1909 / 66 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 18 Mar 1909 18:00:01 GMT) scan diff

stimmung, der Fürst Radziwill widersprach, ist im Abgeordnetenhause eingehend erörtert worden; ich kann deshalb auf die Wiederholung aller der Gründe für diese Ausnahme verzichten. Die Hoffnung, welche die Regierung beim Gesetz von 1898 auf die loyale Haltung der Geistlichkeit in den polnischen Diözesen hegte, hat sich nicht erfüllt. Die zahlreichen Sokolvereine werden von der Geistlichkeit gefördert, die Fahnen dieser Vereine werden in den Kirchen eingesegnet, während die Geistlichkeit bei der Einsegnung deutscher Fahnen Schwierigkeiten macht. Sogar der verstorbene Erzbischof von Stablewski hat sich ge⸗ nötigt gesehen, der Geistlichkeit die Teilnahme an solchen Vereinen zu untersagen. Infolge des unglückseligen Schulstreiks haben 17 Geistliche mit Strafe belegt werden müssen. Da hat es die Re⸗ gierung mit Rücksicht auf ihre Autorität und auf die Bevölkerung als ihre Pflicht angesehen, diese Geistlichkeit von der Wohltat der jetzigen Gesetzgebung auszuschließen. Die Schuld trifft nicht die Re⸗ gierung, sondern die Geistlichen, welche ihren Pflichten gegen den Staat nicht nachkommen. Ein Vorwurf gegen die Bischöfe liegt nicht darin. Hoffen wir, daß die Geistlichen wieder zu einer loyalen Haltung

zurückkommen werden.

Wirklicher Geheimer Rat Dr. Hamm: Es handelt sich nicht um vergiftete Pfeile, sondern um eine A wehrmaßregel. Die Gesinnung des polnischen Klerus auch in Rheinland und Westfalen war staatsfeindlich. Es ist zu begrüßen, daß die Regierung endlich einmal dagegen ein Mittel ergreift. Der polnische Klerus schämt sich nicht, auf den Kanzeln zu verkünden, daß deutsch protestantisch und polnisch katholisch ist. Es wird von Segen sein, daß die Regierung dagegen energisch Front macht. II. Professor Dr. Hillebrandt⸗Breslau: Es ist zu begrüßen, daß

in die Lehrerbesoldung Ordnung gebracht wird, und daß die großen Unterschiede in den einzelnen Gemeinden und von Stadt und Land etwas ausgeglichen werden. Das Streben nach größerer Einfachheit und Klarheit in den Verhältnissen war berechtigt, und deshalb ist die Vorlage mit Freuden zu begrüßen. Ohne eine gewisse Maximalgrenze war eine Regelung nicht möglich, es können jetzt nicht mehr einzelne Gemeinden Schrittmacher für weitere Er⸗ höhungen sein. Das Abgeordnetenhaus hat mit großer Hingebung sich der Aufgabe unterzogen, die Regierungsvorlage in verschiedenen Punkten zu ändern. Es hat eine weitere Erhöhung der Gehälter der Lehrer vorgenommen, die Grundsätze für die Ortszulagen anders festgestellt unnd die Privatdienstzeit der Lehrer besser angerechnet. Schwere Be⸗ denken haben wir aber, daß der bieherige Rechtsanspruch der Ge⸗ meinden auf den staatlichen Zuschuß zu jeder Lehrerstelle um⸗ 1 ist in die Form einer Unterstützung. Besonders chwierig liegen die Dinge in den kleinen Städten. Wir haben eine Petition von 835 kleinen Städten bekommen, die ihre Besorgnisse über die Vorlage zum Ausdruck bringen. Wir können den Notschrei der kleinen Kommunen nicht überhören; was bisher Recht war, soll in Zukunft nur Unterstützung sein. Bas ist unwürdig. Ez sind auch nicht feste Grundsätze fur die Unterstützung aufgestellt worden; wir dürfen auch nicht vergessen, daß die wohlhabende Bevölkerung fort⸗ ziehen wird, um sich dem gestiegenen Steuerdruck zu entziehen. Die Nachzahlung für 1908 wird die Finanzen der Gemeinden verwirren. Meine Fraktion erkennt die Notwendigkeit und die Tendenz des Gesetzes an, aber wir können die Schwierigkeiten für die Kommunen nicht übersehen und halten es für besser, in mancher Beziehung von der Abgeordnetenhausfassung abzuweichen und zur Regierungsvorlage zurückzukehren. 8 Oberbürgermeister Dr. Lentze⸗Magdeburg: Die Steigerung aller Lebensverhältnisse hat diese Vorlage notwendig gemacht, aber es liegen im einzelnen Bedenken vor. Die Volksschullast liegt in erster Linie den Kommunen ob; ich habe bittere Klage darüber zu führen, wie wir da von der Regierung behandelt sind. Die Regierung hat uns keine Mit⸗ teilung gemacht, daß eine solche Vorlage kommen würde, und die Kom⸗ munen haben für 1908 ihre Etats aufgestellt, ohne zu wissen, daß die Besoldungserhöhungen rückwirkende Kraft erhalten sollen. Der Finanzminister hat auf meine Anfrage im vorigen Jahre nur die Kommunen ermahnt, einen entsprechenden Reservefonds in den Etat für 1908 einzustellen. Ich habe aber in Maadeburg die große Mühe in fünf, sechs Sitzungen gehabt, die Reservierung einer Summe für die Gehaltserhöhungen durchzuhringen; es will hier niemand Steuern auf Vorrat bewilligen. Aus jeder Kommissionssitzung des Abgeordnetenhauses kamen neue Beschlüsse heraus, welche die Finanzen der Kommunen berührten. Es ist leicht, Mittel auf Kosten anderer zu bewilligen. Man hat den Kommunen neue Lasten auferlegt, aber anderseits ihnen Ein⸗ nahmen entzogen. Es ist bestimmt worden, daß für die Einkommen⸗ steuer Zuschläge erhoben werden sollten, daß diese Zuschläge aber der Kommunalbesteuerung nicht mitverrechnet werden dürfen; anderseits ist aber durch die Ausdehnung des Kinderprivilegs den Kommunen ein Ausfall an Einnahmen zu efügt worden, der z. B. in Magdeburg 110 000 ausmacht. afur erhalten wir keine Entschädigung. Die Kommunen werden also mit ihren Steuerzuschlägen erheblich in die Höhe gehen müssen. Die Regierung hat für 1908 keine nachträglichen Steuern erheben wollen, sie hat es aber den Kommunen zugeschoben, für die Lehrer⸗ besoldung rückwirkende Kraft eintreten zu lassen. Wie soll es möglich sein, noch einen Gemeindeetat aufzustellen bei den Ausgaben, die jetzt den Kommunen durch das neue Poltzeikostengesetz erwachsen, dann durch das neue Unterstützungswohnsitzgesetz; die Staatszuschüsse für die Kommunen mit 8 25 Saulstellen werden ihnen entzogen, dazu kommt das Kinderprivileg. Es ist ein Denkfehler des Abgeordnetenhauses, das die Gemeinden als selbständige Organismen ansieht, sie sind Teile von Reich und Staat wie jede andere Körperschaft. Nun wird gesagt, daß dasselbe Gesetz ja das den Kommunen wiedergibt, was es nimmt. Nein! Bisher konnten die Gemeinden mit bestimmten Beträgen rechnen, in Zukunft sind sie auf das diskretionäre Ermessen der Schulverwaltungsbehörden an⸗ geewiesen. Das ist doch ein himmelweiter, tiefbetrübender Unterschied.

