1908 / 66 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 17 Mar 1908 18:00:01 GMT) scan diff

schöne Worte gesprochen werden, die aber an den unteren Stellen, für die sie gesprochen sind, ungehört verhallen. Wir werden den Wahlkampf bei aller Schärfe mit solcher Sachlichkeit führen, daß er für die Geschicke des Vaterlandes von Segen ist.

Abg. Dr. von Dziembowski (Pole): Es heißt immer, der Pole ist der größte Feind des preußischen Staates. Die Staatsregierung hat die uns gegebenen Versprechungen nicht gehalten. Die Politik der Regierung gegen uns ist ungerecht, aber sie hat nicht vermocht, die Entwicklung unserer wirtschaftlichen Macht aufzuhalten.

Abg. Fischbeck (fr Volksp.): Hinsichtlich der Beamtenbesoldungen hat sich eine erfreuliche Uebereinstimmung im Hause herausgestellt. Ich weiß nicht, ob der neuliche Vorstoß des Herrn Dr. Hahn gegen die Freisinnigen die offene oder stillschweigende Zustimmung der Konservativen gehabt hat. Herr Dr. Hahn behauptete, der Bund der Landwirte habe den Beamten immer wohlwollend gegenüber gestanden. Er kann es aber nicht aus der Welt schaffen, daß die Zollpolitik im letzten Grunde schuld daran war, daß Not in den Kreisen der Beamten jetzt entstanden ist, wenn auch Herr Dr. Hahn die schlechten Ernten dafür verantwortlich macht. Dem Abg. Hahn, der jetzt über die Notlage der Beamten mitspricht, gingen die jetzigen bohen Zollsätze bei der Beratung der Handelsverträge

8 noch nicht weit genug, er wollte damals für Roggen nicht 5,50 ℳ, sondern 7 und für Weizen 7,50 Zoll. Was das Volk für diese geradezu wucherischen Zölle bezahlen muß, sollte in die Taschen der Agrarier fließen. Herr Dr. Hahn war der Meinung, daß selbst die Kartoffeln noch nicht teuer genug seien; wenn es nach ihm regangen wäre, wären die Kartoffeln noch um 50 teurer, und so veantragte er in seinem damaligen Antrag zum Zolltarif noch eine ganze Reihe anderer Zollerhöhungen; auch die Milch sollte verteuert werden durch einen Zoll von 4 und 6. ℳ% Wer in den Wablkampf zieht, 8 sollte diesen Antrag des Herrn Dr. Hahn vom 15. Oktober 1902 mitnehmen. Selbst für Futtergerste wollte Herr Hahn einen Zoll von 7,50 ℳ, und der Zoll für Hafer sollte in den Handelsverträgen nicht unter 7,40 angesetzt werden. Herr Hahn hat recht, die Teuerung lastet auf den Beamten am meisten, weil sie keine Machtmittel haben, um einen höheren Lohn zu erringen. Deshalb ist gerade den Beamten gegenüber Herr Dr. Hahn der letzte, der über die teuren Lebensmittel für die Beamten sprechen dürfte. Es ist selbstverständlich, daß die teuren Lebensmittel auch alle anderen Produkte verteuern müssen. Herr Hahn meint, die Syndikate trieben die Preise, aber die Zoll⸗ sätze sind es vor allem, die die Preise diktieren. Im Zolllarif hat man den Syndikaten ein Machtmittel gegeben, die Preise in die Höhe zu treiben. Herr Hahn meint, wir wollten keine höheren Steuern zahlen, um die Beamtenbesoldungen aufzubessern. Wir haben doch schon vor zwei Jahren erklärt, daß die Besoldungen aufgebessert werden müssen, selbst wenn es nur durch eine Steuer⸗ erhöhung möglich ist. Allerdings müssen wir prüfen, ob die Steuererhöhung notwendig ist. Ja, die Volksvertretung hat doch nur Steuern zu bewilligen, wenn sie notwendig sind. Herr Hahn behauptet, wir wollten nur den Mittelstand belasten und die reicheren Leute frei lassen. Wer ist es denn aber gewesen, der seinerzeit die Progression der Einkommensteuer über 4 % hinaus hindert hat 2 s waren die Herren im Herrenhause. Wir sind immer für Freilassung der untersten Steuerstufen und für Erleichterung des Mittelstandes eingetreten. Im Reiche sind wir auch bereit, die Steuern zu bewilligen, die notwendig sind, um die Finanzreform durchzuführen. Wir kennen natürlich noch nicht die neuen Steuer⸗ rojekte im Reich, Herr Hahn scheint aber bereit zu sein, alle Projekte zu bewilligen, ohne sie zu kennen. Wir meinen, daß die Steuern nicht so einzurichten sind, daß der Mittelstand die Last zu tragen hat. 1 gerechte Steuerreform noch nicht zustande gekommen,

