vorzulegen, damit wenigstens die Grundsätze für die Verbesserung festgestellt werden können; wir müssen der Regierung die volle Verantwortung für die Folgen zuwälzen, wenn das nicht geschieht.
Wir sind stolz auf die Tüchtigkeit unserer Beamten im e und in Preußen, sie halten jeden Vergleich mit den Beamten anderer Staaten aus, aber darum müssen sie auch wirtschaftlich genügend ge⸗ stellt sein. Dem Könige, was des Königs ist, dem Volke, was des Volkes ist, den Beamten, was der Beamten ist.
Abg. Broemel (fr. Vgg.): Die heutige Erklärung der Re⸗ gierung führt für die Verzögerung lediglich sachliche Gründe an, im Reichstag hat — der Schatzsekretär erklärt, daß die Verzögerung wegen der Verbindung mit der Deckungsfrage erfolgen müsse. Die Beamtenbesoldung soll also den neuen Steuern Vorspann leisten. Das heißt, die Frage mit einer politischen Taktik verbinden, die der Sache nicht förderlich ist. Ein selbständiges Vorgehen Preußens ohne das Reich würde ja Unzuträglichkeiten mit sich bringen, wenn dadurch Verschiedenheiten im Reich und in Preußen entstünden; so sehr groß könnten diese doch nicht sein, denn Feene und das Reich baben in dieser Frage bereits in naher Fühlung mit einander gestanden. Wie soll denn die Deckungsfrage in Preußen ah⸗ hängig gemacht werden von der Finanzreform im Reiche? Wenn die Vorlage hier im Herbst eingebt, wird doch auch erst im Reichstage mit der Finanzreform begonnen. Und was soll in Preußen geschehen, wenn im Reiche zum 1. I 1909 die Finanzreform nicht zu stande E- kommen ist? Dieses ganze Verfahren leidet an einem großen Fehler
rum will man nicht wenigstens in Preußen sofort vor⸗ gehen? Die finanzielle Notlage besteht auch heute schon, also sollte man ohne Rücksicht auf das Reich vorgehen und nicht bis zum Herbst warten. Und die Lage der Geistlichen und Lehrer findet im Reiche überhaupt kein Analogon. Wir müssen uns wenigstens über die
Grundlage der Lehrerbesoldung einigen. Es besteht die große Ge⸗ fahr, daß im Herbst abermals die Besoldungsfrage für die Lehrer und die Beamten verschoben werden könnte, wenn Meinungsverschieden⸗ heiten darüber entstehen. Die Einigung über die künftige Vorlage könnte wesentlich erleichtert werden, wenn wir uns schon jetzt über die Grundzüge verständigen würden. Es ist deshalb der Antrag zur dritten Beratung des Etats eingebracht worden, der die Grund⸗ züge für die Lehrerbesoldung enthält, und es kommen vielleicht noch andere ähnliche Anträge. Wenn auch die Ausführung wegen des Reiches verschoben werden muß, so könnten wir doch in Preußen mit Leichtigkeit uns über die gesetzlichen Grundlagen noch jetzt ver⸗ ständigen. Eine Aufbesserung der Beamtengehälter ist nötig, unser Staat besi t die Mittel dazu, und trotzdem soll die Aufbesserung nicht ge⸗ macht werden. Das ist im Interesse des Staates aufs tiefste zu bedauern. Die Regierung hat in den Beamtenfragen eine unglück⸗ liche Hand gehabt, sie hat sich jahrelang gegen alle Anregungen zu Verbesserungen ablehnend verhalten. So ist es gekommen, daß die Regierung jetzt nicht mehr das Vertrauen von den Beamten erwarten kann, das sie nach unserer Meinung durchaus haben muß. Hier handelt es sich nicht um eine Parteifrage, sondern um ein wichtiges Staatsinteresse, um die gewissenhafte Führung der gesamten Staats⸗ geschäfte. Deshalb sollte die Regierung die Reformen, die sie im Herbft doch machen muß, schon jetzt machen.
Abg. Malkewi . Wir sind durchdrungen von dem Ernst der Stunde und der Angelegenheit, und alle im Hause sind erfüllt von der großen Verantwortung nicht nur den Beamten und Lehrern gegenüber, sondern auch der gesamten preußischen Bevölkerung F. Mein Freund von Arnim hat neulich in der Kommission
lärt, daß meine Freunde bereit seien, wenn die Regierung uns die Vorlage unterbreiter, bis zum letzten Augenblick ernst und fieth mitzuarbeiten, damit Beamte, Lehrerschaft und Geistlichkeit so chnel wie möglich in den Genuß der Erhöhung gelangen. Und das ist unser Grundsatz noch bis zu diesem Augenblick, und ich kann, was hier gesagt ist von den Rednern, nur unterschreiben. Es hat nicht sollen sein. ach der Erklärung des Staatsministeriums gelangt die
Vorlage in dieser Session nicht mehr an uns, wir gehen ch mit den Beamten in eine große Leere hinein, die auszufüllen uns der besten Absicht bis zum Schluß des Landtages nicht mehr möglich ist. Es handelt sich für uns nicht um persönliche Empfindungen, aber was wir hier ausdrücken, sind die schmerzlichen und tiefen Empfindungen der preußischen Beamten und der Lehrerschaft, zu deren Mundstück wir uns kraft unseres Mandats machen müssen. Wenn heute es scheint, als ob die Regierungsbank zur Anklagebank geworden sei, so be⸗ dauern wir das aufs tiefste; aber wir müssen Licht und Schatten in dieser Frage gleichmäßig verteilen. Ich glaube nicht daran, daß die Beamtenschaft die schwere Schuld an der Vertagung der Vorlage allein der Regierung aufbürden wird; sie wird 9seh aus der ernsten Erklärung der eeer. berauslesen, daß sehr ernstliche Gründe die Regierung augenblicklich von der Einlösung ihres Versprechens abhalten. Wir wären nicht Mitglieder der Volks⸗ vertretung, wenn wir nicht glaubten, daß die Regierung nicht aus böser Absicht oder Abneigung gegen die Beamtenschaft so handelt, sondern daß sie tiefer gehende Gründe hat. Deshalb brauchen wir mit den Gründen der Regierung noch nicht einverstanden zu sein; aber als unparteiische Männer müssen wir das anerkennen. Wenn die Sache überall mit der