8 8 gliedern sich die anderen Sachen an.
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Bewilligungen für koloniale Zwecke nicht eine unerwünschte Höhe an⸗
nehmen, müssen Sie immer sehen, was wir ausgegeben haben. Wenn das aber in dem großen Topf der Reichsschulden verschwindet, werden sehr bald die 4 bis 500 Millionen für Südwestafrika vergessen sein; wenn sie aber im Kolonialbudget stehen, würde sie sich jedermann vor Augen halten. Also wir erreichen gerade das Umgekehrte.
Nun sind einige verfassungsrechtliche Bedenken oder Tan⸗ gierungen des Budgetrechts geltend gemacht. Das kann ich nicht sehen. Bereits in dem Gesetz vom Jahre 1892 hat man die Anleihe ins Auge gefaßt; jetzt will man es ausführen, nachdem es sich, wie ich sage, nicht um einen einzelnen Fall wie Togo handelt, für den es wirklich ein Unding gewesen wäre, eine kleine Anleihe von 7⸗ bis 8 000 000 ℳ aufzunehmen und damit das ganze System zu durch⸗ brechen, sondern um 150 Millionen im Minimum. Darin soll nun eine Bindung des Reichstags liegen, daß da steht, daß die jeweilig bewilligten Mittel in dieser Form ausgegeben werden sollen. Meine Herren, was Sie auf das Ordinarium verweisen wollen, was auf die einmaligen Ausgaben des Ordinariums oder was auf das Extra⸗ ordinarium, das haben Sie in diesem Hause noch jeweils in der Hand gehabt. Ich erinnere Sie nur daran, daß wir im vorigen Jahre die Ausgaben für den Krieg in Südwestafrika ganz einfach geteilt, die eine Hälfte auf das Extraordinarium bis zum 1. Oktober genommen und die andere Hälfte in das Ordinarium eingeordnet haben. Da hat keiner gesagt: weil wir es früher so gemacht haben, müfsen wir es wieder so machen. Aber ein Gesetz hat nicht mehr Kraft als ein Etatsdispositiv; mehr als Gesetz gibt es nicht.
Ebenso ist es aber auch nicht richtig, wenn der Herr Abg. Erz⸗ berger meint, das sei für alle Zukunft bindend, und die Schutzgebiete würden sich nunmehr keine Sparsamkeit auflegen. Meine Herren, in dem Moment, wo wir, wo das hohe Haus nicht mehr aufpaßt, was die Schutzgebiete verlangen, und die Zentralkolonialverwaltung anfängt, zu schlafen, wird natürlich die Bewilligung nach allen Richtungen losgehen. Aber dazu sind wir ja alle miteinander da, daß wir aufpassen.
Der Herr Abg. Erzberger hat sich einigermaßen darüber ver⸗ wundert, daß hier eine Solidarhaft ausgesprochen werden solle ohne Rücksicht auf die Größe und die Prosperität der einzelnen Kolonie. Ja, meine Herren, in jeder Genossenschaft deutschen Rechts, falls sie nicht mit beschränkter Haftung ist, haftet immer jeder für das Ganze, und der Mann, der nur einen Ochsen hat, haftet gerade so für die ganze Schuld der Genossenschaft wie ein Großgrundbesitzer.
Nun sagt der Herr Abg. Erzberger: Mir ist das Gesetz recht, wenn Sie die Reichsgarantie streichen. Nun, meine Herren, ich glaube, auch solche Schutzgebietsanleihen kann man verkaufen. Das kostet dann so und so viel mehr Zinsen und so und so viel mehr für die Tilgung, und das macht so und so viel mehr Reichszuschuß. Aber wir wollen billig und verständig finanzieren. Ich hoffe, wenn wir einmal wieder zu solchen Anleihen kommen sollten, dann wird es schon ohne Reichsgarantie gehen. Die Leute müssen erst einmal sehen, daß die Schutzgebiete sehr wertvoll sind, und daß das Deutsche Reich hinter ihnen steht. Daß es wegen der 1 bis 2 %, die an den Zinsen fehlen, nicht die Kolonien fallen lassen wird, das liegt auf der Hand. Diese Schutzgebietsanleihen sind vom Reiche garantiert, auch ohne daß das darauf gedruckt wird. Jeder weiß, daß das Reich nie dafür zu haben sein wird, daß man, weil vielleicht an den Zinsen etwas fehlt, nun das Schutzgebiet den Gläubigern über⸗ lassen solle.
Aber die Solidarhaft der Schutzgebiete hat noch einen anderen Sinn. Für uns hier ist unsere Kolonialwirtschaft ein Einheitliches. Wir behandeln hier nicht die Etats von Togo, Kamerun usw., sondern wir verhandeln hier über den Etat des Reichskolonialamts, und daran Wir betrachten diese ganzen Kolonien als einen Globus und wollen diese ganzen Kolonien als eine einheitliche Kolonialwirtschaft angesehen wissen. Wir können nicht gut eine gute Kolonie gegen eine schlechte ausspielen, sondern wir müssen die Kolonien so, wie wir sie nun einmal erworben haben, behandeln.
Aber noch aus einem anderen Grunde ist die Solldarhaft an⸗ gebracht. Es ist sehr wichtig für eine solche Anleihe, daß sie nicht mit zu kleinen Beträgen herauskommt. Das ist die Crux aller
deutschen Stadtanleihen, die mit 5 bis 6 Millionen an die Börse kommen. Die haben dann einen niedrigeren Kurs, weil sich kein Markt dafür etabliert; sie ist untergebracht bei ein paar Sparkassen und reichen Leuten, die sie nicht wieder heraus⸗ geben, und wer einmal eine solche Stadtanleihe verkaufen will, muß 1 bis 2 % im Kurse nachgeben oder muß sehr lange warten, bis sich wieder ein Käufer findet, der mündelsichere Papiere braucht. Das 8 ist meine Erfahrung als Bankier. Es ist also notwendig, für ein Papier einen entsprechenden Markt zu haben. Deshalb wollen wir keine Kamerunanleibe, keine Togoanleihe usw. haben, sondern eine durch die Garantie des Reiches gedeckte Sammelanleihe. Site haben aber auch aus einem anderen Grunde ein größeres Inter⸗ esse an dieser Sache. Jemand, der eine Schutzgebietanleihe kauft, fängt auch an, sich für diese Sache zu interessieren, ganz anders, als wenn er sich z. B. eine Reichsanleihe kauft. Sie gewinnen so Leute, die sich dafür interessieren und vielleicht auch nach anderer Richtung hin Informationen einziehen, möglicherweise auch Kapitalien hin⸗ tragen, und ich meine, daß, da die Kenntnis unserer Schutzgebiete trotz allem, was hier im Hause verhandelt wird, noch eine sehr magere ist, man auch auf diese Hilfe nicht verzichten sollte. Im allgemeinen halte ich es nicht für richtig, daß die Schutzgebiete dritten Per⸗ sonen gegenüber verschuldet sein sollen. Das würde ein Aufgeben der Sparsamkeit und einer gesunden Etatswirtschaft bedeuten.
