1908 / 69 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 20 Mar 1908 18:00:01 GMT) scan diff

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lassung verboten, auch als Privatleute, während den Kaufleuten der Aufenthalt gestattet ist. Das Verbot ist damit motiviert worden, daß die Verwaltung keine Garantie für die Sicher⸗ heit der Missionare übernehmen könne. In diesen Gegenden ist aber der Mohammedanismus besonders stark vertreten. Je länger die Sperrung dieser Bezirke dauert, um so mehr wird der Moham⸗ medanismus um sich greifen. Der Staatssekeetär hat in Aussicht gestellt, daß jene Bezirke geöffnet werden sollen, wenn die Bahn fertig sei. Das Verbot verstößt aber jedenfalls gegen § 14 des Schutz⸗ gebietgesetzes. Jede schwarze Schutztruppe ist erfahrungsmäßig zugleich eine Station des Mohammedanismus. Ich bitte die Verwaltung, dafür zu sorgen, daß die Schutztruppen möglichst aus Christen rekrutiert werden. Die Absicht des Staatssekretärs, mit dem bisherigen Protektions⸗ sostem zu brechen, können wir nur billigen. Das bisherige Spstem, wo jeder Weiße, der in die Kolonien ging, alle möglichen Ansprüche an das Reich stellen zu können glaubte, konnte nicht zu einer gesunden Entwicklung führen, und es hat auch zu einer Uebermacht gewisser Monopole geführt. Die Eisenbahnvorlage wird in der Kommission eingehend geprüft werden müssen. Die Rücksicht auf das Mutterland und den heimischen Geldmarkt darf nicht außer acht gelassen werden. Bisber hat auf finanzpolttischem Gebiet eine Verwirrung und Plan⸗ losigkeit Wir müssen aber anerkennen, daß sowohl im vorigen Etat wie im diesjährigen eine Reihe erfreulicher Ansätze vor⸗ handen sind, die eine größere Klarheit und Durchsichtigkeit des Kolonialetats bewirken. Die ganze Art der Abrechnung gestattete z. B. nicht, sich ein Bild über die Kosten für Südwestafrika zu machen. Noch heute vermisse ich die Rechnungsübersicht für 1900. Diese Uebersichten sollten uns möglichst rasch zugehrn. Was hat es für einen Zweck, wenn wir 1908 eine solche Uebersicht für 1900 be⸗ kommen? Wir haben in der Budgetkommission alles getan, um eine beschleunigte Abrechnung zu erzielen. Der vorläufige Kassenabschluß, der uns seit Jahr und Tag überreicht wird, hat absolut keinen Wert. Das gesteht die Regierung selbst zu, sobald man sich auf die Zablen desselben stützt. Wenn nun die Kommission beschlossen hat, den vorläufigen Kassenabschluß fallen zu lassen, so glaube ich, daraus das Verlangen ableiten zu dürfen, daß die Haushaltsübersicht uns um so früher vorgelegt wird. Der An⸗ regung des Abg. von Liebert, den Militäretat aus dem Kolonial⸗ etat vollständig auszuscheiden, kann ich nicht beistimmen. Damit, daß die Kolonialetats in den Augen des deutschen Volkes dann besser dastehen würden, kann man eine so tiefgreifende Aenderung nicht begründen. Das deutsche Volk hat keinen Wunsch nach be⸗ sonders schönen Bildern, sondern nach klaren Finanzverhältnissen. Auf die Anregung des Abg. von Liebert, die Kolonien nicht mehr als Zollausland zu betrachten, hat schon der Staatssekretär fest⸗ gestellt, daß dieser Wunsch schon mit Rücksicht auf die Handels⸗ verträge nicht durchführbar ist. Er würde aber auch finanzielle Koasequenzen haben, insofern dadurch 6 Millionen Zolleinnahmen für die Kolonien in Fortfall kämen; den Vorteil aber hätten nur die wenigen nach den Kolonien exportierenden Firmen. Wir können auch uns damit nicht einverstanden erklären, daß der Ueberschuß über die Verwaltungseinnahmen immer zu Gunsten der Kolonie ver⸗ wendet wird, anstatt den Reichszuschuß zu vermindern. Die Finan⸗ zierung der neuen Kolonialbahnen halte ich für höchst bedenklich. Die jetzige Vorlage ist nur eine zum Teil verschlechterte Kopie der Kolonialanleihe für Togo für 1904. Ich kann mich auf die da⸗ maligen Ausführungen des Abg. Dr. Müller⸗Sagan und des Abg. Richter bezieben, die gegen die Etablierung kolonialer Anleihen in Deutschland sich wendeten mit dem Erfolge, daß die Kolonial⸗ anleihe denn auch abgelehnt wurde. In unserem Milliardenetat für das Reich haben wir auch nirgends eine gesetzliche Vorschrift, daß wir etwas auf Anleihe nehmen müßten, auch für den außerondentlichen Etat nicht. Warum kann man nicht auch hier in dem Etat für die Schutzgebiete einfach den Reichskanzler ermächtigen, so und so viel auf ihe zu nehmen? Ich will nicht sagen, daß das Budgetrecht des Reichstags verletzt wird, aber es wird tangiert. enn der Staatssekretär die Uebernahme der Garantie durch das Reich für Tilgung und Verzinsung fallen lassen würde, wären wir gewiß gern einverstanden. Nachdem hier ein⸗ mal der Weg der Kolonialanleihe mit 150 Millionen Mark beschritten werden soll, befürchte ich, daß unsere Reichsschuld in 10 Jahren vielleicht 6 statt 4 Milltarden betragen wird. Eine ganz gefährliche Bestimmung in der Vorlage des Staats⸗ sekretärs ist aber die, daß die Kolonien als Gesamtschuldner be⸗ trachtet werden. Man will damit der Anleihe einen besseren Absatz sichern, Togo z. B. braucht doch keinen Reichszuschuß, erzielt vielmehr einen Ueberschuß. Ich sehe aber auch darin eine Belastung des Reiches. Die Kolonien werden vielleicht dann die Zinsen und Tilgungsraten zahlen, bedürfen dafür aber eines um so höheren Reichszuschusses. Hoffentlich hält der Staatssekretär trotz der Angriffe gegen seine Eingeborenenpolitik unentwegt an seinem Pro⸗ gramm fest. Wenn seinen Worten in den Kolonien Taten folgen, so wird die Kolonialpolitik in Zukunft erfolgreicher sein. 1 3 Abg. Dr. Müller⸗Meiningen (fr. Volksp.): Ich muß zunächst mit einigen Worten auf den kleinen Zwischenfall mit der Tribüne zurück⸗ kommen. Als der Abg. Erzberger von der unsterblichen Seele des Negers sprach, ertönte von der Jousrnalistentribüne ein Gelächter. Es läßt sich nicht leugnen, daß im Hause eine gewisse Nervosität über das wiederholte Eingreifen der Journalistentribüne herrscht. Auf der andern Seite aber ist zuzugeben, daß die Herren auf der Journalisten⸗ tribüne ihrerseits etwas nervöser werden, da in der letzten Zeit Anforderungen an sie gestellt wurden, wie sie nie an sie gestellt worden sind. Selbstverständlich erechtigt die Presse das nicht, hier gewissermaßen mitzuspielen und ihr Urteil durch Zwischenrufe oder sonstige Zeichen abzugeben. Allein ich bin ausdrücklich gebeten worden, hier festzustellen, daß es sich nur um die Taktlosigkeit eines einzelnen Herrn handelt, daß aber die Gesamtheit der Herren Pressevertreter unter allen Umständen dagegen protestiert, daß mit einer gewissen Verallgemeinerung gegen die Presse hier Front gemacht wird. Diesem Wansche eines Teiles der Presse glaubte ich nachkommen zu sollen. Was nun den Kolonialetat selbst anbelangt, so ist gegenüber dem Dezember 1906 unzweifelhaft eine Stimmung der Versöhnung zwischen dem Vertreter des Kolonialamtes und dem Zentrum eingetreten. Ja, der Abg. Erzberger konnte mit einem gewissen Stolz von einem Hand⸗ in⸗Hand⸗gehen mit dem Staatssekretär sprechen. Freilich hat er das in nicht ganz uneigennütziger Weise getan, sondern hat dabei Verdienste für seine Partei in Anspruch genommen, da der Staatssekretär jetzt auf dem von ihr schon früber vorgezeichneten Wege vorginge. Ebenso⸗ gut könnten wir aber auch für uns in Anspruch nehmen, daß der Staatssekretär manchen guten Rat unserseits hier befolgt hat. Ich könnte beweisen, daß sich der Staatssekretär in den ahnen der Freisinnigen bewegt. Als der Abg. Erberger von der selbstlosen Politik des Zentrums sprach, wurde links ; ich kann mir wohl jede weitere emerkung darüber

