1908 / 72 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 24 Mar 1908 18:00:01 GMT) scan diff

Lusensky hat ja die Stimmung, die in diesem hohen Hause dem Gesetz⸗ entwurf gegenüber zu bestehen scheint, zutreffend geschildert. Diese Schilderung entspricht vollkommen den Eindrücken, die ich während der Verhandlungen empfangen habe. Ich habe mich manchmal der Empfindung nicht entziehen können, daß die Parteien jede in ihrer Weise den Wunsch haben, eine Bestimmung in das Gesetz hinein⸗ zubringen, die irgend eine andere Partei hindert, es in dieser Form zu akzeptieren. (Heiterkeit.) Nun aber ist die Ursache dieser Situation

Vorredner hat schon darauf hingewiesen —, daß dieses Gesetz in wiederholten Resolutionen von diesem hohen Hause verlangt ist, daß die Regierung sich wiederholt weiger⸗ lich verhalten und daß sie vor dem Erlaß eines solchen Gesetzes gewarnt hat. Die Regierung hat jetzt dies Besetz eingebracht, und die Verhandlungen in Ihrer Kommission haben darüber keinen Zweifel gelassen, daß, wenn die uns gestellte Aufgabe überhaupt gelöst werden soll, es auf einer anderen grundsätzlichen Basis, als es von seiten der Regierung versucht ist, nicht wohl ge⸗ schehen kann; denn der Entwurf, wie er Ihnen jetzt zur Beschluß⸗ fassung vorliegt, ist in seinen einzelnen Teilen von einer überwiegenden, aus Angehörigen aller Parteien sich msammensetzenden Majorität in

der Kommission beschlossen worden.

Ich möchte eine allgemeine Konsequenz aus dieser Sachlage ziehen und möchte die Herren bitten, in Zukunft, wenn sie stürmisch Re⸗ solutionen wegen des Erlasses von Gesetzen an die Königliche Staats⸗ regierung richten, doch etwas vorsichtiger zu sein und es der König⸗ lichen Staatsregierung und speziell mir nicht zu verübeln, wenn wir nach den Erfahrungen, die wir hier gemacht haben, in Zukunft doch etwas schwerer an die Erledigung derartiger einstimmig gefaßter Re⸗ solutionen herangehen. Es ist dies der zweite Fall, der sich binnen kurzer Zeit ereignet hat, wo der Versuch der Königlichen Staatsregierung, einstimmig ausgesprochenen Wünschen dieses hohen Hauses zu entsprechen, keineswegs unbedingt Ihre Zustimmung gefunden hat.

Meine Herren, ich habe mich in letzter Zeit gefragt, ob es bei dieser Sachlage etwa geboten sei, daß die Königliche Staatsregierung auf die Verabschiedung des Gesetzes ihrerseits verzichtet, und ob ich der Königlichen Staatsregierung empfehlen sollte, die Vorlage über⸗ haupt zurückzuziehen. Dazu war aber nach meiner Ansicht die Sach⸗ lage doch nicht angetan. Die Judikatur der beiden höchsten in Be⸗ tracht kommenden Gerichtshöfe geht heute allerdings ja dahin, daß Polizeiverordnungen zum Schutze von Quellen in größerem Umfange für rechtswirksam angesehen werden, als dieses früher der Fall gewesen ist. Aber wir dürfen uns doch darüber nicht täuschen, daß damit ein Zustand der Rechtssicherheit nicht geschaffen ist, sondern daß man zweifellos damit rechnen muß, daß eventuell auch einmal eine Ent⸗ scheidung abweichend ausfällt. Man muß sich ferner darüber klar sein, daß selbst dann, wenn es möglich sein sollte, in gewissen Grenzen im Wege der Polizeiverordnungen den Quellen den erforderlichen Schutz zu gewähren, doch keineswegs feststeht, daß nun auch dem Wunsch nach einem Schutze, wie ihn Ihre Kommission entgegen den Vor⸗ schlägen der Regierung und diese erweiternd für notwendig gehalten hat, in Zukunft wirksam durch eine Polizeiverordnung würde ent⸗ sprochen werden können. Ich bin gereigt, diese Frage nach wie vor und trotz der in letzter Zeit ergangenen Entscheidungen zu verneinen. Unter diesen Umständen fragt es sich, ob es nicht doch richtig ist, eine an sich zweifelhafte Materie nunmehr im Wege des Gesetzes endgültig und zweifelsfrei festzulegen. Ich habe mich daber auch noch einmal fragen müssen, ob denn die Grundlagen, auf denen diese Regelung erfolgen soll, richtig sind, oder ob ihnen Mängel anhaften. Auch diese Erwägungen haben mich dazu geführt, daß ich mir habe sagen müssen: es ist besser, das Gesetz wird so verabschiedet, wie es vor⸗ liegt, als daß es abgelehnt wird, und zwar aus folgenden Gründen. Es mag dahingestellt sein, ob das Kammergericht und das Oberver⸗ waltungsgericht den Quellen in Zukunft lediglich im Wege der Polizei⸗ verordnungen einen Schutz werden gewähren lassen, wie ihn 93 der Vorlage in Aussicht nimmt. Ich bin aber persönlich der Auffassung, daß, wenn die beiden Gerichtshöfe diesen Weg gehen sollten, darin zweifellos eine Unbilligkeit liegen würde. Es ist nach meiner Ansicht unrichtig, daß man dem Besitzer einer Quelle, die im Zweifelte falle erhebliche Einnahmen bringt, die Möglichkeit zuerkennen soll, Nachbargrund⸗ stücke erbeblich in ihrer Nutzung zu beschränken, ohne daß dem Eigen⸗ tümer des benachbarten Grundstücks irgendwelche Entschädigung ge⸗ geben wird. Wir würden, wenn wir diesen Weg gingen, uns von den Wegen entfernen, die wir bisher in der preußischen Gesetzgebung ge⸗ gangen sind, und auch von den Grundsätzen entfernen, die bisher die preußische Verwaltung beherrschten, die von der Auffassung aus⸗ gegangen ist, daß, wenn man das Eigentum an einem Grundstück zu Gunsten eines Dritten beschränkt, diese Beschränkung nicht ohne Ent⸗ schädigung ausgesprochen werden soll.