Ich meine, daß die Finanzierurg der Kolonialeisenbahnen eigent⸗ lich von der Form, in der diese Kolonialanleihen ausgegeben werden ollen, nur in einem sehr geringen Maße abhängt, und daß es ganz gleichgültig ist, ob sie durch ein Darlehen des Reichs an die Schutz⸗ gebiete finanziert werden oder anders. Einfacher, verständlicher, klarer und auch sicherer ist, diese Sachen zu trennen und das Reich nicht mit einer Anzahl von Anleihen zu belasten, mit denen es direkt nichts u tun hat.
In Togo haben Sie eine Anleihe mit einer Tilgungsdauer on 30 Jahren. In Südwestafrika haben Sie hinterher eine Tilgungsdauer von 56 Jahren gegeben. Sie haben später der 1 Manengubabahn in Kamerun eine Tilgungsdauer von 87 Jahren ge⸗ geben, und in demselben Jahre, wo Sie für Togo eine Tilgungs⸗ auer von 30 Jahren festsetzten, haben Sie auch Ostafrika 87 Jahre
überaus löblichen Bestreben, welches Togo zeigt, ohne Reichszuschuß auszukommen, indem es sich seine Leibriemen enger schnallte in bezug auf seine Administration, als es gut war, Togo eine zu knappe Wirtschaft getrieben hat, die der Entwicklung des Landes entgegen⸗ steht. Nichtsdestoweniger haben wir hier einen Fehlbetrag. Nun sehe ich nicht ein, daß wir Togo so viel ungünstiger stellen sollen als die anderen Schutzgebiete, und daß wir darauf ausgehen müssen, daß das gleichmäßige Tempo, das für die Keetmanshoop⸗Lüderitzbucht⸗ Anleihe festgestellt ist, auch für die Usambara⸗Anleihe gelten soll. Ich sehe also nicht ein, warum wir Togo um 100 000 ℳ schlechter stellen sollen. Gerade dieses Schutzgebiet, welches sich unter der Führung seines tüchtigen Gouverneurs so gut gehalten hat, verdient eine Be⸗ lohnung. (Bravol rechts.)
Von den Abgg. von Treuenfels (dkons.) und Genossen ist folgende Resolution eingegangen:
„Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, im Reichshaushalts⸗ etat für 1909 eine Summe anzufordern zur Errichtung eines Denkmals in der Reichshauptstadt für die in Südwestafrika gefallenen Offiziere, Sanitätsoffiziere, Militärbeamte, Unteroffiziere und Mannschaften.“
Abg. von Treuenfels (dkons.): Gegen unsere Resolution könnte vielleicht der Einwand erhoben werden, daß sie etwas Ueberflüssiges sei, daß es ein Novum sei, für gefallene Soldaten ein Denkmal aus Reiche⸗ mitteln zu errichten. Es ist aber auch ein Novum, daß wir einen Kolontalkrieg geführt haben. Ich gebe zu, daß wir eigentlich Denkmäler genug haben. Manches Denkmal mag recht überflüssig sein, aber ein Denkmal, welches die Nation ihren Söhnen errichtet, die für ihr Vaterland ihr Blut vergossen haben, ist nicht . Den Zuruf von der äußersten Linken habe ich erwartet, und ich bin überzeugt, daß die Herren der äußersten Linken unsere Resolution ablehnen werden, ich wünsche es sogar, denn ich halte es nicht für förderlich für das Andenken der Gefallenen, wenn die Mittel für ein Denkmal mitbewilligt werden von Leuten, die unsere Krieger draußen als Barbaren, wüste Gesellen hinstellen und ihr Andenken in den Augen des Auslandes herabgesetzt haben. Den Taten unserer Leute draußen ist seinerzeit gar nicht genügend Beachtung geschenkt worden, man hat viel mehr von dem russisch⸗ japanischen Kriege gesprochen, als von den Taten unserer Truppen in Südwestafrika. esers braven Krieger haben hervorragende Beweise selbstloser Tapferkeit geliefert. Sie haben ge⸗ hungert und gedürstet und sind trotzdem mit voller Freudig⸗ keit für Kaiser und Reich mit einem Hurra in den Tod gegangen. Sie haben damit bewiesen, daß unsere alten militärischen Tugenden von 1866 und 1870 nicht nur auf dem Kontinent sich bewährt haben. Das kameradschaftliche Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Unter⸗ v. hat sich auch hier wieder glänzend bewährt. Es ist eine
hrenpflicht des deutschen Volkes, dieser Männer mit Dankbarkeit zu gedenken. Wir wollen uns in dieser Beziehung nicht von England SSe. lassen, wo man auf Schritt und Tritt auf solche Denk⸗ mäler trifft. Und wenn hier vor kurzer Zeit versucht worden ist, einen Gegensatz zu konstruieren zwischen denjenigen Mitgliedern meiner Partei, die Sie Junker nennen, und den anderen, so haben Sie auch hier wieder einen Beweis, daß das vollständig deplaciert ist. Zeigen wir, daß wir unseren brayen gefallenen Söhnen, die in dem Wüsten⸗ sande schlummern und Zeugnis für den deutschen Ruhm abgelegt haben, ein treues Andenken bewahren.
