Werkskassen dem Aufsichtsamt für Privat⸗
versicherung zu unterstellen. Dann müßte aber erst ein anderer Geist in dieses Amt einziehen. Das Gewerbegericht in Cassel soll die Meinung ausgesprochen haben, daß das Auf⸗ sichtsamt diese ganze Frage nur vom versicherungstechnischen Standpunkte ansehe, nicht unter dem Gesichtspunkte eines Verstoßes ben die guten Sitten. Eine wirkliche Abhilfe ist nur auf gesetz⸗ ichem Wege möglich, wie wir es v Die Arbeiter verlangen Rechte, keine Wohltaten. Meint es die Regierung wirklich ernst mit ihrer Versicherung, die Sozialpolitik fortzusetzen, dann muß sie diese Frage der Werkskassen alsbald gesetzlich regeln.
Staatssekretär des Innern Dr. von Bethmann Hollweg:
Mieeine Herren, die Entstehung der Pensionskassen, auf die sich die Interpellation bezieht, reicht in eine Zeit zurück, in der die beiden Momente, welche dabei vornehmlich zu berücksichtigen sind, die Ver⸗ hältnisse der Versicherungseinrichtungen für die Arbeiter und die Ver⸗ hältnisse des Arbeitsvertrags, wesentlich anders gestaltet waren als gegenwärtig. Als die ersten Pensionskassen entstanden, gab es keine reichsgesetzliche Versicherung für die Arbeiter, und diejenigen größeren Werke, welche Pensionskassen einrichteten, konnten im allgemeinen mit einem festen Stamm bei ihnen verbleibender Arbeiter rechnen. So fanden die Arbeiter eines solchen Werkes in den Pensionskassen Gelegenheit, sich für den Fall der Invalidität und ihre Hinter⸗ bliebenen für den Fall ihres Todes in erwünschter Weise zu ver⸗ sichern. Damals sind diese Pensionskassen in der Oeffentlichkeit und im allgemeinen auch von den Arbeitern als erfreuliche Veranstaltungen sozialer Wohlfahrtspflege gepriesen worden, und Klagen über ihre Verwaltung sind nicht laut geworden.
Das ist jetzt bekanntlich anders geworden. Die Beschwerden, die jetzt erhoben werden, sind indessen nicht dadurch verursacht, daß die Satzungen bestehender Kassen geändert worden wären, daß die neu entstandenen Kassen auf einem anderen System aufgebaut würden oder daß die Werksleitungen ihre Bestimmungen anders als früher hand⸗ habten. Nachdem vielmehr durch die Einführung der Reichs⸗ versicherungsgesetze ein festformuliertes Versicherungsrecht der Arbeiter entstanden und nachdem auf der anderen Seite das Recht des Arbeiters aus dem Arbeitsvertrag feiner erfaßt und fortschreitend ausgebildet worden war, ist die Aufmerksamkeit der Oeffentlichkeit mehr und mehr auch auf diese freiwilligen Pensionskassen hingelenkt worden. Man hat angefangen, zu prüfen, ob die Arbeiter durch sie nicht vielleicht in ihren Rechten verletzt werden. Hinzugekommen ist die Verschärfung des Verhältnisses zwischen Arbeitgeberschaft und Arbeit⸗ nehmerschaft, die stärkere Fluktuation der Arbeiterschaft in großen Industriezweigen, vielleicht auch der Umstand, daß auf einigen Seiten die Tendenz besteht, Wohlfahrtseinrichtungen, die vom Arbeitgeber getroffen sind, von vornherein mit kritischen Augen anzusehen und in ihnen vornehmlich Veranstaltungen zu erblicken, welche bestimmt seien, dem einseitigen Geschäftsegoismus und der Beschränkung der Freiheit der Arbeiter zu dienen. So ist es ge⸗ kommen — ich kann nur in großen Zügen schildern —, daß Einrich⸗ tungen, welche ursprünglich gelobt worden sind (Abg. Hue: aber unter ganz anderen Verhältnissen!) — das habe ich ja auseinandergesetzt —, jetzt kritisch beurteilt werden, obgleich im großen und ganzen die Satzungen dieser Kassen nicht wesentlich geändert worden sind, und obwohl im allgemeinen ihre Handhabung, soweit nicht die Verschärfung des gegenseitigen Verhältnisses zwischen Arbeitgeberschaft und Arbeit⸗ nehmerschaft, von der ich soeben sprach, dabei mitspielte, die gleiche geblieben ist.
Meine Herren, wiederholt — und soeben auch noch von dem Herrn Vorredner — ist hier im Reichstage betont worden, daß man zu einem richtigen Urteil über die Pensionskassen nicht gelangt, wenn man sie lediglich unter dem Gesichtspunkt einer Versicherungseinrichtung betrachtet. Tut man das, dann können aller⸗ dings, jedenfalls in einer Beziehung, die Pensionskassen der Prüfung nicht standhalten. Bei der reinen Versicherung kann der Fortbestand des Rechts aus dem Versicherungsvertrag nicht von der willkürlichen Handlung eines Dritten abhängig gemacht werden. Solange der Versicherungsnehmer die Pflichten aus dem Vertrage erfüllt, bleibt
ihm sein Recht auf Gewährung der versicherten Gegenleistung beim
Eintritt des Versicherungsfalls erhalten. Hier ist es anders, hier wird der Fortbestand der Versicherung im allgemeinen abhängig gemacht von der dauernden Beschäftigung des Arbeiters in dem be⸗ treffenden Werk. Diese Beschäftigung kann aber jeden Tag aufhören, wenn der Arbeitgeber willkürlich von seinem Kündigungsrecht Gebrauch macht, und hier scheint mir der Kern aller vorgebrachten Be⸗ schwerden zu liegen. Um sie abzustellen, sind verschiedene Vor⸗ schläge gemacht worden. Man hat, wenn ich nicht irre, das Verbot der Errichtung von Pensionskassen mit Beitrittszwang ver⸗ langt. Oder, daß dem ausscheidenden Arbeiter das Recht auf Weiterversicherung unter annehmbaren Bedingungen sei es bei dem⸗ selben Werke, sei es bei einem anderen Werke in der Weise eröffnet werde, daß alle Werke ein Freizügigkeitskartell miteinander schließen. Endlich wird gefordert, daß dem aus der Beschäftigung und damit aus der Kasse ausscheidenden Arbeiter die von ihm eingezahlten Bei⸗ räge ganz oder teilweise zurückerstattet werden. Auf diese beiden
Punkte, die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses und die Rück⸗
erstattung von Beiträgen, beschränkt sich die heute vorliegende Inter⸗
pellation.
