1909 / 54 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 04 Mar 1909 18:00:01 GMT) scan diff

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der Abg. Storz! Er freut sich schon, daß die deutsche Bureau⸗ kratie die deutschen Bürger nicht so behandelt, wie etwa der General von Trotha oder Dr. Peters die Neger. Diese Gesinnung ist ihm offenbar unter dem „veredelnden“ Einfluß der Rechten gekommen. Das Haus hat im vorigen Jahre mit uns dahin resolviert, daß die Regierung in Südwestafrika Anordnung treffen soll, um den Ein⸗ eeborenen, welchen ihr Land geraubt wurde, aus Kronländereien so viel Land zur Verfügung zu stellen, daß sie ihren Unterhalt darauf ent⸗ vv. der dortigen Wirtschaftsweise selbständig gewinnen können. ist mir nicht bekannt, ob etwas zur Ausführung dieses Beschlusses eschehen ist. In einer früheren Verordnung ist ganz im Gegen⸗ 1 dazu den Negern der Besitz von Großvieh verboten worden. Die Politik der Regierung geht darauf hinaus, den Eingeborenen möglichst für die Farmer und Minenbesitzer als Arbeiter zu er⸗ halten, aber nicht sie selbständig zu machen. Das länuft zuletzt auf ein Hörigkeitsverhältnis hinaus, was in starkem Widerspruch stände mit dem theoretischen Wohlwollen, das die Verwaltung neuerdings den Negern bekundet. Wie will man auf diese Weise Süd⸗ westafrika wärtschaftlich entwickeln? Für das deutsche Volk kommt aus den Diamantenfunden nichts heraus, ebensowenig wie sie für die wirtschastliche Entwicklungsfaͤhigkeit des Schutzgebiets etwas bedeuten. Der Staatssekretär Dernburg schließt sich jetzt der Meinung derer an, welche die Besiedlungsmöglichkeit von Südwest auf 100 000 weiße Ein⸗ wohner annehmen, während von Lindequist nur 50 000 annahm. Unter den 100 000 sollen sich etwa 10 000 große Farmen im Umfange von 5 10 000 ha befinden, die im Laufe der Jahre angelegt werden kFönnten. Nach unseren früheren Informationen braucht ein Groß⸗ viehzüchter zum Betrieb einer 8— arm etwa 6—8 Eingeborene mit ihren Familien; 10 000 solche Farmer mit Besitzungen würden also 60 80 000 Eingeborene mit ihren Familien nötig haben, also eine Be⸗ völkerung von 300 000 Einwohnern nach der Ansicht des Staatssekretärs allein für die Großfarmen. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Davon will er aber nichts hören! Der Staatssekretär ist an seinem Platze in einer Unterredung mit dem Abg. Bassermann begriffen.) Das ist ein alter Trick der Herren, wenn ihnen eine Rede unbequem ist. (Der Präsident Graf zu Stolberg erklärt diesen Ausdruck für unparlamentarisch.) Ich sage das nicht allgemein, sondern in der Beschränkung, wenn ihnen eine Rede unbequem ist. (Präsident: Ich wiederhole, der Ausdruck ist unparlamentarisch.) Wo will der Staatssekretär die Eingeborenen herkriegen, die nach seiner Ansicht in Südwestafrika gebraucht werden? Das „Material“ ist eben durch den Krieg ruiniert worden. Der Rest besteht aus 59 000 Eingeborenen, Männer, Weiber und Kinder. Im ganzen braucht man eine halbe Million, es fehlen also 440 000 Ein⸗ geborene. Der Arbeitermangel ist dort bereits so stark, daß die Verwaltung sich bemüht, aus dem Ovambogebiet Arbeiter heran⸗ zuziehen. Ein Resident oder öö wie ihn die Kommission nennt, soll diesem Zwecke dienen. Der Staatssekretär Dernburg, der mit einer zur Schau getragenen Nichtachtung über Resolutionen des Reichstags hinweggeht, hat sich in diesem Fall an die Budget⸗ kommission gewendet, um für seine Absichten, für seine Politik sich Deckung zu verschaffen. Diese Residentur ist deshalb gefährlich, weil sie Verwicklungen und einen Krieg mit den Ovambos zur Folge haben kann, zumal wenn die prosektierte Bahn dort gebaut wird. Ein anderes Experiment des Systems Schuckmann sind die sogenannten Selbstverwaltungseinrichtungen. Es ist eine ganz merkwürdige Wendung der Dinge, daß der Abg. Erzberger dem Gouverneur von Schuckmann und dem Staatssekretär Dernburg wegen dieses Vorgehens solche Liebesbezeigungen hat zu teil werden lassen. Denkt das ganze Zentrum auch so und auch der Abg. Roeren? Gemeindemitglieder, die mitzureden haben, sind lediglich selbständige Weiße, die usw., Arbeiter, Handlungsgehilfen sind also ausgeschlossen. ie Neger sollen überhaupt rechtlos sein. Das ist um so verwerf⸗ licher, als die Neger auch zur Zwangsarbeit herangezogen werden können. Diejenigen, die mit Eingeborenenfrauen verhelratet sind oder im Konkubinat leben, sollen gleichfalls nicht Vollbürger sein. Wie verträgt sich das mit dem Empfinden der Herren von Schuck⸗ mann und Dernburg? it seiner Verbrüderung mit dem Abg. Feecsoer trieft der Staatssekretär Dernburg förmlich von Christ⸗ Vizepräsident Dr. Paasche: Sie sprechen von der Christlichkeit des Staatssekretärs Dernburg. Ich behalte mir vor, Sie nach⸗ 2 zur Ordnung zu rufen, falls Sie etwas Verletzendes gesagt aben. Abg. Ledebour (Sol.) (fortfahrend): Ich weiß nicht, ob ich jetzt noch von der Christlichkeit des Staatssekretärs Dernburg reden kann. Vizepräsident Dr. Paasche: Ich finde es nicht geschmackvoll, von der Tribüne des Reichstags aus hiervon zu sprechen; ich habe die betreffende Aeußerung nicht genau gehört. Abg. Ledebour (Soz.): Wenn Sie es nicht gehört haben, so wiederhole ich, daß weißen Gemeindeangehörigen die Voll⸗ bürgerschaft entzogen werden soll, wenn sie mit einer Eingeborenen verheiratet sind oder mit ihr im Konkubinat leben. Nun frage ich: Wie ist das mit Ihrer Christlichkeit vereinbar? Der Gouverneur von Schuckmann sagte mit freundlich lächelnder Miene: Verheiraten können sie sich, aber in die Standesregister dürfen e nicht eingetragen werden. Ich frage das Zentrum, das mit großer mphase betont, die Kolonialpolitik sei nicht bloß eine kommerzielle, sondern vorzugsweise christliche Frage, wie es so etwas mit seinem Standpunkt vereinbaren kann. (Zuruf aus dem Zentrum.) Sie haben diese Bestimmung ausdrücklich bekämpft? (Erneuter Zuruf aus dem Zentrum.) Nur im allgemeinen? ir wäre es lieber, Sie würden solche Bestimmungen im besonderen bekämpfen. Sie ver⸗ hindern die wirklichen Ehen und treiben die Leute ins Konkubinat und in die Promiskuität. Das läßt sich mit der Moral nicht vereinigen. Der Gouverneur von Schuckmann hat meinen Kollegen Noske zu einer Reise nach Südwestafrika eingeladen, er meinte, der Abg. Noske sollte seinen Vortrag in Swakopmund und Windhuk wiederholen. Freilich wisse er, von Schuckmann, nicht, ob die Sache gut auslaufen werde. Wir sind alle nicht darüber im Zweifel, daß die Sache nicht gut auslaufen wird. Diese außerordentlich trinkeifrigen Bürger von Swakopmund und Windhuk würden einem Sozialdemokraten wahrscheinlich nach kurzer Zeit die leeren Bierflaschen an den Kopf werfen. Mein Fraktionskollege erklärt sich aber trotzdem bereit, den Vorschlag anzunehmen, wenn ihm die nötigen Mittel von Reichs wegen dazu zur Verfügung gestellt werden. Aber eine Liebe ist der anderen wert. Ich richte an den Gouverneur von Schuckmann die Aufforderung, einmal in einem Verein für innere Mission unter christlichen Jünglingen und Jungfrauen einen Vortrag über seine erordnung zu halten, um es den Leuten begreiflich zu machen, welche glaß regeln man in Südwestafrika ergreift, um die Leute von der christ⸗ lichen Ehe fernzuhalten. Wer weiß, ob die Sache da gut abläuft. Wenn sie schlecht ausgehen sollte, werden ja diese christlichen Jünglinge und Jungfrauen nicht mit Selterflaschen nach ihm werfen, wahrscheinlich aber die Hände über dem Kopf zu⸗ sammenschlagen und jammern, welch böser Geist in den Bruder Schuckmann sihesesasten ist. Dann können wir vielleicht zu⸗ nächst noch eine Teufelsaustreibung erleben. Einen guten Rat will