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben: 8 Meine Herren, der Herr Vorredner hat seine Ausführungen damit begonnen, daß die Vorlage ganz erhebliche Rückwirkungen auf die Kommunen haben müßte, eine Auffassung, der ich immer im Ab⸗ geordnetenhause, im Plenum sowohl wie in den Kommissionen, nach⸗ drücklich Ausdruck gegeben habe. Ich habe bereits bei Einführung der ganzen Vorlage am 20. Oktober 1908 folgendes ausgeführt:

Aber meine Herren, die Kehrseite der Medaille ist die große Belastung der Bevölkerung. Es ist ja diese Gehaltsaufbesserung für Preußen nicht abgeschlossen; denn zunächst und in kürzester Frist wird die Aufbesserung der Bezüge der Reichsbeamten folgen, die Kommunen werden sich diesem Vorgehen des Staates vielfach an⸗ schließen müssen, und selbst auf die G hälter der Privatbeamten, und selbst auf das Lohnverhältnis wirkt naturgemäß diese Auf⸗ besserung der Beamtenbezüge zurück. Also bei allem Wohlwollen für die Beamten, Geistlichen und Lehrer heißt es auch hier Maß halten, heißt es auch hier: oest modus in rebus, und unser Streben muß dahin gehen, die berechtigten Wünsche der Beamten, Geist⸗ lichen und Lehrer in Einklang zu bringen mit den billigerweise der Allgemeinheit der Bevölkerung zuzumutenden Opfern.

Meine Herren, in unseren Bestrebungen im Abgeordnetenhause, im Plenum sowohl wie in den Kemmissionen, die zuweit gehenden An⸗ sprüche zurückzuweisen, sind wir ganz allein geblieben, und in dem Wald der großen Kommunen war vollkommenes Schweigen. Es wäre sehr viel wirksamer gewesen, die Herren hätten uns damals unterstützt als jetzt, wo ein failt accompli von dem Abgeordnetenhause heschlossen ist. Wir haben ja bei dem Kompromiß im Abgeordneten⸗ hause sehr viel weitergehende, die Kommunen und die Staatskasse in

Nachdruck einzutreten.

Zu meiner Verwunderung hat der Herr Oberbürgermeister gesagt, die Städte wären auf die rückwirkende Kraft nicht vorbereitet gewesen. Da darf ich zunächst daran erinnern, daß es an sich die Absicht war, schon für das Jahr 1908 die Vorlage einzubringen, und daß, als dies nicht ausführbar war und wir uns darauf beschränken mußten, ein, malige Teuerungszulagen zu gewähren, bereits im März vorigen Jahres die Absicht der Königlichen Staatsregierung feierlich an⸗ gekündigt wurde, die Vorlage zum Herbst mit rückwirkender Kraft ein⸗ zubringen. Wie der Herr Oberbürgermeister da behaupten kann, daß die Kommunen darüber nicht orientiert gewesen seien, ist mir nicht ver⸗ ständlich. 8

Dann, meine Herren, hat der Herr Oberbürgermeister gesagt⸗ wir hätten bei der ganzen Lehrerbesoldungsvorlage die Staats⸗ finanzen geschont und die Kommunen belastet. Ich darf nur daranf hinweisen, daß die Vorlage, die mit 34 Millionen auslief, derart gestaltet war, daß davon 30 Millionen auf die Staatskasse genemmen wurden und nur 4 Millionen zu Lasten der Kommunen verblieben. Da, glaube ich, kann man doch nicht behaupten, daß das Schwergewicht auf die Städte gewälzt worden sei und nicht auf den Staat.

Nun, meine Herren, hat in den Ausführungen sowohl des Herrn Professors Hillebrandt wie des Herrn Oberbürgermeisters Lentze die Frage der Kürzung der gesetzlichen Staatsbeiträge eine große Rolle gespielt. Ich muß betonen, gegenüber dem, was in der Petition der 835 Gemeinden ausgeführt ist, daß den Gemeinden zwischen 8 und 25 Stellen, wenn ihnen auch die gesetzlichen Beiträge nicht mehr ge⸗ währt werden, doch diese Summe voll zur Verfügung steht in den Ergänzungszuschüssen, also daß die Befürchtung einer materiellen Schädigung dieser mittleren und kleineren Städte zwischen 8 und 25 Schulstellen durchaus unbegründet ist. Sie finden das in dem Kommissionsberichte ausführlich dargelegt, und es kann sich nur darum handeln, die nach wie vor voll zur Verfügung stehenden Summen im Einzelfalle denjenigen Gemeinden zu geben, die eben am bedürftigsten sind, und denjenigen Gemeinden nicht zu geben, wo ein solches Bedürfnis nicht vorhanden ist. Das aber entspricht⸗ durchaus der justitia distributiva, diese Beihilfe dahin gelangen zu lassen, wo das größte Bedürfnis vorhanden ist. Aus den Ausführungen des Herrn Oberbürgermeisters, wie aus der Eingabe der Städte klingt ein Mißtrauen gegen die Verwaltungsbehörden heraus, daß sie die Beiträge den kleineren Städten nicht geben würden, obwohl sie bedürftig sind. Ich kann dieses Mißtrauen gegen den Landrat und die Kreisausschüsse nicht im geringsten als be⸗ rechtigt anerkennen. In der Petition dieser 835 Städte heißt es: „Ganz besonders gefahrdrohend erscheint diese Bestimmung aber für die kleinen Städte, die ihre Ergänzungszuschüsse von dem Kreis⸗ ausschusse zugeteilt erhalten sollen, und für die man damit die meist aus ländlichen Gemeinden stammenden Mitglieder der Kreisausschüsse zu Richtern setzt über städtische Verhältnisse, die ihrer Bildung und ihrer Lebensführung nach mehr oder minder fremd sind.“