Wenn Sie nun zu diesen allgemeinen Erwägungen noch die Tat⸗ daß von seiten des Vorredners, wie auch von den chiedenen Parteien anerkannt ist, daß, abgesehen von

einigen Nebenfragen, die sich auf das Verfahren usw. beziehen, grund⸗ sätzlich gegen den Gesetzentwurf nichts einzuwenden ist, wenn man überhaupt eine gesetzliche Regelung dieser Frage beliebt, so werden Sie nach meiner Ansicht nicht anders können, als dem Gesetzentwurf zuzustimmen, und darum glaube ich Sie erneut bitten zu sollen.

Abg. Linz (Zentr.): Das Gesetz bedeutet ein tiefes Eingreifen in die Interessen der Grundeigentümer; diese können aufs äußerste ge⸗ schädigt werden. Da § 9 als Beschwerdeinstanz für Einsprüche gegen

ie Beschlüsse der Bildung eines Quellenschutzbezirkes nur eine Ministerialinstanz vorsieht, nämlich die Minister für Handel und Gewerbe, für Landwirtschaft und für Medisinalagselehenbehen⸗ so beantragen wir, daß gegen die Entscheidung des Oberbergamts und

des Regierungspräsidenten über die zur Bildung eines bezirke erforderliche Genehmigung zunächst die Beschwerde an den Oberpräsidenten zulässig ist, und daß gegen den vom Oberpräsidenten erlassenen Bescheid innerhalb 4 Wochen beim Oberverwaltungsgericht die Klage stattfinden kann.

Miinister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Meine Herren! Ich habe mir schon in der zweiten Lesung erlaubt, die grundsätzlichen Bedenken darzulegen, die gegen die Einführung des

2

9 *b

2 114“

chutz⸗

Lesung gegen diesen Wunsch ausgesprochen habe, abgeschwächt werden; aber ganz beseitigt werden sie nicht.

Meine Herren, wenn irgend ein Fall beweisend dafür ist, daß das Verwaltungsstreitverfahren keineswegs immer diejenige Instanz ist, die den Interessenten die zweckmäßigste, ausgiebigste und sicherste Prüfung ihrer Beschwerde gewährleistet, so ist es dieser Fall. Es handelt sich in dem Falle des § 17 um den Erlaß von Entscheidungen, die ergehen müssen auf Grund eingehender Erwägungen von Zweck⸗ mäßigkeitsfragen, von Erwägungen, die nur stattfinden können auf Grund eines umfassenden Materials von Gutachten und wissenschaft⸗ lichen Unterlagen mancherlei Art. Es ist nach meiner Ansicht eine unzutreffende Auffassung, wenn man annimmt, daß gerade solche Fragen in zuverlässiger Weise entschieden werden in einer Art richter⸗ lichen Verfahrens, das an formale Beweisvorschriften geknüpft ist. Die Entscheidung liegt nach dem Entwurf in der Hand von drei Ministern. Jeder Interessent, der eventuell in Frage kommen kann, hat einen Minister, der seine speziellen Interessen vertritt, der Quellenbesitzer wird in dem Kultusminister einen wirksamen Ver⸗ treter seiner Interessen finden, der Besitzer des zu belastenden Grund⸗ stücks, im Zweifel ein landwirtschaftlicher Besitzer, wird in dem Herrn Landwirtschaftsminister einen ebenso entschlossenen und wirksamen Be⸗ schützer finden, und schließlich entscheidet der in der Regel sachlich unbeteiligte Handelsminister, dem in der Geologischen Landes⸗ anstalt, in den Oberbergämtern und in seinen technischen Räten eine Fülle von Beratern gegeben ist, alle die intrikaten und schwierigen tatsächlichen Fragen zu entscheiden, die zur Ent⸗ scheidung zu bringen sind, während im Zweifel das Oberverwaltungs⸗ gericht darauf beschränkt ist, auf Grund der ihm beigebrachten schrift⸗ lichen Gutachten der von den Parteien vorgeschlagenen Gutachter oder eines etwa von ihm zu hörenden Obergutachters seine Entscheidung zu treffen. Meine Herren, ich kann Sie daher nur dringend warnen, dem Herrn Abg. Linz zu folgen und den von der Regierung vorgeschlagenen Weg zu verlassen, vornehmlich im Interesse der Be⸗ teiligten selbst, weil ich die Ueberzeugung habe, daß gerade Fragen, wie die hier vorliegenden, in der Ministerialinstanz erschöpfender und zweckmäßiger geprüft und entschieden werden können als im Ver⸗ waltungsstreitverfahren. Ich kann Sie also aus diesen Gründen auch nur bitten, den Antrag des Herrn Abg Linz abzulehnen. Aber auch formale Gründe sprechen gegen diesen. Zunächst, meine Herren, ist das Verfahren ja an sich nicht ohne Vorbild; es ist aber ein Novum, wenn man einer Entscheidung, an der das Ober⸗ bergamt mitgewirkt hat, den Oberpräsidenten als Instanz vorsetzt; das ist in unserer ganzen Behördenorganisation nicht vorgekommen, und es wird ein Schritt sein, gegen den ich vom Standpunkte der Bergverwaltung die ernstesten Bedenken habe. Es heißt hier für mich: principiis obsta! Ich weiß nicht, wohin ich komme, wenn ich mich nicht in diesem Falle mit aller Energie gewehrt habe, und aus diesem Grunde bitte ich, den gestellten Anträgen nicht zu entsprechen.

