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19,00 20,00 16,00 17,50 16,00 14,80 18,50
Eilenburg Erfurt . Kiel. Goslar Fulda.. Meißen. aern 1'g. auen i. V. 16,00 Reutlingen. 20,40 Bruchsal. 1 . — IS“ 3 6 — Arnstadt. —
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20,00 20,40 19,00
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Bemerkungen.
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Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der
Noch: Gerste. 19,50 20,00 20,50 21,00 17,00 17,50 18,50 18,50 17,00 18,00
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Nerkaufswert auf volle Mark abgerundet mitgeteilt. Der Durchschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet.
Ein liegender Strich (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß de. betreffende Preis nicht vorgekommen ist, ein Punkt (.) in den letzten sechs Spalten, daß entsprechender Bericht fehlt.
Berlin, den 12. Juli 1909.
Kaiserliches
tatistisches Amt. J. V.: Dr. Zacher.
“
Deutscher Reichstag. 280. Sitzung vom 10. Juli 1909, Vormittags 10 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
1 9 der Tagesordnung steht die dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffendd Aenderungen im Füeen zwesen, in Verbindung mit der dritten Beratung der esetzentwürfe wegen Abänderung des Schaumwein⸗ steuer⸗, Reichsstempel⸗ und EIE68. In der Generaldiskussion ergreift zunächst das Wort der Stellvertreter des Reichskanzlers, Ctagts ekretär des Reichsamts des Innern von Bethmann Hollweg:
Meine Herren! Der Reichstag steht vor dem Abschluß seiner Be⸗ atungen über die Steuervorlagen. Durch die bereits gefaßten und noch zu erwartenden Beschlüsse in der dritten Lesung wird zwar den Anschlags⸗ summen nach der Gesamtbedarf an Steuern bewilligt, dessen Befriedigung die Finanzvorlagen bezweckten. Aber in der Art der Aufbringung ist der Reichstag den Vorschlägen der verbündeten Regierungen nur zum Teil gefolgt. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Aber sehr!) Es ist nicht gelungen, ein Einverständnis zu erzielen mit einer Reihe von Projekten für Verbrauchs⸗ und Besitzabgaben, denen der Bundes rat den Vorzug gibt vor den an ihre Stelle gesetzten Ersatzsteuern. Die dringend wünschenswerte Bindung der Matrikularumlagen ist nicht erreicht worden. Eine tiefgehende Meinungsverschiedenheit ist ent⸗ standen über die zweckmäßigste Form, Steuern auf den Besitz zu legen, ohne die Steuerquellen anzugreifen, die den Einzelstaaten vorbehalten bleiben müssen. Ihre Beschlüsse haben die verbündeten Regierungen vor die Frage gestellt, ob sie trotzdem die Neuordnung der Reichs⸗ finanzen weiter verfolgen oder ihre Regelung einem späteren Zeitpunkt vorbehalten sollen. Sie haben sich einstimmig für die Weiterverfolgung entschieden und sind entschlossen, die vereinbarten Verbrauchsabgaben zugleich mit den zugestandenen Besitzsteuern, unter Ausschluß der für sie nicht annehmbaren Kotierungssteuer, als ein einheitliches Ganzes zur Verabschiedung zu bringen. (Bravol rechts.) Für diesen Entschluß ist sachliche, nüchterne Berechnung bestim mend en. Die Stellung, die die verschiedenen Parteien dieses hohen Hauses zu den einzelnen Steuervorlagen eingenommen haben, bietet keine Bürgschaft dafür, daß die Reform später und selbst bei ver⸗ änderter Zusammensetzung des Reichstags in einer die Bedürfnisse des
kommen würde. Die Verschiebung würde des Reichs um Monate Werk in das Ungewisse stellen.
also nicht verlängern,
Werk, das vor uns liegt, haben au (Lautes, fortdauerndes bittet um Ruhe.)
können.
leicht geworden ist? Fngeress
Gelächter. Glocke und bittet wiederholt um Ruhe.