Meine Herren, früher hat man über die Verwaltung dieser großen Fonds im Kultusministerium geklagt. Wir entschließen uns jetzt, diese Fonds zu dezentralisieren, durch die Oberpräsidenten auf die Kreise übergehen zu lassen; wir entschließen uns dazu,

die sachverständigen, den örtlichen Verhältnissen nahestehenden, ganz unabhärgigen Laienelemente bei der Verteilung mitwirken zu lassen. Warum nun das Mißtrauen, daß diese Kreis⸗ ausschüsse diese Ergänzungsfonds nicht in angemessener Weise ver⸗ teilen? Ich glaube, zu diesem Mißtrauen ist durchaus keine Ver⸗ anlassung. Die Kreisausschüsse, die sich in unserm öffentlichen Leben so vortrefflich bewährt haben, werden sicher diese Verteilung nach ge⸗ rechtem Maßstabe vornehmen. Und überdies bedarf der Beschluß des Kreisausschusses noch der Genehmigung der Schulverwaltungsbehörde⸗ Also, meine Herren, von einer Schädigung dieser mittleren Gemeinden zwischen 8 und 25 Stellen kann meiner Ansicht nach nicht die Rede sein. Nun ist der Herr Oberbürgermeister auf die größeren Schul⸗ gemeinden mit über 25 Schulstellen zu sprechen gekommen und hat von einer Verletzung des Rechtsgefühls gesprochen, weil man den Boden des Gesetzes vom Jahre 1888 verlassen hat. Nun, meine Herren, den Boden des Gesetzes vom Jahre 1888 haben wir schon im Jahre 1897 verlassen und sind in dieser Beziehung durch die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses nur etwas weiter gegangen. Ich frage, wenn ein so großes Bedürfnis vorhanden ist, wie augenblicklich, die Gehälter der Lehrer aufzubessern, ist es dann nicht ge⸗ rechtfertigt, die staatlichen Beiträge da zurückzuziehen, wo kein Bedürfnis vorliegt? Ich gönne den großen Städten alles Gute; aber kann man behaupten, daß ein brennendes Bedürfnis vorhanden ist, einer Stadt wie Berlin 435 000 feste Staatsbeiträge für ihre Vo ksschullasten zu gewähren? Kann man behaupten, daß ein Be⸗ dürfnis vorhanden ist, Städten wie Frankfurt a. M., Cöln, Düssel⸗ dorf usw. feste Staatsbeiträge zu geben? Sind diese Städte nicht in der Lage, ihre Volksschulbedürfnisse allein zu befriedigen? Gewiß geht man zur Zurückziehung dieser Beträge nur sehr ungern über, und wir hatten ja einen solchen Vorschlag nicht gemacht; wenn aber ein Mehrbedarf hervortritt, wenn es unmöglich ist, die Steuern noch über das vorgeschlagene Maß anzuspannen, so bleibt kein anderer Weg übrig als der, den das Abgeordnetenhaus gegangen ist, diese Beträge zu kürzen. Und nun, meine Herren, handelt es sich für die ganzen großen Städte um eine Kürzung der Staatsbeiträge von 3,4 Millionen Mark, und dazu tritt infolge der Beschlüsse des Ab⸗ geordnetenhauses noch ein Mehrbedarf von etwa 2 Millionen Mark, sodaß es sich im ganzen um etwa 5 ½ Millionen Mark handelt. Ich glaube, bei der Leistungsfähigkeit der großen Städte und bei ihren sehr viel größeren Aufwendungen, die sie für andere Zwecke machen, ist auch diese Summe wohl von ihnen zu tragen. Meine Herren, ich meine, wenn es sich darum handelt, die Lehrerbesoldung in angemessener Weise zu regeln, so ist es geradezu ein nobile officium der großen Gemeinden, daͤfür einzutreten, daß die leistungsschwachen mittleren und kleinen Gemeinden in angemessener Weife unterstützt werden, denn das kann doch nicht verkannt werden, daß die ganze Entwicklung in den letzten Jahren und Jahrzehnten zugunsten der großen Städte und zu ungunsten der kleinen und der kleinsten Ge⸗ meinden gegangen ist. Ich glaube, die Herren Oberbürgermeister werden nicht in Abrede stellen, daß die ganze wirtschaftliche Ent⸗

unsere selbstverständliche Pflicht, nun für dieses Kompromiß auch mit

sich in den großen Städten vollzogen hat und daß nirgendwo so große

Fall, ist die Gunst der Umstände den großen Städten zugute gekommen, so, meine ich, sollten sie es als Ausfluß des noblesse oblige be- trachten, hier bei der Regelung der Lehrergehälter den kleinen, minder günstig gestellten Gemeinden zu Hilfe zu kommen.nn 828852

Meine Herren, in welchem Maße diese Entwicklung zugunsten

Daten illustrieren. Die Stadtkreise hatten im Jahre 1905 2 Mil⸗ lionen Zensiten, und in der kurzen Periode bis zum Jahre 1908 stieg die Zahl der Zensiten auf 2 756 000, also um 36 %, und der Steuerbetrag stieg in den Stadtkreisen von 119 Mil⸗ lionen Mark im Jahre 1905, auf 166 000 000 im Jahre 1908, also um nicht weniger als 39 %. (Hört, hört!) Ich möchte nicht Fälle im einzelnen anführen; aber, meine Herren, wir haben zahlreiche Fälle darunter, wo in einzelnen Städten die Steuerkraft wie die Anzahl der Zensiten noch äber die von mir an⸗ gegebenen Sätze hinausgegangen ist. Wir haben beispielsweise Städte, wo in dieser dreijährigen Periode das Steueraufkommen um 41 % gestiegen ist, Städte, wo es um 55 % gestiegen ist, um 45 % und dergleichen, und, meine Herren, was das durchschnittliche Steuer⸗ aufkommen betrifft, so kommen auf den Kopf der Bevölkerung an Einkommensteuer 6,43 auf. Dieser Betrag sinkt auf dem Lande auf 2,99 ℳ, und er steigt in den Städten auf 10,38 und in den Stadtkreisen auf 13 ℳ. (Hört, hört!)

