüchtig. Es wurde in diesem Bescheide ferner auf die Entscheidung des Reichsgerichts verwiesen. Vielleicht wäre es in dem Breslauer Falle richtiger gewesen, Sachverständige hinzuzuziehen, damit nicht ein derartiges Urteil herausgekommen wäre, das auf die Dauer nur dem Fluch der Lächerlichkeit verfallen kann. Wir erachten es als einen geradezu unerträglichen Zustand, daß die Staatsanwaltschaft berechtigt sein soll, ein reichs⸗ gerichtliches Urteil aus eigener Machtvollkommenheit einfach als nichts zu behandeln und zu kassieren. Es ist notwendig, hier gesetzgeberisch einzuschreiten. Ich habe in meiner juristischen Praxis nie erkennen können, aus welchen Erwägungen heraus die Staats⸗ anwaltschaft aus öffentlichem Interesse Anklage erhebt. Vermutlich wird geprüft, welcher Partei der Betreffende angehört, um daraus einen Rückschluß zu ziehen, was das öffentliche Inter⸗ esse erheischt. er Redakteur des Oberschlesischen Tageblattes in Liegnitz brachte die irrtümliche Meldung, daß ein dortiger Steuerrat wegen Ueberschreitung des Züchtigungsrechts gegenüber seinem Stiefsohn zu 80 ℳ Geldstrafe verurteilt sei. Es hatten an diesem Tage zwei Verhandlungen stattgefunden, und durch ein Versehen des Metteurs in der Druckerei war die irrtümliche Meldung zu stande gekommen. Trotzdem der Redakteur dem Steuerrat jede Genugtuung anbot und sofort eine Berichtigung brachte, erhielt er den Bescheid, der gegen ihn deswegen gestellte Strafantrag könne nicht zurückgezogen werden, weil der Steuerrat sein Wort gegeben habe, es nicht zu tun. Der Staatsanwalt beantragte 500 ℳ Geld⸗ strafe, das Urteil lautete auf 80 ℳ In der wurde esagt, der Redakteur habe die Pflicht, sich über die Richtigkeit seiner eldungen vorher zu erkundigen. Die Staatsanwalte follten ge⸗ halten sein, den Preßbetrieb erst einmal kennen zu lernen, dann würden sie nicht etwas Unmögliches von den Redakteuren verlangen. Nachdem dieser Fall sich so harmlos aufgeklärt hatte, brauchte er wirklich nicht weiter verfolgt zu werden. Wegen desselben Vergehens ist der Redakteur der Breslauer Volkswacht angeklagt, aber nicht zu 80, sondern nur zu 30 ℳ verurteilt worden; vielleicht revidiert der Kollege Stadthagen hiernach entsprechend seine Anschauungen über Klassenjustiz. Sehr auffällig ist auch ein Fall der Bestrafung eines Verteidigers wegen Ungebühr vor dem Gericht in Hirschberg. Die Sache wurde schon im vorigen Jahre von mir erwähnt, war aber damals noch in der Schwebe. Der Verteidiger ist in eine Geldstrafe von 100 ℳ genommen und die Bestrafung unter Herabsetzung der Strafe auf 50 ℳ vom Ober⸗ landesgericht bestätigt worden. Bei dieser Entscheidung steht mir der Verstand still; denn der Fall mag liegen, wie er will, es hat hier unzweifelhaft eine Beschränkung der Rechte der Ver⸗ teidigung stattgefunden, die den Anfang der Beschreitung einer ab⸗ schüssigen Bahn bedeutet, wenn nicht dieser erste Schritt zurückgetan wird. In einem anderen Falle hat ein Rechtsanwalt sich von einem schlesischen Richter Vorhaltungen machen lassen müssen über die Haltung, die er einzunehmen habe. Ein Rechtsanwalt braucht sich doch wohl nicht wie ein Rekrut behandeln zu lassen; es ist un⸗ angemessen, derartig einen Rechtsanwalt unter gesellschaftliche Kontrolle zu stellen. Es ist kein Anlaß gegeben, die Rechts⸗ anwalte vor Gericht anders zu behandeln wie die Staatsanwalte, und ich wiederhole meine schon im Vorjahre erhobene Forderung, daß hier Abbilfe geschieht. Meine vorjährige Anfrage wegen des gegen die Freireligiösen geübten Gewissenszwanges hat keine Beantwortung gefunden; vielleicht war es eine Antwort, daß zwei Ressortminister inzwischen durch⸗ gesetzt haben, daß der freireligiösen Gemeinde in Breslau die nnahme eines Vermächtnisses von 20 000 ℳ verwehrt wurde. Mit den gesetzlichen und Gesetzeskraft habenden Bestimmungen steht dieses Vorgehen der beiden Minister in schneidendem Wider⸗ spruch. Das Schlimme ist dabei, daß bei Nichtgenehmigung die ganze dem preußischen Fiskus in den Schoß gaclt. offe aber doch, es wird noch gelingen, dem fiscus rapax diesen Bissen zu entreißen. Man soll doch nicht mit aller Gewalt die Unzufriedenheit im Reiche züchten. Auch auf meine vor⸗
jährige Ferderung der reichsgesetzlichen Regelung des Plakatwesens 1 das Interesse der Kinder und der Schule maßgebend sein. Nun hat
.-. ich damals keine Antwort bekommen. Wie drakonisch die
bestehenden preußischen Bestimmungen wirkt,
öüber die neue Ferienordnung sind daher wohlbegründet.