t ä im Reich schuld, die keine solchen Steuerprojekte machen wollen, die die Herren Hahn u. Gen. nicht haben wollen. Man verweist jetzt auf die 35 Millionen Mark Ausfall aus der Herabsetzung der Zuckersteuer. Diese mußte beschlossen werden, weil sonst die Zuckerkonvention gefährdet war, und die Kon⸗ servativen waren es, die den Reichstag in diese Zwangslage gebracht aben. Die „Kreuzzeitung“ sagt, die Konservativen wollten eine um⸗ fassende Finanzreform, aber kein Flickwerk. Aber an dem Gegensatz zwischen direkten und indirekten Steuern scheitert die Reform. Trotzdem will die „Kreuzzeitung“ die Veredlung der Matrikularbeiträge und die Dividendensteuer nicht von der Hand weisen, die sie beide ge⸗ wissermaßen als direkte Steuern anerkennt. (Zuruf rechts: Niemals!) Dann müssen Sie sich mit der „Kreuzzeitung“ auseinandersetzen. Herr Dr. Hahn schrieb den Konservativen das Verdienst zu, für die Beamtenbesoldung besonders eingetreten zu sein. Der maßgebende Staatsmann im Reich, der Reichskanzler, hat aber in seiner bekannten Rede vom 25. Februar 1907 unter den liberalen x, denen er entgegenkommen könne, neben ereinsrecht u. a. auch die Aufbesserung der Beamtengehälter genannt. Es ist also eine Verschlechterung der Sache, was Herr Dr. hn behauptet, er will den Beamten nur Sand in die Augen streuen. Ebenso falsch ist es, wenn er weiter behauptet, daß die Großgrundbesitzer besondere Opfer für den Staat bringen. Wie kommt der Abg. Dr. Hahn überhaupt dazu, einen Gegen⸗ satz zu konstruieren zwischen den Verdiensten der ver⸗ schiedenen Klassen um das Staatswohl? Der Großgrundbesitz hat eher mit Berufung auf das historisch Gewordene manche moderne orderung bekämpft, so z. B. die Zusammenlegung leistungsunfähiger Ge⸗ meinden. Mit solchen Schlagworten könnte man auch die Aufhebung der Leibeigenschaft bekämpfen. Die Statistik ergibt sogar eine Zu⸗ nahme kleiner Guts⸗ und Gemeindebezirke, ganz entgegen dem Geiste der Landgemeindeordnung, deren Revision Herr von Bethmann Hollwegals Minister des Innern ausdrücklich als notwendig anerkannt hat. Besonders müssen die Bestimmungen über die Wählbarkeit der Gemeind vorsteher und Bürgermeister und die Bestimmungen über den Ausschluß der Oeffentlichkeit für die Gemeindevertretersitzungen moderner gestaltet werden. Im Rheinland hat in einem Orte von 5000 Einwohnern ein Mitglied der Gemeindevertretung einen Ordnungsruf erhalten, weil es einem Zeitungsberichterstatter Informationen gegeben hatte. Das historisch Gewordene wird auch für die geistliche Ortsschulinspektion ins Feld geführt. ä wenn er auch die ernste Absicht hat, hierin modernere Anschauungen in vertreten, sie doch nicht mit der nötigen Energie durchzusetzen. In Rezierungsbezirk Arnsberg ist es den Lehrern und Lehrerinnen durch Verweigerung von Ferien unmöglich gemacht worden, religions⸗ wissenschaftliche Vorträge in Dortmund zu besuchen, nachdem ihnen vorher Ferien gewährt worden waren für decz Besuch ähnlicher Vor⸗ träge, die aber mehr im orthodoxen Sinne gehalten waren. In

Berlin hat die Generalsynode durch einen Beschluß das Pfarrwahl⸗

recht der Kirchengemeinden so gut wie aufgehoben. Wo ist da noch der Untersched zwischen katholischen Kirche? Die Regierung sollte das Gesetz der General⸗

synode einfach ablehnen. Im Wahlkampf wird man die Frage, ob

sich die Gemeinden eine solche Entrechtung gefallen lassen sollen,

mit einem entschiedenen Nein beantworten. Wir brauchen ferner ein Wahlrecht, das nicht die große Masse mundtot macht. Wir halten an unserer Forderung des Reichstagswahlrechts fest; unbe⸗ kümmert um alle Angriffe gegen uns, wollen wir an einer Wahl⸗ rechtsreform mitarbeiten, die eine wirkliche Reform ist und namentlich die direkte Wahl und die geheime Stimmabgabe einführt. Das ist Mittelstandspolitik. Nur wenn die Regierung eine solche Reform treibt sie eine Politik, die unserem Vaterlande zum Segen gerei

Abg. Dr. Hahn (B. d. L.): Wir leben im Zeichen der Block⸗ politik, dazu gehört Entgegenkommen von beiden Seiten. Ich habe gegen die Liberalen in durchaus normaler Form polemisiert. Ich greife niemanden persönlich an und wende mich nur gegen die An⸗ sichten. Ich werde die Blockrücksichten nicht außer acht lassen, aber ich kann doch nicht damit alle liberalen wirtschaftlichen Ansichten

der Kirche Luthers und der römisch⸗

mein Lesetegener Freund von Buchwald dem

1— Zurufe: Uaverschämtheit! Der gegenwärtige Herr Kultusminister scheint,

Präsident von Kröcher:

—-—y————

lang sei die Gesetzgebung für das Kapital

gutheißen. Die Freisinnigen bringen die ollen Kamellen wieder vor,

die nur noch die Sozialdemokraten vertreten. Das zeigt, unglücklich die Freisimnigen im Wahlkampf dastehben. Freunde der nationalen Arbeit, zu denen die Herren links natür⸗

