1909 / 17 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 20 Jan 1909 18:00:01 GMT) scan diff

die Aufgabe des Reichs ist, diese Materie in die Reichsgesetzgebung einzubeziehen. Ein früherer Förster wie Colander führt die Direktion über diese Erziehungsanstalt in einer geradezu wahnsinnigen Weise. Es handelt sich hier nicht um eine Vetterschaft, sondern um eine Vaterschaft, denn der eigene Vater hat Colander ernannt. Was den Fall der Giete Beier betrifft, so handelt es sich um eine Fegt⸗ Verletzung des Reichsgesetzes bei der Zulassung des ublikums, und der Vertreter der sächsischen Regierung bat dem Abg. Frank recht gegeben. Selbst wenn nur hundert Zu⸗ Ene erschienen waren, so blieb es immer noch ein grober Unfug. as hat die sächsische Regierung getan, um in Zukunft solche Fälle zu verhindern, und was ist gegen den Schuldigen geschehen? Im vorigen Jahre hat der Abg. Stadthagen von einer Klassenjustiz auch in Zivilsachen gesprochen. Das „Hamburger Echo“ hat in einem be⸗ stimmten Fall sich selbst wegen Uebertreibung getadelt. Ein Uebel⸗ stand im Geschäftsleben ist, daß die Vertreter der Abzahlungs⸗ geschäfte das platte Land überschwemmen. Sie lassen einen Vertrag unterschreiben, wonach der Erfüllungs⸗ oder Verhandlungsort für diese kleinen Leute eine Großstadt ist. Die armen Leute können dann oft nicht bezahlen, sie bekommen eine Klage zugestellt und sollen von Lüneburg nach Hamburg zur Verhandlung kommen. Sehr häufig haben sie nicht die Mittel, hinzufahren, dann werden sie kontumaziert. Die Sache würde aus der Welt geschafft, wenn für das Forum solcher Klagen der Wohnsitz des erklärt würde. Was den Fall des Fürsten Eulenburg betrifft, so hat ein Teil der Presse den Angeklagten während des Prozesses verteidigt, ein anderer nicht. In England besteht die Bestimmung, daß die Presse nicht das Recht hat, ehe die Entscheidung getroffen ist, eine derartige Kritik zu üben, die die öffentliche Meinung und das Gericht irgend wie beeinflussen könnte. Es wäre sehr gut, wenn wir eine derartige Bestimmung, die contempt of court auch bei uns hätten. Der Abg. Frank hat auch auf eine Aeußerung des Fürsten Bülow im Abgeordnetenhaus hingewiesen. Wir werden doch erst abzuwarten haben, wie diese Aeußerungen tatsächlich gelautet haben. Ich traue dem Fürsten Bülow Ausnahmegesetze nicht zu, muß aber sagen, daß wir unsererseits Ausnahmegesetzen nie justimmen würden.

Abg. von Diiembowski⸗Pomian (Pole): Sind denn die Polengesetze des Fürsten Bülow keine Ausnahmegesetze? Dem Staats⸗ sekretär bemerke ich, daß die Gerichte nur in wenigen Fällen abhelfen können, wenn die Standesbeamten in bezug auf die Namensschreibung Mißgriffe machen. Das Richtige wäre, wenn Preußen an sämtliche Standesämter die Anweisung erließe, daß diese das Reichsgesetz zu beachten haben. Neu war mir, zu hören, daß Preußen nach der Aeußerung des Staatssekretärs, bevor es ein neues Gesetz erläßt, das Reichsjustizamt fragt, ob das beabsichtigte Gesetz mit den Reichs⸗ gesetzen übereinstimmt. Mit vielen meiner politischen Freunde bin ich der Meinung, daß das Ansiedlungsgesetz und andere Gesetze dem Sinn und Geist der Reichsgesetzgebung widersprechen.

Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Nieberding: —Meine Herren! Ich möchte in die letztere Frage hier nicht wester eingehen. Es ist hier nicht die richtige Gelegenheit und das hohe Haus hat auch nicht Zeit dazu, heute die schwierige Frage zu prüfen, ob bei dem Erlaß der agrarpolitischen Gesetze, die Herr von Dziem⸗ bowsli soeben erwähnt hat, Reichsgesetze verletzt worden sind oder nicht. Wir haben auf dem Standpunkt gestanden, daß eine Ver⸗ letzung von Reichsgesetzen nicht stattgefunden hat. Das Reichsjustiz⸗ amt ist natürlich bereit, die Verantwortung zu tragen, die sich an dieses sein juristisches Gutachten knüpft.

Was aber die andere Frage betrifft von der Eintragung und der gerichtlichen Kontrolle der standesamtlichen Vermerke, so, glaube ich, ist der Herr Vorredner doch etwas um die Sache herumgegangen. Es steht fest, daß gegen die Verfügungen des Standesamtes, durch welche eine Eintragung abgelehnt oder nach der Meinung der inter⸗ essierten Teile nicht richtig bewirkt wird, eine Beschwerde zulässig ist kraft Reichsgesetzes an das Landgericht, und wenn dieses dem Wunsche des Beschwerdeführers nicht stattgibt, an das Oberlandes⸗ gericht, in Preußen an das Kammergericht. Derartige Entscheidungen sind so zahlreich ergangen, daß man wirklich nicht sagen kann, die Entscheidungen auf diesem Gebiete würden lediglich von seiten der Verwaltung kontrolliert, und daß, wenn falsche Eintragungen erfolgten, die Verantwortlichkeit nur die Verwaltungsbehörden träfe. Solange die Gerichte mitzuwirken haben und die standezamtlichen Maßnahmen anerkennen, bleibe ich dabei, können Sie, meine Herren, der Ver⸗ waltung nicht vorwerfen, daß sie sich durch Nichtachtung reichsgesetz⸗ licher Vorschriften vergangen hätte.