Aber auch was die Schnelligkeit des Verfahrens betrifft, so werden die Beteiligten besser fahren, wenn es bei der Beschwerde an die Mi⸗ nister bleibt, als wenn die Beschwerde an den Oberpräsidenten und das Verwaltungestreitverfahren gegeben wird. Der Oberpräsident wird in den seltensten Fällen in der Lage sein, auf eine Beschwerde, die an ihn gelangt, sofort zu entscheiden; er wird eventuell die Hilfe des Handelsministers in Anspruch nehmen müssen, um die Gut⸗ achter zu finden, die ihm die nötigen Aufflärungen geben, und wenn dann gegen die Entscheidung des Oberpräsidenten im Verwaltungsstreitverfahren geklagt wird, nun, meine Herren, wie lange das dauert, wissen Sie ja aus den Erörterungen des Homburger Falles, die in der Kommission und im Plenum Sie wiederholt beschäftigt haben, während, wenn gegen eine Entscheidung des Oberbergamts an den Regierungspräsidenten Beschwerde bei den genannten Ministern eingelegt wird und sich die Interessenten dahinter setzen, hierher kommen und dafür Sorge tragen, daß eine eilige Sache auch mit der nötigen Eile behandelt wird können sie unter Um⸗ ständen in dringlichen Fällen in so viel Wochen eine Entscheidung hekommen, wie sie sie nach den Vorschlägen des Herrn Abg. Linz in Monaten nicht haben würden.

Das alles, meine Herren, bitte ich Sie, zu erwägen und den Antrag des Herrn Abg. Linz abzulehnen.

Abg. Holtschke (kons.) erklärt kurz die Zustimmung seiner Freunde zu dem Gesetz.

Abg. Dr. Gerschel (fr. Volksp.) bemerkt, daß seine Freunde dem Gesetz nicht zustimmen könnten, weil die Entschädigungsfrage nicht genügend geregelt sei. Der Redner empfiehlt sodann einen Antrag zu § 31 des Gesetzes, der die Strafbestimmungen enthält und bestimmt, daß mit Geldstrafe bis zu 1000 oder mit Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten bestraft wird, wer auf Quellen bohrt, ohne die notwendige Genehmigung eingeholt zu haben. Der Redner wünscht, daß diese Straf⸗ bestimmungen nur für den Fall gelten sollen, daß die Arbeiten ent⸗ gegen einem Verbot vorgenommen werden.

Geheimer Oberjustizrat Greiff bittet, den Antrag abzulehnen.

Abg. Krause⸗Waldenbur (frkons.): Ich habe schon in der Kom⸗ mission erklärt, doß eine Stra barkeit des Grundstücks⸗ entümers nur dann eintreten kann, wenn ihm bei Ausführung der rbeit bewußt ewesen ist, daß die Arbeit geeignet ist, den Bestand oder die Zu⸗ 82 ung der Quelle zu gefährden. Sofern dies nicht außer Zweifel ist, wird also die Strafbarkeit erst eintreten können, nachdem dem Grundstückseigentümer von der Behörde das Verbot zugegangen ist. Daher halten wir den Antrog Gerschel für übersteffcg Wir werden dem Gesetz zustimmen. urch die anderweite Fassung, die der § 1 erhalten hat. ist dem von mir bei der ersten Lesung als besonders wichtig hervorgehobenen Wunsche Rechnung getragen, daß dieses Gesetz ledi Heilquellen beschränkt bleibt; durch die Fassung, weiche die § is 23 in der Kommission er⸗ halten haben, ist die Schadener atzpflicht auf ein gerechtes Maß zurück⸗ eführt. Ein wesentliches Bedenken, das ich schon bei der ersten 25 geltend gemacht habe, bestand gegen den § 29 insofern, als wir annahmen, daß das in diesem Paragraphen vorgeschriebene Ver⸗ fahren die Grundlage für die Enteignung der Quelle bilden solle. In der Kommission hat der Minister erklärt, daß diese Auffassung irr ümlich sei, daß dieses Verfahren lediglich ein Vor⸗ verfahren sein solle, durch das der Quellenbesitzer darauf aufmerksam emacht werde, daß er, wenn er den in diesem Verfahren verlangten nordnungen nicht nachkomme, der Gefahr der Enteignung gegen⸗ überstehe, def aber im übrigen für die Enteignung auch in diesem alle der Erlaß einer Königlichen ““ der eine ent⸗ e Sachprüfung voranzugehen hat, die Grundlage bilden solle. Durch die bei der zweiten Lesung erfolgte Annahme meines darau

Verwaltungsstreitverfahrens sprechen, und Sie haben in der zweiten

Lesung alle dahingehenden Anträge abgelehnt. Nun erscheint der An⸗

trag des Herrn Abg. Linz ja in einer wesentlich abgemilderten Form: er wünscht lediglich für den Fall des § 17 an Stelle der Entscheidung der dort genannten drei Minister in letzter Instanz eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zu gewinnen. Damit würden ja in ge⸗ wissen Grenzen die grundsätzlichen Bedenken, die ich in der zweiten

bezüglichen Antrages sind unsere Bedenken erledigt. Die Ein⸗ führung des Verwaltungsstreitverfahrens für die Feststellung des Schutzbezirkes, die wir bei der ersten Lesung als notwendig be⸗ zeichnet haben, halten wir nach den Ausführungen des Ministers in der Kommission nicht mehr für erforderlich, und wir werden deshalb Pern den Antrag Linz stimmen. Bezüglich des § 31 haben wir das

utzes der Quellen eine weitgehende Aufmerksamkeit zummwenden, der Quelleneigentümer doch nicht in der Lage ist, zu erfahren, welche Maßregeln das Oberbergamt zum Schutz seiner Quelle getroffen hat, und zu prüfen, ob diese Maßregeln ausreichend sind. Ich würde dem Minister sehr dankbar sein, wenn er hier vor dem Hause eine Er⸗ klärung dahin abgeben würde, daß selbstverständlich die e; ämter verpflichtet sind, dem Ouellenbesitzer auf sein Verlangen vo

ständige Auskunft darüber zu geben, welche Maßregeln zum Schutz seiner Quelle gegen den Bergbau getroffen sind, und daß fie weiter verpflichtet sind, wenn der Quelleneigentümer zu der Ansicht kommt, daß diese Maßregeln nicht ausreichen, in eine Prüfung der von ihm

Minister für Handel und Gewerbe Delbrück:

Meine Herren! Ich bin in der Lage, diesen letzten Wunsch des Herrn Abg. Krause zu erfüllen und ihm zu erklären, daß ich es tat⸗ sächlich für selbstverständlich halte, daß die Oberbergämter den Quellen⸗ eigentümern Auskunft erteilen über die zum Schutze der Quellen ge⸗ troffenen bergpolizeilichen Anordnungen. Ich halte es ferner für selbstverständlich, daß die Bergpolizeibehörden in eine Prüfung ein⸗ treten über Beschränkungen, Abänderungen oder Erweiterurgen dieser Anordnungen, welche die Quelleneigentümer etwa beantragen. Gegen einen ablehnenden Bescheid des Oberbergamts wäre immer noch die Beschwerde an den Minister für Handel und Gewerbe glaube, die Garantien, die Sie wünschen, sind gegeben. (Bravo!)