r Was die Rochtspflege in den Kolonien betrifft,

so knüpfe ich an das Wort des Staatssekretärs an, daß bei den Schwarzen die Unterscheidung von Recht und Unrecht viel⸗ leicht die einzige ausgebilvete moralische Empfindung sei. Der Ausgestaltung dieser Rechtsempfindung soll unsere Resolution dienen, ebenso wie das die Absicht des analogen Zentrumsantrages ist. Es besteht jz eine Kommission für die Sammlung und Sichtung der Rechtsgebräuche der Schwarzen; ihre e sind noch nicht bekannt. Jedenfalls haben die Bezirkshauptleute und die sämtlichen olonialbeamten hier eine sehr bedeutsame Aufgabe zugewiesen

erbalten. Der Zentrumsaatrag bewegt sich nun in allza allgemeinen Ausdrücken; wir können ihm natürlich zustimmen, obwohl weder über die Art der erhöhten Garantiea für die Rechtspflege unter den

Eingeborenen noch über die „gerügende“ Wahrung der Rechte der Eirgeborenen bei Rechtsangelegenheiten zwischen Eingeborenen und Weißen etwas gesagt ist. Wenn aber der Antrag des Zentrums weiter für die Weißen in Strafsachen eine Berufungsinstanz und das Reichsgericht als Revisionsinstanz verlangt, so scheint uns letzteres untunlich; es würte sich dazu ein Senat beim Ober⸗ landesgericht in Hamburg viel besser eignen; die Berufungs⸗ und Revisionsinstanz in Z 7

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ivilsahen müßte in den Kolonien selbst

errichtet werden. Unser Antrag geht weiter und ist auch spezialisierter; er verlangt, daß die allmähliche Trennung von Justiz und Verwaltung in den Kolonien in die Wege geleitet wird. Unser Antrag will ferner zur Vorbereitung der Kodifizierung des Ein⸗ geborenenstrafrechts unter tunlichster Berücksichtigung der Rechts⸗ gebräuche der Eingeborenen allgemeine Anweisungen über die An⸗ wendung des deutschen Strafrechts erlassen. 8ch bin zu diesem Antrage im wesentlichen gekommen durch einen Runderlaß des Gouverneurs Grafen Zech an die Bezirksamtmänner in Toßo. Jeder muß nach seinem Rechtsbegriffe behandelt werden. Es wird dabei vor allem nötig sein, daß auch unsere Rechtsbegriffe den Schwarzen näher gebracht werden, und das geht nicht mit unserem Juristendeutsch. ie die Sache nicht gemacht werden darf, zeigt die Prozeßverhandlung gegen die Akwaleute, wie sie uns in der Denk⸗ schrift dargestellt worden ist; ein Zeuge macht widersprechende Angaben, verwickelt sich auch sonst in Widersprüche und wird dafür zu drei Monaten Gefängnis verurteilt! So darf es nicht weiter⸗ gehen. Die Prügelstrafe muß geregelt und allmählich beseitigt und durch Geldstrafe ersetzt werden, wie es der Staatssekretär auch zu⸗ esagt hat. Etwas Ekelhafteres, etwas Demoralisierenderes als die Vollziehung der Prügelstrafe kann es überhaupt nicht geben. Wenn es nun heißt, man könne ohne die Prügelstrafe in den Kolonien nicht auskommen, so müssen wir doch mit aller Energie darauf dringen, daß sie möglichst wenig ausgeübt und auf gesetzliche Basis gestellt wird. Es wird jetzt in den Kolonien noch sehr viel und noch sehr willkürlich geprügelt. Die Rechtsverfolgung durch die Schwarzen ist gewiß sehr schwierig, und darum ist die Schaffung von Eingeborenenkommissaren eine sehr begrüßenswerte Maßregel. Dieser Eingeborenenkommissar hat eine große Aufgabe, denn auch in bezug auf die Arbeitsverträge liegt noch sehr viel im argen. Dem⸗ egenüber müssen wir bei den Engländern die verständige, den Er⸗ serdervissen der Menschlichkeit entsprechende Regelung der Dienst⸗ verhältnisse in Britisch⸗Ostafrika geradezu bewundern. Der Staats⸗ sekretär erinnerte in der Kommission noch an das Wort: „Und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt“; das war wohl noch eine Reminiszenz aus der Zeit der Sklavenjagden. Nach den Erfahrungen in den englischen Kolonien ist es geradezu unfaßbar, wie gewisse Scharfmacher immer noch nach drakonischen Maßnahmen schreien, um die Schwarzen zur Arbeit zu zwingen. Die Trennung zwischen Justiz und Verwaltung kann natürlich nicht plötzlich, sondern muß allmählich erfolgen. Die Bezirksamtmänner lernen ja nur aus der Verwaltung heraus die Rechtsgebräuche der Eingeborenen kennen; aber es ist auch auf die Dauer nicht zulässig, daß ein Ver⸗ waltungsbeamter die Jurisdiktion über eine Million Eingeborene hat, während er durch seine sonstigen Aemter so überlastet ist, daß er seinen Amtssitz überhaupt nicht verlassen, seinen Bezirk also überhaupt nicht kennen lernen kann. Auch wir balten das neue System in rechts⸗ und wirtschaftspolitischer Beziehung für richtig und unterstützen es gern. Auch wir haben das größte Interesse an der wirtschaftlichen und ethischen Entwicklung unseres Kolonial⸗ besitzes und seiner Einwohner; aber wir hoffen, daß der Staatssekretär nur die Vorteile der europäischen nach den Kolonien importiert, nicht auch gewisse Nachteile und Schattenseiten, z. B. die unselige konfessionelle ö Was die Regierungsschule in Daressalam angeht, so hat die? ag. regel des Staatssekretärs böses Blut gemacht, und man hat darin eine Art Svstemwechsel erblickt. Ich möchte dringend wünschen, daß er skich hüte, hier eine falsche eeva het zu treiben. or einem Kulturkampf in den deutschen Kolonien bei der Schulpolitik möge uns der Himmel bewahren. Ich hoffe, daß die Großzügigkeit, die der Staatssekretär auf wirtschaftlichem Gebiete bewiesen hat, auch auf das kulturelle Gebiet übertragen werde.

