1908 / 62 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 12 Mar 1908 18:00:01 GMT) scan diff

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19. Sitzung vom 11. März 1908, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Fest⸗ des E“ ür das Rechnungs⸗

jahr 1908, und zwar: „Etat für das Reichsamt des Innern“. Ueber den Anfang der Verhandlungen ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Abg. Dr. Naumann (fr. Vgg.) fortfahrend: Soll die Arbeits⸗ kammer wirklich vorhalten, dann reicht es nicht aus, sie als Begutachtungsbehörde hinzustellen, deren Gutachten von keiner Seeite ernstlich beachtet werden muß. Wird der Entwurf 63— dann sind die Ortspolizeibehörden nach wie vor vollständig frei, ob sie auf diese Gutachten etwas geben wollen oder nicht. Die be⸗ treffenden Verwaltungsbefugnisse müssen den Arbeitskammern, soweit irgend tunlich, selbst zugeschoben werden; dann müßten die Polizeibehörden gehalten sein, Abweichungen von diesen Gut⸗ achten der höheren Verwaltungsbehörde gegenüber zu begründen. Wenn die Ausführung der Gewerbeordnungsbestimmungen den Kammern übertragen wird, dann wird die Garantie für deren Durch⸗ Saer. nicht so sehr wie jetzt in die Luft geschrieben sein. Es sst nichts damit anzufangen, daß man nur Bestimmungen über Be⸗ stimmungen häuft, die von den nächst gar nicht ganz aufgenommen werden können; das gewerbliche Volk muß diese Be⸗ stimmungen und deren Ausführung selbst in die Hand nehmen. Eine fernere Bestimmung in dem Entwurf betrifft die Auslegung von Ver⸗ trägen für die Erfüllung von Verbindlichkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, d. h. die Tarife sollen ihrer Begutachtung unter⸗ liegen. Der kollektive Arbeitsvertrag unterliegt der Arbeitskammer, ein gutes Prinzip, aber dazu gehört auch eine größere Verwaltungs⸗ befugnis. Die Zeit, ein Gewerbetarifgesetz zu geben, ist noch nicht gekommen; dazu brauchen wir eine viel längere Periode der Erfahrungen, heute stehen wir erst im Anfange dieser Entwicklung, die Großindustrie will davon noch nichts wissen, auch die Formulierung der beiderseitigen Haftbarkeit läßt sich nicht beliebig gesetzgeberisch machen, ehe nicht eine jahrelange Praxis die Haftbarkeit als Gewohnheitsrecht festgesetzt hat. instweilen brauchen wir eine elastische Verwaltungsstelle, bei der man über diese Fragen eine Auskunft bekommen kann, die von beiden Teilen von vornherein als bindend angenommen werden kann. Alles andere, was man hier neben den Kammern zuweisen könnte, erscheint als nebensächlich; eine Menge dieser Aufgaben wird schon jetzt von anderen Stellen erledigt, dazu braucht man keine neue Körperschaft. Mit einem Entwurf über Arbeitskammern ist übrigens die Forderung der Arbeiterkammern noch lange nicht aus der Welt ge⸗ geschafft, das Bedürfnis für sie bleibt bestehen; die neue Organisation 1 nur ein Schritt auf diesem Wege. Will man die Arbeits⸗ ammern also einstweilen als industrielle Verwaltungsbehörde nehmen, dann kann sie nur beruflich, nicht örtlich gegliedert werden; ich bin 1 em Staatssekretär ganz einverstanden. die Berufsgenossenschaften ig und empfehlenswert, aber man muß dazu den Begriff „Berufs⸗ enossenschaften“ nicht nehmen, wie er heute ist, sondern ihn viel tiefer und gründlicher fassen. Die Unfallversicherung hat nur den zufälligen Anlaß zu den heutigen Berufsgenossenschaften gegeben. Diese können danken der Arbeitskammer nicht verwirklichen, dazu sind sie viel zm wenig gegliedert; sie sind ja nur eine Abrechnungsstelle für die versicherung, weiter nichts. Der Staatssekretär will ja selbst auch die Anknüpfung an die Berufsgenossenschaften nicht zwangsweise geschehen lassen. Die alten Landesgrenzen, ein Rest einer vergangenen politischen Periode, haben mit unserem heutigen Wirtschaftsleben gar nichts zu schaffen; sie bedeuten gewerbe⸗ politisch nichts als eine beständige Hemmung und eine ändige Vermehrung des Schreibwerks über die Landesgrenzen hinaus. Die Landesgrenzen dürfen also nicht mehr als sakrosankt in dieser Beziehung bleiben. Die heutige Berufsgenossenschaft ist entsprechend ihrem Zweck ein Unternehmerkörper. Sie muß für den vorliegenden Zweck paritätisch gegliedert werden, eine Arbeitskammer, die nicht paritätisch aufgebaut ist, hat überhaupt keinen Zweck. Zwischen dem Arbeiter und dem Unternehmer n der Techniker und Handelsangestellte. Für diese könnten die Handelskammern paritätisch gegliedert werden; für die Techniker aber bleibt eine Lücke in dem Entwurf hestehen. Die Verbände der Techniker fordern mit Recht eine Berücksichtigung bei der Errichtung von Arbeitskammern. Die Wa 1 er Arbeiter unterliegt nun der Gefahr, daß sie sich vollzieht nicht, wie die Arbeiter es wollen, sondern wie die Unternehmer es wünschen. Der Staatssekretär sagte, daß das Wahlrecht eine Frage der Zweckmäßigkeit sei, daß also auch die vorliegenden Be⸗ stimmungen nicht endgültig seien. Die Bestimmungen über Wahl⸗ recht, die hier vorgesehen sind, würden die Arbeitskammern in einer Weise tot machen in ihren Funktionen, daß die Arbeitskammern mit einer solchen Wahl für uns unannehmbar wären. Der Vor⸗ wie er vorliegt, wäre allerdings noch besser als das che Landtagswahlrecht, das ist aber so blutwenig, daß das wahrlich nicht in Betracht kommt. Daß die Arbeiter aus den Arbeiterausschüssen heraus gewählt werden, wäre nur denkbar, wenn die heutigen Fasscrf obligatorisch wären; sie nur die Bedeutung einer Art erweiterten Beschwerde⸗ uches, sie werden heute dazu benutzt, um die sogenannten gelben Gewerkschaften mit bundesbrüderlichem Gruß einzuführen. allen diesen Ausschüssen schwebt immer der Kündigungs⸗ paragraph. In die Arbeitskammern müssen Arbeiter aufgenommen werden, die nicht unter Kündigung stehen. Es wird notwendig sein, man direkte Wahlen für die Arbeitskammern einführt. Heute sind es nicht viele Stellen, wo der Arbeiter überhaupt wählen Es könnte hier der Versuch mit dem Proportionalwahlsystem ge⸗ werden; die organisierten Vertreter der Arbeiterschaft müssen der Arbeitskammer vorhanden sein; das würde absolut keine Schwierigkeiten machen, die Arbeiterverbände müßten mit ihren Vorschlagslisten hervortreten können, und die Proportionalwahl dig, um einen Ausgleich zwischen den berschiedenen Ge⸗ ekschaften, den sozialdemokratischen, Hirsch⸗Dunckerschen und christlichen Gewerkschaften herbeizuführen. Wenn auf der einen Seite die Organisationen der Arbeiter und auf der anderen die der Unternehmer stehen, so kann dies nur dem beiderseitigen Interesse förderlich sein. Die Kosten der Arbeitskammern auf das Reich zu übernehmen, wie die Sozialdemokraten wünschen, wäre nicht zweck⸗ mäßig, weil damit der Verwaltungsstelle der Reichskasse, dem Re⸗ äsidenten oder Landrat, die Kontrollbefugnis über die Arbeits⸗ ohne weiteres in die Hand gegeben wäre. Die Arbeits⸗ muß finanziell sein. Vielleicht wäre es richtig, diejenigen Gewerbestrafen, die beute der Ortspolizeibehörde ufließen, der Arbeitskammer zufließen zu lassen. Die Arbeitskamm e könnte an die Alters⸗ und Invalidenkasse angelehnt werden, die aus Arbeit⸗ geber, und Arbeiterbeiträgen besteht. Der Arbeitskammer als einer ichen Kammer können wir keine besondere Sympathie ent⸗

