Schlußbestimmungen. Diiese Verordnung tritt mit ibrer Verkündung in Kraft. Die Verordnung vom 21. Juni 1886 (Gesetzsamml. S. 159) ist auf⸗ gehoben. Das Staatsministerium ist ermächtigt, zur Ausführung dieser Verordnung die erforderlichen Weisungen zu erteilen. Der Geschäftsgang der Kommission wird durch eine vom Staatsministerium zu erlassende Anweisung geordnet. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel. Gegeben Jagdhaus Rominten, den 29. September 1908. 8 (L. S.) Wilhelm. Fürst von Bülow. von Bethmann Hollweg. von Tirpitz. Freiherr von Rheinbaben. von Einem. Delbrück. Beseler. Breitenbach. von Arnim. von Moltke. Holle. Sydow.
Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinalangelegenheiten.
Der Bauinspektor Reichle ist zum Abteilungsvorsteher bei der Königlichen Versuchs⸗ und Prüfungsanftalt für Wasser⸗ versorgung und Abwässerbeseitigung in Berlin ernannt worden. Dem Ersten Vorsitzenden der Dozentenschaft der Volks⸗ hochschule „Humboldt⸗Akademie“, Oberstleutnant z. D. Dr. hon. c. Paul Pochhammer in Berlin ist das Prädikat Professor beigelegt worden.
†
Zum Pfarrer der deutschen evangelischen Gemeinde zu Kairo in Egypten ist der Pfarrer Ernst Heift in Bukarest berufen worden.
“ 88
Bekanntmachung.
Gemäß § 46 des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 (Gesetzsammlung S. 152) wird hierdurch zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß das im Steuerjahre 1908 kommunal⸗ abgabepflichtige Reineinkommen der im preußischen Staatsgebiete belegenen Teilstrecke Strasburg U⸗M.— Landesgrenze der Mecklenburgischen Friedrich Wilhelm⸗Eisenbahn aus
jahre 1907 auf 7908 ℳ 78 ₰ festgesetzt worden ist. den 3. Oktober 1908. Der 1“
Körte.
Bekanntmachung. 8
Gemäß § 46 des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 (G.⸗S. S. 166) wird zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß der im laufenden Steuerjahre zu den Kommunalabgaben
8 einschätzbare Reinertrag aus dem Betriebsjahre 1907/8 bei der
Dahme-Uckroer Eisenbahn auf 31 500 ℳ festgesetzt worden ist. ““ Halle a. Saale, den 3. Oktober 1908.
Der ia e ani in
Scheringer.
Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer der Preußischen Gesetzsammlung enthält unter 1 Nr. 10 924 die Verordnung über die Kommission für deutsche Ansiedlungen in den Provinzen Westpreußen und Posen, vom 29. September 1908. Berlin W., den 6. Oktober 1908. Königliches Gesetzsammlungsamt. Krüͤer. 6
Abgereist:
Seine Erzellenz der Staatsminister und Minister der öffentlichen Arbeiten Breitenbach, in dienstlichen Angelegen⸗ heiten nach Schlesien.
8 In der Dritten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ wird eine Genehmigungsurkunde, betreffend eine Anleihe des Provinzialverbandes der Provinz Brandenburg, veröffentlicht.
Nichtamtliches.
Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 7. Oktober.
Seine Majestät der Kaiser und König arbeiteten gestern vormittag im Jagdhause Rominten mit dem Vertreter des Auswärtigen Amts, Gesandten Dr. Freiherrn von Jenisch.
Heute vormittag empfingen Seine Majestät der Kaiser den in Rominten eingetroffenen österreichisch⸗ungarischen Botschafter von Szögyény⸗Marich in Audienz und hatten mit
4 iöm eine esprechung.
“ 8 “ “ “
Laut Meldung des „W. T. B.“ sind S. M. Flußkbt. „Tsingtau“ vorgestern in Hongkong und S. M. Flußkbt. „Vaterland“ an demselben Tage in Tschungking eingetroffen.
2
Sachsen.
Seine Majestät der König Alfons von Spanien traf, „W. T. B.“ zufolge, gestern nachmittag in Begleitung Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Johann⸗ Georg von Sachsen zur Besichtigung des ihm von Seiner
88 . .““
8 8 Majestät dem König Friedrich August verliehenen 2. Ulanenregiments Nr. 18 in Leipzig ein. Im Fürstensalon fand
des XIX. veekor — offiziere der Garnison Leipzig sowie die Spitzen der Kaiser⸗ lichen, Königlichen und städtischen Behörden erschienen waren. Später begab sich Seine Majestät der König Alfons mit Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Johann Georg nach der Ulanenkaserne, in deren gof die Uebergabe des Regiments stattfand, worauf ein Festmahl im Offizierkasino eingenommen wurde. Nach 8 Uhr Abends trat Seine Majestät der König die Reise nach Wien an, wo er heute früh eintraf.
Oesterreich⸗Ungarn. 8
Die „Wiener Zeitung“ veröffentlicht folgendes Hand⸗ schreiben des Kaisers Franz Joseph an den öster⸗ reichischen Ministerpräsidenten Freiherrn von Beck, betreffend die Einverleibung Bosniens und der Herzegowina:
Ich habe mich bestimmt gefunden, die Rechte meiner Souveränität auf Bosnien und die Herzegowina zu erstrecken und die für mein Haus geltende Erbfolgeordnung auch für diese Länder in Wirksamkeit zu setzen sowie eine gleichzeitige verfassungsmäßige Einrichtung zu ge⸗ währen. Indem ich Ihnen zugleich die Abschriften der Handschreiben mitteile, die ich aus diesem Anlaß an den Minister meines Hauses und des Aeußern und meinen gemeinsamen Finanzminister gerichtet habe, fordere ich Sie auf, im Sinne des § 5 des Gesetzes vom 22. Februar 1880 Reichsgesetz Nr. 18 wegen Einbringung der hiernach erforderlichen Vorlage im Reichsrate das Entsprechende einzuleiten.