lich nicht gehören, haben festgestellt, daß der innere Markt not⸗

wie Wir, die

wendiger ist als der unsichere Export in das Ausland. Das sollte Herr Dr. Müller wissen. Von diesem Grundgedanken aus, der Industrie und der Landwirtschaft eine Stärkung des Inlands⸗ marktes zu schaffen, haben wir den Zolltarif gemacht. In allen grund⸗ legenden Prinzipien waren die Landwirte einig. Herr von Wangenheim und ich haben in unseren Antrag auch Getreidezölle von 7,50 für Gerste und Hafer mit hineingenommen, weil das Ausland beabsichtigte, uns gerade in diesen Produkten eine scharfe Konkurrenz zu machen, und das hätte namentlich Süddeutschland geschädigt. Ein solcher Artikel hätte dem, Auslande genügt, uns die Getreidepreise * diktieren, deshalb mußten wir einen lückenlosen Zolltarif für alle Getreidearten haben. Es ist Legende, daß wir dabei nur Politik für die Großgrundbesitzer getrieben haben, wir haben im Gegenteil auch für den Bauernsiand und die Landarbeiter sorgen wollen. Einen Gegensatz zwischen Großgrundbesitzern und kleinen Besitzern ibt es nicht, der Bund der Landwirte ist besonders für die kleinen auern eingetreten und hat deshalb die Zölle für Fleisch, Kartoffeln, Milch usw. 2 lagen. Den Milchzoll haben wir leider nicht durchgesetzt. äuglingssterblichkeit ist am geringsten, wenn die Milch am besten ist, die ausländische Milch läßt sich aber nicht genug kontrollieren. Die ausländische Milch erhöht die Säuglingssterblich⸗ keit. Bei dem Kartoffelzoll wollten wir einen Schutz unserer Früh⸗ kartoffel gegen die Maltakartoffel, die Luxuskartoffel. Auch das war Schutz der nationalen Arbeit auf der deutschen Scholle. Herr Fisch⸗ beck hat nicht nur unsere Meinung bekämpft, sondern ist bis zu Be⸗ schimpfungen übergegangen. (Präsident von Kröcher: Be⸗ schimpfungen hat der Abg. Fischbeck nicht ausgesprochen.) Dann werde ich in Zukunft die Ausführungen etwas milder ansehen. Wir halten es für besser, wenn der Landmann hohen Lohn bekommt, selbst wenn er seine Bedarfsartikel etwas teurer bezahlen muß, anstatt umgekehrt. Die galizischen Arbeiter usw. kommen zu uns, obwohl sie in ihrem Lande ihre Lebensmittel billiger bekommen; sie kommen zu uns, weil sie bei uns höhere Löhne haben. wollte die Herren von der Linken doch um etwas mehr Blockfreundlichkeit bitten. (Abg. Dr. Wiemer: Blockfreundlichkeit im Zirkus Busch!) Kommen Sie in den Zirkus Busch, Herr Kollege, Sie werden auch das Wort erhalten. In der Steuerpolitik stehen sich allerdings die Ansichten schroff gegenüber. Meine Freunde meinen, daß die sämtlichen Be⸗ dürfnisse des Reiches durch direkte Steuern aufgebracht werden. Wenn wir in Preußen die 175 Millionen Mark für die Beamtenbesoldungen aufbringen sollen, werden wir in Preußen die Steuerschraube so anziehen müssen, daß wir nicht auch im Reich direkte Steuern nehmen dürfen, oder wir müßten befürchten, daß die Steuerzahler streiken werden. Wer es mit der Erhöhung der Beamtenbesoldung ernst meint, muß sich sagen, daß wir es nur können, wenn wir in Preußen die direkten Steuern erhöhen und im Reich das Groß⸗ kapital, den mühelosen Gewinn und die Lugxusartikel heranziehen. Herr Fischbeck erwähnt, daß im Herrenhause die Progression über 4 % abgelehnt sei, aber dort sitzen doch auch die Bürgermeister und Professoren. Meine konservativen Freunde in diesem Hause würden wahrscheinlich einer höheren Progression nicht widersprechen. Wir wollen in der Reichsfinanzreform ganze Arbeit machen, Herr von Schwerin⸗Löwitz hat ein ganzes Steuerprogramm entwickelt, das in der „Kreuzzeitung“ veröffentlicht wurde. Wir haben auf einige neue Steuerquellen hingewiesen, die bisher noch nicht in Betracht gezogen worden sind. Das Großkapital hat eine gewaltige Macht, es diktiert den Weltmarkt, und selbst der Finanzminister hat neu⸗ lich gesagt, er wolle den Großbanken keine Konkurrenz durch die Errichtung von Filialen der Seehandlung machen. Die Großbanken sind es gewesen, die uns die verlustreichen ausländischen Anleihen gebracht haben. Es ist eine durchaus gerechte Steuer⸗ idee, die ausländischen Anleihen zu besteuern, gerechter als die ollen Kamellen, die die Freisinnigen vorbringen. Herr Fischbeck will die breiten Mussen und den Mittelstand nicht be⸗ lasten, dann bleibt ihm doch nur das Großkapital übrig. In Wahr⸗ heit will ich die mittleren Schichten schonen, die Freisinnigen wollen es nicht. Herr Fischbeck meint, wir schützten die Großgrundbesitzer und Fideikommißbesitzer, unsere Zollpolitik ist aber der gesamten wirt⸗ schaftlichen Arbeit des Vaterlandes zugute gekommen, auch dem Bauernstande. Die Fideikommißbesitzer haben eine teilweise Ver⸗ mögenskonfiskation durch die Caprivische Wirtschaftspolitik über sich ergehen lassen müssen. Haben Sie das Wort Caprivis vergessen, das den Großgrundbesitzern den Rat gab, sie möchten 50 % von ihrem Besitze abschreiben? D. zwischen kleinbäuerlichem Best

und Großgrund existiert nicht. i der Gründung 88 Lefis ner

es Bundes der Landwirte hat 8 iu den Bauern des Dithmarschenlandes gesagt: Ihr Dithmarschen habt vor mehreren hundert Jahren in der Schlacht bei Hemmingstedt mehrere meiner Vor⸗ fahren erschlagen. Ich will euch das vergessen, wenn ihr in den Bund der Landwirte eintretet. Es gibt aber immer noch einige Dumme im Lande, die an diesen Interessengegensatz glauben. Diese Gegnerschaft zwischen Junkern und Bauern mag einmal bestanden haben, aber jetzt stehen beide Seite an Seite für unsere jetzige deutsche Wirtschaftspolitik. Heute hat der Bauer das System der in⸗

direkten Steuern längst anerkannt, dabei wird auch die Havanazigarre

für 3 des Bankdirektors nicht vergessen werden. (Zwischenrufe.) Ja, ich war auch einmal so töricht, sie zu rauchen. daran, daß wir uns nicht gescheut haben, für den Ausbau der Erb⸗ schaftssteuer im Sinne der Besteuerung der großen Vermögen ein⸗ zutreten. Herr Fischbeck hat bedauerlicherweise den Klassenkampf in eein etragen, er hat die Fideikommißbesitzer an der Riviera enunz

mit den reichen Bankiers an der Riviera täte, die dort die Zahl der Fideikommißbesitzer um das Zwanzigfache übertreffen sollen? Dort sitzt die jeunesse dorée von Berlin aus den Kreisen des

jüdischen und christlichen Großkapitals (Zuruf links) ach, Herr Abg. Müller, Sie führen ja einen zu bescheidenen Lebenswandel dazu. Die Großbanken zahlen ja auch das Geld für die Wahlen. (Erregte Abg. Goldschmidt: Frechheit!) Herr

Präsident, ich bitte Sie, mich gegen den Vorwurf der Frechheit zu schützen. (Prösident von Kröcher: Herr Abg. Goldschmidt, Sie haben den Ausdruck „Frechheit“ zugerufen. Abg. Gold⸗ s[schmidt: Es ist aber auch eine Frechheit, Herr Abg. Goldschmidt, ich rufe Sie zur Ordnung!) Der Abg. Dr. Hahn fährt fort: Freisinnigen bestreiten ihre Wahlen aus den haute finance S tun das nicht, die kleinen Bauern auch nicht. Eine e

Tüchtigkeit seines Adels, also

besitzes, nicht aufgebaut werden konnte. (Abg. Kopsch: Und das

Volk) Landedelmann und Bauer haben am meisten für den Staat

beigetragen. (Abg. Kopsch: Das ist eine Verhöhnung des Volkes!) Ich will keinen Vorwurf erheben, will nur die am meisten An⸗ gegriffenen verteidigen. Das preu nicht aus reichen Leuten an der Börse zusammen! wäre unsere Armee lediglich auf die Kinder der und die Industriebezirke angewiesen, so würden wir