gegenbr „Abg. Gräfe (d. Rfp.): Auf sozialem Gebiete wäre Stillstand Rückschritt, namentlich für den Mittelstand. Vorsicht ist gesetz⸗ isch notwendig auf dem Gebiet der Heimarbeit. Was der Abg. über die Spitzenindustrie des Erzgebirges gesagt hat, tr auch auf die Blumenindustrie des Vogtlandes zu. Wenn dieser Heim⸗ industrie spanische Stiefel an 7 so schädigt diese

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Veuftrr. die kleinen Geschäftsleute -ee 11⸗]28

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am Sonntag bereits r. Uhr vorsieht. Daes I 2 8 Seeh. , snen eer enesw,me en 89-dang ic

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vor Weihnachten genügt auch nicht; mindestens müßten vier Sonntage

frei gegeben werden; ebenso Erleichterungen zu Ostern und Pfingsten. Wir dürfen . auch nicht vergessen, welche Konkurrenz die Waren⸗ basare, Warenhäuser und Konsume den kleinen Geschäften in den Landstädten machen. Hier können die liberalen und Freisinnigen ihre so oft stand beweisen. Pe wollen die , ständigen Sozialpolitik, aber nicht auf Kosten des Mittelstandes. Wer nicht dofür ist, legt die Axt an die Wurzel von Tausenden von selbständigen Handwerkerexistenzen und wird eine Erbitterung hervor⸗ rufen, die ihre verheerenden rüchte tragen muß. Man hat dem Mittelstande ja bei der Wahl Versprechungen aller Art gemacht, auch auf seiten der Linken; für die Zukunft wird er sich für die Ver⸗ weisung auf die Selbsthilfe und für die ihm erwiesene platonische Liebe bedanken. Was nützen ihm Fachschulen usw., wenn die Absatz⸗ möglichkeit genommen, die ESenehhs. und Ernährungsquellen abgegraben werden? Zum Schutze der Hausindustrie, des neuen gewerblichen Mittel⸗ standes, wollen wir gern mit dem Abg. Stresemann zusammenarbeiten, wir erwarten aber auch von ihm und seiner Partei Schutz des alten städtischen Mittelstandes. Das deutsche Handwerk, das deutsche historische Bürgertum haben stets zu dem patriotischen, zu dem Reichs⸗ Fv gestanden und das beste Bollwerk gegen die rote Sturmflut ge⸗ ildet; es bedarf des Schutzes und ist desselben würdig. Hilfe wird dem Mittelstande nicht gebracht durch Aufhebung und Durchlöcherun

des Börsengesetzes; Hilfe muß ihm auch gebracht werden du

schärfere Schußgesetze gegen den unlauteren Wettbewerb, gegen die Warenhäuser usw. Aber alle solche wirksamen Maßregeln sind stets von den Nationalliberalen und Freisinnigen bekämpft worden, wie noch dieser Tage die Bestrebungen auf Einführung einer kräftigeren Landesumsatzsteuer gegen die Warenhäuser. Von den I. werden nicht nur die Konsumenten, sondern auch

ven von den National⸗ indete Liebe zum Mittel⸗ Fortführung einer ver⸗

e die roduzenten aufs schwerste geschädigt; geht die heutige Entwicklung weiter, so werden die arenhäuser schließlich allein die Vermittlung zwischen Produzenten und Konsumenten bilden. Warenhäuser und Konsumvereine müssen durch scharfe Umsa steuern Ftrofe⸗ werden; diese Bestrebungen werden auch einen Prüfstein ilden für die Kandidaten bei den Neuwahlen: hic Rhodus, kic salta! Das Verbot des Hausierhandels in Obstbäumen muß fruchtlos bleiben, wenn es si nicht auch erstreckt auf das Verbot des Feilhaltens von Obstbäumen auf öffentlichen Märkten. Von den Sozialdemokraten t wieder ein Antrag betreffs Herbeiführun stärkeren Schutzes für die Arbeiter in Glashütten gestellt. J habe mir über diese Materie Material beschafft von Arbeitern und Arbeitgebern, die ein warmes sozialpolitisches Herz haben. Danach stellt sich die Forderung geeigneter Schutzvorrichtungen an den Glas⸗ und Feuerungsöfen, die den Augenschädigungen bei Bläsern und Schmelzern entgegenwirken, als eine Unmöglichkeit dar, auch gewährt die Schutzbrille diesen Schutz auskömmlich. Aus einer 25 jährigen Glashüttenpraxis, die alfo wohl länger ist, als die des Spezialisten für diese Frage, des Abg. Horn⸗Sachsen, wird mir versichert, daß der Prozentsatz der augenkranken Glas⸗ hüttenarbeiter keineswegs außergewöhnlich ist. Die Forderung aus⸗ reichender Ventilation zu stellen, ist sehr einfach, aber spezialisierte Vorschläge machen die sozialdemokratischen Antragsteller nicht; schon das eigene Interesse der Unternehmer veranlaßt sie, die denkbar vollendetste Konstruktion der Hüttenräume zu wählen. Es ist auch durchaus unrichtig, daß die Glashüttenarbeiter Berufs⸗ krankheiten und der Gefahr der Vergiftung mehr ausgesetzt seien als in den meisten anderen Betrieben; die Leute glauben aber vielfach der großen Hitze durch möglichst große Quanten Alkohol entgegen⸗ arbeiten zu müssen, darin liegt die Ursache der „Berufskrankheiten“. Die Fälle fallen auch mehr der Zahl als der Schwere nach ins Ge⸗ wicht. Die Beseitigung der Nachtarbeit wäre durchführbar, würde aber eine erhebliche Verteuerung der Produktion zur Folge haben; hier müßten also internationale Vereinbarungen vorausgehen, um Schaden 7. verhüten, der besonders die Flaschenfabrikation treffen würde. Eine Beschränkung der Arbeitsschicht nicht auf 8, aber auf 9 Stunden würde vielleicht nicht bedenklich sein. Auch hier stellt die sozialdemokratische 1 unerfüllbare Forderungen. Beim Liberalismus, selbst fortgeschrittenen, zeigt sich ja hin und wieder ein Strahl der Erkenntnis, wie es die Rede des Abg. Naumann beweist, der die Begünstigung der Schundfabrikation durch die Warenhäuser mit Recht gebrandmarkt hat. Der Abg. Naumann müßte aber auch die logische ziehen, er müßte zu einem Vorkämpfer im Kampf gegen die Warenhäuser werden, aber von einem Mann, der seinen Weg von den Christlichsozialen bis zu denen um Gothein, Barth und Gerlach gefunden hat, können wir wohl zeit⸗