dafür habe ich auch heute wieder Belege auf den Tisch des Hauses
niedergelegt. Ein Anschlagsplakat der Sozialdemokraten in Breslau begann mit den Worten: „Gegen das preußische Wahlrecht, welches Bismarck das elendeste aller Wahlsysteme genannt hat!“ Es wird nicht viele geben, die in diesen Worten etwas besonders Staatsgefährl oder Umstürzlerisches erblicken; aber dieser Eingang mußte ü⸗ ebt werden, ebenso der nicht minder harmlose Schluß des Plakates, weil sonst das Plakat nicht an⸗ geschlagen worden wäre. Kurzsichtig ist es, bei dieser Gelegenheit nach der Art der Breslauer Volkswacht die Angriffe nicht gegen das völlig veraltete preußische Gesetz, sondern gepen die Bourgeois zu richten. Ein anderer Fall ist unendlich viel komischer. In vielen Städten ist ein Plakat der deutschen Brauer angeheftet worden, das ausführt, daß Goethe, Schiller, Luther usw. einem guten Trunk nicht abhold waren. Die Abstinenten verlangten, sich gegen dies Plakat wehren zu dürfen durch eine Zusammenstellung der Aussprüche der größten deutschen Dichter und Denker, womit sie be⸗ weisen wollten, basp igne Behauptung der Brauer der Wahrheit nicht entspreche. Der Polizeipräsident von Breslau erklärte, das erste Plakat dürfe angeschlagen werden, das zweite unter keinen Umständen, ev. würde der Plakatpächter sofort in Strafe genommen werden! Und dabei hatte er vollständig recht, denn gewerbliche Plakate dürfen angeschlagen werden, Abstinenten aber, die mit Plakaten Propaganda machen wollen, verletzen damit die Gesetze! Es ist unter diesen Umständen wirklich schwer, keine Satire zu schreiben. Es ist dringend notwendig, diese überlebten preußischen Bestimmungen aufzuheben und die Plakatgesetzgebung von Reichs wegen zu reformieren. Die Lächerlichkeit tötet; aber trotzdem ragen diese preußischen Be⸗ stimmungen noch in die Gegenwart hinein. Sollte der Staatssekretär in dieser Beziehung keine Zusage geben, so würde ich das im Interesse des Rechtsbewußtseins des deutschen Volkes sehr bedauern.
Hierauf wird die Vertagung beschlossen.
Persönlich bemerkt der
Abg. Heinze (nl.): Der Abg. Stadthagen hat mich als Zeugen dafür angeführt, daß ich das Bestehen einer „Klassen⸗ justik in dem Sinne, wie er es versteht, zugegeben hätte. Ich habe zugegeben, daß die Justiz Fehler begehe, auch deswegen, weil es dem Richter oft schwer falle, die Anschauungen anderer Klassen richtig zu beurteilen. Das ist etwas ganz anderes, als was die sozialdemokratische Agitation unter Klassenjustiz versteht. Die Tendenz des Abg. Stadthagen ging dahin, das Vertrauen in die deutsche Justiz zu erschüttern. (Präsident: Das ist nicht mehr persönlich.) Es ist mir ganz unverständlich, wie meine gestrigen Ausführungen so mißverstanden werden konnten.
Schluß 6 ½ Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 1 Uhr. (Zweite Lesung der Novelle zum Telegraphengesetz; Fortsetzung
der Beratung des Etats der Reichsjustizverwaltung)
Prenßischer Landtag. nggeten. 34. Sitzung vom 19. Februar 1908, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Ueber den Beginn der Sitzung, in der die Beratung des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unter⸗ richts⸗ und Medizinalangelegenheiten, und zwar die allgemeine Besprechung des Eklementarunterrichtswesens fortgesetzt wird, ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Abg. Gyßling (fr. Volksp.): Der Ministerialdirektor hat dasselbe ausgesprochen, wie früher Herr Kopsch. An der Fübigeen der Lehrerinnen ist nicht zu zweifeln. Wir haben immer die Meinung vertreten, daß mehr für die Ausbildung der Lehrerinnen geschehen solle. Herr Kopsch hat nicht gesagt, daß die Zahl der Lehrerinnen unverhältnismäßig gegenüber der Fabl der Lehrer gewachsen sei. Gerade in Schulfragen ist eine individuelle Behandlung notwendig. Der neue Erlaß über die Ferien der Volksschulen bedeutet für - Städte eine Einschränkung der Ferien von 80 auf 70 Tage. In manchen Städten hat eine Gleichlegung der Ferien der höheren An⸗ stalten mit denen der Volksschulen stattgefunden, und überall hat man dies mit Freudigkeit aufgenommen. Es ist nicht 7. 8 weshalb an diesem Zustande wieder etwas geändert werden soll. Die Stadtschuldeputation von Königsberg hat eine Petition betreffs Gleichlegung der Ferien an das Minssterium gerichtet. Das ist ab⸗ gelehnt mit der Begründung, daß die Ferien der Volksschule in der ganzen Monarchie gleich sein sollten. Es ist aber nicht ein⸗ zusehen, weshalb in dieser Hinsicht Uniformierung stattfinden soll, und weshalb anderseits die Ferien der Volksschule von denen der höheren Anstalten verschieden sein sollen. Die Köhen
an sollte die Schuldeputationen befragen; diese sind doch gerade die Organe, die in den inneren Schulangelegenheiten die Interessen der Bevölkerung am besten vertreten. Weshalb soll ein Volksschüler weniger Ferien haben als ein Schüler der höheren Anstalten? Die Anforderungen in der Volksschule sind doch erheblich gestiegen und erfordern dieselbe Anstrengung wie in den anderen Schulen. Es kommt hinzu, daß die Volksschüler auch noch für das wirtschaftliche Leben zum Mitverdienen gebraucht werden. Von denselben Familien geht oft ein Teil der Kinder in höhere Schulen, der andere Teil in die Volksschule, es treten da bedeutende Störungen in der Familie in bezug auf Schulversäumnisse infolge der Verschiedenheit der Ferien ein. Es ist auch nicht einzusehen, weshalb die Lehrer an den Volks⸗ schulen nicht dieselben Ferien haben sollen wie die Lehrer der höheren Schulen. Auch pädagogisch ist die Sache nicht ohne Bedeutung, denn die Kindesseele hat eine sehr scharfe Unterscheidung für solche ver⸗ schiedene Behandlung, die nur zu sozialen Mißhelligkeiten führen kann. Ich bitte den Minister, die Sache noch einmal zu prüfen.