Staatssekretär des Reichskolonialamts, Wirklicher Ge⸗ heimer Rat Dernburg:
Meine Herren! Die warmen Worte des Herrn Vorredners werden in unser aller Brust ein lebhaftes Echo auslösen. Es ist keineswegs zu viel gesagt, was er hier diesen braven Soldaten und Offizieren nachgerufen hat. Auch von seiten der Verwaltung ist dieses Gefühl bereits lange gebegt, und es ist bereits ein Aufruf unterwegs, welcher vom Reichskanzler Fürsten von Bülow, meiner Wenigkeit und den meisten Chefs der Reichsämter sowie der preußischen und bundesstaat⸗ lichen Ministerien unterzeichnet ist, um ein solches Denkmal zu errichten. Ich habe keinen Zweifel und hoffe, daß er Erfolg haben wird. Immerhin würde es wohl auch im Sinne der Verwaltung sein, wenn Sie dieser Resolution beistimmen würden, da man ja doch nicht genau voraussehen kann, ob die notwendige Summe für ein würdiges Denkmal zusammenkommen wird.
Meine Herren, ich möchte diese Gelegenheit benutzen, um Ihnen folgendes mitzuteilen:
Eine heute Mittag von Oberstleutnant von Estorff eingegangene Depesche meldet:
Am 16. d. M. griff das Expeditionskorps gegen Simon Copper unter Führung des Hauptmanns von Erckert die Werft Simon Coppers mitten in der Kalahari an.
Der Feind verlor 58 Männer tot, 7 Männer und einige Weiber wurden gefangen, der Rest der Werft zerstreute sich nach Süden und Südwesten.
Auf unserer Seite fielen Hauptmann von Erckert, Leutnant Ebinger und 12 Mann, schwer verwundet wurden 9 Mann, leicht verwundet 3 Offiziere 5 Mann.
Das Expeditionskorps war in der Gesamtstärke von 430 Weißen mit 4 Maschinengewehren und 700 Kameelen von 2 verschiedenen Punkten aufgebrochen, am 11. hatte es sich vereinigt, am 15. war Simon Coppers Aufenthalt erkundet.
Am 16. griff Hauptmann von Erckert Simon Copper mit 2 Detachements unter den Hauptleuten Grüner und Willeke an und fiel selbst bei Beginn des Gefechts.
Hauptmann Grüner übernahm das Kommando und befahl dem im Halbkreis um die Werft liegenden Expeditionskorps den ununter⸗ brochenen Anlauf gegen den Feind. Dieser wurde in 2 Stunden von Stellung zu Stellung geworfen, bis er um z½8 Uhr Vormittags seinen verzweifelten Widerstand aufgab und in regelloser Flucht aus⸗ einander lief.
Erbeutet wurden 29 Gewehre, zahlreiche Munitionen, eine kleine Heerde Vieh, einige Pferde.
Die Leistung des Expeditionskorps verdient als eine selten hervorragende bezeichnet zu werden, in ihrem tapferen Führer — dem Hauptmann von Erckert — verlieren wir einen der besten und ritter lichsten Offiziere; die Verluste sind außerordentlich schwer, die An⸗ strengungen für die Truppen selten groß gewesen, erst nach vier Tagen konnte zum ersten Male abgekocht werden, die Witterung war heiß und trocken, das letzte Vley⸗Wasser reichte nicht einmal zum Tränken der Kameele.
Simon Copper ist schwer geschädigt, aber noch nicht endgültig beseitigt.
Meine Herren, es gibt kaum ein Dokument, welches mehr geeignet wäre, die Worte des Herrn Vorredners zu unterstreichen. (Bravo!) Meine Herren, leider muß ich noch hinzufügen, daß am 5. März in Kamerun der sehr verdiente Hauptmann Glauning nach einem sieg⸗ reichen Gefecht durch Kopischuß gefallen ist.
Meine Herren, ich glaube, das Wenigste, was wir tun können im
segeben. Nun habe ich bereits darauf hingewiesen, daß in dem 1“
Interesse dieser braven Soldaten, unter denen ich ganz besonders den
Hauptmann von Erckert nenne, den Sohn einer alten preußischen Offiziersfamilie, den ich selbst gekannt habe, ist, dieser Resolution Ihre volle Zustimmung zu gehen.
Abg. Erbprinz zu Hohenlohe⸗Langenburg (Rp.): Im Namen meiner Freunde erkläre ich unsere Zustimmung zu dem Antrage Treuenfels. Für jeden Deutschen ist es ein tiefbetrübendes Be⸗ wußtsein, daß auch jetzt noch, nachdem die schwersten Kämpfe über⸗ standen sind, Opfer an edlem deutschen Blut an Offizieren und Mannschaften gebracht werden müssen. Es ist mir Bedürfnis, das hier auszusprechen, wir werden den Guten ein ehrendes Andenken bewahren. Der bisbherige Verlauf der Debatte hat gezeigt, daß zwischen der Verwaltung und dem Reichstag eine größere Uebereinstimmung herrscht, als es früher der Fall war. Die energische Tätigkeit des neuen Staatssekretärs hat hierzu ganz wesentlich beigetragen. Aber auch andere Gründe haben mit dazu beigetragen, daß im deutschen Volke ohne Unterschied der Partei sich eine größere Kolonialfreundlich⸗ keit zeiat. Vor nicht zu ferner Zeit herrschte bei uns eine gewisse koloniale Nervosität, die zum Teil nicht unberechtigt war. Es fehlte uns an einer Tradition in den Kolonien. Die Regierung hatte auch da keine Erfahrung; Zustände traten ein, die Millionen kosteten und dem Volke die Lust an den Kolonien nahmen. Demgegenüber sahen wir, wie Englands Kolonien prosperierten, vergaßen aber, daß auch andere Nationen nicht mit einem Schlage solche Erfolge erreicht hatten. Die Verluste in den Kolonien haben uns gezeigt, wir Geduld haben müssen, daß wir froh sein müssen, da wir in Jahrzehnten etwas Durchgreifendes erreichen können. Wir sind doch jetzt so weit gekommen, daß wir hoffen dürfen, 82 die Kolonien allmählich sich so konsolidieren, um ohne Reichezuschuß auszukommen. Das wäre nicht nur ein finanzieller Erfolg, sondern auch von günstigstem Einfluß auf die ganze Verwaltungstätigkeit der Regierung. Man kann allmählich an eine Dezentralisation