(Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Zur zmeiten Beratung steht der Gesetzentwurf über die Sicherung der Bauforderungen nach dem Bericht der XIII. Kommission. Referent ist der Abg. Dr. Mayer⸗Kauf⸗ beuren (Zentr.). 8 Die Diskussion wird eröffnet über den von der Kom⸗ mission der Vorlage vorangesetzten ersten Abschnitt „Allgemeine Sicherungsmaßregeln“. § a statuiert die Verpflichtung des Baugeldempfängers, das Baugeld zur Befriedigung. solcher 8 die an der Herstellung des Baues beteiligt sind, zu⸗ verwenden.
Abg. Dr. Mayer (Zentr.): Kaum je hat eine Vorlage im Laufe der Kommissionsberatung, so viel Abänderungen und Umgestaltungen erfahren wie diese seit ihrer am 27. November 1907 erfolgten Ver⸗ weisung an die Kommission. Wenn gleichwohl heute nur ganz wenige Abänderungsanträge vorliegen, so zeugt das dafür, daß die von der Kommission vorgenommene Abänderung und Umgestaltung in ganz überwiegendem Maße die Billigung der ganzen Kommission, wie auch der Oeffentlichkeit und der Presse gefunden hat. Die Vorlage wollte die dingliche, d. h. hypothekarische Sicherung der Bauforderung ermöglichen; die Kommission hat diese Sicherungs⸗ bestimmung noch weiter verschärft, die weitere Geltendmachung der Forderung noch erweitert und zu den dinglichen Sicherungen noch in einem dem Entwurf vorangestellten Abschnitt allgemeine Sicherungs⸗ maßregeln hinzugefügt. Feseeuricherwetfe ist es der Kommission auch gelungen, zu den Neubauten, auf die allein sich die Vorlage erstreckte, noch die Abriß⸗ oder Ersatzbauten zu fügen, allerdings unter dem lebhaften Widerspruch der Vertreter der verbündeten Regierungen, die indes ein absolutes „Unannehmbar“ nicht ausgesprochen haben. Bedauerlich ist freilich, daß nicht auch die Umbauten haben auf⸗ enommen werden können; es hat sich aber gezeigt, daß man dabei zu unmoöglichen und unjuristischen Konsequenzen gekommen wäre. Be⸗ seitigt ist die Beschränkung auf Gebäude, die Wohn⸗ oder gewerb⸗ lichen Zwecken dienen; einstimmig hat ferner die Kommission den Ausschluß der fiskalischen Gebäude gestrichen, da nachgewiesenermaßen bei Reichs⸗, Staats⸗ und kommunalen Bauten Bauschwindel und Benachteiligung von Bauhandwerkern ebenso vorkommen wie bei sonstigen Bauten. Die Frage der Haftung des Eigentümers für die Forderungen der Nachmänner, d. h. derjenigen Gläubiger, die im Auftrage des Eigentümers von einem Unternehmer beschäftigt wurden, ist in einer immerhin befriedigenden Form gelöst worden; der Eigentümer muß nach den Kommissionsbeschlüssen, wenn er von der Haftung befreit bleiben will, seinerseits nachweisen, daß er bei der Auswahl des Unternehmers sich in gutem Glauben befunden hat, daß hm weder Arglist noch grobe Fahrlässigkeit beigewohnt hat. Auch er Forderung der Arbeiter, ihnen für ihre Forderungen ein Vorrecht auf 14 Tage zu gewähren, hat die Kommission entsprochen. Wichtig ist ferner der Beschluß wegen Errichtung von Bauschöffenämtern, welche allerdings mit den Wallbrechtschen Bauschöffen nur den Namen gemein haben; diese Bauschöffenämter sollen bezüglich der Bauten alle diejenigen prekären Befugnisse wahrnehmen, die jetzt die Bau⸗ polizei innehat, obwohl sie gar nicht eigentlich baupolizeilicher Natur find; sie sollen die Taxen festsetzen und auch als Einigungsämter wirken, und sie sollen im wesentlichen aus Bausachverständigen zusammengesetzt sein. Damit ist ein großer Fortschritt gegeben. Die Bauschöffenämter werden auf Grund von Ortsstatuten für eine Gemeinde errichtet, event. durch Anordnung der Landeszentralbehörde, wenn die Gemeinde einer bezüglichen Aufforderung derselben nicht folgt. Durch landesherrliche Verordnung können Abweichungen hiervon wie von den übrigen Bestimmungen über die Bauschöffenämter be⸗ schlossen werden. Wenn die Sozialdemokraten diese letztere Befugnis estrichen wissen wollen, so geht uns das zu weit, ebenso wie ihre Forderung, den § 38 zu beseitigen, wonach Verrichtungen, die nach diesem Gesetze einem Bauschöffenamt obliegen, auch anderen Beamten oder Notaren übertragen werden können. goffentlich wird das Gesetz eine gute Wirkung haben und dem alten Wort wieder zu seiner alten Bedeutung verbelfen: Jeder Handwerker ist seines Lohnes wert. 8 Abg. Pauli⸗Potsdam (dkons.): Die Handwerker sind mit dem Gesetze, wie es aus der Kommission herausgekommen ist, bis auf wenige Ausnahmen zufrieden. Namentlich die Erweiterungen der Vorlage, insbesondere der Beschluß, daß der Geltungsbereich auf alle Bauten im ganien Deutschen Reiche ausgedehnt wird, werden sehr wirksam dem Bauschwindel entgegenarbeiten. Ich empfehle die An⸗ nahme der Kommissionsbeschlüsse in der Hoffnung, daß das Gesetz dem Handwerk zum Segen gereichen wird. 1 -—Abg. Linck (nl.): In der Kommission sind wir obne Unterschied der Partei mit einem Herzen voll Handwerkerfreundlichkeit an die Arbeit gegangen, und die Arbeit der Kommission ist nicht erfolglos geblieben; die Vorlage ist durch die Kommissionsarbeit uns annehm⸗ barer geworden. Der Schutz für die Bauforderungen ist wirksamer gestaltet worden, als es nach der Vorlage möglich war; die aus der dinglichen Sicherung befürchteten Nachteile werden durch die Einführung der Institution der Bauschöffenämter zum größten Telle beseitigt werden. Die Buchfuͤhrung ist von Handelskammern, Handwerkerkammern und Lieferanten gefordert worden, damit soll dem Bauschwindel ein Damm entgegengesetzt werden. Den sogenannten Kettenbauten soll durch die Bestimmung vorgebeugt werden, daß die Baugelder künftig nur ver⸗ endet werden dürfen zur Befriedigung der Gläubiger des Baues, ür den die Baugelder gegeben sind. Wir hoffen, daß dadurch die Elemente, die ihre Sache auf nichts gestellt haben, künftig aus dem Baugewerbe ausgeschaltet werden. Buchführungspflichtig sollen nicht nur die Baugewerbetreibenden