Der Herr Vorredner hat aber zur Erläuterung seines Stand⸗ punktes einen Fall angeführt, der mir zufällig auch bekannt ist. Er ist allerdings vor einigen Jahren geschehen, ich glaube ihn aber noch, soweit nötig, in der Erinnerung zu haben; da handelte es sich nun darum, daß ein Name einer polnischen Ehefrau eingetragen werden sollte. Der Name hätte eingetragen werden sollen mit der Schlußsilbe ka“, oder vielmehr der Standesbeamte war he⸗ rechtigt und verpflichtet, dem Wunsche der Interessenten nachzugeben, den Namen mit „ka“ statt mit „ki“ einzutragen. Der Standes⸗ beamte hat den Namen welche Gründe für ihn bestimmend waren, weiß ich nicht mehr aber mit ki“ eingetragen. Dagegen erhob die Partei Widerspruch, und die Sache kam bis an das Kammergericht. Dieses hat dahin erkannt: es sei allerdings richtig: den Namen köane man eintragen mit „ki“ oder mit „ka“ Kaminski oder Kaminska; aber wenn die dafür gesetzten Bedingungen zuträfen, dann solle er eingetragen werden mit der weiblichen Endung „ka“. Wenn das in diesem Falle, trotzdem die dafür gesetzten Bedingungen vorliegen, nicht geschehen sei, so könne das keinen Anlaß geben, die Eintragung rück⸗ gängig zu machen; denn richtig sei sie an und für sich. Aber der be⸗ treffende Standesbeamte mache sich disziplinarisch verantwortlich, wenn er die für ihn maßgebenden Vorschriften dabei nicht be⸗ obachtet habe.

Das ist der einzige Fall, der mir in der Richtung bekannt ist. Ich glaube, der Herr Vorrednex kann sich auf diesen Fall wirklich nicht berufen, um seinen Standpunkt aufrecht zu erhalten.

Abg. Dr. Marcour (Zentr.): Bezüglich des § 18, 2 des Urbeber⸗ rechtsgesetzes kann ich den Beschwerden, die der Abg. Dr. Ablaß vorgetragen hat, nur durchaus zustimmen. Das Urheberrecht von 1901 hat in gewiß dankenswerter Weise den Schutz des geistigen Eigentums erweitert; es hat auch für die Tagespresse einen erweiterten Schutz für die Verfasser herbeiführen wollen. Aber schon bei der Beratung des Entmurfs wurden im Hause Befürchtungen laut, daß sich die auf den Nachdruck bezüglichen Bestimmungen in der Praxis nicht bewähren würden, und diese Befürchtungen sind von Jahr zu Jahr, ja von Tag zu Tag mehr zur Wahrheit geworden. In der Tendenz des Gesetzes sind alle Verleger und Redaktionsschriftsteller einverstanden SSr. Arbeit soll bezahlt werden, das verlangt das Ansehen der Presse, wie des Autors und des Journalisten. Anderseits aber dürfen Verleger und Redakteure auch Schutz verlangen gegen gewisse sogenannte Autoren. Es hat sich eine wahre Autorengilde herausgebildet, die nicht Schutz vor Nachdruck, sondern nichts sehnlicher wünscht, als daß nach⸗ gedruckt wird, damit ihre Honorare sich vervielfältigen. Ich kenne eine mittlere Zeitung, welche die Kosten, die ihr dieser Mißbrauch verursacht, auf mindestens 1000 jährlich schätzt. Die Gerichts⸗ entscheidungen bis zum Reichsgericht hin sind in dieser Beziehung

hen ; daher k ediglich von er Aenderung der erwähnten

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gesetzlichen Bestimmungen selbst Abhilfe erwartet werden, sonst bleibt dieses Damoklesschwert auch über den gewissenhaftesten Ver⸗ legern und Redakteuren hängen; denn die Streitigkeiten zwischen den Herausgebern von Korrespondenzen und den Zeitungen reißen nicht ab, und es ist eine Rechtsunsicherheit eingerissen, die gewisse Herausgeber solcher Korrespondenzen sich direkt zu nutze gemacht haben, ja es hat sich ein wahres Preßpiratengewerbe herausgebildet. Es lassen sich dafür allerlei schlimme Beweise anführen, auch Fälle, wo mit gestohlenen oder abgeschriebenen Artikeln und Korrespondenzen operiert worden ist.

Abg. Heine (Soz.): Der sächsische Bundesbevollmächtigte meinte, die Boykottangelegenheiten gingen die Justtz nichts an. Das ist nicht richtig; sie mögen die Justizverwaltung nicht un⸗ mittelbar betreffen, aber die Justiz gehen sie sehr wohl an. Ich nannte die betteffenden Polizeiverordnungen gegen Fe ungesetzlich; da wurde mir geantwortet, ich solle doch erst die Ent⸗ scheidung der obersten Gerschte abwarten. Inzwischen hat das sächsische Oberlandesgericht diese Verordnung für rechtsgültig erklärt. Das ist eine Auflehnung gegen das Reichsgericht und gegen die Reichsgesetze. 1

Abg. von Ditembowski⸗Pomian (Pole) erinnert den Staats⸗ sekretär an den Gang der Beratung über das Bürgerliche Gesetzbuch und verweist auf die sachlich nicht zutreffende Entscheidung des Kammer⸗ gerichts, um die Notwendigkeit der Abhilfe bezüglich der Schreibung der weiblichen polnischen Familiennamen nochmals zu betonen. Das Kammergericht habe gesagt, die Schreibung eski sei richtig, die Schreibung „ska sei nicht falsch, aber es könne doch keine doppelte Schreibweise eines Namens geben. 8

Abg. Stadthagen (Soz.) erhält nach 5 ½ Uhr unter großer Un⸗ ruhe des Hauses das Wort. An einer Reihe von Beispielen sucht er wiederum darzutun, daß die deutsche und preußische Justiz Klassen⸗ justiz sei. Er knüpft an seine vorjährigen Ausführungen über den Prozeß gegen die streikenden afenarbeiter in Hamburg an und polemisiert gegen den Abg. Heckscher, der das gegen die guten Sitten verstoßende Urteil des Hamburger Landgerichts verteidigt habe.

Damit schließt die Diskussion.

Das Ordinarium der Ausgaben des Reichsjustizamts wird mit den kleinen Abstrichen, welche die Budgetkommission vor⸗ genommen hat, bewilligt, ebenso ohne Debatte die Ausgaben für das Reichsgericht, das Extraordinarium und die Ein⸗ nahmen des Etats der Reichsjustizverwaltung, alles durchweg nach den Vorschlägen der Budgetkommission.

In .. Lesung wird die Novelle zum Wechsel⸗ stempelsteuergesetz im einzelnen ohne Debatte unverändert nach der Vorlage angenommen. Nach einem Antrage Dove (fr. Vgg.) wird das Gesetz am 1. April 1909 in Kraft treten.

Es folgt die dritte Beratung des Gesetzentwurfs, be⸗ beffinh die Preisfeststellung beim Markthandel mit Schlachtvieh. Die dazu eingegangenen 15 Petitionen sollen neg die Beschlußfassung über die Vorlage für erledigt erklärt werden.