denken; noch jetzt wird sehr vieles von der Zentrale erledigt, was füglich in den Schutzgebieten selbst erledigt werden könnte, zumal die Zentralinstanz mit den örtlichen Verhältnissen doch nicht so vertraut sein kann, um ihr eine endgültige Ent⸗ scheidung zusumuten. Die Beamten der Lokalverwaltung sollten also auch den Gouverneuren gegenüber mit größerer Verantwortlichkeit ausgestattet werden. Vor allem ist aber eine gründlichere Aus⸗ bildung der Kolonialbeamten in der Praxis dazu nötig; es muß ein Kolonialbeamtenstand angestrebt werden, der nach seiner Vor⸗ und Ausbildung wirklich kolonial ist; die Beamten müssen in den Schutzgebieten selbst ausgebildet werden, nicht am grünen Tisch, sondern durch Zuweisung an die Bezirksamtmänner. Eine gewisse Tradition muß in der Verwaltungspraxis durchgeführt werden, die Bezirksamtleute dürfen nicht mehr in so kurzen Fristen ihren Posten verlassen. Soll der Kolonialbeamtenstand aber tüchtig und brauchbar sein, so muß man auch seine Zukunft sicherstellen; es müßte ihnen nach einem gewissen Aufenthalt in den Schutz⸗ gebieten ein Anspruch auf Pension gewährt werden; vielleicht könnte man ihnen auch nach einer Reihe von Dienstjahren ein Kapital geben, vielleicht auch köͤnnte solchen Kolonialbeamten, die n den Tropen nicht mebr dienstfähig sind, in der Heimat weitere dienstliche Beschäftigung in Aussicht . werden. Nur eine systematische Vorbildung und Ausbildung unserer Kolonial⸗
beamten kann uns den wirklichen Besitz unserer Kolonien garantieren;
nur mit Hilfe eines solchen werden wir auch eine richtige Ein⸗ geborenenpolitik treiben können. Von allen ethischen Momenten ab⸗
gesehen, wird die Vorfrage zu stellen sein: Wie ist die wirtschaftliche Hebung der Schutzgebiete anzustreben? Wir wissen, daß die Kulturen 1
der Eingeborenen in Ostafrika bedeutend zugenommen haben. Das bisher in unseren Kolonien Erreichte kann aber noch nicht die obere
Grenze dessen darstellen, was der Eingeborene leisten kann, denn er „. arbeitet bis jetzt noch mit sehr primitiven Mitteln. Wird nun der Schwarze sich für die höhere Kultur entwicklungsfähig zeigen, wird er
zu höherer Kultur zu erwecken sein, wird er die Segnungen der
europäischen Kultur sich nutzbar machen können? Ja, aber nur, wen
er durch den Europäer angeleitet wird. Was aus den Negern wird, wenn sie sich selbst überlassen bleiben, das hat man an den Neger⸗ republiken gesehen, das haben die neuesten Vorgänge auf Haiti gelehrt. Es ist nicht die Aufgabe des Staates, große Geschäfte mit den Kolonien zu machen, wohl aber, die Arbeitskräfte der Eingeborenen für diese selbst und für die Gesamtheit nutzbar mu machen. Dazu müssen die Eingeborenen aber erst arbeiten gelernt haben, und das ist die nächste Aufgabe der Verwaltung. Er soll für seine Arbeit reichlichen Verdienst bekommen und auf diesem Umwege zur Erkenntnis vom Nutzen dee Arbeit kommen. Die Wamung des Staatssekretärs vor Ermutigung der Auswanderung nach Ostafrika sollte gewiß nicht gegen die dortigen Ansiedler gerichtet sein, sondern nur die Ablehnung einer Verankwortung dafür sein, wenn jemand dahin geht. Die Regierung hat eine sehr langwierige und schwere, aber auch sehr lohnende Aufgabe übernommen, eine Auf⸗ gabe, die ihre ganze Energie erfordert. Die Regelung der Arbeiter⸗ verhältnisse wird stets große Schwierigkeit bieten. Sehr dankens⸗ wert war der Hinweis auf die Regelung in den benachbarten englischen Kolonien; wir haben daran ein Muster, von dem nützlicher Gebrauch zu machen sein wird. Es gibt sicher wie bei uns so auch in Afrika nur wenig Menschen, denen die Arbeit, zumal die harte Arbeit, noch wirkliches Vergnügen bereitet; es wird ohne einen gewissen Zwang nicht abgehen. Der europäische Ansiedler darf, auch darauf wird die Fegterung zu sehen haben, seine Arbeiter nicht mißhandeln; die
p⸗rliche Aufsicht geübt werden, die wahrzunehmen unsere Kolonialbeamten sich sicherlich trotz der großen räumlichen Schwierigkeiten an⸗ gelegen sein lassen werden. Verbesserung der Verkehrswege in den Kolonien. Bis jetzt ist in dieser Beziehung nur in bescheidener Weise vorgegangen worden,
weil in der Heimat vielfach das Verständnis dafür noch fehlte. Die neuen Bahnen werden nicht nur dem Handel und der wirtschaft.
lichen Entwicklung dienen, sie werden auch den Ansiedlern im Innern
in der Richtung zugute kommen, daß sie ihnen die Möglichkeit der Kommunikation mit der Küste erleichtern, sodaß sie nicht mehr wie
bisher jahrelang von allem Verkehr abgeschnitten zu sein brauchen. Was Südwestafrika speziell betrifft, so trifft die Verwaltung das Richtige, wenn sie den Weißen die Absatzmöglichkeit für ihre Produkte
erleichtert. Das numerische Verhältnis zwischen Ansiedlern und Kauf⸗ leuten und Handwerkern ist jetzt kein richtiges. In dieser Beziehung
wird die Schaffung neuer Absatzmöglichkeit eine geeignete Abhilfe
bringen. Es ist freudig begrüßt worden, daß der neue Staatssekretär ein festes Programm aufgestellt hat. Im allgemeinen können wir fagen, daß wir Deutsche zu leicht geneigt sind, der grauen Theorie
zu folgen. In den Kolonien bandelt es sich um rasche Entschließungen und darum, daß wir dort die richtigen Männer haben. Der Staats⸗ sekretär ist ein Mann der Praxis; hoffentlich gelingt es ihm, die 8
Kolonien auf die Höhe zu bringen, die wir alle wünschen.