8 Der Herr Vorredner hat allerdings noch eine Reihe von weiteren
Wiünschen ausgesprochen, die Beteiligung des Arbeiters an der Ver⸗
waltung der Kassen, das Verbot einer Satzungsbestimmung, welches die
weitere Zugehörigkeit zur Kasse von gewissen Handlungen oder
Unterlassungen abhängig macht usw. Meine Herren, Sie
werden es mir nicht verargen, wenn ich auf diese erst jetzt
von dem Herrn Vorredner vorgebrachten Vorschläge nicht im einzelnen eingehe. Es sind darunter eine Reihe von außerordentlich wichtigen und schwierigen Fragen, die nicht kurzerhand erledigt werden können.
Sie werden mir gestatten, daß ich mich im Verlauf meiner weiteren Ausführungen an den Wortlaut der von Ihnen eingebrachten Inter⸗ pellation halte. Die beiden in der Interpellation ausgedrückten Wünsche nach Eröffnung der Möglichkeit der Fortsetzung der Versicherung und der Rückerstattung von Beiträgen sind Forderungen, welche auf dem Gebiete der Versicherung liegen. Weil aber anerkannt worden ist, daß im letzten Ende die Befugnis des Arbeitgebers zur willkürlichen Kündigung den Anlaß zu den laut gewordenen Beschwerden bildet, hat man nach Abhilfe auch auf dem Gebiete des Arbeitsvertrags „gesucht und gemeint, daß eine Abstellung von Mißständen dadurch erzielt werden könne, daß die
vorgeschlagen, die
nach längerer Dienstzeit des Arbeiters nur bei seinem schuldhaften Verhalten ausgeübt werden könne. In dieser Richtung bewegten sich meines Erinnerns die Vorschläge, welche der Herr Abg. Cuno vor einem Jahre hier gemacht hat.
Wie bekannt, ist zunächst versucht worden, vor den ordentlichen Gerichten nachzuweisen, daß Pensionskassen mit Beitrittszwang, welche das Versicherungsverhältnis mit dem Ausscheiden des Arbeiters aus seiner Beschäftigung ohne Rückerstattung von Beiträgen lösen, schon den bestehenden Gesetzen zuwiderlaufen, d. h., daß solche Pensionskassen, für die es ja ein Sonderrecht nicht gibt, den guten Sitten zuwiderlaufen. Es ist auch bekannt, daß von namhaften Ver⸗ tretern der Wissenschaft diese Ansicht aufgestellt, daß sie von anderen wiederum verneint, schließlich aber von der Mehrzahl der ordentlichen Gerichte verworfen worden ist.
Aus alledem werden die Herren erkennen, daß es sich hier um eine Frage handelt, die bis in ihre Einzelheiten noch nicht geklärt ist. Der Ansicht des Herrn Vorredners, daß es sich hier um eine völlig spruchreife Frage handelt, kann ich nicht beistimmen. Einstweilen müssen Gesetzgebung und Verwaltung sich jedenfalls auf die Basis stellen, die die ordentlichen Gerichte in ihrer Mehrheit gegeben haben. Von diesem Standpunkte aus müssen wir beurteilen, ob und was zur Regelung des Pensionskassenwesens zu geschehen hat.
Meine Herren, versucht man, sich hierüber klar zu werden, so muß man meines Dafürhaltens in erster Linie bedenken, daß die Pensionskassen freiwillige Einrichtungen des Unternehmertums sind. Man muß also bei der Betrachtung auch den Zweck mit in Rechnung stellen, den die Unternehmerschaft mit der Begründung von Pensions⸗ kassen verfolgen will. Tut man das nicht, sondern berechnet rein vom theoretischen Standpunkte, wie die Pensionskassen zu gestalten seien, um den Arbeitern ein größtmögliches Maß von Vorteilen zuzuwenden und richtet man seine Maßregeln ohne Rücksicht darauf ein, ob das Unternehmertum noch zu seiner Rechnung kammt, dann wird das Ergebnis sein, daß das Unternehmertum die bestehenden Pensionskassen auflöst und keine neuen begründet. (Zuruf des Abg. Hue: Nur zu!) — Der Herr Abg. Hue ruft mir zu: Nur zu. (Sehr richtig! bei den Sozial⸗ demokraten. — Zuruf rechts.) Meine Herren, ich will gar nicht be⸗ streiten, daß der Herr Abg. Hue vor dem Ergebnis, daß die Pensions⸗ kassen vom Erdboden verschwänden, in keiner Weise zurückschrecken würde. Er muß nur nicht verlangen, daß sich jeder andere auf diesen selben Standpunkt stellt. Im theoretischen Meinungsstreit mag es vorkommen, daß man sagt: lieber keine, als solche Pensionskassen, wie wir sie gegenwärtig haben. Aber wenn die Pensionskassen wirklich verschwänden, auch die von Ihnen so viel behandelte und angegriffene Kruppsche Pensionskasse, ein großer Teil der Arbeiter würde anders darüber denken. (Sehr richtig! rechts. Zuruf bei den Soz.)
Meine Herren, das Unternehmertum hat nun in den Pensions⸗ kassen gar keine reinen Versicherungseinrichtungen schaffen wollen, bei denen, wie bei den im allgemeinen Verkehr stehenden Versicherungs⸗ gesellschaften, sich die Ansprüche des Versicherungsnehmers lediglich nach dem formalen Rechte des Versicherungsvertrags bestimmen. Das Unternehmertum will mit seinen Kassen gar nicht jedem beliebigen Arbeiter die Gelegenheit geben, ohne Rücksicht auf seine Zugehörigkeit zu einem bestimmten Werke sich gegen Zahlung einer Prämie zu ver⸗ sichern. Das ist nicht die Absicht des Unternehmertums. Die Absicht, die der Unternehmer mit diesen Pensionskassen verfolgt, geht, ab⸗ gesehen von dem Wunsche der Betätigung sozialer Fürsorge, in einem geschäftlichen und, wie ich behaupte, durchaus legitimen Bestreben da⸗ hin, sich einen festen Stamm von Arbeitern zu schaffen. Nur dem Werksangehörigen will der Unternehmer die Wohltat seiner Pensions⸗ kasse zu gute kommen lassen und zwar im wesentlichen — und das bitte ich zu beachten — auf Grund des Arbe tsvertrages. Das Ver⸗ sicherungsrecht spielt dabei nur insoweit eine Rolle, als sich der Unter⸗ nehmer der Form des Versicherungsvertrags bedient. Ich werde darauf noch später zurückkommen.