Ohne Debatte wird die Vorlage nach den Beschlüssen zweiter Lesung endgültig angenommen.

Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

Schluß nach 6 Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr. (Schwerinstag: Antrag Albrecht wegen Regelung des Vertrags⸗ verhältnisses der land⸗ und forstwirtschaftlichen Arbeiter und des Gesindes mit den Arbeitgebern durch Reichsgesetz.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

1 Sitzung vom 19. Januar 1909, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Das Haus setzt die erste Beratung der Gesetzent⸗

würfe, betreffend die Feststellung des Staats⸗

haushaltsetats für das Etatsjahr 1909 und die Er⸗ gänzung der Einnahmen in diesem Etat, in Ver⸗ bindung mit der ersten Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Deckung von Ausgaben des Rechnungs⸗ jahres 1907, fort.

Abg. Dr. Wiemer (fr. Volksp.): Es ist sicherlich angenehmer, mit einem Etat, der von Ueberschüssen spricht, vor die Volksvertretung zu treten, als mit einem Etat, der mit hoben Fehlbeträgen auf der ganzen Linie abschließt. Das Etatsjahr 1907 schloß mit einem Fehlbetrage von 70,8, 1908 schließt mit einem solchen von 165 Millionen ab, und der neue Etat für 1909 soll mit einem Fehlbetrag von 156 Millionen abschließen. Ich kann mich aber doch des Eindrucks nicht erwehren, daß der Finanzminister ein wenig Schwarzmalerei getrieben hat. Herr von Miquel hielt ja auch aͤhnlich abgetönte Reden, um Stimmung für seine neuen Steuerpläne zu machen. Die Hauptursache für die ungünstige Finanzlage ist in den enormen Schwankungen der Ein⸗ nahmen der Eisenbahn zu suchen. Der Finanzminister hat hervor⸗ gehoben, daß ein Staat wie Preußen, der sich zum Träger der höchsten wirtschaftlichen Aufgaben gemacht hat, insbesondere des Be⸗ triebes der Eisenbahn, durch die wechselnden Konjunkturen des Wirtschaftslebens aufs empfindlichste berührt wird. Wenn der Finanzminister die Eisenbahnverstaatlichung als eine der größten Taten Bismarcks pries, so hat er doch selbst hervor⸗ ehoben, daß infolgedessen 1.b Schwierigkeiten bei wirt⸗ schaftlich wechselnden Konjunkturen hervorgetreten sind. Gewiß hat der veneter güe mit Recht hervorgehoben, daß die Landwirtschaft, der Großgrundbesitz große Vorteile durch die neue Zollpolitik gehabt hat, aber das übrige Erwerbsleben unseres Volkes ist dadurch auf das empfindlichste benachteiligt worden. Die Höhe der Industrie⸗ zölle begünstigt das Emporblühen der Syndikate. Dabei ist es be⸗ zeichnend, daß in dieser wirtschaftlich so ungünstigen Zeit die Agrarier noch immer nicht genug haben. Der Abg. Graf Kanitz hat in der Debatte über die Arbeitslosigkeit ausgesprochen, daß wir in unserem jetzigen Zolltarif noch viel zu niedrige Zollsätze hätten, und Graf Strachwitz wollte die Legende zerstören, daß es der Land⸗ wirtschaft infolge der jetzigen Zollpolitik besonders gut gehe Dazu kommt die Erhöhung der Beamtengehälter. Wenn Mißgriffe in der Vertretung der Beamtenwünsche seitens eines Teils der Beamten vor⸗ sind, so ist die Ursache, daß die Erfüllung der berechtigten

ünsche der Beamten so lange verzögert worden ist. Die Erhöhung erfordert neue Deckungsmittel, und in der Kommission ist lebhaft darüber gestritten worden, ob der Landtag die Einnahmen dazu nur auf bestimmte Zeit bewilligen darf. Ich widerspreche der Auffassung. daß dieses Verlangen verfassungswidrig sei. Der Abg. Graf Moltke sagte allerdings bei der ersten Lesung der Be⸗ soldungsvorlage, daß ich mit der Quotisierung nur das alte, stolze Paradepferd aus dem Richterschen Stall hervorgeholt und es nur in

frischer Aufzäumung vorgeführt habe. Ein stolzes Paradepferd ist auch

leistungsfähig, die Quotisierung ist die stärkste Waffe der Volksvertretung. Und dieses Paradepferd steht jetzt nicht bloß in dem Richterschen Stall, sondern wird auch von den Nationalliberalen und selbst von dem Führer der Partei des Grafen Moltke vorgeführt. Es wird auch die letzten Hindernisse noch nehmen, die seinem Siegeslauf ent⸗ Pogenstehen. Ein ungünstiges Moment ist allerdings das finanz elle Verhältnis zum Reich, und der Finanzminister ermahnte uns zur

Ordnung der Reichefinanzen, nicht nur im Interesse des Reichs, sondern auch um ein dauerndes Verhältnis zwischen Reich und Einzelstaaten zu schaffen. Wir verkennen den polttischen Ernst dieser

Situation nicht. Bei aller Rücksicht auf die Einzelstaaten darf die Ordnung der Reichsfinanzen aber doch nicht erschwert werden durch das unberechtigte Verlangen, daß die gestundeten Matrikularumlagen

vom Reich übernommen und den Einzelstaaten erlassen werden. Der Finanzminister hat gestern trotz des einstimmigen Beschlusses der Steuerkommission die Forderung wiederholt, daß die gestundeten Matrikularbeiträge vom Reiche übernommen werden sollen. Die Einzelstaaten haben doch den 2 Ausgaben zugestimmt, die nachher die erhöhten Matrikularbeiträge zur Folge hatten; sie haben also auch die Verpflichtung übernommen, dafür aufzukommen. Erließe man jetzt als einen Schritt zur Reichsfinanzreform die Zahlung dieser 242 Millsonen den Einzelstaaten, so hieße dies wahr⸗ haftig das Pferd beim Schwanze aufzäumen. Auf unsern Wunsch nach weiteren Unterlagen für die Beurteilung einer anderweitigen Verleilung der Matrikularbeiträge ist uns Material gegeben worden; ist es wahr, daß dann auf Preußen kein höherer sondern vielleicht noch ein niedrigerer Betrag an Matrikular⸗ beiträgen entfallen würde, so hat der Finanzminister doch au erst recht keine Veranlassung, einer solchen Reform zu widerstreben Ob die Reichsfinanzreform zustande kommen kann, wenn die Kon. servativen der Parole des Herrn von Pappenheim folgen, daß das Reich auf indtrekte Steuern zu verweisen, daß die Nachlaß⸗ steuer unannehmbar sei, wage ich sehr zu bezweifeln. Dieses konservative Pronunziamento wird Aufsehen machen, und die Aussichten der Reichsfinanzreform werden dadurch auf ein Minimum reduziert. Wir werden von der Forderung nicht ab⸗ gehen, daß auch die Reichen und Besitzenden zu den neuen Lasten des Reichs heranzuziehen sind. Professor Adolf Wagner, der frühe

konservative Abgeordnete, hat neuerdings in einer Broschüre aus⸗ 1

geführt, daß die Konservativen es als eine Folge des noblesse

oblige ansehen sollten, für eine Reichserbschaftssteuer einzutreten.

