1908 / 66 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 17 Mar 1908 18:00:01 GMT) scan diff

esetzlichen Bedingungen entspr cht, aber soll auf besond

zogen vertraulich angegeben werden, ob die Gewährung der Unter⸗

stützung an den Petenten, falls er dänische Gesinnung habe, die

Wirkung haben werde, daß er sich später loyal verhalten werde. Das

ist ein Korruptionsversuch, zu dessen Charatterisierung mir der parla⸗ mentarische Ausdruck fehlt. Ich überlasse diese Dreckseele der all⸗ gemeinen Verachtung. Staatssekretär des Reichsschatzamts, Staatsminister Sydow: Meine Herren! Die Stellung des Bundesrats ist im § 6 der Ausführungsbestimmungen zu dem Gesetz vom 22. Mai 1895 klar ausgedrückt:

8 Bei der Prüfung der Frage, ob ein Antragsteller nach seiner Lebensführung der beabsichtigten Fürsorge als unwürdig anzusehen ist, hat sein politisches Betragen außer Betracht zu bleiben.

(Sehr richtig! inks.)

Was den einzelnen Fall anbetrifft, so kann ich darüber noch nicht

urteilen. Ich habe im allgemeinen den Grundsatz, ehe ich urteile:

audiatur et altera pars! (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Sie haben doch den Brief gehört!) Für die formelle Erledigung ist der gegebene Weg die Beschwerde an den dem Landrat vorgesetzten Be⸗ amten. (Sehr richtig! rechts.)

Vizepräsident Dr. Paasche: Der Abg. Südekum hat von dem

Vertreter des Landrats in Apenrade gesagt: diese Dreckseele. Das ist durchaus unzulässig, und ich rufe den Abgeordneten zur Ordnung.

Die Resolution Ortel wird in ihrem ersten Teile mit schwacher Mehrheit angenommen, in ihrem zweiten Teile abgelehnt.

Bei den Allgemeinen Fonds, und zwar bei Titel 3, Beitrag zu der Deckung der laufenden Ausgaben der Uni⸗ versität Straßburg, bemerkt der

Abg. Dr. Everling (nl.): Ich möchte in diesem Jahre erneut darauf hinweisen, daß bei der Universität Straßburg ein Mißstand besteht, der in den weitesten Kreisen, sogar im Ausland, Aufsehen erregt hat. Während die 1903 errichtete katholische theologische Fakultät ganz auf Staatskosten unterhalten wird, obwohl die bischöf⸗ iche Behorde sehr weit reichende Rechte zugebilligt erhalten hat, ist die ältere in der Geschichte Elsaß⸗Lothringens schon lange bewährte evangelische Fakultät auf die Zuschüsse der Thomas⸗Stiftung angewiesen. Diese aber ist anerkanntermaßen nicht in der Lage, die Summe bis zu 36 000 aufzubringen. Von der Landesregierung ist zugegeben, daß diese Verpflichtung, die auf einer gesetzlichen Bestimmung von 1873 beruht, auf falschen Vporaussetzungen aufgebaut ist, und daß dieser unhaltbare Zu⸗ stand abgeändert werden muß. 1903 stellte die Landesregierung im Landesausschuß den Antrag, nunmehr auch die evangelische Fakultät auf Staatskosten zu übernehmen. Leider hat der Landes⸗ ausschuß diesen Antrag abgelehnt. So sah sich 1904 das Direktorium der Stiftung veranlaßt, die Zahlung einzustellen. Dieselbe Landes⸗ regierung, die dem Landesausschuß gegenüber die Unhaltbarkeit des 2—2 betonte, hat die Stiftung verklagt und der Landesfiskus

auch den Prozeß gewonnen. Das hat zu großer Erbitterung geführt. Einer der ältesten Pfarrer im Elsaß schrieb damals, es sei als eine Schmach in Elsaß⸗Lothringen empfunden, daß drei Jahr⸗ zehnte deutscher Herrschaft genügten, um eine Stiftung zu ruinieren, die drei Jahrhunderte französischer Herrschaft überdauert habe. Erfreulicherweise ist eine gewisse Abbilfe infofern geschaffen, als das Thomas⸗Stift gegen das erstinstanzliche Ucteil Berufung eingelegt hat, und jetzt ein Zwischenurteil des Oberlandesgerichts in Colmar vorliegt, wonach grundsätzlich das Stammvermögen der Stiftung nicht angegriffen werden darf, und aus den Einnahmen zunächst die ordnungsmäßigen Verwaltungskosten usw., dann erst die wohlerworbenen Ansprüche Dritter gedeckt werden müssen.

u diesen Ansprüchen gehörten vor allem die des protestantischen a shaaen Letztere wurden nämlich vom Fiskus bestritten. Jetzt wir an die Einsicht und Tatkraft der elsaß⸗lothringischen Regierung und des Landesausschusses, damit sie bald das auf un⸗ richtigen Voraussetzungen beruhende Gesetz von 1873 beseitigen. Das endgültige Urteil, das allerdings noch autsteht, hat gar keine prinzipielle Bedeutung mehr, es kann nur feststellen, ob das Stift nooch aus dem Jahre 1904 etwas an die Universität zu bezahlen hat. Der frühere Schatzsekretär hat mir erwidert, daß die Angelegenheit nur die reichsländische Regierung angehe, vom jetzigen Staats⸗ sekretär erwarte ich, daß er den Zustand, der offenbar eine Ungerechtig⸗ keit und Härte ist, dem Reichslanzler vorträgt, damit dieser eine Aende ung bei der Landesregierung bewirkt.

Kommissar des Statthalters in Elsaß⸗Lothringen, Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat Halley: Ich habe schon im vorigen Jahre erklärt, daß die elsaß⸗lothringische Regierung es am meisten bedauert, daß bisher eine Einigung mit dem Thomas⸗Stift nicht hat mstande kommen wollen. Das Gesetz von 1873 ist das Ergebnis eingehender Verhandlungen zwischen der Regierung und dem Thomas⸗ Stift, und es ist damals mit voller Zustimmung des gesamten Thomas⸗Kapitels angenommen worden. Damals war die Lage des Stifts sehr günstig, später trat, namentlich durch das Sinken der Getreidepreise, eine Verschlechterung ein. Unter Würdigung dieser Sach⸗ die Regierung mit dem Etatsgesetz von 1901 eine Bestimmung

eingeführt, daß der Beitrag des Stiftes an die Universität ein für allemal auf 18 000 herabgesetzt wurde. Als die katholische Fakultät errichtet wurde, hat die Regierung wieder den Versuch gemacht, eine Entlastung des Thomas⸗Stiftes herbeizuführen. Alle diese Versuche der Re sind aber daran gescheitert, daß das Thomas⸗Stift und der Lan sschuß sich nicht haben einigen können. Infolge⸗ dessen konnte sich die Regierung nur an das Gesetz von 1873 halten. Allerdings müssen wie das Endurteil abwarten, um eine feste recht⸗ liche Grundlage zu haben. Hoffentlich gelingt es nach Beendigung des Rechtsstreites, einen allen Teilen gerecht werdenden Ausgleich zu

erzielen.