sein, sondern auch diejenigen, die sich für den Neubau Baugeld gewähren lassen. Das ist eine sehr gute Maßregel. Man hat nun gemeint, daß man sich mit stesen Schutz⸗ . begnügen und den dinglichen Schutz der Bau⸗ Meine politischen Freunde sind ent⸗ gegengesetzter Meinung. Die Befürchtung, das Gesetz würde Heeesen können, daß die Bautätigkeit auf das Groß⸗ kapital übergeht, teilen wir nicht, da es bei Bauunternehmungen in der Hauptsache auf die Individualität des Bauherrn und Bau⸗ unternehmers ankommt. Das Anwendungsgebiet des Gesetzes würde u beschränkt sein, wenn man die Ersatzbauten ausschlösse. Die hohe Belastung dieser Bauten, die die Regierung bestimmt hat, sie aus⸗ schließen, ist gerade eine große Gefahr für die Baugläubiger. Die Ausdehnung des Gesetzes auf Umbauten hat die Kommission mit Recht abgelehnt, weil die Durchführung dieses Gedankens, namentlich - die Taxierung, ganz erheblichen Schwierigkeiten begegnen würde. Auf 1 88 Einführung der Bauschöffernämter legen auch wir einen großen 8 ert, vor allem mit Rücksicht auf ihren Charakter als Einigungsämter. Einverstanden sind wir auch damit, daß die Eintragung eines Bauvermerks unterbleibt, wenn Sicherheit durch Hinterlegung von Geld⸗ oder Wertpapieren geleistet ist, und zwar in Höhe von ½ der voraussichtlich entstehenden Baukosten. Durch diese Maßregel wird keineswegs, wie behauptet worden ist, dem Bauschwindel ein Unterschlupf gegeben, denn die Baugläubiger werden dadurch im ganzen mit 66 ¾ % sichergestellt, da die Eigen⸗ tümer ebenfalls mit ½ haften. Wenn die Sozialdemokraten ver⸗ ngen, daß mindestens die Hälfte der Bauschöffen aus Bau⸗ achverständigen bestehen solle, unter denen mindestens ein Bauarbeiter sein soll, so lehnen wir diese letztere Forderung ab, schon deswegen, eil es sich hier gar nicht um einen Interessengegensatz zwischen rbeitern und Arbeitgebern handelt. Auch die anderen schon er⸗ wähnten Anträge der äußersten Linken werden wir ablehnen. Die Bauhandwerker 618 sich übrigens in bezug auf dieses Gesetz keinen Illusionen hingeben. Dies Geset müßte heißen statt: „Gesetz zur Sicherung der Bauforderungen“ „Gesetz zur Erleichterung der Sicherung der Bauforderungen“. Bauhandwerker, die leichtsinnig ontrahieren oder lässig sind in der Einziehung ihrer Außenstände, werden auch durch dieses Gesetz nicht geschützt. “
gläubiger entbehren könne.
Abg. Dove (fr. Vgg.): Wir haben uns allerdings in der Kommission redlich bemüht, eine gute Fassung zu finden und uns gegenseitig darüber die Köpfe zerbrochen. Wir befinden uns bE. auf vulkanischem Boden, wo alles schwankt. Man hat die
tarrheit des Hypothekensystems bemängelt; auf dieser Starrheit, die auch in der Luftschiffahrt den Vorzug verdient, beruht aber die Sicherheit des Kredits. Mit der dinglichen Sicherung sind wir ein⸗ verstanden, unsere Zustimmung wird uns dadurch erleichtert, daß deren Durchführung nur da stattfinden soll, wo ein Be⸗ dürfnis sich dafür berausstellt. Die Bedenken, die wir im übrigen gegen einzelne Bestimmungen des Gesetzes haben, werden einiger⸗ maßen durch die Einführung der Bauschöffenämter. Allerdings ist es den einzelnen Regierungen überlassen, Bauschöffen⸗ ämter einzuführen oder nicht; sie können einen zivilrechtlichen Be⸗ lagerungszustand über irgend eine Gemeinde verhängen. Dem wollen die Anträge der Sozialdemokraten abhelfen. Bleibt § 351 stehen, so wird in der Tat alles der Willkür der Einzelregierungen überlassen.
Auch ich bin dafür, daß ein Bauarbeiter im Bauschöffenamt seinen⸗
Sitz hat. Der Entwurf bestimmt, daß vor der Einführung des Ge⸗ setzes in einer Gemeinde außer der Gemeinde auch die Handwerks⸗ kammer gehört wird. Wir beantragen, daß auch die Handelskammern
gehört werden, da es sich hier nicht bloß um die Forderungen der
Bauhandwerker, sondern arch um die Forderungen der Lieferanten handelt. Wir stimmen der Vorlage nicht zu in einer überschweng⸗ lichen Begeisterung; wir glauben nicht, daß damit alle Uebelstände eett e werden. geben, sich niemals als ein Danaergeschenk erweisen!
Abg. Bömelburg (Soz.): Dieses Gesetz sollte in der Haupt⸗ sache den Interessen des Unternehmertums dienen. Handelt es sich um den Schutz des großen Portemonnaies des Abg. von Oldenburg, dann schiebt man die Sozialdemokraten gern beiseite, weil man weiß, daß diese für einen solchen Schutz nicht zu haben sind. Weite Kreise der Unternehmer wollen von dem Gesetz nichts wissen. Der Bund für das Baugewerbe Mitteldeutschlands und auch das süddeutsche Baugewerbe erblicken in der Vorlage nur ein Verlegenheitsgesetz; den Rahm davon würden die Rechtsanwälte abschöpfen. Auch die kleinen Bauhandwerker sind von der Vorlage nicht begeistert; man erwartet von ihr keine wirkliche Sicherung der Bauforderungen und weist anderseits darauf hin, daß der Bauschwindel nicht mehr in dem alten Umfang vorhanden sei wie in den 80er Jahren. Trotzdem sich in jüngster Zeit die Mißstände gemildert baben, gibt es im Bauhandwerk noch Mißstände in so ungeheurem Umfange, daß ein gesetzliches Eingreifen in jeder Beziehung gerechtfertigt wird. Bei der Sicherheitsleistung handelt es sich nicht um kleine Summen, sondern der Unternehmer, der bei Geltung des zweiten Teiles des Gesetzes Bauten übernehmen will, muß über ganz bedeutende Kapitalien oder Kredite verfügen. Dadurch werden die großen kapital⸗ kräftigen Unternehmer bevorzugt. Ob die Bauschöffenämter ihrer Aufgabe, den Baustellenwert feststellen zu können, gewachsen sind, muß sich erst herausstellen. Den Arbeitern sollte man wenigstens einen einzigen Sitz im Bauschöffenamt einräumen. Wo es sich um so wichtige Interessen der Arbeiter handelt, sollten auch die Arbeiter⸗ interessenvertretungen die Möglichkeit haben, ihre Stimmen zu er⸗ heben, ob sie die Einführung des Gesetzes für zweckmäßig halten.