Das Wesentliche für den Unternehmer ist, daß er dem Arbeiter nicht nur während der tatsächlich geleisteten Arbeit Lohn zahlt, sondern auch noch hinterher, gewissermaßen auch als Entgelt für früher geleistete Arbeit eine Versorgung gewährt. Primär bestimmend ist deshalb für den Unternehmer die Zugehörigkeit des Arbeiters zum Werk. Besonders scharf spricht sich dies bei Pensionskassen mit Beitrittszwang aus, während Pensionskassen ohne Beitrittszwang allerdings sich schon mehr den eigentlichen Versicherungseinrichtungen nähern.
Aeußerung des Herrn Vorredners machen. Der Herr Vorredner meinte, wenn ich ihn recht verstanden habe, Zweck der Pensionskassen sei eigentlich gar nicht, sich eine ständige Arbeiterschaft zu sichern, das könnten die Unternehmer ja auch auf andere Weise erreichen; Zweck sei, das Koalitionsrecht der Arbeiter zu ver⸗ nichten (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Einzuschränken!) oder einzuschränken. Meine Herren, über die Verhältnisse des Koalitionsrechts und über die Stellung des Koalitionsrechts zum Arbeitsvertrage haben wir uns meines Erinnerns hier im Reichstag breits wiederholt ausgesprochen. Ich habe dabei stets die Auffassung vertreten, daß ich, selbst wenn man ein solches Ziel anstrebt, eine gesetzliche Bestimmung für vollkommen unmöglich halte, wie sie hier vorgeschlagen worden ist, nach der kein Arbeitgeber einen Arbeiter entlassen darf, weil er einer Vereinigung angehört, die dem Arbeitgeber nicht paßt. Meine Herren, das werden Sie keinesfalls auf dem Wege der Gesetzgebung erreichen, das ist in unserer heutigen Wirtschaftsordnung (sehr gut! bei den Sozialdemokraten), ganz unmöglich, und Sie werden die Erfüllung dieses Wunsches, wle vielleicht auch mancher anderen Wünsche, auf die Zeit verschieben müssen, wo die Weltordnung nach Ihrem Sinne eingerichtet sein wird. (Heiterkeit rechts.)
Also wenn ich mit dem Zwecke, den die Arbeitgeber bei den Pensions kassen verfolgen, mit ihrem Bestreben, sich eine ständige Arbeiterschaft zu sichern, rechne, so setzen sich alle Versuche, die Stellung des Arbeiters in der Kasse auf dem Wege zu bessern, daß ihm das Verbleiben in der Kasse trotz seines Ausscheidens aus dem Werke ermöglicht wird, mit dem Grundgedanken der Pensionskassen einiger⸗ maßen in Widerspruch, entkleiden sie ihres individuellen auf den Arbeitsvertrag gegründeten Charakters und gestalten sie zu allge⸗ meinen Versicherungseinrichtungen. Es ist im vergangenen Jahre — ich glaube, vom Herrn Abg. Cuno — den Arbeitgebern der Rat erteilt worden, sie möchten bei den Pensionskassen von der Voraussetzung der Werkezugehörigkeit absehen, es müsse ein Verband von Werkekassen
Kündigungsbefugnis von der Willkür des Arbeitgebers losgelöst und
gegründet werden dergestalt, daß ein Freizügigkeitskartell zwischen den
Ich möͤchte bei dieser Gelegenhelt eine kurze Bemerkung auf eine
Werken mit dem Ziele der Erhaltung der bei der einen Kasse er⸗ worbenen Ansprüche auch bei der anderen Kasse geschlossen werde. Der Herr Abg. Cuno hat bei dieser Gelegenheit an die Vereins⸗ versicherungsbank erinnert, die auf Anregungen aus dem rheinisch⸗west⸗ fälischen Industrierevier in Düsseldorf gebildet werden solle. Meine Herren, die von der Vereinsversicherungsbank verfolgten Bestrebungen. derartige Verbandskassen zu begründen, verdienen auch meiner Ansicht nach die entschiedenste Förderung, aber man darf nicht vergessen, und auch der Herr Abg. Cuno hat es nicht getan, daß solche Kassenverbände mit dem Wesen der Pensionskassen eigentlich nichts mehr gemein haben, weil sie den individuellen Charakter der einzelnen Werkskasse, die Werkszugehörigkeit des einzelnen Kassenmitglieds ausschalten. Maß⸗ regeln in diesem Sinne bedeuteten also keine Reform des Pensionskassen⸗ wesens, sondern die Schaffung eines ganz neuen und anders fundierten Systems. Ob die Entwicklung mit der Zeit dahin führen wird, die Assozijation der Werkskassen zu verwirklichen, kann niemand mit Sicherheit voraussehen. Ansätze dazu sind, wie der Herr Vorredner angedeutet hat, vorhanden. Das eine aber kann man mit Bestimmtheit behaupten: ganz unmöglich ist es, diese Ent⸗ wicklung auf dem Wege gesetzlichen oder administrativen Zwanges herbeizuführen. (Abg. Hue: Die Knappschaftskassen, da haben wir es ja! — Zuruf rechts: Ganz was anderes! — Abg. Hue: Da haben wir ganz dasselbe, Herr Dr. Arendt!) Wo die Kassen selber zu der⸗ artigen Beschlüssen kommen, wo es sich um Kassen handelt, die in den obligatorischen Versicherungsorganismus mehr eingegliedert sind als diese Pensionskassen, wird es möglich sein. Wenn Sie aber hier einen Zwang zur Assoziation der Kassen vornehmen wollen, und wenn die Unternehmer, die Pensionskassen gegründet haben, diesem Zwange abgeneigt sind, nun, dann werden eben die Kassen eingehen, und dann fehlen dem Gesetzgeber die Glieder, die er vereinigen könnte. Also auf dem Wege des gesetzlichen Zwanges kommen Sie hier nicht weiter.