weise eine Reminiszenz an eine bessere Vergan eenheit, aber keine tat⸗

kräftige Unterstützung erwarten, und wir verzichten auch darauf. Wir erblicken in den Ausführungen des nationalliberalen Abgeordneten Stresemann eine Art Bekenntnis und einen Schritt zur Ver⸗ söhnung. Wir wollen mit ihm das große Heer der Privatbeamten schützen und stützen; wir hoffen auch, daß er und seine a mit uns Schulter an Schulter kämpft für den alten, leinen, erhaltungswürdigen gewerblichen Mittelstand.

Abg. Sir (Zentr.): Im Januar wir einen Antrag Hompesch und Genossen zur Förderung der ttelstandsinteressen, insbesondere des Kaufmannsstandes angenommen. Letzterer ist bei der Debatte über die Gewerbenovelle als das Aschenbrödel hier im Reichstage bezeichnet worden. Das ist nicht ganz zutreffend, aber es wird gut sein, nicht nur wieder Erhebungen über seine Lage anzustellen, sondern zugleich auch Gesetze zu schaffen, die den kleinen Kaufmannsstand wirklich zu heben geeignet sind. Die Resolution halten wir sür gegenstandslos. Es liegt

aterial genug vor, und wir könnten auch ohne weitere Kosten und Zeitaufwand vorgehen. Nach dem § 103e sollen die Behörden die ndwerkskammern in allen wichtigen Fragen hören. Diese Bestimmung wird von den Behörden dahin ausgelegt, daß sie keine zwingende Kraft hat, und die Anhörung der Handwerkskammern wird daher vielfach unterlassen. Die Handwerkskammern wünschen daher, daß dieser Bestimmung ein zwingender Charakter beigelegt wird. Eine Ausdehnung der Sonntagsruhe für die Handlungsgehilfen wird kaum nötig sein. Schon das jetzige Gesetz hat viele Kaufleute auf dem Lande und in den kleineren Städten, namentlich solche der Nabrungs⸗ und Genußmittelbranche sehr seschädigt und ihre Existenz erschwert. Auf dem Lande klagt man bagesonder über die Zunahme der Detailreisenden, der Hausserer und renautomaten. Der im Reichsanzeiger veröffentlichte Entwurf des Bundesrats über die Abänderung der sedigen Bestimmungen über die Sonntagsruhe im hat lebhafte Beunruhigung hervorgerufen. Die Ver⸗ aufszeiten für die Städte, in denen an Sonntagen die landwirtschaft⸗ liche Bevölkerung zu kaufen pflegt, und auch diejenigen für die Zigarren⸗ und Obstgeschäfte, die Konditoreien und Bäckereien usw. sollten nicht noch weiter eingeschränkt werden. Speziell in Bayern werden viele Feiertage gefeiert, die man in Norddeutschland nicht kennt. Durch die beabsichtigten neuen strengen Bestimmungen würden die Gewerbetreibenden dort gegenüber denen in Norddeutschland sehr in Nachteil kommen. Schon die jepihe Bestimmungen haben eine voll⸗ ständige Verschiehung des Geschäftsbetriebes gebracht. Da die Ge⸗ schäftsleute die Waren an den Feiertagen nicht mehr direkt an das Publikum absetzen dürfen, so die großen Gastwirtschaften und die Verkaufsstände in und an den Bahnhöfen den Vorteil, zum Schaden der Gewerbetreibenden ee das Geld an solchen Tagen einnehmen zu können. Eine volle onntagsruhe verlange doch eigentlich niemand. Den Handlungsgehilfen in den großen Städten, die in der Woche täglich angestrengt zu arbeiten haben, ist die Sonntagsruhe wohl zu gönnen, aber wenn die in den kleineren Städten auch Sonnt zum Dienst herangezogen werden, so kann man kaum von einer eberbürdung reden. Uebrigens würde es bei der Forderung der vollen Sonntagsruhe für die ndlungs⸗ gehilfen nicht sein Bewenden haben. Schon jetzt fordert man die Freiahe des Sonnabendnachmittag⸗ unter Hinweis auf England. In den en Städten und auf dem Lande wäre der Geschäftsschluß am Sonnabendmittag oder ⸗nachmittag absolut undurchführbar. Schon jetzt gerät junge Mann durch die viele freie Zeit in Ver⸗