Also, meine Herren, gegenüber einem Aufkommen auf dem Lande von noch nicht 3 steigt das Aufkommen in den Stadtkreisen auf 13 ℳ. Und was die Ergänzungssteuer betrifft, so beläuft sich das Durchschnittsvermögen, das zur Ergänzungssteuer herangezogen wird, auf 60 000 ℳ, es sinkt auf dem Lande auf 42 000 ℳ, steigt in den Städten auf 80 000 und in den Stadtkreisen auf 104 000 ℳ. Also, meine Herren, diese Daten und jeder Blick in die Entwicklung unserer großen Städte, über die sich ja jeder Mensch von Herzen freuen wird, beweist doch, daß der Gang der Geschichte zugunsten der großen Städte gewesen ist und nicht zu ihren Ungunsten. Also ich glaube, dieses verhältnismäßig nicht erhebliche Opfer, das hier von den großen Städten verlangt wird, um die Beihilfen den kleineren Gemeinden und den kleinsten Gemeinden da zu geben, wo ein Bedürfnis vorhanden ist, könnten, wie ich glaube, die großen Städte wohl bringen.

Nun, meine Herren, möchte ich vom Standpunkt der großen Städte noch auf zwei Momente hinweisen. Sie wissen, mit welchem Nachdruvck im Abgeordnetenhause der Gedanke der Besoldungskassen vertreten worden ist; Sie wissen, daß sehr große Parteien auf das lebhafteste für die Besoldungskassen eingetreten sind, und daß es nur dem energischen Widerspruch der Staatsregierung gelungen ist, diese Besoldungskassen zu beseitigen. Meine Herren, wird an dem Gedanken der Zurückziehung der Staatsbeiträge für die großen Kommunen ge⸗ rüttelt, so können Sie sicher sein, daß die Besoldungskafsen im Ab⸗ geordnetenhause wieder auf das Tapet kommen, und das würde ja eine Belastung der großen Städte sein, gegen die der Verlust dieser Staatsbeiträge überhaupt verschwindend ist. Ich glaube, das werden die Herren Oberbürgermeister mir zugeben. Ich glaube, für Magde⸗ burg würde es eine Ausgabe von etwa 400 000 sein. Ich will auf die großen Bedenken, die meiner Ansicht nach nach wie vor gegen die Besoldungskassen bestehen, hier nicht näher eingehen; aker ich meine, es liegt doch im Interesse der großen Städte selber, die viel größeren Gefahren, die mit den Besoldungskassen für sie verbunden sind, nicht erneut heraufzubeschwören.

Und dann, meine Herren, noch eines. alle Parteien des Abgeordnetenhauses zu einer das Lehrerbesoldungsgesetz zu bringen, so hat das den den ich früher auch schon bei den Beamten endlich eine Beruhigung in die Lehrerkreise getragen wird. Und die Beruhigung des Lehrerstandes, die Vermeidung einer fort währenden weiteren Agitation in bezug auf die Steigerung

Wenn es gelungen ist, Verständigung über großen Vorteil, erwähnte,

für die Kommunen, das wir nicht unterschätzen sollen. Also ich kann mich dahin rekapitulieren, daß wir den kleineren und miltleren Ge⸗ meinden materiell nichts entziehen, sondern daß sie an Ergänzungs⸗ zuschüssen wieder bekommen, was sie an Staatszuschüssen verlieren, daß das Opfer für die großen Gemeinden mit über 25 Schulstellen kein erhebliches ist, sondern jedenfalls ganz verschwindend gegenüber dem Gedanken von Besoldungsverbänden. Ich möchte daher die Bitte an die Vertreter der großen Städte richten, dieses verhältnis⸗ mäßig nicht große Opfer nicht zu scheuen und auch den mittleren und kleinen Gemelnden das zu Teil werden zu lassen, was sie bei ihrer viel geringeren Leistungsfähigkeit bedürfen. (Bravo.)

Dr. Graf Yorck von Wartenburg: Ich begrüße allerdings die besondere Zulage von 100 für jeden alleinstehenden Lehrer, aber ich teile nicht die Hoffnung, daß eine Beruhigung in den Lehrer⸗ kreisen eintreten wird. Die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses, soweit sie die kleineren Städte betreffen, 188, auch uns sehr bedenklich; ein besonderes Bedenken liegt in der Ersetzung der bisherigen rechtlichen Zuschüsse durch die Ergänzungszuschüsse. Ich bin überzeugt, daß die Kreisausschüsse in einwandsfreier und sachverständiger Weise die Er⸗ gänzungszuschüsse verteilen werden, aber es ist doch zu befürchten, daß Mißbelligkeiten entstehen werden und ein Kampf um die Zuschüsse entbrennen wird. Die Mehrbelastung der kleinen Städte von etwa 10 000 Einwohnern wird ziemlich roß sein, nament⸗ lich durch die indinekten Folgen dieses Gesetzes. Deshalb müssen die kleinen Städte so sehr wie möglich geschont werden. Ih sehe mit Gewißheit einer Störung des bisherigen guten Verhältnisses zwischen Stadt und Land entgegen. Zur Besoldungsordnung bemerke ich, daß für die Regierunggräte, deren Besserstellung ich gewiß wünsche, so⸗ genannte gehobene Stellen geschaffen werden sollen. Davor kann ich nicht genug warnen. Ich bitte also, den Städten ihr Recht wieder werden zu lassen denn tatsächlich wird ihnen ein 1* und die gehobenen Stellen lieber zu verwerfen, als sie n der vorgeschlagenen Form Gesetz werden zu lassen.

