8 1““ “ anderer Berufskreise, sondern es wurde gesagt: Es war immer die Richtschnur meiner politischen Freunde, ba wir bei der Gesetz ebung die Interessen aller Berufskreise zu wahren haben, und daß wir in⸗ folgedessen nicht die übrigen Berufskreise hinter der Landwirtschaft zurückzustellen hätten. Es wurde aber mit allem Nachdruck betont, daß die Wahrnehmung der landwirtschaftlichen Interessen zu den wichtigsten Obliegenheiten einer staatserhaltenden Politik ge⸗ höre, daß ohne die ausreichende Wahrnehmung der land⸗ wirtschaftlchen Interessen eine gedeihliche volkswirtschaftliche Ent⸗ wicklung in Deutschland unmöglich ist. Es macht das einen ganz erheblichen Unterschied gegen die Art, wie der Vor⸗ redner die Erklärung des Aba. Fürsten Hatzfeldt dargestellt hat. Sie sagte in keiner Weise etwas Neues und etwas Abweichendes von dem, was immer die Richtschnur meiner politischen Freunde gewesen ist.
Abg Dr. Weber (nl.): Die heutige Situation und die heutige Stellung der Landwirtschaft hat nach unserer Ansicht doch auch für Industrie und Handel im Deutschen Reiche wesentliche Vorteile ver⸗ schafft. Auch wir sind der Ansicht, daß, wenn bei uns dieselben eingerissen wären wie in England. unsere Industrie viel chneller kritischen Zeiten entgegengegangen wäre. Die Landwirtschaft stellt als Abnehmerin der Industrie und damit auch des Handels jetzt einen viel wertvolleren Faktor dar als in früheren Jahren. Soweit meine politischen Freunde bei dieser Gesetzgebung in Betracht kommen, sind wir gewillt, die jetzige Stellung der Landwirtschaft nach wie vor zu unterstützen.
Abg. Graf Kanitz (dkons.): Ich freue mich, daß der Abg Dr. Arendt die Aeußerungen des Abg. Kaempf über die Erklärung des Abg. Fürsten Hatzfeldt bereits richtiggestellt hat. Anderseits hat der Abg. Kaempf aber etwas ausgesprochen, was ich schon vor Jahren gesagt habe: Man soll bei der Handelsstatinik nicht nur die rohen Ziffern in Betracht ziehen, sondern fragen, was die Induftrie an diesem Export verdient, sonst kommt man zu ganz falschen Schlüssen in bezug auf die Prosperität unserer exportierenden Industriezweige. Im Jahresbericht der Berliner Kaufmannschaft, als deren verantwortlichen Redakteur der Abg. Kaempf sich bekannt hat, 8 sich der Satz, daß wir in unserer Schutzzollpolitik anderen
ändern vorangegangen sind und die Schuld tragen, wenn letztere die Zölle gegen uns erhöhen. Haben Sie denn die Vorgänge vergessen vom Jahre 18912 In derselben Zeit, in der wir die Caprivischen Handelsverträge bekamen, hat Frankreich seinen olltarif, der am 1. Februar 1892 in Kraft trat, aufgestellt, der damals schon viel höhere Sätze enthielt als der deutsche Tarif und in der Zwischenzeit noch einmal erhöht worden ist.
In derselben Zeit der Caprivischen Handelsverträge, wo wir also unsere Zölle auf Jahre hinaus gar nicht erhöhen konnten, wurden die amerikanischen Zollerhöhungen vorgenommen. Der Dingley⸗Tarif von 1897 fällt in diese Zeit.
Abg. Kaempf (fr. Volksp.): Für mich beginnt die Hochzollpolitik mit dem Jahre 1879. In den Ausführungen in der französischen Deputiertenkammer können Sie lesen, daß lediglich mit Rücksicht auf das Vorgehen des Deutschen Reiches, das vorbildlich geworden sei für alle anderen Länder, die Erhöhung der Schutzzölle vorgenommen werde. Das Deutsche Reich und unsere Industrie haben aufs veglt shae⸗ zu leiden, wenn es nicht gelingt, die Hochschutzzölle in Frankreich einzudämmen.
Das Gehalt des Staatssekretärs wird bewilligt.
Bei den „Allgemeinen Fonds“, und zwar bei dem „Bei⸗ trag von 400 000 ℳ zur Deckung der laufenden Ausgaben der Universität Straßburg“ erklärt der
Abg. Dr. Everling (nl.), daß er auf den Streit zwischen der Universität Straßburg und dem Thomasstift nicht eingehen und auch seine Absicht, einen Antrag zu stellen, nicht ausführen wolle, da Ver⸗ gleichsverhandlungen schwebten, die vielleicht zu einer Einigung führen könnten.
Die Ausgaben des Reichsschatzamts werden ohne weitere
Debatte nach den Kommissionsanträgen bewilligt. . Bei den Einnahmen, und zwar bei der Position von 22,3 Millionen „Gewinn aus der W1““ Reichs⸗ münzen sowie sonstige Einnahmen aus dem Münzwesen“ be⸗ merkt der
Abg. Dr. Arendt (Rp.): In diesem Titel blüht wie ein Veilchen im Verborgenen der größte Betrag, den der ganze Etat an Einnahm überschüssen aufwe st. Ich zweifle nicht, daß dieser Anschlag noch erheblich überschritten wird. Diese Einnahmen werden aber nicht in den Elat eingestellt, sondern sollen zur Auffrischung des Betriebsfonds der Reichshauptkasse dienen. Eine eigentliche Beratung darüber, wie diese großen Summen ver⸗ wendet werden sollen, hat bisher noch nicht stattgefunden. Bei Ab⸗ lauf des nächsten Jahrzehnts werden sie auf 200 Millionen steigen. Diese Verwendungsart soll auf den gesamten Ueber⸗ schuß aus dem Mü zwesen erstreckt werden. Auf die Dauer wird der Betriebsfonds keiner Verstärkung bedürfen. Die Umstände, die es jetzt notwen ig machen, werden ja hoffentlich bald fortfallen, das Defizit des Reichs, die Stundung der Matrikularbeiträge usw. Im Laufe der Jahre werden wir auch nahezu das Doppelte an Gewinn erreichen; denn die Ausprägung der Fünfundzwanzig⸗ pfennigstücke und der große Erfolg der Ausprägung der Dreimark⸗ stücke ist hier noch gar nicht in Rücksicht gezogen. Man sollte einen Unterschied machen zwischen dem regulären Prägegewinn, der aus der Bevölkerungszunahme erwächst, und dem außerordentlichen aus der Zunahme des Umlaufs auf Grund besonderer Gesetze. Letzteren hlte man zur Anleihetilgung oder, was wesentlich auf dasselbe inausläuft, zur Stärkung des Betriebsfonds verwenden, aber den regulären Gewinn in den Etat einstellen. Leider habe ich in der Budgetkommission versänmt, den Antrag zu stellen, 10 Millionen vom Gewinn aus den Ausmünzungen unter die Einnahmen in den Etat aufzunehmen. In Zukonft aber werden wir beachten, daß es sich hier um eine offene Frage handelt, und ihr unsere Aufmerksam⸗ keit zuwenden müssen.