Ich möchte in dieser Beziehung ein praktisches Beispiel anführen. In Oberschlesien haben wir eine große Anzahl von Pensionskassen, im allgemeinen mit Beitrittszwang und ohne Rückgewähr von Beiträgen. Bei einer Anzahl derartiger Kassen ist den aus⸗ scheidenden Mitgliedern das Recht zugesprochen, sich fort⸗ zuversichern, wofern sie die gesamten Beiträge, also die bisherigen eigenen und die Werksbeiträge, aus eigenen Mitteln aufbringen. Es liegt auf der Hand, daß in großem Umfange die Arbeiterschaft von dieser so teuer zu erkaufenden Vergünstigung keinen Gebrauch machen kann. (Sehr richtig! links.) Die Verwaltungsbehörden haben des⸗ halb erwogen, inwieweit es möglich sein sollte, eine Zentralpensions⸗ anstalt in Oberschlesien einzurichten, der die verschiedenen Pensions⸗ kassen eingegliedert würden. Diese Versuche sind bisher gescheitert, und es ist mir berichtet worden, daß sie gescheitert sind, weil das Unternehmertum der Verschmelzung zu einem Ver⸗ bande abgeneigt sei. Und abgeneigt weshalb? Weil die Verschmelzung den Zweck, den das Unternehmertum mit den Pensionskassen verfolgt, die Arbeiter auf den Werken festzuhalten, vereiteln würde. Also die Praxis hat genau dasselbe ergeben, was ich mir Ihnen soeben auch theoretisch vorzuführen erlaubt habe.
Ich komme, meine Herren, zu der Frage der Rückerstattung der Beiträge. Man hat gegen die Rückerstattung wohl eingewendet, daß sie dem Wesen der Versicherung widerspräche. Versicherungs⸗ beiträge würden à fonds perdu eingezahlt. Der Herr Vorredner hat daran erinnert, wie dieser Standpunkt von verschiedenen Parteien von verschiedenen Parteien auch im Reichstag vor einigen Jahren mit großer Entschiedenheit vertreten ist. Ich bin der Ansicht, daß man auf diese Weise die Frage hiermit nicht erledigen kann, weil die Pensionskassen nicht reine Versicherungs⸗ einrichtungen sind. Die Freunde der Rückerstattung deduzieren etwa folgendermaßen. Die Beiträge, die der Arbeiter, sei es freiwillig, sei es gezwungen, leistet, sind Teile seines Lohns, Teile des Entgelts für die von ihm geleistete Arbeit. Wird er durch Kündigung seitens des Arbeitgebers entlassen und damit der Möglichkeit beraubt, in den Genuß der durch seine Beiträge mitverdienten Pensions⸗ bezüge zu treten, so verlangt es die Billigkeit, daß ihm zum mindestens ein Teil der einbehaltenen Lohnbezüge zurückerstattet wird. Sie wissen, meine Herren, die Mehrheit der ordentlichen Ge⸗ richte hat diese Ansprüche nach dem gegenwärtigen Rechtszustand als begründet nicht anerkannt. Es fragt sich also, sollen sie rechtlich neu fundiert werden, wie es die Herren Interpellanten wünschen Meine Herren, es kann nicht meine Aufgabe sein, das Für und Wider in dieser Frage, das bekanntlich in der Literatur, in
Rechtsgutachten, in Urteilen der Gewerbegerichte, der ordentlichen
Gerichte eingehend erörtert worden ist, Ihnen hier wieder im einzelnen vorzuführen. Nur zwei Punkte möchte ich kurz hervorheben. Sie erinnern sich, daß in den Gutachten, die in der Kruppschen Streit⸗ sache abgegeben worden sind, unter anderem auch die Ansicht vertreten worden ist, die Beiträge, die von den Arbeitern genommen würden, seien gar nicht wirklich Beiträge des Arbeiters, sondern sie seien wirtschaftlich Beiträge des Arbeitgebers, sie würden dem Arbeiter gar nicht von seinem Lohn abgezogen, sondern der dem Arbeiter nach Abzug des Pensionskassenbeitrags ausgezahlte Lohnbetrag sei der eigentliche Lohn, nicht die höhere Summe, von der rechnungsmäßig der Beitrag abgezogen werde. Der Abzug des Kassenbeitrags von dem höheren fiktiven Lohnbetrag erfolge nur aus rechnungsmäßigen Gründen. Das Arbeitsentgelt sei die um den Penstionskassenbeitrag verkürzte Lohnsumme, zu ihr erhalte der Arbeiter außerdem die Vergünstigung der Pensionsberechtigung, diese aber werde ausschließlich aus den Mitteln des Arbeitgebers gedeckt. Ansicht ist unter anderem
vertreten worden, der ja auch redner genannt worden ist. sicht folgende wirtschaftliche Erwägung zu sprechen. Der einzelne Arbeitgeber setzt die Höhe des Lohnes nicht nach seinem persönliche
Gutdünken fest, sondern wenn ich einen kurz zusammenfassenden Aus druck gebrauchen darf, nach der Lage des Arbeitsmarktes. Findet ein Arbeitgeber, der eine Pensionskasse mit Beitrittszwang unter⸗ hält, und in dessen Werk erfahrungsgemäß ein lebhafter Arbeiter⸗ wechsel stattfindet, genügendes Arbeitsangebot für die um die Arbeit⸗
von dem Professor schon von dem Herrn Vor⸗
nehmerbeiträge ermäßigten Lohnbeträge, so kann man wirtschaftlich die Vermutung nicht abweisen, daß diese verkürzten Lohnbeträge der Konjunktur des Arbeitsmarktes entsprechen. Täten sie es nicht,
dann würde der Arbeitgeber auf die Dauer für den verkürzten Betrag keine Arbeiter mehr finden. In Werken mit sehr geringem Arbeiter⸗ wechsel wird die Vermutung natürlich weniger zutreffen. Insofern kann es in manchen Fällen richtig sein, daß im letzten Grunde auch
Sie wissen, meine Herren, diese Kohler
Mir scheint für diese Kohlersche An⸗-
der Beitrag des Arbeitnehmers wirtschaftlich ein Beitrag des Arbeit⸗
lagebers ist. And wenn das der Fall wäre, könnte man eine Not⸗ wendigkeit für die Rückerstattung der Beiträge auch wirtschaftlich nicht pnstruieren.