Abg. Graf von Spee (Zentr.):

noch nicht zerstreut. Wir können ein Gesetz nicht annehmen, dessen An⸗ nahme noch nicht alle Zweifel ausschließt. Herr Lusensky hat eigentlich eine ganz entschiedene Rede gegen das Gesetz gehalten, und deshalb bitte ich ihn mit seinen Freunden, die Konsequenzen zu zieben und das Gesetz abzulehnen. Ich habe schon in der dritten Lesung des Etats meine Bedenken gegen das Gesetz aus landwirtschaftlichen Gründen ausge⸗ führt. Im Eesetz steht keine Bestimmung darüber, wie gro bezirk sein soll. Es läßt sich auch geologisch nicht feststellen, wie we eine Quelle sich erstreckt; es wird also immer auf eine willkürli Beschränkung des Grundstücksbesitzers hinauslaufen. Durch den Schut bezirk kann auch eine zweite Quelle beschränkt werden, und schließli kann g. 8. g. Quellenbesitzer innerhalb des Schutzbezirkes na neuen Quellen bohren.

Abg. Klausener (Zentr.) spricht sich gleichfalls aus wirtschaft⸗ lichen Gründen gegen das Gesetz aus. 3 Abg. Schmidt⸗Warburg (Zentr.): Ich bedauere, daß meine ver⸗ fassungsmäßigen Bedenken, die ich in der zweiten Lesung gegen das Gesetz ausgesprochen habe, bei den anderen Parteien gar keinen An⸗ klang gefunden haben. s hat sich niemand auf diese Fragen ein⸗ gelassen, und doch handelt es sich hier um eine Beschränkung des Grundeigentums. Wo ist heute der Abg. Hahn, der sonst imme so die B des Grundbesitzes vertritt? (Abg. Schulze Pelkum: r ist im Reichstag!) Der eichstag hat noch garnicht angefangen. Wenn man diese Beschränkung des Grundeigentums gutheißt, kann man auch der Verstaatlichung des Grundbesitzes ohne Entschädigung im Prinzip nicht widersprechen. gebe zu, daß in dem Artikel 9 der Verfassung nicht aus⸗ drücklich gesagt worden ist, daß bei Beschränkung des Grund eigentums „volle“ Entschädigung gewährt werden soll; aber wen gesagt ist, daß das Grundeigentum nur gegen Entschädigung beschränk werden darf, so ne darin selbstverständlich, daß es eine volle Entschädigung sein soll. Im Herrenhause ist man recht ängstlich in der Wabrung der Rechte des Artikels 9 der Verfassung, und sch hoff daß das Herrenhaus daraufbin das Gesetz noch einmal nachprüfen wir Ich werde bei der Schlußabstimmung beantragen, daß über das Gesetz, weil es eine enthält, nach 21 Tagen noch einmal abgestimmt werden soll. 1“

seghaer Oberjustizrat Greiff führt im Anschluß an seine Bemer⸗ kung bei der zweiten Lesung nochmals aus, daß diese gesezl che Beschränkung des Grundeigentümers zulässig sei, da Art. 9 der erfassung die Be⸗ schränkung „nach Maßgabe des Gesetzes“ zuläßt.

Kommissar des Landwirtschaftsministeriums, Geheimer Ober⸗ regierungsrat Dr. Engelhard: Ich muß den Vorwurf zurückwe sen, daß durch das Gesetz die landwirtschaftlichen Interessen verletzt würden. Der Gesetzentwurf ist im Landwirtschaftsministerium eingehend geprüft worden. 5 Heilquellen sind von so eminent öffentlichem Interesse, daß die Interessen einzelner Grundbesitzer zurücktreten müssen. Uebrigens werden ja auch die Grundbesitzer in zureichendem Maße entschädigt. Das Gesetz liegt eher im Interesse der landwirtschaftlichen Bevölkerung,

als daß es sich dagegen wendet. Abg. Lusens ky (nl.) beantragt, die gestellten Ab⸗ änderungsanträge abzulehnen. 2

Nach einigen weiteren Bemerkungen der Abgg. Linz, Graf von Spee und S chmidt⸗Warburg schließt die General⸗ debatte.

Sodann wird der Gesetzentwurf ohne weitere Dis⸗ kussion in den einzelnen Paragraphen unverändert nach den Kommissionsbeschlüssen angenommen, alle Abänderungs⸗ anträge werden ab elehnt, ebenso der Antrag Schmidt⸗Warburg

auf wiederholte Abstimmung nach 21 Tagen.

treffend die Gebühren der Hebammen. 8

Nach § 1 soll der Regierungspräsident im Landes⸗ polizeibezirk Berlin der Polizeipräsident die Gebühren⸗ ordnung für die Dienstleistungen der Hebammen festsetzen, die für nais oder Ortschaften verschieden bemessen werden können. Nach § 2 soll bei Streitigkeiten über die Gebühr einer Bezirkshebamme der Landrat nach ecörmng. des Kreis⸗ arztes und des Zahlungspflichtigen die Gebuͤhr fe setzen, wo⸗ gegen die Beschwerde an den Regierungspräsidenten zulässig ist.

Die Abgg. Lüdicke und Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.) beantragen zu §1 folgenden Fajet: „Vor Festsetzung der Gebührenordnung find die Kreisausschu 5 in Stadikreisen die Gemeindevorstände zu hören.“ Zu § beantragen dieselben V“ die Abänderung, daß die Beschwerde an den Bez rksausschuß gehen soll.