Staatssekretär des Reichsschatzamts Sydow:
Mieeine Herren! Ich könnte ja dem Herrn Vorredner auf seine Ausführungen erwidern, daß es sich bei denselben um die Verwendung der Einnahmen, also um die Ausgaben handelt, und daß die von ihm bemängelte Ausgabenposition bereits angenommen worden ist. Bei der Tragweite aber seiner Aeußerungen möchte ich sie trotzdem nicht hingehen lassen, ohne wenigstens meinen Standpunkt zu wahren.
Der Herr Vorredner hat die Sache so dargestellt, als ob die ähnliche Praxis im vorigen Jahre, die dahin ging, den Gewinn aus den außer⸗ ordentlichen Prägungen nicht für die ordentlichen Ausgaben, sondern zur Verstärkung des Betriebsfonds zu verwenden, eigentlich durch ein Versehen, halbunbeachtet geschehen sei. Demgegenüber darf ich darauf hinweisen, daß in der Begründung der Münznovelle ausdrücklich darauf hingewiesen war, und daß dieser Vorschlag der Münznovelle die Zu⸗ stimmung gefunden hat, ehe der entsprechende Etatsposten hier zur Beratung kam. (Hört! hört! links.)
18 Ich glaube aber auch, daß sachliche Gründe gegen die Vorschläge des Herrn Vorredners sprechen. Er will die außerordentliche Ver⸗ stärkung der Silberprägung von der regelmäßigen Verstärkung nach Vermehrung der Kopfzahl der Bevölkerung scheiden. Das wird schon für die nächsten Jahre gar keine praktische Bedeutung haben; denn wir haben noch jahrelang zu prägen, bis wir die außerordentliche Vermehrung auf 20 ℳ pro Kopf der Bevölkerurg erreicht haben.
Was die Nickelmünzen und Kupfermünzen betrifft, so sind die Einnahmen daraus recht unerheblich und kommen gegenüber den Ge⸗ winnen aus der Silberprägung nicht in Betracht. Bei Nickel wird
es in diesem Jahre vom Etatsansatz vielleicht 300 000 ℳ für die neuen Fünfundzwanzigpfennigstücke und bei Kupfermünzen etwa 100 000 ℳ ausmachen. —
Nun bin ich aber der Meinung, daß eine solche Trennung grund⸗ sätzlich nicht richtig ist. Das Prinzip, den Gewinn aus der Aus⸗ prägung von Scheidemünzen nicht zu den laufenden Ausgaben, sondern zur Verstärkung, sagen wir des Reichsvermögens, zu verwenden, ist ein Gebot der Solidität, denn tatsächlich sind doch diese Scheidemünzen unterwertig. Andererseits müssen die Scheidemünzen gegen Gold eingetauscht werden, und dem entspricht es meiner Auffassung nach, daß eine Rück⸗ lage, die dem Unterschiede zwischen dem Nennwert und dem effektiven Wert der Scheidemünzen entspricht, gemacht wird. Diese Rücklage wird dadurch gemacht, daß diese Summen zunächst an den Betriebs⸗ fonds des Reichs abgeführt werden. Dort dienen sie vor allem zur Verminderung der Schatzanweisungen. Wir haben jetzt beinahe 600 Millionen Schatzanweisungen (hört! hört! bei den National⸗ liberalen) flottierend. Zunächst also gilt es, diese Schatzanweisungen berabzumindern, und dazu gehört noch eine ganze Menge anderes als der Gewinn aus der Silberprägung. Alle die Maßnahmen, die der Herr Vorredner vorhin ausgeführt hat, sind dabei in Betracht zu ziehen. Aber bis wir soweit kommen, daß wir keine Schatzanweisungen mehr gebrauchen, daß der Betriebsfonds für die laufenden Bedürfnisse reicht, hat es noch eine lange Weile. Sollte man dann wirklich noch weitere Ueberschüsse aus den Silberprägungen haben, dann mache ich darauf aufmerksam, daß die in der ersten Hälfte der siebziger Jahre aufgenommene An⸗ leihe für Münzzwecke, die damals 46 Millionen Mark betrug, immer noch mit annähernd 20 Millionen Mark — 19ã ¼ Millionen — nicht abgeschrieben ist, noch validiert. Dann wäre es wohl auch ein Gebot solider Finanzführung, zunächst einmal die Ueberschüsse aus der Prägung zu verwenden, um auch diese Anleihe zu tilgen.
Vor allem aber sehe ich auch in der Tendenz eine latente Gefahr. Wenn die Aussicht winkt, daß die Einnahmen aus der Silberprägung eine ständige Einnahmequelle des Reichs werden, dann kann sehr leicht ein Drängen dahin eintreten (sehr richtig! kinks), daß Silber geprägt wird, damit Einnahmen da sind, und das habe ich mir erlaubt vor einem Jahre, ich glaube, unter allgemeiner Zu⸗ stimmung des Hauses, auszusprechen, daß die Silberprägungen den Zweck hätten, den Bedürfnissen des Verkehrs und einer gewissen Re⸗ serbe der Reichsbank für außerordentliche Fälle zu entsprechen, daß sie aber nicht Mittel zu dem Zweck sein sollen, dem Reiche Einnahmen zu verschaffen. Aus allen diesen Gründen hoffe ich, daß das hohe Haus nicht bloß in diesem Jahre, sondern auch in künftigen Jahren an dem Prinzip des diee jährigen Etats festhalten wird, daß diese Ein⸗ nahmen aus der Ausprägung der Scheidemünzen dem Betriebsfonds des Reiches zugeführt werden.