Ministerialdirektor D. Schwartzkopff: Die Ferienordnung ist seit 3 Jahren hier eingehend erörtert worden, und jedesmal hat das
aus den Standpunkt der Regierung für berechtigt erklärt, den Antrag
opsch aber ausdrücklich abgelehnt. Es gab in ir bis 1904 die verschiedensten Ferienordnungen von 50 bis 81 Tagen. Selbst⸗ verständlich beklagte sich die Lehrerschaft eines Ortes mit 60 Tagen darüber, daß der Nachbarort 63 Ferientage hatte usw. Es wurde nun von Fall zu Fall dem Drängen einzelner Kreise nachgegeben, aber eine Besserung wurde nicht erzielt, denn z. B. Breslau konnte sich nach wie vor darüber beschweren, daß es 65, Königsberg aber 81 Ferientage hatte. Um diesen Berufungen ein Ende ju machen, hat der Minister 1904 eine einheitliche Ferienordnung mit 70 Ferien⸗ tagen erlassen. Der Minister Bosse hat noch in Uebereinstimmung mit der allgemeinen Anschauung 65 Tage für ausreichend erklärt, der Minister von Studt ging aber 1904 darüber hinaus. Es sind dagegen sehr erhebliche Bedenken geltend gemacht worden; denn wenn schon in den höheren Ständen die Eltern fragen: „wann faͤ
wo die Mutter tagsüber bei der Arheit ist. richtsverwaltung gefragt: Will man die Kinder so lange unbeaufsichtigt lassen? Es ist uns geraten worden, uns darüber bei den Schuldepu⸗ tationen zu informieren. Die Berliner Schuldeputation hat uns 1905 erklärt, sie bitte, von einer anderweiten Regelung der von uns festgesetzten Ferienordnung abzusehen, obgleich einige Bezirksvereine sich dafür
eigen gemacht und z. B. darauf hingewiesen, daß auch die Volks⸗
schulen im Sommer 5 Wochen Ferien haben, also den höheren Schulen anch nc sind, eine Zurücksetzung im Sinne sozialer Ungleichheit
omit nicht stattfinden kann. J
chaft dadurch getroffen wird, aber hier muß in erster Linie
der Abg. Gyßling angeregt, daß da, wo längere Ferien bestanden,
1 ngt denn endlich nur wieder erst die Schule an!“, um wieviel mehr in den niederen Klassen, Da hat sich die Unter⸗
gebe zu, daß die Volksschullehrer⸗ auf dem Standpunkte stehe, daß derartige rohe Züchtigungen, wie sie
diese doch bleiben könnten. Beachten Sie dazu, daß durch die Ferien⸗
ordnung von 1904 an 56 000 Orten die Ferien verlängert worden sind, und nur in 68 Orten eine Verkürzung stattgefunden hat, und zwar davon in 23 Orten um 1 bis 3 Tage, in 25 Orten um 4 bis 8 Tage und nur in 20 Fällen um 10 Tage. Würden wir dieser Anregung folgen, so würden z. B. die Lehrer von Breslau, die statt 65 jetzt 70 Tage haben, sich wieder auf Berlin mit 80 Tagen Ferien berufen. Um keine Bevorzugung einzelner Städte eintreten
zu lassen und um die berechtigten Berufungen der Lehrer unmöglich
zu machen, ist diese einheitliche Ferienordnung Sen worden. Ernst (fr. Vgg.) wünscht, daß man den Streit zwischen den Klassenlehrervereinen und den Rektoren nicht noch durch die Ab⸗ sonderung der Rektoren vertiefen, daß man den Gegensatz nicht noch verschärfen möge, und bemängelt die Verfügung über die Bildung des Schulvorstandes; wenn darin z. B. gesagt sei, daß un⸗ geeignete Lehrer nicht in den Schulvorstand kommen dürften, so seien solche Elemente überhaupt zum Lehramt ungeeignet. Der Redner bespricht ferner den Lehrermangel, dem durch die Vermehrung der Seminare allein nicht abgeholfen werde. Bei der Aufnahmeprüfung für die Seminare seien in einem Falle 58 % durchgefallen; dies be⸗ weise, daß man bei der Aufnahme der Präparanden nicht vorsichtig genug sei. Die Vermehrung der Lehrkräfte halte mit der Zunahme der Bevölkerung nicht gleichen Schritt. In der Ferienordnung nehme die Regierung wiederum eine Differenzierung zwischen den höheren Schulen und der Volksschule vor, was im Interesse der sozialen Gerechtigkeit verurteilt werden müsse. Prof. Eulenburg, eine an⸗ erkannte Autorität, habe auf dem internationalen Hvogienekongreß in Berlin im vorigen Jahre sogar eine Feriendauer von 90 Tagen ver⸗ langt. In den ländlichen Schulen würden die Ferien vielfach ver⸗ längert, die ländliche Jugend habe daher viel mehr Ferien als die städtische. Der neue Ferienerlaß bilde ein Vermächtnis des ab⸗ gegangenen Ministers; der jetzige Minister möge sich die Sache noch einmal überlegen und die Meinung der Eltern und der Aerzte hören.
Geheimer Oberregierungsrat Altmann gibt auf einige Fragen des Vorredners bezüglich des Lehrermangels Auskunft und verweist unter anderem auf die Zahl der Lehrer, die aus dem Lehrerberuf in andere Dienste übergetreten, bezw. auch zu den Präparandenanstalten und Seminaren, sowie in andere Staaten übergegangen sind. Ueber die Zahl derjenigen Lehrer, die zu Anstalten übergegangen sind, die nicht zur Volksschule gehören, lasse sich zur Zeit eine statistische Auskunft nicht geben, da das Material darüber noch fehle; hoffentlich werde aber in späteren Jahren darüber weiteres mitgeteilt werden können. Insbesondere könnten auch ziffermäßige Angaben über diejenigen Lehrer nicht gemacht werden, die ins Ausland gegangen sind. Der
.Ernst habe eine mangelnde Ausbildung der Präparanden daraus geschlossen, daß in einem Fall bei der Früfung für das Seminar 58 % nicht bestanden hätten. In diesem Fall handele es sich um eine Verwechslung mit der zweiten Lehrerprüfung. Die große Zahl der Durchgefallenen sei bedauerlich, aber es sei daraus zu schließen, mit welcher Sorgfalt trotz des Lehrermangels die Unterrichts⸗ verwaltung bei der Auswahl der definitiv anzustellenden Lehrer ver⸗ fahre; die Unterrichtsverwaltung tue also das Ihrige, um die preußischen Volksschulen auf der Höhe zu erhalten. Bei der Zurückhaltung von Lehrern vom Schulvorstand handle es sich darum, daß einige Gemeinden einstweilen angestellte junge Lehrer in den Schulvorstand entsendet hätten, und das sei die Ver⸗ anlassung zu der Verfügung für diese speziellen Fälle gewesen, daß solche Lehrer für den Schulvorstand nicht geeignet seien.