Abg. Dr. Mugdan (fr. Volksp.): Der erste Teil des Gesetzes über die Befugnisse der Bauunternehmer wird mannigfache Schäden im Baugewerbe beseitigen. Schwere Bedenken haben meine Freunde aber gegen den zweiten Teil. Die Zeit, bis der Bau begonnen werden kann, wird verlängert werden. Dadurch entsteht ein Zeit⸗ verlust, und es besteht Gefahr, daß überhaupt nur noch kapital⸗ kräftige Personen sich am Bauen beteiligen können. Das könnte den Mittelstand, dem wir helfen wollen, gerade schädigen. I gibt der § 4 den Handwerkerkreisen einen starken Ansporn, sich genossenschaftlich zu organisieren. Den Kommunen, die schon jetzt in gedrückter finanzieller Lage sind, durch die Bauschöffenämter noch neue Kosten aufzuerlegen, ist unrecht. Ein Bauarbeiter kann ohnehin als Bauschöffe berufen werden, eine Mußvorschrift ist nicht notwendig. Die Bauhandwerker zu unter⸗ stützen, haben wir alle ein Interesse, weil sie den Ansturm der 11“ aushalten können. Wir werden für das Gesetz
mmen.
Abg. Waida⸗Pleß (Pole): Wir werden für die Vorlage stimmen, zumal unter den heutzutage herrschenden, geradezu unhaltbaren Zu⸗ ständen bei den Bauten auch unsere Landsleute ausgebeutet werden.
reilich haben wir, da wir auf Schritt und Tritt so unliebsame rfahrungen machen, auch bei diesem unpolitischen und humanen Gesetz unsere Bedenken gehabt, stellen diese aber mit Rücksicht auf die edle Absicht der Vorlage zurück.
Abg. Wieland (südd. Volkep.): Die Befürchtung, daß das Gesetz ein Dangaergeschenk für die Bauhandwerker werden köante, hegen wir nicht. Das Verhaltnis zwischen kapitalkräftigen Bauunternehmern und Bauhandwerkern wird auch unter dem neuen Gesetz tas gleiche bleiben. Voraussichtlich wird sich allerdings eine gewisse Veränderung im Bauwesen vollziehen, aber, wie ich hoffe, in günstigem Sinne für die Bauhandwerker. Den Inhalt des Antrages Albrecht in das Gesetz aufzunehmen, ist unnötig.
Damit schließt die Diskussion. Der erste Abschnitt „Allgemeine Sicherungsmaßregeln“ wird unverändert nach den Kommissionsvorschlägen angenommen.
Es folgt der zweite Abschnitt „Dingliche Sicherung der Bauforderungen“, erster Titel „Geltungsbereich dieses Ab⸗ schnitts“; § 1 bestimmt: In den durch landesherrliche Ver⸗ ordnung bestimmten Gemeinden findet im Falle eines Neu⸗ baues eine Sicherung der Bauforderungen nach den Vor⸗ schriften dieses Abschnitts statt. Vor Erlassung der landes⸗ herrlichen Verordnung ist die Gemeinde und die Handwerks⸗ kammer des Bezirks zu hören.
Abg. Dr. Frank⸗Mannheim (Soz.) befürwortet den Antrag seiner Partei, daß auch die gesetzliche Arbeitervertretung zu hören ist.
Ohne weitere Debatte wird hierzu der bereits erwähnte Antrag Dove, auch die Handelskammern zu hören, und der Antrag Frank angenommen und mit diesen Erweiterungen der § 1, ferner ohne Diskussion die §§ 2 bis 9.
Zum dritten Abschnitt „Baugläubiger“ befürwortet der
Abg. Herzog (wirtsch. Vgg.), den Baugläubigern auch die an der Herstellung der auf der Baustelle befindlichen Garten⸗ anlagen beteiligten Personen einzureihen.
Abg. Pauli⸗Potsdam (kons.) spricht gegen den Antrag, den auch schon die Kommission wegen der unübersehbaren Konsequenzen abge⸗ lehnt habe.
Der Antrag wird abgelehnt, § 10 unverändert ange⸗ nommen.
Zum sechsten Titel „Bauschöffenamt“ liegt zu § 35 der Antrag der Sozialdemokraten vor, die Schlußbestimmung da⸗ hin zu fassen: „Mindestens die Hälfte der Bauschöffen soll aus Vausachverftänzigen bestehen, unter denen mindestens ein Bauarbeiter sein muß.“
Der Antrag wird von dem Abg. Dr. Frank⸗Mannheim Soz.) kurz befürwortet und ohne weitere Debatte abgelehnt. 8 35 c bis 35 k werden angenommen.
8 ¹Abg. Dr. Frank⸗Mannheim (Soz.) befürwortet die Streichung des
351, wonach durch landesherrliche 2 von den Vorschriften
über das Bauschöffenamt Abweichungen zugelassen werden können. Der Kommissionsvorschlag stehe einzig da, denn er überlasse es der
Willkür der Einzelregierungen, aus den Vorschriften alles, einiges oder
Ebenso wird § 38 übrigen war das
gar nichts zu übernehmen.
§ 351 bleibt unverändert bestehen. 8 und der Rest der Kommissionsvorschläge unverändert an⸗ genommen. 88
8
Möge dieses Geschenk, das wir den Baugläubigern
Jrechnen haben.
Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs, treffend die zollwidrige Verwendung von Gerste.
Abg. Speck (Zentr.): Seit 1906 sind wir eifrig bestrebt, die Fehl der Gerstezollgesetzgebung abzuschaffen. Nachdem der neue Zolltarf Kraft getreten ist, hat sich die Wirkung dieser Fehler img unliebsamer bemerkbar gemacht. Die Strafbarkeit soll i vorliegen, wenn die Verwendung der Futtergerste zu Brauzwech erfolgte; die Verwendung zu Brennzwecken und zur Herstellung Malzwaren soll nicht strafbar sein. Das ist eine Inkonsegus Wird Futtergerste zur Herstellung von Malzkaffee verwendet, so n
sie auch den Zoll von 4 ℳ tragen. Auch für die Brenngerste besectl
schon heute eine Ausnahmestellung. Woher wissen die Vertrgh der verbündeten Regierungen, daß die Verwendung an ländischer Gerste jur Malzkaffeefabrikation von so untergeordnen Bedeutung ist? Nach meiner Kenntnis ist sie ziemlich erhehl und in einem Augenblick, wo man den Kaffeezoll zu erhöhen absichtigt, kann man doch ein Konkurrenzmaterial für den Kas nicht begünstigen wollen. Die zollwidrige Verwendung ausländisch Gerste hat großen Umfang angenommen. Einen strikten N.