Abg. Dr. Weber (nl.): Wir sind mit den Freisinnigen in der Be⸗ urteilung dieser Etatsposition einig und sind mit ihr durchaus ein⸗ verstanden. Wir können es nur begrüßen, daß der Abg. Dr. Arendt seinerzeit die Beratungen der Budgetkommission versäumt hat. Wir haben ja noch gar keinen Betriebsfonds des Reiches; es ist die höchste Zeit, daß ein solcher geschaffen wird. Eine Teilung des Münz ewinnes aus der regelmäßigen und der außer⸗ ordentlichen Prägung können wir nicht billigen.
Abg. Erzberger (Zentr): Der Abg. Arendt ist auch heute zu spät gekommen; wir sind bereits bei der Einnahme, wo wir über⸗ mehr ändern können. Sein Vorstoß war reichlich verfrüht.
Vtzepräsident Dr. Paasche: Die Diskussion ist geschlossen. (Abg. Dr. Arendt bittet ums Wort. Rufe: Wieder zu spät!)
Abg. Dr. Arendt (Rp) (zur Geschäftsordnung): Ich hatte den Präsidenten persönlich vor Schluß der Debatte ums Wort gebeten.
Vn präßgsent Dr. Paasche: Jawohl, das gebe ich zu, und ich winkte ab. Sie haben das Wort zur Sache.
Abg Dr. Arendt (Rp.): Von 1902 bis 1907 sind die Prägungs⸗ gewinne in den Etat als Einnahme eingestellt worden.
Staatssekretär, des Reichsschatzamts Sydow: 8
Meine Herren! Der Herr Abgeordnete hat recht: von 1902 bis 1907 hat man allerdings die Münzgewinne für die laufenden Aus⸗ gaben verwendet, wmährend man das bis zum Jahre 1902 nicht getan hat. Weshalb hat man das aber getan? Weil die Finanzlage so schlecht war, daß man manches tun mußte, was man besser nicht täte. Jetzt suchen wir mit allen Mitteln aus dieser Praxis herauszukommen, und da, meine ich, muß man eben zur alten Uebung zurückkehren.
Der Titel wird genehmigt, ebenso der Rest des Etats des Reichsschatzamtes, desgleichen ohne Debatte der Etat der Reichsschuld, ferner im Hauptetat die bayerischen Quoten und der Frschaß für das Schutzgebiet Kiautschou und für das Ostasiatische Marinedekachement.
Es folgt der Einnahmeetat der Zölle, Verbrauchs⸗ steuern und Gebühren. Die hierzu eingebrachte Resolution Ablaß, betreffend die Einfuhrscheine, wird für heute aus der Beratung ausgeschieden.
Der Referent Abg. Dr. Arendt (Rp) bemerkt, daß die Kom⸗ mission von einer eingehenden Beratung abgesehen hat, weil der ganze Inhalt dieses Etats bei der Reichsfinanzreform eine bedeutende Rolle spielt. Nach Ostern werde dem Hause ein Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Unterscheidung von Malz⸗ und Futtergerste mit Hilfe eines neuen Farbstoffes, zugehen.
Abg. de Witt (Zentr.) erörtert die Frage der Einführung eines Zolles auf Nitrit. In der Kommission habe er eine Resolution des⸗ halb eingebracht, aber zurückgezogen, weil mitgeteilt worden sei, daß Verhandlungen schweben. Die Verwaltung woöge diese zu einem schnellen Abscluß führen. Die Interessen der Anilinindustrie würden durch diesen Nitritzoll nicht geschädigt.
Staatssekretär des Reichsschatzamts Sydow: Meine Herien! Ich glaube, die verehrten Anwesenden haben in ihrem ganzen Leben nicht soviel von Nitrit gehört, wie in der letzten
halben Stunde (Heiterkeit); deshalb will ich suchen, mich möglichst kurz zu fassen. Der Herr Vorredner hat vollkommen recht: die Frage soll die Bestechungsgelder des Großen Kurfürsten von Ludwig XIV.
ist schon längst im Fluß. Er hat nämlich selber im Jahre 1902 den
Antrag auf Einführung des Nitritzolls gestellt; der Antrag ist aber
damals abgelehnt worden. Der Herr Vorredner wird auch ganz zu⸗ frieden sein, daß er abgelehnt ist; denn damals hat er nur einen solchen von 3 ℳ verlangt, während er jetzt 20 ℳ für nötig hält. Nun liegt die Aenderung der Verhältnisse darin, daß bei Ge⸗ winnung des Stickstoffs aus der Luft Nitrit als Nebenprodukt billig hergestellt wird. Die Eingabe der Nitritfabriken liegt den ver⸗ bündeten Regierungen vor. Es muß eine eingehende Prüfung stattfinden, da es sich um kollidierende Interessen verschiedener Industrien handelt. Innerhalb der chemischen Industrie, die Nitrit zur Herstellung von Teerfarben verwendet, besteht auch
ein Interesse, das Nitrit nicht zu verteuern. Es handelt sich nnd bloß um Fabriken mit großen Dividenden, sondern auch um klein Fabriken.
Andererseits ist auch zu erwägen, ob ein Zoll etwas helfen würn wenn, wie dies in Aussicht steht, auch im Inlande der Stickstoff der Luft gewonnen wird. (Sehr richtig! bei den Freisinnigen.) 2 ist die eine Seite der Sache; die andere hat der Herr Vorredner dargestellt, daß ich nicht darauf zurückzukommen brauche. Ich ka nur in Aussicht stellen, daß möglichst bald eine Entscheidung Bundesrats herbeigeführt wird. (Bravo! bei den Freisinnigen.)
Abg. Dove (fr. Gg.z verweist auf die Interessen der Anil industrie, die ebenfalls beachtet werden müßten. Dem Abg. de n” scheine, wie die Ausführungen des Staatssekreläls beweisen, der Appeh nicht beim Essen, hsee beim Hungern zu kommen.