Staatssekretär des Reichskolonialamts, Wirklicher Ge⸗ heimer Rat Dernburg:

Meine Herren! Auch ich sehe in der Resolution Dr. Ablaß und Genossen, ebenso auch in der Resolution von Hompesch, Dr. Schaedler und Dr. Spahn den Wunsch, die Verwaltung zu unterstützen in ihrer Bestrebung, die Rechtsinstitutionen und vor allem die Rechtspflege in den Kolonien mit größeren und weiteren Garantien zu umgeben.

Man muß, wenn man die Rechtspflege in den Kolonien unter⸗ sucht, zweierlei unterscheiden: erstens die Rechtspflege bei zivilen Streitigkeiten oder in Strafangelegenheiten der Weißen und der Weißen und Schwarzen, Rechtsstreitigkeiten, welche vor einem Gericht stattfinden, und zweitens die Rechtsangelegenheiten der Schwarzen, welche vor einer Verwaltungsbehörde ausgetragen werden. Hinsichtlich der Streitigkeiten, die Weiße betreffen, sei es als An⸗ geklagte, sei es als Zivilpartei, und zwischen Weißen und Schwarzen, die Rechtsstreitigkeiten ziviler Art miteinander abzumachen haben, ist die Trennung von Justiz und Verwaltung in allen Kolonien nahezu durchgeführt. In Ostafrika sind zwei Gerichte mit etatsmäßigen Richtern besetzt, ein drittes Gericht in Muansa wird zur Zeit durch den Bezirksamtmann, der ein in richterlicher Tätigkeit vorgebildeter Beamter ist, mitversehen. Dort sind nahezu keine Weißen, und die Zahl der Rechtsfälle ist sehr gering. In Südwestafrika ist das Prinzip durchaus durchgeführt; nach dem neuen Etat wird dasselbe in Togo und Kamerun stattfinden und ebenso in der Südsee mit Aus⸗ nahme einzelner Bezirke mit geringer Europäerzahl.

Hinsichtlich der Gerichtsbarkeit der Schwarzen, und zwar sowohl der Pönal⸗ wie der Zivilgerichtsbarkeit hat der Herr Abgeordnete Dr. Müller⸗Meiningen ausgeführt, daß auch er dieses Gerichtssystem der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht unmittelbar entfernt zu sehen wünschte, da, wie er mit Recht weiter gesagt hat, zur Ausübung einer solchen Ein⸗ geborenengerichtsbarkeit eine ganz intime Kenntnis, und zwar nicht nur der Sprache, der Sitten und Gebräuche und der Rechtsauffassung, sondern auch der Personen der rechtsuchenden Parteien gehört. Das ist natürlich keine Kleinigkeit, besonders bei der Schwierigkeit, von der ich mich selbst überzeugt habe, gerade aus den Aussagen von Schwarzen das Richtige herauszufinden. Wenn man jeden Schwarzen mit Prügeln bestrafen wollte, der sich in seinen Aussagen widerspricht, dann könnte man jeden Zeugen gleich von vornherein zur Aufmunte⸗ rung verprügeln lassen. (Heiterkeit.) Es dauert unter Umständen eine Stunde und länger, bis man herausbekommen hat, was denn der Mann eigentlich aus eigener Anschauung weiß, was er gehört hat, in welchem Sinne er aussagen will, ob er für den Kläger oder für den Beklagten ist, und schließlich kann man unter Umständen erfahren, daß er von der Sache gar nichts weiß oder einen ganz anderen ge⸗ meint hat. Ich habe das in Tabora, wo ich den ganzen Morgen in dem Gerichtshofe gesessen habe, und wo mindestens 200 Menschen die Korona bildeten, zu beobachten Gelegenheit gehabt. Es gehört eine große Geduld und vor allen Dingen ein tiefes Eindringen in die Pspchologie des Negers dazu, um in einem solchen Gerichtshofe Recht zu finden, aber ich habe auch die Ueberzeugung, daß Recht gefunden

worden ist.

Nun, das bezieht sich nur auf die Strafgerichtsbarkeit, soweit ich den Herrn Abgeordneten Dr. Müller⸗Meiningen ver⸗ standen habe.