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lassen? Südwestafrika kann niemals ein selbständiges politisches Leben führen, es wird immer Südafrika als sein wirtschaftliches Mutterland betrachten müssen, es wird sich schließlich mit Südafrika vereinigen, sobald sich dieses von England emanzipiert hat. Dann haben Sie alle diese Gelder vergeblich ausgegeben.

Abg. Dr. Semler (nl.): In zwei Punkten muß ich dem Gouverneur von Schuckmann widersprechen. Erst hieß es regierungs⸗ seitig: Wir wollen keinen Krieg mit den Ovambos. Gestern sagte aber der Gouverneur: Sollen wir ruhig und stille sein? Ja, entweder das eine oder das andere. Der Gouverneur sagte, es wird mit dem Residenten gehen, wenn wir vernünftig sind. Ja, wenn wir ver⸗ nünftig sind und die Ovambos! Der Gouverneur hat aus der Resolution der Budgetkommission das Gegenteil dessen herausgelesen, was darin steht. Ich werde mit der größten Aufmerksamkeit ver⸗ folgen, was später geschehen wird. Auffallend war es mir, daß der Gouverneur den Bahngedanken ironisch behandelt hat. Gerade mit dieser Ironisierung hat er den Beweis erbracht, wie notwendig meine Mahnung wegen der Bahn war. Diese Mahnung war wohlgemeint, und die ironische Behandlung seitens des Gouverneurs zeigt, daß er diesen Kolonialgedanken bisher nicht richtig erfaßt hat. Darum ist es unsere Aufgabe, mit allem Nachdruck auf diese allein moderne Art der Kolonisierung immer wieder zu drücken. Was die Frage der Beeidigung der Neger betrifft, so kann ich nur nochmals zu größter Vorsicht raten. Ich habe selbst in meinen jungen Jahren eine solche Vereidigung erlebt; der Neger hing an den Augen des Verteidigers immer mit der stummen Frage, was er, trotz seines Eides, auf die Fragen des Richters antworten solle. Neger sind Kinder; Kinder aber stellt man nicht unter Eid.

Abg. Lattmann (wirtsch. Vgg.): Ich habe die Bemerkung des Gouverneurs von Schuckmann über die Eisenbahnfrage keineswegs als ironisch aufgefaßt. Seine Bemerkung über die Möglichkeit, ob die Kolonie auch die Zinsen für den Bahnbau tragen könne, steht durchaus in Uebereinstimmung mit der Meinung der Mehrheit des Hauses. Von der Bahnlinie Lüderitzbucht —Keetmanshoop habe ich ein Original⸗ lohnbuch hier. Die weißen Arbeiter bekommen einen Tageslohn von 12 ℳ, auch bei Berücksichtigung der teuren Verhältnisse ein guter Lohn. Die Herero erhalten täglich 3,50 ℳ; was die Hereroweiber erhalten, läßt sich nicht genau erkennen. Unter den weißen Arbeitern ist kein einziger Deutscher; dasselbe ist nach meinem Gewährs⸗ mann auch bei den anderen Arbeiterkolonnen der Fall; fast alle sind Kroaten und Italiener. Das hat ein großes Bedenken für die ganze Kolonie. Die Kroaten verbrauchen einen großen Teil der Gelder nicht, sondern schicken ihn in die Heimat, in einem Jahre etwa 3⸗ bis 400 000 ℳ. Dieses Geld sollte doch zu Gunsten der Kolonie in der Kolonie verbleiben, mindestens nicht in ein außerdeutsches Land gehen. Auch beabsichtigt keiner von den Kroaten, später dort zu bleiben; Deutsche würden sich doch mit Hilfe der Ueberschüsse aus Arbeitslöhnen dort ansiedeln. Diese Erscheinungen sind von großer Bedenklichkeit für die Zukunft. Wenn die Regierung auch der die Bahn bauenden Firma nicht vorschreiben kann, nur Deutsche zu be⸗ schäftigen, so könnte sie doch etwas mehr darauf drücken. Mehr als bisher sollten auch Handwerker neben den Arbeitern aus Deutschland herangezogen werden; und das würde gelingen nach dem, wie die Lohnverhältnisse beim Bau geschildert werden. In dieser Diamantenzeit ist der monatliche Zuzug nach der Kolonie sehr groß; sicherlich sind es nicht gerade die allerbesten Elemente, die dieses Diamantenfieber dorthin bringt. Da erwachsen dem Gouverneur doppelte Pflichten, unter den Einwanderern zu sieben, und ein starkes deutsches Volksleben dort zu entwickeln.