Abg. Speck (Zentr.) polemisiert Pgen den Abg. Kaempf, der 1 seinem Hinweis auf den Freihandel Deutschland geradezu wirtsch lichen Selbstmord zumute. Gehe doch selbst England jetzt damit w Schutzzölle einzuführen. Die Ausführungen des Abg. de Witt sollt dem Abg. Kaempf gezeigt haben, daß auch die Industrie sehr lebhaft a Schutzzoll interessiert sei. Die Herren vom Freisinn sollten sich deh überzeugt haben, daß sie mit ihren Prophezeiungen über den M. erfolg der Schutzzollpolitik zurückhaltender sein müssen. Nichts v den Prophezeiungen der Freihändler von 1902 sei eingetroffen; unsg Export habe verhältnismäßig weniger abgenommen als der anden Staaten. Das neue Verfahren für die Kennzrichnung der Futte gerste sei mit großer Befriedigung zu begrüßen; es werde damit . bei der Beratung des Handelsvertrags mit Rußland gemachte Fehle wenigstens einigermaßen wieder gut gemacht.
bg. de Witt (Zentr.): Ich habe an der Nitritindustrie nicht e geringste materielle Interesse; es ist mir gleichgültig, ob sie florz oder nicht; das möchte ich dem Abg. Dove bemerken.
Abg. Dove (fr. Vgg.): Einen persönlichen Vorwurf habe dem Abg. de Witt nicht machen wollen. b
Abg. de Witt (Zentr.): Ich bin mit dieser Erklärung zufrieda der Abg. Dove hätte sich aber etwas deutlicher ausdrücken ioüten
Die Einnahmen aus den Zöllen, Steuern und Ge bühren werden darauf nach dem Etatsanschlag genehmig ebenso ohne Debatte die Einnahme aus dem Bankwesen der besondere Beitrag von Elsaß⸗Lothringen für Reicht schatzamt und Rechnungshof, die Einnahmen aus Matri kularbeiträgen und gestundeten Matrikular beiträgen, die Rückerstattungen auf die aus den Reichsfestungsbaufonds geleisteten Vorschüsse und de Einnahmen aus der Anleihe, endlich das Etatsgese mit der Einführung eines neuen § 7, wonach bis zur geset lichen Feststellung des Reichshaushaltsetats die innerhalb de Grenzen desselben geleisteten Ausgaben nachträglich genehmig werden. Diese Einschaltung ist notwendig geworden, weil N. rechtzeitige Erledigung des Etats vor dem 1. April nicht zü b gewesen ist.
amit ist die zweite Lesung des Reichshaushaltsetats fü 1909 erledigt. 8 1b
Schluß gegen 31 ½ Uhr. Nächste Sitzung heute nachmittag
4 ½ Uhr. (Dritte Lesung des Etats.)
2240. Sitzung vom 1. April 1909. 4 ½ Uhr.
zun dritten Lesung steht der Entwurf eines Gesetzes betreffend die Feststellung des Reichshaushaltsetats und des Haushaltsetats der Schutzgebiete für das Jahr 1900
In der Generaldiskussion bemerkt der
Abg. von Dannenberg (Welfe): Ich bin hier Neuling in Hause. In den letzten acht Tagen habe ich hier vieles gehört, wal mich frappiert hat. Die Zeit der Wahl, die unter dem Zeichen des Blocks, unter der Devise „national oder antinational“ veor sich ging, hat einec ganz anderen Periode Platz gemacht niemand spricht mehr von Hottentotten, sondern jeder spricht von 500 Millionen neuer Steuern. So ging es mir auch in dam Wahlbewegung; ich stand drei reichstreuen Bewerbern gegenüber, von denen jeder sagte: Wählt mich, dann zahlen die anderen 500 Mil⸗ lionen! Es wird so kommen, wie es kommen muß: die Herren werden „mit blutendem Herzen“ umfallen und beim Kanzler vorüber⸗ marschieren mit den Worten: „Morituri te salutant!“ Der Fürf Bülow hat sich mit dem Abg. Götz von Olenhausen über Königs⸗ treue unterhalten. Wir sind, soweit ich übersehe, ziemlich mit ihn verwandt in bezug auf den Begriff „Königstreue’. Wir machen die Königstreue nicht mit, die dem Vater gestattet, hannoverscher Kammerherr zu sein, dem Sohne, preußischer, und dem Enkel, womöglich russischer Kammerherr zu sein. Die Nibelungentreue bewährte sich bekanntlich auch gegen den Lehnsherrn, der im Unrecht war, der Mord auf seiner Seele hatte; diese Treue erkennen wir nicht an. Die Sukzession in England ist nicht nach französischem, sondern nur nach englischem Recht zu beurteilen. Der weitere Ausspruch des Kanzlers, daß ein Politiker eine ziemlich kühne Inkonsequenz besitzen müßte, kann doch unbequen werden, wenn der betreffende zwischen zwei Stühle gerät. In Braun⸗ schweig hat die Landessynode einstimmig beschlossen, das Gebet für das welfische Haus wieder von den Kanzeln beten zu lassen; die maßgebenden Personen im Reiche sollen damit einverstanden sein. Ist darunter auch
der Reichskanzler gemeint? An sich hat er ja wohl bei der Synode
nicht mitzureden, aber die Herren in Braunschweig werden jeden⸗ falls annehmen, doppelt genäht hält besser. Wir uns, daß der Kanzler zugestimmt hat, denn insoweit hat er sich bewährt als le. des im Deutschen Reiche geltenden Rechts. Wir haben viele
lemente im Deutschen Reiche, die ihn jetzt auffordern werden, in die Kürassierstiefel hineinzuklettern und jedem ein Quos ego! zu- zurufen. Das Deutsche Reich ist ja nur ein verlängertes Preußen, und somit ist der Heriog von Cumberland immer noch ein Reichs⸗ feind. Der Kanzler hat sich auf die Verfassung berufen, durch die sich die deutschen Fürsten ihren Besitzstand gegenseitig garantieren. Bekanntlich verlangt Bayern und Preußen viel mehr als das welfische Haus. Im Wiener Kongreß.. . (Große andauernde Un⸗ ruhe, die die Ausführungen des Redners übertönt; der Prä⸗ sident bittet wiederholt vergeblich um Ruhe; Rufe: Schluß!) ... Hoffentlich wird bei nächster Gelegenheit die braunschweigische Frage befriedigend gelöst werden. Canosse liegt auf dem Wege nach Rom; und demnächst nimmt ja wohl der Reichskanzler ein Billett nach Rom. Wir alle haben uns gefreut, wie warm das Deutsche 8 Oesterreich unterstützt hat. Das deutsche Volk hat ein Interesse daran, daß das österreichische Problem nicht mehr auf Kündigung beruht, sondern daß Oesterreich ein organisches Ganzes bildet. (Der Präsident bittet um Ruhe, weil er die Worte des Redners nicht verstehen kann.) Die Prügeleien in Prag sind kein erfreuliches Vor⸗ spiel dazu. Es muß doch Treue um Treue gehalten werden. Oesterreich
vergessen. Würde das alles vergessen, so bleibe doch die Frage: Kann das Deutschtum seinen Willen in Oesterreich durchsetzen? Ich
Abg. Dr. Arning (nl.): Ich habe die Rede des Vorredners zum großen Teile, Gott sei Dank, nicht gehört. Eine bessere Recht⸗ fertigung des Standpunktes, den der Reichskanzler eingenommen hat,
bezweifele es.