Eine andere Seite, die hier nicht angeschnitten ist, sind aber die Zivilsachen zwischen Schwarzen, und die sind gar nicht unbedeutend, besonders dann, wenn Sie bedenken, daß auch der Inder und Ara

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Kultur

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als Farbige unter diese Verwaltungsgerichtsbarkeit fallen, und das Besitztum der Inder und besonders der Araber im Inlande, wo sie Großgrundbesitzer sind, wie es im Bezirk Tabora der Fall ist, ist sehr bedeutend. Auch sind dort schwierige Fragen zu lösen: Fragen des Besitzes und des Ueberganges von Sklaven, Fragen des Erbrechts nach indischem und mohammedanischem Usus, die Frage des Freikaufs, Fragen, die sich dadurch komplizieren, daß der Sklavenhalter einen Sklaven haben konnte, der seinerseits wieder Sklaven hatte, und die ganzen Schwierigkeiten, die sich dabei an den Erbgang knüpfen, sind außerordentlich groß. Da würden wir, glaube ich, nichts erreichen können, wenn wir auch einen noch so gut vorgebildeten, auf dem Hamburger Kolonialinstitut erjogenen, in der Suahelisprache aus⸗ gebildeten Menschen dorthin schicken würden. Das würde keinen Zweck haben; denn erstens ist die Sprache in Uniamwesi nicht die Sprache, die an der Küste gesprochen wird, sondern ein ganz besonderer und ver⸗ wickelter Dialekt. Ein Missionar hat mir die Uebersetzung des Marcus⸗ Evangeliums in das Kisyanyembe gegeben, und ich kann versichern, da sind Worte drin, die sind länger als die deutschen Verwaltungsausdrücke. (Heiterkeit.) Also da muß schon jemand nicht nur sehr gut aufpassen, sehr gut die Pfychologie kennen, auch etwas vom Dialekt verstehen, sondern muß sich auch und das geschieht durch, ich will nicht sagen Schöffen, aber freiwillige Gerichtshilfen unterstützen lassen. Das geschieht denn auch dort in Tabora durch den Wali, einen Araber, der als Dolmetscher fungiert, und durch eine Reihe von angesehenen Leuten, die eine Art Senatotenbank bilden, da herumsitzen und dann ihre Hilfe bei Gericht anbieten. Das ist ganz zweckmäßig. Sie sehen also, daß da Verhältnisse sind, in denen überhaupt sehr schwer etwas geschehen kann. Durch eine Trennung von Justiz und Ver⸗ waltung, d. h. durch eine mehr unseren hiesigen Empfindungen ent⸗ sprechende rein formale Trennung wird also nichts erreicht werden.

Was aber notwendigerweise erreicht werden muß das hat der Herr Abgeordnete Dr. Müller⸗Meiningen ausdrücklich hervorgehoben —, ist nämlich das, daß ein genügendes Personal für die Rechtspflege vorhanden sein muß. Das ist im Innern nicht der Fall. Nichtsdestoweniger fasse ich überhaupt und ich befinde mich da in einem gewissen Widerspruch auch mit den Herren der äußersten Linken des Hauses die Aufgabe nicht dahin auf, die Schwarzen für alle und ewige Zeit nach ihrem eigenen barbarischen Recht beurteilen zu lassen. Im Gegenteil, ich glaube, daß es nach und nach gelingen muß, die dortige Rechtsanschauung auch an unsere einer höheren Kultur entsprechende Rechtsordnung heranzuführen. (Sehr richtig! bei den Freisinnigen.) Das wird natürlich ziemlich lange dauern; aber es wird auch der Prüfstein für den Umfang, in dem europäische Kultur eingedrungen ist, sein; denn nichts ist ein so guter Gradmesser für unsere Kultur

wie das Rechtssystem, das angenommen und gern angenommen ist.

Also nach der Richtung bin ich durchaus einverstanden. Was nun die Nr. 2 betrifft:

Zur Vorbereitung der Kodifizierung des Eingeborenenstrafrechts

unter tunlichster Berücksichtigung der Rechtsgebräuche der Ein⸗

geborenen allgemeine Anweisungen über die Anwendung des deutschen

Strafrechts zu erlassen, so habe ich da gewisse Bedenken. Meine Bedenken richten sich zu⸗ nächst gegen das Wort „Kodifizierung“. Ich möchte nicht von vorn⸗ herein behaupten, daß wir zu einer Kodifikation des Eingeborenen⸗ rechts kommen werden, einer Kodifikation in dem Sinne, daß es eine Festlegung und Kompllierung derjenigen Rechtssätze ist, die teils als Volksjustiz besteht, teils auf Gebräuchen oder Rechtsanschauungen beruht. Wir haben eine Kommission eingesetzt. In dieser Kommission ist ein Fragebogen ausgearbeitet worden. Der Fragebogen schließt sich an den an, den Herr Kammergerichtsrat Meyer vorgeschlagen hat; er ist an die Kolonien geschickt und soll nicht nur von Missio⸗ naren, sondern auch von Verwaltungsbeamten beantwortet werden. Er hat den Zweck, festzustellen: erstens, was sind die Rechts⸗ anschauungen? Zweitens soll durch Vergleichung der Fragebogen fest⸗ gestellt werden, ob es in den verschiedenen Kolonien ähnliche oder gleiche Rechtsanschauungen gibt. Das muß man sich auch überlegen. Man kann dabei ja auf 4 oder 5 Codices kommen, weil zweifellos der Samoaner andere Rechtsanschauungen haben wird, als der Mann in Sokode, und der Herero wieder ganz andere als der Suaheli. Also ich möchte für meine Person von der Kodifikation des Ein⸗ geborenenrechts erst dann sprechen, wenn das Substrat für eine solche Kodifikation überhaupt vorliegt. Ich möchte die Frage, ob kodifiziert werden soll oder ob nur gewisse Darstellungen des Eingeborenen⸗ rechts gegeben werden sollen, ob man Weistümer aufstellen soll oder sonst derartiges ich möchte das verschieben, bis die Fragebogen zurück sind, gesichtet sind und das Tatsächliche festgestellt ist. Ich glaube mich auch in dieser meiner Auffassung von dem nicht zu unterscheiden, was der Herr Abg. Freiherr von Richthofen vor einigen Tagen hier ausgesprochen hat. Nebenbei wollte ich noch bemerken: der Abg. Dr. Spahn hat neulich sich darüber geäußert, bei der Zu⸗ sammensetzung der Kommission sei die Zentrumspartei übergangen worden, während alle anderen Parteien aufgefordert seien, sich zu be⸗ teiligen. Die Rechtspflege in den Kolonien, die Kodifikation des Eingeborenenrechts ist überhaupt keine Parteisache, ich habe diejenigen Herren aufgefordert, von denen ich angenommen habe, daß sie sich lebhaft dafür interessieren, ich habe z. B. von der linken Seite Herrn Dr. Südekum aufgefordert, der sich freundlich beteiligt hat. Dem⸗ nach können Sie sehen, daß ich nicht nach Parteien gegangen bin. Aber um auch diejenigen Herren, welche der Auffassung des Zentrums näher stehen, zu berücksichtigen, habe ich nach einer Korrespondenz mit einem Mitglied der Partei, den Pater Schmidt, der von dem be⸗ treffenden Herrn warm empfohlen war, als Herausgeber des Anthropos aufgefordert, und er nimmt daran teil. Sie sehen, daß ist eine absolut interkonfessionelle und unparteiliche Sache.