gleichen Sachlichkeit behandelt wäre, und wenn man nicht schon vor der Beantwortung der Inter⸗ pellationen sich zu den schweren Angriffen auf die Regierung hätte hinreißen lassen, so läge die Sache einfacher für uns, weil es nicht konservativer Art entspricht, die Regierung anzugreifen, ehe man ihre Gründe gehört hat. Der bisherige Verlauf der Diskussion zeigt die ruhige sachliche Behandlung, die die Frage verdient. Als Mit⸗ glied des Reichstages und dieses Hauses muß ich anerkennen, daß gegenwärtig die Regelung im Reiche außerordentlich schwierig ist, und wenn man es im Reiche versuchen würde, so wäre die Folge’, da die Finanzgesetze nicht zustande kommen, die Erhöhung der Matrikularbeiträge, also eine neue schwere Belastung der Einzelstaaten. Die Finanzvorlage im Reich zu bewilligen, sind wir bereit. Meine Partei hat im Reichstage keinen Zweifel gelassen, daß sie, da die Beamtenvorlage notwendig ist, die nötigen Konsequenzen für neue Steuern ziehen will. Wenn wir keine Finanzreform bekommen, so liegt das an den weit auseinander gehenden Anschauungen der Parteien und der 1.— Wir sind bereit, auf dem alten prinzipiellen Wege, den Fürst Bismarck durch die Finanzreform vorgezeichnet hat, unsere Schuldigkeit zu tun, um dem Reiche zu neuen Einnahmen zu ver⸗ helfen. Ich will nicht Vorwürfe gegen eine Partei im Reichstage er⸗ heben, die anderer Anschauung ist; aber wenn die Sache großen Schwierigkeiten begegnet, und auch Preußen darunter leidet, so ist es nicht die Schuld meiner Freunde und wird es hoffentlich auch ferner⸗ hin nicht sein. Wir müssen die Vorwürfe der „Vossischen Zeitung“ zurückweisen, daß wir im stillen damit einverstanden sind, die Be⸗ soldungsvorlage bis nach den Neuwahlen zu vertagen, damit ein für niedrige Beamtengehälter willfähriger Landtag zu stande kommt. Meine Partei ist zu einem wesentlichen Teil verantwortlich für die Verhält⸗ nisse in Preußen, aber das soll auf unsere Stellung zur Besoldungs⸗ regelung nicht den geringsten Einfluß ausüben, und das wird auch für den neuen Landtag gelten. Bestreiten muß ich, daß unsere Wirtschaftspolttik schuld ist an den Teuerungsverhältnissen; sie ist es auch nicht an der Getreideteuerung. Wie steht es denn mit den Viehpreisen, die doch trotz der Handelsverträge niedriger geworden sind? Dann müßten Sie (nach links) ja nachträglich den
ndelsverträgen zustimmen. Wenn wir nun nach vollbrachter
at, vielmehr nach vollbrachtem Reden, hinausziehen, so ist leider festzustellen, daß die Beamten glauben, nur der ver⸗ trete am nachdrücklichsten ihre Interessen, der die heftigsten
Vorwürfe gegen die Regierung richtet. Aber auch unser Stand⸗ ee sollte der Beamtenschaft zeigen, daß wir das nötige Verständnis ür sie haben. Auf einer tüchtigen Beamtenschaft ruht unser Staat; von diesem Gesichtspunkte aus werden meine Freunde alles tun, damit die Hoffnungen der Beamtenschaft in Erfüllung gehen. Und wir rechnen am meisten dabei auf die Mitarbeit der Staatsregierung.
Abg. Kirsch (Zentr.): Auch wir halten die Erklärung der Regierung für v men 2 Wo bleibt das Lehrerbesoldungs⸗ geseß⸗ Die richtige Antwort würde die — bekommen, wenn 8 Tagen Reichstagswahlen wären. Uaabhängig von der Finanz⸗ 8
reform im esoldungsvorlage bringen, denn He8. 1e nche die Besoldung neu regelt, was so das kleine Baden sich leistet, das müßte doch der größte Bundesstaat auch tun können.
Abg. Schiffer (nl.): Meine politischen Freunde haben eine Interpellation in 1aen Sache bereits im Dezember eingebracht, nachdem in der Thronrede die Beamtenbesoldung feierlichst ange⸗ kündigt war; denn wir mußten objektiv anerkennen, daß auch in der vorhergehenden Thronrede die Polenvorlage angekündigt, trotzdem aber in der beschränkten Session nicht gekommen war. Trotzdem wäre es fast eine Beleidigung gewesen, daran zu zweifeln, daß die Beamten⸗ besoldungsvorlage nicht kommen würde; ich möchte nun aber bitten, in der Thronrede nicht wieder wichtige Vorlagen anzuköündigen, die nachher nicht kommen. Daß die vorgebrachten Gründe der Regierung wegen der Verhinderung schwerwiegend seien, kann ich nicht anerkennen. Die geforderte Gleichzeitigkeit der Verhandlungen hier und im Reichstag wird sich schwerlich durchführen lassen, zumal im Herbst im Reichstag zunächst die Finanzreform vorgenommen werden muß. Daher möchte ich die dringende e an die Regierung richten, ob, wenn die anzreform im Reiche nicht kommt, wir auch unbedingt auf die Neuregelung der preußischen Beamten⸗
ehälter rechnen können, sonst wird das Volk allmählich irre an der Fuverkässigkent politischer Zusagen. Unsere Beamten, Lehrer und Geistliche haben im Vertrauen auf die Zusagen der Königlichen Staatsregierung schon jetzt finanzielle Maßnahmen getroffen, die nun in der Luft schweben, die Mieten sind erhöht, Gekftliche baben ihre Kinder in Pensionen gebracht u. dergl. mehr. Die Grundlagen im Reich und in find ganz verschieden, denn es sind ganz andere Einnahmequellen maßgebend. Wir hätten aber in Fee in vier Wochen genügend Zeit gehabt, um uns wenigstens über die mögliche Gestaltung der Gehälter zu verständigen, und bezüglich der Lehrer und Geistlichen wäre das eigentlich jetzt noch möglich. Der Arbeiter oder der Privatheamte, der Hauswirt, der Kaufmann, sie alle haben ihre Bezüge verbessern können; allein der Beamte ist wehrlos, er ist ein Opfer der wirtschaftlichen Verhältnisse geworden, und ich bitte dringend, dafür zu sorgen, daß er nicht auch ein Opfer der politischen Verhältnisse wird.
Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:
Meine Herren! Ehe ich auf die Sache selber eingehe, muß ich Veranlassung nehmen, eine Nachricht richtig zu stellen, die hinsichtlich der Vornahme der Neuwahlen für das Abgeordnetenhaus durch die Zeitungen geht. Bei einer gestern stattgehabten Besprechung mit Führern der verschiedenen Parteien habe ich angekündigt, wie das vorher von dem Herrn Vizepräsidenten in feierlicher Weise geschehen ist, daß der Landtag im Oktober behufs Entgegennahme der Vorlagen wegen Aufbesserung der Gehälter der Beamten, Lehrer und Geistlichen versammelt werden solle, und im Anschluß daran ist von ver⸗ schiedenen Seiten der Wunsch ausgesprochen worden, daß dann die Neuwahlen möglichst früh im Sommer stattfinden möchten. Ich habe diesen Wunsch als das Ergebnis der Versammlung konstatiert, habe aber meinerseits erklärt, eine Stellung dazu nicht nehmen zu können, da die Sache noch nicht zur Beschlußfassung“ des Staats⸗ ministeriums gelangt sei, und ich also eine Erklärung nicht abgeben könne. Ich glaube, meine Herren, alle, die gestern an der Beratung teilgenommen haben, werden mir die Richtigkeit dieser meiner Auf⸗ fassung bestätigen. (Zustimmung.) Ich hielt es für meine Pflicht, das hier klar zu stellen.
Meine Herren, lassen Sie mich nun mit einigen Worten auf die Vorlage selber eingehen. Da muß ich zunächst das richtig stellen, was der Herr Abg. Gyßling sagte. Der Herr Abg. Gyßling führte aus, wir hätten in den letzten Jahren für die Beamten nichts getan und uns in immer steigendem Maße der Fürsorge für sie enthalten. Meine Herren, ich glaube, daß das durchaus nicht zutreffend ist. Ich darf in Kürze nochmals feststellen, daß wir im Jahre 1906 bekanntlich den Wohnungsgeldzuschuß der Unterbeamten um 50 % mit einem Kostenaufwande von 8,5 Millionen Mark erhöht haben. Wir sind dann im Jahre 1907 dazu übergegangen, die Gehälter der Beamten des Außendienstes mit einem Kostenaufwande von nicht weniger als 14 Millionen Mark aufzubessern, und ebenso haben wir die Kleider⸗ geldzuschüsse für die Unterbeamten mit 3,5 Millionen Mark eingeführt. Das macht in den Jahren 1906 und 1907 26 Millionen Mark dauernder Belastungen.
Wir haben ferner die Ehre gehabt, Ihnen im vorigen Jahre die Vorlagen wegen der Besserung der Pensionen und wegen der Besserung der Reliktenbezüge, die Ihre Zustimmung gefunden haben und mit einem dauernden Mehraufwande von 16,5 Millionen Mark verbunden sind, zu unterbreiten, sodaß wir allein in den Jahren 1906 und 1907 ins⸗ gesamt einen dauernden Mehraufwand von 42,5 Millionen im Interesse der Beamten auf die Staatskasse übernommen haben.
Die Vorlagen, die uns bisher beschäftigt haben, und die heute den Gegenstand der Interpellationen bilden, werden für die Beamten, Lehrer und Geistlichen 120 bis 130 Millionen erfordern. (Hört! hört!) Dazu kommt die Steigerung der Pensionen und Relikten⸗ bezüge infolge dieser Gehaltsaufbesserungen, die etwa auf 15 Millionen zu veranschlagen ist, sodaß die Gesetze einen Mehr⸗ aufwand von 135 bis 145 Millionen erfordern. Nehmen Sie die 42,5 Millionen hinzu, die wir in den letzten beiden Jahren bereits dafür aufgewandt haben, so ergibt das eine dauernde Steige⸗ rung von nicht weniger als 175 Millionen Mark. (Hört, hört!) Meine Herren, daß wir eine solche Mehrbelastung nicht allein aus unseren laufenden Einnahmen decken können, das ist nach wie vor die Ueberzeugung der Staatsregierung, und wir werden also die pro⸗ duktiven Kreise unseres Vaterlandes in Gestalt der Erhöhung der Einkommensteuer mit dazu heranziehen müssen, um diese Ausgaben zu decken.
Ich weise aber ferner darauf hin, daß damit ja das Maß der Belastung noch nicht erschöpft ist; denn die Kommunen müssen nolens volens dem Vorgehen des Staates vielfach folgen (sehr richtig!), und aus der Erhöhung der Gehälter der Gemeindebeamten wird wiederum zum Teil eine Mehrbelastung der Gemeindeeingesessenen, der breiten produzierenden Kreise unserer Bevölkerung folgen. Meine Herren, selbst damit ist die Sache noch nicht abgetan; denn naturgemäß zleht die Steigerung der Gehälter der Staatsbeamten und der Kommunal⸗ beamten auch eine Steigerung der Bezüge der Privatangestellten, ja vielfach eine Steigerung der Lohnbezüge nach sich. Ich will auf diese Seite der Sache aber heute nicht weiter eingehen. Ich habe diese Daten nur kurz angeführt, um hervorzuheben, daß wir schon bisher getan haben, was wir tun konnten, und daß wir des festen Willens sind, in Uebereinstimmung mit diesem hohen Hause, den Beamten, den Lehrern und Geistlichen zu geben, was ihnen im Hinblick auf die gestiegenen Kosten der Lebensunterhaltung gebührt.