kann man nicht finden als die Rede, die wir eben gehört haben.
Damit schließt die Generaldiskussion. 2
)
legt der Abg.
N. 29.
3w ei . e B eila ge zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
Berlin, Freitag, den 2. April
eaxs Mas
1909.
1 8
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
In der Spezialberatung des Etats des Reichstags raf von Oppersdorff (Zentr.) die Heraus⸗ gabe eines Handbuchs für das Reichstagsrecht nochmals dem Präsidenten nahe. “
Die Etats des Reichskanzlers und der Reichs⸗ kanzlei passieren ohne Debatte. 88
Beim Etat des Auswärtigen Amts erwidert Anfrage des Abg. Dr. Görcke (nl.) der Rnxaüeen
Staatssekretär des Auswärtigen Amts Freiherr von Schoen:
Meine Herren! In der Tat ist vor einer kurzen Reihe von Jahren eine Summe von 100 000 ℳ für mittellose Deutsche bereit gestellt worden, welche aus dem Auslande nach der Heimat zurückzukehren gedenken, um ihrer Militärpflicht zu genügen. Als wir diese Summe einstellten, fehlte es uns an jeglichen Grundlagen zur Festsetzung der Höhe, in der dieser Fonds zu bemessen sein würde. Es lagen zwar Erfahrungen, aber keine ziffernmäßigen Unterlagen vor. Wir haben daher eine runde Summe gewissermaßen versuchsweise eingestellt, und es ist mit Freuden zu begrüßen, daß sie sich als erheblich zu hoch erwiesen hat. Das ist aber nicht etwa darauf zurückzuführen, daß mittellose Deutsche, welche ihre Militärpflicht erfüllen wollen, ohne Unterstützung bleiben, sondern darauf, daß glücklicherweise nicht allzu viel mittellose Deutsche im Auslande sind. Die Deutschen im Auslande pflegen in der Regel sich bei allen ihre Militärpflicht betreffenden Angelegenheiten an die Konsulate zu wenden; bei dieser Gelegenheit werden sie regelmäßig informiert über die Pflichten, die sie zu erfüllen haben, und über die Rechte, die ihnen zustehen, und alles, was damit im Zusammenhang steht, auch darüber, daß sie unter Umständen Unterstützungen erhalten können. Es liegt also nicht ein Mangel an Bekanntmachung vor, sondern die erfreuliche Tatsache, daß die Zahl der Unterstützungsbedürftigen verhältnismäßig gering ist.
Beim Etat des Reichsamts des Innern bemerkt der
Abg. Sachse (Soz.): Ich möchte den Staatssekretär bitten, die Berichte der Gewerbeinspektoren über die Berufsgenossenschaften in genügender Zahl dem Reichstage zugänglich zu machen. Wie steht es mit der Vorlegung eines Reichsberggesetzes, das von der Mehr⸗ heit des Hauses gewünscht worden ist? Haben die verbündeten Regierungen zu dieser Resolution des Reichstags schon Stellung ge⸗ nommen? Das System der Sicherheitsmänner, wie es im Saar⸗ revier besteht, ist durchaus ungenügend; die bergmännischen Organisationen fordern selbständige Arbeiterkontrolleure. Die Berg⸗ herren freilich haben eine ungeheure Angst vor Arbeitergruben⸗ kontrolleuren, wie aus ihrer bekannten Konferenz er⸗ gibt; sie fürchten eine Mitwirkung des Reichstags an der Regelung dieser Frage, deshalb wollen sie ein Reichsberggesetz verhindern, ob⸗ wohl sie sich selber sagen, daß ein solches Gesetz einmal kommen wird und kommen muß. Man verläßt sich vorderhand auf den preußischen Handelsminister, daß das Gesetz nicht kommt. Daß von Preußen nichts zu erwarten ist, wissen wir ja. Wer vom preußischen Landtage etwas erwartet, ist unheilbar verrückt, so ist in dem Flugblatt mit Recht gesagt worden. Die Sicherheitsmänner finden alles in Ordnung, weil sie sonst riskieren, in des Teufels Küche zu kommen. Mit dem System können die Arbeiter sich nicht einverstanden er⸗ klären. Wie soll ein Sicherheitsmann etwas monieren, wenn er von dem Beamten, den er kontrollieren soll, abhängig ist?
Wenn er muckst, so wird er herausgemaßregelt; nirgends ist das so leicht wie im Bergbau. Die renitenten Arbeiter werden vor schwere Gedinge gebracht und eingeschüchtert. Arbeiterkontrolleure, wie wir sie wünschen, sind dringend nötig, weil die be⸗ stehenden Revisionen durchaus nicht ausreichend sind. Auch die Schichtzeit, das Kneppschaftswesen muß einheitlich für das sante Reich geregelt werden. Die achtstündige Grubenschicht besteht schon in anderen Ländern. Sehr bedauerlich ist es, daß der neuliche Berg⸗ arbeiterkongreß von der Regierung nicht beschickt worden ist. Ich erwarte, daß sie sich wenigstens durch die Bergherren nicht einschüchtern lassen wird. Vielleicht kann uns der Staatssekretär darüber Aus⸗ kunft geben, wann die in Auksicht gestellte Versicherungsordnung zu erwarten ist. Das Recht der Arbeiter in den Krankenkassen darf
jedenfalls nicht geschmälert werden. Abg. n g⸗ (wirtsch. Vgg.): Ich möchte die Regierung fragen, was zur Ausführung unserer Resolution zur Regelung der Frage des
Unterstützungswohnsitzes geschehen ist.