Nun komme ich auf die Frage der allgemeinen Anweisungen. Diese allgemeinen Anweisungen über die Anwendung des Strafrechts sind zum Teil schon gegeben; es wird Ihnen nicht entgangen sein, daß ich im vorigen Jahre, ungefähr zu Anfang des Sommers, verschiedene Anordnungen erlassen habe für alle Kolonien über die Regelung der Prügelstrafe. Es hat sich ein ungeheurer Lärm und der allerlebhafteste Protest dagegen erhoben, daß in diesen Anweisungen verlangt worden war, es soll über jede verhängte Prügelstrafe ein kleines Protokoll gemacht werden, in dem der Grund der Prügelstrafe angegeben wird, und daß die Prügelstrafe nur vollzogen werden darf vor einem Weißen, möglichst unter Zuziehung eines Arztes, der den Gesundheitszustand vor und nach der Strafe feststellen soll. Was ist nun schon als eine ungeheuere Belastung empfunden worden, natürlich werden die weiteren Versuche als eine noch größere Bekastung 89

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empfunden werden, die wir machen müssen, das Recht der Plantagen⸗ leiter und Karawanenführer mit gewissen Garantien zu umgeben. Das werden wir tun, und wenn ich die richtige Auffassung von den

Wünschen in der Resolution habe, so werden wir ihr gern Folge

geben, falls sie angenommen werden sollte. Die Respolution, welche von den Herren Graf von Hompesch, Dr. Schaedler, Dr. Spahn und Gröber unterzeichnet worden ist, bewegt sich auf ganz ähnlicher Basis; die. Rechtstellung der Eingeborenen soll mit erhöhten Garantien umgeben werden. Ich möchte bei dieser Gelegenheit darauf zurück⸗ kommen, was ich über den Eingeborenenkommissar vorgetragen habe. Dieser soll zunächst dafür sorgen, daß die für die angeworbenen Arbeiter erlassenen Vorschriften, alle miteinander, seien sie, welcher Art sie auch seien, richtig und strikte durchgeführt werden, und im Lande eine Art schiedsmännischer und auch schiedsrichterlicher Tätig⸗ keit in Streitigkeiten aus den Arbeitsverhältnissen ausüben. Im übrigen sollen die Angelegenheiten der Schwarzen den ordentlichen Gerichten nicht entzogen werden.

Ferner aber, weil die Vertretung der Schwarzen vor den ordentlichen Gerichten gegenüber den Weißen so außerordentlich er⸗ schwert ist, sollen die Eingeborenenkommissare ex officio die Ver⸗ tretung der Schwarzen vor den ordentlichen Gerichten gegenüber den Weißen da übernehmen, wo sie von der Ernsthaftigkeit des betreffenden Streitfalles überzeugt sind. Diese Einschränkung müssen wir machen, weil die Schwarzen keinen Kostenvorschuß leisten. Kommt der Ein⸗ geborenenkommissar zur Ueberzeugung, es ist nichts daran, so kann er die Vertretung ablehnen, wie der Staatsanwalt die Verfolgung ablehnt, das ist eine der erhöhten Garantien, die ich geben will. Nun heißt es hier, die Rechtspflege unter den Ein⸗ geborenen; das habe ich nicht recht verstanden; Rechtspflege zwischen den Eingeborenen oder Rechtspflege in Sachen der Ein⸗ geborenen? Ich meine nicht, daß das hier beschränkt sein soll auf Angelegenheiten, wo Schwarze und Schwarze sich gegenüberstehen, oder auf Strafsachen. Also auch damit sind wir durchaus ein⸗ verstanden. Daß in Rechtsangelegenheiten der Eingeborenen und Weißen die Rechte der Eingeborenen genügend gewahrt werden sollen, habe ich ja schon auseinandergesetzt und gesagt, daß wir das nach allen Richtungen hin versuchen werden. Was die Weißen anbetrifft, so muß ich mich da allerdings den Bedenken anschließen, die Herr Dr. Mäüller⸗Meiningen hier ausgesprochen hat. Die Einführung einer Berufungsinstanz für Strafsachen im Schutzgebiet ist ganz gewiß durchführbar, wenn es auch einiges Geld kosten wird; ob aber die Revisionsinstanz das Reichsgericht sein soll, oder ob man da nicht je nach dem Umfange des Gegenstandes vielleicht doch graduieren muß, das möchte ich doch noch dahingestellt sein lassen. Es scheint mir, daß das Reichsgericht zurzeit schon mehr belastet ist, als es eigentlich richtig wäre, besonders in bezug auf die Höhe des Streitgegenstandes. Wir haben ja jetzt eine Revisionssumme von 1500 ℳ; das ist meines Erachtens ein sehr niedriger Satz. Daß in Zivilsachen eine Berufungs⸗ und Revisions⸗ instanz im Deutschen Reiche errichtet wird, damit sind wir durchaus einverstanden. Ich konstatiere also, daß ich diese beiden Re⸗ solutionen als eine werlvolle Unterstützung der Verwaltung in ihren Bestrebungen zur Verbesserung der Rechtspflege in den Kolonien sowohl der Rechtspflege der Weißen wie der der Eingeborenen be⸗ trachte, und daß ich den Herren Antragstellern dankbar bin.