2”9
weis der zollwidrigen Verwendung kann man natürlich von m
denen der amtliche Apparat nicht zur Verfügung steht, nicht vc langen; Tatsache ist diese Verwendung trotz alledem, dafür liegen zah⸗
reiche indirekte Beweise und Indizien vor. Auch die 9
gründung gibt wenigstens zu, daß Mißbräuche nicht an geschlossen sind. Man will nun dam übergehen, die zu niedrigen Zollsatz von 1,30 ℳ eingehende Gerste durch Färz mit Cosin kenntlich zu machen. Darin liegt ein großer Vorteil. 9 sämtliche zu 1.30 ℳ verzollte Gerste zu färben, lehnt die We lage ab; die Färbung soll nur erfolgen, soweit sie durchführ ist. Eine solche Einschränkung möchte leicht die ganze Wirku der Vorlage illusorisch machen. Anderseits dürfen a. die Wünsche nicht berücksichtigt werden, die darauf he zielen, nur Gerste zu färben, die weniger als 60 kg wit Wenn Sicherheit gewonnen werden soll, muß sämtliche zu 1,30, eingeführte Gerste gefärbt werden. Die Kosten würden dadurch nie höher werden als bei dem jetzigen Denaturierungsverfahren. Ich! antrage, die Vorlage einer Kommission von 14 Mitgliedern zu übe weisen, in der uns weitere Auskünfte vom Reichsschatzamt gegeh “ können. Das Gesetz müßte noch vor der neuen Ernte in Kr
Staatssekretär des Reichsschatzamts Sydow:
Meine Herren! Die Frage des Gerstenzolles ist so oft in diese hohen Hause erörtert worden, und ich selbee habe schon vor eine Jahre Gelegenheit gehabt, mich so eingehend darüber auszuspreche daß ich glaube, heute nicht noch einmal in die Einzelheiten der Fu⸗ eintreten zu sollen.
Es ist bekannt, daß die Schwierigkeiten, die sich einer imn richtigen Verzollung gegenübergestellt haben, im wesentlichen in der gewissem Sinne flüssigen Grenze zwischen den beiden Begriffen Ma gerste und andere Gerste ihre Veranlassung haben. Wenn der he Vorredner beklagt, daß man sich beim Abschluß des russischen und!d österreichischen Handelsvertrags auf eine solche Unterscheidung i. gelassen habe, so sage ich Ihnen nichts neues, wenn ich aussprech daß speziell beim russischen Handelsvertrage das Zustandekommend Vertrags von dem Eingehen auf diese Unterscheidung abhängig, wesen ist. Auf alle Fälle haben wir es mit einem Vertrage zu! der bis zum Jahre 1917 Kraft hat; wir müssen uns also in die I— hältnisse schicken.
Was die Klagen über die niedrige Verzollung von Gerste betik die richtiger mit dem höheren Satze belegt worden wäre, so verken ich durchaus nicht, daß in einer Reihe von Fällen diese Klagen Gru haben. Ich halte aber doch das Maß der Klagen für übertriebe Wir haben uns— sorgfältig bemüht, jeden zu unserer Kenntnis g. brachten Fall zu verfolgen, und sind nur in einem Falle zud strikten Beweise gekommen, daß eine Unterverzollung stattgefundenh in anderen Fällen ist es zum mindesten zweifelhaft gewesen. Aberd erkennen wir gern an, daß die Versuchung zu einem Mißbrauch h unerheblich gewesen ist, und um dieser Versuchung die Spite zubiegen, um die Möglichkeit der Unterverzollung oder der Verns dung niedrig verzollter Gerste zu Malzzwecken nach Kräften dd zuschränken, haben wir dem Wunsche dieses hohen Hauses entsprechen diesen Gesetzentwurf vorgelegt.
Das Neue in dem Gesetzentwurf ist die Grundsatzes, daß die Gerste, die zu dem verzollt worden ist, nicht zu Brauzwecken darf, widrigenfalls eine Strafe eintreten soll. durchführbar, wenn man den Erwerber setzen kann. An der Hand der früheren Erfahrungen hatte u kein geeignetes Mittel, sondern die bisherige Denaturier war zu umständlich, kostspielig und auch mit anderen Nachteilen die Weiterverwendung der Gerste verbunden. Eerst seitdem wir Färbungeverfahren ausgeprobt haben, haben wir ein verhältnismif nicht zu keures, leicht zu verwendendes Erkennungemittel Ihnen beh zuschlagen.
Nun hat der Herr Vorredner das Verlangen gestellt, d Gerste, die zu dem niedrigen Satz eingeführt worden ist, der Färkbu unterworfen werden soll. Ich halte dasz nicht für durchführ handelt sich um etwa 17 Millionen Doppelzentner Gerste, und un bloß die Kosten kommen dabei in Betracht, wenn man jede Einft station mit der Färbungsvorrichtung versehen soll, sondern auch! Aufenthalt, den die Färbung verursacht, wobei auch legitime Hand interessen in Gefahr gebracht werden können. (Sehr richtig!) Ichln heute nicht präzisieren, in welchen Fällen die Färbung vorgeschrie werden soll; der Gedanke muß nur der sein: es soll da geschehen,“
Aufstellung d niedrigeren Ern vecwendet wed Das ist i.
es irgend zweifelhaft ist, und wo es natürlich auch insofern durchfübth
ist, als ein entsprechender Apparat zur Verfügung steht, den man alle wichtigeren Stellen wohl anschaffen wird. Das Ermesfen! Zollbeamten wird allerdings hinreichend scharf angespannt wen müssen, das gebe ich gern zu. Auf alle anderen Einzelheiten, s besondere auch auf die Frage, ob man die Verwendung der nie verzollten Gerste zu Brennzwecken und anderen Malnwecken ebenc unter das Verbot stellen soll, möchte ich jetzt hier nicht eingehen,
ich annehme, daß dem Antrag auf Ueberweisung des Gesetzentm
an eine Kommission entsprochen werden wird.
Ein Vertagungsantrag wird gegen 6 Uhr nach Pom und Gegenprobe abgelehnt.
Abg. Graf von Kanitz (dkons.): Daß der russische Handeleverm gescheitert wäre, wie der Staatssekretär meinte, wenn die gierung die Differenzierung von Brau⸗ und Futtergerste abgelehnt bätte, glaube ich nicht. Bei der neulichen über die Einfuhrscheine wurde ausgerechnet, b Einfuhrscheine 1908 auesgefertigt worden seien. ha zi funden, daß die Summe nur 69 342 041,70 ℳ beträgt. Ich reiche die Rechnung darüber den Herren Stenographe Jahr 1908 ein außerordentlich gutes E später mit einer größeren heht.