Budapest, 5. Oktober 190b.ͤ
8 Franz Joseph. Beck.
Ein ähnliches Handschreiben ist an den ungarischen Ministerpräsidenten Dr. Wekerle ergangen.
des Aeußern Freiherrn von Aehrenthal lautet: Durchdrungen von der unerschütterlichen Ueberzeugung, daß die hohen kulturellen und politischen Zwecke, um deren willen die öster⸗
und der Herzegowina übernommen hat, und die mit schweren Opfern erzielten Erfolge der bisherigen Verwaltung nur durch die Gewährung von ihren Bedürfnissen entsprechenden verfassungsmäßigen Ein⸗ richtungen dauernd gesichert werden können, für deren Erlassung aber die affung einer klaren unzweldeutigen Rechtsstellung beider Länder eine unerläßli e Vorauesetzung bildet, erstrecke ich die Rechte meiner Souveränität auf Bosnien und die Herzegowina und setze gleichzeitig die für mein Haus geltende Erbfolgeordnung auch für diese Länder in Wirksamkeit. Zur Kundgebung der friedlichen Ab⸗ sichten, die mich bei dieser unabweislichen Verfügung geleitet haben, ordne ich gleichzeitig die Räumung des Sandschaks Novibazar von den dahin verlegten Truppen meiner Armee an.
dapest, 5. Oktober 1908. Budapef 1 Franz Joseph. Aehrenthal.
Das Handschreiben des Kaisers an den gemeinsamen Finanzminister Baron Burian lautet: 8 88 Ich habe mich entschlossen, die Rechte meiner Souveränität sowie die für mein Haus geltende Erbfolgeordnung auch für Bosnien und die Herzegowina in Wirksamkeit zu setzen. Gleichzettig über⸗ mittele ich Ihnen eine an die Bevölkerung dieser Länder gerichtete roklamation und beauftrage Sie, wegen deren Verlautbarung das Er⸗ rerlisae zu veranlassen. Als unverrückbares Ziel schwebt mir vor Augen und es ist mein fester Wille, daß den Angehörigen Bosniens und der Herzegoweina die bürgerlichen Rechte in vollem Maße gewahrt und gesichert werden. Außer der Freiheit der Person und des Glaubens, der Sicherheit von Eigentum, Ehre, Sitten und Gebräuchen, der Wahrung des Hausrechts und der Preßfreiheit, die bereits durch die bestehenden Gesetze gewährleistet sind, sollen die Freizügigkeit sowie das Berufsgeheimnis, die auch schon derzeit streng geachtet werden, die Rechtsprechung durch den zuständigen Richter, das Petitionsrecht und das Vereins⸗ und Versammlungsrecht unter ausdrücklichen gesetzlichen Schutz gestellt werden. Durchdrungen von der Ueberzeugung, daß die Gewährung von verfassungsmäßigen Einrichtungen durch den kulturellen Stand der Bevölkerung und durch das Bedürfnis einer wirksamen Gewährleistung der gesetzlich aner⸗ kannten und noch anzuerkennenden bürgerlichen Rechte dringend ge⸗ fordert wird, ordne ich hiermit an, daß den Bedürfnissen der Be⸗ völkerung nach einer angemessenen Teilnahme an der Besorgung der Landesangelegenheiten durch eine Landesvertretung in einer die kon⸗ fessionellen Verhältnisse sowie die altererbte soziale Schichtung der Bewohner schonenden Form Genüge geschehe. Der zu schaffende Vertretungskörper, aufgebaut auf dem Grundsatz der Interessen⸗ vertretung, soll ein möglichst getreues Abbild der in beiden Ländern bestehenden nationalen, konfessionellen und politischen Zu⸗ stände sein. Daher sollen die hervorragenden Würdenträger, die na Bildung und Wohlstand obenan Stehenden, die Bewohner der Städte
so nicht allein die gute Eintracht zwischen den Glaubensbekenntnissen vor Störungen zu bewahren, sondern auch jeder derselben die ihr ver⸗ hältnismäßig zukommende Anzahl von Vertretern zu sichern. Der Wirkungskreis der gleichzeitig ins Leben zu rufenden Bezirksvertretungen wird die Gegenstände der Leehemg und Kontrolle zu umfassen haben, welche die Verwaltung und die Rechtepflege von Bosnien und der Herzegowina allein betreffen. Um sonach der Bevölkerung der neu erworbenen Länder einen Beweis meines ernsten Bestrebens nach
ihrer heimischen Angelegenheiten zu bieten, fordere ich Sie hiermit auf, mir die im Sinne dieser Grundsätze auszuarbeitenden Vorlagen mit aller Beschleunigung zu unterbreiten, damit die neue Landes⸗ verfassung ehestens in Wirksamkeit zu treten vermöge.
Budapest, 5. Oktober 1908. 1 gg 8 Franz Joseph. Burian.
Die Proklamation des Kaisers an das bosnisch⸗ herbeeeec. Volk hat folgenden Wortlaut: i
Bosniens und der Herzegowina Als vor einem Menschernalter Unsere Truppen die Grenzen Eurer
Länder überschritten, ward Euch die Zusicherung, daß sie nicht als
Uebeln zu steuern, an denen Euer Vaterland seit vielen Jahren so schwer gelitten hatte. Dieses Wort, in einem ernsten Augenblicke ge⸗ geben, wurde redlich eingelöst. Es war das stete Bemühen Unserer
Land einer glücklicheren Zukunft entgegenzuführen. Zu Unserer großen Freude dürfen wir sagen: Der Samen, der in die Furchen eines aufgewühlten Bodens gestreut wurde, ist reichlich aufgegangen. Ihr selbst müßt es als eine Wohltat empfinden, daß an Stelle von Gewalt und Unterdrückung Ordnung
breitung begriffen sind, daß sich der sittigende Einfluß vermehrter
ordneten Verwaltung jeder der Früchte seiner Arbeit froh zu werden vermag. Auf dieser Bahn rastlos vorwärts zu schreiten, ist Unser
punkt für gekommen, den Bewohnern der beiden Länder einen neuer⸗ lichen Beweis Unseres Vertrauens zu ihrer politischen Reife zu geben. Um Bosnien und die Herzegowina auf eine höhere Stufe des politischen
Lebens zu heben, haben Wir Uns entschlossen, beiden Ländern ver⸗
großer Empfang statt, zu dem der kommandierende General (2. Sächsischen) Armeekorps und die Stabs⸗
Das Handschreiben des Kaisers an den Minister
reichisch⸗ungarische Monarchie die Besetzung und Verwaltung Bosniens
ch känftiger Kriege in sich trägt.