Meine Herren, ich habe mich nun noch ein wenig mit der Rede des Herrn Abg. Erzberger zu befassen und möchte da zunächst auf einige kleine Irrtümer hinweisen, die dem Herrn Redner da unter⸗ laufen sind. Er hat gesagt, ich hätte mich früher über Südwestafrika mit einem außerordentlichen Optimismus ausgesprochen, und ich hätte mich jetzt erfreulicherweise gewendet. Leider muß ich ihn da ganz enttäuschen. Ich stehe noch heute auf dem Standpunkte, daß die süd⸗ westafrikanische Kolonie für einen Weißen die gefündeste und für eine weiße Wirtschaft die aussichtsreichste ist. Das hat sich wie ein roter Faden durch die Verhandlungen hier gezogen, und davon kann ich nichts zurücknehmen. Ebensowenig aber habe ich etwa meine Ansicht in dem Folgenden geändert. In dem Vortrag, den ich im Februar 1907 in Frankfurt a. M. gehalten habe, habe ich über Südrestafrika gesagt:

Es ist, wenn mineralische Schätze nicht in erheblichem Umfange noch neu erschlessen werden, minder begünstigt.

Das ist genau dasselbe, was ich heute gesagt habe! (Abg. Erzberger ruft: Das war nach den Hauptwahlen!) Das war am 3. Februar 1907! (Abgeordneter Erzberger: Ja, ja!)

Nun möchte ich auf die Entdeckung des Herrn Abg. Erzberger, daß ich mich der Ansicht seiner Partei ganz besonders genähert hätte, noch etwas weiter eingehen, und ich lese ihm da etwas vor, was ich vor den Hauptwahlen gesagt habe, nämlich am 8. Januar 1907. Da habe ich mich folgendermaßen ausgesprochen, als ich die Schwierig⸗ keiten der Kolonisation als solcher besprach:

Nun ist aber der Eingeborene der wichtigste Gegenstand der Kolonisation, ganz besonders in allen unseren Plantagenkolonien. Denn da die Sklaverei Gott sei Dank abgeschafft ist, die geeigneten Arbeiter also nur entweder auf dem Wege des Kontrakts aus anderen Kolonien oder aus der eigenen bezogen werden können, und die manuelle Leistung des Eingeborenen das wichtigste Aktivum bildet, so liegt hier ein eminent wichtiges Problem vor. Nun ver⸗ langen gewisse deutsche Kolonisatoren, daß innerhalb dreißig Jahren oder einem ähnlichen Zeitraum diese Menschen alle umgewandelt werden, zioilisiert und produktiv werden nach europäischer Methode.

Das habe ich für ausgeschlossen erklärt.

Dann bin ich auf das sogenannte ethische Problem gekommen und das ist dem Herrn Abg. Erzberger nicht ganz recht, weil ich es nicht immer mit dem religiösen vermische und habe darüber gesagt:

Hier liegt das kulturelle, das ethische Problem, welches wohl wert ist, daß man seine besten Kräfte einsetze. Wenn man mit gewalttätiger Hand eingreift in uralte Lebensgewohnheiten, Familien⸗ rechte, wenn man in aller Ehrlichkeit und mit allem Wohlwollen zu Felde zieht gegen den Aberglauben, wenn man Rechts⸗ begriffe aufpfropft, wo das entsprechende Rechtsempfinden fehlt, wenn man deutsch verwaltet mit der Pünktlichkeit des hohen Rechnungshofs in Potsdam, wenn man die Neger, deren Leistungs⸗ fähigkeit in den Tropen teils durch die Ungewohntheit zur Arbeit, teils durch das furchtbare Klima eine beschränkte ist, zu stark anspannt, und wenn man ich sage das mit aller Ueberlegung über manche üblen und grausamen Gewohnheiten nicht unter Umständen wegsehen kann, so kommt man natürlich in den Zustand des beständigen Konfliktes und, wo man auf selbstbewußte, gut

bewaffnete und ihrer numerischen Ueberzahl

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nach sichere I

Eingeborene trifft, kommt man selbstverständlich in den Aufstand, den man mit großen Opfern zu beruhigen hat. Hier hilft nur langsame, verständige, überlegte Tätigkeit besonders be⸗ fähigter und vorgebildeter Leute, deren Bewegungsfähigkeit nicht zu stark eingeschränkt werden darf.

Meine Herren, das ist beinahe wörtlich genau dasselbe, was ich heute gesagt habe. Es ist ja möglich, daß in der Hitze des damaligen Wahlkampfes dem Herrn Abgeordneten Erzberger das entgangen ist. (Widerspruch in der Mitte.)

Ich könnte Sie, meine Herren, noch mit einer ganzen Anzahl ähnlicher Zitate unterhalten. Zum Beispiel habe ich in München von den Beamten gesagt:

Dazu müssen sie die Sprache lernen und in die Anschauungen der Eingeborenen eindringen. Sie müssen das alles tun ohne Klein⸗ lichkeit und Vorurteile. Vor allen Dingen aber müssen sie alles vermeiden und sich abgewöhnen, was nach Willkür und nach Selbst⸗ sucht aussieht, und sie müssen verstehen, daß nach manchem Ueblen und Häßlichen, was vorgekommen ist, sie ganz besonders auch von der Heimat her unter Beobachtung stehen, und daß die schärfste, nachhaltigste und beste Leistung für die Kolonien gerade diejenige

ist, die verlangt wird.

Was schließlich das angegriffene ora et labora anbelangt, was ich labora et ora getauft haben will, worauf ich auch jetzt noch be⸗ stehen möchte, habe ich mich sogar in Stuttgart schon auf die Mission der Pallotiner bezogen, wo der betreffende Präses gesagt hat, es komme darauf an, daß die Erziehung des Eingeborenen zur Arbeit das erste sei, denn alles andere komme mit der Arbeit und Erweckung des kulturellen Bedürfnisses. Auf dem Standpunkt stehe ich auch noch heute. Erst muß der Mensch wirkliche Bedürfnisse bekommen, erst muß er leiblich satt sein, dann wird er auch seelisch hungrig werden.

Nun, meine Herren, diese meine Ansprachen haben, worüber ich mich sehr gefreut habe, ein außerordentliches Echo unter der Hörerschaft gefunden, und diese bestand in keinem Falle aus Mitgliedern des Zentrums. Daraus können Sie sehen, daß die Ideen, die ich aus⸗ gesprochen habe, besonders nachdem sie das Zentrum auch als die seinen gern anerkannt hat, von allen gebildeten Deutschen ohne jeden Unterschied der Parteien geteilt werden. Das hier auszusprechen, gegenüber der Sequestration, die hier zu Gunsten der mittleren Partei dieses Hauses vorgenommen werden sollte, halte ich für meine Pflicht. (Sehr gut!)