Vizepräsident Kaempf: Der Vorredner hat am Eingang seiner Rede den Gefühlen Ausdruck gegeben, welche die Mitteilung des Staatssekretärs des Reichskolonialamts über die neuerlichen Kämpfe
in Südwestafrika und Kamerun und die damit für uns verbundenen Verluste hervorrufen mußten. Ich glaube, daß das gesamte Haus diese Gefühle teilt, und ich bin der Ansicht, daß ich Ihren Gefuüͤhlen
Ausdruck gebe, wenn ich Sie bitte, sich in Ehrung dieser gefallenen
Offiziere und Soldaten sowie derer, die in den früheren Kolonial⸗ kämpfen ihr Leben gelassen haben, von Ihren Plätzen zu erheben. (All⸗ seitige Zustimmung; die Mitglieder des Hauses und des Bundesrats haben
7
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sich schon bei den ersten Worten des Präsidenten von ihren Plätzen erhoben.)
Züchtigung muß möglichst eingeschränkt und eine amtliche 8
Lebhaft erfreut uns die Vorlage wegen
Abg. Eichhorn (Soz.): Es ist mir mitgeteilt worden, daß der Abg. Müller⸗Meiningen keineswegs den Auftrag der gesamten Presse hatte, hier einem der Herren Preßvertreter gewissermaßen eine öffentliche Rüge zu erteilen, und ich muß sagen, daß wirklich der Anlaß auch nicht so groß war, davon ein großes Aufhebens zu machen. Wenn die Herren auch einmal etwas lauter werden, so sollten wir doch nicht gleich so engherzig und kleinlich sein, uns darüber besonders aufzuregen. Ich denke, wir bilden uns alle nicht ein, unfehlbar zu sein. Die Herren oben haben sehr schwer und lange zu arbeiten, und ich denke, wir sollten nicht gleich nervös werden, wenn sie sich auch einmal eiwas erlauben. — Was den Kolonialetat anbetrifft, so weiß ich wirklich nicht, worin sich das neue System so sehr von dem alten unterscheidet. Neu ist nur und wirklich anerkenrenswert die Offenheit, mit der der neue Staatssekretär die Zustände namentlich in Ost⸗ afrika geschildert hat. Uns war das ja alles bekannt; das ver⸗ brecherische Treiben, der Raubbau, der dort getrieben wird, die Brutalität der Beamten hat wesentlich zu den Aufständen Anlaß gegeben. Der Abg. Spahn ermahnte uns gestern, über diese alten Dinge Gras e. zu lassen. Aber gerade jene Mißstände sind es gewesen, die die Opfer gekostet haben, die wir alle beklagen. Wir alle haben soeben das Andenken der gefallenen Krieger geehrt, und es ist eine Unwahrheit, wenn der Abg. von Treuenfels behauptet, wir hätten die Soldaten beschimpft. Diese Soldaten sind Fleisch von unserem Fleisch, sie gehören in der Hauptsache den untersten Volksschichten an. Der Staatssekretär hat die Eingeborenen für das wichtigste Aktivum der Kolonien erklärt. Mit der Uebersetzung, die der Abg. Schrader diesem Satze gegeben hat, daß nämlich die Kolonien Schutz⸗, nicht Ausbeutungsobjekte sein sollen, wird sich der Staatssekretär kaum einverstanden erklären; denn in seinem Sinne soll sich doch das Aktivum auch verzinsen, eine Rente abwerfen. Der Staatssekretär hat gedroht, gegen die Unbotmäßigkeit mit den schärfsten Strafen vorzugehen. Die Prügelstrafe soll danach also in ein gewisses System gebracht werden, wenn sie auch mit Kautelen umgeben werden soll. Was nützt uns eine ausgemergelte Eingeborenenmasse. Trotha verfolgte eine Ausrottungspolitik, der Staatssekretär wird nun jedenfalls eine Verordnung erlassen, daß die noch in Afrika befindlichen Soldaten zur Fortpflanzung der Eingeborenen nutzbar gemacht werden. Es ist erfreulich, bcß man die Kulturmaske geluüftet und offen bekannt hat, daß die eistige Hebung der Schwarzen ihre Grenze in ihrer materiellen Ausbeutung findet. Man hört es heraus, daß auch die Missionare mehr Vorarbeiter der Ausbeutung sein sollen als Träger christ⸗ licher Kultur. Für uns Sozialdemokraten ist in dem neuen System des Staatssekretärs nur eine organisierte Ausnutzung der Neger ent⸗ halten. Ohne gewisse Aussicht steckt kein Unternehmer sein Kapital in die Kolonien. Darum legt der Staatssekretär das Haupt⸗ gewicht auf den Handel und auf den Bau von Eisenbahnen. Die 150 Millionen werden natürlich nur der Anfang sein; schon in den vorgelegten Karten sind die Anhaltspunkte für eine Fortsetzung vor⸗ handen. Wir fragen: warum nicht gleich volle Arbeit machen? Wir werden es noch alle erleben, daß der Staatssekretär in künftigen Sitzungen sagen wird: wir müssen weiter bauen, die Bahnen zu Ende führen. Die an die Bahnen geknüpften Hoffnungen können wir nicht teilen. Sieht man sich nüchtern die Berichte an, die uns zugegangen sind, so muß man trotz aller Schönfärberei zu einem Urteil kommen, das für die Kolonien nicht sehr rosig ausfällt. Kamerun soll vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch stehen; es ist ein jahrelanger Raubbau getrieben worden, die Händler haben in verbrecherischer Weise auch mit Menschenleben einen Raubbau getrieben. Der wirt⸗ schaftliche Zusammenbruch ist auch durch eine oder einige Eisen⸗ bahnen nicht aufzuhalten. In Südwestafrika ist nur wenig Be⸗ völkerung vorhanden, und die vorhandene ist krank und ohne Vieh. Mit Togo renommiert man, weil es in seinen Ausgaben und Ein⸗ nahmen balanciert; das ist nur dem Schnapszoll zu verdanken. Es werden Generationen notwendig sein, und die Kapitalien werden ins Ungemessene wachsen, bis das Mutterland einen Vorteil von at.