Abg. Schrader (fr. Bgg.): Wir wissen jetzt wenigstens, da das Thomas⸗Stift nur in sehr beschränktem ist, . den Kosten der Universität beizutragen. Man scheint anzufangen, das

re⸗ iu behandeln. Der Riichskanzler wird, wenn er gen erfährt, wohl in der Lage sein, dafür zu sorgen, geschieht, was wir für das einzig Richtige halten, daß nämlich

Kosten der evangelischen Fakultät genau wie die der katholischen

taat übernommen

u den Allgemeinen Fonds, und zwar zu der Position von 21 900 000 zur Gewährung von Beihilfen an hilfs⸗ bedürftige Kriegsteilnehmer, liegen vor die Resolutionen:

9 £ le,E. n

1“ ichstage eine Vor unterbreiten, durch welche in Ahänderung des Gesetzes vom vege Fn 1895 die noch immer Gewährung der Beihilfen bestehenden Härten und Ungleich⸗ B und Ii. e leshe b. ei⸗ ich wer ã sonderer Notlage eine Erhöhung der Beihilfen sowie den Witwen und Waisen der eine Beibhilfe beziehbenden Kriegsteilnehmer ein Gaadenviertel 1

wird; 2) zum Zwecke der Aufbringung der für die Beihilfen erforder⸗ lichen Mittel sowie eentuell zur Ergänzung des Reichsinvalidenfonds dem eine Vorlage zu machen, durch welche die Erhebung einer Wehrsteuer angeordnet wird“

]] Graf Hompesch (Zentr.), dem Etat den Vermerk ein⸗

„Als 9.1—8 deren steuerliches Einkommen nach den tlichen Bestim mungen über die all⸗ gemeine Einkommensteuer nicht mehr als 900 beträgt. In Zundesstaaten, die keine allgemeine Einkommensteuer haben, setzt die

Betrag des steuerhaften Ein⸗

1 Graf Oriola (nl.): Wir müssen anerkennen, daß durch die Aus⸗ führungsbestimmungen des Bundesrats ein Teil unserer Beschwerden seine Erledigung gefunden hat. Daß dies aber nicht genügt, beweisen die Anträge, die von verschiedenen Parteien gestellt worden sind, und

die sämtlich eine Erleichterung und größere Klarheit für den Bezug.

der Veteranenbeihilfe fordern. Ich verzichte darauf, die Not der Kriegsteilnehmer von neuem zu schildern, und will auch nicht auf den von dem Abg. Südekum vorgetragenen Fall eingehen. Liegt es so, wie es behauptet wurde, so hat der Landratsvertreter gegen die Ausführungsbestimmungen verstoßen. Es läßt sich nicht bestreiten, daß die Frage der Hilfsbedürftigkeit und Erwerbsunfähigkeit in den verschiedenen Landesteilen verschieden entschieden wird. Es liegt mir der Fall eines Schneiders aus dem Holsteinischen vor. Ihm wurde von dem Gemeindevorsteher die Erwerbs⸗ unfähigkeit und Hllfsbedürftigkeit bescheinigt, der Mann

80 Jahre alt, hat ein Sparkassenbuch von 800 und ein kleines Grundstück. Der Landrat hat den Antrag abgelehnt, da der Mann als hilfsbedürftig im Sinne des Gesetzes zurzeit nicht anzusehen sei, solange er noch Geldmittel habe. Dies Verfahren widerspricht durch⸗ aus den Intentionen des Reichstages und der verbündeten Regierungen. Wir wollen nicht, daß die Beihilfen erst gewährt werden, wenn der Kriegsteilnehmer den Bettelstab ergriffen hat. Man hat früher vor⸗ geschlagen, daß die Vollendung des 60. Lebensjahres oder ein be⸗ stimmtes Mindesteinkommen die Hilfsbedürftigkeit des Invaliden be⸗ gründen solle. Diese Frage müsse sehr eingehend geprüft werden, und wir beantragen, unseren Antrag der Budgetkommission zu überweisen. Wir müssen endlich mit der Sache vorankommen. In besonderen Notfä die Beihilfe etwas zu erhöhen, wird die Regierung wohl nicht unbillig finden, ebensowenig die Gewährung eines Gnadenvierteljahres an die Witwen und Waisen. Der von uns vorgeschlagenen Wehrsteuer wird hoffentlich auch das Zentrum zustimmen, hat es doch sonst immer eine Deckung für Mehr⸗ ausgaben gefordert. Die Wehrsteuer soll nach den Vermögens⸗ verhältnissen des Wehrpflichtigen bezw. des Vaters sich richten. Den siechen, unbemittelten Mann wollen wir nicht treffen. Der wohl⸗ situterte Mann aber kann sehr wohl eine Steuer zahlen, die unseren Kriegsteilnehmern ihre Lage erleichtert. Man sagt, für das Vaterland zu dienen sei eine Chrenpflicht; selbstverständlich. Aber es ist auch eine gewisse Ehrenpflicht, daß der, der wegen eines geringen Ge⸗ brechens nicht zu dienen braucht und vermögend ist, einen Beitrag für die Kriegsteilnehmer leistet. Der Antrag Hompesch entspricht im großen und ganzen dem, was die Konservativen zum Etat von 1907 verlangt haben. Der Antrag Nißler wurde der Budgetkommission überwiesen; das Zentrum verlangte dort ein umfangreiches Material dazu, ohne das es dem Antrag nicht zustimmen könne. Mir erscheint es fraglich, ob es angängig ist, durch einen Zusatz zu einem Dispositiv zu einem Etatstitel einfach ein in aller Form er⸗ lassenes Gesetz abzuändern, wie es der Antrag des Zentrums be⸗ absichtigt. Er würde auch unter Umständen einige Kriegsteilnehmer schlechter stellen, wenn als hilfsbedürftig nur solche Kriegsteilnehmer gelten sollen, deren steuerhaftes Einkommen nach den landesrechtlichen Bestimmungen über die allgemeine Einkommensteuer nicht mehr als 900 beträgt. Es wird dadurch eine weitergehende Fürsorge ausgeschlossen, und das kann doch nicht die Absicht des Zentrums sein. Die Landesregierungen sollen subsidtär mit einer Festsetzung ein⸗ springen, aber ob und wie das zu machen ist, bedürfte auch ein⸗ gehender Besprechung. Der Zentrumsantrag könnte auch die Kriegs⸗ invaliden schlechter stellen als die Kriegsteilnehmer. Alle diese Bedenken fordern geradezu zu einer sehr gründlichen Einzelprüfung heraus; wir können jedenfalls heute den Antrag des Zentrums nicht annehmen, sondern beantragen die Ueberweisung aller Anträge an die Budgetkommission, aus der hoffentlich noch vor der dritten Lesung des Etats ein positives Resultat herauskommen wird.