Ich bin aber der Ansicht, daß diese Betrachtung die ganze Frage nicht erschöpft. Praktisch und tatsächlich werden von dem Arbeiter Beiträge erfordert. Es wird ihm die höhere Lohnsumme angesetzt, aber tatsächlich nur der verkürzte Lohnbetrag ausbezahlt; und diese Form ist, wenn ich die Sache richtig beurteile, nicht nur aus dem technischen Grunde gewählt worden, um die nach der Lohnhöhe zu bemessenden Pensionsbeiträge des Arbeiters leicht und bequem fest⸗ sellen zu können, sondern weiterhin unter dem ethischen Gesichts⸗ punkte, daß sich die Pensionskasse dem Arbeiter nicht als eine einseitige Einrichtung des Unternehmers, sondern als eine Veranstaltung darstellen solle, die auch von dem Arbeiter mnit getragen wird. Die Pensionsbezüge sollen ihm erscheinen nicht dls ein Geschenk des Arbeitgebers, sondern als eine Zuwendung, welche er mit seinen Beiträgen selbst mit erdient und mit verdient hat, und zwar nicht ausschließlich mit seiner Arbeit, sondern neben seiner Arbeit auch noch mit baren Beiträgen, die ͤhm von dem Lohn für seine Arbeit abgezogen werden. Grade in dieser Betrachtung tritt besonders scharf hervor, wie bei dem ganzen Pensionskassenwesen Fragen des Versicherungs⸗ techts und Fragen des Arbeitsvertrags unausgesetzt ineinanderspielen, ohne daß man sie ganz scharf von einander trennen könnte. Wenn
un auch meiner Ueberzeugung nach der Arbeitsvertrag das Primäre st und dem Versicherungsbegriff erst eine sekundäre, vielleicht nur
halt, denselben ethischen Gehalt, der auch bei der reichsgesetzlichen Versiche⸗
g dazu geführt hat, die Arbeiter mit Beiträgen heranzuzieben, und der nicht ohne weiteres übersehen werden darf. In diesem Sinne muß nan allerdings von Beiträgen der Arbeiter sprechen, und kann, auch venn man sie wirtschaftlich als Beiträge des Arbeitgebers ansieht, zus diesem Grunde allein die Meinung derer, welche für eine Rück⸗ ustattung der Beiträge plädieren, nicht schlechthin von der Hand weisen. Sie wissen — und der Herr Vorredner hat es selber an⸗ geführt —: eine ganze Reihe von Pensionskassen hat sich hereits auf diesen Standpunkt gestellt und ist — unter verschiedenen Bedingungen, je nach der Lage des Einzelfalls — freiwillig zu einer Rückerstattung der Beiträge übergegangen. Aber auch hier, meine Herren, halte ich es zurzeit für ganz mmöglich, daß die Gesetzgebung schematisch gleichmäßig eingriffe. Auch hier würde der legislatorische Zwang der Rückerstattung der träge, der ja selbstverständlich das Band lockert, welches das Unternehmertum durch die Pensionskassen um die Arbeiterschaft schlingen will, den Fortbestand mancher Pensionskassen an sich gefährden können. für die Beurteilung, welche die Rückerstattung der Beiträge auf der Unternehmerseite findet, kommt aber noch ein anderes in Betracht. Im Verlaufe großer Arbeitseinstellungen würden in großem Umfang in inem Moment zurückerstattete Beiträge unzweifelhaft die Streik⸗ lassen der organisierten Arbeiterschaft in nachhaltiger Weise stärken, und Sie können sich nicht wundern, daß die Arbeitgeberschaft diesen Efekt ungern sehen würde. Ich führe dies an, um darzutun, daß ein zrang in dieser Richtung sehr wohl zur Auflösung mancher Pensions⸗ ssen führen könnte.
Endlich steht gerade bei der Rückerstattung von Beiträgen einer generalisierenden, schematischen gesetzlichen Regelung die Verschiedenheit der Verhältnisse entgegen. Die Rückerstattung von Beiträgen oder Bei⸗ taagsanteilen richtet sich nach mathematischen Versicherungsgrundsätzen, und * können Sie bei allen einzelnen Werkskassen durchaus nicht auf
ein und dasselbe Schema zuschneiden. Die Unfall⸗, die Invaliditäts⸗ gefahren sind in den Werken unzweifelhaft verschieden. Dazu kommt aber — und das ist der Hauptpunkt —, daß die Höhe, die Art der Kückerstattung der Beiträge sich nach der vermutliche Stärke des Arbeiterwechsels richten muß, und gerade dieser Wechsel ist den cksten Schwankungen unterworfen. Gerade von seiten der Herren LSozialdemokraten werden ja wiederholt einzelne Fabriken tadelnd [genannt, wo ein großer Arbeiterwechsel stattfindet, lobend, wo er nur ering ist. Bei dieser Sachlage erblicke ich den einzig gangbaren Weg darin, zurzeit unter Abstandnahme von gesetzlichen Bestimmungen die Kückerstattung von Beiträgen auf dem Verwaltungswege insoweit ngebahnt wird, wie dies unter Berücksichtigung der von mir dar⸗ plegten Bedenken, die der Maßregel immerhin gegenüberstehen können, nöglich ist. Und dieser Weg ist, wie Sie wiffen, in der Praxis ereits beschritten worden. 