Zur Frage der Missionszulassung in Sokode habe ich zu bestätigen, daß der § 14 des Schutzgebietsgesetzes die Zulassung der Missionen überall gestattet; und wenn sie jetzt von Sokode gesperrt sind, so liegen da staatliche und polizeiliche Rücksichten höherer Ordnung vor, denen auch solche Schutzgebietsgesetze unterstehen müssen. Ich bestätige aber gern, daß das Sokodegebiet geöffnet werden soll, sobald die Eisenbahn da ist.

Ich muß mit einem Worte auf die Missionen eingehen. Ich glaube, niemand kann mir den Vorwurf machen, daß ich die Missionen nicht moralisch nach jeder Richtung unterstützt habe, daß ich nicht öffentlich für sie eingetreten bin, daß ich bei jeder Gelegenheit, auch in diesem hohen Hause, ihr Wirken anerkannt habe. Aber ich halte es für richtig, daß die Trennung zwischen den Aufgaben der Mission, der Verbreltung des Christentums, und der Verwaltung, der Durch⸗ führung einer Kolonisation nach wirtschaftlichen und administrativen Gesichtspunkten zurzeit für die Kolonie das richtige ist, und daß die Missionen es vor allem gar nicht anders wollen. Selbst⸗ verständlich hat das damit gar nichts zu tun, daß wir nicht überall, wo wir sie bekommen können, als besser geeignet und unseren An⸗ schauungen näher kommend christliche Neger in solche Stellen bringen, wie dies der Herr Abg. Erzberger gewünscht hat. Ich mache aber darauf aufmerksam, daß wir ig der Denkschrift über die Entwicklung des deutschen Schutzgebiets auf Seite 12 haben schreiben müssen:

Wollte man die Regierungsschulen zu Gunsten der Missions⸗ schulen ganz aufgeben, so müßte man gleichzeitig auch die erfolg⸗ reichen Versuche aufgeben, die intelligenteren Eingeborenen als niedere Beamte zum Dienst der Verwaltung heranzuziehen. Wieder⸗ holt hat das Gouvernement die Missionen um Abgabe von für solche Zwecke geeigneten jungen Leuten gebeten, aber fast stets die Antwort erhalten, daß geeignete Kräfte leider nicht vorhanden seien.

Also wenn die Missionen uns diese jungen Leute nicht geben können, dann können wir sie auch nicht anstellen; follten sie aber da sein, dann werden wir sie selbstverständlich vorzugswelse anstellen.

Da ich gerade bei der Frage der Schulen bin und der Herr Abgeordnete Dr. Müller⸗Meiningen die Haltung der Verwaltung in bezug auf die Europäerschule in Daressalam getadelt hat, so möchte ich wiederholen: die Verwaltung hat diese Schule wieder er⸗ öffnen lassen und damit gezeigt, daß sie den Wünschen dieses hohen Hauses gern nachkommen will. Wenn er aber der Ansicht war, daß da irgend welche anderen Konsiderationen obgewaltet hätten, als ich sie in der Kommission auseinandergesetzt habe, nämlich eine verschwindend kleine Schülerzahl gegenüber einer sehr großen Ausgabe und die Ueberzeugung des Gouverneurs, daß diese Kinder besser anderswo während der heißen Zeit untergebracht würden als in der Schule in Daressalam, so tut mir der Herr Abgeordnete Dr. Müller⸗Meiningen ein sehr grimmiges Unrecht. (Heiterkeit) Aber ich habe ja die Schule schon wieder eröffnen lassen und wünsche nur, daß nun die Schüler kommen. (Hört, hört! in der Mitte.) Das ist die Probe aufs Exempel; wir wollen sehen, was darauz wird. Bloß einer Stimmung gegenüber nachzugeben in einer Sache, von der ich sicher weiß, daß sie aus rein sachlichen Gründen erfolgt ist, halte ich auch nicht für die Aufgabe einer guten Politik.

Der Herr Abg. Erzberger hat mich zitiert, ich hätte in der Kommission erklärt, die Farmer seien falsch informiert, und man müsse ihnen den Kopf zurechtsetzen. (Zuruf des Abg. Erzberger.) Der Herr Abg. Erzberger sagt schon „Nein“. Das von dem „Kopfzurechtsetzen“ habe ich nicht gesagt; ferner habe ich „orientiert“ gesagt und nicht „informiert“.

Nun komme ich noch auf einige andere Fragen, die hier gestellt

worden sind hinsichtlich der Finanzen in den Schutzgebieten und der

Rechnungslegung. Da möchte ich sagen: die Rechnungsübersicht für 1905 ist im Druck, kommt also noch rechtzeitig. Die Schwierigkeiten lagen darin, daß erhebliche Posten aus Ostafrika und Südwestafrika gefehlt haben. Die Rechnungen über den Haushalt der Schutzgebiete sind dem Reichstage bis einschließlich 1899 vorgelegt, die von 1900 befindet sich beim Rechnungshof; die für 1901 ist hier so weit aufgestellt. Ende Februar hat der Rechnungshof Entlastung für die so lange noch rückständig war; die

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wird also dem Reichstage erst vorgelegt werden, weil die Bemerkungen zur Reichshaushaltsübersicht von 1901 noch nicht haben erledigt werden können. Für Togo werden⸗die Sachen auf dem laufenden erhalten. Sie wissen, daß die Kommissare des Rechnungshofes zur Zeit in Daressalam sind, daß gerade in dem Schutzgebiete, wo es hapert, nachgeholfen werden soll, daß sie mit In⸗ struktionen versehen sind, möglichst alle Differenzen auszugleichen. Ich habe dieselben gebeten, sich auch andere Sachen der Verwaltung vor⸗ zunehmen, z. B. die Rechnungen der Flottille usw. Das ist ganz nützlich für die Entschließungen, die wir noch zu treffen haben werden.

Nun, meine Herren, wegen der vorzgeschlagenen tentativen Beschränkung des Reichszuschusses auf die Militär⸗ und Erwerbsausgaben ist nun ein Streit um die Vaterschaft ent⸗ standen. In der Denkschrift über die finanzielle Entwicklung der Schutzgebiete, die ich im November 1906 eingereicht habe, und wo ich mich in verschiedenen Reden darüber verbreitet habe snd

‚diese Grundsätze niedergelegt. Es kann sich deshalb nicht um die

Frage der Vaterschaft handeln, sondern ich nehme an, daß das, was ausdrücklich Herr Erzberger in der Kommission gesagt hat, mehr ein Kind der Denkschrift gewesen ist. (Abg. Erzberger: Sehr richtig!)