Und Berliner nicht ein

so gutes Soldatenmaterial haben. 39 bin auch 8Hbo 1 e und habe es wir müssen dem Kaiser

des gleichen Wahlrechts, wie es im Rei 1893 noch verteidigt. Ich meine aber, vor allen Dingen ein Parlament wählen lassen, mit dem seine Minister regieren können. Die Caprivische Politik hat es herbeigeführt, daß jedes Jahr ein Armeekorps von kräftigen Leuten vom Osten nach dem Westen abgewandert ist. Es schiebung in der Bevölkerung stattgefunden, die Städte sind enorm angewachsen. Der Finanzminister sagte einmal, 30 Jahre tätig gewesen, jetzt müsse 30 Jahre lang die Gesetzgebung für die nationale Arbeit wirken. Wir müssen also zunächst die 30 Jahre ab⸗ warten, bis wir wieder eine Parität haben. Wenn wir durch ein solche Politik den Handwerkerstand, durch die gemeinnützige Ansiedlungs⸗ politik den Landarbeiterstand vermehrt haben, können wir an eine

besteht,

des Abg. Fischbeck

V kolonisiert, so könnten Sie heute schon die Erfolge sehen. er behauptete Interessengegensatz 1 is Arbeiter zu beschränken und den Kontraktbru

Ich erinnere

as würden Sie (nach links) tun, wenn ich das gleiche

einandersetzungen verzichten, wenn nicht der Abg. Dr.

Die Zuschüssen der

hat also eine enorme Ver⸗

andere Einteilung der Wahlkreise denken; bis dahin protestiere ich gegen eine solche Aenderung lediglich nach der Bevölkerungszahl, die das platte Land nur schädigen würde. Auch der Zentralvorstand der nationalliberalen Partei sollte diese Dinge noch einmal prüfen. Die Widerstandsfähigkeit des Reiches und auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet wollen wir erhalten. Das Reich ist geeinigt worden nach dem Rezept nicht der Sckwaben, sondern der Märker. Die Hohenzollern haben die Einigung herbeigeführt. Wollte man den Demokraten weitere Einflüsse einräumen, so würde man sich am Deutschen Reiche verfündigen. Wir können keine weitere Demokratisie⸗ rung in Deutschland gebrauchen. Gegenüber den Taten unserer Hohenzollern würde die weitere Demokratisierung Deutschlands nur eine große Gefahr bedeuten. Das Volk bedarf der Führung, wir können keine Wurstelei gebrauchen wie bei den romanischen Völkern. Es fehlt den Romanen an Königlichen Geschlechtern, gleichwertig unseren Hohenzollern, die die Führung übernehmen könnten. Wir werden das historisch Ueberkommene erhalten müssen und nicht eine Gleichmacherei treiben. Wenn Sie (zur Linken) mit Ihren demo⸗ kratischen Forderungen in das preußische Volk hineingehen, werden wir Ihnen mit aller Entschiedenheit entgegentreten.

Abg. Graf Praschma (Zentr.): Ich muß die beiden Vorredner gegen die Vorwürfe in Zwischenrufen in Schutz nehmen, daß sie Wahlreden gehalten hätten. Das waren keine Wahlreden, sondern Blockreden. Der Reichskanzler wird sen Fischbeck nicht dankbar sein, daß er diese Rede in seiner Abwesenheit gehalten hat; sie hätte in Gegenwart des Reichekanzlers im Reichstage gehalten werden sollen. Da sie hier nicht hingehört, werden wir uns an dieser Debatte nicht beteiligen.

Abg. Dr. Pachnicke (fr. Vgg.): Der Abg. Schiffer hat an die Regierung Fragen gerichtet, um Klarheit zu bekommen. Die Regierung schweigt, und sie hat wohl guten Grund. Die Regierung ist sich selbst nicht klar, man schiebt von Tag zu Tag; im Reichstage wie in Preußen treibt man Verzögerungspolitik. Es ist falsch, wenn man der Linken die Verzögerung der Beamtenbesoldungsvorlage in die Schuhe schieben will, wie es Herr Hahn tun will, dessen Rede eine Wahlrede der schlimmsten Art war. Es verletzt die historische Wahrheit, daß die Linke die Vorlage ver⸗ zögert habe. Wenn die rechte Seite nicht der Einführung direkter Steuern im Reiche solchen Widerstand entgegensetzte, würde die Finanzreform leicht zustande kommen, und dann wäre die Ver⸗ besserung der Beamtenbesoldungen in Preußen möglich. langen übrigens nicht nur direkte Steuern im Reich, wir wollen nur, daß pari passu direkte und indirekte Steuern im Reiche erhoben werden. Man hätte auch die Matrikularbeiträge mehr heranziehen und im Reiche bestimmen können, daß dafür der Besitz stärker heran⸗ gezogen werden könnte. Gerade Herr Hahn hat uns olle Kamellen erzählt, wenn er den hohen Preisen den hohen Lohn entgegenstellt, und wenn er von der Caprivischen Wirtschaftspolitik spricht. Einmal sagt Herr Hahn, die Wirtschaftspolitik Caprivis sei schuld, und ein anderes

al, die Welternte sei schuld. Unvergessen wird das Wort Caprivis bleiben, daß wir entweder Menschen oder Warea exportieren müßten. Nicht aus Rücksicht auf das Großkapital, sondeen auf die kleiren Provinzbankiers haben wir uns gegen die Errichtung von Filialen der Seehandlung erklärt; es geschah also aus Mittelstandsfreundlichkeit. Auf die Frage nach der Mädchenschulreform hat der Minister eben⸗ falls keine Antwort gegeben. Wie steht es ferner mit der haupt⸗ amtlichen Ortsschulaufsicht? Die Konservativen haben allerdings eine Warnungstafel für die Regierung aufgerichtet, auf welcher steht: „Immer langsam voran!“ Wir wollen aber, daß in schnellerem Tempo die Bevormundung der Schule durch die Geistlichen beseitigt wird. Es fehlte nur noch, daß man die Rolle eines protestantischen Papstes spiele, und daß der Evangelische Oberkirchenrat eine Enzyklika gegen den protestantischen Modernismus ergehen ließe. Jetzt herricht in Preußen der Landadel und das Konpsstudententum, der Landrat ist allmächtig, er ist jetzt sogar Vorsitzender der Feldarbeiter⸗ zentrale geworden und seoll, wenigstens zunächst, entscheiden, ob ein Arbeitsvertrag mit Recht oder Unrecht gelöst worden ist. Deshalb müssen wir dafür sorgen, daß Bürgertum und Bauernstand mehr Einfluß erhalten. Die Abwanderung vom platten Lande in die großen Städte vollzieht sich schon seit Jahrzehnten, sie ist unabhängig von der augenblicklichen Wirtschaftspolitik und liegt in der ganzen Entwicklung. Warum hat man nicht rechtzeitig Mittel dagegen eigriffen? Hätten Sie (zur Rechten) schon ga2 5