uchung, sich an der Geschäftskasse zu vergreifen, und kommt so ins

Unglück. Die Sonn⸗ und Festtage sind für viele G treibende, nicht nur für die Kaufleute auf dem Lande und in der kleinen Stadt, die Haupteinnahmetage. In der Frage des Hausier⸗ handels muß endlich etwas Bestimmtes ges . Mit all den kleinen Mitteln kann man dem Handwerkerften nicht aufhelfen. Am notwendigsten wäre das Verbot des Detailreisens; auch den Musterkollektionen sollte man mehr auf die Finger sehen als bisher. Die Beamten müßten vom Staate anständig bezahlt werden, sie und namentlich ihre Frauen müssen aber auch berücksichtigen, daß auch für sie der Spruch gilt: leben und leben lassen; sie sollten mehr als bisher vom seßhaften Kaufmann ihre Ware beziehen. Die Warenhaͤuser n die Gewerbetreibenden 8 ihren Lohnsklaven. Der Kampf gegen den unlauteren ttbewerb wird Jahren vom gewerblichen Mittelstand geführt. Die durch die das Ausverkaufswesen bisher durchzuschlüpfen hat, müssen enger gezogen werden. Ein großer Unfug der ren⸗ häuser sind die artikel; es werden von ihnen Zitronen, das Stück zu 1 ₰, Damenblusen, das Stück zu 40 ₰, an eeboten; dafür kann niemand eine Bluse herstellen, und es zeigt sich jer, wie die Waren⸗ häufer lohndrückend wirken. Der Entwurf zur Bekämpfung des un⸗ lauteren Wettbewerhs muß dementsprechend noch verschärft werden. Preßdelikte, die sich auf diese Materie beziehen, sollten nicht den Schwurgerichten, sondern den ordentlichen Gerichten überwiesen werden. Den Staatssekretär möchte ich seinen Kollegen vom Reichsjustizamt zu veranlassen, daß der anifestantenliste eine größere Publizität gegeben werde. Die obligatorische Kranken⸗, Unfall⸗ und Invalldenversicherung müßte auf den Mittelstand, die kleinen Gewerbetreibenden, das Handwerk ausgedehnt werden. Abg. von Brockhausen (dkons.): Ich bin beauftragt, im Namen des Grafen Kanitz zu erklären, daß die von ihm angeführten Bergarbeiter⸗ löhne, wie ihm der Abg. Hilbck mitgeteilt hat, sich nur auf die unter⸗ irdisch beschäftigten Arbeiter bezogen. Die frühere Verhandlung über diesen Etat beschäftigte sich fast ausschließlich mit dem Arbeiter. In diesem Jahre steht mit Recht der Mittelstand im Vordergrund des Interesses. Manche Handwerker stehen schlimmer da als besser ge⸗ lohnte Arbeiter. Es muß dem Handwerk noch mehr geholfen werden. Der Landwirt behandelt seine Genossen als Nachbarn, der Hand⸗ werker seine Kollegen als Konkurrenten. Die Ausführungen des Abg. Naumann waren in gewisser Beziehung zutreffend. Zum großen Teil waren sie aber nur theoretisch. Er wandte sich an die Familien, daß sie nicht Schund kaufen möchten, sondern reelle Ware. Das kann man unterschreiben. Ich glaube aber, daß, wenn Freisinn und Sozialdemokraten zusammen arbeiten, die Sozial⸗ demokraten die Stärkeren sein werden. Das selbständige Bau⸗ handwerk hat noch keine solche Krise durchgemacht wie heute. Das führt mich zum Maurerstreik. Im Jahre 1899 wurde der Stunden⸗ lohn durch Tarifvertrag auf 60 festgesetzt; beim letzten Tarifvertrag wurde er auf 75 estgesetzt. Inzwischen war 1906 schon eine Bewegung unter den Maurern und Zimmerern ent⸗ standen, die die Unternehmer zu ihren Sklaven machen wollten. Meistenteils wurde die Arbeit niedergelegt, weil das Verlangen, daß ein Arbeiter, der vom Bauherrn als unfähig entlassen wurde, wieder angestellt würde, abgewiesen wurde. Bei einem Bau waren 1907 120 Arbeiter beschäftigt, es wurden Arbeiter entlassen, die sich den Anordnungen des Poliers nicht fügten; sämtliche Arbeiter legten die Arbeit nieder. Die sozialdemokratische Lohnkommission sperrte den Bau. Solche Fälle zeigen, daß der Unternehmer und auch der Bauherr rechtlos sind. Die Bauarbeiter verlangten den achtstündigen Arbeitstag; dieser ist aber für das Bau⸗ gewerbe nicht durchführbar. Nach längeren Verhandlungen wurde nun das Einigungsamt angerufen. Es verwarf jene Forderungen, be⸗ willigte aber eine Lohnerhöhung. Die Arbeitnehmer beriefen nun eine Versammlung, und obwohl mehrere Führer für Annahme des Schieds⸗ spruchs waren, wurde dieser abgelehnt. Die Arbeitgeber entschlossen sich darauf zur Aussperrung. Diese fand statt. Darauf traten die Arbeiter im Juni und Funi vorigen Jahres in den Streik. Es waren ja sehr viele Arbeitswillige vorhanden, die bereit waren, die streikenden Arbeiter zu ersetzen. Dazu gehört ein kolossaler Mut gegenüber dem Terrorismus, den die Streikenden ausüben. Wenn die Arbeitswilligen auf den Bahnhöfen ankamen, dann wurden sie verfolgt und angegriffen. Die Polizei versagte. Die Reichs⸗ regierung sollte sich mit der Frage beschäftigen: Genügen die heutigen Bestimmungen? Der Arbeiter, der seine Arbeits⸗ kraft verwerten will, darf doch nicht von Arbeiterorganisa⸗ tionen mit Vermögens⸗ oder gar Körperverlust bedroht werden. Jeder Arbeitgeber muß doch bestimmen können, ob der betreffende Arbeiter ein tüchtiger und fähiger Mann ist oder nicht; wie wird das aber praktisch gehandhabt? Im Organ der freien Gewerkschaft der Maler wird ausgeführt, daß die Gewerkschaft ihre Mitglieder dazu erziehen müsse, die Arbeitszeit einzuschränken, müßte alle ihre Bestrebungen auf dieses Ziel richten, auch um den Preis von Aussperrungen, selbst wenn die Unternehmer Zeter und Mordio schreien. Ja, sollten die Arbeiter nicht doch besser tun, schon im Interesse ihrer Familien, wenn sie dieses Prinzip nicht zu weit trieben? Ich wende mich jetzt zu den vom Zentrum und den Sozialdemokraten gestellten Resolutionen wegen der Knappschaftskassen. Zu einer nochmaligen Verhandlung über das Statut hat ja der Minister für Hendel und Gewerbe in Preußen bereits die Hand geboten. Die Er ebungen der Bergwerksverwaltung sollten so bald wie möglich den Interessenten und der Oeffentlichkeit mitgeteilt werden, denn die Angelegenheit des Ruhrgebiets geht über diese lokale Grenze weit hinaus. Was den § 100 g der Gewerbe⸗ ordnung betrifft, den ein Antrag der Wirtschaftlichen Vereinigung dahin abändern will, daß die Innungen das Recht behalten sollen, Mindestpreise festzusetzen, so werden wir für diese Re⸗ solution stimmen. Von derselben Seite sind Vertretungen für die Handelsangestellten und die Werkmeister verlangt worden. Diese Fragen werden besser beim Arbeitskammergesetz bespr übrigens soll man doch nur an Dinge herangehen, die auch wi spruchreif sind. Zu läheren gehört auch die einzige von meinen Freunden eingebrachte Resolution, „die verbündeten e. zu ersuchen, dem Reichstage einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher die aktive und passive Bestechung der in Privatunternehmungen an⸗ Eslts Personen, sowie den Versuch hierzu unter Strafe stellt“. schon 1905 hat über denselben Gegenstand eine Verhandlung stattgefunden, in der Erhebungen verlangt wurden. Bei der dritten Lesung des Etats wurde die betreffende Resolution merk⸗ würdigerweise abgelehnt, und zwar deshalb, weil auch damals eine große Serie von Resolutionen vorlag, und der einzelne wohl nicht mehr ganz über jede einzelne orientiert war. Inzwischen ist eine eingehende Erörterung vorgenommen worden auf Veranlassung des Grafen Posadowsky; man hat die Handelskammern befragt, und der Abg. Schack meinte am 6. März, wir sollten die Resolution zurückziehen und die Vorlegung dieses statistischen Materials fordern. Ich kann diesen Gefallen dem Abg. Schack nicht tun, denn dieses Material liegt bereits in einer Broschüre vor. Eine große Zahl von Handels⸗ kammern hat die gesetzliche Regelung gefordert; der Ausschuß des Deutschen ndelstages hat ge im Februar 1905 dasselbe verlangt. Auch der arme Angestellte muß gegen Verführung seitens großer Firmen mittels Bestechung gerade gesichert werden, wie der Schutz für Frauen und Minderjährige agegen gefordert wird. Wie soll es werden, wenn ungeheuere Provisionen versprochen werden für Beschaffung von Lieferungen, wenn z. B. Maschinen⸗ und andere -E2 Angestellte eines Molkereiverbandes wider deren bessere eberzeugung veranlassen wollen, ihnen die Kunden dieses Verbandes zu verschaffen? Ich hoffe, unsere Resolution wird einstimmige An⸗ nahme im Hause finden und damit manchen unlauteren Elementen den Weg endgültig verlegen. Abp. Dr. Junck (nl.): Im vorigen Jahre ist hier eine Resolution zur Annahme gelangt welche die Febeee s deut Einheitsstenographie betraf. Es hat sich ein Arbeits der verschiedenen Systeme gebildet, arbeiten sollte; aber er ist dieser Aufg