ihwen ge Dr. Paasche (nl.): Dem Abg. von Treuenfels möchte ich unsern Dank dafür aussprechen, daß er die Anregung gegeben hat, ein dauerndes Denkmal für diejenigen zu schaffen, die in schweren Kämpfen draußen ihr Leben haben lassen müssen. Wir hoffen, daß es bald ge⸗ lingen möge, Frieden ohne weitere große Opfer herzustellen. Dem Staatssekeetär danke ich, daß er nicht mehr sich so hart und schroff wie in seiner ersten Rede in der Kommission ausgespecchen hat. Aber er macht einen prinzipiellen Unterschied zwischen seiner Anschauung und der, die gestern der gbe. v. Liebert ausgesprochen hat. Es bestebt aber zwischen diesen beiden Anschauungen gar kein fundamentaler Unterschied. Auch die um Liebert denken gar nicht daran, den Eingeborenen zur Arbeit u erziehen nur für die Pflanzer und Plantagenbesitzer, 2 wollen ihn nur auch für diese erziehen. Das Interesse der Neger ist auch gewahrt, wenn sit bei einem guten wohlwollenden und humanen Arbeitgeber im Dienst stehen. (Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Es kann nicht jeder ein selbständiger Arbeiter ein, auch bei uns ist das nicht möglich. Auch gegenüber dem Unter⸗ sehnen den der Staatssekretär zwischen Negerkultur und Plantagen⸗ kultur macht, muß ich meinen abweichenden Standpunkt darlegen. Ich beschäftige mich seit 25 Jahren mit Kolonialproblemen und habe seit mehr als 20 Jahren in der Budgetkommission an allen kolonialen Aufgaben mitgearbeitet. Die Forderung, daß man den Neger human und gerecht behandeln soll, ist von allen Seiten anerkannt und nicht neu. Dem Neger vernünftige Bedürfnisse beizubringen, um ihn zu veranlassen, in seinem eigenen Interesse Kulturarbeit zu leisten, ist ein Grundsatz, den ich vertreten habe, seit ich zum ersten Male als Professor Vorlesungen über Kolonialpolitik gehalten habe. Wenn man aber das eigene Interesse der Neger allzu sehr in den Vordergrund stellt und dabei einen Gegensatz schafft zu denen, die
lantagenkultur treiben, so ist das vom Uebel. Ich habe die Plantagenhris nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch studiert, und in vielen kolonialen Gebieten und auch in solchen, die eine alte Kultur haben, wo seit Jahrhunderten europäische Kultur⸗ arbeit unter den Eingeborenen getrieben wird, und habe überall beobachtet, daß nur die Kolonien vorwärts kommen, bei denen Schwarze und Weiße Hand in Hand gehen. In Englisch⸗West⸗ indien ziehen sich die Weißen zurück, weil die Neger allzu human behandelt werden. Der Neger, wenn er der Herr wird, zieht die Zügel viel straffer an als der Weiße. Letzterer zieht dann fort, und was bleibt, ist nicht Kultur mehr, sondern Unkultur. Der Neger arbeitet nur in seinem Interesse, nur für das, was er braucht. In Portorico habe ich Spanier gesehen, die zu Negern herabgesunken waren; das sind die Folgen, wenn man den Neger sich vseseg tas selbst überläßt. Haben wir nicht alles
etan, um auch die Eingeborenenkultur zu heben und zu pflegen? Das Kolonialwirtschaftliche Komitee hat seit Jahren nichts anderes getan. Man ist von alledem jetzt zurückgekommen, nicht weil der Herren⸗ standpunkt berrscht, sondern weil die Neger noch nicht so weit sind, daß sie für sich selbst sorgen. Wie viel Hungersnot haben wir nicht auch in Ostafrika noch jetzt gehabt, weil die Eingeborenen noch b-ute nicht imstande sind, ohne Dazwischentreten der Weißen große Massen von Produkten zu produzieren und zu konservieren, um über
die Roheit der Arbeitgeber verpaäsf. sondern die Herero haben in
Ostafrika von Grausamkeit nicht die Rede war. Die
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Zweite Beilage
Berlin, Freitag, den 20. März
nzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
arme Zeiten hinwegzukommen. Die kulturelle Arbeit haben schon die Uöfitten., geleistet, dazu braucht man keine politische Macht. Jetzt handelt es sich darum, wirtschaftliche Produkte zu schaffen, unsere Industrie zu Abnehmern zu machen, die Hilfsmittel unserer Produktion in eigenen Ländern zu produzieren. Das ist nicht Ausbeutungspolitik, sondern Schutz unseres Wirtschaftslebens. Es wird so dargestellt, als ob in der Arbeiterfrage die Weißen die Schuld trügen. Wenn jemand in der Kolonie mit der Nilpferd⸗ peitsche herumgeht, so dient ihm diese als Spazierstock. Auch hier ehen Leute mit der Nilpferdpeitsche herum. Es wird niemand ein⸗ 8 damit zu schlagen. Daß keine Mäckte organisiert würden, ist unzutreffend. Ich habe viele Plantagen gesehen, wo dies der Fall war. Nährt man den Neger gut und gibt ihm satt zu essen, so hat man auch Arbeiter. Das sagen nicht nur die Pflanzer, sondern auch die Missionare. Ein satter Neger ist ein williger Neger. Die Mehrzahl der Pflanzer baut den Leuten auch gute Hütten, gibt ihnen, wenn es kalt ist, warme Decken und nährt sie gut. Dazu ist er überhaupt schon durch sein eigenes Interesse gezwungen, denn sonst sind die Leute einfach am nächsten Tage verschwunden. Der schlimmste Aufskand, der in Südwestafrika, ist doch nicht durch
der grausamsten Weise die friedlich neben ihnen lebenden Weißen hingemordet. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten. Zuruf: Sie haben betrogen!) Es mögen Betrügereien vorgekommen sein, aber wir würden uns das traurigste Zeugnis ausstellen, wenn wir hier im Reichstage zugeben wollten, daß draußen unsere Landsleute Betrüger und Schufte sind. Die hinaus⸗ gehen, sind wahrhaftig nicht die schlechtesten Elemente, die für ein Neu⸗Deutschland kämpfen und bluten, die ihre Haut zu Markte tragen und mehr leisten als mancher, der hier hinter den
Fleischtöpfen sitzen bleibt. Wir wissen doch, daß auch in ingeborenen
sollten zur Kultur erzogen werden, und das war ihnen unbequem. Der Staatssekretär hat gewiß mit Recht gesagt, daß für die An⸗ siedler viele Vorbedingungen fehlten. Ich hätte gewünscht, daß er binzugefügt hätte, diese Vorbedingungen wollen wir so bald wie mög⸗ lich schaffen. Auf dem fruchtbaren Hochlande sind weite Flächen vor⸗ handen, wo kleine fleißige Ansiedler in großer Zahl ihr Brot finden können. Diese kleinen Ansiedler sind sccherlich keine Ausbeuter und Unterdrücker, sie arbeiten mit ihren eigenen Händen, mit Frauen und Kindern. Was die Trappisten großes geleistet haben in dieser Beziehung, können auch die deutschen Ansiedler leisten. Es handelt sich hier um die Gründung eines Neu⸗Deutschland für die heranwachsende Jugend. Ueber die Art der “ und über die Eisenbahnen im einzelnen werden wir ja in der Kommission Gelegenheit haben, uns zu unterhalten. Dankbar aber bin ich dem Staatssekretär, daß er diese Forderung für die Eisenbahnen gebracht hat.