Abg. von Ciarlinski (Pole) kommt auf die vor⸗ jährigen Beschwerden des Abg. Stychel zurück, der nachgewiesen habe, daß die Informationen des Ministeriums über Schulangelegen⸗ heiten im Osten unzuverlässig seien. Der Religionsunterricht auf der Unterstufe solle in der Muttersprache erteilt werden, dies geschehe aber nicht. Vielfach versuchten die Lehrer, den Unterricht in deutscher Sprache durch schwere Prügelstrafen, ja sogar durch Mißhandlungen durchzusetzen. Leider kämen auch in anderen Landesteilen solche Miß⸗ handlungen vor. Der Redner führt mehrere Fälle angeblicher Mißhandlungen an und schließt mit dem Worte: „Fort mit der Prügelstrafe!“
Minister der angelegenheiten Dr.
Ich will nicht auf alle Details eingehen; aber ich kann doch die Ausführungen des Herrn Vorredners nicht ganz unwidersprochen in die Welt hinausgehen lassen. Der Herr Vorredner hat zuerst von dem Gebrauch der polnischen Sprache beim Schulunterricht ge⸗ sprochen. Es steht ja in dieser Beziehung fest, daß sowohl nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts wie nach der des Oberverwaltungs⸗ gerichts die Unterrichtsverwaltung in der Wahl der Unterrichtssprache freie Hand hat. Demgemäß ist im Jahre 1873 die dem hohen Hanse bereits mehrfach bekannt gegebene Bestimmung getroffen worden, daß in allen Volksschulen der gemischtsprachigen Gebiete die deutsche Unterrichtssprache anzuwenden ist. Während dabei in den übrigen in Betracht kommenden Landesteilen zu Gunsten des Religions⸗ unterrichts nur für die Unterstufe der Gebrauch der polnischen Sprache zugelassen werden sollte (Zuruf bei den Polen: sechsjährigen Kindern), blieb in der Provinz Posen für die Religion grundsätzlich auf allen Stufen die Unterrichtssprache polnisch; es wurde jedoch der Vorbehalt gemacht, daß, wenn die Kinder in der deutschen Sprache so weit vor⸗
Fülchen. Unterrichts⸗ und Medizinal⸗ olle:
geschritten seien, daß ein richtiges Verständnis auch bei der in dieser
Sprache erfolgenden Unterweisung von ihnen erwartet werden könne, das Deutsche in der Religion auf der Mittel⸗ und Oberstufe als Unterrichtssprache mit Genehmigung der Bezirksregierung eingeführt werden könne. Die Schulaufsichtsbehörde ist angewiesen worden, diese Bestimmung im Auge zu behalten und danach zu prüfen, ob die Kinder bei Anwendung der deutschen Sprache dem Religionsunterricht folgen können. Ist das der Fall, so soll der Unterricht deutsch erteilt werden. Meine Herren, ich glaube, das ist doch ein Standpunkt, der bei einer rein sachlichen Beurteilung nur als richtig anerkannt werden kann.
Wenn nun darauf hingewiesen wird, daß ja in einzelnen Schulen, in denen die Kinder dem Religionsunterricht auf der Unterstufe in deutscher Sprache noch nicht folgen können, trotzdem die deutsche Sprache gewählt wird, so liegt das in manchen Fällen daran, daß wir eben einen polnisch redenden Nachwuchs bei den Volksschullehrern in viel zu geringem Maße haben. Es ist dies darauf zurückzuführen, daß die polnische Presse geradezu davor warnt, in den Volsschullehrer⸗ stand einzutreten. Ja, meine Herren, wenn wir keinen genügenden Nachwuchs haben, der polnisch sprechen kann, und die dort angestellten Schullehrer deutscher Muttersprache in der kurzen Zeit ihres Aufenthalts sich die polnische Sprache nicht aneignen köͤnnen, so bleibt natürlich nichts anderes übrig, als auch im Religions⸗ unterricht mit der deutschen Sprache schon auf der Unterstufe iu beginnen. Im übrigen ist aber die Unterrichtsverwaltung bemüht,
ausgesprochen haben; sie hat sich im wesentlichen unsere Gründe zu, den Bestimmungen zu entsprechen, die ich mir mitzuteilen soeben
erlaubte.
Dann ist der Herr Vorredner auf die körperlichen Züchtigungen in den Volksschulen gekommen. Ich darf bemerken, daß ich natürlich
allerdings leider ab und zu vorkommen, von mir verabscheut werden, und auch weiter, daß ich in schärfster Weise gegen diejenigen vorgehe⸗
bei denen eine solche Ueberschreitung des an sich angebrachten
Züchtigungsrechts festgestellt wird.