und jene der Landgemeinden in besonderen Kurien vertreten sein und die Wähler in jeder Kurie nach Konfessionen getrennt abstimmen, um
Sicherung ihres Rechtszustandes und nach einer befriedigenden Ordnung
Feinde, sondern als Freunde kämen mit dem festen Willen, den
Regierung, in ruhiger Gesetzlichleit durch emsiges Schaffen das
und Sicherheit eingezogen ist, daß Handel und Wandel in steter Aus-
Bildung geltend gemacht hat, und daß unter dem Schirm einer ge⸗
aller ernste Pflicht. Dieses Ziel vor Augen, halten Wir den Zeit⸗
zudruͤcken. Botschafter zur Mitteilung
fassungsmäßige Einrichtungen, welche deren Verhältnissen und allge⸗
meinen Interessen Rechnung tragen, zu gewähren, und so eine gese liche Grundlage für die Vertretung ihrer Wünsche und Bedürfn sse zu schaffen. Ibr sollt mitreden können, wenn fürderhin ütber die Angelegenheiten Eurer Heimat entschieden wird, die so wie bisher eine gesonderte Verwaltung haben soll. Für die Einführung dieser Landesverfassung bildet aber die Schaffung einer klaren und unzweideutigen Rechtsstellung beider Länder die un⸗ erläßliche Voraussetzung Aus diesem Grunde, wie auch eingedenk der in alten Zeiten zwischen Unsern glorreichen Vorfahren auf dem ungarischen Thron und diesen Ländern bestandenen Bande erstrecken Wir die Rechte Unserer Souveränität auf Bosnien und die Herzegowina und wollen, daß auch für diese Länder die für Unser Haus geltende Erbfolgeordnung zur Anwendung gelange. Die Be⸗ wohner der beiden Länder werden damit all der Wohltaten teilhaftig, die eine dauernde Festigung der bisherigen Verbindung zu bieten ver⸗ mag. Die neue Ordnung wird eine Bürgschaft sein, daß Kultur u d Wohlstand in Eurer Heimat eine gtsicherte Stätte finden werden. Bewohner Bosniens und der Herzegowina! Unter den vielen Sorgen, die Unsern Thron umgeben, soll fürder die um Euer materielles und geistiges Wohl nicht die letzte sein. Der hehre Gedanke gleichen Rechts Aller vor dem Geset, die Teilnahme an der Gesetzgebung und Ver⸗ waltung der Landesangelegenheiten, der gleiche Schutz aller rzeligiösen Bekenntnisse, eine Sprache nationaler Eigenart, all diese hohen Güter sollt Ihr in vollem Maße genießen. Die Freiheit des Einzelnen und das Wohl des Ganzen, das wird der Leitstern Unserer Regierung für die beiden Länder sein. Ihr werdet Euch dafür gewiß des in Euch gesetzten Vertrauens würdig erweisen durch Anhänglichkeit und Trere an Uns und Unser Haus, und so hoffen Wir, daß eine edle Harmonie zwischen Fürst und Volk, dieses kostbarste Pfand allen staatlichen Fortschrittes, stets unseren gemeinsamen Weg geleiten wird.
Franz Joseph.
Heute früh wurde, „W. T. B.“ zufolge, in Serajewo und in allen Städten des Landes die Kaiserliche Pro⸗ klamation an die Bewohner Bosniens und der Herzegowina durch Anschlag bekannt gegeben. Die öffentlichen Gebäude sind beflaggt. Der Bürgermeister berief den Gemeinderat zu einer Festsitzung. Ordnung und Ruhe wurden nirgends gestört., 8
Großbritannien und Irland. ö
Der bulgarische Geschäftsträger hat gestern dem Aus⸗ wärtigen Amt offiziell von der ee“ Bulgariens Mitteilung gemacht und, „W. T. B.“ zufolge, ferner erklärt, daß Bulgarien keinen Krieg wünsche, seine Be⸗ strebungen vielmehr durchaus friedlich seien.
Gemäß einer offiziösen Erklärung wird die britische Re⸗ gierung in der orientalischen Angelegenheit keinen Schritt unternehmen, bis die Haltung der interessierten Mächte genau bekannt sein wird.
Frankreich.
Der Ministerpräsident Clémenceau, der Minister des Aeußern Pichon und der englische Botschafter hatten estern morgen eine Unterredung über die orientalische rage. Das Gespräch Pichons mit dem Botschafter erstreckte ich auch auf die Frage der Einberufung einer internatio⸗ nalen Konferenz zum Zwecke einer Revision des Berliner Vertrages.
Der Minister Pichon hatte Vormittags noch eine Unter⸗ redung mit dem bulgarischen diplomatischen Agenten Dr. Stanciomw, der, derselben Quelle zufolge, erklärte, nachdem er von der Unabhängigkeitserklärung Bulgariens amtlich Mit⸗ teilung gemacht hatte, daß Bulgarien keine kriegerische Absicht hege, sich aber der festen Hofstuun hingebe, daß seine Un⸗ abhängigkeit ohne Störung des Friedens werde anerkannt werden. ö1114“
Der Minister des Aeußern Tittoni hat gestern in Carate Brianza gelegentlich der Eröffnung eines Kongresses der lombardischen Zeichenlehrer eine Rede gehalten, in der er, nach einer Meldung des „W. T. T.“, mit Se-e Worten auf die gegenwärtige politische Lage Bezug nahm.