Präsident Graf zu Stolberg: Meine Herren, in den letzten Tagen sind mehrfach während der Reden einzelner Mitglieder des Hauses Aeußerungen des Mißfallens von der Journalistentribüne gegeben worden. Ich habe bereits Gelegenheit gehabt, diese Störung der Ordnung zu rügen, ich will aber noch einmal darauf aufmerksam machen, daß ich im Wiederholungsfalle genötigt sein würde, diejenige Tribüne, von der solche Störungen ausgehen, räumen zu lassen. Wenn ein Mitglied des Hauses gegenüber solchen Störungen einen von mir nicht gehörten unparlamentarischen Ausdruck gebraucht hat,
so bedaure ich das.
Staatssekretär des Reichskolonialamts, Wirklicher Geheimer Rat Dernburg:
Der Herr Abg. Dr. Paasche gibt mir Gelegenheit, noch einmal die ja so viel umstrittene Frage der Arbeiter in Ostafrika zu berühren. Ich hoffe, es gelingt mir nun, einmal festzustellen und ganz genau zu um⸗ schreiben, warum es sich handelt. (Unruhe.)
Anscheinend stehen sich hier sehr verschiedenartige Anschauungen gegenüber; und trotzdem hat der Herr Abg. Dr. Paasche — und mit Recht — gesagt: so weit sind wir gar nicht auseinander in der Frage, wie es immer wieder durch das Hervorkehren gewisser Gegensätze erscheinen will. Wenn ich mich gestern gegen die von dem Herrn Abg. von Liebert vertretene Theorie gewandt habe, so habe ich es getan mit Rücksicht auf die Zitate, die er aus der „Usambara Post“ vorgelesen hat, und mit Rücksicht auf die Anwaltschaft, die er gegen⸗ über denjenigen Leuten übernommen hat, die diese Sachen in dem Blatte geschrieben haben.
Nun besteht aber doch ein ganz gewaltiger Unterschied zwischen dem, was die Farmer und Pflanzer für die Zukunft verlangen, und dem, was in diesem hohen Hause auch von den Nationalliberalen be⸗ fürwortet wird. Meine Herren, es ist doch keiner von Ihnen hier, der etwa dafür einträte, daß man 12 Rupien Hüttensteuer nehmen soll; keiner tritt dafür ein, daß man bis 25 % Zölle auf die Negernahrung legen soll; keiner dafür, daß die Leute mit Gewalt aus Unyamwesi nach der Küste gebracht werden sollen, daß sie dort zwangsweise und übermäßig lange gehalten, wieder eingefangen und zurückgeführt werden sollen. Es ist doch überhaupt niemand in diesem hohen Hause, der diese übertriebenen Forderungen der Herren in Usambara vertritt! Dagegen hat gestern der Herr Abg. von Liebert, wenn ich ihn recht verstanden habe, diese Forderungen vertreten, indem er eine Drohung verlesen hat, wonach die Leute, wenn diese Forderungen nicht bewilligt würden, ausziehen würden, und ferner eine Beschreibung des Negers und meiner Ansicht über ihn gegenübergestellt. Dagegen habe ich mich gewehrt. Ich glaube, wir sind uns alle darin einig, daß wir das ganz sicher nicht wollen. Wir wollen keinen Zwang, wir wollen keine hohen Steuern, wir wollen keine Besetzung der Grenzen, um die Leute dort zu halten; kurzum: wir wollen alles das nicht, was die Pflanzer übertriebener⸗ weise verlangt haben. Was wir aber zusammen wollen — darüber sind wir doch einig — ist eine Arbeitsordnung, die das Verhältnis zwischen Schwarzen und Weißen regelt, eine Arbeitsordnung ungefähr in den Grenzen, wie sie die Engländer haben, eine Arbeitsordnung, die den Leuten ihre Löhne, einen Arzt, ihr Essen sichert und ihnen die, Möglichkeit gibt, sich zu erholen. Das wollen wir alle; dagegen habe ich nichts gehört.
Nun hat der Abg. Dr. Paasche gesagt, ich hätte erklärt, die Leute sollten nur für sich, nur in ihrem eigenen Interesse ihr Geschäft betreiben, während er selbst verlangt, daß sie auch für die Plantagenbesitzer arbeiten. Ja, meine Herren, wozu machen wir denn überhaupt Arbeitsordnungen? Damit die Leute auf den Plantagen arbeiten und man dort Arbeiter hat! Wozu wollen wir denn Arbeiterkommissare anstellen? Damit die Leute gern dorthin gehen
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1908
Un vamwese auszustellen? Doch damit die Leute auf den Plantagen Arbeiter kriegen! Wozu würde ich denn alle diese Dinge unternehmen müssen, wenn nicht die Absicht wäre, diesen Leuten zu helfen? Ich meine, es gehört ein gewisser Zwang, den man meinen Aeußerungen antut, dazu, um zu behaupten, ich hätte mich auf den Standpunkt ge⸗ stellt: feindlich gegen die Plantagen, nur für die Arbeiter, nur für die Neger! Wer das behauptet, der traut meiner volkswirtschaftlichen Er⸗ kenntnis ungemein wenig zu! Also ich wehre ab alle diejenigen Maß⸗ regeln, welche dazu dienen sollen, auf dem Wege des Zwangs die Arbeiter in die Plantagen zu schaffen, auf dem Weg des direkten oder indirekten fiskalischen Zwanges durch eine außerorventliche Er⸗ höhung der Lebensbedürfnisse und Steuern der Neger. Dagegen stehe ich auf dem Standpunkt, daß durch eine gerechte, mäßige und billige Arbeitsordnung, durch die Bemühungen, die die Arbeiterkommissare aufwenden werden, die im Innern des Landes die Bezirksamtmänner aufwenden werden, die Farmer und Ansiedler dort bessere, willigere und mehr Arbeiter bekommen werden, als sie bisher gehabt haben. Darauf kommt es ja so sehr an. Es ist mit großem Recht gesagt worden: ein satter Neger ist ein guter Arbeiter. Selbstverständlich werden die Farmer und Pflanzer dann bessere Arbeiter haben.