Staatssekretär des Innern Dr. von Bethmann Hollweg:
Meine Herren! Ich antworte zuerst dem letzten Herrn Vor⸗ redner dahin, daß, nachdem die Resolution wegen einer Ergänzung des Unterstützungswohnsitzgesetzes bezüglich der Wanderarmen im vorigen Jahre vom Reichstag beschlossen worden ist, ich mich zunächst mit dem Herrn preußischen Minister des Innern in Verbindung gesetzt habe, dessen Antwort eingegangen ist, und daß ich nunmehr mit den übrigen verbündeten Regierungen erwäge, ob und in welcher Weise etwa den Wünschen der Resolution wird nachgekommen werden können. Einen praktisch ausführbaren Plan Ihnen vorzuführen, bin ich heute noch nicht in der Lage.
Der Herr Abgeordnete Sachse hat sich darüber beschwert, daß nur einige 30 Exemplare der Berichte der Gewerbeinspektoren dem Reichstage zu esandt worden sind. Meine Herren, diese Zahl von 30 Exemplaren ist in den letzten Jahren immer die gleiche gewesen. Beschwerden darüber, daß zu wenig Exemplare geschickt worden seien, sind bisher nicht laut geworden, wohl aber wiederholt Beschwerden, daß ich zu viel Drucksachen an den Reichstag schickte. (Sehr richtig! und Heiterkeit.) Ich möchte also empfehlen, wenn sich ein derartiges Arrangement mit dem Präsidium des Reichstags, mit dem ich mich deshalb in Verbindung setzen werde, treffen läßt, daß man von diesen Werken, namentlich wenn sie sehr teuer sind — von den Berichten der Gewerbeinspektoren kostet jedes Exemplar 30 ℳ —, nicht die Anzahl von 300, die der Herr Abg. Sachse gewünscht hat, schickt, sondern daß das Bureau des Reichstags mitteilt, wie viel Exemplare im ganzen gewünscht werden, damit nicht überflüssiges Material an⸗ gehäuft wird.
Dem Wunsche, die Berichte der technischen Beamten der Berufs⸗ genossenschaften dem Reichstage zur Verfügung zu stellen, werde ich gern innerhalb einer ähnlichen Begrenzung nachkommen. Auch hier⸗ über werde ich mich mit dem Präsidium des Reichstags in Verbin⸗ dung setzen. ö““ 1“
auf eine
Meine Herren, auf die Fragen des Bergrechts kann ich unmöglich
in der Ausführlichkeit eingehen, wie es der Herr Abg. Sachse getan
hat. Ueber die Resolution wegen des Erlasses eines Berggesetzes, der der Reichstag zugestimmt hat, hat der Bundesrat noch keinen Beschluß
gefaßt. Ich bin also nicht in der Lage, Ihnen über die Materie
irgend etwas anderes zu sagen, als ich es bei der Beratung der Inter⸗ pellation Radbod getan habe.
Der Herr Abg⸗ Sachse hat sich weiter darüber beschwert gefühlt, daß ich meine Absicht, die neuesten Vorgänge der preußischen Berg⸗ gesetzzebung mit den am Berabau interessierten Bundesstaaten zu behandeln, noch nicht ausgeführt hätte. Selbstverständlich, meine Herren, warte ich zunächst ab, welchen Verlauf die Sache im preußischen Landtag nehmen wird, und werde mich erst danach mit den verbündeten Regierungen in Verbindung setzen. Im übrigen mache ich darauf aufmerksam, daß sowohl der Herr Abg. Sachse als auch der Herr Abg. David hier geraten haben, die preußischen Pläne ja nicht mit den anderen verbündeten Regierungen zu verhandeln, weil sie ihnen
nicht gefallen.
Schließlich hat der Herr Abg. Sachse gemeint, die Bergherren würden mir wohl den Kopf gewaschen haben, weil ich mit ihm und seinem Fraktionsgenossen Hue verhandelt habe. Meine Herren, ich lasse mir weder von den Bergherren noch von Herrn Sachse oder anderen den Kopf waschen (H⸗tterkeit) und lehne auch die beweglichen und ausdrücklichen Vorschriften ab, die mir Herr Sachse für die Art und Weise erteilt hat, wie ich Sozialpolitik zu führen hätte.
(Heiterkeit.) Seine letzte Frage bezüglich der Versicherungsordnung beantworte
ich dahin, daß der Entwurf morgen abend dem Bundesrat zugehen und gleichzeitig veröffentlicht werden wird. (Bravo!)
Abg. Dr. Fleischer (Zentr.): Ich möchte auf den Gedanken eines Reichstheatergesetzes zurückkommen. Ich habe in der letzten Zeit mich in Theaterkreisen, auch mit dem Deutschen Bühnenverein und seinem Präsidium über die Frage unterhalten. Dies Präsidium hat sich in energischer Weise für die Schaffung eines Reschsihratergesetzes aus⸗ gesprochen. Ich darf mich besonders auf die Erklärung des General⸗ intendanten Exzellenz Hülsen berufen. Wir dürfen erwarten, daß uns in der nächsten Zeit ein solches Gesetz vorgelegt wird, das der Schauspielkunst und ihren Angehörigen zum Segen gereicht.
Abg. Günther⸗Sachsen (frs. Volksp): Es muß dagegen Ver⸗ wahrung eingelegt werden, daß in der zweiten Lesung diejenigen Ver⸗ leger, die eine Abonnentenversicherung eingeführt haben, in einer Weise angegriffen worden sind, die doch in dieser allgemeinen Form nicht gerechtfertigt werden kann. Die Abgg. Giesberts und Dr. Marcour gingen darin entschieden zu weit. Ich will zugestehen, daß die Verleger nicht aus bloßer Menschenliebe, sondern auch aus Geschäftsinteressen ihre Abonnenten versichert haben. Jedenfalls waren die Angriffe gegen die Wochenschrift „Nach Feierabend“ durchaus unbegründet. Diese Unternehmung steht doch unter staatlicher Kontrolle. Der Verlag hat u a. für die Hinterbliebenen der Ver⸗ unglückten auf der Zeche Radbod 30 000 ℳ gezahlt. 8 —
Abg. Görcke (nl.) weist die Angriffe als unbegründet zurück, die der Abg. Hoch in zweiter Lesung gegen die Geschäftsführung einer Brandenburger Berufsgenossenschaft gerichtet hat.