Wir Was den Entwurf selbst
werden
herigen
hohen Hause entsprechend — die Vorlage eingebracht haben.
nicht rachgewiesen sind.
in bösen Glauben 62f
Bornum,, zur Beratung.
die unveränderte Annahme des Gesetzentwurfs,
eeine Kommissionsberakung stattfinden können. u. a. damit begründet,
s der Verhandlungen
Referaten des 1 5 Keenntnisnahme für erledigt erklärt.
verschiedene Denaturierungsverfahren, die die Verwendung der Gerste, die zu einem niedrigeren Zollsatz eingeführt wird, zu Brauzwecken verhindern. Von der Regierung wird jetzt eine Fürbun durch Eosin vorgeschlagen. Vtielleicht wird in der Kommission die Zweckmäßigkeit dieses Verfahrens nachgewiesen. Im übrigen habe ich gegen die Vorlage nichts einzu⸗ wenden. Den besten Erfolg verspreche ich mir von den Straf⸗ bestimmungen. Bei dem Abschluß neuer Handelsverträge wird die Differenzierung einer und derselben Getreideart vermieden werden müssen, auch wenn die russische Regierung Gewicht darauf legt.
Abg. Neuner (nl.): Die Färbung aller zu 1,30 ℳ eingeführten Gerste halte ich für unmöglich. Ein großer Teil meiner Freunde ist aber der Meinung, daß der Gesetzentwurf eine Lücke in dem be⸗ stehenden Zollgesetz ausfüllt, insofern in der Regel das größte Quantum der eingeführten Gerste zu 1,30 ℳ eingeführt wird. Die Begründung macht allerdings den Eindruck, als solle mehr gegen als für das Gesetz Stimmung gemacht werden
Die Abgg. Dr. Südekum (Soz.) und Freiherr von Gamp, (Rp.), die darauf das Wort erhalten, find nicht anwesend.
Abg. Carstens (fr. Volk⸗p.) hat gegen die Vorlage sehr starke Bedenken. Eine Schädigung des Reichs durch den bis⸗ Zustand sei nicht nachgewiesen. Die Vbrlage sei nur unnir dem Druck des Hauses eingebracht worden. Die vermehrte Gersteneinfuhr erkläre sich auch aus der vermehrten
Viehhaltung. Man soltte nicht immer wieder Gesetzesmacherei treiben, odurch dem Reiche große Kosten verursacht und der Verdacht erweckt
würde, daß man es mit den Verträgen nicht genau nehme. Sttaatssekretär des Reichsschatzamts Sydow:
Ich hatte eigentlich nicht die Absicht, heute nochmals das Wort zu nehmen. Ich sehe mich aber doch genötigt, gegen die Beleuch⸗ tung, die die Begründung der Regierungsvorlage in mehreren Punkten seitens des Herrn Vorredners erfahren hat, Widerspruch zu erheben. Er hat gesagt und hat das aus der Begründung herausgelesen, wir hätten anerkannt, daß zu dieser Vorlage jede Unterlage fehlte, daß wir nur der Not gehorchend — er meint also, dem Drucke aus diesem Es ist nur in der Vorlage gesagt, daß Mißbräuche in erheblichem Umfange Daß Mißbräuche vorgekommen sind, habe ich selber anerkannt (sehr richtig; in der Mitte), und wenn nicht hie und da Erscheinungen vorlägen, die auf diese Ge⸗ fahren hinwiesen, würden nicht die Klagen von so vielen Seiten gekommen sein. Was haben wir aber hier Unge⸗ wöhnliches verlangt? Wir führen den Satz hier in die Praxis ein, daß nur die Gerste, die als Braugerste verzollt wird, zu Brauzwecken verwendet werden darf, die andere nur zu anderen Zwecken, und das ist meines Erachtens einfach eine Forderung, wenn ich so sagen darf⸗ der Ehrlichkeit. (Sehr richtig! in der Mitte.)
Weiter ist hier die Bemerkung der Begründung bemängelt, wegen der Färbung seien die Verhandlungen dem Abschluß nahe. Ich gebe zu, daß das nicht mehr ganz zutrifft. Es traf zu, als die Vorlage an den Bundesrat gebracht wurde. Jetzt sind sie abgeschlossen, sonst würden wir Ihnen hier den Vorschlag nicht machen, und sie haben zu dem Ergebnis geführt, daß eine Färbung mit Eosin möglich ist, welche die Verwendbarkeit der Gerste zu anderen Zwecken in keiner Weise beeinträchtigt, vor allem aber dauerhaft er⸗ kennen läßt, daß sie nur mit 1,30 ℳ verzollt ist. Wie nun daraus der Schluß gezogen werden soll, daß jetzt eine Zertrümmerung der Gerste stattfinden solle, die das Nationalvermögen in Frage stellen würde, kann ich wirklich nicht absehen. Abg. Vogt⸗Hall (wirtsch. Veg.) begrüßt die Vorlage, die den
landwirkschaftlichen Bestrebungen entgegenkomme; ebenso der Abg. Hilpert (wild), der in dem Entwurf wenigstens eine Ab⸗
ssglagszahlung sieht, um der laxen Behandlung der Einfuhr der
Futtermittel entgegenzutreten. Die Vorlage geht an eine Kommission von 14 Mitgliedern.
Hierauf vertagt sich das Haus. Schluß 6 ³¾ Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 2 Uhr. (Interpellation der Sozialdemokraten, betreffend die Werks⸗
pensionskassen)) 1““
“ 111“
Preußischer Landtag. 82 Herrenhaus. “ 7. Sitzung vom 28. April 1909, Nachmittags 1 Uhr. 1 (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Zunächst gelangt der Gesetzentwurf, betreffend die Er⸗ weiterung des Stadtkreises Linden (Eingemeindung Landgemeinden Limmer, Davenstedt, Bodenstedt und
Herr Dr. Rive⸗Halle berichtet über die Vorlage und beantragt bittet jedoch die Re⸗ ierung, bei künftigen Eingemeindungen ein einfacheres Verfahren nzuwenden, wie es bis 1888 geübt worden sei. In den Motiven des Gesetzentwurfs sei ferner von der Auseinandersetzung mit dem Land⸗ kreise fast gar nicht die Rede; das sei aber für den Gesetzgeber not⸗ wendig. 1 8 Ferr Tramm⸗Hannover hätte gewünscht, daß diese Vor⸗ age zuerst an das Herrenhaus gebracht worden wäre; dann hätte Die Vorlage werde
daß Linden einen Anschluß an den Rhein⸗ Weser⸗Kanal erhalte, und ein Hafen unter Beihilfe der Stadt ge⸗ Nach dem Wasserstraßengesetz sei aber der Bau von Häfen Sache der Gemeinden. Es sei zu befürchten, daß der Staat
iesen Hafen finanztell und tarifarisch bevorzugen könne. Er bitte die Regierung um eine beruhigende Erklärung. Im übrigen sei gegen
die Vorlage kein Bedenken zu erheben. 1 b Dr. Graf von Wedel⸗Gödens vermißt Bestimmungen in
der Vorlage, welche Verträge mit den einzugemeindenden Gemeinden Gesetzeskraft erhalten follen; das müsse in Zukunft im Gesetze genau erden.