sich vielmehr an das Reichsamt des Inn ntrag gewendet, daß dieses

5 agegen sollte allerdings eine Regierungskonferenz bald⸗ vae e agsgense, werden, um die auf diesem Gebiete notwendige Einheit endlich zu schaffen. Mit meinem Freunde Fuhrmann h ich diesmal eine gutachtliche Befragung der Handwerks. und Gewerbekammern über den Wunsch der Abänderung des § g in einer Resolution angeregt. Wir halten dafür, daß au diesem Gebiete noch sehr starke Unklarheiten vorhanden sind, und deshalb wollen wir extrahieren, ob und für welche

andwerksarten sowie für welche Handwerksferti keiten und abrjkate diese Abänderung möglich und wünschenswert ist. ch habe mich nur schwer entschlossen, diesen Antrag zu unterschreiben. Jedenfalls muß erst eine Denkschrift vorgelegt werden. Ich kann meine Befriedigung darüber aussprechen, daß das Reichsamt des Innern gegen die Mißstände im ee. energisch ein⸗ schreitet und den Nachschub von Waren unterbindet. Was die Resolution, betreffend die Bureauangestellten der Rechtsanwalte usw., angeht, so haben diese Angestellten bereits eine Eingabe an den Reichstag gemacht, deren nochmalige Lektüre ich dem Hause dringend empfehle. Diese Privatbeamten leiden an einer gewissen Rechtlosig⸗ keit, indem sie weder dem Handelsgesetzbuch, noch der Gewerbeordnung unterstehen. Daß die Kartelle sich als Notwendigkeit aus der Ent⸗ wicklung unserer Volkswirtschaft ergeben haben, erkennen wir an und bekämpfen sie keineswegs als solche; in dem Moment aber, wo die Syndikate der arbeitenden Industrie und den Konsumenten Ge⸗ fahren bringen, wo sie sich der nicht vermehrbaren Bodenschätze be⸗ mächtigen, muß der Staat warnend und hemmend eintreten. Wir wollen selbstverständlich eine Verstaatlichung des Kohlenbergbaues nicht, halten es aber für durchaus gesund, wenn der Staat sich be⸗ strebt, selbst in den Syndikaten zu sitzen. Auch von einer Einführung des Konzessionswesens für Aktiengesellschaften möchten wir absehen. Der Staat hat schon heute die Macht in der Hand, wirklichen Schädigungen zu begegnen. Eine Gefahr liegt in dem Antrag Spahn. Die allzu große Ausdehnung des Schiedsgerichtsgedankens innerhalb der Kartelle könnte doch die Möglichkeit nehmen, einmal mit starker Hand einzugreifen, wo es notwendig ist. In der Tat finden sich in den Verträgen mit den Syndikaten sehr gefährliche Bestimmungen. Bei einem Arbeiterstreik, der es erforderlich macht, die Löhne zu er⸗ höhen, sollen die Preise neu vereinbart werden, der Abnehmer darf nicht bei anderen Lieferanten kaufen usw. (Der Redner verliest ver⸗ schiedene solcher Vertragsbestimmungen.) Daß die fortdauernde Beaufsichtigung und Kenntnis von den Geschäften der Syndikate nicht viel nützen würde, möchte ich nicht ohne weiteres zugeben. Schon die Anwesenheit eines Beamten, der das Interesse der Allgemeinheit wahrnimmt und den Kartellen das Gewissen schärft, würde sehr heilsam wirken. Die Aufgabe einer laufenden Bericht⸗ erstattung über die Geschäfte der Kartelle ist eine so bedeutende und schwierige, daß es kaum möglich sein würde, sie außerhalb eines be⸗ sonderen Amtes zu lösen, das auch für die von ihm geleistete Arbeit verantwortlich ist. Der Vorschlag der Resolution Wagner, Maß⸗ nahmen zu treffen gegenüber denjenigen Vereinigungen, welche die Beanstandungen des Kartelfamts nicht beachten, ist so allgemein, daß eine destimmte Stellungnahme dazu kaum möglich ist. ierauf wird gegen die Stimmen der Sozialdmokraten,

des Zentrums und Das Gehalt des Staatssekretärs wird bewilligt.