Staatssekretär des Reichsschatzamts,Staatsminister Sydow:

Meine Herren! Der Herr Graf Oriola hat die von ihm mit eingebrachte Resolution mit der Wärme des Herzens vertreten, die wir bei ihm kennen und schätzen und immer wahrnehmen, wenn es sich um die Interessen der alten Krieger handelt. Mir liegt es von meiner Stelle aus ob, die Angelegenheit mit dem kühlen Kopf des Mannes der Finanzen zu betrachten, und ich meine: nur wenn das warme Herz und der kühle Kopf im richtigen Sinne zusammenarbeiten, gibt es einen guten Klang. (Heiterkeit.) Wenn ich mir nun die Resolution 786, die einzige, die bis jetzt begründet ist, und die einzige, zu der ich jetzt zu sprechen beabsichtige, von diesem Standpunkite aus ansehe, so er⸗ öffnet sie eine weite Aussicht. Ich möchte sie vergleichen mit einer Aussicht in eine Landschaft, die in der Morgensonne liegt, es breitet sich über dem Ganzen eine wohltuende, einnehmende Stimmung aus, aber die Einzelheiten des Bildes kann man nicht genau erkennen. So ist es auch, wenn man nach der finanziellen Tragweite der Wünsche der Resolutionen im einzelnen fragt. Es wird gesagt, es sollen die Bedingungen für die Erlangung der Beihilfen wesentlich erleichtert werden. Was das in Zahlen umgesetzt bedeutet, hängt natürlich davon ab, wie weit man die Erleichterungen führt. Das letzte Ende wäre ja, wie schon angedeutet, die Zahlung eines sogenannten Ehren⸗ soldes für alle Kriegsteilnehmer, die nach der in Ihren Händen be⸗ findlichen gedruckten Zusammenstellung auf einen Betrag von etwa 60 000 000 hinauskommen würde. Dann wird die Erhöhung der Beihilfe in Fällen von besonderer Notlage vorgeschlagen. Da muß man natürlich auch wissen, wie weit die Erhöhung möglich sein soll, und wann sie soll eintreten können, und endlich wird noch die Ge⸗ währung des Gnadenquartals vorgeschlagen. Diese finanzielle Tragweite wird auch meines Erachtens dadurch nicht vermindert, daß im zweiten Absatz eine Kompensation durch die Wehrsteuer geboten wird, denn einmal, solange ich die Wehrsteuer nicht habe, kann ich mit ihr nicht rechnen, und ob ich sie bekomme, ist eine andere Frage (sehr richtig! in der Mitte), zweitens aber können alle diese Angebote oder An⸗ erbietungen von neuen Steuern mich von meinem Standpunkte aus nicht dazu bestimmen, großen neuen Ausgaben zuzustimmen, solange die alten Ausgaben nicht gedeckt oder die alten Versprechungen nicht erfüllt sind. Sie wissen selber, welche Schwierigkeiten daraus entstanden sind, daß die Mittel für die Erhöhung der Beamtenbesoldungen jetzt nicht zur Verfügung stehen. Und hier wird nun vorgeschlagen, weitere Ausgaben für die Veteranen ich will einmal sagen: in Aussicht zu nehmen; zu „versprechen“ wäre ja schon etwas zu viel gesagt —, ohne daß wir noch wissen, woher wir die Mittel nehmen sollen, um die alten Verpflichtungen, die alten Versprechen voll zu erfüllen.

Ich meine, der richtige Weg, vorwärts zu kommen, ist der, den mein Herr Amtsvorgänger eine Reihe von Jahren verfolgt hbat. Wenn Sie sehen, daß im Jahre 1903 die Mittel zu Unterstützungen an Veteranen 9 Millionen betrugen und daß sie in diesem Jahre bis auf 21 Millionen gefördert sind, indem jetzt wieder für dieses Jahr 2 Millionen Mark neu eingestellt ist, so ist das, glaube ich, der richtige Weg, auf dem allein wir vorwärts kommen können. Zu einer radikalen Aenderung der Grundsätze, die natürlich tief in den Geld⸗ beutel zu greifen nötigen würden, sind wirklich die finanziellen Verhältnisse des Reichs jetzt nicht angetan. Ich kann Ihnen nur empfehlen, meine Herren, bei allen Ihren vom edelsten Wohlwollen eingegebenen Anregungen daran zu denken, was wir noch für andere Verpflichtungen für die Gegenwart und die

Zukunft haben, und auch weiter daran zu denken, daß durch die An⸗

nahme von Anträgen und Resolutionen, die mehr in Aussicht stellen, als finanziell zu leisten möglich ist, Hoffnungen erweckt werden, die sich mit dem besten Willen nachher nicht erfüllen lassen.

Hierauf wird nach 6 Uhr die Fortsetzung der Beratun auf heute abend 8 Uhr vertagt. g hgr

Abendsitzung vom 16. März 1908, Abends 8 Uhr. (Bericht nach Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Die Beratung des Etats des Reichsschatzamts wird bei den „Allgemeinen Fonds“ fortgesetzt und die Debatte über die Veteranenbeihilfen mit den dazu vorliegenden beiden Resolutionen der Nationalliberalen und des Zentrums wieder aufgenommen.