or allen Dingen denken Sie nicht daran, die Freizügigkeit der ländlichen 1 schränk 1 zu bestrafen. Sie können nicht gleichzeitig die Fideikommisse begünstigen und die Arbeiter ansiedeln wollen. In Preußen haben sich an den Wahlen 18 % beteiligt, im Reiche 84 %, das charakterisiert die ganze Situation. Das jetzige preußische Wahlrecht ist widersinnig, es führt z. B. dazu, daß in Breslau ein Student in der ersten Klasse, sein Professor in der dritten Klasse gewählt hat. Daß das platte Land eine höhere wirt⸗ schaftliche eutung habe als die großen Städte, ist eine unhaltbare⸗ Behauptung. Eine Demokratisierung des Wahlrechts ist nur zu er⸗ reichen, wenn die Regierung bei den Wahlen Neutralität bewahrt. Das Bürgertum in Stadt und Land muß sich regen, um bei den Wahlen sich die Geltung zu verschaffen, auf die es Anspruch hat.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freik.): Was ich zu sagen habe, werde ich noch bei den einzelnen Spezialetats sagen können. Ich würde es nicht für besonders nützlich balten, wenn ich

jetzt nochmals darauf einginge; ebenso will ich keine Wahlrede halten.

Ich halte es nicht für zweckmäßig, mich auf die Auseinandersetzungen einzulassen, die hier über Wirtschaftspolitik, Finanzpolitik, Zollpolitik gepflogen sind. Ich verzichte daher auf das Wort.

Abg. Dr. Friedberg (nl.): Auch ich könnte auf weitere Aus⸗ hn neulich und heute auch meine Partei angegriffen hätte. Es scheint zudem, als ob Herr Dr. Hahn von den Konservativen berufen wäre, die Wahl⸗ parole für die kommenden Wahlen auszugeben, und dadurch gewinnen seine Ausführungen eine höhere Bedeutung. Herr Hahn nennt die Wahl⸗ kreiseinteilung nach der Bevölkerungszahl eine Ungerechtigkeit und

sagt, die Nationalliberalen möchten doch noch einmal darüber in Be⸗

ratung treten. Ich weiß nicht, ob ich, wenn ich mich an den Zentral⸗

vorstand wenden würde, dort ein Echo finden würde; aber wir würden das zu sagen!

auch nicht zu einer anderen Auffassung kommen, wenn wir uns die Sache nochmals überlegten. Unsere Stellung ist in vollstem Umfange bekannt geworden, und ich kann Herrn Hahn den Vorwurf nicht er⸗ sparen, daß er damit etwas leicht verfahren ist; denn wir haben nicht

eine andere Emteilung der Wahlkreise lediglich nach der Bevölkerun n. ihe von Historikem hat anerkannt, daß der 3 8 preußische Staat ohne die Opferwilligkeit und ohne die militärische des Trägers des Großgrund⸗

vertreten, sondern ausdrücklich hervorgehoben, daß der historische Zu⸗ sammenhang der Gebiete nicht zerrissen werden soll, daß also auch die historische und landwirtschaftliche Zusammengehörigkeit eine Rolle spielen soll. Das ist e was anderes, als wenn Herr Hahn uns unter⸗

stellt, daß wir nur die Bevölkerungszahl berücksichtigen wollten. Aber

wir können uns anderseits nicht dazu aufschwingen, wenn Herr Hahn

über eine Verschiebung der Bevölkerung seit 50 Jahren einfach che Offizierkorps setzt sich doch

hinweggeht. Wer das tut, treibt nicht erhaltende Politik, sondern eine reaktionäre Politik, die meine Partei nicht mitmachen kann. Herr Hahn erklärt, daß das Reichstagswahlrecht in seiner demo⸗ kratischen ge zu gewissen Bedenken Anlaß gibt; wir haben immer betont, daß das Reichstagswahlrecht aufrecht erhalten werden muß, daß wir aber die Uebertragung dieses Wahlrechts auf Preußen nicht für eine zweckmäßige politische Maßregel halten. Herr Hahn glaubt, daß wir auch mit der geheimen Wahl als Wahl⸗

ole in den Wabhlkreisen keinen Exfolg haben würden, ich bin aber der letzten Zeit in meinem Wahlkreise gewesen, und meine Stellungnahme für das geheime Wahlrecht ist mit großer Be⸗ geisterung aufgenommen worden, ein Beweis, daß auch die ländlichen Wäͤhler sich nicht frei von einem gewissen Druck fühlen, von dem sie sich durch das geheime Wablrecht fei machen können. Herr Hahn hat neulich meine Partei wieder als die Vertreterin des

assozierten Großkapitals charakterisiert; wenn er aber einen Blick

auf die Zusammensetzung unserer Partei hier und im Reichstage werfen wollte, würde er finden, daß diese Kreise am wenigsten i unserer Fraktion zu finden sind. Das ist nur eins der Agitatio