Aber wenn meine Kollegen und ich — ich kann mich hier ein⸗ schließen — nicht bloß mit der Hand, sondern auch mit dem Herzen tagtäglich daran arbeiten und den aufrichtigen Wunsch haben, unseren
Beamten, Lehrern und Geistlichen zu Hilfe zu kommen, soweit es in “ 3 1““
unseren Kräften steht, so muß es schmerzlich berühren, wenn hier von einer Minderung des Vertrauens der Beamtenschaft zur Staats⸗ regierung gesprochen wird (sehr richtig! rechts) als einer Folge des Verschuldens der Staatsregierung. Wir haben in dieser Beziehung ein sehr reines Gewissen und können von uns selber sagen, daß wir getan haben und tun werden, was in unseren Kräften steht. Einzelne der Reden, die wir gehört haben, sind aber nicht geeignet, das Ver⸗ trauen zu stärken und die Disziplin der Beamtenschaft zu erhöhen. (Sehr richtig! rechts.) Auf der Disziplin der Beamten⸗ schaft und auf der Aufrechterhaltung des Vertrauens beruht mit die Entwicklung unserer Zukunft, und deshalb moöchte ich dringend bitten, bei Ihrem Verhalten auch diese Rücksicht auf die Erhaltung des Vertrauens der Beamtenschaft und auf die Aufrechterhaltung de Disziplin nicht außer acht lassen zu wollen.
Nun ist von den verschiedenen Herren Vorrednern mit einem gewissen Schein von Recht oder meinetwegen auch vollkommen mit Recht darauf hingewiesen worden, daß wir die Zusage, die in der Thronrede gegeben ist, nicht voll eingelöst haben. Ich erkenne das mit den Herren Vorrednern durchaus an, daß es höchst unerwünscht ist, eine Zusage, die in der Thronrede gegeben ist, nicht bis zu dem letzten J Tippelchen einzulösen. Ich darf aber zunächst materiell daran erinnern, daß die Thronrede in der Hauptsache doch gesagt hat, den Beamten, den Lehrern und den Geistlichen solle vom 1. April 1908, vom neuen Etatsjahr ab, die Wohltat einer Gehaltsaufbesserung zuteil werden, und daß wir an dieser materiellen und ent⸗ scheidenden Absicht der Thronrede durchaus festhalten, wie das auch aus der Erklärung des Herrn Vizepräsidenten des Staats⸗ ministeriums hervorgeht. Die Abweichung von der Erklärung der Thronrede liegt nur darin, daß wir die Vorlage nicht mehr jetzt ein⸗ gebracht haben, sondern daß wir sie erst im Herbst einbringen wollen. Hierzu sind aber die Vorgänge im Reich für uns die zwingende Ver⸗ anlassung gewesen. Als die Erklärung der Thronrede abgegeben wurde, als wir hier vielfach im Hause über die Aufbesserung der Beamtenbezüge gesprochen haben, war es doch — ich kann wohl sagen — communis opinio, allgemeine Ansicht, daß auch im Reiche noch in diesem Jahre mit der Gehaltsaufbesserung und mit der Be⸗ schaffung der nötigen Deckungsmittel vorgegangen würde. Bei allen unseren Maßnahmen war die Voraussetzung ein paralleles Vorgehen im Reich. Nun frage ich: wodurch ist denn dieses parallele Vorgehen im Reiche nicht möglich gemacht worden? Doch in erster Linie infolge des Wunsches des Reichstages selber! Aus den Kreisen des Reichs⸗ tages war der dringende Wunsch ausgesprochen worden, jetzt noch nicht mit Steuervorlagen an den Reichstag zu kommen, sondern erst im Herbst mit einer umfassenden Finanzvorlage an ihn heranzutreten. Und gerade die Kreise der Linken, die Bedenken gegen uns erhoben haben, sind es gewesen, die dringend gewünscht haben, die Steuergesetze jetzt nicht mehr vereinzelt zu bringen (hört, hört! rechts und im Zentrum), sondern die Finanzreform bis zum Herbst aufzu⸗ schieben. 1
Es trat dann noch ein neuer materieller Grund hinzu. Der Beschluß wegen der Ermäßigung der Zuckersteuer machte das Defizit im Reiche bekanntlich nicht kleiner, sondern noch um 35 Millionen größer, und es stellte sich ferner heraus, daß die Summe, die man ursprünglich als Bedarf für die Aufbesserung der Beamten ange⸗ nommen hat, nicht ausreichte, sondern noch überschritten wurde, und es ergab sich also in der Tat, daß die beiden Vorlagen, die in Rede standen, die Vorlage wegen des Rohspiritusmonopols und der Bande⸗ rolesteuer, nicht hmreichten, um den Bedarf des Reiches zu decken und die nötigen Mittel für die Aufbesserung der Beamten zu liefern. Ich glaube, darüber kann doch kein Zweifel sein, daß man im Reich die Beamtenvorlage nicht bringen konnte, ehe die ent⸗ sprechenden Deckungsmittel beschafft waren. (Sehr richtig! rechts.) Man konnte doch die Aufwendungen für die Beamtenaufbesserung als laufende Aufwendungen nicht auf Anleihe nehmen und ebenso konnte man sie auch nicht auf Matrikularbeiträge verweisen; denn das hätte bedeutet, die Aufbesserung der Gehälter der Reichsbeamten nicht auf Kosten des Reichs, sondern auf Kosten der Einzelstaaten vorzunehmen. (Sehr richtig! rechts.) Ergab sich also aus dem vom Reichstag selbst geäußerten Wunsche nach einer Aufschiebung der Finanzvorlage die Notwendigkeit, auch die Aufbesserung der Beamten im Reich bis zum Herbst zu vertagen, so konnten wir uns in Preußen, wie wir glauben, pflichtmäßig der Ueberzeugung nicht verschließen, daß auch für uns eine solche Vertagung notwendig war.