Während die innere Lage der Türkei die Aufmertsamkeit Europas beanspruchte und dessen Besorgnisse wach hielt, siad außerhalb der ottomanischen Grenzen in der Balkanpolitik andere Exeignisse herangereist. Ich darf jetzt keine Vorhersagungen machen über die Folgen, die daraus entspringen werden, aber ich wünsche, daß die Eintracht unter den Mächten nicht gebrochen werde. Diese ist der sicherste Schutz des Friedens im Orient, der, wie er in der Vergangenheit die Ursache und der Schau⸗ platz des Krieges gewesen ist, möglicherweise auch die Keime Auf jeden Fall kann Italien ruhig die Ereignisse abwarten. Wie auch immer der Gang derselben sei, sie werden Italien nicht überraschen und werden es weder unvorbereitet noch isoliert treffen. Die Stellung, die Italien heute unter den Maächten einnimmt, setzt es in die Lage, seine eigenen Interessen wirksam zu wahren, und zu gleicher Zeit zu der Sache des Friedens wirksam beizutragen. Uebrigens kann man nicht erstaunt sein, wenn gewisse allzu feine Auswegae, durch welche die Diplomatie Rechislagen schuf, die lediglich Fiktionen sind, und denen der Stand der Tatsachen entgegensteht, dem Laufe der Zeit nicht lange Widerstand leisten. Uns liegt eine Sache am Herzen, einerseits nämlich zu wissen, daß der Friede nicht gefährdet wird und andererseits, daß die möglichen Veränderungen auf der Balkan⸗ halbinsel das Gleichgewicht der Interessen nicht stören und namentlich nicht zu unserem Nachteil stören. So, wie ich vor einigen Monaten, als
plötzlich die Frage der Balkaneisenbahnen auftauchte, das Parlament
darum bat, mit Rube und Vertrauen abzuwarten, bis die Regierung über ihr Vorgehen Rechenschaft ablege, und so wie das Parlament und das Land ihr Zuwarten und ihr Vertrauen nicht zu bereuen hatten, so muß auch heute die Regierung die öffentliche Meinung um
dasselbe Vertrauen bitten, weil sie das Bewußt;ein hat, beweisen zu 1 können, daß sie dieses Vertrauen vollkommen verdient hat. r Franz Joseph I., Kaiser von Oesterreich, König von 8. Böhmen ꝛc. und apostolischer König von Ungarn, an die Bewohner
Niederlande.
Das Kolonialamt hat gestern von dem Gouverneur auf der Insel Curagao, „W. T. B.“ zufolge, nachstehende Depesche über die Lage in Venezuela erhalten⸗
Ein vom 26. September datierter Brief der Gesandtschaft in Caracas meldet, daß der Präsident Castro schwer erkrankt ist. Die Gesandtschaft hat erfahren, daß die Regierung wahrscheinlich noch in dieser Woche in die Hände des Vizepräsidenten übergehen dürfte. Die
58 Nocte der Niederlande vom 25. September ist dem Minister des Aus⸗ amals
wärtigen in Caracas zugestellt worden.
Türkei.
Dem „Ikdam“ zufolge Sehsier die Pforte in ihrer Antwort an den Fürsten Ferdinand in scharfer Weise egen den Akt der Unabhaͤngigkeitserklärung und ündigte an, daß die an dieser Frage intexessierten Signatarmächte des Berliner Vertrages zu einer Kon⸗ ferenz eingeladen werden würden, um ihre Ansicht aus⸗ Die Protestnote soll heute abend an die vS an die Signatarmächte des
Berliner Vertrages abgehen. Wie der „Tanin“ meldet, hat die
Pforte auch die übrigen Balkanstaaten um Aeußerung ihrer Ansichten über die Unabhängigkeitserklärung Bulgariens gebeten.
Die in französischer und italienischer Sprache erscheinende Zeitung „La Turquie“ veröffentlicht ein Interview mit dem Minister des Aeußern, der, dem „K. K. Tele⸗ graphen⸗Korrespondenzbureau“ zufolge, erklärte, seine Ansichten seien nicht pessimistisch, der Krieg sei nicht unvermeidlich. Die Türkei wünsche den Frieden ; die Pforte erwarte die Note, die die Mächte nach Sofia richten werden; bis dahin müsse sie in strikter Reserve bleiben. 4
— Der bösterreichisch⸗ungarische Botschafter in Konstanti⸗ nopel hat, nach einer Meldung der „Neuen Freien Presse“, gestern der Pforte eine Note überreicht, in der amtlich mit⸗ geteilt wird, daß der Kaiser Joseph die Sou⸗ veränitätsrechte auf Bosnien und die Herzegowina ausdehnt. Ferner wird mitgeteilt, daß die Konvention vom 21. April 1879 und die Nachtragskonvention, durch die dem Sultan gewisse Rechte in Bosnien vorbehalten wurden, ge⸗ kündigt werden.
Rumänien.
Das Amtsblatt veröffentlicht ein Bulletin, das die seit einiger Zeit umlaufenden beunruhigenden Gerüchte über den Gesundheitszustand des Königs als unrichtig bezeichnet und erklärt, daß die Gesundheit des Königs beständig fort⸗ schreite. Der Monarch habe in der ganzen letzten Zeit nicht aufgehört, mit seinen Ministern zu arbeiten.
Serbien.