ittel, die nach außen hin verwirren, aber der Wahrheit ent⸗ 224 könnte auch umgekehrt charakterisieren und Herrn ahn fragen, ob denn die Großgrundbesitzer und die großen H nicht auch Großkapitalisten sind. Sie dürfen doch nicht nur an die denken, die hier im Hause sitzen, sondern auch an die Herren im Lande, die hinter Ihnen stehen. (Ruf rechts: Sie haben auch welche!) Das ist mir neu; wenn es so wäre, würde ich es dankbar begrüßen angesichts der großen Beiträge, die die en unserer Partei leisten könnten. Hat Herr Hahn niemals etwas davon gehört, wie die Inhaber von Bergwerksanteilen bei ungünstiger Konjunktur jahrelang am Hungertuch genagt haben? Es wäre ein dankenswertes Agitationsmittel für Herrn Hahn, wenn er darauf hinwiese, daß der Herzog von Arenberg ½ Million Mark aus der Nutzbarmachung des Bergregals bezieht. Der Gegensatz zwischen Industrie und Landwirtschaft hat wirklich keinen Zweck. Sie (zur Rechten) können industriell unser Vaterland nicht zurückschrauben; das wollen Sie auch nicht, denn Sie können die Industrie nicht entbehren. Auch ist die Steuerkraft der Industrie so groß, daß sie einen Teil der Bedürfnisse deckt, die aus der W zu Gunsten der Landwirtschaft befriedigt werden. Herr Dr. Hahn tritt ge⸗ wöhnlich als Vertreter des gewerblichen und landwirtschaftlichen Mittelstandes auf; er mag die besten Absichten haben, aber ich sehe sie nicht verwirklicht, namentlich nicht gegenüber den Wahlen. Was er da will, läuft direkt den Interessen des Mittel⸗ standes zuwider, gerade vom Standpunkt der Mittelstands⸗ politik muß man die Haltung ablehnen, die Herr Hahn im Wahlkampf einnehmen will. Es gibt keine einschneidendere Wirkung für den Mittelstand als die Einführung der geheimen Wahl. Denn er unterliegt den Angriffen von oben und unten, vielleicht von unten noch mehr, und er kann nur frei zur Wahlurne schreiten, wenn er die Nachteile vermeiden kann, die ihm aus der öffent.⸗ lichen Stimmabgabe erwachsen. Herr Hahn will die Finanzreform auf den indirekten Steuern aufbauen, will sie also den schwächeren Schultern auferlegen, denn alle diese Steuern das weiß Herr Hahn als Volkswirt sehr gut wirken als Kopfsteuer. Wenn also jetzt das Reich 200 bis 300 Mill. Mark mehr bedarf, so muß ein Aus⸗ gleich durch irgend eine Form der direkten Steuern eintreten, daß Herr Hahn das verkennt, mache ich ihm zum großen Vorwurf; wenn man das der Bevölkerung klar macht, so wird sich dieses Programm als zugkräftiger erweisen. Der der Dividendensteuer ist durchaus veraltet, Herr von Zedlitz hat schon neulich darauf hin⸗ gewiesen, daß sie lediglich eine weitere Doppelbesteuerung derjenigen ist, die ihr Einkommen aus Dividenden beziehen. Wer hier beim Schluß der Rede des Abg. Hahn in das Haus getreten wäre, würde von ihm nichts anderes gehört haben als: Hohenzollern, Hohenzollern, als ob die Hohenzollern hier angegriffen wären! Dr. Hahn hat von den großen Verdiensten der Hohenzollern um das deutsche Vaterland gesprochen. Ist das ein Gesichtspunkt, den man in diesem Hause vorbringt? Sind nicht alle Parteien dem preußischen Königshause überaus dankbar für die unablässige Kulturarbeit im Dienste des Vaterlandes? Aber daneben wollen wir nicht verkennen, und das hat Herr Hahn in seiner einseitigen politischen Auffassung übersehen, daß auch die anderen Landesteile, auch Süddeutschland, mit Stolz auf eine große Kulturentwicklung blicken, daß auch in Süddeutschland der nationale Gedanke stets lebhaft aufrecht erhalten wurde zu einer Zeit, wo er in Preußen nicht gepflegt werden konnte, weil sich der Druck von oben dagegen sträubte. Keine Krone kann besser geschützt werden als-dadurch, daß man in der Gesetzgebung Rechnung trägt dem Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit und des Rechts⸗ staates, und den habe ich bei Herrn Dr. Hahn vermißt. Darauf wird die Debatte gegen die Stimmen des Zentrums, der Freisinnigen und eines kleinen Teils der Rechten

geschlossen. 8 Abg Fischbeck: Ich bedauere, daß ich Herrn Dr. Ha mehr sachlich nicht mehr antworten kann, die Blockpolitik kann mich aber nicht abhalten, auf Angriffe zu antworten. 1 Abg. Dr. Hahn: Der Abg. Goldschmidt hat während meiner Rede eine beleidigende Aeußerung getan (Vizepräsident Dr. Porsch: Der Präsident hat die Sache bereits erledigt.) 8 Abg. Dr. Hahn: Er hat die Beleidigung aber nicht zurück⸗ enommen. 8 9. 1. ch: Durch den Ordnungsruf des Prä⸗ denten ist der Fall erledigt. g nbe. Dr. Hahn: Parlamentarisch, aber nicht persönlich. (Der Vizepräsident verhindert den Redner, nochmals auf die Sache einzugehen.) Herr Fischbeck hat seine Ausführungen in einem Ton ge⸗ halten, der mit der Freundschaft im Block schwer vereinbar ist. Abg. Fischbeck: Es ist Geschmackssache, über den Ton zu streiten, die neuliche Rede sdes Herrn Dr. Hahn ist von uns als eine starke rovokation aufgefaßt worden. 8 Abg. Kopsch (fr. Volksp.): In weiten Kreisen herrscht die Ueber⸗ zeugung, daß die Begriffe Agrarier und Konservative sich nicht decken. Ich habe vorhin einen Zuruf nur im Interesse der Konservativen gemacht, die sich selbst gegen die Interessenpolilik des Abg. Dr. Hahn

mebra, Dr. Hahn: Herr Kopsch braucht die Konservativen nicht gegen mich in Schutz zu nehmen. Ich werde aber nichts mehr sagen, denn in der Schule muß bekanntlich der Lehrer immer das letzte it haben. 5 eeXev g. Sneee⸗ gerne auf das letzte Wort, Herr von d ednerschule. Kollege Hahn (zur Geschäftsordnung): Ich bemerke zur Geschäftsführung, daß ich darauf nicht mehr geantwortet habe. In der Spezialdiskussion wird eine Reihe kleinerer Etats ohne Debatte angenommen.

Beim Etat des Abgeordnetenhauses bittet der Abg. Kölle (fraktionslos), daß die Angestellten und Diener des Abgeordnetenhauses nicht bei Schluß der Session sofort entlassen werden möchten, sondern genügend Zeit hätten, sich auch im Sommer nach geeignetem Ersatz umzusehen. Abg. Schmidt⸗Warburg (Zentr.): Im vergangenen Sommer be⸗ fand ich mich im Trauergeleit unseres bier seit 20 Jahren tätig gewesenen Fraktionsdieners Sassen und mußte es hinnehmen, daß der Geistliche mir nachher sein Befremden darüber aussprach, daß die Diener des Abgeordnetenhauses keine Pensionsberechtigung haben. Der für Unter⸗ stützungen vorgesehene Fonds ist viel zu gering. Die Diener müssen so gestellt werden, daß die Anstellung als eine besondere Ehre an⸗ gesehen wird. Der Finanzminister möchte doch hier einmal an das ort denken: Noblesse oblige! 9. Vzepräsident Dr. Porsch: Ich möchte nur kurz feststellen, daß die Voraussetzungen des Abg. Kölle nicht zutreffend sind.

Der Etat wird bewilligt.