Ich kann nur nochmals betonen, uns wäre es ja im höchsten
Maße erwünscht gewesen, ich möchte sagen, ein Bedürfnis des Herzens gewesen, diese nun lange andauernden Verhandlungen wegen der Auf⸗ besserung der Gehälter der Beamten, Lehrer und Geistlichen zum Abschluß zu bringen, uns Kopf und Herz von diesen Arbeiten zu be⸗ freien und, was noch wichtiger ist, bei den Beamten eine vollkommene Beruhigung herbeizuführen. Aber wir mußten doch mit Recht be⸗ zweifeln, ob ein solcher endgültiger Abschluß, ob eine solche Be⸗ ruhigung in den Kreisen der Beamten herbeigeführt worden wäre, wenn wir in Preußen, ganz losgelöst von dem Vorgehen des Reichs,
vorgegangen wären. Denken Sie sich die Situation, wir hätten jetzt die Vorlage in Preußen eingebracht, und im Herbst wäre erst die Vorlage im Reiche eingebrachi worden. Sie wissen, wie jetzt
schon jede Kategorie von Reichsbeamten exemplifiziert auf die ent⸗ sprechende Kategorie von preußischen Beamten und umgekehrt, wie die lebhaftesten Beschwerden von einer Kategorie von Beamten er⸗ hoben werden, wenn eine adäquate Kategorie in Preußen oder im Reiche um 100 ℳ im Anfangs⸗ oder Endgehalt oder in irgend einer Beziehung besser gestellt ist als die Kategorie, die Beschwerde führt. Ist schon eine solche Abweichung in Einzelheiten unerwünscht — ich erinnere an die steten Parallelen zwischen den Postassistenten und den Eisenbahnassistenten —, so, meine ich, würde es nicht angängig sein, in einem Falle, wie dem vorliegenden, wo es sich darum handelt, einen umfassenden organischen Plan für die Aufbesserung der Beamten⸗ gebälter vorzulegen, bei den engen historischen Beziehungen zwischen dem Reich und Preußen, bei der adäquaten Gestaltung der Beamten⸗ verhältnisse, eine umfassende Aufbesserung der Beamtengehälter in Preußen nach anderen Prinzipien vorzunehmen als im Reiche. 8 1“ 1“ 8
11“ 8
zum Deutschen Reichsan
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Berlin, Donnerstag, den 12. März
zeiger und Königlich Preußischen
—
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
muß bei diesen grundlegenden Fragen doch eine möglichste Ueberein⸗ mmung zwischen dem Reiche und Preußen obwalten. Hätten wir o die Vorlage jetzt einseitig in Preußen eingebracht, so hästen wir it der Möglichkeit, ja ich gehe weiter, vielleicht mit der Wahrschein⸗ hhkeit rechnen müssen, daß später, im Laufe des Herbstes eine andere gelung im Reiche in finanzieller Beziehung eingetreten wäre. Was äre die Folge gewesen? Eine tiefgreifende Unzufriedenheit ei den preußischen Beamten, wenn ihre Verhältnisse anders, minder instig geregelt worden wären als im Reiche, und, wenn wir diese nzufriedenheit ausräumen wollten, die Notwendigkeit, im nächsten ahre hinterher mit einer neuen Vorlage an das Haus heranzutreten. c denke, das wäre dech der denkbar unerwünschteste Zustand ge⸗ sen, jetzt eine Gehaltsregelung vorzunehmen und im nächsten Jahre enötigt zu sein, mit einer neuen Vorlage an das hohe Haus heran⸗ treten, um Differenzen gegenüber der Ordnung im Reiche aus⸗ agleichen. 1 kam, wie in der Erklärung des Herrn Vizepräsidenten reits angeführt ist, daß einen integrierenden Teil der ganzen Auf⸗ sserung der Bezüge der Beamten die Regelung des Waohnungsgeld⸗ aschusses bildet. Es ist bekannt, daß im Reichstage der Wunsch äußert worden ist, diesen Wohnungsgeldzuschuß auf ganz andere grundlagen zu stellen als bisher, daß im Reichstage das Verlangen usgesprochen worden ist, diesen Wohnungegeldzuschuß nach den tat⸗ ächlich gezahlten Mieten abzustufen, und daß infolgedessen sehr mfangreiche und komplizierte Berechnungen über die Höhe gezahlten Mieten stattgefunden haben. Was aus der Vor⸗ age schließlich wird, steht noch nicht fest, eine endgültige Entscheidung ist in der Beziehung noch nicht getroffen, aber das darf man sagen, daß es in höchstem Maße unerwünscht sein würde, wenn wa der Wohnungsgeldzuschuß im Reiche anders geregelt würde als in Preußen. Bisher folgen wir in Preußen ohne weiteres der Regelung im Reiche, und ich glaube, dieser Zustand muß aufrecht er⸗ alten werden; denn es ist doch wohl nicht denkbar, daß z. B. für die postbeamten ein anderer Servis an einem Orte gilt als für die Fisenbahnbeamten. Also wir müssen in dieser Beziehung hinsichtlich eer Gestaltung des Wohnuüngsgeldzuschusses der Entwicklung im Reiche olgen, wie das bisher durchaus konform in unserer Gesetzgebung schon eregelt gewesen ist. Endlich, was die Frage betrifft, in welchem Maße eine Erhöhung der
Einkünfte in Preußen notwendig ist, so ist für diese Frage nicht bloß das
Maß der Aufbesserung der Beamten, Geistlichen und Lehrer, sondern auch die Regelung der ganzen Finanzverhältnisse im Reiche entscheidend. Erst wenn man diese mit einiger Sicherheit übersehen kann, wird sich beurteilen lassen, in welchem Maße bei uns eine Aufbesserung der Einkommensteuer und der Ergänzungssteuer stattfindet.
Also es waren nicht weniger als 3 schwerwiegende Punkte, bei denen wir uns nach unserer pflichtmäßigen Ueberzeugung von dem Vor⸗ gehen im Reiche nicht trennen konnten.
Von verschiedenen der Herren ist der Einwand erhoben worden,, die Notwendigkeit, in Preußen ebenso vorzugehen wie im Reiche treffe nur zu auf die Beamten: warum habe man in Preußen nicht die Vorlagen wegen der Lehrer und der Geistlichen vorab bem hohen Hause unterbreitet? (Sehr richtig! links.) Meine Herren, nach unserer Ueberzeugung wäre eine solche Treanung dieser Vorlagen nicht an⸗ gängig gewesen. (Unruhe. Rufe: Warum?) Denken Sie das Gefühl der Beamtenschaft, wenn den Beamten, die unmittel⸗ bare Staatsdiener sind, die Vorlage erst im nächsten Herbst zuteil geworden wäre, und für die Lehrer, die doch nur mittelbare Staatsbeamte sind, und für die Geisstlichen, für die der Staat keine rechtliche Verpflichtung hat, bereits jetzt die Vorlagen unterbreitet worden wären. (Unruhe und Zurufe.) Und ferner können wir doch auch bei der ganzen Regelung der Lehrer⸗ gehälter nicht abstrahieren von der Regelung der Beamtengehälter. Diese Dinge müssen doch in einer gewissen Bezugnahme zu einander stehen und, was das Entscheidende ist, sie können nur einheitlich finanziell geregelt werden. Die Absicht ist, eine besondere Vorlage zu machen, durch die der ganze Finanzbedarf für Beamte, Lehrer und Geistliche gedeckt wird; ich glaube, man kann nicht dazu übergehen, den Bedarf für eine Kategorie vorwegzunehmen und dann die anderen der Ungewißheit zu überlassen, ob neue Deckungsmittel für sie werden
beschafft werden können.