Ministerialvirektor D. Schwartzkopff: Die Regierung würde es sehr bedauern, wenn in diesem Hause Schwierigkeiten erwachsen würden. Wer die Dinge in den Lehrerhäusern kennt, weiß, daß es sich um die Beseitigung eines wirklichen Notstandes handelt. Es müssen deshalb auch die Kommuren zur v v. verpflichtet werden. Die Regierung hat die sichere Hoffnung, daß eine Befriedi⸗ gung die Folge des Gesetzes sein wird. Schon jetzt zeigt sich im ande eine Beruhigung durch die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses.

wicklung, das Steigen des Wohlstandes, das Steigen der Vermögen,

noch viel höherem Maße belastende Vorschläge abgewiesen, und es ist

die ganze Hebung unseres wirtschaftlichen Niveaus ganz überwiegend

Vermögen angesammelt worden find wie in großen Städten. Ist das der

der großen Gemeinden gegangen ist, möchte ich nur mit wenigen

ommen sind, kann man diese Beschlüsse nicht als übertrieben ansehen,

daß

der Ge⸗ hälter der Lehrer ist doch ein Moment von sehr großer Bedeutung

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußi

v11“ 8

us hat die Gehälter der Lehrerinnen aufgebessert zur großen Faube dafür sind die Alterszulagen ent⸗ sprechend gekürzt worden. Für die Lehrergehälter hatte die Regierung 18 Höchstgehalt von 3150 vorgeschlagen, das Abgeordnetenhaus b t 3300 beschlossen. Man kann darüber streiten, aber die Differenz 0 nicht so groß, daß man den Beschluß des anderen Haufes für nannehmbar erklären muß. Alle Parteien im anderen Hause haben sch vereinigt, dem dringenden Notstand abzuhelfen, und haben sich über die Sätze für Grundgehalt und Alterszulagen geeinigt. Angesichts der viel weiter gehenden Wünsche, die aus Lehrerkreisen ge⸗

ommunen können diese Lasten tragen. Die kleinen Städte F Einwohner brauchen keine Mehrbelastung zu fürchten, sie bekommen den vollen Mehrbetrag für die Gehälter durch die Er⸗ änzungszuschüsse vom Staate. Was die großen Gemeinden mit sber 25 Schulstellen betrifft, so wollte man 1888 durch die Staats⸗ zuschüsse den allgemeinen Klagen über die Schullasten in den Gemeinden begegnen. Aber schon 1897 erkannte man, daß man mit der Verwendung der Staatsmittel etwas zu weit gegangen sei. Es ist wirklich keine richtige Verwendung der Staatsmittel, daß man der Stadt Berlin jährlich 436 000 für die Lehrerbesoldung gibt. Diese großen Gemeinden sind alle leistungsfähig, man kann nicht be⸗ haupten, daß ihnen der Staat Beihilfen geben muß. Die Schwierig⸗ keit, die in der rückwirkenden Kraft liegt, muß allerdings auch von der Regierung anerkannt werden, aber die Gemeinden sind schon im vorigen Jahre darauf hingewiesen worden, und dieses hohe Haus hat ja scbon damals das Gesetz über die Teuerungszulage mitgemacht. Ich hoffe, daß sich auch diese Schwierigkeit wird überwinden lassen. Nun will man das ganze System nicht, daß der Kreisausschuß über die Zuschüsse entscheiden soll. Seinerzeit fand es aber bei dem Schul⸗ unterhaltungsgesetz gerade in diesem Hause Zustimmung für den Ge⸗ danken, nicht Dispositionskonds für den Minister zu schaffen, sondern die Verwendung der Mittel den Selbstverwaltungsorganen zu übertragen. Ein sicherer Maßstab für die Leistungsfähigkeit läßt sich überhaupt nicht finden. In erster Linie soll bei der Verteilung der Staatszuschüsse beachtet werden, daß am schwersten die Zurückziehung der bisherigen Zuschüsse wirkt, und daß weiter besonders drückend die neuen Lasten sind. Es soll Anweisung gegeben werden, nach diesem Gesichtspunkte über die Ergänzungszuschüsse zu verfügen. Ich bitte, bei diesem Werk, das für Jahrzehnte Bestand haben soll, die Be⸗ denken fallen zu lassen und überzeugt zu sein, daß die Zuschüsse richtig werden verteilt werden. 8 8 8 D. Graf von Hohenthal⸗Dölkau: Die Vorlage über die Besoldung der evangelischen Pfarrer hat die Billigung des evangelischen Oberkirchenrats gefunden. Es ist wenigstens auf finanziellem Gebiete eine Einigung der verschiedenen evpangelischen Kirchen erreicht worden. Ich hoffe, daß diese Einigung auf finanziellem Gebiete und auch auf dem Gebiete der Verwaltungs⸗ und Rechtepraxis zu einer besseren gegen⸗ seitigen Würdigung führen wird, sosshühis Kirchen im Kampfe gegen die radikale Theologie, gegen Haeckel und Nietzsche, zusammenstehen können. Wenn auch die Regelung der Pfarrbesoldung in der Vorlage zu begrüßen ist, so werden doch die Geistlichen immer noch schlechter gestellt als die niedrigsten Klassen der akademisch gebildeten Staats⸗ beamten. Die Pfarrer verdienten nach ihrer Bedeutung eine Besserstellung, sie sollten wenigstens so gestellt sein, daß sie alle ihre Söhne lassen könnten. Es kommt da nicht auf die gesellschaftlichen Verpflichtungen, auf die Repräsentation an, welche ünter der Beamtenschaft bis in die Kreise der Subalternbeamten hinein verheerend wirken; solche gesellschaftlichen Verpflichtungen kannte die altpreußische Beamtenschaft nicht, wie sie jetzt namentlich von den geschätzten Frauen betrieben werden; wir müssen zurückkehren zur alten Einfachheit. Erfreulich ist die Ordnung des Ruhegehalt⸗ wesens und der Hinterbliebenenversorgung; es gibt jetzt Pfarrwitwen, die sich mit einer Pension von 300 bis 400 begnügen müssen. Bei der Besoldungsordnung müssen wir auch der Geistlichen der inneren und äußeren Missionen und der Auslandsgeistlichen gedenken; das Parlament kann allerdings nichts dazu tun, Männer wie Wichern, Stöcker, Bodelschwingh heranzuziehen, aber der Nachwuchs ist seit 1895 in bedenklicher Weise zurückgegangen, und der Staat muß deshalb Mittel zur Ausbildung des Nachwuchses bereitstellen. Es wäre ideal und wünschenswert, daß die evangelische Kirche ihre Bedürfnisse selbst bestreiten könnte, aber die Geistlichen tun ein großes Stück Arbeit auch für die Interessen des Staates, wie z. B. durch die Schulaufsicht. Ich hoffe, daß das Herrenhaus der Besoldungs⸗ ordnung für die evangelischen Geistlichen zustimmen wird. Um 6 Uhr wird die weitere Beratung auf Donnerstag,

Uhr, vertagt (außerdem Antrag des Grafen Mirbach

wegen der Reichserbschaftssteuer; kleinere Vorlagen). Haus der Abgeordneten.