Die Abgg. Dr. Heisig (Zentr.), Lüdicke (freikons.), Meuerschenr (kons.) und Genossen beantragen folgende Resolution:

8 „die Staateregierung zu ersuchen, dahin zu wirken, da wegen Mittello

mmen Gebühren und Auslagen, welche hüa der Wöchnerinnen nicht beigetrieben werden können, aus öffentlichen t werden.“

Mitteln

den

edenken, daß, wenn auch die Bergbehörden die Pfüicht haben, wie der Minister ausdrücklich erklärt hat, dauernd der Frage des

gestellten Anträge einzutreten. —“

zulässig. Ich 8

Man ist seit 1860 mit dem geltenden Zustande zufrieden. Die verfassungsrechtlichen Bedenken 2

der Schutz⸗

Es folgt die erste Hege ve- des Gesetzentwurfs, be⸗ e 8

zum Deutschen Reichsanzei 72.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

8 Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Holle:

Meine Herren! Bereits bei der Beratung des Medizinaletats ist der Reform des Hebammenwesens und der Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Verbesserung der Lage der Hebammen gedacht worden. Für diese Verbesserung ist die dringendste Grundlage eine angemessene Ordnung des Gebührenwesens. Es muß dafür Sorge getragen werden, daß den Hebammen für ihre Arbeit, Mühe und große Verantwortung eine angemessene Vergütung gesichert ist, und weiter, daß wenigstens die Gebühren der Bezirkshebammen in einem möglichst einfachen und billigen Verfahren zur Einziehung gelangen. Diesen beiden Forde⸗ rungen soll der vorliegende Entwurf Rechnung tragen. Er verzichtet auf eine einheitliche, gleichmäßige Festsetzung der Gebühren für das Land und überläßt die Festsetzung der Gebührenordnung dem Re⸗ gierungspräsidenten, mit der Maßgabe, daß der Regierungspräsident befugt ist, der Verschiedenartigkeit der wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb einzelner Teile seines Bezirks durch eine verschiedene Be⸗ messung der Gebühren Rechnung zu tragen.

Der Entwurf soll den ersten Baustein für die Reform des Heb⸗ ammenwesens bilden, wie in der Begründung des näheren angegeben ist. Abgesehen von diesem gesetzlichen Verfahren, besteht der lan, im Verwaltungswege durch Verhandlungen mit den beteiligten Kom⸗ munalverbänden eine den bestehenden Verhältnissen sich möglichst an⸗ passende Regelung des Hebammenwesens herbeizuführen. Der Ent⸗ wurf ist nur kurz, ist aber der Grundstein für die Reform, und darum bitte ich, ihm eine möglichst wohlwollende Aufnahme zu teil werden zu lassen.

Abg. Burchard kkons.) erklärt namens seiner Freunde kurz die Zustimmung zu dem Entwurf, ebenso zu den von den Konservativen vorceschlogenen Abänderungen.

bg. Schmedding (Zentr.): Nachdem diese Frage wiederholt und auch diesmal wieder beim Etat zur Sprache Prena worden ist, kann ich namens meiner Freunde diesen ersten Versuch zum Erlaß einer Gebührenordnung für die Hebammen mit großer heee be⸗ grüßen. Auf diese Weise wird es endlich zu einer angemessenen Ent⸗ lohnung der Hebammen kommen. Sie müssen häufig mit einem sehr geringen Lohn zufrieden sein, deshalb ist es erfreulich, daß sie wenigstens auf eine bestimmte Gebühr rechnen können. Die Be⸗ stimmung im § 2, die nur für die Bezirkshebammen gilt, ist aber auch für die anderen Hebammen ein Bedürfnis. Namens meiner Freunde erkläre ich, daß wir für den Gesetzentwurf mit den

bänderungsanträgen stimmen werden.

Abg. Dr. Heydweiller (nl.): Auch meine Freunde stimmen dem

esetzentwurf mit den Anträgen zu. Wir bedauern nur, daß nicht leich ein umfassendes Gesetz über das Hebammenwesen gemacht werden konnte. Wir begrüßen mit Freude auch die Erklärung des Ministers,

1 nicht schematisch und bureaukratisch verfahren werden, auf die historisch gewordenen Verhältnisse Rücksicht 1 1 werden soll. Ich weise bei dieser Gelegenheit auf die estrebungen des Vereins zur Förderung des deutschen Hebammen⸗ esens unter dem Vorsitz des Prof. Fritsche in Bonn hinu.—

Abg. Lüdicke (freikons.): Es ist endlich Zeit, daß auf diesem Gebiet gesetzgeberisch vorgegangen wird. Wenn nicht sogleich ein um⸗ fassendes Gesetz zur einheitlichen Regelung des Hebammenwesens ge⸗ macht ist, so hoffen wir, daß der Minister auch weiter die Gesetz⸗ gebung damit befassen wird. Die von uns beantragten Aenderungen

Fand teils notwendig, damit auf die lokalen Verschiedenheiten und auf lokale Schwierigkeiten Rücksicht genommen werden kann, und

ils entspringen sie dem Bedenken, daß wir nicht den Regierungs⸗ präsidenten mit der Rechtsprechung betrauen können. Wir sind gern bereit, den Wesetzentwurf ohne Kommissionsberatung zu erledigen, damit dieser wichtige Schritt noch in dieser Session gemacht

eerden kann. Abg. Münsterberg (fr. Vgg.): Auch meine & begrüßen Freude.