Mehrere der Herren haben dann gefragt, was daraus werden sollte, wenn im nächsten Herbste im Reiche aus der Besoldungsfrage, aus der Frage der Sanierung der Reichssinanzen nichts würde. Meine Herren, das halte ich für eine cura posterior (Unruhe und Heiter⸗ keit) — meine Herren, bitte, hören Sie mich aus — und, wie ich hoffe, für eine unnütze Sorge. Denn ich kann mir nicht denken, daß der Reichstag, der selber die Vorlegung eines umfassenden Planes ge⸗ wünscht hat, sich der Erledigung eines solchen Planes entziehen sollte. Die Zustände auf finanziellem Gebiete im Reiche erfordern doch im eigensten Interesse des Reiches und im Interesse des Ansehens des Reiches nach Außen so dringend eine Abhilfe, daß wir dech alle wahrlich die Hoffnung hegen werden, daß im Herbste eine Ver⸗ ständigung im Reiche stattfinden wird.
Aber ich gehe weiter; ich bitte mir noch ein Wort zu gestatten. Ich bin allerdings der Ansicht, daß die Erledigung der Aufbesserung der Gehälter der preußischen Beamten, Lehrer und Geistlichen nicht gewissermaßen ad aeterna saecula vom Reiche abhängig gemacht werden kann. (Lebhaftes Sehr richtig!) Und wenn in der Tat, was ich nicht hoffe und für ausgeschlossen erachte, es nicht gelingen sollte, im Laufe dieses Etatsjahres im Reiche zu einer Verständigung zu gelangen, dann würde uns allerdings nichts übrig bleiben, als für Preußen gesondert vorzugehen. (Bravo! rechts. Unruhe im Zentrum und links.)
Meine Herren, darf ich dann noch auf einen weiteren Punkt ein⸗ gehen, der sich mehr mit Einzelheiten befaßt. Es ist von verschiedenen
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Herren eine nähere Auskunft gewünscht worden, wie wir uns die rück⸗ wirkende Kraft der Einzelbestimmungen denken. Ich habe schon er⸗ wähnt, daß die Staatsregierung die Absicht hat, die materielle Zusage der Thronrede voll und in allen Teilen aufrecht zu erhalten, daß den Beamten die ihnen zugedachten Wohltaten auch vom 1. April d. J. an zuteil werden sollen, daß die Gesetzesvorlagen also rückwirkende Kraft erhalten follen. Ebenso — das möchte ich Herrn Abg. Gyßling gegenüber bemerken — sollen die Pensions⸗ und Reliktenverhältnisse so geregelt werden, getreten wäre, daß also auch die Beamten, die nach dem 1. April, aber vor dem Inkrafttreten der Neuordnung in Pension treten, und ebenso die Relikten von Beamten, die in diesem Jahre sterben, so behandelt werden, als wäre das Gesetz am 1. April 1908 in Kraft getreten, daß also den Beamten irgend ein Nachteil aus dieser Ordnung nicht erwächst.
Abg. Schiffer gegenüber bemerken,
als ob die Vorlage am 1. April in Kraft
Und ebenso darf ich dem Herrn
daß die rückwirkende Kraft naturgemäß auch für die Geistlichen und für die Lehrer vorgesehen ist, daß ihnen also die Beträge vom 1. April 1908 nachzuzahlen sein würden.
Wir haben uns ferner entschlossen, um die Beamten nicht un⸗ günstiger zu stellen als im Jahre 1907, ihnen alsbald einmalige Zu⸗ lagen zu geben, und zwar in etwas erweitertem Umfange gegenüber dem Vorgehen im letzten Jahre. Wir haben die Absicht, den Unter⸗ beamten wiederum 100 ℳ zu geben und allen mittleren Beamten bis zu 4200 ℳ Gehalt, wie man im Reich im Jahre 1907 verfahren hat, eine Zulage von 150 ℳ, sodaß die mittleren Veamten bis zu diesem Gehaltssatz von 4200 ℳ sofort in den Genuß dieses Be⸗ trages treten.
Eine gleiche Summe soll auch den minderbesoldeten Lehrern nnd Lehrerinnen zugewendet werden; eine entsprechende Vorlage wird dem Hause zugehen.
Wir gehen also in dieser Beziehung weiter als im Jahre 1907, wo wir bekanntlich nur einen Fonds von 5 Millionen für die mittleren Beamten eingestellt haben, weil es an Deckungs⸗ mitteln gebrach. In diesem Jahre ist die Situation verändert, weil die Mittel bekanntlich im Etat stehen und im Interesse der Beamten wollen wir Ihnen vorschlagen, so zu prozedieren, wie 1907 im Reich, also also mittleren Beamten bis zum Gehaltssatz von 4200 ℳ Zulagen von 150 ℳ zu gewähren und ebenso den minder⸗
besoldeten Lehrern.
Meine Herren, ich darf mich kurz rekapitulieren. Alle Vertreter der Königlichen Staatsregierung hätten auf das innigste gewünscht, die Vorlagen jetzt schon zur Verabschiedung bringen zu können; aber wir mußten vor allem verhüten, daß diese Vorlagen wiederum zu keinem definitiv befriedigenden Zustande führten, und deswegen mußte unsererseits darauf Rücksicht genommen werden, in gleicher Weise vor⸗ zugehen wie das Reich, pari passu und nach gleichen Grundsätzen zu verfahren, wie das Reich es tut.