Gestern nachmittag hat vor dem Nationaltheater in Belgrad ein Protestmeeting gegen die Alnnexion Bosniens und der Herzegowina durch Oesterreich⸗ Ungarn stattgefunden, an dem etwa 20 000 Personen teil⸗ nahmen. Die Redner wurden wiederholt von stürmischem Bei⸗ fall und Rufen, wie: Hoch die serbischen Länder Bosnien und die Herzegowina! Nieder Oesterreich⸗Ungarn! Krieg Oesterreich⸗ Ungarn! Nieder Bulgarien! unterbrochen. Das Meetin nahm einstimmig eine Resolution an, in der nach einer Mel⸗ dung des „K. K. Telegraphen⸗Korrespondenzbureaus“ erklärt wurde:
Die Versammlung sei sich des Ernstes des bevorstebenden Aktes bewußt, das serbische Volk müsse und werde zum Widerstande bereit sein, der der Ausfluß einer gerechten Notwehr sei. Auch wenn die Simatarmächte des Berliner Vertrages dessen Verletzung zulassen sollten, so werde Serbien dies niemals tun. Die Versammlung fordert die serbische Regierung angesichts des vollendeten Aktes auf, selbst die energischesten Maßnahmen zu treffen. Die Belgrader Bürger stellen ihr zu diesem Zwecke im Namen des ganzen serbischen Volkes Leben und Eigentum zur Verfügung.
Die Teilnehmer der Versammlung begaben sich darauf unter Vorantragen serbischer und türkischer Fahnen nach dem Ministerium des Aeußern, wo die Resolution überreicht wurde.
An maßgebender Stelle wird erklärt, daß Serbien, das an der Herbeiführung der Ereignisse in Bulgarien nicht be⸗ teiligt gewesen, zunächst deren weitere Entwicklung abwarten werde. Hierbei werde, obiger Quelle zufolge, nicht ver⸗ hehlt, daß dieser Entwicklung mit' ernsten Besorg⸗ nissen entgegengesehen werde, da in dem Fale daß serbisch⸗nationale Interessen berührt würden, die serbische Re⸗ gierung den Empfindungen des serbischen Volks Rechnung tragen müßte. Gegenwärtig sei die Regierung darauf bedacht, vorzusorgen, daß Kundgebungen der Bevölkerung im Rahmen der Ruhe und Ordnung bleiben. Eine weitere Vorsichts⸗ maßregel bestehe in der durch einen Königlichen Ukas ver⸗ fügten Einberufung der Reservemannschaften. Diese An⸗ ordnung habe sich als um so notwendiger erwiesen, als am 14. d. M. der größte Teil der Präsenzmannschaft beurlaubt werden sollte. Andererseits habe sich bei den gestrigen Manifestationen gezeigt, daß die Besorgnis vor der Annexion Bosniens und der Herzegowina die stärkste Erregung bei der Bevölkerung hervorrufe. Die Regierung habe deshalb vorsorgen müssen, um durch Erhöhung der Truppenkadres für alle die Staatsgewalt voll in den Händen zu be⸗
alten.
Auf Beschluß des Ministerrats werden die Manöver bei Sopot nicht abgebrochen. Der König Peter hat sich gestern
früh in das Manövergelände begeben.
Bulgarien.
Die bulgarische Regierung hat die amtliche Anzeige der Proklamierung des Königreichs allen diplomatischen Vertretern der fremden Staaten übermittelt. Die Notifizierung der Proklamation enthält die Erklärung, daß die letzten türkisch⸗bulgarischen Differenzen die Proklamation zu einer
Notwendigkeit gemacht hätten.
Die „Agence Bulgare“ ersucht um Richtigstellung eines Satzes im Tirnowoer Manifeste, der fehlerhaft über⸗ mittelt worden ist. Die betreffende Stelle lautet richtig: „Tatsächlich unabhängig, ist das Land doch in seiner natürlichen und fredlichen Entwicklung gehemmt durch Bande, deren förmliche Zerreißung die Spannung zwischen Bulgarien und der Türkei be⸗
seitigen wird.“
8
8 8
89
lehnt, sich bei der Audienz
wohner
zahlreiche andere verwundet. “
Heer sowie den Behörden
Nachrichten aus der Provinz besagen, „W. T. B.“ zu⸗ folge, daß die Bevölkerung überall die Meldung von der Pro⸗ klamation mit großer Begeisterung aufgenommen und dem 1 vationen dargebracht hat. Gestern vormittag wurde auf dem Marsfelde in der Nähe der Haupt⸗ stadt ein Tedeum abgehalten, nach dem der Militärkommandant vor den Truppen das Manifest verlas. Hierauf defilierten
die Truppen und Logen auf dem Rückmarsche nach der Stadt
vor das fürstliche
alais, wo sie der Fürstin und ihren Kinder huldigten. 3
Der in Peking eingetroffene Dalai⸗Lama hat es abge⸗
eim Kaiser den vorgeschriebenen chen Zeremonien zu unterziehen. Infolgedessen hat,
„W. T. B“ zufolge, die Audienz gestern nicht stattgefunden.
Afrika.
Einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge haben die Be⸗ von lhuzemas und Beni Urriagues Marokko) vorgestern die dem Roghi ergebene Ortschaft enisidel angegriffen, vierzehn Personen getötet und
1
—
Koloniales.
8 .“ Kameruner Nutzhölzer.
Die Arbeiten des Kameruner Holzsyndikats (L. Scholz, Berlin, Potsdamer Straße 10/11) sind nunmehr, wie die Deutsche Kolonial⸗ gesellschaft mitteilt, so weit gediehen, daß man sich jetzt schon ein ziemlich zuverlässiges Bild von dem Wert und der Verwertungs⸗ möglichkeit der Kameruner Hölzer machen kann.