Staatssekretär des Reichskolonialamts Dernburg:

Die Verhältnisse, welche Herr Lattmann eben berührt hat, sind sehr schwer von hier aus zu übersehen. Es ist ja selbstverständlich, daß die Bauunternehmer schon im Interesse des Reichssäckels bei der Anwerbung die Leute da nehmen, wo sie sie gut bekommen können, aber auch Leute, die für diese niedrige Sorte von Arbeiten, um die es sich handelt, geeignet sind und bereit sind, mit den Hereros und anderen zusammenzuarbeiten. Die schwierigeren konstruktiven Arbeiten an der Bahn macht alles miteinander die Eisenbahnbaufirma und die Weißen, selbstverständlich deutsche Ingenieure. Hier handelt es sich um Erdarbeiten, Bauten von Brückendurchlässen ꝛc, und es ist deshalb nicht recht gerechtfertigt, aus Deutschland Leute wegzunehmen für eine solche Salsonarbeit. Ganz besonders haben wir ja auch in Deutschland gar nicht einen Ueberfluß an Menschen, die wir gern abgeben möchten. (Zuruf rechts: Arbeitslose!) Vielleicht sind unter den Arbeilslosen solche, das ist ja möglich, aber damals war nicht davon die Rede, im Gegenteil, da hat man sich gerade bei den Herren rechts sehr beklagt, daß sie keine Arbeiter kriegen konnten. Also den Zuruf von dieser Seite habe ich nicht erwartet. Ich bin also bezüglich des Wunsches des Herrn Lattmann bereit, mit der Bauunternehmung darüber zu sprechen. Ich hätte nicht das Wort ergrissen, wenn ich nicht hier davor warnen möchte, anzunehmen, daß kleine Handwerker in Südwestafrika ein besonders gutes Los erwartet, das ist nicht der Fall, die meisten Positionen sind heute schon stark besetzt, und die Löhne, die hier an⸗ gegeben sind, werden jetzt auch nicht mehr bezahlt. Ich wollte im Interesse vieler, die arbeitslos sind, aus Deutschland herauswollen, und im Interesse derjenigen, die viele Anfragen tagtäglich an das Reichskolonialamt wegen Auswanderung richten, doch sagen, daß ich jedem Handwerker heute aus seinem eigenen und nur aus seinem eigenen Interesse abrate, ohne Kapital in das südwestafrlkanische Schutzgebiet hinauszugehen. (Höͤrt! hört! links.) Und ich wollte das um so eher sagen, weil Herr Lattmann der Ansicht war, die Leute würden sich möglicherweise mit ihren Ersparnissen ansiedeln. Das habe ich in dem Lande gesehen, mit Ersparnissen, sich anzustedeln, schafft da draußen nur Proletarier, Leute, denen es nicht besonders wohl geht, bei denen überhaupt die beiden Enden der Wirtschaft nicht zusammenzu⸗ bringen sind. Leute, die dort prosperieren können, und solche haben wir eine Anzahl in Deutschland, sind fleißige Leute mittleren Kapitals, aber nicht Leute, welche hinausgehen, um zunächst einmal sich um Arbeit zu bewerben. Sie wollen einen hohen Lohn bekommen, der dort aber nicht weit reicht, der Herr Abgeordnete Lattmann hat das ja angeführt. Nichtsdestoweniger: Ueberall, wo wir die Wahl haben und die Eisenbahnbauten werden ja auch nicht so bald abreißen; es muß ja in absehbarer Zeit der Umbau der Bahn Karibib —Windhuk gemacht werden, und vielleicht manches andere —, werde ich trotzdem,

F111.“

Die von der Kommission vor Resolution, . den Kommissar in Ovamboland, wird angenommen. ie Ausgaben für die Zivilverwaltung werden größten⸗ e Debatte nach den Anträgen der Budgetkommission ewilligt. Zur Unterhaltung und Ergänzung des lebenden Inventars sind im Etat 400 000 ausgeworfen, die Kom⸗ mission hat nur 360 000 bewilligt. 1 Ein Antrag von Byern (d.⸗kons.) will die Bewilligung auf 380 000 erhöhen. Abg. von Byern (dkons.): Es handelt sich bei diesem Titel wesentlich um Futterkosten für Pferde, Maultiere und Ochsen, bei denen man nicht ohne weiteres heruntergehen kann, denn man muß den Tieren reichliches Futter geben. Wenn man auch sparen muß, so ist es hier doch nicht angebracht. Ich bitte, den Titel wenigstens um 20 000 zu erhöhen. Der Antrag von Byern wird angenommwen. Ohne Debatte werden die Ausgaben für die Militär⸗ verwaltung und für die nach den Kommissions⸗ vorschlägen bewilligt, ebenso die einmaligen Ausgaben und die Einnahmen des Etats für Südwestafrika. Die Petitionen des Generalmajors z. D. von Frangois in Görlitz um Entscheidung in der füdwestafellanis en Ent⸗ schädigungsfrage und des Rudolf Kind u. Gen. in Swakop⸗ mund um Ueberlaässung eines als Schulgebäude begonnenen Neubaus zu Schulzwecken bezw. einer Beihilfe von 25 000 für einen Schulbau werden den verbündeten Regierungen als Material überwiesen. Der Etat für das Schutzgebiet Neuguinea wird ohne Diskussion nach den Anträgen der Budgetkommission erledigt, ebenso der Etat für die Verwaltung der Karolinen, Palau, Marianen und Marschall⸗Inseln. Beim Etat für Samoa weist der Referent Abg. Dr. Semler (nl.) darauf hin, daß 1905 der Gou⸗ verneur Dr. Solf das Grundstück des Eingeborenenhospitals in Apia statt mit einem Holzzaun mit einem eisernen Gitter hatte umfriedigen lassen, das aus Europa bezogen werden mußte und statt 1500 10 350 Kosten verursachte. Die frühere Kolonialverwaltung hat die Erstattung dieser nicht als dringlich anerkannten Mehrausgabe von dem verantwortlichen Gouverneur verlangt, der auch den Beirag erstattet hat, ohne jedoch die Forderung als berechtigt anzuerkennen. Die Errichtung des eisernen Zaunes hat sich nach den Erläuterungen zum Etat als zweckmäßig und die Einfriedigung auch des europäischen Hospitals als notwendig erwiesen. Den Vorschlag des Etatsentwurfs, die gesamte Ausgabe auf amtliche Fonds zu übernehmen und dem Dr. Solf den erstatteten Betrag zurückzuzahlen, hat die Kommissions⸗ mehrheit abgelehnt.