diese ersten Schritte zur Regelung des Hebammenwesens mit Der Verein zur Förderung des Hebammenwesens hat segensreich ge⸗ wirkt und den Weg gezeigt, den wir gehen müssen. Auch die Selbst⸗ hilfe der Kreise ist in dieser Richtung schon mit segensreichem Er⸗ folge vorangegangen. Gebührenordnungen bestehen schon, aber sie haben den Fehler, daß sie nicht Gesetzeskraft haben. Die Abstufung der Taxen nach der Einkommensteuerveranlagung wird nicht richtig sein; in Schleswig⸗Holstein hat man fünf verschiedene Taxen auf⸗

estellt, jedenfalls müssen aber die Taxen so festgestellt werden, daß sie den Hebammen einen ausreichenden ohn bieten. In Frage kommt noch, wie Ersatz geschaffen werden soll, wenn eine Bezirkshebamme

rkrankt; die gege werden für den Fesot zu sorgen haben. Wer entschädigt ferner die Hebammen für die sten der Desinfektion, der sie sich zu unterziehen haben? Um sofort Ersatz zu schaffen, muß dafür gesorgt werden, daß den Bezirkshebammen Volontärinnen bei⸗ 1 egeben werden, die von jenen ausgebildet werden und die Ver⸗ tretung übernehmen können.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Holle:

Meine Herren! Aus den Reden der sämtlichen Herren, die bisher

diesem Gesetzentwurf gesprochen haben, entnehme ich die eine hoch⸗ erfreuliche Tatsache, daß alle auf dem Boden stehen: unser heutiges 8 Hebammenwesen ist völlig unzulänglich (sehr richtig!), und wir müssen demgemäß eine Verbesserung desselben erreichen. (Sehr richtig!) Meine Herren, ich stehe auf demselben Standpunkt, und ich bitte auch, dessen gewiß zu sein, daß, wenn der jetzt eingeschlagene Weg nicht zum Ziele sollte führen können, dann eben ein anderer zum Ziele führender Weg gewählt werden wird; denn ich lege den größten Wert darauf, eine Verbesserung unseres Hebammenwesens auch wirklich zu erreichen. (Bravo!)

Meine Herren, es sind nun von den einzelnen Herren Vorrednern mehrere Punkte berührt worden. Unter anderen hat der Herr Abg. Schmedding zunächst darauf hingewiesen, daß der § 2 des Gesetz⸗ entwurfs nur für die Bezirkshebammen das erleichterte Einziehungs⸗ verfahren der Gebühren vorsieht, und bedauert, daß dasselbe nicht auch möglich wäre für die freien Hebammen. Aber die freien Heb⸗ ammen stehen außer jeder Verbindung mit irgend welcher behördlichen Instanz; sie sind freizügig, halten sich bald hier bald da auf, und das weist darauf hin, daß voraussichtlich erhebliche Berufungen von anderer Seite zu befürchten sein würden, wenn auch für freie Hebammen ein von dem allgemeinen gesetzlichen Verfahren abweichendes festgesetzt werden würde. Die Bezirkshebamme hat durch die mit den Kreisen oder den Kommunalverbänden abgeschlossenen Verträge, die in ganz bestimmter Weise ihre Verhältnisse ordnen, gewissermaßen eine

Berlin, Dienstag, den 24. März

Art von amtlicher Stellung, sodaß die Zulass ung dieses Verfahrens wohl gerechtfertigt ist.

Der Ansicht des Herrn Abg. Schmedding muß ich entgegen⸗ treten, daß die Zahl der Bezirkshebammen kleiner wäre als die der freien Hebammen. Wir hatten nach der Statistik vom Jahre 1902 12 000 Bezirks⸗ und sogenannte Armenhebammen und 8000 freie Hebammen. Diese sogenannten Armenhebammen sind in den Groß⸗ städten diejenigen, die zufolge eines Vertrages mit der Stadt die Armenfälle unentgeltlich oder billig behandeln müssen.

Der Herr Abg. Lüdicke hat den Wunsch ausgesprochen, daß jede bureaukratische Ordnung bei der Regelung des Hebammenwesens ver⸗ mieden werden möge. Meine Herren, das war gerade die Erwägung, die mich bestimmte, zunächst von einem allgemeinen Gesetz abzusehen und auf dem Verwaltungswege, den ich vorhin bezeichnet habe, eine Verbesserung des Hebammenwesens zu versuchen. In einzelnen Teilen unserer Monarchie haben wir nach der Initiative der Kreisverbände bereits außerordentlich erfreuliche Ansätze zu einer Verbesserung des Hebammenwesens. Meiner Meinung nach soll man das, was sich ein⸗ mal bewährt hat, möglichst schonen, und dieses wäre nicht möglich ge⸗ wesen bei einer allgemeinen gesetzlichen Regelung, während wir jetzt in der Lage sind, uns bewährten Verhältnissen und Einrichtungen an⸗ zupassen und durch seine Beibehaltung und Ausdehnung für die einzelnen Gebiete eine Neuordnung zu nden.

Der Abg. Münsterberg hat eine große Fülle interessanter An⸗ regungen gegeben, die ich im einzelnen gern nachprüfen werde, um sie bei den Ausführungsbestimmungen und auch im übrigen tunlichst zu beachten. Ich betrachte es in Uebereinstimmung mit ihm als selbst⸗ erforderlich, daß die Taxen so gestaltet werden, daß sie den Hebammen ein genügendes Einkommen gewähren, das den erhöhten Anforderungen an ihre Ausbildung und an ihre Leistungen am Krankenbette entspricht. (Abg. Münsterberg: Bravo!) Auch ist es nach meiner Meinung selbst⸗ erforderlich, daß die Beꝛirkshebammen in solchen Fällen, in denen sie einen Armen behandeln, trotzdem für ihre Müheleistungen eine Be⸗ zahlung erhalten, daß ferner der unlautere Wettbewerb unter den Bezirkshebammen ausschlossen werden muß, daß namentlich nicht die eine unter das Minimum der Gebühren heruntergehen darf, um da⸗ durch in dem Bezirk der anderen Praxis zu bekommen. (Abg. Münster⸗ berg: Sehr gut!)

Apparate, Desinfektionsmittel und alles, was die Hebamme für ihren Beruf braucht, wird eigentlich schon jetzt in allen Fällen den Bezirkshebammen auf Kreiskosten geliefert. Dabei wird es auch weiter verbleiben müssen. Ferner bekommt die Hebamme auch schon jetzt in den meisten Fällen eine Entschädigung, wenn sie zufolge An⸗ steckung am Krankenbett eine Zeitlang ihrem Beruf entzogen wird, wenn sie selbst erkrankt und dadurch zur Ausübung ihres Berufes nicht in der Lage ist oder, wenn sie schließlich ganz unfähig wird, ihren Beruf auszuüben. Die Anregung, den bewährten Hebammen Volontärinnen beizugeben, halte ich für wertvoll, und werde ihr gern näher treten.