Es ist vorhin ein Fall erwähnt worden, wo ein Knabe in einer wohen Weise von dem Lehrer gezüchtigt worden ist. Gegen den Lehrer schwebt, da der Knabe am folgenden Tage nach der Züchtigung gestorben ist, eine gerichtliche Untersuchung und es handelt sich bei dem gerichtlichen Verfahren um die Feststellung, ob der Tod infolge dieser Züchtigung oder aus sonstiger Ursache eingetreten ist. Im übrigen sind bezüglich der Züchtigungen bereits von meinen Herren Amtsvorgängern wiederholt einschränkende Bestimmungen erlassen worden. Ich möchte von diesen nur eine zitieren aus dem Jahre 1905, die nach meiner Meinung durchaus zutreffende Anordnungen enthält. Es heißt dort:
„Muß die Schulzucht überall mit väterlichem Sinne, und zwar nicht minder mit väterlicher Freundlichkeit, als mit vãterlichem Ernste gehandhabt werden, wenn die Jugend Zutrauen zur Schule gewinnen und sich deren Leitung gern überlassen soll, so gilt dies ganz besonders für Schulen mit Kindern nicht deutscher Mutter⸗ sprache. Mißgriffe in dieser Hinsicht sind geeignet, den Kindern nicht nur die deutsche Schule, sondern deutsches Wesen überhaupt
u verleiden und die Erreichung der erziehlichen Zwecke des Unter⸗ richts aufs ernstlichste zu gefährden. Andererseits wird eine bei allem gebotenen Ernste freundliche und wohlwollende Schulzucht eines günstigen Einflusses auf die überwiegende Mehrzahl der Kinder nicht verfehlen Ich vertraue, daß die Königliche
Regierung und die ihr nachgeordneten Schulaufsichtsbeamten gewohnheitsmäßiger, unangebrachter oder übertriebener Anwendung körperlicher Züchtigung unnachsichtlich entgegentreten werden.“ C habe diesen Erlaß, da sich einzelne Fälle kaum verhüten lassen, in denen manche Lehrer zu weit gehen, nochmals den sämtlichen Regierungen nachdrücklich in Erinnerung gebracht. Mein Erlaß ist speziell von der Regierung in Posen sämtlichen Kreisschulinspektoren des Bezirks mitgeteilt worden mit dem Kinweis, daß die Lehrer vor einer unbesonnenen Handhabung der Schulzucht aufs ernstlichste zu warnen sind, und daß Verfehlungen in dieser Beziehung auf das strengste geahndet werden würden. Mehr ist nicht möglich. Daß bei sber 100 000 Lehrpersonen ab und zu mal ein einzelner in der Hand⸗ habung des Züchtigungsrechts zu weit geht, wird, glaube ich, immer vorkommen, und dafür darf man, wenn man auch den Einzelfall nicht entschuldigen kann, doch den Lehrerstand als solchen nicht verantwort⸗ lich machen und jedenfalls daraus keine verallgemeinernden Schlüsse ziehen. (Sehr richtig!)
Ich kann nur nochmals betonen: ich werde in jedem Fall, in dem über das zulässige Maß hinausgegangen ist, aufs strengste einschreiten; aber ich möchte weiterhin auch bitten, gerade die schwierige Stellung der Lehrer in der Provinz Posen zu berücksichtigen. Wenn die Eltern dort so gegen die Schule gehetzt werden, daß es bis zu einem Mordanschlag gegen einen Lehrer ge⸗ kommen ist, kann man es schließlich verstehen, wenn die Lehrer argwöhnisch, mißtrauisch werden, und wenn daraus Verstim⸗ mungen erfolgen, die vielleicht einmal einen Lehrer nervös machen und ihn über das zulässige Maß hinaus eine Züchtigung vornehmen lassen. (Bravo!)
Abg. Dr. Schroe der⸗Cassel (nl.) erwähnt einen Fall im Kreise Cassel, wo die Wahl eines jüdischen Gemeindemitgliedes in den Schul⸗ vorstand beanstandet worden sei. Nach dem Schulunterhaltungsgesetz hätten die jüdischen Lehrer ein Recht, ihre Kinder in die Volksschule zu senden. Ferner wünscht der Redner die ulassung von jüdischen Hospitanten zu Präparandenanstalten; in Eschwege sei diese Zu⸗ lassung verweigert worden, weil die Präparandenanstalten kon⸗ fessionellen Charakter hätten. Von der neuen Ferienordnung seien auch die Schulen in der Stadt Cassel betroffen worden, denen die
erien verkürzt würden. Was allgemein in der Bevölkerung gewünscht ei, sei nicht eine Uniformierung der Ferien der Volksschule, sondern eine Gleichlegung der Ferien der Volksschulen mit denen der höheren Lehranstalten. Dieser Wunsch der Volksschullehrer sei seinerzeit in diesem Hause von Angehörigen aller Parteien unterstützt worden. Es sei auch nicht einzusehen, weshalb für die Volksschule kürzere g. genügen sollten; das Bedürfnis sei eher umgekehrt; denn die an den Volksschulen arbeiteten unter viel ungünstigeren Ver⸗ hältnissen als die Lehrer an den höheren Schulen, da die Schülerzahl in den Klassen größer und die Besoldung der Lehrer geringer sei. Man sage, die Eltern wollten selbst nicht so lange Ferien; aber die Schule sei doch nicht bloß dazu da, den Eltern die Kinder abzunehmen. Es sei auch ein Gebot der ausgleichenden sozialen Gerechtigkeit, die
Volksschule und die Volksschullehrer nicht schlechter zu behandeln,
damit die Volksschule nicht wieder den Charakter der Armenschule
omme. In Posen sei durch eine Verfügung den Landlehrern ge⸗ stattet worden, den Schülern zu Gunsten der Ernte nach Ablauf der Ferien noch einen weiteren Urlaub zu geben. Zu solchem Zwecke werde also eine Verlängerung der Ferien zugelassen. In anderen Staaten habe man die Ferien verlängert, nur in Preußen würden sie verkürzt. Der Redner fragt ferner den Minister, ob dessen Erklärung, daß eine Ortsschulinspektion für die Rektoratsschulen nicht nötig sei, sich auch auf die Fälle beziehen solle, wo statt eines Rektors ein Haupt⸗ lehrer an der Spitze der Schule stände.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Holle:
Bezüglich der Rektoren unterstellten Volksschulen habe ich ja bereits erklärt, daß da, wo Rektoren sind, für den Ortsschulinspektor kein Raum ist. Wenn auch hier und da aus älterer Zeit neben dem Rektor der Ortsschulinspektor weiter fungiert, so handelt es sich dabei um Uebergangsverhältnisse. Es waren z. B. ältere Geistliche, denen man es nicht antun wollte, sie darum, weil eine neue Rektorstelle eingerichtet war, von dieser Pflicht zu entbinden. Man ist da mit einer gewissen Schonung vorgegangen. Aber ich habe keinen Zweifel, daß in solchen Fällen bei der nächsten Vakanz, die vielleicht durch das Ableben oder durch Versetzung des Geistlichen eintritt, auch der neu hinzutretende nicht wieder mit den Funktionen des Ortsschulinspektors betraut wird, sodaß also auf die Dauer neben