Es folgt die Abstimmung über die zu diesem Titel bean⸗ tragten RFesslnhtenen

Angenommen werden die Resolutionen des Zentrums, 1) wegen gesetzlicher Regelung des Koalitionsrechts, der Berufsvereine und wegen Errichtung von Arbeits⸗ kammern; 2) wegen gesetzlicher Ausgestaltung der gewerb⸗ lichen Sonntagsruhe;

3) die Resolution Bassermann wegen gesetzlicher Rege⸗ lung der Arbeitszeit in den Kontoren;

4) die Resolution Graf Fong esch wegen Erlasses von Gesetzen zur Regelung der Verhältnisse der Privat⸗ beamten und der technischen Angestellten;

5) die Resolution Schack (wirtsch. Bgg.) wegen gesetzlicher Einführuna von Vertretungen für die Handelsange⸗ stellten und für die Werkmeister und Techniker; 6) die Resolution Graf Hompesch wegen einheitlicher Regelung des Bergrechts, Regelung des Knappschafts⸗ wesens und geheimer Wahl der Knappschaftsältesten;

7) die Resolution Graf Hompesch wegen Vorlegung einer Zusammenstellung über den Stand der Knappschafts⸗ vereine; .

8) die Resolution Graf Hompesch Peen Felehliche Vor⸗ schriften über Bauarbeiterschutz und Anstellung von Baukontrolleuren auch aus dem Arbeiterstande;

9) die Resolution Albrecht (Soz.) wegen Verordnungen, betreffend Verstärkung des Schutzes für die Glashütten⸗ arbeiter, und zwar in sämtlichen vier spezialisierten Punkten, in dem letzten, das Verbot der Sonntagsarbeit in den Glashütten betreffend, durch Auszählung mit 123 gegen 104 Stimmen;

10) die Resolution Albrecht wegen Erlasses von Ver⸗ ordnungen zum Schutze der in vee Hüttenwerken und Metallschleifereien beschäftigten rheiter;

11) die Resolution Riesenberg⸗Kölle (wirtsch. Vgg.) wegen Vorlegung einer Berechnung über die Wirkung der Feehlezses für den Bezug einer Altersrente auf das

Lebensjahr; 8

12) die Resolution Schack wegen gesetzlicher Einführung der Proportionalwahl für alle Wahlen auf Grund der Arbeiterversicherungs⸗ und Arbeiterrechtsgesetze; 1

13) die Resolution Graf Hompesch wegen eines Gesetzes, betreffend Kartelle, Trusts usw. mit dem Zusatzantrage Wagner (dkons.), wonach zu den Funktionen ‚des Kartell⸗ amts auch Vorschläge von Maßnahmen gehören sollen, die gegenüber denjenigen Vereinigungen getroffen werden können, welche die Beanstandung des Kartellamts nicht beachten;

14) die Resolution von Brockhausen (dkons.) wegen gesetzlicher Maßnahmen gegen das Schmiergelderunwesen;

15) die Resolution Bassermann⸗Junck wegen gesetz⸗ licher Maßnahme zur Regelung der Verhältnisse der Bureau⸗ gehilfen bei Rechtsanwälten, Notaren, Krankenkassen⸗ angestellten usw.; 1

49 die Resolution Nacken (Zentr.) und 17) die Resolu⸗ tion Neuner (nl.), betreffend Unfallfürsorge für freiwillige Feuer⸗ und Wasserwehren; 1

18) die Resolution Schack um gesetzliche Abänderung des § 100 der Gewerbeordnung. Die weniger weitgehende Resolution Finbin ann 89 ist damit erledigt.

Abgelehnt werden die Resolutionen der Sozialdemokraten

en Vorlegung eines Reichs⸗Berg⸗ und Knappschafts⸗ 1 etzes, wegen Vorlegung eines Gghetes zum Schutze der

w Leerb. e und wegen eines Gesetzes zur Fecgilung

aller Arbeits⸗ und Dienstverhältnisse, dur die si jemand verpflichtet, einen Teil seiner 5 und geistigen

rbeitskraft für die häusliche Gemeinschaft, ein wirtschaftliches oder gewerbliches Unternehmen eines anderen gegen Lohn zu verwenden.

Die Diskussion über die ordentlichen Ausgaben wird fort⸗

er Polen ein Schlußantrag angenommen.

Bei den Besoldungen für den Unterstaatssekretär und drei Direktoren will der Abg. Hue (Soz.) auf die Generaldiskussion zurückkommen, wird aber vom Präsidenten Grafen Stolberg mit dem Hinweis unter⸗ brochen, daß es sich hier nur noch en die Spezialdiskussion handele. Der Redner bemerkt hierauf, im porigen Jahre auch auf die Generaldiskussion zurückgegriffen worden sei. Der Präsident er⸗ widert, daß er eine Kri . Geschäftsführung nicht zulassen könne, der Redner dürfe nur zu den Gehältern der drei Direkloren sprechen. Der Redner versucht nochmals, einen Angriff auf seine 5 zurückzuweisen, was der Nräsident abermals verhindert, dem er darauf verweist, daß er dies in einer persönlichen Be⸗ merkung hätte tun sollen. Der Abg. Hue behält sich vor, bei der dritten Lesung auf die Sache zurückzukommen, und verläßt unter großer Heiterkeit die Tribüne. 1 Abg. Stadthagen (Soz.), der darauf das Wort erhält, wird mit stürmischem Gelächter empfangen. (Präsident Graf zu Stolberg überläßt das Präsidium dem 864b Dr. Paasche.) Der Redner knüpft an die drei Dir oren an und führt aus, daß drei Direktoren nicht ausreichen, es müßte ein besonderes Dezernat ge⸗ schaffen werden, um zu verhüten, daß Reichsrecht durch Landes⸗ recht gebrochen werde, namentlich in der Frage des Fremdenrechts. (Vizepräsident Dr. Paasche: Ich kann nicht zulassen, daß auch Sie auf die Generaldiskussion zurückgreifen!) Beim Justizetat habe er schon darauf hingewiesen, welche Gefahren daraus entstehen, daß die preußische Regierung durch Verordnung die Legitimationskarten eingeführt habe; das widerspreche den Handelsverträgen, die Direktoren des Reichsamts des Innern müßten dafür sorgen. Das müsse ver⸗ hütet werden. (Vizepräsident Dr. Paasche: Ich muß Sie nochmals bitten, nicht auf die Generaldebatte zurüͤckzukommen.) Sie (izum Präsidenten) haben eben gesagt, Sie können es nicht zu⸗ lassen, daß sachliche Erörterungen stattfinden. Ich wüßte nicht, was man sonst für Erörterungen machen sollte. Wir müssen doch wissen, weshalb die drei Direktoren ernannt werden sollen, und was zu ihrem Wirkungskreise gehört. (Vizepräsident Dr. Paasche: Das ist Sache des Staatssekretärs und nicht des Reichstags. Sehr richtig!) Sache des Reichstags ist es doch, die Direktoren zu bewilligen. (Vizepräsident Dr. Paasche: Ich bitte Sie noch⸗ mals, nicht auf diese Dinge einzugehen. Ich rufe Sie zur Sache und mache Sie auf die geschäftseesigen Folgen aufmerksam.) Wir müssen doch untersuchen, ob die drei Direktoren ausreichen, vielleicht müssen es noch mehr sein, und ferner, zu welchem Zwecke wir überhaupt besondere Direktoren bewilligen. Jetzt will ich nur darauf hinweisen, daß diese Direktoren für Deutschland, nicht nur für Preußen ernannt werden können. (Vizepräsident Paasche: Ich rufe Sie nochmals zur Sache. An das Haus richte ich nach § 46 der Geschäftsordnung die Frage, ob es den Redner noch weiter hören will.) 6 Die Mitglieder begeben sich zu ihren Plätzen, . verläßt aber der Abg. Stadthagen unter großer Heite Tribüne. 8 6 Der Titel wird bewilligt.