1 Das Aufsichtsamt für Privatversicherung verfährt nach folgenden Grundsätzen — ich will sie noch einmal mitteilen — wiewohl ich annehmen darf, daß diejenigen Herren, welche sich speziell für den Begenstand mteressieren, sie kennen, da diese Grundsätze in den Veröffentlichungen des Aufsichtsamts für Privatversicherung mitgeteilt sind. Bei Kassen nit Beitrittszwang verlangt das Aufsichtsamt, daß dem vor Eintritt des Versicherungsfalles ausscheidenden Mitgliede, das der Kasse drei his fünf Jahre angehört hat — ganz genau firiere ich dem Herrn 1z. Severing die Zahl nicht, die Zahl wird wechseln je nach den Berhältnissen der einzelnen Kassen —, die Hälfte der Beiträge zurück⸗ astattet wird. Das ist etwa ein Viertel der aus den Mitglieder⸗ lveiträgen angesammelten Prämienreserven. Bei Kassen ohne Bei⸗ tittsgwang wirkt das Aufsichtsamt nach Möglichkeit daraufhin, daß unter denselben Voraussetzungen mindestens ein Drittel der von lüönen eingezahlten Beiträge zurückgezahlt oder eine beitragsfreit Ver⸗ scherung gewährt wird. In beiden Fällen wird im allgemeinen nicht terschieden, ob das Mitglied freiwillig oder unfreiwillig, und in dem letzteren Falle, ob es mit oder ohne sein Verschulden aus⸗ eeschieden ist. In beiden Fällen wird der wahlweisen Zulassung der Möglichkeit, die Versicherung bei der Kasse fortzusetzen, nicht entgegen⸗ getreten. 1 8 8 Ich nehme an, daß, wenn Herr Sebering diese Grundsätze erwägt, die zum mindesten bedingungsweise erhobenen Vorwürfe gegen das Drivataufsichtsamt als nicht mehr begründet wird ansehen können. Meine Herren, die gesetzliche Zuständigkeit des Aufsichtsamts reicht nicht weit genug, als daß man schon jetzt davon sprechen könnte, daß e Praxis bereits in ganz Deutschland herrsche. Den einzelnen mdesregierungen, die die Aufsicht über dielenigen Unternehmungen ren, welche sich nicht über das Gebiet des betreffenden Bundes⸗ nats hinaus erstrecken, hat es auch aus einem äußeren Grunde bisher ewissermaßen an der Möglichkeit gefehlt, eine ganz feste Praxis zu
5 De
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Erst das neue Versicherungsaufsichtsgesetz hat sowohl die Kassen wie Aufsichtsbehörden veranlaßt, zu prüfen, inwieweit die Satzungen der Kassen den neuen gesetzlichen Bestimmungen anzupassen sind, und bei dieser Gelegenheit auch der Frage der Rückerstattung von Bei⸗ trägen, eventuell auch der Fortführung der Versicherung, näher zu treten. Wenn es richtig ist, was der Herr Abg. Severing ausgeführt hat, daß die Kassen nach Inkrafttreten der Witwen⸗ und Waisen⸗ versorgung dahin streben würden, die Bezüge aus der Witwen⸗ und Waisenversorgung anzurechnen auch auf die Leistungen der eigenen Pensionskasse, und daß dies nur möglich sein würde durch eine Aenderung der Statuten, so werden die einzelnen Bundesregierungen bei Gelegenheit der vorzunehmenden Satzungsänderung die Frage mit den Kassen erörtern.
Im übrigen habe ich mich, wie auch bereits im vorigen Jahre von dem Herrn Staatssekretär des Reichsjustizamts angedeutet ist, nicht nur mit Preußen, sondern auch mit den anderen in Betracht kommenden Bundesstaaten darüber in Verbindung gesetzt, ob und wie nach den dortigen Verhältnissen die Praxis des Aufsichtsamts zu über⸗ nehmen sei. Abgeschlossen ist die Angelegenheit noch nicht, aber im Gange seit Monaten. In Preußen haben neuerdings die zuständigen Zentralinstanzen in einem Spezialfalle empfohlen, daß dem Arbeiter, der unfreiwillig und unverschuldet aus der Kasse ausscheidet, nach einer fünfjährigen Karenzzeit die Hälfte der von ihm geleisteten Beiträge zurückgezahlt werde. Beträgt die Dienst⸗ zeit 10 Jahre, so soll dem Arbeiter gestattet sein, die Ver⸗ sicherung gegen Entrichtung seiner eigenen Beiträge fort⸗ zusetzen. Die Werkbeiträge fallen für diese fortgesetzte Versicherung weg, und diesem Wegfall entsprechend verkürzen sich die Penßons⸗ ansprüche. Die Beiträge sollen in nachträglich fälligen Raten zurück⸗ gezahlt werden. Das ist ein Vorschlag, den die Zentralinstanzen den mit der unmittelbaren Aufsicht betrauten Behörden gemacht haben. Nur wenn auf dem Wege der Verständigung mit den Werkkassen und der Anpassung an die individuellen Ver⸗ hältnisse vorgegangen wird, kann man, meiner Ueberzeugung nach, allmählich diejenigen Reformen durchsetzen, die erreichbar sind, ohne den Pensionskassen überhaupt ihr Ende zu bereiten. Sie werden dieser Auffassung auch um deswillen beipflichten können, weil sich, wie ich bereits betont habe, die Pensionskassen tatsächlich in den aller⸗ verschiedensten Formen entwickelt haben, mit und ohne Beitragszwang, Kassen, die bereits die Rückgewähr von Beiträgen kennen, Kassen, die eine Fortsetzung ihrer Versicherung eingeführt haben, also auf dem Wege sind, den die Herren Interpellanten beschritten zu sehen wünschen.