Die Herren der Rechten hier im Hause scheinen über das noblesse oblige andere Ansichten zu hegen. as den Etat für 1909 betrifft so kann ich die Neuregelung im Sppezialetat der Eisenbah verwaltung im großen Ganzen für eine Verbesserung erklären. J

Zukunft soll ein Eisenbahndispositionsfonds in Höhe von 15 Mil.

lionen im Etat festgelegt werden. Für eine so große Verwaltung ist ein solcher Fonds notwendig, daneben soll aber auch der

Ausgleichsfonds beibehalten werden, der sich nach unserer Meinung

nicht bewährt bat, da solche Ausgleichsfonds nur für die Etatau stellung hinderlich und im übrigen bei so großen Spannungen, w sie jetzt auftreten, absolut zwecklos sind. Eine vorsichtig Schätzung der Etatseinnahmen ist gewiß geboten, aber die

Möglichkeit einer wirtschaftlichen Aufbesserung sollte doch nicht außer acht gelassen werden. Die Einnahmen aus der Eisenbahn. verwaltung sind um 100 Millionen niedriger veranschlagt: Vor⸗ sicht ist gut, aber man sollte doch auch nicht ins andere Extrem

verfallen. Die Erleichterung des Geldmarktes hat bereits günstig

gewirkt, insbesondere die rasche und d Eatspannung des

1 ich bei der Etat⸗ aufstellung auf eine Prophezeiung über die wirtschaftliche Gestaltung der Verhältnisse einzulassen, ist nicht angezeigt, aber als ent⸗ scheidend für diese Aufstellung darf man auch den Tiefstand dieser Entwicklung nicht ansehen. Es ist, wie im Reichstag, so

Geldmarktes der Vereinigten Staaten.

auch hier viel von Sparsamkeit gesprochen worden, auch wir fordern Sparsamkeit, aber am rechten Orte. Es sind Ersparnisse geboten vor allem bei den gewaltigen, unprodukliven Ausgaben, die das Reich macht.

In Preußen aber handelt es sich in der Hauptsache um kulturelle Aufgaben, die nicht vernachlässigt werden dürfen. Dagegen ist unser Verwaltungsapparat, wie ich mit Herrn von Zedlitz

meine, viel zu umständlich, viel zu kostspielig; da könnten viele Zöpfe abgeschnitten werden, wie die Kuaratoren der Universitäten,

die Gesandtschaften an den deutschen Höfen; namentlich letztere

können sehr gut entbehrt werden, ohne daß das preußische Staats⸗ interesse leidet. Jedenfalls sollte der Grundsatz durchgeführ werden, Arbeiten nicht mehr mittleren und höheren Beamten zuzuweisen, die ebenso gut von Unterbeamten wahrgenommen werden. Es wird auch von den Beamten viel zu viel gereist, manche Revision ist vollkommen überflüssig und unnötig, Luxus und kostspielige Repräsentationen müssen vermieden werden; in dieser

Beziehung wird noch viel gesündigt. In der schönen Stadt, die

der Kollege Trimborn vertritt, nimmt die Sündhaftigkeit ständig zu, wenigstens ergibt sich aus dem Etat, daß eine Erweiterung

des Weiberflägels des Gefängnisses in Cöln mit der Zu⸗ nahme der Prostitution motiviert wird; aich will nur hoffen, ein

daß der Kollege Trimborn diese betrübende Er ung nicht auch noch als eine Frucht der Blockpolitik darstellen wird. Mit der Ver⸗ mehrung der Richterstellen können wir natürlich nur einverstanden

sein. Von der Bergverwaltung wird nach dem Kollegen

Friedberg zu teuer gewirtschaftet und zu wenig Rente er⸗ arbeitet; auch ich halte die Rente von 2,8 % für sehr gering. Was den Kultusetat anbetrifft, so möchte ich wünschen, daß den Privottöchterschulen ihre Existenz nicht geraubt werde. Wir begrüßen auch die Einstellung der Ausgaben für 19 neue Kreisschulinspektoren in den Etat und hoffen, daß die früher abgelehnte Stelle für Potsdam jetzt bewilligt wird. Man hat eine anderweitige Organisation des Kultusministeriums empfohlen, und es läßt sich nicht verkennen, daß der heutige Zustand in diesem großen, weitverzweigten Ministerium eine Füͤlle von Unzuträglichkelten zur Folge hat. Der verantwortliche Chef der Verwaltun ist in⸗ folge Uebermaßes von Arbeiten gar nicht mehr in der 88 die sachliche Verantwortung für die Erledigung der Regierungs⸗ geschäfte zu tragen. Es ist auch ein bedauerlicher Zustand, daß der gegenwärtige Leiter dieses Ministeriums, der seit längerer Zeit infolge von Ueberarbeitung, wie es scheint, erkrankt ist wir wünschen ihm baldige Genesung —, sich von den Verhandlungen hier fernhalten muß, wenn über die wichligsten Fragen seines Ressorts entschieden wird. Wir empfinden es als bedenklich, daß er nicht zugegen ist, wenn wir Auskunft über Lehrermaßregelungen fordern, wie sie namentlich aus Anlaß der letzten Wahlen vorgekommen sind. Es hat sich da gezeigt, daß mitunter die Provinzialverwaltungen Politik auf eigene Faust treiben. Dies tritt noch mehr hervor beim Ministerium des Innern. Wir haben es wiederholt tadeln müssen, daß Landräte und Regierungs⸗ präsidenten sich als kleine Minister fühlen und zu politischen Maßnahmen, greifen, die zu dem Regierungskurse passen wie die Faust aufs Auge. Ich meine hier den Fall des Bürger⸗ meisters Dr. Schücking. (Rufe rechts: Aha!) Ihre Zurufe zeigen mir, daß auch Sie 55 Angelegenheit Ihr Intkeresse zuwenden. Es will mir fast scheiaen, daß Sie in der 2-.,e” dieser Vorgänge wohl derselben Ansicht sein werden. (Widerspruch rechts, Zuruf: Ist der naiv!) Ich werde mir Müle geben, Sie zu einer anderen Auffassung zu bekehren. Der Regierungspräsident in Schletwig hat gegen den Bürgermeister Schücking in Husum ein Disziplinarverfahren eingeleitet und zwar, wie es in der Begründung heißt, deswegen, weil er in seinen Veröffentlichungen liberale Anschauungen vertreten hat. (Zurufe rechts: Ganz falsch!) Sie werden doch hoffentlich die Tatsachen nicht anders dar⸗ stellen wollen, als sie in Wirklichkeit sind. Der Regierungs⸗ präsident hat ausdrücklich ausgesprechen, daß Bürgermeisser Schücking in Zeitschriften, Zeitungsartikeln und in einem Buch den Anlaß zu diesem Verfahren gegeben, daß er sich durch viele Veröffentlichungen der Achtung unwürdig gemacht habe. Ich erblicke darin einen unerhörten Eingriff in die staatsbürgerliche Meinungsfreiheit. Gewiß, auch ich will nicht jedes Wort unter⸗ schreiben, das der Bürgermeister Schücking geschrieben hat. (Zuruf rechts: Da haben wir es ja!) Man kann darüber verschiedener Meinung sein, aber ich meine doch, daß das abweichende Urteil über diesen oder jenen Aus⸗ druck, über eine temperamentvolle Aeußerung nicht entscheiden kann über