Ich darf ferner hervorheben, meine Herren, daß durch diesen Auf⸗ schub um wenige Monate, wie ich glauben möchte, der sachlichen Be⸗ handlung der Angelegenheit doch kein Nachteil erwächst. Diese Vorlagen wegen Aufbesserung der Beamtengehälter, der Gehälter der Lehrer und der Gehälter der Geistlichen beider Konfessionen, wegen Beschaffung der nötigen Deckungsmittel sind so umfangreich, daß es in der Tat doch fraglich ist, ob wir jetzt noch die genügende Muße gefunden haben würden, diese Vorlagen in ausreichender Weise zu beraten. (Lebhafte Zurufe: O ja!) Meine Herren, ich darf da hinzufügen, daß nach der Erklärung im Reich die Vorlage des Reiches erst in wenigen Wochen fertig ist, daß die Vorlage dann an den Bundesrat geht und jeden⸗ falls doch dieses Moment hätte abgewartet werden müssen, ehe wir die Vorlagen gebracht hätten. Tritt das hohe Haus im Oktober zu einer besonderen Beratung zusammen, so hat es vollkommen Zeit und Muße, diese wichtige Vorlage zur Verabschiedung zu bringen. Meine Herren, wie es in den letzten Jahren gelungen ist, in gemeinsamer Arbeit wichtige gesetzgeberische Arbeiten zu verabschieden, so hoffen wir, daß wir in vertrauensvollem Zusammenarbeiten zwischen dem hohen Hause und der Staatsregierung auch diese Vorlagen im Herbst verabschieden werden zum Wohle unserer Beamten und zum Wohle des Vaterlandes. (Bravol rechts.)
Abg. Mertin (frkons.): Es ist wohl das erste Mal, daß wir hier eine Leichenrede halten müssen; denn was noch gesagt werden kann, ist nur eine Leichenrede, denn in dieser Session kommt die Vorlage nicht mehr, wir stehen an ihrem Grabe. Wir können den Gründen der Regierung nicht folgen, diese Gründe laufen lediglich darauf binaus: das Reich, ja das Reich! Der Minister hat mit großer Energie einen Entwurf für Preußen ferteren. der 240 Seiten umfaßt. Wir können uns auch über die Grundsätze für die Lehrer⸗ besoldung einigen, und damit hat das Reich gar nichts zu tun. Wir würden bereit sein, im ganzen Hause, hier zu sitzen, sozusagen bis zur Erschlaffung, um die Vorlage noch in dieser Session fertig zu bringen. ir sind auch bereit, das Geld zu beschaffen; wir sind also hier viel weiter als das Reich. Gewiß müssen Reich und Preußen konform gehen, aber es wäre nicht nötig gewesen, daß das auch zu gleicher Zeit geschieht. Warum soll nicht nach dem Grundsatz verfahren werden: „Preußen in Deutschland voran!“ Wir in Preußen haben alles dazu getan, das Reich ist aber noch nicht so weit. Haben wir etwa weniger Fähigkeit zur Gesetzgebung als der Reichstag, daß wir auf ihn warten müßten? Das ist ein taktischer Fehler der Regierung. Wenn die Sache auch nicht ad calendas Graecas dadurch verschoben wird, so wird sie doch durch das Reich auf die lange Bank geschoben Daß wir die Sache hier nicht sollten machen können, ist ein Mißtrauen gegen unsere Fähigkeit. Die Regierung“ sagt, die Beamten sollen keinen Schaden erleiden, sie sollen nach⸗ bezahlt bekommen, und sie sollen Teuerungszulagen bekommen. Aber wie ist es mit den Lehrern und Geistlichen? Ein Geistlicher u mir, daß zunächst eine Erhöhung der Kirchensteuer notwendig sein würde. Die Lehrer und Geistlichen würden also zur Zeit salescer ge⸗ stellt als die Beamten, es würde also nicht aller Schaden beseitigt werden. Dazu kommt die moralische Wirkung der Verzögerung. Auch die Teuerungszulage kann über die Situation nicht hinweg⸗ helfen. Die Notlage der Beamten ist an der äußersten Grenze angelangt, und sie ist vielfach schlimmer als die der Arbeiter. Die Sorge für die Kinder wird zur Haushalt der unteren Beamten und vieler mittleren Beamten muß zurückbleiben, denn die Frauen müssen Heimarbeit über⸗
Last, der
nehmen zur Bestreitung des Lebensunterhalts. Herr Kirsch sagt, wenn in 8 Tagen Reichstagswahlen wären, würde die Regierung die Quittung bekommen für ihr Verhalten; das kann nur bedeuten, daß viele Beamte sozialdemokratisch wählen würden. Unsere Beamten sind aber königstreu und loyal, denen traue ich das nicht zu. 1 1 8 If Dr. Hahn (B. d. L.): Fürst Bismarck hat einmal gesagt, er denke sich als die beste Volksvertretung die, welche aus den einzelnen Ständen zusammengesetzt sei.Als erster Stand organisierte sich die Arbeiterschaft, ihr folgten die Landwirte, darauf die Hand- lungsgehülfen usw. — das Großkapital hätte ich beinahe vergessen, auch das Großkapital hat sich zur Vertretung seiner Interessen organisiert, ebenso der Großhandel, die Schiffahrt, um Einfluß auf die Gesetzgebung zu gewinnen. Wir wissen, welchen Einfluß z. B. das Großkapital auf die Presse hat, nament⸗ lich auf die linke Presse. So ist es auch ein gutes Recht der Beamten, ihre Interessen zu vertreten. Die kleinen Beamten sind in viel 1.g eg Lage als die Arbeiter, sie müssen bessere Kleidung haben, sie müssen ihre staatliche Stellung repräsentieren. Die Arbeiter stehen besser da als die kleinen Beamten, sie nähren sich besser, man sieht das in den Lokalen und bel Ausflügen. Die Beamten können ihre Interessen nicht so wahr⸗ nehmen, wie die Arbeiter durch ihre Organisationen. Mir wurde einmal aus Beamtenkreisen das Verlangen nach dem freien Koalitionsrecht für die Beamten unterbreitet, ich habe das natürlich abgelehnt; die Beamten haben eine treue, loyale Haltung auch in der letzten Zeit eingenommen. Da müssen wir also den Beamten helfen. Daß die Preisbildung der Lebens⸗ mittel nicht durch die