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8 8 E11 Bei den „Allgemeinen Fonds“ Titel 1, womit die

Diskussion über den Titel „Beitrag für das Deutsche Museum in München 450 000 ℳ“ der einmaligen Ausgaben verbunden wird, führt der Abg. Dr. Pfeiffer (Zentr.) aus: Die vom Grafen Posadowsky

zugesagte Denkschrift über die Aufwendungen für wissenschaftliche und künstlerische Unternehmungen liege jetzt zum zweiten Male vor. Daraus gehe hervor, daß im ganzen 759 000 für die genannten wecke im Etat des Reichsamts des Innern aufgewendet würden.

iese Summe erscheine betrübend gering für die kulturellen Aufgaben des Reichs, enen auch im Hinblick auf die Summen für die Hohkönigsburg, falls die Regierung diese zu wissenschaft⸗ lichen oder küͤnsflerischen Ausgaben rechne. Allerdings seien noch in anderen Etats für ähnliche Zwecke Summen ausgeworfen, und es würden auch aus den Dispo tionsfonds ansehnliche Unterstützungen für kulturelle Zwecke zur Verfügung gestellt. Der Grundton der Denkschrift sei jedoch: es ist zwar viel getan, doch bleibt noch vieles zu tun übrig. (Der Redner verbreitet sich hierauf in ausführlichen Darlegungen über We en, Ziel und Organisation verschiedener wissenschaftlicher und nstlerischer Institute, wird jedoch vom Vizepräsidenten Paas che schließlich unterbrochen und darauf aufmerksam gemacht, daß nicht eine Generaldiskussion statt⸗ finde, sondern nur eine solche zu den bestimmten Titeln. Er erwidert, daß auch einmal über die Kulturaufgaben des Deutschen Reiches gesprochen werden müsse, was dem Vizepräsidenten nach längerer Hin⸗ und Widerrede Anlaß gibt, das Haus zu befragen, ob es eine Generaldiskussion über die Kulturaufgaben des Deutschen 8vne hören wolle. Die Mehrheit entscheidet sich jedoch dagegen.

8 dätg. Dr. Pfeiffer behält sich vor, bei jedem einzelnen Titel auf sein Thema zurückzukommen.

ur Geschäftsordnung beantragt der Abg. Freiherr von gaunr Ckesh üfe Diskusston über sämtliche Titel des Kapitels zu vereinigen und jetzt zu erörtern.

Abg. Dr. Mugdan (fr. Besaan widerspricht. Das Haus 2 .22s den gegenteiligen Beschluß gefaßt, und dabei müsse 8 Uälben reiherr von Gamp: Es handelt sich gar nicht um eine Generaldiskussion, sondern darum, dem Redner Gelegenheit zu geben, alle Titel zu 1gexih Das entspricht der wiederholten

äftspr es Hauses. Sefcesban 8 2 pa ae Die Verbindung verschiedener Titel ist zulässig.

Der Antrag wird gegen die Linke angenommen.

Abg. Dr. Pfeiffer (Zentr.) setzt darauf seinen Vortrag unter großer dauernder Unruhe fort. Die Volksbibliotheken soüten von Rechts wegen unterstützt, ebenso die Nationgaldenkmäler geschützt werden. Für die Künstler habe das Reich bisber nichts gekan, und doch haben wir nicht eine preußische usw. Kunst, sondern eine ,; Kunst. Es müßte eine deutsche Kunstkommission errichtet werden. Die letzten Raten für die Hohkönigsburg sollten lieber den Malern und Künstlern überwiesen und dabei auch die Journalisten nicht vergessen werden; die ZJournalisten seien bisher nur zu intimen Diners des Reichskanzlers eingeladen worden. Der Journalistenstand müsse vor Elementen bewahrt werden, die ihn verunzieren. Ferner müßte den deutschen Dichtern ein Ehrensold ewährt werden. Auf Lorbeeren allein ruhe es sich schlecht. Für

hakespeare⸗Forschung seien Millionen ausgegeben worden, man müßte auch an die Lebenden denken. Auch auf dem Gebiet der Förderung der deutschen Schaubühne müsse das Reich etwas tun. Ein großes nationales deutsches Volkstheater würde sich der Pflege des Idealismus zu widmen haben. Wie lange solle es überhaupt noch dauern, daß die Schauspieler noch mit dem Gesinde rangieren? Er, Redner, habe sich verpflichtet gehalten, diese Kulturfragen einmal im Deutschen Reichstage zur Sprache zu bringen. Die Hebung der ästhetischen Kultur sei doch gewiß die Aufgabe aller Parteien des Deutschen Reichstags.

Nach Annahme .S Titel des Kapitels „Allgemeine onds“ wird um 7 Uhr die Weiterberatung auf Donnerstag Uhr vertagt.

eit die

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

50. Sitzung vom 11. März 1908, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sitzung, auf deren Tagesordnung die Interpellationen der Abgg. Arndt (Labiau) und Ge⸗ nossen, Hobrecht, Fischbeck und Broemel, Freiherr von edlitz und Neukirch und Genossen sowie Dr. Porsch, betreffend die Einbringung einer Vorlage über die Erhöhung der Besoldung der Beamten, Lehrer und Geistlichen, stehen, ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Nach der Begründung der Interpellationen nimmt das Wort der

Vizepräsident des Staatsministeriums, Staatsminister Dr. von Bethmann Hollweg: Seitens der Königlichen Staatzsregierung ist die Erklärung 882 gegeben worden, daß für das Etatsjahr 1908 neben einer Neuordnung des Wohnungsgeldzuschusses eine generelle Aufbesserung der Gehälter der Unterbeamten, durchweg auch der mittleren Beamten und eines Teiles der höheren Beamten unter Beschaffung der erforderlichen Deckungsmittel erfolgen solle. Gleichzeitig war die Neuregelung der Dienstbezüge der Lehrer sowie der Geistlichen beider Konfessionen in Aussicht gestellt. An dem Entschluß, den Beamten, Lehrern und Geistlichen die ihnen zugedachten Aufbesserungen für das Jahr 1908 zuteil werden zu lassen, hält die Staatsregierung unbedingt fest. Die Absicht, die entsprechenden Vorlagen noch jetzt dem Landtag zu unterbreiten, läßt sich jedoch zu dem Bedauern der Staats⸗ regierung nicht verwirklichen. Nach der Lage der Geschäfte im Reiche hat die umfassende Reform der Reichsfinanzen und damit auch die Besoldungsverbesserung der Reichsbeamten auf den Herbst dieses Jahres vertagt werden müssen.