den ganzen Fall. Das sind alles Nebendinge, die hervorgehoben werden, um

die Aufmerksamkeit von der Hauptsache abzulenken. Der Regierungsprä⸗ sident hat Unrecht bekommen vom Bezirksausschuß. Was wir monieren, ist die Einleitung des Disziplinarverfahrens mit ihrer haltlosen Be⸗ gründung. Wir müssen verlangen, daß die freie Meinungsäußerung jedes Staatsbürgerz durch derartige Eingriffe nicht geknebelt wird. Haben wir es nicht erlebt, 2; die Regierungspräsidenten und andere Beamte ihrer abweichenden politischen Meinung Ausdruck gegeben haben, ohne

ein Disziplinarverfahren gegen sie eingeleitet wurde? Wir leiches Recht auch gegenüber unseren Anschauungen. st hat es nicht an eigenartigen Auffassungen über die Stellung nst Zürgermeister und mittelbaren Staatsbeamten gefehlt. Stadtverordnetenversammlung in Ha Maßnahme des Provinzlalschulkolleg Gemeinde, man sah darin die Politik des Ministers Studt, und tverordneter, der seit langem im politischen Leben steht, den Ausspruch, der Kultusminister müsse fort von s Darauf wurde der Bürgermeister von der Aufsichtsbehörde Rede gestellt, was er gegen diese Aeußerung getan habe, mit der Begründung, den Aufgaben seines Amtes nicht gewachsen sei, Pflicht als mittelbarer Staatsbeamter Staatsregierung entgegenzutreten. lio einem Stadtverordneten, der schon ein Menschenalter im

Solche Ein⸗

en wehrte man sich gegen ums gegen die Lehrerwahl

eine Rüge

ewesen, An⸗

da ine d. ware sein ürgermeister

Leben tischen selbst gegen seine eigene Ueberzeugrng.

d geeignet, das einträchtige Zusammenwirken der Bürger⸗ f sin g Was soll der Bürger vom Oberhaupt der denken, wenn von oben her auf ihn eingewirkt wird, seine als Vertreter der Kommune mit politischen schauungen tun würde? Solche Vorgänge zeigen, wie die Einheitlich⸗ keit des Regierungskurses n sst. Sie durchzuführen, ist ebenso notwendig, wie die einmütige 8 Staatsministerium Ministerpräsidenten gewährt hat. Freiberr von Zedlitz erkannte gestern diese Unterstützung an, und auch glaube, daß durch dieses einmütige Vorgehen des preußischen Ministeriums der Erfolg in konstitutionellem Sinne mit erzielt ist, wir begrüßen. sein wird, über persönliches Regiment im Parlament zu sprechen. Die Neujahrsansprache des Kaisers sehen auch meine Freunde nicht als einen für Willensakt des Monarchen an.

t zu erschweren.

Uleberzengung zurückzuhalten

als Mann allen Stellen

terstützung, 61 Novembertagen

Ich hoffe, nicht wieder

Oeffentlichkeit bestimmten Herr von Zedlitz tadelte die Blätter, die diese Aeußerungen in vertrautem Kreise in falscher Beleuchtung in die Oeffentlichkeit gebracht haben; aber noch mehr Tadel verdienen die Stellen, die aus diesen Gesprächen Mittei⸗ lungen über die Ansprache veröffentlicht haben, die nicht den Mund (Ruf rechts: Wer sagt denn das?) Auf irgend eine Weise muß es doch herauegekommen sein, und ich hoffe, daß die Kunst des Schweigens,

gemacht hat,

haben halten können.

die Moltke in Zukunft mehr Auch für Preußen gilt, was wir für das Reich zum Ausdruck gebracht haben; wir wünschen auch hier die volle Durchführung der Minister⸗ Stellung des Geheimen den Organismus der Staatsebehörden Staatsministerium

seinerzeit berühmt geübt wird.

verantwortlichkeit, Aenderung der

Zwoilkabinetts, Das preußische muß nach den Forderungen der Zeit ausgebaut werden. Stellung zum Wahlrecht ist bekannt. gestern gegen jede Aenderung desselben ausgesprochen; wir sind durchaus anderer Meinung und werden bei der? rechtsantrags unsere Ansichten ausführlich darlegern . von Pappenheim meinte, die Machtstellung der Krone dürfe nicht geschwächt werden, durch die Hineinzjehung der Krone Anschauungen zu decken, die selbst nicht einmal doch von einer

Herr von Pappenheim hat sich

egründung des Wahl⸗ Wenn Herr

ein Versuch

denn auch organischen Entwicklung Das Wort muß eingelöst werden, und wir Ich würde dankbar sein Vorarbeiten des preußischen Wahlrechts Machtstellung der Krone fördert wird —, es handelt sich um agrarisch⸗reaktionärer Anschauungen. nderanz muß allerdings gebrochen werden.