Meine Herren, ich komme schließlich mit einigen Worten auf den Vorschlag zu sprechen, der von dem Arbeiter den Verlust seiner Pensionsansprüche beim Ausscheiden aus der Beschäftigung dadurch abwenden will, daß er das Kündigungsrecht des Arbeitgebers beschränkt, nach einer bestimmten Dienstzeit des Arbeiters die Ausübung nur für zulässig erklärt, wenn der Arbeiter ein bestimmtes, im Gesetz formuliertes schuldhaftes Verfahren sich hat zuschulden kommen lassen. Ich halte es für ganz richtig, was der Herr Abg. Cuno vor einem Jahre hier in dieser Beziehung ausgeführt hat, und wiederhole es noch einmal: die Kündbarkeit des Arbeitsvertrages, nicht die Pensionskasse an sich ist der eigentliche Ausgangspunkt der Bewegung. Aber, meine Herren, glaubt man wirklich, daß die Arbeitgeber die Befugnis, Pensionskassen zu unterhalten, erkaufen würden mit dem gesetzlichen Verzicht auf ihr jetziges freies Kündigungsrecht? (Zuruf von den Sozialdemokraten: So ist die Frage gar nicht gestellt!) — Man kann und muß sie aber auch so stellen, wenn man diese Fragen erwägt, namentlich, wenn man ihre gesetzliche Regelung erwägt; denn wenn man diese gesetzliche Regelung vorschlüge, dann würden doch unzweifelhaft die Begründer der Pensionskassen mit der Auflösung ihrer Pensionskassen antworten und damit die Frage der Einschränkung des Kündigungsrechts loslösen von der Frage der Pensionskassen. Meine Herren, so verbinden kann man die belden Fragen nicht, sie müssen von einander getrennt betrachtet werden; denn wenn Sie den Arbeitgeber zwingen wollten, den Arbeiter auch dann noch zu beschäftigen, wenn er ihn nicht mehr beschäftigen will, vielleicht auch nicht mehr beschäftigen kann, während der Arbeiter die Freiheit hat, die Arbeit niederzulegen, sobald es ihm paßt, — meine Herren, wenn Sie das einführten, dann würden Sie unsere gesamten Rechts⸗ und Wirtschaftsverhältnisse vollkommen revo⸗ lutionieren. (Sehr richtig! rechts.)
Meine Herren, der Herr Abgeordnete Severing hat — und, wie ich glaube, in zutreffender Weise — darauf verzichtet, uns hier eine große Anzahl von Einzelfällen vorzuführen, wiewohl er sich mit Spezialverhältnissen einzelner Pensionskassen sehr eingehend beschäftigt hat. Weder über diese von ihm vorgetragenen Satzungen einzelner Pensionskassen, noch über einzelne Fälle, die er ausnahmsweise mitgeteilt hat, kann ich mich hier verbreiten. Ich würde den einzelnen Fällen nicht nachgehen können, und vor allen Dingen, auch wenn ich es könnte, die Reichsverwaltung würde nicht in allen Fällen unmittelbar einwirken können.
Und da, meine Herren, möchte ich mir doch die eine Frage an die Herren Interpellanten erlauben: glauben Sie wirklich, daß es sich hier bei der Pensionskassenfrage um eine Materie handelt, welche in besonders nutzbringender Weise in der Form einer Interpellation zu behandeln ist? Meine Herren, irgend ein besonderes Vorkommnis, was ein plötzliches und schnelles Eingreifen (Zuruf von den Sozialdemokraten: Witwen⸗ und Waisenversicherung!) — Die Witwen⸗ und Waisenversicherung werden wir ja im nächsten Herbst hier beraten. Das würde die heutige Interpellation doch nicht notwendig machen! Sehen Sie, ich deduziere so, meine Herren. Im allgemeinen bringt man doch Interpellationen ein, wenn ein be⸗ sonderes Vorkommnis sich ereignet hat, das der Aufmerksamkeit der Reichsregierung nahegelegt werden soll mit der Anfrage, was die Reichsregierung nun zu tun gedenke, um auf Grund dieses besonderen Vorkommnisses Recht und Ordnung zu schaffen. Wie liegt denn hier die Sache? Meine Herren, wir haben die gesamten Verhältnisse des Pensionskassenwesens vor einem, vor zwei Jahren hier des breiten erörtert. Es ist unzweifelhaft, es kann immer wieder neues Material dazu beigebracht werden, es ist eine Frage von großem Interesse und von sehr weitreichender Bedeutung, die die verschiedensten Rechts⸗ gebiete berührt. Aber es ist bei den bisherigen Verhandlungen hier im Reichstag von seiten der verschiedensten Parteien anerkannt worden, daß es sich um ein außerordentlich kompliziertes Problem einerseits des Versicherungswesens, andererseits des Arbeitsvertrages handelt; es ist anerkannt worden, daß dieses Problem nicht mit einem einzigen
W“
meine Herren, sollten Sie eine solche Materie nicht zum Gegenstand
einer Interpellation machen. —
Wie gesagt, meine Herren, aufgeklärt werden kann die Sache, sie
muß aufgeklärt werden — ich habe ja selber gesagt, daß ich sie noch
nicht für spruchreif halte —; aber sie kann eben nur, wie manche
andere sozialpolitische Frage, auf dem Wege der Entwicklung gelöst
werden und nicht durch einen diktatorischen Eingriff der Gesetzgebung.
Und, meine Herren, daß wir uns in dieser Entwickelung befinden, daß
die zunächst zuständige Behörde, das Aufsichtsamt für Privatversiche⸗
rung, die Sache nicht nur beobachtet, sondern unmittelbar eingreift,
das habe ich mir erlaubt Ihnen auseinanderzusetzen.