8 Rektor ein Ortsschulinspektor nicht steht. (Abg. Schroeder⸗Cassel: ravo!)
Ob man dazu übergehen kann, was der Perr Vorredner angeregt hat, auch neben dem Hauptlehrer, der ja in der Regel da besteht, wo drei Klassen sind, ebenfalls auf den Ortsschulinspektor zu verzichten, das wird davon abhängen, wie die Stellung des Hauptlehrers zu den ihm unterstellten Lehrern gestaltet wird. Ich bin nicht in der Lage, heute dazu schon Stellung zu nehmen, weil gerade bei Ordnung der Stellung des Rektors zu den ihm unterstellten Lehrern vielfach schon Konflikte hervorgetreten sind, weil sich die Lehrer weniger gern dem
ektor unterordnen. Ich muß also zunächst mal prüfen, wie die lokalen, die in der Praxis stehenden Schulbehörden über die zukünftige
Ausgestaltung der Stellung des Hauptlehrers denken ie twortung der Frag ͤab. 1
Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat von Bremen erklärt, daß er die tatsächlichen Verhältnisse in dem Falle, wo ein jüdisches Mitglied des Schulvorstandes in Cassel nicht bestätigt worden sei, noch nicht über⸗ sehen könne; eine Entscheidung werde nach der näheren Prüfung getroffen werden. Auch die Zulassung jüdischer Hospitanten in Esch⸗ wege werde je nach dem Ergebnis der Prüfung entschieden werden.
Abg. Dr. Dittrich (Zentr.) weist darauf hin, daß in Oberschlesien selbst in rein polnischen Gegenden deutsche Lehrer angesteüt würden, und unterstützt sodann die Ausführungen des Abg. von Brandenstein. Die Beschäftigung von Lehrerinnen trage zur Milderung des Lehrer⸗ mangels bei. In der Besoldungsfrage unterstützt der Redner gleichfalls die Ausführungen des Abg. von Brandenstein; die Lehrerinnen leisteten dasselbe wie die Lehrer und müßten deshalb gleich besoldet werden. An der Ortsschulaufsicht solle man nicht rütteln, und der Fortfall derselben bei den Rektoratsschulen sei bedauerlich; es werde auch neben den Rektoren noch Raum für einen Ortsschulinspektor sein. Der Redner nst dann weiter einen Fall zur Sprache, wo in einer Bromberger Vorstadt eine längst des Neubaues bedürftige Volksschule bisher gänzlich vernachlässigt sei, wodurch besonders die katholische Be⸗ völkerung in Mitleidenschaft gezogen sei. Die Regierung solle einen Betrag von 140 000 ℳ zusteuern.
Regierungskommissar, Regierungsassessor von Eynern erwidert, daß es sich in dem Bromberger Falle um ein Provisorium handle, welches bisher einen befriedigenden Stand gezeigt habe. Die Re⸗ gierung werde aber die S im Auge behalten und die nötigen Aenderungen treffen, wenn dazu Bedürfnis und Möglichkeit vorliege.
Abg. Rzesnitzek (frkons.): Wer den Verhandlungen über den Kultusetat in den letzten Jahren mit Aufmerksamkeit gefolgt ist, der wird sich dem Eindruck nicht verschließen können, daß die Schul⸗ der Ostmark in den Mitgliedern der polnischen Fraktion sehr geschickte Verteidiger gefunden hat. Wenn man bei der Verbreitung der polnischen Presse, welche in jedem Hause Eingang findet, und bei der wohlorganisierten persönlichen Agitation im Laufe eines Jahres nur so wenige Einzelfälle gegen die Schule vorführen kann, so ist das ein schlagender Beweis, daß sie sich in ihren Veranstaltungen auf dem richtigen Wege befindet. Es lag mir fern, Ausführungen all⸗
emeiner Natur zu machen und hier Fragen aufzurollen, über welche einungsverschiedenheiten herrschen. lag mir aber daran, den Bemerkungen des Abg. von Jazdzewski den⸗Agitationsstoff zu nehmen und sie auf das sachliche Maß zurückzuführen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch einmal hervorheben, daß es deutsche Parteien ge⸗ wesen sind, die die Ausdehnung der Schulunterhaltung auf die Ost⸗ mark gewünscht und sie wiederum hier in dem Hause an eregt haben, um zu zeigen, daß wir bereit sind, unseren polnischsprechenden Mit⸗ bürgern die Segnungen einer geregelten Schulunterhaltung zukommen zu lassen. Wenn die Einzelfälle, die in bezug auf die körperlichen Strafen hier vorgebracht werden, zeigen, mit welcher Milde die Schul⸗ zucht wird, wenn wir einerseits nicht dazu beitragen wollten, den Religionsunterricht zu germanisatorischen Zwecken zu ver⸗ wenden, so wollen wir durch unsere sachlichen Darlegungen verhindern, daß 8 mißbraucht wird, um polonisierenden Bestrebungen Vorschub zu leisten. Darauf wird die allgemeine Besprechung geschlossen.
Abg. Kopsch (fr. Volksp.) verwahrt sich gegenüber dem Abg. von Se. obsc. dagegen, daß er für eine Zurücksetzung b. Lehrerinnen gegenüber den Lehrern plädiert habe.
Die Ausgaben für die Lehrer⸗ und Lehrerinnenseminare werden bewilligt.
Bei den Ausgaben für die Präparandenanstalten dankt
Abg. Kriege⸗Bentheim (frkons.) der Regierung für die im Etat zur Verfügung gestellten Mittel zur Hebung des Mangels, an reformierten Lehrern in den Kreisen Bentheim und Lingen und bittet den Minister, außer der Weiterbewilligung der Beträge von 1500 ℳ für die bereits eingestelllten Zöglinge einen weiteren Betrag von 2000 ℳ zu bewilligen.
Abg. Lüd icke (frkons Atritt für Errichtung einer Präparandenanstalt in Fehrbellin ein. Die Stadt biete alle Erfordernisse, die man an den Ort einer Präparandenanstalt stellen kann; namentlich würde die geschichtllche Vergangenheit der Stadt anregend auf die Präparanden wirken.
Abg. Volger (frkons.) wünscht die Err anstalt in Einbeck; der Minister möge sich bei der ersten sich bietenden Gelegenheit dieser Stadt erinnern. Gerade die kleineren Städte eigneten sich aus wirtschaftlichen Gründen mehr für diese Art von Anstalten als größere Städte.