Abg. Baumann (GZentr.) empfiehlt die Zentrumsresolution zur Annahme. Auf die vom Grafen Oriola vorgetragenen

staatsrechtlichen Bedenken lasse er als Laie sich nicht ein;

desto eindringlicher könne er in Uebereinstimmung mit jenem aus seinen praktischen Erfahrungen im Volksleben bezeugen, daß die Ausführungsbestimmungen zum Teil so rigoros ge⸗ handhabt werden, daß zahlreichen Kriegsveteranen das Erlangen

einer Beihilfe unmöglich gemacht werde. In einem Falle habe die

betreffende Behörde nicht weniger als 16 Atteste, Zeugnisse, Be⸗ scheinigungen und dergleichen beizubringen vorgeschrieben! Nament⸗ lich werde der Begriff der Erwerbsunfähigkeit und der Bedürftigkeit nach wie vor vielfach in der allerrigorosesten Weise ausgelegt. Das Zentrum halte es für das Richtige, im Etat selbst eine

Erläuterung des Begriffes Hilfsbedürftigkeit zu geben, wie sie im

Antrage Hompesch vorgeschlagen sei. Man dürfe die Kriegsveteranen schon aus nationalen Rücksichten nicht der Armenpflege preisgeben. Mit dem Zentrumsantrag werde auch erreicht, den Kriegsveteranen, die bisher leer ausgegangen seien, schon in diesem Jahre Hilfe zu bringen. Die Finanzlage dürfe kein Hindernis sein, sei sie doch auch

kein Hindernis für eine abermalige starke Erhöhung in den Ausgaben

für die Marine gewesen. b Abg. Hufnagel (d.⸗kons.) erklärt die Sympath'e seiner Fraktion

für die Tendenz der beiden Anträge. Tatsächlich hätten sich die Klagen über die allzu ence Auslegung des Begriffes der Hllfsbedürftigkett

noch vermehrt. Ob die Grenze bei 900 richtig gezogen sei, ob

überhaupt eine solche zahlenmäßige Grenze fixiert werden sollte, müsse 1

einer gründlichen Erörterung unterzogen werden. Jedenfalls müsse

man dahin streben, eine Formel zu finden, die möglichst viele Veteranen in den Genuß der Beihilfe bringe. Im großen ganzen seien seine Freunde mit der Resolution des Grafen Oriola einverstanden. Aufgabe der

Budgetkommission werde es sein, aus beiden Anträgen etwas Brauch⸗

bares zustande zu bringen.

Ee Abg. Singer (Soz.) ist mit der Ueberweisung des Antrages Oriola an die Budgetkommission einverstanden. Nach wie vor sei die Sozialdemokratie gegen eine Wehrsteuer. Die Sozialdemokraten seien Gegner des herrschenden Militärsystems, aber Freunde der Opfer des⸗ selben, und wünschten lebhaft, daß die Veteranenbeihilfe, wenn möglich noch in einem höheren Betrage als 120 ℳ, allen Kriegsveteranen

zuteil werde. Der Reichstag sei auch sehr wohl in der Lage, nach

dem Antrage des Zentrums zu verfahren; es sei keineswegs ein Vorrecht der verbündeten Regierungen, die Ausgaben zu F.de gs . und dem Reichstage zu verwehren, Auegabeerhöhungen vorzunehmen. Ein solches Verfahren, das Etatsdispositiv zu ändern, sei vom Reichs⸗ tage schon sehr häufig beliebt worden, ohne Widersp uch zu finden. Auch Preußen habe es durch seine Gesetzgebung für unmoralisch er⸗

klärt, von demjenigen Steuern zu nehmen, der nicht das Existenz. minimum von 900 zu erwerben imstande sei. Dem heillosen Wirrwarr in bezug auf die Feststellung der Hilfsbedürftigkeit könne

nur auf diesem Wege ein Ende gemacht werden. Den Zentrumsantrag

solle man sofort im Plenum zur Abstimmung bringen.

Unterstaatssekretär im Reichsschatzemt Twele: Ich muß an⸗ nehmen, daß die vom Abg. Baumann erwähnte lange Liste von Attesten usw. auf den Ausführungsbestimmmungen des Bundes⸗

rates und auf Anweisung der betr. Landesregierung be⸗

ruht. Ungleichheiten werden immer vorkommen, denn es kommen . 8 10 000 Lokalbehörden in Frage. Die Reichsverwaltung hat das größte Interesse an einer einheitlichen Behandlung der Gesuche. Wer sich bee- nachteiligt glaubt, möge sich vertrauensvoll an den Reichs⸗

bei der Ausführung etwa

kanzler und an das Reiichsschatzamt Behörden hinsichtlich des Eöeban verschiedenen Maßstab

wenden. Wenn die

bestimmten Summe einen Verstoß gegen den setzes von 1895, das keine Summe enthält.

den Etat mit diesem ihm nicht genehmen Passus akzeptieren oder

dieses einen Zusatzes wegen den ganzen Etat ablehnen. Das Mehr⸗ bedürfnis würde allermindestens 10 bis 20 Millionen betragen; wie sollen diese gedeckt werden? Darüber schweigt sich der Zentrums⸗ antrag aus, während er auch eine entsprechende Erhöhung der

Etatsposition von 20 Millionen hätte enthalten müssen (Zurufe.) Die Wehrsteuer ist vorläufig erst eine Resolution

Wir können auch nicht die Kriegsinvaliden schlechter stellen wollen als die Veteranen. Aus allen diesen Gründen müssen wir dringend Uitiem

den Zentrumsantrag abzulehnen.

Abg. Wieland (D. Vp.): Es ist Pflicht des deu schen Volkes, seine treuesten Söhne, die den heutigen Glanz und die Machtstellung

des Deutschen Reiches haben schaffen helfen, wenigstens vor dem

tiefsten Elend zu bewahren. Bei der Gewährurg einer Reicksbeihilfe darf der Gesichtspunkt des Arbeitsverdienstes nicht mehr so sehr in den Vordergrund geschoben werden. Ich bitte den Schatzsekretär,

die Anregungen der beiden Anträge in Erwägung zu ziehen. Die Wehrsteuer erfreut sich auf unserer Seite keiner großen Sympathie; ich persönlich halte sie immerhin für diskutabel.