Staatssekretär des Reichskolonialamts Dernburg:

Meine Herren, Sie haben den Antrag des Herrn Dr. Semler gehört. Ich habe noch einmal zu erklären, wie ich es im vorigen Jahre auch getan habe: die Bestellung diesen Gitters war ein Akt der Gutgläubigkeit, aber auch der Eigenmächtigkeit des Gouverneurs. Wir haben von Regierungsseite alles getan, um der Autorität der gesetzgebenden Körperschaften auch hier Geltung zu verschaffen, haben den Gouverneur haftbar gemacht und auch das Geld von ihm ein⸗ gezogen. Ich möchte aber bitten und mich durchaus dem Wunsche des Herrn Abgeordneten Dr. Semler anschließen, da das Gitter nunmehr eine nützliche Verwendung gefunden hat und es außerordentlich hart ist, den Gouverneur mit einem in Samoa unverwendbaren eisernen Gitter sitzen zu lassen, daß das hohe Haus dem Wunsche des Herrn Abg. Dr. Semler nachkommt und die Regierungsvorlage so, wie sie vorgelegt ist, annimmt.

Das Lane bewilligt entgegen dem Kommissionsantrage die Etatsansätze unverändert. 1

Der Etat für die Schutzgebietsschuld wird ohne Debatte bewilligt.

Abg. Ledebour (Soz.) konstatiert zur Geschäftsordnung, daß vor⸗ her über die Resolution, betreffend das Ovamboland, ohne Sbntenun entschieden worden ist; bei einer formellen Abstimmung würde seine Partei dagegen gestimmt haben.

Hierauf wird der Spezialetat für das Reichskolonial⸗ amt weiterberaten; der erste Ausgabetitel „Staatssekretär“ ist bereits angenommen. Hierzu liegt bie Resolution des

Zentrums vor; „den Reichskanzler zu ersuchen, Anordnungen zu treffen, durch

welche bestimmt wird:

1) daß alle auf Grund des § 15 des Schutzgebietsgesetzes er⸗

lassenen Verordnungen der Kolonialzentralverwaltung und der Gouverneure der einzelnen Schutzgebiete dem Reichstage zur

Kenntnisnahme vorgelegt werden,

langung der Rechtsgültigkeit.“

Scdteaatssekretär des Reichskolonialamts Dernburg: Meine Herren! Diese Resolution ist, wahrscheinlich weil sie schon für sich selbst spricht, seitens der Antragsteller bisher nicht be⸗ gründet worden, und ich habe deshalb keine Veranlassung gehabt⸗ mich darüber zu äußern. Im allgemeinen stehen wir dieser Resolution

durchaus freundlich gegenüber. Die Sache zerfällt in zwei Teile, die eine ist die verfassungsrechtliche Seite, die andere ist eine Zweckmäßig⸗ keitsfrage. Verfassungsrechtlich ist die Sache so:

Der § 15 Absatz 1 des Schutzgebietsgesetzes behandelt einerseits (im Absatz 1) die zur Ausführung des Gesetzes erforderlichen all⸗ gemeinen Anordnungen, andererseits (in Absatz 2 und 3) die polizei⸗ lichen und sonstigen, die Verwaltung betreffenden Vorschriften, gegen deren Nichtbefolgung Strafen angedroht werden können.

Bei den ersteren handelt es sich um Anordnungen auf dem Gebiete der Verwaltung, um Akte der Exekutive. Grundsätzlich hat aber bei Leitung der Verwaltung die Volksvertretung nicht mit⸗ zuwirken, und da auch das Schutzgebietsgesetz selbst eine Mitteilung derartiger Anordnungen nicht vorsieht wie dies an mehreren Stellen der Gewerbeordnung geschehen ist —, so wird ein Rechts⸗ anspruch des Reichstags auf eine fortlaufende Vorlage jener Anord⸗

soweit ich kann, auf die Eisenbahnunternehmer wirken, daß, ceteris paribus, selbstverständlich der deutsche Eisenbahnarbeiter dort den

ich aber dem Gouverneur von Schuckmann noch geben:

„Material“ bezeichnen, das ist eine Ausdrucksweise, die er

hat. an derartige Ausdrücke nicht gewöhnt. sschnell wie möglich der Remedur. Aus dden Weißen auch noch die Nichtdeut,

den Engländern in den Konflikt getrieben hat üͤberwiegen die Engländer.

sfagen? Das kann zu Komplikationen, zu einem direkten Konflikt mit Wer bürgt denn dafür, 8 die Engländer in Süd⸗ chen das nicht entgelten

England führen! afrika die in ihrem Gebiet wohnenden Deut

wenn er diesen Vortrag hält, möge er die christlichen Jungfrauen nicht als

sich offenbar in dem Bürgerverein von Swakopmund und Windhuk angewöhnt

Hier zu Lande ist man, wenigstens in nichtagrarischen Kreisen, Die Verordnung bedarf so

eeschlossen vom Wahlrecht sind von chen, die sogenannten Ausländer. Es gibt dort 1725 Ausländer, darunter 1130 Engländer. Was hier bestimmt wird, ist eine Verletzung der Engländer und der übrigen Ausländer. Es ist dieselbe Politik, die die Buren in Transvaal mit

Was werden sie zu dieser Entrechtung der diejenigen

Vorzug haben muß.

Vizepräsident Dr. Paasche: Ich habe das Stenogrꝛmm der Rede des Abg. Ledebour kommen lassen; die Aeußerung die der Vize⸗ präsident verliest) mag zwar nach dem Tone, in dem sie gesprochen

brechung berechtigt, ihr Wortlaut aber kann mir zu einem Ordnungs⸗ ruf keinen Anlaß geben.

Damit Fliett die Diskussion. Persönlich bemerkt der

Abg. Erzberger (Zentr.) Ich habe gestern in meiner Rede ganz

In einzelnen Bezirken prinzipiell und allgemein den Standpunkt des Gouverneurs bekämpft, Eingeborenen verheiraten,

ic.9. sehr deutlich zum Ausdruck ge⸗

eißen, mit schlechter behandeln will. bracht, daß ich die differentielle Behandlung verwerfe, wenn ich dabei

auch nicht alle Folgen derselben aufgezählt habe.

die

war, nicht gerade angenehm gewesen sein, und ich war zu einer Unter⸗

nungen nicht in Frage kommen können. Ich stelle nur einmal zunächst die Rechtsfrage fest, um nachher darauf zurückzukommen, wie man in jeder wünschenswerten Weise alles zugänglich machen kann, was Sie etwa wünschen.