Nein, nein!)
Glauben Sie nicht,
Reichs besser befriedigenden Gesamtgestaltung überhaupt zustande (Lebhafte Zustimmung rechts und in der Mitte.) bloß sondern (Sehr richtig! rechts.) Der Zwang, die Einnahmen des Reichs ohne Zeitverlust zu festigen und zu ver⸗ mehren, ist von der ganzen Nation erkannt. fordert, daß der Unsicherheit, die nun seit Jahren auf den Finanzen, auf Gewerbe und Verkehr lastet, ein Ende bereitet wird (Sehr richtig! rechts und in der Mitte; Lachen links), nicht durch einen Aufschub in die Zukunft, sondern durch eine Tat der Gegenwart. (Sehr richtig! rechts und in der Mitte.) Die verbündeten Regierungen sind ohne Ausnahme einig darin, daß diese Forderung schwerer wiegt als die Mängel, die sie in den Kauf nehmen, wenn jetzt die Einigung erzielt wird. (Bravol rechts und in der Mitte.) Indem sie danach handeln, leisten sie in Gemeinschaft mit dem Reichstage einen Dienst, den ihnen die Verantwortung für das Wohl des Landes auferlegt. hafter andauernder Beifall rechts und in der Mitte; Zurufe links.)
Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (dkons.): Wir freuen uns über die Erklärung des Stellvertreters des Reichskanzlers. Wir freuen uns, darin die vorbehaltlose Zustimmung zu dem großen Werk der Finanz⸗ reform erblicken zu können, das so viel Arbeit und Opfer von allen Seiten verlangt hat und jetzt endlich erreicht worden ist. uns, daß nunmehr keine offenen Fragen geblieben sind.
8 meine Freunde Opfer gebracht.
elächter links. Präsident Graf zu Stolberg
1 Lassen Sie mich aussprechen, Sie werden noch Gelegenheite⸗haben, Ihrer Erregung mit mehr Recht Ausdruck geben zu Glauben Sie, daß uns der Verzicht auf die Zuckersteuer 8 daß dadurch wichtige ssen auf das allerschwerste berührt werden, glauben Sie, daß wir die Steuerbelastung von 80 Millionen auf das Spiritusgewerbe gern hingenommen haben? (Großer Lärm links; andauerndes lautes Präsident Graf zu Stolberg läutet heftig mit der E Der Lärm dauert aber unausgesetzt fort, immer wieder während der weiteren Ausführungen des Redners von neuem ausbrechend, sodaß manche seiner Aeußerungen verloren gehen.) Die Gründe, die uns maßgebend bestimmt haben, der Erbanfallsteuer, oder wie man es nennen mag, unsere Zustimmung zu verweigern, bestehen nach wie vor fort, ich glaube, sie in diesem Augenblicke nicht nochmals erörtern zu sollen. . Nur das will ich sagen: Was uns im letzten Grunde und schließlich maßgebend bestimmt hat, unsere Zustimmung dazu zu
(Lebhafte Rufe links:
die
Ihr Lebensinteresse
Finanznot das ganze
(Leb⸗
Wir freuen Zu dem
verweigern, war das Moment, daß wir in einer solchen Steuer nichts
anderes sehen konnten, als eine allgemeine Besitzsteuer, und daß wir
eine solche allgemeine Besitzbesteuerung, wie wir offen bekennen, nicht 8 11. Hände eines auf gleichen Wahlen beruhenden Reichstags 8,3 ollen.