Wiaei nae⸗ DOberregierungsrat von Falkenhayn bemerkt, daß er Anschlußhafen in Linden allerdings mit Staatshilfe gebaut werde, s werde jedoch nicht von den Bestimmungen des Wasserstraßengesetzes abgewichen werden. v Die Vorlage wird darauf angenommen.
Der Bericht über die Ergebnisse des Betriebes der v einigten preußischen und hessischen Staatseisenbahnen im Rech⸗ nungsjahre 1907, die übersichtliche Darstellung des Ergebnisses des Landeseisenbahnrats im Jahre 1908 und der Baubericht der Eisendahnverwaltung für 1907/08 nebst den Rechnungsberichten über die Verwendung der extra⸗ ordinären Dispositionsfonds für 1907 werden nach den Berichterstatters Herrn von Graß durch
baut werde.
Darauf setzt das Haus die Beratung der Besoldungs⸗
und Deckungsvorlagen fort. “ Im Gesetzentwurf über das Diensteinkommen der rer und Lehrerinnen an den öffentlichen Volks⸗
“ 8 v“
sch ulen hat die X Kommission die Besch
hauses im wesentlichen folgendermaßen geändert: Nach 8 soll die Alterszulage betragen: 1) für
jährlich; 2) für Lehrerinnen in den ersten zwei Stufen je 100 ℳ, in den weiteren je 150 ℳ jährlich. (Das Abgeordneten⸗ haus hatte für die Lehrer bestimmt: in den ersten beiden Stufen je 200 ℳ, in der dritten und vierten je 250 ℳ, in der fünften bis neunten je 200 ℳ.)
In § 15, wonach die öffentlichen Abgaben von der Dienst⸗ wohnung sowie die Gebühren für die Benutzung kommunaler
Veranstaltungen von den Schulunterhaltungspflichtigen getragen werden sollen, hat die Kommission die letzteren Gebühren
gestrichen.
In § 17 hat die Kommission die Mietsentschädigung folgendermaßen festgesetzt (die eingeklammerten Sgn sind die des Abgeordnetenhauses): 1) Für Lehrer in Ortschaften der Orts⸗ klasse A auf mindestens 720 ℳ (810), B auf 580 ℳ (650), Gauf 480 ℳ 2 D auf 400 ℳ (450); 2) für Lehrerinnen in den Ortsklassen A auf mindestens 500 ℳ (570), B auf 430 ℳ (480), C auf 360 ℳ (400), D auf 290 ℳ (320). Für die Ortsklasse E sind verschiedene Stufen zulässig; in der obersten Stufe muß die Mietsentschädigung für Lehrer mindestens 290 ℳ, für Lehrerinnen 220 ℳ jährlich betragen.
Nach § 24 in der Abgeordnetenhausfassung erhalten die Leiter von Schulen mit sechs oder mehr aufsteigenden Klassen eine pensionsfähige Amtszulage von mindestens 700 ℳ, andere Schulleiter und erste Lehrer mit Leitungsbefugnissen an Schulen mit drei oder mehr Lehrkräften eine solche von min⸗ destens 200 ℳ. Sonstige erste Lehrer und alleinstehende Lehrer er⸗ halten nach zehnjähriger Dienstzeit eine pensionsfähige Amts⸗ zulage von 100 ℳ jährlich. Diese letztere Bestimmung hat die Kommission gestrichen.
In § 29 hat die Kommission den Zusatz gemacht, daß die Naturalleistungen mit der ersten nach dem 1. April 1910 ein⸗ tretenden Erledigung der Schusstelle fortfallen.
Die Bestimmungen in den §8§ 43 ft über die Staats⸗ beiträge und Ergänzungszuschüsse hat die Herrenhaus⸗ kommission grundsätzlich geändert.
(Nach der Abgeordnetenhausfassung sollte in Schul⸗ verbänden mit nicht mehr als sieben (7) Schul⸗ stellen ein fester taatsbeitrag zu dem Dienstein⸗ kommen gezahlt werden, und 5 für den ersten oder alleinstehenden Lehrer von 700 ℳ, für einen anderen Lehrer von 500 ℳ, für die Lehrerin von 300 ℳ. Die in Schulverbänden mit mehr als sieben Schul⸗ stellen bisher zu zahlenden Staatsbeiträge sollten weg⸗ fallen. Dagegen sollten diese Schulverbände Ergänzungs⸗ zuschüsse vom Staat erhalten, und zwar sollten zu dicsem
Zweck für die Schulverbände bis zu 25 Schulstellen insgesamt a
23,3 Millionen, für die Schulverbände mit mehr als 25 Schul⸗ stellen 7,7 Millionen Mark jährlich durch den Etat bereit⸗ gestellt werden.)
Nach dem Beschluß der Herrenhauskommission soll der Staatsbeitrag für jede politische Gemeinde bis zur Höchstzahl von 25 Schulstellen gewährt werden; er soll
für die einzelne Lehrkraft in Schulverbänden bis zu sieben
Schulstellen dieselbe Höhe haben wie nach der Abgeordnetenhaus⸗ fassung, in den übrigen Schulverbänden soll er betragen für den ersten oder alleinstehenden Lehrer 500 ℳ, für einen anderen Lehrer 300 ℳ, für eine Lehrerin 150 ℳ. Dem⸗ entsprechend sollen zu Ergänzungszuschüssen für die Schulverbände bis zu 25 Schulstellen durch den Etat nur 14 Mill. Mark, für die mit mehr als 25 Schulstellen nur 2,35 Mill. Mark bereitgestellt werden.
Für einstweilig angestellte oder noch nicht vier Jahre im Schuldienst befindliche Lehrer soll der Staatsbeitrag um 280 ℳ (Abgeordnetenhaus 265 ℳ) jährlich gekürzt werden.
An die Alterszulagekassen soll ein jährlicher Staats⸗ uschuß für die Lehrerstelle von 337 ℳ, für die Lehrerinnen⸗ stelle von 184 ℳ (Abgeordnetenhaus 472 ℳ bezw. 254 ℳ)
ezahlt werden. In Schulverbänden bis zu sieben Schulstellen sol hierfür ein weiterer Zuschuß von 135 ℳ bezw. 70 ℳ ge⸗ währt werden.