Wirtschaftspolitik hervorgerufen ist, hat die Linke ohne Widerspruch hingenommen. (Abg. Goldschmidt: Ich bin kein Demagoge!) Ich bitte doch den Herrn Präsidenten, mich gegen die Bezeichnung, daß ich ein Demagoge sei, zu schützen. Abs Goldschmidt: Habe ich ja gar nicht gesagt! Vizepräsident r. Porsch verwahrt sich dagegen, daß ihn der Redner auf seine Präsidentenpflichten aufmerksam mache.) Dann habe ich Herrn Goldschmidt falsch verstanden. Der Bund der Landwirte hat es seinerzeit dankbar anerkannt, daß große Körperschaften der Beamten die allgemeine Hetze gegen den Bund nicht mitgemacht haben. Wir werden daher zeigen, daß wir auch volles Verständnis gegen die Beamten haben, meinen aber, daß die Lasten nicht wie bei der sozialpolitischen Gesetzgebung im Reich hauptsächlich auf den ge⸗ werblichen Mittelstand abgewälzt werden, sondern daß das Groß⸗ kapital durch Erhöhung der Dividendensteuer usw. kräftiger dazu herangezogen werden muß. Wenn die Reichsfinanzreform und damit die Erhöhung der Beamtengehälter noch nicht weiter gekommen sind, so sind meine Freunde nicht schuld daran, wohl aber die Parteien, welche die bewährten Grundsätze der Bismarck⸗Miquelschen Finanz⸗ politik nicht weiter ausbauen wollen. Sie, meine Herren (nach links), sind schuld daran. Ich habe mich gewundert, aus welcher Kenntnis der Abg. Freiherr von Zedlitz behaupten konnte, daß die Beamten kein Vertrauen mehr zur Aarir. haben; ich hoffe, daß die Beamten wissen, es liege hier kein Uebelwollen vor. Wie gern würde Fürst Bülow den Beamten schon jetzt die Erhöhung zugestehen, wären die politischen Verhältnisse nicht so schwierig; Ich habe zwar nicht den Vorzug gehabt, mit dem Reichskanzler darüber zu sprechen, aber ich glaube es. Und wenn nach dem Wunsche des Herrn Kirsch der Reichstag aufgelöst würde, damit das Volk sofort seine Stellungnahme kund tun könne, so würden wir ruhig vor unsere Wähler treten und sagen: es liegt daran, weil kein Geld da ist. Solange Preußen an den bewährten Traditionen der ersten drei Jahrzehnte des Reiches festhält, sehe ich vertrauensvoll in die Zukunft. Ich hoffe auch, daß die Beamten wissen werden, wo ihre wahren Freunde hier im Hause zu finden sind. Abg. Dr. Friedberg (nl.): Der Herr Finanzminister hat n einmal darauf hingewiesen, daß diese Frage in 6⸗— und im Reich gleichzeitig und gleichmäßig behandelt werden muß. In bezug guf den traditionellen Zusammenhang zwischen dem Reiche und Preußen wird ihm jeder zustimmen, aber von einer vollkommenen Durchführung eines solchen Gedankens kann keine Rede sein. Wir können doch nicht gewissermaßen eine Einigungskommission zwischen Reichstag und Landtag zustande bringen. Ich bleibe dabei, daß mindestens für Geistliche und Lehrer eine selbständige Vorlage jetzt gemacht werden müßte. Wie denkt sich sonst der Minister die rückwirkende Kraft für diese? Die zugesagte Teuerungszulage soll auf Grundlage derselben Vorlage des vorigen Jahres aufgebaut werden; danach würden also alle mittleren Beamten, deren Gehalt 4200 ℳ übersteigt, ausfallen. — Herr Dr. Hahn hat uns die große Offenbarung gemacht, daß die Schwierigkeiten der Lage in der Verzögerung der Reichsfinanzreform zu suchen seien. Er war der erste, der daraus in der Weise Kapital geschlagen hat, daß er die Schuld daran gewissen Parteien zur Last legte. Uns liegt solche Agitationsweise vollkommen fern. Wenn Herr Dr. Hahn weiter meint, der Reichskanzler würde den Beamten gern die Auf⸗ besserung schon jetzt zu teil werden lassen, so soll uns das nicht von den Meinungen abbringen, die wir für die richtigen halten.
Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:
Meine Herren! Nur wenige Worte auf die Anfragen des Herrn Dr. Friedberg. Er hat gemeint, es wäre ein kleinlicher Gesichtspunkt, wenn ich gesagt habe, man könne die Aufbesserung der Gehälter der Lehrer und Geistlichen vor der der Staatsbeamten nicht vorweg⸗ nehmen. Ich glaube, die Beamten würden sich auf einen anderen Standpunkt stellen; sie würden es mit Recht bitter empfinden, wenn sie etwa erst nach den Lehrern und Geistlichen aufgebessert werden sollten. Das ist aber nur einer der wenigen Gründe gewesen; vor allem war es die Notwendigkeit, den Finanzbedarf einheitlich zu regeln, die ich gegen die Vorwegnahme angeführt habe.
Dann hat Herr Dr. Friedberg die Bezugnahme auf den Vorgang des Reiches im vorigen Jahre bemängelt. Dort sind alle mittleren Beamten bis 4200 ℳ mit solchen Zulagen bedacht worden. Ich glaube, wir können uns doch nur dem Vorgange des Reichs an⸗ schließen, und ich bemerke dabei, daß mit der Grenze von 4200 ℳ fast alle großen Kategorien der mittleren Beamten getroffen werden, beispielsweise die ganze Sekretärklasse, und daß nur ganz wenige mittlere Beamtenklassen vorhanden sind, die über den Satz von 4200 ℳ hinausgehen.
Endlich hat Herr Dr. Friedberg Auskunft darüber gewünscht, wie es mit der Rückwirkung hinsichtlich der Geistlichen und Lehrer zu halten ist. Ich glaube, die Sache wird dahin zu regeln sein, daß den neuen Gehaltssätzen für die Geistlichen und Lehrer durch Gesetz die rückwirkende Kraft vom 1. April 1908 ab beigelegt wird, und wir den Staatszuschuß ebenfalls rückwirkend vom 1. April 1908 ab zahlen. Ich glaube, daß wir über Schwierigkeiten, die sich etwa aus dem
Verhältnis zu den Gemeinden ergeben könnten, doch hinwegkommen werden. (Na, nal links.) v114“ “