Meine Herren, was soll dadurch erzielt werden? Es soll damit erzielt werden, daß wir von vornherein genau wissen: was dürfen uns unsere Kolonien kosten? Und es soll ferner damit erzielt werden, daß die Leute draußen“ wissen: was sollen wir in maximo gusgeben? Ich sehe nicht ein, wos das für ein großer Fehler im Etat ist, daß ein Extraordinarium eingeführt wird, daß solche Sachen, die ihrer Natur nach nicht von den Kolonien aufgebracht werden könnem, auf Anleihen verwiesen werden.

Nun habe ich den Herrn Abg. Erzberger dahin verstanden, es sollen diese Sachen nicht auf Anleihe genommen, es soll das System des Reichszuschusses nicht aufgegeben werden, und er hat sich da an die linke Seite des Hauses gewandt und den Geist des Abg. Richter angerufen zur Bestätigung seiner Einwendungen, die er gegen die Kolonialanleihen gemacht hat. Ich glaube nicht, daß er dabei sehr glücklich gewesen ist. Damals hat der Abg. Richter gesagt, man sei endlich froh, daß man die deutschen Anleihen unifiziert habe; das sei in Preußen geschehen, das sei im Reiche geschehen, und warum nun hier diese Sache durchbrechen? Meine Herren, die Ereignisse sind immer stärker als die Menschen. Das Prinzip, das damals aufgestellt worden ist, ist nach allen Seiten so durchlöchert wie ein Sieb. Wir haben in Preußen einen dreiprozentigen und einen dreieinhalbprozentigen Typ, wir haben in Preußen einen vierprozentigen fünfzehnjährigen und dann einen drei⸗ einhalbprozentigen fünfzehnjährigen, also überhaupt kein glattes System. Im Reiche ist es noch schlimmer: da haben wir einen drei⸗ und einen dreieinhalbprozentigen Typ und eine Reihe von Schatzscheinen begrenzter Lauffrist, mit und ohne Coupons. Warum⸗ soll man sich da auf ein Prinzip stützen, für das die Voraussetzungen früher richtig gewesen sein mögen, heute es aber nicht mehr sind?

Meine Herren, es hat noch einen anderen Grund, warum die ganze Argumentation nicht paßeto Als wir von Lome nach Palime eine Bahn bauen wollten, und der Abg. Dr. Müller⸗Sagan seine Ausführungen gemacht hat, da war die Ueberzeugung von der Notwendigkeit der Erbauung von Kolonialbahnen durchaus nicht sehr verbreitet. Der Herr Abg. Müller⸗Sagan hat damals selbst gesagt, er glaube nicht, daß diese Bahn sich rentieren werde, und weiter ausgeführt, man möge ihm eine Bahn auf den Tisch des Hauses legen, die in Afrika auch nur ihre Betriebskosten aufbringt. Die ganze Konstroktion der ganzen ost⸗ afrikanischen Eisenbahngesellschaft war keineswegs eine glückliche, denn das Reich muß für Zinsen und Amortisation aufkommen, und die Eisenbahngesellschaft kann tun, was sie will, sie kann selbst zu Grunde gehen macht alles nichts aus, das Reich zahlt; das ist alles aus demselben Gesichtspunkt heraus gemacht worden, daß man befürchtet, Kolonialbahnen müssen zu ihrem Betrieb Zuschüsse haben. Nun, diese Idee ist durch die Ereignisse vollständig überholt. Wir wissen, daß heute die Kolonialbahnen nicht nur nicht Zuschüsse brauchen, sondern erhebliche Ueberschüsse bringen. Wenn der Abg. Richter das erlebt hätte, hätte er auch seinen Standpunkt geändert. Damals hat es sich um 7 800 000 gehandelt, heute handelt es sich um 150 Millionen und mehr. Dieses Mehr kommt daraus, daß wir auch beabsichtigen, die großen Straßenbaufonds auf Anleihe zu überweisen. (Hört, hört!) Das ist notwendig, und das macht jede deutsche Kommune und jeder deutsche Kreis, sonst kann er nicht balancieren. Sie können nicht ein Land mit einem Chausseenetz aus laufenden Ein⸗ nahmen überziehen; das gibt es in ganz Deutschland nicht. Also hier handelt es sich nunmehr um große Ausgaben, und diese großen Aus⸗ gaben soll man gleich verständig systematisieren. .

Da haben wir nun gewünscht, daß eine besondere Anleihe ge⸗ macht wird, die auch getilgt werde. Meine Herren, ich habe die finanziellen Verhältnisse und die Finanzen des Deutschen Reiches nicht zu vertreten; ich habe aber in meinem ganzen Leben immer dafür gesorgt, daß ich meine Schulden auch zurückgezahlt habe, und das ist nun eine Notwendigkeit, in die dieses Haus und in die man in Preußen, trotzdem man einen konsolidierten Typ hat, schon eingetreten ist. Es ist doch eigentlich ein Widersinn: ein Konsol, der getilgt wird. Trotzdem sind die Herren alle zu der Ueberzeugung gekommen, wir müssen mindestens eine Amortisationsquote auf Schiffe oder andere Amortisationsquoten von den laufenden Krediten absetzen, damit uns die Schulden nicht über den Kopf wachsen. Das ist aber doch ein großer Umweg, während ich direkt darauf los⸗ gehen will, die Schulden sollen in einer regelmäßigen Folge getilgt werden, das Schutzgebiet soll unter allen Umständen sich vor Augen halten, wieviel es für die Tilgung aufzuwenden hat. Dann können solche Dinge nicht vorkommen, daß man z. B. die Tilgung ein ganzes Jahr aussetzt. Das ist aber, soviel ich höre, auch im Deutschen Reich schon einmal vorgekommen. (Zuruf: Soll gemacht werden!)

Nun sieht man hier immer auf das Deutsche Reich und auf Preußen. Nun bitte ich Sie aber, sich mal umzusehen, wie andere deutsche Bundesstaaten es denn machen. Die haben auch amortisable Eisenbahnanleihen in großem Umfange ausgegeber, und es findet kein Mensch etwas dabei.

Ich halte es für richtig, daß diese rigenen Fisci der deutschen Schutzgebiete eigene Schulden haben, und daß man jederzeit sehen ke un; Wie steht denn die ganze Sache? Was haben die Schutzgebiecke auf⸗ genommen? Herr übg. Erzberger, gerade, weun Sie

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