Beim Etat der Forstverwaltung bemängelt der Abg. Kölle, daß die siskalischen Wälder des Harzes so außer⸗ ordentlich streng gegen den Besuch des Publikums abgeschlossen seien angeblich im Jnteresse des Wildes. Es möchte doch auf die Menschen nur ein Millioonstel dieser Rücksicht genommen werden. Abg. Puttfarken (nl.) bittet, daß die Unstimmigkeiten bei Ab⸗ nahme der Dienstländereien der Oberförster beseitigt werden möchten; die 9— 3 n ber, ein Viertel der Ernte, sie müßten den en rag der Ernte erhalten. 1 8 Abg. Se „Goslar (nl.) bittet, daß die Sesttsmn⸗ des Ministers von Podbielski zum Plane der Aufforstung von Oedländereien recht bald verwirklicht werde.

Der Etat wird bewilligt. Der Etat der Ansiedlungs⸗ kommission wird auf Antrag des Abg. Dr. von Dziem⸗ bowski (Pole) in besonderer Abstimmung gegen die Stimmen des Zentrums, der Polen und der Freisinnigen bewilligt.

u. Gen. vor: „die Regierung zu ersuchen, notfalls im Wege des Nachtragsetat für 1908 200 000 zur Be⸗ schaffung von Saatgut (Getreide und Kartoffeln) in Ostpreußen flüssig zu machen“. 1

Dieselben Abgeordneten beantragen für den Fall der Ablehnung dieses Antrages, verschiedene Titel im Jandwirt⸗ schaftlichen und im Domänenetat zu Bauzwecken um ins⸗ gesamt 200 000 zu kürzen und um diese Summe den Fonds ur Förderung der Land⸗ und Forstwirtschaft in den östlichen (Ostfonds) zu verstärken. 3

Abg. von Herin-g (konf.): Bei der zweiten Lesung lag bereits ein Antrag von Bieberstein vor, der ebenfalls die Verstärkung der Mittel forderte, um in Ostpreußen den durch die Mißernten ge⸗ schädigten Landwirten mit Saatgut zu helfen. Der Antrag ist damals in der Budgetkommission aus etatsrechtlichen Rücksichten ab⸗ gelehnt worden, aber die Regierung ist doch aufgefordert worden, für diesen Zweck irgendwie Mittel flüssig zu machen. Zur Begründung unseres Antrages habe ich keine weiteren Ausführungen zu machen, da der Herr Minister sich in Ostpreußen selbst davon überführt hat, daß die von uns geforderten 200 000 nicht einmal ausreichend sind. Sollte aber die Regierung erklären, daß sie keinen Nachtrags⸗ etat mehr einbringen kann, so würde unseren zweiten Antrag zur Annahme empfehlen. Der Redner führt darauf im einzelnen aus, daß die Herahminderung der von ihm vorgeschlagenen Titel ohne Schwierigkeit geschehen könne, da der Fortgang der be⸗ treffenden Arbeiten in keiner Weise aufgehalten werde.

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:

Miine Herren! Es handelt sich im wesentlichen um eine etats⸗ rechtliche Frage, und ich bitte daher, in Uebereinstimmung mit dem Herrn Minister für Landwirtschaft mich kurz darüber äußern zu dürfen. Ich möchte vorweg bemerken, daß wir naturgemäß den schweren Mißstand, der einzelne Telle von Ostpreußen im vorigen Jahre infolge ungünstiger Witterungsverhältnisse getroffen hat, sehr sorgsam beobachtet haben, und daß wir getan haben, was möglich war. Wir haben die Summe von 184 000 ℳ, die der Oberpräsident beantragte, um ausreichendes Saatgut zu beschaffen, ohne jede Kürzung in den Etat eingestellt. Erst nachher stellte sich heraus, daß die Schäden an Saatgut, namentlich an Kartoffeln, auch an Getreide, weil diese sehr naß eingeerntet waren, noch größer waren, als man ursprünglich angenommen hatte. Erst nach Aufstellung des Etats beantragte der Oberpräsident, weitere 200 000 für das Saatgut bereitzustellen. 8 8

Ganz in Uebereinstimmung mit den Ausführungen des Herrn von Arnim halten wir es seitens der Staatsregierung für er⸗ wünscht, daß Ostpreußen auch diese weiteren Mittel zugeführt werden (Bravo! rechts), damit wir unter allen Umständen vermeiden, daß abermals eine Mißernte infolge ungenügenden Saatguts eintritt. Es handelt sich nur um die Frage: Wie ist die Sache etatsmäßig am korrektesten zu behandeln? Da kommen nun drei Wege in Be⸗ tracht: 1) der Weg des Nachtragsetats, 2) die Frage der Ueberschrei⸗ tung des Ostfonds und 3) die Frage der Kürzung einzelner Positionen, die anderweitig im Etat enthalten sind, unter Uebertragung der so gewonnenen Beträge für den in Rede stehenden Zweck.

Was den ersten Weg betrifft, so hat Herr von Arnim schon ganz mit Recht hervorgehoben, daß es an sich unerwünscht ist, einen Nach⸗ tragsetat einzubringen wegen einer verhältnismäßig nicht erheblichen Forderung. Ich möchte hinzufügen, es würde auf diese Weise gar nicht geholfen sein; denn auch wenn wir einen Nachtragsetat ein⸗ bringen, müssen wir die Deckungsmittel dafür beschaffen. Wir können unmöglich einen Nachtragsetat einbringen und die Deckungsmittel für diese zum Ordinarium gehörige Ausgabe etwa auf Anleihe nehmen. Uns würde also mit einem Nachtragsetat nicht geholfen sein, da die Beschreitung des Anleiheweges meines Erachtens als ausgeschlossen angesehen werden muß.

Die zweite Frage wäre die, die 200 000 beim Ostfonds im Wege der Etatsüberschreitung zu verrechnen. Allein auch hier ist es feststehender Grundsatz, den die Regierung in Uebereinstimmung mit dem Abgeordnetenhause innegehalten hat, Dispositionsfonds nicht zu überschreiten, und ich glaube, es liegt im Interesse des Budgetrechts, an diesem Grundsatz festzuhalten.

Bleibt der dritte Weg, die Mittel zu gewinnen, indem einige Abstriche bei anderen Positionen gemacht werden. Nun muß man unter allen Umständen verhüten, solche Abstriche zu machen, die andere Positionen schädigen und wirtschaftliche Bedenken in sich tragen. Wir glauben aber, daß die Abstriche, die von Herrn von Arnim vorgeschlagen sind, in der Tat unbedenklich sind. Es handelt sich überwiegend um gering⸗ fügige Abstriche bei Baufonds des Extraordinariums. Diese Bau⸗ fonds kann man naturgemäß nie auf Heller und Pfennig berechnen, der Bedarf steht nie so präzise fest. Wenn also für die schlesischen Flüsse ein Fonds von 2 600 000 ausgebracht ist, so ist es, glaube ich, unbedenklich, diesen Fonds um 25 000 zu kürzen; wenn für den Neubau der landwirtschaftlichen Hochschule 828 000 ausgebracht sind, so ist es ebenfalls unbedenklich, davon 50 000 abzusetzen, und naturgemäß werden die nächstjährigen Raten erhöht werden.