„Abg. Dr. Arendt (Rp.): Die Veteranenfrage dar t keinen Umständen zu einer Parteifrage en Pef Aus⸗ er⸗

nicht voll be-⸗

führungen des Unterstaatssekretärs haben mich friedigt; hier stehen die höchsten nationalen Interessen auf dem Spiele, denen gegenüber die Finanzfrage zurücktreten muß. Seit dem Regime des Freiherrn von Stengel ist eine wohlwollendere Behandlung der ganzen Frage durch daz Reichsschatz⸗ amt zu merken gewesen; das muß auch vom Reichstage an⸗ erkannt werden. Hoffentlich wird sein Beispiel auch beim neuen Herrn im Reichsschatzamt Nachfolge finden. Auch der Verdienste des verstorbenen Nißler um die Veteranen⸗ sache ist hier anerkennend zu

enug; in der Kommission werden wir auf die alten Anträge Rißlers und die konservativen Initiativanträge vs lres müssen. Die Kriegsteilnehmer stehen jetzt alle an der Schwelle des Greisenalters; es muß für sie etwas geschehen, es darf der Satz von 120 auch nicht für ewig unabänderlich angesehen werden. Der Zentrumsantrag hätte ebensogut von den Sozialdemokraten ge⸗ stellt werden können; schon seiner Form wegen ist er unannehmbar, er führt uns direkt in einen Verfassungskonflikt. Er widerspricht auch

total dem föderativen Prinzip, zu dem sich sonst das Zentrum bekennt 8

wir stimmen, sorgen wollen, wir wollen das au wir wollen uns die Steuern ansehen, und die muß

eeöh vr⸗ 8 1 1 anlegen, 9.. 1[ es 0 Tatsa 3 daß z. B. 900 in Ostpreußen und in Süäd⸗ S 8 Westdeutschland einen ganz verschiedenen Wert darstellen, und daher ist auch die Fixierung des Einheitssotzes von 900 im G Zentrumsantrage ein Fehler. Außerdem involviert die Fixierung einer 18 21 Ge⸗ b ½ er Antrag ist auch als Ausführungsbestimmung zu chanakterisieren, 8 b solche zu erlassen, steht dem Bundesrat zu. Es könne freilich solche auch zustande kommen durch Verständigung zwischen Bundesrat und Reichstag (Rufe im Zentrum: Na alsol), aber hier würde der Bundesrat in eine Zwangslage versetzt werden; er müßte

n gedenken. Der sehr gut gemeinte Antrag des Grafen Oriola geht mir noch nicht weit

zum Deutschen Reichsan

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

SEin Vorschlag von solcher Tragweite, der eine Verfassungsänderung bedeutet, soll noch dazu ohne Kommissionsberatung durchgedrückt und durch die Aufnahme in den Etat den verbündeten Regierungen der Daumen aufs Auge gedrückt werden! Dieser Antrag kann den Veteranen nur schaden. Sie wollen das Dispositiv ändern, ohne die Titelsumme zu ändern, das ist budgetrechtlich unerhört. (Zuruf im Fentrum⸗ Zuckersteuer! Flottengesetz!) Das gehört nicht hierher. eberweisen Sie auch den Antrag des Zentrums der Budgetkommission.

Abg. Kulerski (Pole) schildert die haarsträubende Praxis, die die Landräte in den polnischen Landesteilen den Veteranen gegenüber befolgen, die polnischer Nationalität sind und die Veteranenbeihilfe nachsuchen. Die Polen würden für den Zentrumsantrag stimmen; vielleicht beantraae das Zentrum namentliche Abstimmung, dann im Volke sehen, wer den Veteranen sofort beizuspringen

ereit sei.

Abg. Schrader (fr. Vgg.): Der Antrag ompesch ist die Aenderung eines bestehenden Gesetzes, sie kann ni t auf dem Wege der Aenderung des Etatsdispositivs vorgenommen werden (Wider⸗ spruch im Zentrum); er bedingt auch eine beträchtliche Erhöhung der Ausgaben, ohne daß diese im Etat zum Ausdruck kommt. Diesen Weg können wir nicht mitgehen. Auch wir sind dafür, diesen Antrag an die Kommission zu verweisen. Es ist jedenfalls ohne Vorgang, daß ein Antrag von solcher Tragweite in letzter Stunde eingebracht und ohne Kommissionsberatung erledigt werden soll. 8

Abg. Gröber (Zentr.): Die Veteranen haben alle für das Deutsche Reich ihr Leben in die Schanze geschlagen, und jetzt müssen wir immer und immer wieder diese Klagen über die Härten und Un⸗ gleichheiten vernehmen, die bei der Behandlung der Gesuche eintreten. Die politische Stellung des Gesuchstellers hat bei der Prüfung der Gesuche völlig ausscheiden sollen; was soll man dann aber davon denken, wenn man sich nicht gescheut hat, eine Zumutung wie die vom Abg. Südekum erwähnte schriftlich hinauszugeben! (Zur Journalistentribüne gewendet:) Wenn die Herren Journalisten sich erlauben, Zwischenbemerkungen zu machen, so mögen sie diese außerhalb des Hauses machen, das erfordert der Anstand! (Vizepräsident Kaempf: Die Ordnung im Saale aufrecht zu erhalten, ist Sache des Präsidenten.) Eine objektive Norm für die gleichmäßige Be⸗ handlung der Gesuche aufzustellen, ist der Zweck unseres Antrags. Die Vorwürfe gegen unseren Antrag treffen vielmehr die Resolution Oriola, soweit sie ohne irgend welche genauere Umschreibung eine Wehrsteuer vorschlägt. Es handelt sich nicht sowohl um eine Abänderung, als um eine wohlwollendere Auslegung

des Gesetzes von 1895; warum soll in dieser Beziehung nicht eine

Verständigung zwischen Bundesrat und Reichstag zu erlangen sein? Zwangslage für den Bundesrat kann keine Rede sein. Auch

Gesetz hinaus auch Veteranen aus den dänischen Kriegen die Veteranenbetoilfe in Aussicht gestellt. Und in atsgesetz für 1908 wird im § 4 das Schuldentilgungsgesetz ab⸗

Hier wird also ebenfalls ein anderes Gesetz materiell abgeändert.

irft uns vor, daß wir nicht für die Deckung gleichzeitig Vor⸗

schläge machen. Wir haben stets für Deckung der Ausgaben, für die ch jetzt, aber

uns die Regierung bringen und nicht aus gewissen Blockgründen die Finanz⸗ reform auf ein Jahr verschieben. Die Resolution Oriola erfordert mindestens den gleichen Aufwand wie unser Antrag. Die Parallele mit den Kriegsinvaliden ist ganz hinfällig. Gewiß sind 900 für den Osten und den Westen Preußens etwas Verschiedenes; dennoch

gilt dieser Einheitssatz für ganz Preußen, für den Osten und den

Westen, wir aber, wenn wir diesem 2 eispiel folgen, sind plötzlich die Verbrecher! Will man den Veteranen rasch zu Hilfe kommen, dann muß man unseren Antrag annehmen! Will man etwas erreichen, so darf man auch vor einem gewissen Zwang nicht zurückscheuen.