Im übrigen darf ich mich noch zu den gestellten Anträgen äußern. Der Antrag unter 1 ist zurückgezogen, also erledigt. Gegen den An⸗ trag unter 2 habe ich keine Bedenken, da die Beteiligung der Ver⸗ tretung der größeren Kommunalverbände eine erwünschte Gewähr dafür liefert, daß in jeder Weise eine zutreffende Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse bei der Festsetzung der Gebühren erfolgt. Auch gegen den Antrag unter 3, den Bezirksausschuß als Beschwerdeinstanz einzusetzen, will ich keine Bedenken erheben, wenngleich ich an sich eine Verbesserung in dem Antrage eigentlich nicht zu erblicken vermag. Indessen ist aber auch, namentlich bei der voraussichtlichen Seltenheit der in Betracht kommenden Beschwerdefälle, nichts dagegen einzu⸗ wenden, 1daß der Bezirksausschuß als die entscheidende Beschwerde⸗ instanz hingestellt wird. (Bravo!)

Abg. Dr. Müller (fr. Volksp.): Der Gesetzentwurf ist als erster Schritt zur Regelung des Hebammenwesens zu begrüßen. Andere Länder sind allerdings schon weiter vorgeschritten, die Tochter des Präsidenten des dänischen Storthings übt z. B., nicht wegen Gelderwerbs, sondern des allgemeinen Wohls wegen, diesen Beruf aus. Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen, denn es handelt sich hier um eine Frage der Zukunft des deutschen Volkes.

Abg. Linz (Zentr.) empfiehlt die Resolution des Abg. Dr. Heisig. In den Etat seien für Beibilfen an Hebammen bei Geburten von mittel⸗

losen Wöchnerinnen 50 000 eingestellt, das mache bei 1 200 000 Geburten im Jahr ½ für eine Geburt.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Holle:

Wie der Herr Vorredner richtig hervorgehoben hat, besteht in der Instruktion für sämtliche Hebammen die Verpflichtung, jedem Rufe, der an sie herantritt, Folge zu leisten und demgemäß den Schwangeren zu helfen. Die Frage, wie die Bezahlung erfolgt, ist in der Instruktion eine offene. Ich stimme mit dem Herrn Vorredner darin überein, daß es erwünscht ist, einen geeigneten und praktischen Weg zu finden, um auch der freien Hebamme eine angemessene Ent⸗ schädigung in den Fällen zu sichern, wenn sie, ihrer instruktionsmäßigen Pflicht entsprechend, ihre Arbeitskraft und Mühe eingesetzt hat. Be⸗ züglich der Bezirkshebammen wird, wie schon der Herr Vorredner hervorhob, in der Regel die Entschädigung für Armenentbindungen bereits durch die Verträge gesichert, die sie mit den Kreisen abge⸗ schlossen haben; ich beabsichtige ferner, die Gewährung von Beihilfen aus dem Hebammenfonds von 50 000 ausdrücklich an die Bedingung zu knüpfen, daß der Kreis sich verpflichtet, den Bezirkshebammen für die Besorgung von Armenentbindungen eine entsprechende Entschädi⸗ gung zu gewähren. 3 Soweit aber der Antrag über die Bezirkshebammen hinaus auch eine Versorgung der freipraktizierenden Hebammen erstrebt, bin ich zu meinem Bedauern nicht in der Lage, zu dem Antrage eine bestimmte Erklärung abzugeben, da hier eine Materie in Frage steht, bei welcher noch andere Ressorts beteiligt sind. (Bravo.)

Abg. Dr. Heydweiller 89 Wir werden geschlossen aus prak⸗ tischen Gründen gegen den Antra stimmen, der uns sonst sehr

sympathisch ist, der aber zu unbestimmt gefaßt ist, um seine Trag⸗ weite in finanzieller Hinsicht übersehen zu können.

ger und Königlich Preußischen

Abg. Münsterberg spricht sich in gleichem Sinne aus. Damit schließt die Generaldebatte.

In der Spezialdebatte werden ohne weitere Diskussion die einzeinen Paragraphen des Gesetzes angenommen mit den dazu gestellten Anträgen Lüdicke.

Ueber die Resolution Dr. Heisig wird gar nicht ab⸗ gestimmt, da sie g wegen der Verwendung von Staatsmitteln an eine Kommission gehen müßte, es stellt aber niemand einen Antrag auf Kommissionsberatung.

Es folgt die Beratung des Antrags der Abgg. Aron⸗

sohn u. Gen. (fr. Volksp.): die Staatsregierung zu ersuchen, möglichst bald einen Gesetz⸗ entwurf vorzulegen, der eine Abänderung der Kreisordnun herbei⸗ führt, insbesondere dahin, daß das Wahlrecht zum Kreis . tage entsprechend der vermehrten Bedeutung der Stadt⸗ und Land⸗ gemeinden sowie von Industrie und Gewerbe abgeändert wird.

Damit verbunden wird die erste Beratung des von den Abgg. von Böhlendorff⸗Kölpin (kons.) u. Gen. einge⸗ brachten Gesetzentwurfs zur A. ..n8nn der Kreis⸗ ordnung für die älteren Provinzen, wonach durch Königliche Verordnung für einzelne Kreise nach Anhörung des Provinzial⸗ rats bestimmt werden kann, daß von dem für die Wahl⸗ berechtigung im Wahlverbande der größeren ländlichen Grund⸗ besitzer maßgebenden Mindestbetrage an Grund⸗ und Gebäude⸗ steuer wenigstens die Hälfte auf die Grundsteuer entfallen muß.