Die nach dem Gesetz vom 3. März 1897 zu zahlenden Süght h und Staatszuschüsse (sog. Abfindungsrente für das Schulgeld) sollen durch dieses Gesetz nicht berührt werden.
Nach 95 erhält das Gesetz rückwirkende Kraft vom 1. April 1908 an; die bestehenden Gehaltsregulative sollen nach diesem Gesetz neu gestaltet werden, und zwar nach dem Be⸗ schlusse des Abgeordnetenhauses auch mit Rückwirkung vom 1. April 1908 ab. Diesen letzteren Zusatz hat die Herrenhaus⸗ kommission gestrichen.
Die Kommission beantragt hierzu folgende Resolution:
„Das Herrenhaus hält es mit der Selbstverwaltung der Ge⸗ meinden nicht für vereinbar, wenn durch Verabschiedung staatlicher Gesetze mit rückwirkender Kraft in das Etatsrecht der Gemeinden in der Weise eingegriffen wird, daß diesen nachträglich Ausgaben auferlegt werden, die nicht schon bei Festsetzung des Gemeindeetats sowohl dem Grunde nach als auch rechnungsmäßig genau feststanden. Dem § 54 des vorliegenden Gesetzentwurfs darf die Bedeutung eines Präzendenzfalles nicht beigelegt werden.“
Graf von Cermwer⸗Ost Byern und Genossen beantragen, die §8 8, 24, 43 ff. nach den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses wiederherzustellen.
Dr. Graf von Hohenthal⸗Dölkau und Genossen beantragen, den § 24 in der Abgeordnetenhausfassung wieder⸗ herzustellen und deshalb an Ergänzungszuschüssen für Schul⸗ verbände mit mehr als 25 Schulstellen statt 2,35 Millionen Mark nur 850 000 ℳ festzusetzen.
Herr Dr. Reinke⸗Kiel und Genossen beantragen, die
ss über die Amtszulage im § 24 folgendermaßen zu assen: 1 „Sonstigen ersten Lehrern und alleinstehenden Lehrern können nach zehnjähriger Dienstzeit von ihren Gemeinden persönliche Amts⸗ zulagen gewährt werden. Es bleibt den Schulverbänden die Be⸗ stimmung darüber überlassen, ob diese Amtszulagen pensionsfähig sein sollen.“
Herr Dr. Loening⸗Halle und Genossen beantragen, die 88 2 und 24 nach der Abgeordnetenhausfassung wiederher⸗ zustellen.
Graf von Behr⸗Behrenhoff und Genossen beantragen, die Bestimmung über die Kürzung des Staatsbeitrags für einstweilig angestellte oder noch nicht vier Jahre im Schul⸗ dienst befindliche Lehrer nicht gelten zu lassen für Leiter von Schulen mit sechs oder mehr Klassen und für Lehrer, die die Pruͤfung für das Pfarramt oder das höhere Schulamt be⸗ standen haben.
Berichterstatter Dr. Eraf Vorck von Wartenburg gibt einen historischen Ueberblick über die Entstehung der Staatszuschüsse, die
lüsse des Abgeordnelcn⸗ aufgewendet habe.
Lehrer in den ersten vier Stufen je 200 ℳ, in der fünften von 250 ℳ um zwei Stufen würden 2 Millionen erspart werden;
und sechsten je 250 ℳ, in der siebenten bis neunten je 200 ℳ
wesentlich durch die Aufhelung des Schulgeldes mit veranlaßt seien, und über die Summen, welche seither der Staat für die Volksschule Durch die Verschiebung der höheren Alterszulage
die Streichung der Amtszulagen für die ersten und alleinstehenden Lehrer könnte erfolgen nach den Beschlüssen der Kommission über die Staatszuwendung. Die höheren Alterszulagen und die Amtszulagen seien im Abgeordnetenhaus als ein Kompromiß für die Entziehung der bisherigen Zuschüsse, welche der Staat an die Städte gezahlt habe, beschlossen worden. Durch die andere Fassung der Staats⸗ beiträge und Ergänzungszuschüsse in der Kommissionsfassung seien jene Bestimmungen überflüssig geworden. Ein Teil des Hauses wolle allerdings nicht darauf verzichten.
Herr Dr. von Kopp: Wie schon die Besoldungsordnung mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, so ist es nicht anders mit diesem Gesetz. Es handelt sich um einen wichtigen Berufsstand. Die Kom⸗ mission hat sich mit gewohnter Gründlichkeit bemüht, die Interessen⸗ gegensätze auszugleichen. Es ist ihr nicht in allen Punkten gelungen. Die Verschiebung der höheren Alterszulagen um zwei Stufen erscheint nicht bedeutend, und im Endeffekt kommt dieselbe Summe der Alters⸗ zulagen heraus. Aber genau besehen, -handelt es sich doch um eine Ver⸗ kürzung der Lehrer; sie erhalten insgesamt in ihrer ganzen Dienstzeit 600 ℳ weniger. Bei allen anderen Besoldungsklassen hat man ein anderes Verfahren eingeschlagen, man hat entweder gleiche Alterszulagen ge⸗ geben oder die I Zulagen wenigstens in den ersten Jahren gewährt. Man soll allerdings nicht die Lehrer mit anderen Beamten ver⸗ gleichen, der Lehrer hat eine hohe ideale Aufgabe; wollen wir aber die Lehrer an diese Aufgabe nur dann erinnern, wenn wir ihnen die Bezüge verkürzen wollen? Die Lehrer hoffen auf das Herrenhaus, daß es seiner Kommission nicht zustimmt, sondern wenigstens die Fassung des Abgeordnetenhauses annimmt. Im § 24 hat die
(Kommission die Amtszulage gestrichen, wiederum um zu sparen und
das Geld anderweitig ausgeben zu können. Die Aufgabe der alleinstehenden Lehrer ist aber besonders schwierig; die Lehrer in dreiklassigen Schulen haben vielfach doppelten Unterricht in verschiedenen Klassen zu erteilen. Man sagt, auf 100 ℳ könne es nicht ankommen. Bei einem Einkommen von 1400 oder 1600 ℳ kommt es wohl darauf an. Man kann doch nicht die Rektoren für ihr Verhalten dadurch bestrafen. Eine solche Ver⸗ geltungstheorie kann ich nicht billigen. Die Landflucht der Lehrer wird noch mehr gefördert werden. Der Antrag Reinke, den Ge⸗ meinden die Gewährung der Amtszulage anheimzustellen, wird nur Streitigkeiten in die Gemeinden tragen. Ich bitte, ihn abzulehnen; dagegen bitte ich dringend, die §§ 8 und 24 nach dem Abgeordneten⸗ hausbeschluß wieder herzustellen. Die finanzielle Ordnung der Staats⸗
zuwendungen erscheint mir gefährlich und bedenklich; die ganze Ver⸗
teilung der Staatszuschüsse auf die Provinzen usw. ist eine bureau⸗ krarische Einrichtung, wir haben aber keine Veranlassung, die Bureaukratie zu stärken. Die Städte würden nach den Be⸗ schlüssen des Abgeordnetenhauses wegen der Fraglichkeit der Staatszuschüsse niemals rechtzeitig ihre Etats aufstellen können. Aber immerhin sind für mich die Beschlüsse des Abgeordneten⸗ hauses über das ganze Gesetz den Beschlüssen der Herrenhaus⸗ kommission vorzuziehen. Von zwei Uebeln wähle ich das kleinere, um den Lehrern zu lassen und den Städten zu nehmen. Wir sind hier an einem großen Werk, welches einen großen, wichtigen Berufsstand zufriedenstellen soll. Deshalb sollten wir nicht Flickwerk Ich bitte den Finanzminister, das Haus instand zu setzen, ganze Arbeit zu machen.