Bei der Notwendigkeit, die bisherige Uebereinstimmung zwischen den Dienstbezügen der Beamten des Reichs und Preußens grundsätz⸗ lich aufrecht zu erhalten, ist es nicht angängig, die Gehaltsbezüge der preußischen Beamten einseitig und vorweg zu regeln, vielmehr ein gleichmäßiges und gleichzeitiges Vorgehen geboten. Zudem ist nach Lage der Gesetzgebung in Preußen die reichs⸗ gesetzlich bestimmte Ortsklasseneinteilung ohne weiteres auch für den Wohnungsgeldzuschuß der preußischen Beamten maß⸗ gebend; die Regelung der Besoldung ist aber von der Festsetzung des Wohnungsgeldzuschusses nicht zu trennen. Dazu kommt, daß erst nach Neugestaltung der Reichsfinanzen auch die finanzielle Lage Preußens und die Frage einer Ergänzung der Staatseinkünfte sich hinreichend übersehen läßt.

Hiernach ist es auch für Preußen unabweislich, nach dem Vor⸗ gange im Reiche die Erledigung der Besoldungsaufbesserung und die Beschaffung der Deckungsmittel bis zum Herbst des Jahres auszusetzen. Zu diesem Behufe ist in Aussicht genommen, den Landtag im Oktober dieses Jahres zu versammeln, um ihm ausreichend Zeit zur Beratung der bezeichneten Vorlagen zu gewähren. Ein Nachteil darf den Beamten, Lehrern und Geistlichen hieraus jedoch nicht erwachsen; es soll vielmehr den Vorlagen rückwirkende Kraft auf den 1. April 1908 beigelegt werden. Demgemäß werden alle, die am 1. April 1908 im Dienste stehen, und zwar auch die, welche nach diesem Termine und vor dem Inkrafttreten der neuen Gehaltsregelung in den Ruhestand treten sowie die Hinterbliebenen der in der Zwischenzeit verstorbenen Beamten nachträglich so gestellt werden, als ob die Gehaltsregelung bereits am 1. April 1908 in Kraft gestanden hätte.

Die Staatsregierung wird ferner unverzüglich eine Vorlage ein⸗ bringen, durch welche, wie 1907 im Reiche, den unteren und mittleren Beamten, soweit sie nicht seit dem 1. April 1907 entsprechend auf⸗ gebessert sind, ein fester Betrag vorab gezahlt wird, der auf die künf⸗ tigen erhöhten Bezüge anzurechnen ist. Eine gleiche Fürsorge wird den geringer besoldeten Lehrern und Lehrerinnen an den Volksschulen zuteil werden. (Zurufe: Und die Geistlichen ?)

Der Abg. von Erffa (kons.) beantragt die Besprechung der Interpellationen. Der Antrag wird vom ganzen

Hause unterstützt. 1 Gyßling f k Die eben gehörte Erklärung der Regierung kann uns nicht im geringsten befriedigen, sie erregt unser tiefstes Bedauern und unser ernstes Befremden. Die Unzufriedenheit, die sie in den Kreisen der Beamten erregen muß, frommt dem Staats⸗ wohl in keiner Weise. . wird auf die Reichsfinanzen verwiesen; im vorigen Jahre meinte der Finanzminister, die reußischen Finanzen duldeten die 25g nicht. Jedesmal wird die bbae zu Ungunsten der preußischen Beamten beantwortet. Die Er⸗ Aärung des Vizepräsidenten des Staatsministeriums, daß die Vorlage im Oktober kommen soll, kann uns in keiner Weise genügen. Wo ist die Garantie dafür, daß sie durchgeht? Die Thronrede sprach davon, daß in dieser Session die Frage entschieden werden sollte. Man spricht von der rückwirkenden Kraft, aber mit der Garantie dafür steht es ebenso ungewiß. Das Parlament kann in solchen Fragen die Initiative nicht ergreifen, das ist Sache der Re⸗ serung. Und wie steht es mit der angeblichen Gleichheit der Be⸗ andlung der Beamten im Reiche und in Preußen? Im vorigen Jahre wurde seitens der Regierung darauf kein ausschlaggebendes Ge⸗ wicht gelegt; jetzt auf einmal wird dieser Grundsa aufgestellt, und wiederum zum Schaden der preußischen Beamten. Sind denn seit den Verheißungen der Thronrede irgend welche Aenderungen eingetreten? In keiner Weise. Lediglich, daß die Beamtenbesoldungsfragen bei der Etatsberatung ausgeschaltet worden sind. Wird sich das bei der dritten Beratung nachholen lassen? Das ist doch mehr als fraglich. Die Lehrerbesoldung vollends ist doch eine spezifisch preußische An⸗ elegenheit, die, wenn schon nicht im ganzen, so doch in ihren rundsätzen jebt und in dieser Session hätte festgelegt werden müssen. Darüber hätte die Regierung eine Verständigung im Hause herbeiführen sollen, aber nichts von alledem ist zu hören gewesen. Teuerungszulagen sollen gegeben werden; sie sind nur ein schwacher Ersatz; sie haben den Charakter von Unterstützungen getragen, verschiedentlich sind sie nicht als ein Rechtsanspruch der Beamten aufgefaßt worden. Wir legen Nachdruck darauf, daß die Wirtschafts⸗ und Schutzzollpolitik zum Teil jedenfalls die desase dafür bildet, daß die Besoldungen jetzt erhöht werden müssen, daß die Beamten mit Recht über die Unzulänglichkeit der Bezüge klagen. Die Deckungsfrage kann bei uns nicht im Wege stehen. Weshalb ist in den guten Jahren gar nichts ge⸗ schehen, als die Einkommensteuer immer steigende Erträge auf⸗ wies? Die Ergebnisse der Eisenbahnverwaltung waren d auch in den guten Jahren so vorzüglich, daß etwas hätte geschehen können. Noch 1907 haben die Einkommensteuern 37 Millionen mehr eingebracht, als veranschlagt war. Wir tragen für die cneease voll an der Verantwortung mit; sollte die Einkommensteuer nicht so gestaltet werden können, daß sie die mittleren und unteren Klassen entlastet, so schrecken wir auch nicht vor einer Steuererhöhung zurück. Wir fordern die Regierung noch jetzt auf, die

Beamtenbesoldungsvorlage mindestens noch dem jetzigen Hause