Abg. Behrens (wirtsch. Vgg.) hält das preußische Berggesetz unter gewissen Kautelen für eine brauchbare Grundlage; die national⸗ liberale Verschlechterung müßte beseitigt werden.
Abg. Werner (D. Rfp.) meint, daß, wenn die Beratung in diesem Tempo weitergehe, sie noch eine Woche dauern werde. Der Redner nimmt sich wie in zweiter Lesung des Assistenten Lucas im Statistischen Amt an, dem der Präsident des Statistischen Amts nicht Wohlwollen bewiesen habe. b
Abg. Becker⸗Arnsberg (Zentr.) führt aus, daß der Abg. Giesberts, der leider habe abreisen müssen, seine Behauptungen über die Abonnentenversicherung auch außerhalb des Hauses ausgesprochen habe, wie aus einem Prozeß der „Westdeutschen Arbeiterzeitung“, die er leite, hervorgehe. Im übrigen brauche der 8 Sachse dem Zentrum nicht ins Gewissen zu vne 8 dieses bleibe in seinen sozial⸗
olitischen Anschauungen konsequent.
donse habe es in seiner Fraktion drei Bergleute, und auch Graf Strachwitz gehe mit diesen bei der Bergnovelle. Die Abgg. Hue und Sachse dagegen seien nur Theoretiker. Die Zentrumsabgeordneten hätten stets das Vertrauen der Bergleute gerechtfertigt, eben weil sie Fühlung mit denselben hätten und felbst Fachleute seien.
Unterstaatssekretär im Reichsamt des Innern Wermuth stellt dem Abg. Werner gegenüber fest, daß der Präsident des Kaiserlichen Statistischen Umüe⸗ es bbee dem genannten Beamten gegen⸗ über nicht habe fehlen lassen.
869 8 pfhler. (Zen tr.) lenkt die Aufmerksamkeit der Verwal⸗ tung darauf, daß die Komposition und chemische Zusammensetzung der Farben nicht genügend geschützt sei. Es sei eine Kommission in München damit beschäftigt, ein deutsches Farbenbuch herauszugeben. Der Redner bittet die Regierung um materielle Unterstützung dieser
Kommission. ß b 8 Abg. Hue (Soz.): Der Beiuf spielt gar keine Rolle, was der eine oder von uns früher gewesen sst, ist ganz gleichgültig. Auf dem Bergarbeiterkongreß Anfang Februar hier in Berlin waren fast sämtliche Redner praktische Bergarbeiter, und es war nicht nur unser Verband vertreten. Die Anwesenden haben sich einstimmig gegen die Sicherheitsmänner und für Arbeiterkontrolleure aus⸗ gesprochen. Wir verlangen von der Regierung, daß sie vor dem anzen Lande erklärt, ob sie die Verhunzung der ohnehin faden. seheaen Bergnovelle im Abgeordnetenhause dulden will, ob sie das durchfuͤhren enthüllt haben als ein geplantes solches verbrecherisches Gesetz werden sich die Bergarbeiter nicht ruhig gefallen lassen. Ich habe bereits früher den Staatssekretär gebeten, sich der unglücklichen Menschen anzunehmen, die durch die Roburit⸗ explosion zu Schaden gekommen sind, und dafür zu sorgen, daß ihnen wenigstens der materielle Schaden ersetzt wird. Inzwischen ’ sse attgefunden, und in allem sind die Leute abgewiesen
aaben Proze
15889 Pn noch ungedeckte Schade beträgt 1,5 Millionen. Wie ich höre, ist der preußische Landtag über eine von den Geschädigten abgesandte Petition zur Tagesordnung übergegangen. Was sind das für Zustände? Der Stsatssekretär möge sich in seiner Eigenschaft als preußischer Minister der Leute annehmen.
Staatssekretär des Innern Dr. von Bethmann Hollweg: Die Frage der Unterstützung der von dem Wittener Unglück Betroffenen ist, wie der Herr Vorredner selbst hervorgehoben hat, eine preußische Angelegenheit; ich werde daher hier auf die Sache nicht eingehen.
Der Herr Abg. Sachse hat dann ebenso wie neulich der Herr
Abg. Dr. David und so eben noch der Herr Abg. Hue wiederholt bezug genommen auf ein Stenogramm, das aufgenommen ist oder
lessen wird, was wir
erbrechen. Ein
vertrauliche
Im preußischen Abgeordneten⸗†
aufgenommen sein soll über eine vertrauliche Verhandlung von Berg⸗ werksinteressenten. Die Herren haben die Güte gehabt, auch mir dieses Stenogramm zu übersenden. Herr Hue hat gemeint, da ich bisher auf die Angelegenheit nicht eingegangen sei, wäre festgestellt, daß tatsächlich eine solche Verhandlung mit dem Inhalt des Steno⸗ gramms stattgefunden habe; die Regierung sei nicht in der Lage, es abzustreiten, also müsse es wahr sein. Ich habe gar keine Veranlassung, mich mit dem Stenogramm über diese Verhandlung zu befassen. (Sehr richtig!) Die⸗ jenigen Herren, denen das Stenogramm über die Sitzung zu⸗ gegangen ist, und die geglaubt haben, es öffentlich hier verwerten zu sollen, mögen sich mit den Teilnehmern an jener vertraulichen Sitzung darüber auseinandersetzen. (Sehr richtig! Zuruf von den Sozial⸗ demokraten: Es ist doch eine öffentliche Angelegenheit!) Aber Sie werden doch nicht glauben, daß solche vertraulichen Vorgänge — wie gesagt, ob und wie sie sich zugetragen haben, weiß ich nicht, ich weiß auch nicht, von wem Sie das Stenogramm haben, ob es richtig ist, den Gang der Gesetzgebung, wie er von der Regierung geführt wird, beunruhigen oder stören können. Davon ist gar keine Rede. Und wenn der Herr Abg. Hue soeben in emphatischer Weise das Gesetz als ein verbrecherisches bezeichnet hat, so wid über das Gesetz im preußischen Landtage verhandelt. Sie haben auch dort Ihre Fraktions⸗ genossen, die können dort ebenso wie alle übrigen Parteien über das Gesetz mit verhandeln und ihre Stellung zu ihm präzisieren. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Warum machen Sie kein deutsches Gesetz?) Was gehen mich vertrauliche Verhandlungen an, wie soll ich zu ihnen Stellung nehmen, ohne daß ich weiß, daß sich die Sache wirklich so abgespielt hat? Auf der andern Seite, meine Herren, auch Sie auf der linken Seite haben gewiß häufig das Bedürfnis zu ver⸗ traulichen Verhandlungen, und haben dabei den Wunsch, daß ihr Inhalt geheim bleiben möge. Glauben Sie, daß ich so neugierig sein würde, durch das Schlüffelloch bei Ihnen zu horchen (Zurufe bei den Sozialdemokraten), um zu hören, was Sie verhandeln, und nach⸗ her groß damit zu tun? (Sehr richtig! rechts und bei den National⸗ liberalen.) Das lehne ich ab, und ebenso lehne ich es ab, zu vertraulichen Verhandlungen anderer Menschen, von denen ich gar nicht weiß, wie sie sich zugetragen haben, irgendwie Stellung zu nehmen. (Bravol rechts.)