Aber das ist doch ganz etwas anderes als das, was man von uns verlangt hat. Von uns ist verlangt worden — ich wiederhole das daß man mit Anwendung von fiskalischem Zwang bezw. mit der Peitsche oder mit der Steuerschraube den Farmern und Pflanzern dort bis zu 36 000 Arbeitern garantiere. Ich gebe zu, die Herren haben das vielleicht gar nicht so heftig gemeint; aber sie haben es aus⸗ gesprochen und haben es nicht bloß zu Hause ausgesprochen, sondern sind auch hier damit hergekommen. Also darüber be⸗ steht vollständige Klarheit. Ich bin der Ansicht, daß diese Leute ihre Arbeiter haben müssen, daß es ferner wichtig ist, daß die Plantagen dort bestehen. Ich habe mich ja in der Kommission und jetzt immer wieder auf den Standpunkt gestellt: es gibt eine Anzahl Kulturen, die gar nicht anders gewonnen werden können als auf dem Wege der Plantage; und diese Kulturen sind für unsere nationale Wirtschaft wichtig. Ich stehe auf dem Standpunkt des Herrn Abg. Dr. Paasche, wenn er sagt: wozu kolonisieren wir? Wir kolonisieren erstens, um unseren Ueberschuß an Menschen gut und günstig und in enger Verbindung mit der Heimat unterzubringen, zweitens, um unserer Industrie ein Absatzgebiet und ein Rohstoff⸗ produktionsgebiet zu erwerben. Zu diesen Zwecken kolonisieren wir. Alles das müssen wir auf alle mögliche Weise zu erreichen suchen. Wenn wir z. B. einen großen Hanfverbrauch haben und wir können Sisal in unseren Kolonien ziehen, so werden wir das tun. Das können wir aber nur auf dem Wege der Plantage. Ebenso ist es mit der Baumwolle. Eine gute Qualität Baumwolle, die bewässert werden muß, kann wahrscheinlich nur auf dem Wege der Plantage gezogen werden. Warum soll ich gegen die Plantagen irgendwie un- freundlich sein?! Im Gegenteil, was ich gesagt habe, ist das — und
die Nuance verloren zu gehen scheint —: Ich kann es nicht verantworten, daß Ostafrika nur auf Plantagenkultur gestellt wird. Darauf hat man nun gemeint: Dernburg ist ein Feind der Plantagen. Ostafrika kann nicht nur auf Plantagenkultur gestellt werden, weil die Plantagen keine Nahrungsmittel produzieren, weil sie von dem Kapital abhängig sind, das vorhanden ist, weil sie abhängig sind von dem Weltmarkt und den Weltmarktpreisen, und weil sie überhaupt eine so intensive Landwirtschaft verlangen, daß es gar nicht genug Arbeiter und Menschen in Ostafrika gibt, um auch nur einen ganz geringen Teil dieses Landes unter Plantagen u stellen. Also nicht nur auf Plantagen kann das Land gestellt werden, aber auch auf Plantagen. Das ist nun hoffentlich ein für allemal klar. (Heiterkeit.)
Weiter die Frage der Erziehung zur Arbeit. Das kann meines Erachtens dadurch am besten erfolgen, daß man in den Negern Be⸗ dürfnisse erweckt. Ich bin nicht der Ansicht, daß ein Neger zum Feldbau auf dem Wege der Plantagen erzogen werden muß. Da kann man ihn vielleicht lehren, wie man anhaltend hintereinander arbeitet. Aber wenn jemand in einen so ungeheuren Betrieb gesteckt wird und er vom Morgen bis zum Abend Sisalschößlinge hackt, was er nie in seinem Leben, wenn er nach Hause kommt, wieder zu sehen bekom mt, so lernt er dabei gerade so wenig wie irgend jemand, der in einen großindustriellen Betrieb in der Heimat gesteckt ist. Im Gegenteil — das werden mir die Afrikaner, die hier sind, bestätigen — weiß der Neger hinsichtlich der Qualität und Tragfähigkeit des Bodens sehr oft viel besser Bescheid als der Weiße, der dort hinkommt. Wir haben darüber allerhand Beobachtungen gemacht. Dagegen ist es absolut richtig, daß das Ferment für die Bewegung des Negers in der Richtung, daß er sich entwickelt und Bedürfnisse bekommt, daß er produziert und konsumiert, der Weiße ist. Das wird nie und nimmer von mir geleugnet werden. Ich habe nur gesagt: aber nicht jeder Weiße, ohne Rücksicht auf Charakter, Amt und Vorbildung. Das lehne ich ab, daß ich den Neger sich selbst überlassen will; davon ist gar nicht die Rede.
Der Herr Abg. Dr. Paasche hat gesagt, man dürfe die Neger nicht zu human behandeln, und hat auf Westindien hingewiesen, wo sie Staatsbürger seien. Ja, zwischen der Lage des westindischen und des afrikanischen Negers ist doch ein himmelweiter Unterschied. Was ich von dem afrikanischen Neger verlange, ist nicht viel mehr, als was jedermann für irgend ein kostbares Stück seines Haushalts
oder für ein Stück Vieh verlangt. (Hört! hört!) Ich will ihnen
gute Hütten verschaffen, rechtzeitiges Essen verschaffen, er soll einen Arzt haben, seinen Lohn will ich ihm sicherstellen, seine Kontraktzeit soll begrenzt werden und seine Selbstbestimmung soll nicht ausgeschlossen sein. Aber was hat das mit dem Zerrbild von Zivilisation und Staatswesen auf Haiti zu tun und den Dingen, die schlimmer sind, als die allerschlimmste Wildensozietät? Gerade das ist es, was mich von den Anschauungen der Mitte des Hauses unter- scheidet, daß ich über einen bestimmten Grad hinaus den Neger der
und den notwendigen Schutz, aber auch die notwendige Freudigkeit aben! Wozu habe ich denn Hier versprochen, die Werbeordnung für
Kultur gar nicht für fähig halte. Das sind gerade die Vorwürfe, die
es ist merkwürdig, wie selbst verständigen Leuten aller Sinn für 8