Staatsministeriums, Reichskanzler Fürst

bon der Krone die Thronrede des Wahlrechts. fordern, daß ür eine Auskunft darüber gediehen sind. Bei der Reform

die dusch zeitgem iße Reformen nur ge den Einfluß konservativ⸗ nstlich erhaltene Präpo

Präsident des bon Bülow:

Meine Herren! Von allen Herren Vorrednern aus dem Hause ist das Thema der Sparsamkeit behandelt worden. ur wiederholen, was ich im Reichstage gesagt habe: mit der Schaffung neuer Einnahmequellen ist unsere Aufgabe für die Ge⸗ undung unserer finanziellen Verhältnisse nicht erschö fordernis bleibt:

Ich kann auch hier

pft; ein Haupt⸗ Rückkehr zur altgewohnten Sparsamkeit! meine Herren, Wohlfahrt und Größe, unserer Macht und ist das Beste gerade gut genug. (Sehr richtig!) Wir können und wir dürfen nicht sparen auf Kosten unserer Schlag⸗ riigkeit und des Friedens des Landes. Dazu ist unsere geographische Aber jede andere Ausgabe muß auch darin bin ich der Zustimmung und rstützung der verdienstvollen Chefs der Heeres⸗ wie der dreimal überlegt werden. Und auf allen Gebieten der Staate⸗ wie der Reichs⸗ es Gelegenheit genug zum Sparen, in den Bauten sebsverwaltungen, wie in den Zuschuß⸗

Grundlagen unserer Sicherheit, r Heer und Flotte,

age eine zu ungünstige. den Militärressorts

Marineverwaltung gewiß schtig! links.) dirtschaft gibt ind Einrichtungen unserer Betri

Meine Herren, elde zusammenwirke zuros peccatur et extra. frichtig wünsche, daß er sich vo üchte, hat das gestern in sehr eente tragen auch Schuld a raten sind. (Sehr richtig!

Regierung und Parlamente müssen auf diesem n, sie müssen Hand in Hand gehen; denn intra Der Herr Abg. von Pappenheim, dem ich nseinem gestrigen Unwohlsein erholt haben zutreffender Weise anerkannt. Die Parla⸗ n der Finanzmisere, in die wir hinein⸗ Sie müssen aufhören, immer gaben zu drängen, um Wünsche Ihrer Wähler zu er⸗ sich bei den Wählern lieb Kind zu machen (Sehr gegenüber den Wählern darf Ich will es ja nicht tragisch nehmen, aber es ist en, wie die Parlamente aufgehört haben, sparsam zu wenn in diesem hohen Hause bei der Beratung der werden, deren Erfüllung der Finanzminister, und ich haben es zusammen Schuldenlast um Milliarden vermehren würde. chaus nicht besser, wenn es sich um sozialpolitische er um die Fürsorge für die Beamten. a sehr schöne, sehr gute, sehr vortreffliche Sachen, Aber auch hier heißt es: sich en, welcher die Grundlage jeder vernünftigen . aft und Staatswirtschaft ist und bleibt: keine neue Aus⸗ ohne entsprechende Deckung.

habe bereits im Sommer vorigen Jahres in einem längeren lben gegenüber meinen Herren Kollegen in Preußen und den chgreifende Maßnahmen zur Sparsamkeit als un⸗ Ich möchte die leitenden Gesichtspunkte dieses rekapitulieren: ich nicht einen verkehrsfeindlichen Charakter schritte hindern; aber auch im Verkehrswesen g jedes unnützen Aufwandes Ersparnisse er⸗ sen sich zweifellos erhebliche Summen ersparen unserer Reichs⸗ und Staatsverwaltung⸗

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Sparsamkeits⸗

Dezentralisierung Vereinfachung unseres Behördenapparates muß der Aufwand unfruchtbarer Arbeit vermindert werden. Die Kräfte unserer höhberen und mittleren Beamten sollen sich nicht in Verrich⸗ tungen erschöpfen, die durch Personen mit geringerer Vorbildung er⸗ ledigt werden können. (Sehr richtig!) Dadurch wird die Möglichkeit der Verminderung ihrer Zahl geschaffen. Ein nachahmens⸗ wertes Beispiel hat in dieser Beziehung bereits die Staats⸗ eisenbahnverwaltung gegeben, durch deren Neuorganisation vom Jahre 1895 eine jährliche Ersparnis von 20 Mill. Mark und ein Minderbedarf an Beamten allein im inneren Verwaltungs⸗ und Kassendienst von mehr als 3000 Köpfen erzielt worden ist. Ver⸗ minderung der Instanzen unter Wahrung der Rechtssicherheit, De⸗ zentralisation der Geschäfte, weitgehendster mündlicher Verkehr, Ver⸗ einfachung des Schreibwerks durch passende Formulare, Ausdehnung des Kepierverfahrens und der Urschriften, Einschränkung der über⸗ handnehmenden Statistik, Umformung des gesamten Kassen⸗ und Rechnungswesens unter den Gesichtspunkten der Einfachheit und Durchsichtigkeit, Zusammenlegung zusammenhängender Geschäfte in einer Hand, das sind alles Maßnahmen, die durchführbar sind und viel Zeit und viel Geld ersparen. Meine Herren, aus diesen meinen Ausführungen, die sich heute, bei der ersten Lesung des Etats, nur in Andeutungen bewegen können, ersehen Sie, daß die Möglichkeit größerer Sparsamkeit auf vielen Gebieten besteht. Wollen Sie vor allem daraus ersehen, daß der ernste Wille und an allen Stellen besteht, solche Ersparnisse wirklich zur Durchführung zu bringen. Wir werden es nicht bei der Anregung bewenden lassen; der An⸗ regung müssen Taten folgen. Es finden zunächst Besprechungen zwischen allen preußischen Ressorts und den Reichsressorts statt, um die besten Mittel und Wege zu finden, die zum Ziele führen. Rückkehr zur altgewohnten Sparsamkeit, die uns groß gemacht hat, das ist auch eine Forderung des Tages.