V Die im Abs. 3 und 4 des § 15 des Schutzgebietsgesetzes be⸗ handelten Vorschriften sind Rechtsverordnungen, d. h. materiell Gesetze. Aus dem Umstande, daß zum Erlaß derartiger Gesetze für die Schutzgebiete in der Form vom Verordnungen der Reichskanzler unter Ausschluß der sonst bei der Gesetz⸗ gebung beteiligten Faktoren ermächtigt worden ist, darf geschlossen werden, daß nicht beabsichtigt ist, dem Reichs⸗ tage wenn auch nur durch Kenntnisnahme eine teiligung einzuräumen. Auch hier ist auf das Fehlen einer bezüglichen Vorschrift wie in der Gewerbeordnung hinzuweisen.

2) die Art der Veröffentlichung dieser Verordnungen zur Er⸗

Be⸗

(Zuruf aus der

Mitte.) Das ist, wie in Uebereinstimmung mit anderen Reichs⸗ ämtern festgestellt ist, die rechtliche Sachlage.

Meine Herren, materiell liegt die Sache so: Alle Dinge, die wichtig sind und auf dem Verordnungswege einem weiteren Kreise mitgeteilt werden, erscheinen und werden abgedruckt in den jetzt ia allen Schutzgebieten gleichmäßig erscheinenden Amtsblättern. Wir haben im vorigen Jahre ein Amtsblatt für Kamerun bewilligt, vor zwei Jahren eins für Togo. In Südwestafrika gibt es amtliche Organe, in Ostafrika desgleichen, in Samoa ebenso. Nur in Neu⸗Guinea fehlt ein solches Organ. Wegen der Verordnungen von Neu⸗Guinea bin ich bereit, dieselben hier immer nieder⸗ zulegen, gerade so wie in der Bibliothek des Reichstags bezw. im Lesezimmer regelmäßig die sämtlichen Amtsblätter der einzelnen Schutz⸗ gebiete ausgelegt werden, sodaß jeder, der an der Sache irgendwie interessiert ist, alles erfahren kann, was öffentlich Rechtens ist. Ferner werde ich auf besonders wichtige Verordnungen, wie es jetzt schon ge⸗ schieht, ebenso wie auf alle Verordnungen des Reichskolonialamts als folche im „Deutschen Kolonialblatt“, dem amtlichen Organ des Reichs⸗ kolonialamts, ganz besonders hinweisen, sodaß der materiellen Seite, der durchgehenden, ausreichenden Information sämtlicher Mitglieder des Deutschen Reichstags von seiten der Verwaltung ohne jede Be⸗ zugnahme auf diese verfassungs⸗ und staatsrechtliche Frage vollauf Rechnung getragen werden kann. Daraus würde eigentlich folgen daß Sie diese Resolution an und für sich nicht anzunehmen brauchten. Ich glaube, man könnte durch die Erklärung, die ich abgegeben habe die Sache für erledigt ansehen. Ich habe aber meinerseits selbftver⸗ ständlich nicht das mindeste dagegen, daß Sie pro memoria für die Verwaltung die Resolution noch akzeptieren. Wir werden so ver⸗ fahren, wie ich hier dem Reichstage zugesagt habe.

Resolution wird darauf angenommen 8 Von der Kommission ist folgende Resolution beantragt: „den Reichskanzler zu ersuchen, in Erwägung über die Aenderung der Anstellungsverhältnisse des Bureaupersonals des Reichskolonialamts unter tunlichstem Anschluß an die Verhältnisse in den anderen Reichsämtern einzutreten.“ Auch diese Resolution gelangt zur Annahme. Die ordentlichen Ausgaben fuͤr die ivilverwaltung werden nach einer kurzen Bemerkung des Abg. Dr. Arning (nl.) nach dem Kommissionsantrage bewilligt; ebenso ohne Debatte die Fügegs Ausgaben für die Militärverwaltung. ei den einmaligen Ausgaben für die Zivilverwaltung nan. ger S .“ von 25 200 Silbern zu 55 altungskosten der Kolonialschule in 8 e. ialsch in Witzenhausen Abg. Scheidemann (Soz.) auf den jüngsten Schü . dieser Anstalt zurück und bemängelt die W und Ausbildung. „Nach unverdächtigen Zeitungs⸗ und sonstigen Mit⸗ teilungen mache die Anstalt eine sehr merkwürdige Reklame für sich; es scheint daselbst nach Gunst, d. h. nach der Gesinnung der Schüler, verfahren zu werden; die vielgerühmte „Charakterbildung“ scheine auf die Pflege des Byvzantinismus hinauszulaufen, da z. B. bei der Durch⸗ fahrt des Kaisers die Schüler sich hurrarufend längs des Eisenbahn⸗ zuges aufgestellt hätten. Der Kriecherei nach oben scheine anderseits ein gewisser Terrorismus nach unten gegenüberzustehen, indem die Anstalt die Milchpreise in die Höhe treibe und dabei gegen die Be⸗ wohnerschaft von Witzenhausen ganz skrupellos vorgehe. Die Ver⸗ waltung der Kolonialschule sei sogar so weit gegangen, bei den einzelnen Geschäftsleuten die Erklärung abzugeben, daß sie Weihnachtseinkäufe bei ibnen nur unter der Bedingung machen würde, daß bufe Geschäftzleute ihre Milch von der Schule bezögen. Die Paäͤdagogik an der Schule scheine einer gründlichen Remedur zu bedürfen.