Vizepräsident Kaempf: Ich hatte vorhin nicht gehört, von wo die Zwischenrufe während der Rede des Abg. Gröber aus⸗ gegangen waren; es ist mir inzwischen mitgeteilt worden, daß sie unzweifelhaft von der Journalistentribüne herkamen. Diese

wischenrufe von der Tribüne, auch von der Journalistentribüne,

nd unter allen Umständen absolut unzulässig, und sollten sie sich widerholen, so würde ich dagegen die geschäftsordnungsmäßigen Maß⸗ regeln ergreifen.

Staatssekretär des Reichsschatzamts Sydow:

Meine Herren! Von den Worten, die heute hier in diesem Hause gesprochen sind, sind mir wenige so sympathisch gewesen, als die anerkennenden Bemerkungen, die der Herr Abg. Dr. Arendt meinem Herrn Amtsvorgänger hat zuteil werden lassen, zum Dank dafür, daß er die hier verhandelte Angelegenheit im Laufe der Jahre so freundlich und wohlwollend gefördert hat. Ich fühle das Be⸗ dürfnis, von meiner amtlichen Stelle aus dem Herrn Abg. Dr. Arendt hierfür zu danken, und kann versichern, daß ich von derselben Gesinnung und von demselben Bestreben wie mein Herr Amtsvorgänger in dieser Sache beseelt sein werde und beseelt bin. (Bravo ¹) Aber, meine Herren, ich bin auch fest überzeugt, wenn hier an dieser Stelle heute mein Amts⸗ vorgänger und nicht ich stände, so würde er sich mit derselben Entschiedenheit gegen die Annahme des Antrages Graf Hompesch und Genossen wenden, mit der ich es zu tun mich verpflichtet halte. (Sehr richtig! rechts.) Denn worauf läuft der Antrag hinaus? Der geehrte Herr Vorredner hat es ja zuletzt mit deutlichen Worten gesagt: es soll ein Zwang auf die verbündeten Regierungen ausgeübt werden, mit einer Steigerung der Gewährungen sofort am 1. April 1908 vorzugehen, obwohl noch gar nicht zu übersehen ist, welche finanzielle Last damit übernommen wird, geschweige denn, wo die Deckung herkommen soll. Einem solchen Zwang, der eben in der Verkupplung der Frage mit dem Zustandekommen des Etatsgesetzes liegt, wollen und dürfen sich die verbündeten Regierungen nicht unterwerfen, wenn sie nicht das Verhältnis der Gleichberechtigung zwischen Bundesrat und Reichstag wollen verschieben lassen.

Der Herr Vorredner hat gegenüber den Bemerkungen meines Herrn Kollegen Twele auf verschiedene Fälle hingewiesen, in denen man seiner Auffassung nach im Etatswege Gesetze geändert hat. Der erste Fall betraf die Suspension der Schuldentilgung im Etat für 1908. Das war mir ja auch nicht unbekannt. Doch liegt der Fall schon formell insofern anders, als das Gesetz nicht geändert, sondern nur seine Ausführung für ein Etatsjahr suspendiert werden soll. Der Rahmen des Etats greift nicht weiter als über ein Jahr hinaus, und innerhalb des Jahres kann es durch das Etatsgesetz geschehen. Hier dagegen soll eine Verpflichtung übernommen werden, die sich gar nicht zurückziehen läßt. (Lebhafte Zustimmung rechts und links.) Was Sie für das eine Jahr hier machen, müssen Sie für alle kommenden Jahre beibehalten. 1

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Zweite Beilage

zeiger und Königlich Preußischen Staats

Berlin, Dienstag, den 17. März

Noch weniger scheint mir der Hinweis auf die Anmerkung auf Seite 168 des Reichshaushaltsetats im Etat der Heeresverwaltung zutreffend zu sein, wo festgesetzt wird, welcher Teil des Brigade⸗ kommandeurgehalts als zur Bestreitung des Dienstaufwandes bestimmt anzusehen ist; denn die Bestimmung, welcher Teil der finanziellen Gewährnisse zum Dienstaufwand gehört, ist immer durch den Etat getroffen worden.

Nun aber besteht doch aber weiter noch der große Unterschied, daß in beiden Fällen vorausgesetzt wird, daß diese Regelung in Ueber⸗ einstimmung von Reichstag und Bundesrat geschieht. Ich lasse ganz dahingestellt, ob man eine derartige Regelung zur Ausführung des Gesetzes von 1895, wenn sie sich nur auf ein Jahr erstrecken würde, in wechselseitiger. Uebereinstimmung nicht auch in den Etat hineinschreiben könnte. Aber diese Uebereinstimmung be⸗ steht eben nicht. Die verbündeten Regierungen sind nicht be⸗

reit, sich durch einen derartigen Antrag zu Ausgaben nötigen

zu lassen, deren Tragweite nicht zu übersehen ist, und sind vor allem nicht bereit, das Gesetz selbst oder die Ausführungsbestimmungen unter Verhältnissen ändern zu lassen, unter denen sie in ihrer freien Ent⸗ schließung, anzunehmen oder abzulehnen, behindert sind.

Wenn ich denn, wie es wohl von meiner Stellung aus natürlich ist, auch die Deckungsfrage berühre, so möchte ich zunächst darauf hinweisen, daß wenigstens von meiner Seite nie das Verlangen an die Parteien dieses Hauses und an die Partei des Herrn Vorredners gestellt ist, selbst für Deckung zu sorgen. Das würde meine Auffassung von den Aufgaben der ver⸗ bündeten Regierungen nicht entsprechen. Wir haben vor einigen Jahren gesehen, wohin es führt, wenn die Steuervorschläge aus dem Hause heraus kommen. (Sehr richtig! bei den Sol.) Das halte ich nicht für richtig.