Der Herr Abg. von Pappenheim hat gestern sehr nachdrücklich Stellung genommen gegen die Nachlaßsteuer. In der konservativen Presse hatte ich schon vorher und seit Monaten gelesen, diese Steuer stünde im Widerspruch mit konservativen Anschauungen und Grund⸗ sätzen. Meine Herren, bei der Entscheidung über die Mittel, die nötig sind, um Ordnung in unsere Finanzverhältnisse zu bringen, dürfen Parteiprogramme und Parteigrundsätze nicht den Ausschlag geben. (Sehr richtig!) Da ist es Pflicht aller Parteien, mit der Doktrin zu brechen und praktische Politik zu treiben. Da ist es Pflicht aller, mitzuhelfen und Opfer zu bringen. Unsere Zeit ist sozial und fordert mit Recht, daß die Minderbemittelten tunlichst geschont und bei der Verteilung der Lasten die Leistungs⸗ fähigkeit möglichst berücksichtigt wird. (Sehr richtig! Hört, hört!) Es müssen deshalb in ausgezeichneter Weise hat es gestern der Herr Abg. Freiherr von Zedlitz angedeutet neben den Ver⸗ brauchssteuern auf Massenartikel auch solche Steuern gefunden werden, die in erster Linie den Besitz treffen. Deshalb, und weil aus oft erörterten und schwerwiegenden Gründen Einkommensteuer und Ver⸗ mögenssteuer sich für das Reich nicht eignen, haben die verbündeten Regierungen die Ausgestaltung der Erbschaftssteuer und erhöhte Matrikularbeiträge vorgeschlagen.

Meine Herren, die Gründe, welche gegen die Besteuerung der Deszendenten und Ehegatten sprechen, sind mir sehr wohl bekannt. Ich habe selbst auf diese Gründe vor zwei Jahren im Reichstage hingewiesen, in einer, wie ich glaube, gar nicht üblen Rede (Heiter⸗ keit), und mein Nachbar und verehrter Freund, der Freiherr von Rhein⸗ baben, hat bei diesem Anlaß sogar eine sehr schöne Rede gehalten. (Heiterkeit.) Aber, meine Herren, tempora mutantur: wir können in unserer gegenwärtigen Notlage nicht an dieser Steuer vorbeigehen. Deshalb haben Herr von Rheinbaben und ich uns in dieser Beziehung aus Saulussen in Paulusse verwandelt (Heiterkeit), und ich hoffe, daß auch für Herrn von Pappenheim und seine Freunde in dieser Beziehung ein Tag von Damaskus kommen wird. (Heiterkeit.) Das würde ich, meine Herren, als ein großes Glück betrachten für die Zukunft des Reiches und für dieses Land. Es gibt Situationen, meine Herren, wo man zwischen verschiedenen Uebeln zu wählen hat. Bei Steuer⸗ vorlagen pflegt das fast immer so zu sein. (Heiterkeit.) Auch die Gegner der Nachlaßsteuer müssen zugeben, daß die Wahl so steht: Nachlaßsteuer oder Reichsvermögenssteuer oder weiter erhöhte Matrikularbeiträge.

Gegen die Reichsvermögenssteuer sprechen, wie ich eben erwähnte, ernste Gründe staatsrechtlicher Natur. Sie würde nach der Ueber⸗ zeugung der verbündeten Regierungen die Einzelstaaten verhindern, sich ihren Kulturaufgaben weiter genügend zu widmen. Sie würde, wie auch ich glaube, de facto auf eine Mediatisierung der Einzelstaaten herauskommen.

Nun, meine Herren, eine weitere Erhöhung der Matrikular⸗ beiträge? Und deren Deckung? In Preußen steht ja schon elne weitere Spannung der Einkommensteuer um, wie ich glaube, ca. 50 Millionen bevor, und ich glaube, mein Herr Nachbar ist nicht ganz sicher, wie es möglich sein wird, das durchzusetzen, und glaubt an Widerstände in dieser Richtung. Die Ergänzungssteuer? Sie würde doch auch den Grund⸗ besitz schwer trefften. Wenn also schon in Preußen eine weitere Steigerung der Matrikularbeiträge außerordentlich schwierig ist, so ist es noch schwerer, meine Herren, eine solche den kleineren und finanziell und wirtschaftlich schwächeren Bundesstaaten zuzumuten. Sie sehen also, meine Herren, daß sehr ernste Gründe politischer, wirtschaft⸗ licher und finanzieller Natur für die Nachlaßsteuer sprechen. Unsere Pflicht ist es hierbei, das erkenne ich vollkommen an, Härten zu ver⸗ meiden, nicht schematisch vorzugehen, den Verhältnissen Rechnung zu tragen. Ich glaube, daß wir dieser Pflicht nach Möglichkeit nach⸗ gekommen sind. Es sollen ja die Deszendenten und Ehegatten von der Anfallssteuer auch ferner freibleiben und nur zu einer mäßigen Nachlaßsteuer pro rata beitragen. Wir haben weiter vorgeschlagen die Freilassung der kleinen Nachlaßmassen und besondere Vergünstigungen für den Grund⸗ besitz, die uns in seinen besonderen Verhältnissen begründet und des⸗ halb durchaus gerechtfertigt erscheinen. Es läͤßt sich ja nicht leugnen, daß jede Nachlaßsteuer den Grundbesitz und namentlich den ländlichen Grundbesitz sehr viel härter trifft, als das bewegliche Vermögen. (Sehr richtig! rechts.) Ich richte deshalb an die rechte Selte dieses hohen Hauses, an die Vertreter der Landwirtschaft in diesem ganzen Hause und an die Landwirte im Lande die Bitte, der dira neces- sitas Rechnung zu tragen. Wir können nicht Hunderte von Millionen vom Konsum erheben und den Besitz ganz freilassen. Große Auf⸗ gaben erfordern große Opfer, sie müssen von der Gesamtheit getragen werden.

Meine Herren, von allen Seiten ist die Wahlrechtsfrage berührt

heute neue Mitteilungen über Was jetzt über dieses Thema gesagt werden könnte, ist in der Thronrede zum Ausdruck gekommen, die Vorarbeiten sind im vollen Gange und werden mit großem Eifer Sobald sich auf Grund dieses Materials ein sicherer Ueberblick gewinnen läßt, wird der Herr Minister des Innern mit weiteren Vorschlägen hervortreten.