Abg. Gyßling (fr. Volksp.) führt zur Begründung des Antrages Aronsohn aus: Seit den achtziger Jahren hat eine roße Verschiebung in den Bevölkerungsverhältnissen stattgefunden. Die Vertretung der Städte und der Landgemeinden auf den Kreistagen gegenüber der Vertretung des Großgrundbesitzes entspricht durchaus nicht den Steuerleistungen. (Der Redner weist dies durch statistische Zahlen besonders für Ostpreußen nach.) Die Handelskammern von Görlitz, Liegnitz, Sagan usw. haben eine Schri herausgegeben, in welcher sie zu derselben Feststellung kommen, daß die Städte und Land⸗ gemeinden auf den Kreistagen benachteiligt sind. Eine allgemeine Statistik für ganz Preußen gibt es allerdings noch nicht, die Handels⸗ kammern sind aber mit einer solchen Statistik beschäftigt. Manche Landräte haben bereitwillig Auskunft gegeben, andere dagegen nicht. Die Statistik hat daher vorläufig bloß für 5 Provinzen gemacht

werden können. Die Regierung sollte die Landräte anweisen, überall Auskunft zu geben. Man wird nicht leugnen können, daß seit 1872 die wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung der Städte und Land⸗ gemeinden gegenüber dem Großgrundbesitz, auch abgesehen von der Steuerleistung und der Bevölkerungsziffer, gestiegen ist. Der Kreis⸗ ausschuß wird vom Kreistag zusammengesetzt, und ich weise darauf hin, welche wichtigen Aufgaben der Kreisausschuß durch das Volksschulunterhaltungsgesetz bekommen hat; er entscheidet z. B. über die Einrichtung von Simultanschulen, die Kreistage wählen den Landrat, bestimmen Steuern usw. Kreistag und Kreisausschuß sind also das Fundament unserer Verwaltung. Der Großgrundbesitz nt⸗ selbst ein Interesse daran haben, diese Bevorzugung aufzugeben.

rüher hat man sich dagegen heftig gesträubt; aber es werden doch jetzt in den Kreisen des Großgrundbesitzes schon Stimmen laut, welche sich für die Beseitigung der Bevorzugung aussprechen. Es fehlt in der Kreisordnung eine feste Bestimmung, daß die letzte Volkszählung zur Grundlage für die Zusammensetzung des Kreistages gemacht werden soll. In bezug auf das aktive und passive Wahlrecht der jaristischen Personen besteht ein Bedenken überhaupt nicht mehr. Die Kreisordnung muß so ausgestaltet werden, daß sie dem Prinzip der Selbstverwaltung entspricht. Der Antrag Böhlendorff ist uns zu einseitig im Interesse der ländlichen Besitzer. Ich bitte, beide An⸗ träge der Gemeindekommission zuzuweisen.

Abg. von Böhlendorff⸗Kölpin (kons.): Ich kann mich des Ein⸗ drucks nicht erwehren, daß aus den Ausführungen des Vorredners ein gewisses Mißtrauensvotum gegen die Kreisausschüsse hervorgeht. Ich möchte das nicht unwidersprochen ins Land gehen lassen; die Kreis⸗ ausschüsse erfreuen im Lande einer ungeteilten Vertrauens⸗ zustimmung. Seit 1882 hat sich in den Kreisverwaltungen eine Ver⸗ schiebung zu Ungunsten der Vertretung des ländlichen Besitzes bemerk⸗ bar gemacht. (Der Redner stellt darüber eine ausführliche Statistik auf.) Mein Antrag hat keinen politischen Anstrich. In der Kommission werden wir Gelegenheit haben, darüber weiter zu verhandeln.

Abg. Schulze⸗Pelkum (kons.): Namens meiner Parteifreunde bitte ich, beide Anträge der Gemeindekommission zu überweisen, wo die ausführlichen Darlegungen des Abg. Gyßling ihre Erledigung finden können. Gegen eine grundsätzliche Umänderung der Kreisordnung haben wir die allergrößten Bedenken. mache Herrn Abg. Gyßling aufmerksam auf das Buch von Professor Sohnrey über die soziale Tätigkeit der Kreisverwaltungen, das den allerbesten Beweis liefert für deren segensreiche Tättgkeit. Es liegt für uns gar keine Veranlassung vor, die gegenwärtige Zusammensetzung der Kreis⸗ verwaltungen anzutasten.

Abg. Linz (Zentr.) will dem Antrage Böhlendorff zustimmen und erwartet alles Weitere von der Beratung in der Kommission.

Abg. Dippe (nl.) erblickt in dem Antrage Aronsohn einen kapitalistischen Zug; der de. sei geeignet, die Vertretung des länd⸗ lichen Besitzes in den Kreisverwaltungen zurückzudrängen. Mit Kommissionsberatung sei er einverstanden, hoffentlich werde auch dort der Antrag von Böhlendorff eine annehmbare Gestaltung erfahren.

Abg. Dr. Hager (Zentr.) erkennt die prinzipielle Berechtigung des Antrages von Böhlendorff an, hoffentlich werde in der Kom⸗ mission eine Verbesserung in Einzelheiten des Antrages möglich sein.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.): Der Antrag von Böhlendorff ist durchaus erwägenswert. Hervorgehoben werden muß, daß die Selbstverwaltung der Kreisverwaltungen besser ausgebaut ist als die der Städte. Der Kreisausschuß ist eine unserer besten Einrichtungen; selbstverständlich m die Möglichkeit bestehen, daß in ihm alle Interessentenkreise ihre retung finden können. Ich erhoffe ebenfalls eine Förderung dieser Absichten von den Be⸗ ratungen der Gemeindekommission.

Nach den kurzen Schlußworten der Abgg. Gyßling und von Böhlendorff werden beide Anträge der Gemeinde⸗ kommission überwiesen.

Ein Antrag des Abg. Winckler 853 auf Abände⸗ rung einiger Bestimmungen der Wegeordnung für die Provinz Sachsen wird ohne Debatte einer besonderen Kom⸗ mission von 14 Mitgliedern überwiesen. CIö1ö1 Um 4 ½ Uhr vertagt sich das Haus. Nächste Sitzung Dienstag, 11 Uhr.

(Sekundärbahn⸗ vorlage.) 8

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