Staatssekretär des Reichskoloniglamts Dernburg: Soweit ich die Beschwerden des Herrn Abg. Scheidemann für begründet oder wichtig erahte, werde ich sie gewiß untersuchen. Die Milchgeschichte gehört meines Erachtens nicht dazu. (Sehr richtig!) Ich bin hier zitiert worden, daß ich rückenstarke Beamte gern in den Kolonien haben möchte. Ich hätte aber auch vollständig zitiert werden müssen, daß ich kaiser⸗ und reichstreue Beamte in den Kolonien haben will. Nun, meine Herren, wenn Seine Majestät der Kaiser durch Witzenbausen durchfährt, glaube ich, macht es den Jungen allen großen Spaß, wenn sie nach dem Bahndamm gehen und sich den Hofzug ansehen können. Darüber hat sich kein Mensch zu beschweren und Byzantinismus ist das noch lange nicht. 1t Ich verstehe, daß der Herr Abg. Scheidemann die Kleinbürger seines Wahlkreises hier vor dem Reichstag (Zwischenruf links.) Ich weiß ja, wo das liegt, ich bin selbst dagewesen, ich bin auch einer von den angegriffenen hohen Besuchen das kann ich durchaus verstehen; aber für uns hat das wirklich keine sehr große Bedeutung. Eine Bemerkung möchte ich aber denn doch noch machen: b es nicht sehr hübsch, daß das konkurrierende e. * Se sich über die Kolonialschule in Witzenhausen so ausläßt. (Zwischenruf links.) Sie haben das ja vorgelesen! (Widerspruch links.) Fernerhin bemerke ich aber, daß hier behauptet worden ist, Leute, die aus Witzenhausen vorzeitig weggegangen seien, seien unter Umständen sehr tüchtige Leute geworden, und diejenigen, die die Schule sehr gut darchgemacht hätten, aus denen sei nichts geworden. Das ist für alle Schulen der ganzen Welt richtig und maßgebend, daß diejenigen, die an der Schule sehr viel getaugt haben, im Lehen es oft zu nichts bringen, und die Schlüsse, die Herr Scheidemann daraus gezogen hat daß dort Favoritismus herrsche, lassen sich nicht ziehen. Im üͤbrigen werde ich, wo ich glaube, daß Grund zu Beschwerden ist, den Dingen be; wie ich das immer getan habe. (Beifall.) sei den einmaligen Au ür di ilitär

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Der Rest des Etats für das Kolonialamt kommt nach d Kommissionsvorschlägen ohne weitere Debatte zur Anachh den e Petition der Vereinigung der Kriegervereine ehemaliger

hina⸗ und Afrikakämpfer Deutschlands in Berlin um Errich⸗ 9 b““ 3 86 in Afrika und China gefallenen

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weneen n verbündeten Regierung ls Material Das Haus geht über zur Beratung des Etats de Reichspost⸗ und Telegraphenverwaltung. Mit dem ersten Ausgabetitel „Staatssekretär“ wird die erste Lesung des ntwurfs einer Fernsprechgebührenordnung ver⸗

unden. Pichler (Zentr.): Wir wünschen, daß Ueberlebtes und

Abg. Dr. Mißstände in der Posiverwaliung beseitigt, da Reformen ein⸗

Gesprächsgebühr bezahlt haben, eine

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Als Betriebsverwaltung muß sie zum Teil wenigste ü herausarbeiten, namentlich auch mit Rücksicht eeeö In der Budgetkommission ist besonders die Frage der Personalreform besprochen worden; die Frage der Ersetzung der Arbeiten der mittleren durch Unterbeamte im Interesse der Erleichterung und der Ersparnis. Weitere Wünsche sind vorgebracht worden in bezug auf die Telegraphen⸗ und Telephonbauten. Eine Subkommission hat den Auftrag erhalten, diese Frage besonders zu prüfen. Ich hoffe, daß ein gedeihliches Resultat dabei heraus⸗ kommt, besonders hinsichtlich der Vergebung der Materialien. Sollte sich ein Syndikat bilden, so müßte der Staatssekretär nicht davor zurückschrecken, auf Reichskosten ein eigenes Institut zu gründen. Das Fernsprechwesen ist für das wirtschaftliche Leben des Volkes von großer Bedeutung geworden. Selten finden wir auf technischem Gebiete eine so schnelle Entwicklung. Was die Fernsprechgebühren⸗ ordnung anlangt, so sind wiederholt Anträge auf Abänderung der Gebührenordnung von 1899 gestellt worden. Es wurde eine Verbilli⸗ gung der Telephongebühren und eine gleiche Repartierung der Ge⸗ bühren für Stadt und Land gewünscht. Auch im vorigen Dezember haben mehrere Redner sich mit den Telephongebühren beschäftigt und das Prinzip von Leistung und Gegenleistung betont. Gegen den neuen Tarif hat sich nun namentlich in Handelskreisen und in Berlin eine lebhafte Agitation geltend gemacht. Die Anschauungen der veelnen gehen ja weit auseinander und widersprechen sich. hrend hier in Berlin der Kampf sich besonders laut äußert, wird von anderer Seite behauptet, daß es in Deutschland kein Gebiet gibt das so stark durch diesen Tarif bevorzugt wird wie Berlin. Man beschwert sich, daß das platte Land nicht berücksichtigt wird. Es zeigt ch eben hier wie sonst: jeder beurteilt solche Angelegenheit nach einen eigenen persönlichen und geschäftlichen Interessen. Es sind Wrceklch immer diejenigen unzufrieden, die schlechter wegkommen. enn wir uns die Rechnungen der Postverwaltung ansehen, so werden wir zugeben müssen, daß eine Reform, eine Aenderung der Tarife notwendig war aus finanziellen und sozialen Gründen. Bei 5 bisherigen System ist die Post nicht mehr auf ih e Kosten ge⸗ ommen. Der bisherige Ueberschuß verwandelt sich in ein Defizit 1 diejenigen Abschreibungen tatsächlich vorgenommen werden, die 221e notwendig sind. Auch aus sozialen Gründen war eine enderung der bisherigen Tarife nicht zu umgehen. Der bisherige Tarif brachte eine außerordentlich verschiedene Belastung. In Hamburg kostet ein Gespräch durchschnittlich 3,3 ₰, in kleineren Orten 18,5 ₰. Die wirklichen Unterschiede der einzelnen Abonnenten sind noch viel Fv. Es kann ein Gespräch unter Umständen ½ ₰, das andere kosten. Bei den großen leistungsfähigen Geschäften kommt die post nicht auf ihre Kosten. Es fragt sich, soll das bisherige auschalsystem beseitigt werden oder nicht. Der Gesetzentwurf ver⸗ folgt die Tendenz, eine ausreichende Deckung der Kosten der Postverwaltung zu erzielen, die überflüssigen Gespräche einzuschränken und eine gerechtere Verteilung der Lasten herbeizuführen. Dieser Tendenz stimmen wir zu, in allen Einzelheiten aber wollen wir unsere Stellung uns vorbehalten. Ich beantrage deshalb, diese Vorlage an die Budaetkommission zur Weiterberatung zu überweisen. Die Budgetkommission hat sich schon wiederholt mit dieser Frage beschäftigt, aund außerdem handelt es sich um eine vorwiegend finanzielle Frage. Ein Ausgleich kann nur dadurch herbei eführt werden, daß die Gebühren für die größeren Orte erhöht und für die kleineren Orte entsprechend ermäßigt werden. Man will diesen Aus⸗ gleich durch eine anderweite Staffelung erreichen. Die jetzige Staffelung ist keine gerechte. Es bestebt jetzt eine Grundgebühr und Gesprächsgebühr und das Pauschquantum. Nach meiner persönlichen Anschauung ist von dem rein finanziellen Standpunkt der Postverwaltung das bisherige System nicht aufrecht zu erhalten, weil die Verwaltung auf ihre Kosten nicht kommt. Hört man die verschiedenen Klagen, so müßte man meinen, daß gerade in Berlin eine ungerechte Behandlung der Teil⸗ nehmer stattfinden wird. Das ist aber nicht der Fall. Ein großer Teil der Teilnehmer hat bisher eine höhbere Gebühr gezahlt, als er künftig zahlen soll. 2000 Gespräche sollen hinfort 170 kosten, 0 weniger als bisher. Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß die Gebühren immerhin viel billiger sind als Briefe und deren Ant⸗ worten. Der neue Tarif bringt für alle diejenigen, welche bisher die hen: verhülligung 3 Grundgebühr 8 2 1 zu übersehen übrigens, d auch Handelskreise gibt, die den neuen Tarif für gerecht eklärt 8 Ich erinnere 3 B. an die Schwäbische Handelskammer. Nur 33 % der Teilnehmer werden eine Erhöhung erfahren. Die Gebühren für die kleinen Telephonnetze ollten hersaeseg und auch einige weitere Wünsche berücksichtigt werden, die sich auf die Beseitigung einiger Unstimmigkeiten beziehen. Manche Bedenken gegen die neue Telephon⸗ gebührenordnung ließen sich beseitigen 8n. die Einführung eines etwas verbilligten Abonnements. Eine Tarifreform genügt aber nicht, es wird auch eine Verminderung der Anlagekosten Herbeigefübri werden müssen. Ich wünsche, daß in der Kommission ein Weg ge⸗ funden werden möge, der den finanziellen Bedürfnissen des Reichs und den berechtigten Wünschen des Publikums genügt.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:

Meine Herren! Ich kann dem Herrn Vorredner darin bei⸗ stimmen, daß die Reichspost⸗ und Telegraphenverwaltung einen großen Geschäftsbetrieb hat, und daß da auch Maximen wie bei anderen Geschäften in Geltung kommen; aber er wird mir auch darin zustimmen, daß die Reichspost⸗ und Telegraphenverwaltung neben diesem Geschäftsbetrieb als Staatsanstalt und als Besitzerin von Monopolen der Bevölkerung gegenüber große Verpflichtungen hat⸗ und daß sie nicht bei jedem Geschäftsbetrieb abwägen kann: dies bringt so viel und dies bringt das, und wenn es das nicht bringt dann tue ich das nicht. Dann würde der ganze Wert der Staats⸗ anstalten fortfallen, und wir würden das Land schlechter be handeln müssen als die Städte. Wir müssen alle Interessen berücksichtigen. Ich kann ihm auch die Versicherung geben, daß bei der Verwaltung stets genau beobachtet und verfolgt wird, wie sich die Einnahmen ge⸗ stalten, und daß wir stets dann, wenn die Einnahmen nachlassen, auch mit aller Energie dahin wirken, daß die Ausgaben zurückgeführt werden und nicht etwa nur, daß Verfügungen erlassen werden, sondern daß durch Abweisung von zu weit gehenden Anträgen, durch Kontrolle und enäss an Ort und Stelle die Sache ins richtige Gleise gebracht wird.

Ich möchte hier vor diesem hohen Hause nur wiederholen, daß die Reichspost⸗ und Telegraphenverwaltung sich bewußt ist, sparsam zu wirtschaften, und, meine Herren, bei den vielfachen Prüfungen, die stattgefunden haben, ist nicht ermittelt worden, daß wir etwa Geld verschleudern.

Der Herr Vorredner hat angeführt, daß im Beamten⸗ und Unterbeamtenpersonal eine weitere Ersparung dahin stattfinden möchte, daß einfache Geschäfte minderbezahlten Personen übertragen werden. Ich darf darauf zurückkommen, daß bereits seit langen Jahren das Streben der Verwaltung dahin geht, den Unterbeamten Geschäfte, die bisher von Beamten wahrgenommen wurden, zu über⸗ tragen, und daß mit diesem Verfahren auch energisch weiter vor⸗ gegangen wird. Nur wollen die Herren dabei immer im Auge be⸗ halten, daß bei allen solchen Maßnahmen es unsere erste Pflicht ist, dafür zu sorgen, daß die Bevölkerung nicht Schaden erleide, und daß insbesondere solche Anordnungen nicht dahin wirken, die Sicherheit und Regelmäßigkeit in der Beförderung ungünstig zu beinflussen. Es ist auch allgemein anerkannt, daß wir auf dem Wege vorgehen, nur

und der Gesprächsgebühr.

geführt werden und da auch in diesem Ressort gespart wird f d, soweit mit den großen Naßsanch der Reicheposspernnlans e sf.

etwas zu langsam. Dieses Tempo ist aber geboten, weil w vorgehen können, wenn der Erfolg vollständig gesichert ist.

Nun hat der Herr Vorredner auch die Wichtigkeit hervorgehoben die die Vergebung von Materialien bei dem großen Betriebe hat. Es ist dies ganz richtig, da, wenn die Herren den Etat ansehen, alljährlich viele Millionen, bis zu 70 und 80 Millionen, für das Fernsprechwesen ausge⸗ geben werden, und zwar beziehen sich diese Ausgaben auf Kupfer, Eisen, Draht, Stangen usw. Die Herren wollen überzeugt sein, daß bei diesen Materialienvergebungen sehr kaufmännisch vorgegangen wird. Der frühere Unterstaatssekretär verfolgte 3. B. die Preise von Kupfer derartig, daß mir vielfach die Kaufleute gesagt haben: er beherrscht die Sache eigentlich besser als wir; er gönnt uns nicht einen kleinen Gewinn. Dieses Verfahren wird auch weiter beobachtet.