Mein Herr Vorredner, der Herr Abg. Wiemer, hat auch den Als Ministerpräsident habe ich keine Ver⸗ anlassung, mich materiell zur Sache zu äußern. Aber die Begleit⸗ umstände des Falles und die Peachtung, die er in der Oeffentlichkeit gefunden hat, veranlassen mich zu einigen allgemeinen Bemerkungen. Zunächst möchte ich feststellen, daß diesem Falle eine symptomatische Bedeutung nicht zukommt. Das eine steht für mich fest: die langen und erregten Erörterungen, die dieser Fall in der Oeffentlichkeit gefunden hat, verdient er wirklich nicht. Was ich aber, meine Herren, vor Ihnen und dem Lande deutlich und klar erklären will, das ist dies: präsident und verantwortlicher Träger der Reichspolitik an dieser Stelle stehe, wird mit meiner Einwilligung kein Beamter wegen der Betätigung liberaler, freisinniger Ansichten oder Gesinnungen zur Verantwortung gezogen. Ich lasse auch dem Beamten seine politische Ueberzeugung. Ich greife nicht in die außerdienstliche politische Tätig⸗ Ich lasse einen Beamten nicht als suspekt behandeln, weil er freisinnig wählt oder sich zur freisinnigen Partei Selbstverständlich muß der Beamte bei der Betätigung seiner politischen Anschauungen und Gesinnungen denjenigen Takt zeigen und diejenige Reserve sich auferlegen, die ihm sein Amt, die Rücksicht auf andersdenkende, auf nebengeordnete oder übergeordnete Behörden auferlegt. (Sehr richtig! rechts.) Selbst⸗ verständlich darf ein Beamter sich auch nicht zu den Grundsätzen einer Partei bekennen, die die Grundlagen unserer Staats⸗, Rechts⸗ und Gesellschaftsordnung bekämpft. (Sehr richtig und Bravo! rechts.) Ein Beamter darf sich nicht zur Sozialdemokratie bekennen. (Bravo! Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Beamter ist aber auch nicht sakrosankt, weil er liberal oder weil er konservativ ist. (Sehr richtig! rechts.) Verletzt er die Pflichten seines Amtes, überschreitet er den Rahmen sachlicher Kritik, läßt er sich zu persönlichen Verunglimpfungen oder Gehässigkeiten hinreißen, so trägt er die Verantwortung, einerlei, welcher Partei er angehört, und welcher politische Kurs gesteuert wird.

Ich bin überzeugt, daß diese meine Auffassung auch auf der rechten Seite dieses hohen Hauses geteilt wird, und daß dort nicht an⸗ genommen wird, die Königliche Staatsregierung sei im Falle Schücking irgendwie von diesem Grundsatze abgewichen. Ich bin überzeugt, daß ein im Sommer erschienener Artikel der Konservativen Korrespondenz ich habe ihn hier vor mir —, der damals einiges Aufsehen erregte, und der den Anschein erwecken konnte, als sei die konservative Partei unzufrieden mit der Beurlaubung des im Falle Schücking zuständigen Regierungspräsidenten, und als wolle sie diesen Beamten gegen den ihm vorgesetzten Minister in Schutz nehmen, ich bin überzeugt, daß dieser Artikel falsch ausgelegt ist. In unserer Zeit begegnen wir ja oft solchen irrigen Interpretationen

Ich rechne auf die Zustimmung gerade der rechten Seite dieses hohen Hauses, wenn ich sage: solange ich die Verantwortung für die Staats⸗ und Reichsgeschäfte trage, lehne ich jede Mitwirkung und jede Einwirkung Dritter auf das Verhältnis zwischen dem Vorgesetzten und seinen Beamten mit Entschiedenheit ab. Ueber den Beamten hat unter Wahrung der Rechtsgarantien nur der Vorgesetzte zu ent⸗ scheiden. Ob er ihm seine Zufriedenheit oder seine Unzufriedenheit zu erkennen geben will, ist lediglich seine Sache. und Exekutive streng zu scheiden. Selbst in rein parlamentarisch regierten Ländern ich habe lange in solchen gelebt wird kein pflichtbewußter Minister sich das Recht streitig machen lassen, allein über seine Beamten zu entscheiden. unzulänglich, den ich für unbrauchbar oder ungeschickt halte, wird beurlaubt, versetzt oder entlassen, wenn das dienstliche Interesse es erfordert. Hier entscheidet allein die Staatsraison und das Interesse des Dienstes.

Ich möchte aber noch ein Wort sagen über die politischen Ich verlange von den politischen Beamten und den Kreisen der politischen Beamten gehört und beherzigt werden —, daß sie der von Seiner Majestät dem Kaiser und König gebilligten und von mir vertretenen Politik der Königlichen Staatsregierung nicht nur keine Hindernisse in den Weg legen, sondern diese Politik unter⸗ Es geht nicht an, und ich dulde es nicht, Politik auf eigene Hand

Ich bin nicht in der Lage,

Fall Schücking berührt.

(Sehr richtig! rechts.)

solange ich als Minister⸗

keit des Beamten ein.

zählt oder

Meine Herren, ein

(Sehr gut! rechts.)

Hier sind Legislative

Ein Beamter, den ich für

ich wünsche, daß diese

stützen und fördern. daß die Beamten glauben, können. (Sehr richtig! links.) In dem Allerhöchsten Erlaß vom 4. Januar 1882 er ist vom Fürsten Bismarck gegengezeichnet wird ausdrücklich ausgesprochen, daß die mit der Ausführung der Regierungsakte betrauten Beamten auch die Politik der Regierung zu unterstützen und zu fördern haben. Dieser Erlaß ist noch in Kraft, und ich werde dafür sorgen, daß er überall und unbedingt zur An⸗ wendung gelangt. Meine Herren, der Herr Vorredner ist auch auf die Beurlaubung des Herrn Staatsministers Holle zu reden gekommen. liche Staatsregierung beklagt es tief, daß der Herr Minister Holle in dem Bestreben, sich in das schwierige und umfangreiche Kultus ressort einzuarbeiten, seine Kräfte so sehr erschöpft hat, daß ihm von ärztlicher Seite für einige Zeit Fernhaltung von den Geschäften zur In dem Gefühl, daß ein so wichtiges Ressort nicht für lange des Chefs entbehren könne, hat der Herr Minister Holle schon Ende vorigen Jahres Seine Majestät den Kaiser und König um seine Entlassung gebeten. und König können, diesem Gesuche Folge zu geben, da die Hoffnung be⸗ Minister Holle in einem gesunden Klima seine Kräfte vollständig wiedergewinnt. Es bedarf wohl kaum der Rechtfertigung, meine Herren, daß unter diesen Umständen nicht auf den Rücktritt eines Mannes gedrängt wird, der sich mit großer Pflichttreue und in lauterster Gesinnung den Aufgaben seines schwierigen Amtes bis zur völligen Erschöpfung seiner Kräfte Selbstverständlich kann das jetzige Interimistikum nicht lange dauern. Sollte der Herr Minister sich bis zum Frühjahr so wird die Neubesetzung des Kultus⸗ Es ist ja angeregt und auch im

treiben zu

Die König⸗

Pflicht gemacht werden mußte.

Seine Majestät entschließen

unterzogen hat.

erholt haben, ministeriums stattfinden müssen. des Staatsministeriums ventiliert worden,