Die verschiedenen Holzproben, etwa 40 an Zabhl, sind von der Berliner Tischlerschule mit großer Sorgfalt verarbeitet worden, und man hat damit den Beweis liefern können, daß sich die meisten der Hölzer hervorragend zu Furnierarbeiten eignen, was man bisher wegen der Härte und der daraus folgenden schweren Bearbeitungsfähigkeit bezweifelte. Die hergestellten Proben lassen die Farbenpracht, die selten schöne Maserung, den eigenen seidenartigen Glanz der Hölzer “ Proben hat fefigestellt, daß sich
urch angefertigte Proben hat man ferner festgestellt, da
die Hölzer auch zu feineren Drechslerarbeiten sehr gut verwenden lassen. Die von der „Patent⸗Parkett „Aquacert“⸗Gesellschaft“ ange⸗ fertigten Muster für Parkettböden, die sehr geschmackvoll in Form und Farben zusammengestellt sind, werden die bisher dazu verwandten v2 (Eiche) bald verdrängen, da sie selbst dem verwöhntesten Ge⸗ chmack Rechnung tragen und durch ihre Härte und Festigkeit eine be⸗ deutend längere Haltbarkeit versprechen.
Die Behörden sind nun auch der Verwendung der Hölzer aus unserer Kolonie nähergetreten, indem der Eisenbahnfiskus und das Reichsmarineamt (für die Schiffswersten) die Hölzer durch ihre Sach⸗ verständigen begutachten ließen und verschiedene Sorten herausgefunden haben, die sich voraussichtlich sehr gut für ihre Zwecke eignen. Das Kameruner Holzsyndikat ist mit vielen größeren industriellen Unter⸗ nehmern in Verbindung getreten, die sich ebenfalls großen Nutzen von den genannten Hölzern für ihre verschiedenen Zwecke versprechen und im Begriff sind, größere Versuche anzustellen.
Ueber 25 Hölzer liegen von einem ersten Fachmann und Sach⸗ verständigen Gutachten vor, nach denen man der Verwertung Kameruner Hölzer ein vorzügliches Prognostikon stellen kann, zumal man auch hinsichtlich des Preises mit in⸗ und ausländischen Hölzern von derselben Güte konkurrieren kann. .
Es ist sehr erfreulich, daß das Kameruner Holzsyndikat weder Mühe noch Kosten gescheut hat, um die Vorarbeiten zu machen, die nötig sind, um die Einführung der Hölzer auf dem europäischen Markt und damit eine Verwertung der bisher brachliegenden un⸗ ermeßlichen Holzschätze Kameruns in die Wege zu leiten.
Parlamentarische Nachrichten.
Bei der Reichstagsersatzwahl am 2. d. M. für Königsberg 1 Men. sind nach amtlichen Er⸗ mittelungen insgesamt 14 484 gültige Stimmen abgegeben worden. Es haben der Geheime Regierungsrat a. D. Schwabach (natl.) 9710, Buttkereit (kons.) 2912 und Hofer (Soz.) 1851 Stimmen erhalten. Zersplittert waren 11 Stimmen.
Statistik und Volkswirtschafft.
Die festst ihenden und die beweglichen Dampfkessel,
Dampfmaschinen und Dampffässer im preußischen Staate nach einzelnen Gewerbegruppen am 1. April 1907.
Im Königlich preußischen Statistischen Landesamt ist eine um⸗
g fangreiche Aufbereitung der von den Dampfkessel⸗Ueberwachungsver⸗
einen und den sonstigen Ueberwachungsbehörden gelieferten Kataster⸗ blattangaben über Dampfkessel, Dampfmaschinen und Dampffässer abgeschlossen worden, deren Hauptergebnisse, getrennt nach den einzelnen Gewerbegruppen, in einer Sondernummer der „Stat. Korr.“ vom 5. d. M. enthalten sind.
Nach der ersten der dort gegebenen tabellarischen Uebersichten waren am 1. April 1907 in Preußen 77 172 feststehende Dampfkessel mit 134 869 qm Rost⸗ und 4 874 239 qm Heizfläche vorhanden; die Zahl der feststehenden Dampfmaschinen betrug 83 074, ihre Leistungs⸗ fähigkeit 5 173 309 Pferdestärken. Ueber die Hälfte der Gesamt⸗ leistungsfähigkeit der Dampfmaschinen, 2 653 947 Ps, entfällt auf den Bergbau sowie das Hütten⸗ und Salinenwesen, von deren Haupt⸗ untergruppen die Steinkohlenindustrie allein Maschinen von 1 185 157 PS für üea- Betrieb brauchte, während auf die Eisen⸗ und Stahlwerke, Hochöfen usw. 1 104 551 PS trafen. Uater den anderen Industrien ist die der Nahrungs⸗ und Genußmittel mit 510 703 PS ver⸗ treten; die Verfertigung von Maschinen, Werkzeugen, Instrumenten usw. beanspruchte 428 458, die Textilindustrie 369 935, die Industrie der Steine und Erden 307 988 PS. Trennt man die Industrien nach Produktions⸗ und nach Konsumtionsmittelindustrien, so kann man annehmen, daß wohl ¹bis ꝛâ der Leistungsfähigkeit aller feststehenden Dampfmaschinen auf die Produktionsmittelindustrien entfällt, nur ¼ bis t auf diejenigen Industrien, die als Nahrungsmittel⸗, Textil⸗, Be⸗ kleidungs⸗, —— und Lederindustrie unmittelbar menschliche Ver⸗ brauchsgegenstände erzeugen oder, wie die Industrie der Steine und Erden, die chemische Industrie und die Industrie der Holz⸗ und Schnitzstoffe, beiden Zwecken dienen.
Eine zweite Uebersicht der amtlichen Veröffentlichung gibt die Zahlen der Schiffs⸗Dampfkessel und Dampfmaschinen, getrennt nach Binnen⸗ und Seeschiffen sowie Gewerbegruppen, an. Es waren am 1. April 1907 in Preußen 2027 Dampfschiffe für die Binnenschiffahrt mit 2310 Dampfkesseln und 267 756 Pferdestärken vorhanden. Die Zahl der Seedampfer betrug nur 612, die der zugehörigen Pferde⸗ stärken jedoch 222 096, sodaß auf einen Seedampfer 363, auf einen Flußdampfer nur 132 PS. im Mittel entfielen, wobei die Leistungen der Hilssmaschinen außer Betracht geblieben sind.