Im übrigen, ehe ich auf die Sache weiter eingehe, noch zwei kleine Bemerkungen. Der Herr Abg. Gröber hat gefragt, welches der Verteilungsmaßstab sei. Ja, da kann ich nur auf die Bemerkung zum Etat hinweisen: die ausgeworfenen 21 Millionen Mark abzüglich 300 000 werden nach dem Verhältnis der Kopfzahl derjenigen Kriegsteilnehmer verteilt, die in den einzelnen Bundesstaaten am 1. März 1908 als bezugsberechtigt anerkannt sind.

Diese Verteilung ist nicht ganz gleichmäßig über das ganze Reich, und das hat seinen Grund darin, daß auch die alten Kriegsteilnehmer nicht ganz gleichmäßig über das ganze Reich verteilt sind. (Zuruf aus der Mitte: Welches ist die Summe ) Die Zahl für die einzelnen Bundesstaaten kann ich nicht nennen, für Preußen wird sie auf die einzelnen Verwaltungsbezirke reduniert. Jedenfalls ist sie verschieden auch innerhalb Preußens, je nachdem die Kriegsteilnehmer verschieden dicht angestedelt sind.

Wenn weiter gesagt wird, es sind beim Kolonialetat, bei den Kolonialbahnen, bei Armee und Marine auch Ausgaben gemacht worden, ohne daß vorher nach der Deckung gefragt war, so kann ich das für die jetzigen Kolonialbahnen nicht anerkennen; denn der Vor⸗ schlag der Anleihe beruht auf der Annahme, daß im Laufe der Jahre die Tilgung aus den Einnahmen der Kolonien wird erfolgen können. Was die Ausgaben für Armee und Flotte betrifft, so kann ich den Herren nicht Recht geben, wenn sie sagen, sie seien zwar eine Not⸗ wendigkeit, aber die weitere Fürsorge für die Veteranen sei eine ebenso große Notwendigkeit. Die Fürsorge für die äußere Sicherheit des Staates muß allem anderen vorangehen. Was hilft den Veteranen ihre Zulage von 120 oder mehr, wenn sie nicht gesichert sind, daß das Land Frieden behält, daß sie ihre Zulage im Frieden ver⸗ zehren können. In der Beziehung geht allerdings der Schutz der äußeren Sicherheit über alle anderen Rücksichten. Im übrigen soll es mein ehrliches Bemühen sein, dafür zu sorgen, daß auch für die Aus⸗ gaben für Armee und Marine die Deckung nicht fehlt. Der Erfolg wird im wesentlichen von Ihnen, meine Herren, abhängen.

Am Schluß will ich nur noch bemerken, daß man doch gerade jetzt keinen besonderen Anlaß hat, das Reich mit Ausgaben hier zu belasten, deren Deckung zum mindesten fraglich ist. Wir haben, wie Sie wissen, für den laufenden Etat 75 Millionen ungedeckter Matrikularbeiträge, und die Aenderung, die Sie möglicherweise bei den Einnahmen des Reichs aus der Reichsbank herstellen, wird daran nicht viel ändern. Sie sehen doch den guten Willen der verbündeten Regierungen, die wieder 2 000 000 mehr für die Veteranenfürsorge eingestellt haben und hoffentlich auch weiter werden vorwärts gehen können. Aber, wie ich schon vorhin sagte, eine gründliche Regelung der Sache, die eine radikale Aenderung zum Ziel hat, muß ruhig und sorgfältig erwogen werden. Man muß sich über ihre finanzielle Trag⸗ weite ganz klar sein. Die verbündeten Regierungen müssen als gleich⸗ berechtigter Faltor freie Hand dabei haben, und dann werden wir sehen, was zu gewähren die verfügbaren Mittel gestatten.

Abg. Erzberger (Zentr.) bringt mit genügender Unterstützung einen Antrag auf namenkliche Abstimmung ein.

Abg. Dr. Paasche (nl.): Vor 1906 häͤtte das Zentrum den Antrag sicher nicht eingebracht, es hat ihn auch jetzt nur gestellt, um, wie der Abg. Kulerski aus der Schule plauderte, die Regierun in Verlegenheit zu bringen. (Abg. Kulerski: Habe 9 gar nicht gesagt!) Hier seben wir die Polen wieder als Trabanten des Zentrums. Der Abg. Gröber hatte zu seinem

höhnischen Tone über die Ausführungen des Grafen Oriola gar keine Veranlassung. Es wird ein Existenzminimum von 900 als Grenze vorgeschlagen. Ich habe auf meinem Hof Leute, die schon Jahrzehnte bei mir sind und nicht viel mehr als 500 bekommen (Hört, hört! links), ja, und sie sind zufrieden. (Lebhafte Rufe: Traurig! bei den Sozialdemokraten.) 1

Die Abgg Hilpert (wild) und von Oertzen (Rp.) führen aus, daß man im Reichstag zwar viel schöne Reden für die Veteranen halte, daß aber für sie noch lange nicht genug geschehen sei. Ein Existenzminimum müsse festgesetzt werden. 1

Abg. Erzberger (Zentr.) polemistert gegen den Staatssekretär und den Unterstaatssekretär. Beide würden be tätigen, daß eine Reihe von Gesetzen der Regierung häͤtten abgetrotzt werden müssen. Der An⸗ tra 8 auch nicht überraschend gekommmen, der Staatssekretär habe voch schon Zeit gehabt, eine Erklärung namens der verbündeten Re⸗

gierungen abzugeben. 6

der Behörden gewahrt bleibt, da

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S.

Staatssekretär des Reichsschatzamts Sydow:

Mich nötigt eine Bemerkung des Herrn Vorredners zur Antwort. Der Herr Vorredner hat gefragt, woher ich denn schon wüßte, wie sich die verbündeten Regierungen zu dem Antrage Graf Hompesch u. Gen. stellen werden; es wäre doch sonst üblich, daß der Bundesrat erst nach der zweiten Lesung Stellung nähme. Letzteres gewiß! Aber andererseits ist auch gewiß, daß ich die Stimmung der verbündeten Regierungen gegenüber Anträgen ganz genau kenne, die zu nriteren Ausgaben ohne Deckung führen; und wenn ich sie noch nicht gekannt hätte, so hätte ich sie vor kurzem, als es sich um die Frage der Ver⸗ tagung der Beamtenbesoldungsvorlage handelte, ganz genau kennen

gelernt.