Berichterstatter Dr. Graf Vorck von Wartenburg erwidert, daß in der Kommission mit keiner Silbe davon die Rede gewesen s daß die Kürzungen gemacht würden als Strafe für die Rektoren. Die Kommission habe lediglich die Amtszulage gestrichen, um nicht den Städten wohlerworbene Rechte nehmen zu müssen.
Herr Dr. von Kopp bemerkt, daß er lediglich gemeint habe daß die Kürzung der Amtszulage als eine solche Strafe aufgefaßt werden
könne.
Herr Dr. Rive⸗Halle: Die Kommission ging davon aus, daß der Zweck des Gesetzes sei, das Diensteinkommen der Lehrer zu erhöhen, daß aber dies nicht ohne Rücksicht auf die Deckungsfrage gescheben dürfe. Beide Gesichtspunkte müßten von einander abhängig gemacht werden. Die neue Fraktion stimmt den Beschlüssen der Kommission zu; ich bitte um deren Annahme.
Graf von Carmer⸗Osten: Ich komme zu entgegengesetzter Ansicht. Ein Teil meiner Freunde ist mit der Kommission nicht
einverstanden und will einen Teil der Kommisstonsbeschlüsse wieder
beseitigen. Diese Beschlüsse bringen den Großstädten Vorteil, aber in den kleinen Städten und auf dem Lande schädigen sie das Einkommen der Lehrer gegenüber denen der größeren Städte. Nach den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses dürfen die Landlehrer einen Ausgleich erwarten. Ich bitte deshalb, die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses wieder herzustellen. Wir erkennen an, daß das Gesetz alle Lehrer aufbessert, aber es läßt doch noch einen großen Unterschied zwischen den Lehrern in der Stadt und auf dem Lande bestehen. Die Hinausschiebung der erhöhten Alterszulage trifft die Lehrer gerade hart in den Jahren. wo sie mit der Erziehung der Kinder am meisten zu tun haben. Die Lehrer verlieren dadurch im Endeffekt 600 ℳ, und das ist ni unbedeutend. Die Assistenten haben im 54. Lebensjahre 2700 ℳ mehr als die Lehrer. Die Hinausschiebung der höheren Alterszulagen betrifft 20 000 Lehrer. Sehr bedauern müssen wir die Streichu der Amtszulagen. Wir bitten Sie, dieselben wieder herzustell wenn die 100 ℳ auch keine große Bedeutung haben, so dienen sie doch dazu, den Lehrer berufsfreudig zu erhalten, und wir hoffen, damit der Landflucht der Lehrer entgegenzuarbeiten. Die Anforderungen an die alleinstehenden Lehrer auf dem Lande sind besonders groß, und es handelt sich um 15 000 Lehrer. Der Landlehrer muß auch viel Arbeit sür die ganze Bevölkerung machen, nach Schluß der Schule ist seine Arbeit noch nicht zu Ende. Am meisten kränkt den Landlehrer, daß ein Unterschied gemacht wird zwischen Landlehrern und Stadtlehrern, er fühlt sich als Lehrer zweiter Klasse. Ebenso sind wir der Ansicht. daß die §§ 43 ff. nach den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses wiede hergestellt werden müssen. Wir halten diese für gerechter. Hoffentlich trägt das Gesetz zur Beruhigung in Stadt und Land bei. 1 Ministerialdirektor D. Schwartzkopff: Ich bin in eigentümlicher Lage. Die Kommission hat die Regierungsvorlage wieder hergestellt, und ich muß Sie jetzt bitten, die Fassung des Abgeordnetendausesz entgegen der Regierungsvorlage anzunehmen. Der Au 8 war der Wunsch, mehr Mittel für dieses Gesetz bereit ju stellen. Der Finanzminister erklärte sich bereit, 3 ½ Mill. Mark mehr zu ge⸗ währen, und das Abgeordnetenhaus hat 3 ½ Mill. Mark mehr heraus. ebracht durch die Kürzung der Staatszuschüsse. Vor 188 ekamen die Gemeinden für jede Lehrerstelle 500 ℳ Staats. beitrag. 1897 hielt man das für zu weit gehend und heschränkte den Giaatsbeitrag auf die Gemeinden bis zu 25 Schulstellen. Diejenigen Gemeinden über 25 Schulstellen, die durch den Fortfall des Beitrages 2 % Einkommensteuer mehr aufbringen mußten, follten nach dem Gesetz von 1875 eine sogenannte Entschädigungsrente erhalten, die heute insgesamt 2 ½ Mill. Mark beträgt. Jetzt ging man weiter und sagte sich, daß man den reichen Gemeinden uüͤberhaupt keinen Beitrag geben könne; als Beispiel wird dafür immer die Ge⸗ meinde Grunewald angeführt. Durch den Fortfall der Entschädigungs⸗ rente wollte das Abgeordnetenhaus 2 ½ Millionen gewinnen, und die Beschränkung des Staatsbeitrages auf Gemeinden dis zu Schulstellen wollte man weiter 1 Million gewinnen. n. einen Staatsbeitrag hat eigentlich keine Gemeinde, der Staat sol für unvermögende Gemeinden eintreten. Da alsd Gründe für die Fassung des Abgeordnetenhauses, die diesen Srundsatz zur Wirklichkeit werden läßt. Ich glaube nicht, daß dir Nuft 1 der Lehrer eine zu hohe Belastung 8 die Gemeinden Die 100 ℳ Amtszulage ist eine sehr zw dig. Lehrer auf dem Lande zu erhalten. Bezüglich der Alters 2 — bnnss 28 Ab . —8. einem po in Grunde. Wenn die anderer Faßung angenommen wird und an das herückgeben muß. ist zu befürchten, daß der Vorschlag der Besoldungkkassen mieder
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