1 8 Zur Arbeiterbewegung.
Sämtliche Textilfabriken in Münchenbernsdorf 1eSer n. wie der „Köln. Ztg.“ aus Halle gemeldet wird, wegen Streitigkeiten mit ihren Arbeitern am 19. Oktober ihre Betriebe.
Der Ausstand der Hafenarbeiter in Santos ist, wie der „Voss. Ztg.“ aus Rio de Janeiro telegraphiert wird, beendet.
Ftrrent⸗ Kuust und Wissenschaft.
Die Oktobernummer der „Amtlichen Berschte aus den Königlichen Kunstsammlungen“, die wieder sehr reich illustriert ist, gibt Nachricht
von einer größeren Anzahl wertvoller Neuerwerbungen der hiesigen
Königlichen Museen. Zu der Madonnenfigur in bemaltem Ton vom Unterrhein, über deren Erwerbung für das Kaiser Friedrich⸗ Museum an dieser Stelle bereits berichtet wurde, sind noch zwei weitere Madonnen, süddeutscher Herkunft, die aus dem 15. Jahrhundert stammen dürften, hinzugekommen. Die iguren sind in etwa drei Viertel Lebensgröße gehalten und in den ormen von einander wesentlich verschieden. Beide Figuren sind yerischen Ursprungs. Zwei andere, in Stein ausgeführte Figuren, die gleichfalls ins Kaiser Friedrich⸗-Museum gelangt sind und den ersten Jahrzehnten des XV. Jahrhunderts angehören, zeigen den frischen, frohlichen Natursinn der bayerischen Kunst jener Zeit. Die eine dieser Figuren ist ein jugendlicher knieender Engel, der mit beiden Händen ein breites Spruchband hält, die andere ist eine Maria, die im linken Arm das nackte Christus⸗ kind emporhält. Die Gewandung der Maria, namentlich die tiefen Falten des Obergewandes, das den ganzen Körper verhüllt, erinnert in ihrem großzügigen Charakter an die französischen Gewandfiguren
usführung des Engels namentlich wegen des Materials, des
des ausgehenden XIII. Jahrhunderts. Die dagegen wirkt etwas herber,
Kalksteines, der unter den dürftigen Resten der ursprünglichen Be⸗
malung in seiner harten, scharfen Bearbeitung sichtbar wird Gleichfalls bayerischen Ursprugs sind zwei Holzfiguren aus dem XVI. Jahrbundert. Eine Pietà aus der Gegend vom Chiemsee fällt aus der Reihe der bäuerischen Gestalten der bayerischen Plastik jener Zeit gänzlich heraus. Sie zeichnet sich aus durch eine ernste, vornehme Auffassung, edle Formen und einen großen, freien Faltenwurf. Zwei andere Holz⸗ figuren in halber Lebensgröße zeigen die heilige Dorothea und Agnes. Es sind Flachreliefs aus dem Anfang des XVI. Jahrhunders und in Niederbayerf entständen.
„Die Gemäldegalerie erwarb als Geschenk ein Bild des frühen florentinischen Quattrocento, das nicht durch den eigenen künstlerischen Wert, sondern kraft seiner Zugehörigkeit zu zwei Meister⸗ arbeiten von Bedeutung ist, die schon seit Jahrzehnten sich im der Galerie befinden. Das neuerworbene kleine Tafelbild ist nämlich das dritte, bisher fehlende Stück der Predella von Masoccios pisanischem Altarwerk. Im Gegensatz zu den beiden ersten 1880 nach Berlin gekommenen Stücken (Anbetung der Könige und Martyrium Petri und des Täufers), die eigen händige Arbeiten Masoccios sind, ist dieser dritte Teil von einem Gehilfen des Meisters ausgeführt, einem gewissen Andrea di Giusto. Das Bild, wie die beiden Meisterarbeiten auf Pappelholz ist 0,22 m hoch und 0,62 m breit und stellt Szenen aus der
egende der heiligen Julianus und Nikolaus dar. Links ist dar⸗ gestellt, wie Julianus, im Glauben die treulose Gattin zu strafen, die eigenen Eltern mordet, im Mittelfelde die Aufklärung des unheilvollen Irrtums und rechts die Beschenkung dreier mitgiftsloser Mädchen durch den heiligen Nikolaus.
Das Kunstgewerbemuseum kaufte einen Evangelien⸗ buchdeckel aus Limusiner Kupferschmelz an, der sich früher unter den Schätzen des Trierer Klosters St. Maximin befand. Das Stück ist 24 cm hoch und 14 em breit und sowohl in den Schmelzfarben wie in der starken Vergoldung sehr gut erhalten. Der Deckel gehört noch dem 12. Jahrhundert, also der Blütezeit Limoges', als die dortigen Werkftätten noch keine Handelswaren in ständiger Wiederholung der Motive darstellten, an. In Zeichnung und Technik zeigt der Deckel die Einflüsse der Maas⸗Schule, deren Führer Godefroi de Claire um 1150 für den Abt Suzer in St. Denis arbeitete. Das gemeinsame Kennzeichen dieser Limusiner Gruppe sind fein gravierte Arabesken, die dicht gedrängt den vergoldeten Grund der Bilder bis in die letzten Winkel hinein ausfüllen. Davon heben sich die Figuren in farbigem Grubenschmelz ab; die Gewänder dunkel⸗ blau, hellblau und kupfergrün, an den Faltenrändern hellblau und gelb abschattiert. Daneben sind zwei Rot, braun, gebrochenes Weiß und Taubengrau verwendet. Die Gattung, von der M. Marquet de Vasselot an 70 Stück nachgewiesen hat, umfaßt die Hauptwerke von Limoges, darunter die großen Altäre von Burgos und San Miguel in Excelsis in Spanien. Deutschland besitzt in den Museen von München und Darmstadt und in der Kirche von Zell a. d. Mosel namhafte Beispiele; in der für das XIII. Jahrhundert recht ansehnlichen Limogessammlung des e nne. Kunstgewerbemuseums war die Gattung bisher noch nicht vertreten.