Abg. Spethmann (fr. Volksp.) bittet die Regierung, dahin zu wirken, daß der Kaiser⸗Wilhelm⸗Kanal nicht durch Abwässer ver⸗
unreinigt werde.
Abg. Hoch (Soz.) bedauert, daß der Abg. Günther⸗Sachsen sich eines Unternehmens wie des der Zeitschrift „Nach Feierabend“ habe an⸗ nehmen können. Er sei von seinen Gewährsleuten entschieden hinters
Licht geführt worden.
Auf eine Anfrage des Abg. Sü dekum (Soz.) erwidert der Sctaatssekretär des Innern Dr. von Bethmann Hollweg: Meine Herren! Ich habe eine ganze Reihe verschiedener Systeme
von Wahlurnen geprüft (Heiterkeit), ziemlich ein Dutzend; ich hab es getan, aber bisher noch keine Wahlurne produziert bekommen, be⸗
der man annehmen konnte, daß sie das Wahlgeheimnis so sichern
würde, wie die Herren es wünschen. mir ein neues Modell zugegangen, das mir besser zu sein scheint. Darüber, ob es angewendet werden kann, sind die Erwägungen noch nicht abgeschlossen; aber wie Sie aus meinen Worten ersehen, wird
die Frage fortgesetzt weiter behandelt.
Herzoglich braunschweigischer Bundesratsbevollmächtigter, Geheimer G Legationkrat Boden tritt den Ausführungen des Abg. von Dannen⸗ berg entgegen und weist namentlich darauf hin, daß bei der Aenderung der Kirchengebete in Braunschweig von den Tendenzen, von denen der Abg. von Dannenberg gesprochen habe, absolut nicht die Rede sein könne Am wenigsten sei diese Aenderung auf eine Angst vor der preußischen
Regierung zurückzuführen.
Es folgen persönliche Bemerkungen der Abgg. Götz von Olenhusen (Zentr.), Becker⸗Arnsberg (Zentr.), Günther (fr. Volksp.), Dr. Arning (nl.).
Württembergischer Bundesratsbevollmächtigter, Ministerialrat Dr. von Köhler kommt auf die vom Abg. Erzberger in der zweiten Lesung gegen die Versicherungsanstalt Württemberg erhobenen schweren Vorwürfe zurück und weist sie auf Grund eines sehr umfangreichen sachlichen und statistischen Materials als vollständig unbegründet zurück. Von einer imparitätischen Behandlung der Katholiken könne absolut
Vor drei oder vier Wochen ist
nicht die Rede sein. 8
Abg. Erzberger (Zentr.) erklärt, daß er nicht das mindeste von den Vorwürfen, namentlich bezüglich des Wilhelmsheim, zurücknehmen könne, da seine Angaben sich auf zuverlässige Gewährsmänner stützten. Von einer Zurücksetzung der katholischen Kirchengemeinden gegen evangelische habe er gar nichts behauptet, und er begreife nicht, wie der württembergische Bevoll⸗ mächtigte ihm so etwas habe unterstellen können. Ihm (Redner) fehle für ein solches Verfahren der parlamentarische Ausdruck.
Württember 8 Bundesratsbevollmächtigter, Ministerialrat Dr. von Köhler ” rt, daß er nur widerlegt habe, was der Abg. Erz⸗ berger wirklich behauptet habe. Im übrigen habe er keine Veranlassung, sich mit den Ausführungen des Abg. Erzberger noch weiter zu beschäftigen.
Abg. Dr. Hieber (nl.) hält den scharfen Ton, den der Abg. Erzberger gegen den württembergischen Bundesbevoll⸗ mächtigten angeschlagen habe, für ungerechtfertigt. Der Bischof selbst habe der Versicherungsanstalt seine dankbare Be⸗ friedigung über die Ausstattung und Einrichtung der be⸗ treffenden Krankenanstalt der Landesversicherung ausgesprochen; man könne doch nicht verlangen, daß die Versicherungs⸗ anstalt noch bischöflicher sei als der Bischof selbst. Er könne nur bedauern, daß Einrichtungen, die der reinsten Humanität und Nächstenliebe dienen, durch die Schuld des Abg. Erzberger fort⸗ dauernd zum Gegenstand konfessioneller Zänkereien gemacht werden.
Abg. Erzberger (Zentr.) tritt diesen Ausführungen und denen des württembergischen Bundesbevollmächtigten entschieden etbesen.
Abg. Dr. Everling (nl.) glaubt, daß auch dieser Vorstoß des Abg. Erzberger wie seine früheren gesen das Reichsversicherungs⸗ amt und die Landesversicherung verfehlt sei; die Annahme des Abg. Erzberger, daß es sich hier um eine Bevorzugung der Evange⸗ lischen endehe sei eine Idiosynkrasie. . 1 An der weiteren Debatte beteiligen sich noch der württem⸗ bergische Bundesbevollmächtigte, Ministerialrat Dr. von Köhler und der Abg. Erzberger (Zentr.).
Der Etat des Reichsamts des Innern wird genehmigt.
Um 9 Uhr wird die weitere Etatsberatung auf Freitag
früh 10 Uhrvertagt. b “
Erholungsheims