55. Sitzung vom 17. März 1909, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sitzung, in der die Beratung des Etats der Bauverwaltung bei dem Titel der dauernden Ausgaben „Gehalt des Ministers“ fortgesetzt wird, ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Auf eine Anfrage des Abg. Dr. Faßbender (Zentr.) er⸗ widert der

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:

Meine Herren! Es ist mir leider nicht möglich gewesen, den Ausführungen des Herrn Vorredners zu folgen. Ich habe nur Bruch⸗ stücke seiner Ausführungen verstehen können und bitte, mir nicht zu verübeln, wenn ich vorweg bemerke, daß meine Antwort dem⸗ entsprechend unvollständig ausfallen muß.

Soweit ich den Eingang der Rede verstanden habe, hat der Herr Vorredner auf die Mitwirkung der Staatsbaubeamten bei den Schiede⸗ gerichten hingewiesen und betont, daß die Staatsbaubeamten für diese Mitwirkung nicht hinreichend entschädigt würden, daß sie nicht in der Lage wären, zu liquidieren wie jeder andere, der als Schiedsrichter mitwirkt. Das trifft im wesentlichen zu. Die Staatsbaubeamten, welche von dem Fiskus in das Schiedsgericht entsendet werden, haben nur ihre Reisekosten und Tagegelder zu beanspruchen. Ich gebe zu, daß angesichts der sehr großen Arbeiten, die ihnen durch die Mitwirkung beim Schiedsgericht zugemutet werden, es billig wäre, eine weitere Entschädigung für diese Mitwirkung zu gewähren, und schweben dieser⸗ halb bereits Verhandlungen im Bereiche der Staatsbauverwaltung wie der Staatseisenbahnverwaltung. Was aber die Tätigkeit meiner Beamten als Schiedorichter Dritter und. die Vergütung hierfür an⸗

Dritte Beilage

Berlin, Donnerstag, den 18. März

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gegründete Stellung als solcher hat, und einem Schiedsrichter, der einem anderen Berufszweige angehört und in der Abgabe von Gut⸗ achten einen Teil seiner geschäftlichen Tätigkeit erblickt. Der Staats⸗ beamte muß aus diesen Erwägungen heraus bel der von der vor⸗ gesetzten Dienstbehörde erfolgenden Feststellung geringer entschädigt werden wie jeder andere Schiedsrichter.

Da es sich um eine grundsätzliche Frage handelt, werde ich mich vor Abschluß der zurzeit schwebenden Erwägungen mit dem Herrn Finanzminister zu benehmen haben.

Was den materiellen Inhalt der Schiedssprüche betrifft, so haben wir in der Tat seit Jahren die Erfahrung machen müssen, daß vielfach Fehlsprüche vorliegen. Diese Kritik kann uns nicht verübelt werden; denn selbst der höchste Gerichtshof im Reich muß es sich ge⸗ fallen lassen, wenn seine Entscheidungen angegriffen werden. Wir glauben aber, daß die vorgekommenen weniger zutreffenden Ent⸗ scheidungen im wesentlichen auf der ungenügenden Zusammensetzung der Schiedsgerichte beruhen. Nach dieser Richtung schweben ebenfalls jetzt eingehende Erhebungen und Erwägungen, wie den Mißständen zweckmäßigerweise abzuhelfen sein möchte. Ich werde über den Ab⸗ schluß dieser Erwägungen gelegentlich Mitteilung machen.

Abg. Hausmann inl.) bittet den Minister, unter Hinweis auf die letzten großen Hochwasserschäden, um tunlichste Beschleunigung der Her⸗ stellung der geplanten Talsperren der Diemel und Eder. Alle Vorbereitungen seien getroffen, alle Hindernisse, so der Mangel eines Enteignungs⸗ rechts in Waldeck, seien beseitigt worden, aber den Bau selbst habe man noch immer nicht ernsthaft in Angriff genommen. Auch die gestrigen Ausführungen des Abg. Tourneau über die Notwendigkeit der Kanalisierung der Werra könne er der Bauverwaltung nur zur Berücksichtigung empfehlen. Der Redner fragt an, wann die 1908 am Widerspruch des Finanzministers gescheiterten Verhandlungen bezüglich der Erweiterung des Sicherheitshafens von Hameln wieder aufgenommen

werden. Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:

Das Projekt, bei Hameln den Sicherheitshafen zu erweitern, ist lediglich zurückgestellt worden mit Rücksicht auf die allgemeine Finanz⸗ lage. Die Staatsregierung hält dieses Projekt an sich für dringlich und wird alsbald die Verhandlungen wegen der weiteren Ausgestaltung der Anlagen aufnehmen, setzt aber voraus, daß an den Kosten die Interessenten sich nach Maßgabe des ihnen erwachsenden Vorteils hin⸗

reichend beteiligen werden.

Was den Bau des Edersammelbeckens betrifft, so steht heute für uns fest, daß dieses einen Inhalt von 202 400 000 chm haben wird; auch ist die Stauhöhe festgestellt. Der Grunderwerb ist an den Stellen getätigt, die für die Inangriffnahme der Bauarbeit in Frage kommen. Die Transportbahn befindet sich bereits in der Ausführung. Mit der Ausschachtung für die Staumauer wird im Laufe dieses

Kalenderjahres begonnen werden.

besten Gange. Was den Beginn des Baues des Diemelsammelbeckens betrifft,

so werden wir gut tun, die Erfahrungen, die wir bei dem Bau der Anlage an der Eder machen, dort zu verwerten. (Bravo!)