Für die Ausstattung des neueingerichteten Saales der süddeutschen und alpinen Gotik erwarb das Kunstgewerbemuseum einen gestickten Wandteppich aus dem Jahre 1524 oder 1534, der fenber der Sammlung von Hefner⸗Alteneck in München gehört hat. Der 2,65 m hohe und 2,33 m breite Teppich zeigt die Allianzwappen der Reichlin von Meldegg und der Sternhaus eingestickt; er war also wohl als Hochzeitsgabe angefertigt. Im Mittelfeld ist die Hochzeit des Tobias dargestellt. Das Brautpaar kniet betend in der Schlafkammer, durch den Erzengel Raphael vor dem bösen Geiste Asmodi beschützt. Durch das Fenster sieht man den Brautvater Raguel, wie er das für seinen Schwieger⸗ sohn voreilig aufgeworfene Grab wieder zuschaufelt. Die von Kränzen und Spruchbändern umzogenen Eckfelder zeigen Esther und Ahasverus, Judith und Holofernes, David und Abigail, Hagar, Sara und Abraham. Den Grund füllt dichtes Rankenwerk, dem die Renaissance, obschon sie der Bilder sich bereits bemächtigt hat, noch nichts anhaben konnte. Die ganze Stickerei ist auf schwarzem Tuch mit bunten Wollfäden ausgeführt in einer ungemein sicheren Technik, die den schwarzen Grund geschickt zur Modellierung verwertet Wund die Zeichnung durch die zr . der Stiche zu heben versteht. Die eee ist in Textur und Farben gleich gut; nur die in schwarzer Wolle ausgeführten Inschriften sind ausgefallen. Aus diesem Grund ist nicht mehr deutlich zu erkennen, ob die Jahreszahl 1534 oder 1524 lautete. Ein dem Reichlinteppich sehr ähnliches Exemplar von 1525, das vor etwa zwölf Jahren nach Amerika verkauft wurde, trug die Wappen zweier Züricher Familien, während ein anderes Stück unseres Kunstgewerbemuseums, das offenbar derselben Werkstatt wie das neu erworbene angehört, die Wappen einiger Familien der Ostschweiz und des Oberrheins aufweist. Einige Teppiche und gestickte Decken dieser Art sind im XVI. Jahrhundert in Zürich angefertigt worden, so z. B. von den Töchtern des Reformators Heinrich Bullinger, die sich wegen ihrer Kunstfertigkeit im Wirken und Sticken eines großen Rufes erfreuten und für deutsche Ade familien Arbeiten dieser Art auf Bestellung geliefert haben. Wahr⸗ scheinlich sind auch die Berliner Stücke aus einer Züricher Werk⸗ statt hervorgegangen.
Im Münzkabinett hat die Sammlung arabischer Glas⸗ stempel eine bedeutende Vermehrung erfahren. Diese Stempel sind aus grünem, manchmal auch braunem oder blauem Glasflusse und wurden in den ersten Jahrhunderten der mohammedanischen Herrschaft in Aegypten hergestellt und gebraucht. Der Text ist in kufis Schrift eingepreßt. Verwendet wurden die Stempel zunächst als Eich⸗
stempel an gläsernen Gefäßen. Der Oist (= Storye, sextarius, das
antike Hohlmaß) ist das Normalmaß, und die Stempel tragen die Bezeichnung ganzer, halber oder viertel Oist. Oft ist auch der Inhalt, den das Gefäß aufnehmen soll, angegeben: Oel, geröstete Erbsen, Linsen, Datteln ꝛc. Andere Stempel dienten als Münzgewichte, um im Handelsverkehr die Vollwichtigkeit der kur⸗ sierenden Münzen festzustellen, andere direkt als Gewichte im Klein⸗ handel. Außer den sachlichen Angaben enthalten die Stempel oftmals noch die Jahreszahl oder Personennamen: des Statthalters, des
Steuerbeamten oder Eichmeisters. Einige tragen dagegen nur den
Namen “ Hotiemfbischer Ferrscher dohns, kede Seer. Sveg⸗ ezeichnung, und es ha islang noch nicht mit S t fest⸗ stellen lassen, welchem Zwecke sie gedient haben.
In München starb im Alter von 66 Jahren der Universitäts⸗ professor, Hofrat Dr. Friedrich Bezold. In Rothenburg o. T. geboren, studierte Bezold in München, eer Erlangen, Wien und Berlin und war seit 1877 an der Münchener ÜUniversität als Pro⸗ fessor tätig, nachdem er kurze Zeit der Universität Würzburg als Privatdozent angehört hatte. Sein Spezialgebiet war das der Ohren⸗ heilkunde; zugleich war er einer der angesehensten und bekanntesten Taubstummenärzte Deutschlands. öIIII1I1161“
Beim Wiederaufbau der im Sommer niedergebrannten Ortschaft Zirl bei Innsbruck stießen Arbeiter auf verschiedene Funde aus der Römerzeit, die die Vermutung nahe legen, daß an dieser Stelle einst ein römischer Urnenfriedhof bestand. Die Funde, die, wie der „Voss. Ztg.“ gemeldet wird, zum Teil vorzüglich erhalten sind, be⸗ stehen aus einer kunstvoll gearbeiteten Haarnadel, zwei Fibeln, einem prächtigen Armreif, mehreren Lanzenspitzen und einer großen und reich ziselierten Gürtelschließe. Auch verschiedene Betgeshe zu Urnen und zahlreiche Urnenstücke, die wie die meisten Fundstücke in Bronze ge⸗ arbeitet sind, wurden gefunden. Diese Gegenstände Innsbrucker Museum Ferdinandeum übergeben werden.
werden dem
1
Mangan⸗
1.