Wir werden auch bei diesen großen Summen, - ausgaben, ziemlich scharf vom Rechnungshof vee he⸗ era nas müssen ihm Rede stehen, weshalb wir diese und jene Preise bewilligt haben. Bei den vielen Verträgen, bei den Ausschreibungen, die von 2r. aus Fegre wird stets darauf gesehen, daß wir billig ein⸗ aufen, und daß wir durch Verallgem naeb ch gemeinerung der Submissionen gute

Der Herr Vorredner ist dann auf den Entwurf der neuen Telephongebührenordnung eingegangen. Ich möchte auch einige Worte dazu sagen. Den Herren ist ja bekannt, daß bald nach der Einführung der Fernsprechgebührenordnung der Wunsch entstand, eine bessere Aus⸗ gleichung stattfinden zu lassen. Es wurde geklagt, daß bei dem gegen wärtigen Tarif das Land im Verhältnis zu der Stadt zu schlec. . weg käme, und es wurde von einzelnen dann geltend gemacht: warum so das Land überhaupt solche Anlagen im weiteren Maße bekommen? Es kommt ja aus diesen Anlagen wenig ein, die Städte dagegen bringen die großen Summen! Es ist zweifellos, daß der Verkehr in den großen Städten ein viel intensiverer ist, und daß der Landverkehr im Ver⸗ Uältnis dazu schwach ist. Aber, meine Herren, darin besteht ja gerade die Pflicht des Staates und der Staatsanstalten, daß sie einen Aus gleich herbeiführen. Wenn man das nicht wollte, dann könnte man jn den Betrieb den Privatunternehmern überlassen; aber diese setzen sich in die großen Orte hinein und vernachlässigen das Land, und des halb hat der Staat und das Reich die Pflicht, beiden Seiten nach Möglichkeit gerecht zu werden.

1 Wenn Sie sich nun die Gebührenordnung ansehen, so können Sie sagen: die Anlagekosten für die Verbindungen nach dem Lande sind allerdings etwas höhere, weil die Wege längere sind. Aber meine Herren, in den großen Städten sind die Wege, auf denen der Draht zu ziehen ist, auch recht lang. Nun kommt aber ein wichtiges Moment hinm: auf dem Lande kommen wir mit einfachen Ein⸗ richtungen innerhalb der Anstalten aus, während in den großen Orten im Fernsprechbetriebe die Schwierigkeiten und die Ausgaben erst recht gewaltige werden, wenn es sich um große Einrichtungen handelt. Die inneren Einrichtungen an den großen Orten sind sehr kostspielig, sie erfordern die fortwährende Einstellung neuen und sehr zahlreichen Personals, besonders da für die einzelnen Stellen nicht zu übersehen ist, welche Anforderungen gestellt werden. Die Verwaltung ist infolge der Anregungen dieses hohen Hauses und infolge ihrer eigenen Erfahrungen an diese Neuordnung der Gebühren herangetreten. Daß sie damit wieder einmal den schärfsten Angriffen begegnen würde, daran habe ich keinen Moment gezweifelt. Denn wenn ein solcher Ausgleich zustande kommen soll, dann wird dem einen genommen und dem andern gegeben, und das kann nicht anders ge⸗ schehen, wenn als Hauptmoment dabei in Betracht gezogen wird und gezogen werden muß, daß bei unserer finanziellen Lage die Einrahmen nicht geringer werden dürfen.

Nun sind wir durchaus nicht leichtsinnig an die Aufgabe heran⸗ gegangen, wir haben eingehende Ermittelungen angestellt, wie Sie aus der Vorlage ersehen. Wir haben uns mit den süddeutschen Postver⸗ waltungen ins Einvernehmen gesetzt, diese haben auch Ermittelungen angestellt, wir haben dann zusammen beraten, und bei einer solchen wichtigen Einrichtung wollten wir auch die Interessenten hören, die von diesem Institute reichlichen oder weniger reichlichen Gebrauch machen. Infolge⸗ dessen haben wir im Januar 1908 einige Herren aus dem Handelsstande aus der Industrie, aus dem Handwerk und aus der Landwirtschaft einberufen. Nun haben wir aber nicht etwa, wie mir nahegelegt wurde, diese oder jene Herren ausgesucht; dann hätte man mir gleich wieder den Vorwurf gemacht: du hast die ausgesucht, die für deine Pläne gerade passen, nein, wir haben uns an den Handelstag, an den Landwirtschaftsrat und an die Vertretungen von Industrie und Handwerk gewandt und haben gebeten: bitte, bezeichnet uns einige Mitglieder, die ihr für geeignet haltet, uns bei unseren Vor⸗ bereitungen für eine neue Gebührenordnung guten Rat zu geben. Wir haben einige der vorgeschlagenen Herren zusammenberufen und haben mit ihnen beraten nicht etwa dahin, daß gesagt worden ist: hier diese Gebührenordnung soll eingeführt werden, sondern in dem richtigen Bewußtsein, daß es sich um eine sehr wichtige Angelegenheit handelt, ist den Herren gesagt worden: wir sind uns voll der Schwierigkeiten dieser Sache bewußt, wir haben lange beraten und sind zu der Ueberzeugung gekommen, hier einen Weg gefunden zu haben, aber äußert euch dazu und macht andere Vorschläge. Die Beratung hat stattgefunden, und die Ma⸗ jorität, die ja nicht überwältigend war, wie die Herren aus der Dar⸗ legung sehen, hat unserem Entwurf zugestimmt. Wenn die Sache so liegt, dann darf man doch nicht den Vorwurf erheben, die Verwaltung biete hier wieder ein Zeugnis dafür, daß sie ganz rückständig ist, daß sie gar kein Verständnis für den Puls der Nation hat und dergleichen mehr. Bei der Verwaltung hat bestanden und besteht die Auffassung, daß solche Fragen vielleicht auch auf andere Weise gelöst werden können, sie ist aber nach Prüfung aller Materialien und nach ihren Erfahrungen zu der Ueberzeugung gekommen, das wäre ein brauchbarer Weg. Wenn diese Fernsprechgebührenordnung einer Kommission über⸗ wiesen werden wird, so wird sich ja zeigen, ob die Herren im stande sind, etwas vorzuschlagen, was dem großen Ganzen besser entspricht und die Interessen einzelner nicht schädigt. Wie der Herr Ab⸗ geordnete Pichler ganz richtig hervorgehoben hat, hört man natürlich nur die Stimmen derjenigen, die jetzt schlechter wegkommen. Dat sind 30 bis 35 %, aber die 65 bis 70 % die nicht geschädigt werden sind ganz ruhig. In den letzten Tagen fangen sie aber auch an. Seit einigen Tagen bekomme ich Zuschriften von einzelnen aber auch von Vereinigungen, die der Aenderung zustimmen. In der Oeffentlichkeit aber haben bloß die großen das Wort. Da wird geschrieen und gesagt: alles ist schlecht.

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erscheint dem einen oder anderen das Tempo, in dem wir marschieren,

Wie liegt es nun? Die einen klagen, sie sollten mehr zahl