Wenn der Herr Vorredner im übrigen für die Resolutionen des Reichstags das Verdienst in Anspruch nimmt, das ich ja in gewissen Grenzen gar nicht bestreiten will, verschiedene Sachen in Fluß gebracht und gefördert zu haben, so nehme ich auf der anderen Seite für die verbündeten Regierungen das Verdienst in Anspruch, daß sie einem Teil der Resolutionen Widerstand geleistet haben; denn wenn allen den Resolutionen ich erinnere bloß an den Postetat entsprochen wäre, die der Reichstag in beiug auf Gehaltserhöhung seit Jahren gefaßt hat, dann beliefen sich die ungedeckten Matrikularbeiträge nicht auf 75 Millionen, sondern auf das Dreifache oder Vierfache. (Sehr wahr! rechts.)

Abg. Graf Oriola (nl.): Gerade das Zentrum hat Fortschritte auf diesem Gebiete noch 1906 gehindert. (Widerspruch im Zentrum.) Man sieht, das Zentrum kann auch anders. .

Abg. Liebermann von Sonnenberg (wirtsch. Vgsg.): Wir werden für Kommissionsverweisung des Antrags Hompesch, und wenn diese abgelehnt ist, gegen den Antrag aus formellen Bedenken stimmen.

Abg. Erzberger (Zentr.) protestiert gegen die ehrenkränkenden Behauptungen des Grafen Oriola.

Abg. Graf Oriola (nl.): Für ein Existenzminimum von 900 liegt kein Material vor, sondern nur für ein solches von 600 ℳ,

Persönlich stellt der

Abg. Kulerski (Pole) fest, daß er die ihm vom Abg. Paasche imputierten Aeußerungen nicht getan hat.

Die Resolution Oriola wird einstimmig der Budget⸗ kommission überwiesen; die namentliche Abstimmung über den Antrag Graf Hompesch wird bis morgen ausgesetzt.

Der Rest des Etats des Reichsschatzamts wird ohne Debatte bewilligt. 1

Um 121 ¼ Uhr stellt sich bei der Abstimmung über die Vertagung die Beschlußunfähigkeit heraus. 1

ächste Sitzung heute, Dienstag, 1 Uhr. (Kolonialetat.)

1 Preußischer Landtag. 1 Haus der Abgeordneten.

54. Sitzung vom 16. März 1908, Mittags 12 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Es findet die dritte Beratung des Staatshaushalts⸗ etats für das Etatsjahr 1908 statt.

In der Generaldiskussion bemerkt

Abg. Schiffer (nl.): Die politische Lage zeigt gegenwärtig eine große Unklarheit; es sind Gerüchte durch die Presse gegangen, die Regierung wolle noch in dieser Session eine Ergänzung zur Ostmarkenvorlage einbringen. Wir haben selbstverständlich großes Interesse daran, zu erfahren, was an diesen Gerüchten ist. Das wäre von großer politischer Tragweite. Es fragt sich ferner, ob und wann eine Auflösung des Abgeordnetenhauses erfolgen soll. Nach der Erklärung der Regierung, daß das Haus schon im Oktober wieder zusammengerufen werden soll, müssen die Neuwahlen schon im Frühsommer stattfinden. Diese Unklarheit der politischen Lage ist be⸗ dauerlich. Bei den Wahlen steht im Vordergrund die Frage des Wahl⸗ rechts. Der Ministerpräsident hat darüber eine Erklärung abgegeben, die uns und viele andere nicht befriedigt hat. In der Presse ist behauptet worden, daß die Erklärung des Ministerpräsidenten gar nicht richtig aufgefaßt sei, daß man sie anders deuten müsse. Es ist doch wichtig, Klarheit darüber zu erhalten, was die Regierung eigentlich will. Wir müssen von authentischer Seite hören, ob wir die Erklärung des Ministerpräsidenten richtig auf efaßt haben, oder ob sie wirklich einen anderen Sinn haben sollte⸗ Die Sache ist jetzt so weit gediehen, daß ein energischer Schritt nach vorwärts getan werden kann. Ferner beschäftigt seit Jahren die Oeffentlichkeit die Frage der Reform des Mädchenschulwesens Die Reform ist noch nicht gekommen; es heißt, daß sich abermals Hinder⸗ nisse in den Weg gestellt haben. Die Reform ist wichtig für die ganze Frauenfrage überhaupt. Wir müssen sagen daß wir an allen Ecken und Enden nicht einen Schritt vorwärts kommen. Man hat deshalb die Empfindung, es steckt im System, es liegt daran, daß man nicht zu einem Entschluß kommen kann. Dazu kommt die schwere Enttäuschung der Beamtenschaft. Im Interesse der Beruhigung und der Klarheit möchte ich die Regierung fragen, ob es nicht angemessen wäre, wenigstens jetzt die Grundsätze der Vorlage mitzuteilen, ob es nicht möglich wäre, sic über die Grundzüge des Ganzen zu verständigen. Wir wollen nicht vergessen, daß diese Grundsätze schon im vorigen Jahre in der Budgetkommission eingehend besprochen worden sind. Die Kommission hat also ihre Meinung darüber gesagt, ist es da nicht recht und billig, daß uns auch der Finanzminister sagt, wie er darüber denkt? Die Frage ist auch für die Kommunen von Bedeutung und ebenso für die Lehrer. Im Reiche sind Gesetzentwürfe vielfach in letzter Zeit vorher ver öffentlicht worden. Warum will man nicht hier wenigstens die Grund⸗ sätze großer Vorlagen ebenso behandeln? Es war schon im ganzen Hause lebhaft protestiert gegen die gar nicht angebrachte Heimlichtuerei der preußischen Regierung. Wir leiden darunter, daß bei den preußischen Behörden alles, was geschieht, so verheimlicht wird. Das ist ein Zustand, der nicht würdig für uns ist. Bei den Beamtenvorlagen verlange ich nicht eine Angabe der einzelnen Gehaltssätze, aber die Veröffentlichung der Grundsätze würde nicht einer Agitation unter den Beamten den Boden bereiten können, sondern sie würde der sachlichen Erledigung dieser Aufgabe nützen. Wir könnten dann, wenn wir eine solche Klarheit haben, manche Dinge aus dem Wahlkampf ausscheiden; es bleiben noch genügend Fragen für diesen Kampf übrig. Wir wollen feste Grundlagen für den Wahlkampf haben, wir rechnen aber auch darauf, daß in diesem Kampfe nicht höhere Mächte veh Es muß dafür gesorgt werden, im Wahlkampf die Objektivität

nicht etwa nur im Parlamente

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