Abg. Ernst (fr. Vag.) tritt für eine Verbesserung der Gehalts⸗ verhältnisse der Präparandenlehrer ein, damit diese dauernd in ihrem Amte erhalten werden könnten, und wünscht ferner, daß den Lehrern beim Uebertritt an das Seminar die Dienstzeit als Präparandenlehrer angerechnet werde.
Abg. Bachmann (nl.) verweist darauf, daß es schwer sei, für die Präparandenanstalten den geeigneten Ersatz an Schülern zu erhalten, und empfiehlt deshalb, den Präparandenanstalten besondere Fürsorge zu widmen. 3
Abg. Dr. Arendt (frkons.): Die Frage des Ersatzes der Volks⸗ schullehrer gewinnt immer mehr an Bedeutung. Ich sehe ab von der Frage der Gehaltsverbesserung, aber ich habe aus den Verhandlungen der Kommission den Eindruck, daß die Präparandenanstalten sich nicht der Sorgfalt erfreuen, auf die es ankommen würde. Sie sind die Grundlage für die Lehrerbildung, sie müssen organisch eingegliedert werden in unser gesamtes Lehrerbildungswesen. Die Stellung der Präparandenlehrer muß erheblich herausgehoben werden. Es ist nicht richtig, daß die Präparandenanstalten nur ein kurzes Uebergangs⸗ stadium für die Lehrer bilden; die Stellung der Präparanden⸗ vorsteher muß gehoben werden, und die Präparandenlehrer müssen in organische Verbindung mit den Seminaren gebracht werden. Seitdem staatliche Präparandenanstalten errichtet werden, sind die geltenden Bestimmungen vollständig antiquiert. Wichtig ist ferner, daß die Präparandenanstalten möglichst über das ganze Land ver⸗ breitet werden. „Diese Anstalten empfehlen sich am meisten für die kleineren Städte. Je mehr wir mit diesen Anstalten auf das Land gehen, auf desto unverdorbenere Elemente werden wir rechnen können. — Der Redner wünscht die Errichtung einer Präparanden⸗ anstalt im Mansfelder Kreise, und zwar in der Stadt Wippra. Hoffentlich werde das Präparandenwesen durch den neuen Minister in gelangen, hier sei wirklich eine weitschichtigere Reform am Platze.
Abg. Gleim (nl.) führt darüber Klage, daß den Hilfslehrern an den Präparandenanstalten die Dienstjahre vom 21. Lebensjahre an nicht angerechnet werden. Sie ständen damit hinter den Volksschul⸗ lehrern zurück, denen diese Dienstjahre bei der Berufung an eine Präparandenanstalt angerechnet würden.
Bei den Ausgaben für das Turnlehrerbildungs⸗ wesen weist
Abg. von Schenckendorff (nl.) erneut auf die räumlichen Mängel der Zentralturnanstalt in Berlin hin, die zwischen hohen Häuser⸗ mauern eingeklemmt sei und keinen Spielplatz habe. Es sei ein Neubau geplant, und er bitte die Regierung um nähere Auskunft.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Holle:
Meine Herren! Ich kann zu meiner Freude dem hohen Hause mitteilen, daß die Verhandlungen wegen Verlegung der Landesturn⸗ anstalt zu einem guten Ende geführt haben. Die Anstalt liegt be⸗ kanntlich jetzt an der Friedrichstraße, rings umbaut von Häusern, sodaß dort zu Uebungen im Freien hinreichendes Gelände nicht zur Ver⸗ fügung steht. Außerdem ist das dortige Terrain so beschränkt, daß den Bestrebungen der Verwaltung, die Anstalt weiter auszudehnen und damit dem größeren Bedürfnis nach Ausbildung von Personal zu entsprechen, dort nicht mehr genügt werden kann.
Es war zunächst mit Charlottenburg verhandelt worden und auch ein an sich günstiges Angebot gemacht; es war auch Wasser in der
gtung einer Präparanden⸗
Nähe, sodaß für Wassersport Gelegenheit war.
lag in der Nähe der Siemenswerke, und es war daher zu befürchten, daß bei der zunehmenden Ausdehnung des Werkes den hygienischen Ansprüchen nicht mehr voll genügt werden könnte. Außerdem ergeben sich Schwierigkeiten wegen der Inkommunalisterung. Es ist daher auch mit Spandau verhandelt worden, und diese Verhandlungen sind zum Abschluß gekommen. Wir bekommen dort ein großes Terrain von 6 ha, also 24 Morgen, des Stadtwaldes (bravo 0), unmittelbar an dem neuen Stadtteil, der sich an der aufgehobenen und in der Ein⸗ ebnung befindlichen Umwallung entwickelt, unabhängig von dem Stadtschullehrerseminar, mit dem die Turnanstalt in demselben Ge⸗ bäude sich jetzt befindet, übereignet. Das Grundstück ist von den bau⸗ sachverständigen Kommissaren der beiden Minister besichtigt worden, ganz besonders geeignet für diesen Zweck befunden und auch von dem Direktor der Landesturnanstalt in jeder Weise empfohlen worden. Von dem Grundstück ist in 15 Minuten die Havel zu erreichen, sodaß also auch für den Rudersport dort die beste Gelegenheit ist. (Sehr gut!) So sind dort alle Voraussetzungen vorhanden, um die
Landesturnanstalt so zu entwickeln, wie es die Unterrichtsverwaltung
im Interesse der Fortbildung unseres Turnens und unserer Leibes⸗ übungen nur wünschen kann. (Bravo!)