Abg. Kindler (fr. Volksp.) kommt auf die Petition des Vorstandes des Vereins deutscher Verblendstein⸗ und Terrakottenfabrikanten in Berlin um Verwendung von gebrannten Tonsteinen für das Aeußere der Staatsbauten zurüͤck, welche Petition nach dem Antrage der Budgetkommission der Regierung als Material überwiesen werden soll. Er gibt der Hoffnung Ausdruck, daß die Verwaltung Ver⸗ anlassung nehmen wird, dem Petitum näherzutreten, wenn auch die Vorliebe für Rohbauten bei der staatlichen Bauverwaltung noch nicht aus der Mode gekommen sei. Was mit den Verblendsteinen hergestellt werden könne, zeigten die schönen Bahnhofshallen, wie der Anhalter Bahnhof. Ferner richte er an die Verwaltung das Ersuchen, daß bei der Hergabe von Staatsmitteln als Darlehen an Beamtenwohnungs⸗ vereine und andere Baugenossenschaften zuvor das Bedürfnis gründlich eprüft werden möge. Wiederholt hätten diese Genossenschaften und Bereine sich nicht auf den Bau von Klein⸗ und Mittelwohnungen beschränkt, sondern auch große Wohnungen für höhere Beamte gebaut. Dadurch fühlten sich die Hausbesitzer benachteiligt.

Abg. Graf von Spee (Zentr.): Als ich beim landwirtschaftlichen Etat in der Meinung, es handele sich um ein Landeskulturinteresse, die Schädigung der Adjazenten des Niederrheins durch die Strom⸗ regulierungsarbeiten zur Sprache brachte, wurde ich von dem Minister an die Bauverwaltung verwiesen. Ich wiederhole daher hier meine damalige Darlegung, deß infolge des durch die Stromregulierung be⸗ wirkten schnelleren Abflusses des Hochwassers der kostbare Schlick nicht mehr auf den Uferntederungen liegen bleibt, sowie daß sich das Grund⸗ wasser nach dem Lande hinein nicht mehr in dem früheren Maße ersetzt. Die Folge ist, daß bis weit ins Binnenland hinein die bisherige Weidekultur trotz der Anwendung von Kunstdünger nicht wieder ge⸗ schaffen werden kann, während in den Außenpoldern nur durch reich· liche künstliche Düngung ein reicher Weideertrag erhalten bleiben kann. Als eine Deichverwaltung diese Schäden durch Herstellung von Anlagen abstellen wollte, die ein längeres Verbleiben des Hochwassers ermöglichen sollten, und von dem landwirtschaft⸗ lichen Ministerium eine Unterstützung erbat, wurde sie damit abgewiesen. Der Minister erklärte hier, für etwaige Schädigungen, welche die Stromregulierung herbeigeführt habe, müsse die Bau⸗ verwaltung in Anspruch genommen werden. Die Strombauverwaltung meint, der Hochwasserspiegel des Rheingebiets sei nicht geändert worden. Aber die Tatsache des schnelleren Abflusses wird man nicht bestreiten können. Im Osten hat man übrigens, wie der Etat aus⸗ weist, für solche Schädigungen im Bauetat Entschädigungen aus⸗ geworfen; was dem Osten recht ist, muß dem Westen billig sein. Ich hoffe, daß der Etat im nächsten Jahre auch einen Posten für die im Westen erforderlichen Entschädigungen enthalten wird. b

Geheimer Oberbaurat Röder: Im allgemeinen wird durch die Regulierungsarbeiten eine Hebung, nicht eine Senkung des Wasser⸗ spiegels herbeigeführt. Ueber die Frage, ob der Wasserabfluß be⸗ schleunigt worden ist, werden Feststellungen stattfinden, und von dem Ergebnis wird Mitteilung gemacht werden. 1

Abg. Giemsa (Zentr.) unterstützt die Ausführungen des Abg. Kindler über die Verwendung gebrannter Tonsteine bei Staats⸗ bauten; der Backsteinbau habe eine Art Heimatsberechtigung erhalten.

Ministerialdirektor Hinckeldeyn: Der Backsteinbau erfordert nicht nur am wenigsten Reparaturen, sondern er gestattet auch hervor⸗ ragend künstlerische Bauten. Das beweisen das Botanische Museum, die Charité, die Regierungsgebäude in Stettin und viele andere Bauten. Die Regierung ist erfreut, ein so ausgezeichnetes natürliches Baumaterial im .e-Sn selbst zu besitzen.

Abg. von Böhlendorff⸗Kölpinskons.) spricht seine Befriedigung

Die Arbeiten sind nach allem im

er.

schen Staats

werden sollten. Bedauerlich bleibe aber die Ungleichmäßigkeit in der Behandlung der Kahnschiffer bei Frachtabgaben. Swinemünde berechne für eine Ladung 6 ℳ, Stettin 39 ℳ, Wolgast gar 61 ℳ. Da solle der Staat auf die Kommunen einwirken. 1 1 1— Ministerialdirektor Peters rechtfertigt diese Verschiedenheiten mit dem Hinweis darauf, daß die Fahrten der Kahnschiffer sich bis in das Elbstromgebiet erstreckten und verschiedene Längen aufwiesen. Abg. Varenhorst (frelkons.): 1907 haben wir das Gesetz gegen die Verunstaltung von Ortschaften erlassen, das sog. Verschandelungs⸗ esetz, wie man die gleichen Gesetze in Süddeutschland nannte. an hat dort auf Grund dieses Gesetzes Verordnungen gegen die Zement⸗ ziegeldächer erlassen. Das sollte auch geschehen, um unsere nieder⸗ sächsischen Strohdächer zu erhalten, die im Interesse der Feuersicher⸗ heit bedroht sind. Die Künstlerkolonie in Worpswede hat Brandversuche mit imprägnierten Stroh⸗ und Schilfdächern veranstaltet und gute Resultate erzielt. Das schönste Haus wird durch ein unschönes Dach verunstaltet, gerade wie wenn man eine Dame von schönem Wuchs, aber mit unansehnlichem Hut sieht. 1

Solange noch die Eichen wachsen, solang' das Strohdach ziert das Haus, so lange stirbt in Niedersachsen die alte Stammesart nicht aus.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:

Meine Herren! Der Herr Abg. Varenhorst hat seinem Wunsche eine so liebenswürdige Empfehlung gegeben, daß ich ganz kurz darauf

erwidern möchte. Die Forderung, daß an die Stelle des Strohdaches das feste

Dach treten sollte, entsprang ja rein praktischen Erwägungen, Er⸗ wägungen der Feuersicherheit. Ich verstehe Herrn Abg. Varenhorst vollkommen und habe viel Sympathien mit seinen Ausführungen. Der Herr Vorredner hat sich aus Gründen des Heimatschutzes und wiederum auch aus praktischen Erwägungen für die weiche Bedachung erwärmt. Mir scheint die ganze Frage dadurch in ein anderes Stadium gekommen zu sein, daß neuerdings ein praktischer Landwirt ein neues Imprägnierungsverfahren erfunden hat. Es muß abgewartet werden, ob dieses Verfahren für weiche Bedachung sich in der Tat als zweck⸗ mäßig erweist, insbesondere, wie häufig die weiche Bedachung auch nach der Imprägnierung einer Erneuerung bedarf, wie oft die Im⸗ prägnierung wiederholt werden muß. Ich glaube, man wird diese Erfahrungen abwarten müssen, um zu den Wünschen des Abg. Varen⸗ horst, deren Gründe mir durchaus einleuchten, endgültig Stellung zu

nehmen.