Endlich fällt eine Position von 75 000 für eine Regulierung, die vorgesehen war, weg, weil sich nachträglich Bedenken dagegen er⸗ hoben haben.

Ich glaube also, daß der Weg, wie ihn Herr von Arnim in Nr. 209 vorgeschlagen hat, der etatsmäßig korrekte ist, anderweiten wichtigen Aufgaben keinen Eintrag tut, und deswegen bitte ich im Einverständnis mit dem Herrn Minister für Landwirtschaft um An⸗ nahme des Antrags Nr. 209. (Bravo!)

Abg. Herold (Zentr.): Seit Jahren ist der Wunsch geäußert, daß die Aöß. Her ondsen vom Etat der Bauverwaltung abgezweigt und dem Landwirtschaftsministerium angegliedert werde. Bei den Kanal⸗ bauten müssen die Landeskulturaufgaben besser berücksichtigt werden. Zwar ist bei den Flußregulierungsprojekten das landwirtschaftliche Ressort befragt worden, aber es taucht doch von neuem der Ge⸗ danke auf, ob nicht diese Arbeiten vom Landwirtschaftsministerium übernommen werden sollen. Die Schiffahrtsinteressen würden dabei nicht leiden. Ferner hebe ich nochmals den Wunsch nach Reorganisation der Generalkommissionen hervor. Es ist endlich an der Zeit, damit voranzugehen; dabei kommt eine Ausgestaltung der Spezial⸗ kommissionen und eine bessere Verbindung mit den Verwaltungs⸗ behörden in Frage. In der Domänen⸗ und Forstverwaltung wird die Initiative der unteren Instanzen gelähmt durch die häufigen Revisionen

seitens der oberen Beamten, und diese Revisionen sind unzweckmäßig, da sie nicht durch Fachmänner, sondern durch Verwaltungsbeamte stattfinden. Man sollte von dieser veralteten Einrichtung absehen und Revisionen nur da vornehmen, wo wirklich Mängel auftreten. Man sollte namentlich die Revisionen in der Domänenverwhaltung den Forst⸗ beamten übertragen, da die Beamten der OEEEeee

verwaltungstechnisch ausgebildet sind. Das würde auch billiger sein, denn die Forsten liegen * der Regel in der Nähe der Domänen,

die juristischen Angelegenheiten hat auch die Forstverwaltung juristische Beamte zur Verfügung. Hoffentlich bedarf es nicht erst eines um die Regierung zu dieser Aenderung zu veranlassen.

Darauf wird gegen 4 ¾l Uhr die weitere Beratung des Etats auf Dienstag, 11 Uhr, vertagt.

Literatr.

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Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln. 1—

Rußland.

Die russische Kommission zur Bekämpfung der Pestgefahr e Stadt Hildvah in Arabien für pestverseucht und die Pro⸗ vinzen Saga, Fukuoka und Nagasaki in Japan für cholera⸗ frei erklärt. (Vergl. „R.⸗Anz.“ vom 14. November v. J., Nr. 272.)

Indien.

Nach einer Mitteilung der Regierung von Bengalen vom 21. 12⸗X d. J. sind die wegen des Ausbruchs der Pest in Porbandar getroffenen QOuarantänemaßregeln in dem Hafen von Orissa gegen Schiffe, die von Porbandar ankommen, aufgehoben worden. (Vergl. „R.⸗Anz.“ vom 25. September v. J.

29.) 8

. e“

Handel und Gewerbe. 1

Nach der Wochenübersicht der Reichsbank vom 14. März 1908 . 42 (◻ 2* im Vergleich zur Vorwoche):

Aktiva: 1908 1907

Metallbestand (der Bestand an kurs⸗ fähigem deutschen Gelde oder an Gold in Barren oder aus⸗

länd Münzen,

das r. fein zu

2784 net)

Bestand an Reichs⸗ . 71 991 000 74 532 000 29 074 000 kaßfenscheien...1 237 000) (4 1360 000) . 1 867 000)

Bestand an Noten . 23 255 000 24 455 000 23 592 000 EI11111““; 4 (+ 27 507 000) (+ 34 050 000) (+ 2 764 000) Bestand an Lombard⸗

. 77 431 000 83 865 000 69 229 000 9e,n enene 5 889 2 iis2. n.549) 62 825 000 Bestand an Effekten (s— 14 074 000) (s— 19 510 000) (+ 14 265 000) Bestand an sonstigen

9 *

905 420 000 1 005 035 000

940 983 000 (+ 16 613 000) (+ 18 782 000) (+ 37 792 000)

93 430 000 105 174 000

(+ 3062 000) (+ 844 000) Passiva:

das Grundkapital

der Reservefonds

der Betrag der um⸗ laufenden Noten.

di stigen täglich aaftee esc

lichleiten 31 908 000 die sonstigen Passiva (+ 1 239 000) (+. 1 535 000) (+ 1 184 000)

Metallzufluß blieb um 2,1 Mill. Mark hinter der vor⸗ 882 ee der Wechselbestand übersteigt infolge der um 6,5 Mill. Mark geringeren Zunahme als im Vorjahr den jährigen Bestand noch um 1 Mill. Mark.

180 000 000 (unverändert) 64 814 000 (unverändert)

1 310 439 000 9 329 000) (—

180 000 000 (unverändert)

64 814 000 (unverändert)

1 342 508 000 (s— 25 613 000)

(unverändert) 1 229 619 000 6 722 000)

46 723 000 0 8 er 26 718 000 20 244 000

den im Reichsamt des Innern zusammengestellten en, im. Mesche für Handel und Industrie“.) Außenhandel Oesterreich⸗Ungarns im Jahre 1907.

Außenhandel Oesterreich⸗Ungarns läßt sich eine Zunahme um 88 Mi 882 erh konstatieren. Er hob sich von 4562 auf 4674 Millionen Kronen. Die Einfuhr stieg von 2249 auf 2343 Mil⸗

m Etat der landwirtschaftlichen Verwaltun negt dan Antrag der Abgg. von Arnim⸗Züsedom (kons.

d es könnten also Reisekosten erspart werden, wenn die Forst⸗ Feen bei ihren dlo onse zugleich die Domänen besuchten. Für

lionen, erhöhte sich demnach um 94 Millionen Kronen. Die Ausfuhr