Bei den Ausgaben für die Schulaufsicht kommt
Abg. Fischbeck (fr. Volksp.) auf die Verfügung der Liegnitzer Schulabteilung gegen die Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung zurück und bemerkt: Bei der Debatte darüber wurde ven der rechten Seite vor diesem Verein gewarnt, weil er von einem politisch frei⸗ sinnigen Manne geleitet werde. Und es wurde gesagt, Tews sei ein politischer Agitator. In der Liegnitzer Schulabteilung scheint aber auch ein politischer Agitator zu sitzen. Der Reichskanzler hat bei der Wahlrechtsdebatte gesagt, daß die Regierung dafür sei, daß die Be⸗ amten bei dem Wahlkampf sich zurüͤckhalten müßten gegenüber den Parteien. Das Verhalten des Liegnitzer Schulrats ist geradezu ein Schulbeispiel, wie man von seiten eines königlichen Beamten nicht in das Parteitreiben eingreifen soll. Wenn dieser Mann im Wahlkampf in demagogischer Weise den Stadt⸗ verordnetenvorsteher in Liegnitz heftig angegriffen hat, so wider⸗ spricht das den Worten des Reichskanzlers. Der Minister sagte neu⸗ lich, man solle diesen Mann hier nicht angreifen, da er sich nicht verteidigen könne; aber wir müssen doch fragen, wie es mit der Befolgung der Mahnung des Reichskanzlers draußen im Lande gehalten wird. Und diese Bemerkung des Ministers verschiebt das Verhältnis zwischen dem Minister und den
rdneten. Wir können 599 nicht allein gegen den Minister sprechen, sondern müssen das Verhalten aller Beamten kritisieren dürfen. Wir verlangen keinerlei Bevorzugung von irgend welchen Behörden, aber wir müssen uns dagegen daß ein Schulrat in demagogischer Weise Uns bekämpft.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Holle:
Bei der Besprechung der Liegnitzer Angelegenheit hat ein Herr der Rechten darauf hingewiesen, daß der Geschäftsführer des Vereins zur Förderung von Volksbibliotheken ein politischer Parteimann wäre, für seine parteipolitische Richtung auch sonst vielfach agitierte, und
daß darauf wohl zurückzuführen wäre, daß er bei der Auswahl von
Büchern etwas zu weit gegongen sei. Dieser Umstand hat dem ge⸗ ehrten Herrn Vorredner Veranlassung gegeben, darauf hinzuweisen, daß bei der Liegnitzer Regierung ein Beamter, der mit der Erledigung dieser Angelegenheit in gar keiner Verbindung steht, sich befinde, der auch ein politischer Parteimann sei und diese politische Stellung in einer nach seiner Meinung unzutreffenden Weise betätigt habe. Ich habe mich damals dagegen gewandt, daß ohne direkten Zu⸗ sammenhang mit der vorliegenden Frage der eine Beamte heraus⸗ gegriffen wird, der vielleicht dem einen oder anderen unsympatisch ist, und in einer derartigen Weise persönlich behandelt wird. Ich glaube, das ist an sich der richtige Standpunkt. (Sehr richtig! rechts.)
Wenn im übrigen gesagt worden ist, daß man von diesem
Beamten nicht wüßte, wozu er eigentlich seine Stellung hätte, er be⸗ tätige sich politisch in einem solchen Maße, daß man nicht wüßte, wie er seinen Dienst erledigen könnte, so muß ich dem auf das be⸗ stimmteste widersprechen. Der Herr Oberpräsident und der Herr Re⸗ gierungspräsident haben übereinstimmend bekundet, daß gerade dieser Regierungs⸗ und Schulrat Buth ein außerordentlich tüchtiger und hervorragender Schulmann und Beamter sei (hört, hört! rechts), und ich muß mich auf das Urteil der beiden Herren verlassen und muß bitten, den betreffenden Herrn hier nicht weiter anzugreifen. (Bravo! rechts.) Abg. Tourneau (Zentr. will in längerer Ausführung darauf eingehen, daß im Regierungsbezirk Merseburg zu wenig katholische Schulen vorhanden seien; der Redner wird aber vom Präsidenten von Kröcher mehrfach darauf hingewiesen, daß die allgemeine Be⸗ sprechung geschlossen sei; der Redner verläßt die Rednertribüne unter dem Ausdruck des Bedauerns, seine Ausführungen nicht zu Ende bringen zu dürfen.
Abg. Dr. Berndt (nl.) wird ebenfalls nach wenigen einleitenden Worten vom Präsidenten verhindert, fortzufahren, ebenso
Abg. Dr. Faßbender (Zentr.), der einen Erlaß des Ministers vom 31. Januar d. J. besprechen will, in welchem neue Revisions⸗ bestimmungen darüber getroffen sind, daß die Heimatkunde mehr ge⸗ pflegt werde, was im Interesse der Liebe zur Heimat auch für die Landwirtschaft von Bedeutung sei.
Abg. Fischbeck (fr. Volksp.) kommt noch einmal auf den Liegnitzer Fall zurück und bemerkt, man scheine über unbequeme Dinge einsach zu schweigen, wie ja auch neulich das Schweigen des Ehren⸗ vorsitzenden des Herhablveräns zur Begründung von Volksbibliotheken gehört worden sei.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Holle:
Wenn nach seinen letzten Worten der Herr Abgeordnete gegen den Regierungs⸗ und Schulrat Buth von der Regierung in Liegnitz nunmehr den bestimmten Vorwurf erheben will, daß er politisch agitatorisch tätig gewesen sei in einer Weise, wie es sich für einen Beamten nicht ziemt, so ist es selbstverständlich, daß ich bereit bin⸗ mich darüber zu unterrichten, um eventuell den Fall klarzustellen und auch einzugreifen. Aber aus dem, was mir bis dahin bekannt ist, konnte ich nicht entnehmen, daß in der Beziehung gegen den Beamten etwas einzuwenden ist, weil er noch vor kurzem in Berichten seiner Aufsichtsbehörde als ein besonders tüchtiger Beamter mir gerühmt ist. Ich werde aber die Sache klakstellen.
Abg. Kopsch (fr. Volksp.) fragt an, ob dem Minister der Fal in Osnabrück bekannt sei, wo wegen eines religionswissenschaftlichen Vor⸗ trages eines lutherischen Pfarrers zwei reformierte Regierungsschulräte einen Bericht an das Konsistorium erstattet hätten, dur dessen Tendenz die Lehrer gewissermaßen zu Handwerkern ihres Berufes ge⸗ stempelt würden.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Holle:
Meine Herren! Herr Spring ist Oberregierungsrat und Herr Oppen ist Kreisschulinspektor, der kommissarisch an der Regierung zu Osnabrück arbeitet. Es kommt also ein Regierungs⸗ und Schulrat