Darauf geht das Haus zur Beratung der zum Minister⸗

gehaltstitel gestellten Anträge über. Die Abgg. Borgmann (Soz) und Genossen bean⸗ tragen: 8 8 „die Regierung zu ersuchen, einen Gesetzentwurf zur Rege⸗ lung des Bauarbeiterschutzes vorzulegen, der insbesondere die Anstellung von Baukontrolleuren aus der Ar⸗ beiterklasse vorsieht.“ Die Abgg. Dr. Hitze (Zentr.) und Genossen beantragen: „die Regierung zu ersuchen, a. im Bundesrat auf Vorlegung eines Gesetzentwurfs oder auf Erlaß einer Bundesratsverordnung 120 e der G.⸗O.) zum Zweck eines wirksameren Schutzes der Bauarbeiter unter Heranziehung von Arbeitern als Baukontrolleure 139 b der G.⸗O.) einzuwirken; b. für den Fall der Ablehnung seitens des Bundesrats selbst eine solche Regelung im Wege der Gesetzgebung oder der Verordnung (§§ 120 e und 139 b der G.⸗O.) durchzuführen.“ 1 Abg. Leinert (Soz.): Unser Antrag bezweckt die Regelung des Bauarbeiterschutzes. Wir werden auch für den ersten Teil des An⸗ trages Hitze stimmen, beantragen jedoch, darin die Worte „oder auf Erlaß einer Bundesratsverordnung“ zu streichen, denn wir wollen die Frage lediglich gesetzlich geregelt haben. Im Reichstage ist bereits versucht worden, in diesem Sinne vorzugehen, und der Reichstag hat eine Resolution angenommen wegen der Einfübrung der Bau⸗ kontrolleure. Es ist also kein Verdienst des Zentrums, mit diesen Anregungen zu kommen, sondern wir haben 28 längst getan. Die preußische Regierung kümmert sich eigentlich gar nicht um den Arbeiterschutz, sondern überläßt alles den Beruftgenossen⸗ schaften. Diese erlassen zwar Unfallverhütungsvorschriften, aber die Kontrolle über die Handhabung der Vorschriften ist außerordentlich mangelhaft. Die Gewerbeinspektoren reichen nicht zur Baukontrolle aus; es ist daher kein Wunder, daß im Baugewerbe die Unfälle sich fortgesetzt vermehren. Der Arbeitgeberverband hat an den eine Eingabe auf Grund des Materials der Baugewerksberufsgenossenschaft gemacht, in welcher über die Ursachen der Bauunfälle falsche Angaben gemacht und den Arbeitern selbst viel Schuld zugeschoben wird. Für die Reaterung sind lediglich die von der Berufsgenossenschaft festgestellten Unfall- verhütungsvorschriften maßgebend, sie unterläßt es aber, selbst die Ausführung zu kontrollieren. Es ist allerdings 1803 ein Runderlaß an die Polizeihehörden über die Baukontrolle gegeben worden, abe wir erfahren nichts über die Wirkung des Erlasses. Die Regierun wagt es gar nicht, einem Arbeitgeber etwas über die Bea Unfallverhütungsvorschriften vorzuschreiben. Die Hannoder) gewerksberufsgenossenschaeft hat sogar einen förmlichen gegen „unbefugte“ Baurevisionen derausgegeben und den treffenden privaten Revisoren die Klage wegen Hausfriede bruchs androhen lassen. (Ruf rechts: Sehr ricdrig.) Die Kritik dieses Zwischenrufes überlasse ich der Oesfentlichkeit. (Zuruf rechts: Spitzeltum!) Davon kann gar keine Rede sein Herr Abg. Rahardt! Wenn die Arbeiter für ihr Leden und ihre Gesundheit besorgt sind und deshalb auf den Bauten nach dem Rechten sehen, so kann man das als 1——— nur dezeichnen, wenn man etwas iu verbergen hat. Die Arbeiter draußen werden die Antwort auf diese Kundgehung nicht fehlen lassen. Auch in der Zentralinstanz hat man offenbar gar nicht den Willen, für eine durch⸗ greifende Arbeiterfürsorge auf diesem Gebiete sich einzulegen, wie der Erlaß von 1907 beweist. Wie weit ist es denn dem Wiwicer ge- lungen, durch diesen im 20. Jahrhundert höchst merkwürdigen Erlaß den Bauarheiterschutz auf dem Lande zu fördern? Die Arbeiterschaft hat bei Bahnbauten auf dem Lande Zustände sestgestellt, die eines staatlichen Betriehs direkt unwürdig sind; die Arbeiter waren dort weit schlimmer als die Schweine untergebracht! Es dandelt sich da um ausländische Arbeiter, welche man * hat, um die Löhne u drücken. Macht man die Arheiter auf sosche bulturwidrigen stünde aufmerksam, dann ist die Rechte dier sofort mit dem Vorwurf des Hetzens gegen die Arbeiterorgonisationen dei der Hand. Nein, diese Organisationen sind zu idrem —Jö— man sich von Regterungs wegen auf den Erlaß von T ordnungen deschränkt. aber sich nicht darum kümmert, ob sie auch ausgeführt und deachtet werden. Die Verordnungen für die Steinhauer, für die Mal dezüglich der Ausführung denselben

über die Erklärung des Unterstaatssekretärs aus, daß dem Fischerei⸗

geht, so muß ich darauf biweisen, daß ein großer Unterschied besteht swischen einem Schiedsrichter, der Staatsbeamter ist und eine fest⸗

gewerbe Billigkeitsgründe bei Entschädigungsansprüchen zugestanden

Verordnung, betreffend die Eisendetonar von Ba iterschutz drin. Wir verl