Meine Herren, ich habe mich bei meinen gesamten Ausführungen
auf den Standpunkt gestellt, daß wir alle ein Interesse daran haben,
den Arbeitern diese von den Arbeitgebern begründeten Pensionskassen
zu erhalten, und ich habe mich weiter auf den Standpunkt gestellt —
und darin unterscheide ich mich allerdings von manchen sonstigen
Freunden der Pensionskassen —, daß das Bestreben der Unternehmer,
durch die Pensionskassen ein engeres Band zwischen der Arbeiterschaft
Wund dem Werke zu knüpfen, ein wirtschaftlich und menschlich
durchaus gesundes ist. Diejenigen, welche in diesem Bestreben immer nur den Ausdruck der Profitgier und der Knebelung der Arbeiterschaft erblicken, machen sich eines einseitigen Urteils schuldig, und gerade diese
Kreise, die ein solches Urteil fällen, sollten doch bedenken, daß sie sich
damit mit anderen sozialpolitischen Anschauungen, die sie hegen, in einen unmittelbaren Widerspruch setzen. Gerade diese Kreise schätzen doch sonst die soziale Gesinnung des einzelnen Unternehmers mit danach ein, ob es die Arbeiter lange bei ihm aushalten. Ein Werk, bei dem keine ständige Arbeiterschaft vorhanden ist, sondern die Arbeiterschaft wie in einem Taubenschlag ein⸗ und ausfliegt, steht auch in der sozialen Würdigung durch den Arbeiter nicht hoch, sondern das Maß der so,ialen Wertschätzung eines Werks wird vom Arbeiter mit danach bestimmt, ob die Arbeiter es lange bei dem betreffenden Werk aushalten, ob sie ständig bei dem Werke sind, und das ist ein durchaus richtiger Gedanke. Die Arbeiter erkennen aber damit selber an, daß es nicht nur Recht, sondern geradezu Aufgabe des Arbeitgebers ist, sein Werk so ein⸗ zurichten und so zu führen, daß die Arbeiter ständig bei ihm bleiben. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)
Wenn ich des weiteren die Ansicht vertreten habe, daß bei jeder Regelung des Pensionskassenwesens die Freiwilligkeit dieser Ein⸗ richtungen bedacht werden muß, so halte ich diese Ansicht auch geschichtlich für begründet. Unsere gesamte sozialpolitische Gesetzgebung hat angeknüpft an freiwillige Einrichtungen einzelner sozial fortgeschrittener Unternehmer (Abg. Hue: Arbeiter!), an Ein⸗ richtungen, die Unternehmer, sei es allein, sei es in Gemeinschaft mit ihren Arbeitern, getroffen haben. Und dies wird und muß auch in Zukunft so bleiben. Freiwillige soziale Einrichtungen müssen und werden immer die Elemente sein, auf denen sich der Fort⸗ schritt auch der sozialen Gesetzgebung aufbaut. Die Erfahrung lehrt uns, meine Herren, daß der sozial gesinnte Arbeitgeber — und die deutschen Arbeitgeber sind sozial gerichtet, wie würden wir sonst unsere soziale Gesetzgebung überhaupt durchführen können? —, es auf die Dauer in seinem Werk nie genug sein läßt mit den absolut und obligatorisch vorgeschriebenen Einrichtungen. Schon das geschäft⸗ liche Interesse treibt den Werksbesitzer dazu, sein Werk durch frei⸗ willige Wohlfahrtseinrichtungen über das gesetzlich vorgeschriebene Niveau herauszuheben. Das muß auch die Gesetzgebung bei allen Fragen, die in dieses Fach hineinspielen, bedenken. Sie soll in die Sphäre der Freiwilligkeit niemals tiefer und niemals detaillgerter eingreifen, als es unbedingt notwendig ist. Tut sie es doch, dann zerstört sie selber den Boden, aus dem ihr Früchte erwachsen sollen. (Bravol rechts.)
Auf Antrag des Abg. Singer (Soz.) findet Besprechung der Interpellation statt.
Abg. Dr. Osann (nl.): Wir haben uns gewundert, die Materie aborbedi 54. 32.2 einer Inferpeülation —2 worden ist, weil das Haus sie schon wiederholt erörtert und Resolutionen dazu gefaßt hat, auch neuerdings Petitionen dazu vor⸗ liegen, die demnächst zur Besprechung kommen müssen. Anfang Mai vorigen Jahres haben wir in einer Resolution um die Vorlegung eines bezüglichen Gesetzentwurfs ersucht. Wir hören jetzt, daß zunächst gesetzgeberische Maßregeln nicht ergriffen werden sollen, man vielmehr auf dem Verwaltun e der Besuag der Frag⸗ näherkommen will. Alle die Penfions⸗ Witwen⸗ und Waisenkassen, um die es sich hier handelt, sind durchaus frei⸗
willige Leistungen der Unternehmer, 12ö— aus der historischen Entwicklung der Werke selbst. Auch die ppsche Kasse, eine der
ältesten, ist eine Gründung, die auf der Nichtru
der Beiträge basierte. Auf demselben Standpunkte stehen
andere, besonders oberschlesische, Privat⸗ und sogar
liche Kassen. Diese Kassen haben Großes für die Arbetter⸗ schaft geleistet, insbesondere sind aus der Kruppschen Kasse große Beiträge in die Hände der Arbeiter geflossen, 1907 1 898 000 ℳ!; Die Rechtsstreite gegen die Kruppsche Kasse sind in zweiter Instanz zu Gunsten der Kasse entschieden worden; die Entscheidung der Saar Zivilkammer hat die statutarische Bestimmung der Ni als gesetzlich gültig anerkannt. Neuerdings hat das
Stuttgart sich aber auf einen anderen Standpunkt gestellt, wie n auch verschiedene Gewerbegerichte in erster Instanz dei Summen unger hundert Mark definitiv zu Gunsten der Arbeiter entschirden daben. Darin liegt eine gewisse Rechtsunsicherheit. Auf einem etmaßs anderen Blatte stehen die ganz ähnlichen Bef — sich in Gewerkschaftsstatuten, z. B. des Holzardeiterverdandes, lich der freiwillig eintretenden oder der ausgeschlo
finden; wie konnte es geschehen, daß die Arbeiter he
so notwendigen Reform begonnen haben? Das heutige e Emp⸗ finden drängt entschieden nach einer Aenderung der alten kassenstatuten hin; es müssen demienigen, der gewisse Leistungen betätigt, auch gewisse Rechte zugestanden werden. Die Zwette hessische Kammer hat den Ausschluß der Rückerstattung der Ber⸗ träge aus sozialen Gründen mißbilligt; die hessische Regterung nahm den gleichen Standpunkt ein, der auch schon gesetzgeberisch einen ge⸗ wissen Ausdruck im vorigen Jahre gefunden hat. Die Werke Pensionskassen hätten sich nicht erst von der äußersten . drängen lassen sollen, sie hätten aus eigenem vorauseilen sollen in der sozialen Erkenntnis pflichtungen den Arbeitern gegenüber und hätten
von anderen vorgeschritteneren Kassen überholen
Der Behauptung der Firma Krupp, daß eine Rü⸗ Beiträge den finanziellen Zusammenbruch der Kafsen 1₰ . haben würde, kann man nicht folgen. Wenn eine e Rück. zahlung bei anderen Kassen möglich ist, wird sie auch dei der — Kasse, die in materieller Bezieh u den acer⸗ ersten in Deutschland gehört, durchführbar Is würe ihr wohl auch eine vollständige Rückzahlung der Beiträge möglich. Bei der ganzen Einrichtung darf nicht nur
Felge
kurzen Federstrich der Gesetzgebung gelöst werden kann. Und da,
standpunkt maßgebend sein. sondern auch der Gedanke, — Zusammenhang zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Ave*