Präsident Graf zu Stolberg: Ich muß nochmals um Ruhe bitten, Sie können ja nachher antworten. h
Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (fortfahrend): Denn wir müssen damit rechnen, daß eine solche Steuer in diesem Reichstage eine Verschärfung und Erhöhung erfahren könnte, die schließlich am letzten Ende zur Expropriation des Besitzes führt. Wir haben das Vertrauen zu denjenigen, die noch in unseren eigenen Reihen zweifelhaft sind, ob wir nicht hätten dafür stimmen sollen, daß sie später einsehen werden, wie recht wir taten, daß die konservative Fraktion diese Steuer abgelehnt hat. Und materiell können wir es mit unserer ganzen staats⸗ rechtlichen Auffassung nicht vereinbaren, wenn wir dieser sogenannten Besitzsteuer zugestimmt hätten. Das Reich soll nicht neben den Konsumsteuern auch eine besondere Besteuerung des Besitzes vor⸗ nehmen. Wir haben doch nicht bloß das Deutsche Reich, wir haben doch auch die Einzelstaaten und die Kommunen. Welche Steuerquellen hätten dann diese Körperschaften? Sie haben nichts anderes als die Steuern, die auf die Besitzenden gelegt werden müssen, und niemand hat so klar und unwiderleglich wie der preußische Finanzminister dargelegt, daß im wesentlichen nur der kleine besitzende Teil der Bevölkerung die ganzen öffentlichen Lasten aufbringt, die zum großen Teil auch den Nichtbesitzenden zu⸗ gute kommen. Wer will das leugnen? Solange der Satz nicht
gilt und gelten kann, daß die Einzelstaaten und die Kommunen
berechtigt sind, neben der direkten Besteuerung auch Konsum⸗ steuern zu erheben, so lange wird es staatsrechtlich ungerecht und unmöglich sein, den Grundsatz aufzustellen, daß das Reich neben den Konsumsteuern auch Besitzsteuern nehmen kann. Der Besitzbesteuerung, mit der das große Werk zustande kommt, haben wir mit schwerem Herzen zugestimmt, da der Bedarf auch durch Matrikularbeiträge zu bestreiten gewesen wäre. Aber es war notwendig, etwas Brauchbares und Ganzes zustande zu bringen. Daß dieses ganze Werk in seinen einzelnen Teilen und, wenn Sie wollen, auch im ganzen im höchsten Grade anfechtbar sein würde, — ja, glauben Sie denn, daß wir so verblendet sind, das nicht einzusehen? Machen Sie es uns einmal vor, ein solches Steuerwerk fertigzubringen, ohne daß Einzelheiten darin gn die hier und da anfechtbar sind. Solange wir ein olches Reich haben mit so verschiedenen wirtschafflichen Ver⸗ hältnissen und mit so schweren Parteiverhältnissen, wird es ganz un⸗ möglich sein, ein so großes Werk in ganz vollendeter Weise zustande h bringen. Deshalb ist der Vorwurf, daß wir hier und da gefehlt aben, ungerecht. Wenn Sie (zur Linken) daran gekommen wären, positive
Vorschläge zu ich sehen, was
einzelne Steuern, dann möchte dann aus der Sache geworden wäre, und ob das, was zustande gekommen wäre, wirklich besser ge⸗ wesen wäre. (Abg. Kopsch: Dam gehört nicht viell) Wir hatten aber einen anderen Grund, uns den in der jetzigen Form vorliegenden Besitzsteuern nicht zu widersetzen, weil wir unter allen Umständen von uns ablebhnen wollten, als wenn einseitige, lediglich Interessen des Grundbesitzes für uns maßgebend wären. Ueberlegen Sie sich doch einmal die Sache. Die allein seligmachende Erb⸗ schaftssteuer würde in ihrem Ertrage nicht das erreicht haben, was jetzt in diesen so gestalteten Besitzsteuern tatsächlich erreicht wird. Wie lagen denn die Verhältnisse vor 6 bis 8 Wochen? Der Karren, den Sie geführt haben, war vollständig im Sumpfe stecken geblieben, ein Pferd zog rechts, ein anderes links, ein Kutscher war nicht zu sehen. Die Fortdauer eines solchen Schauspiels haben wir dem deutschen Volke ersparen wollen, und deshalb haben wir unsere ganz politische Stellung eingesetzt, unsere Interessen hingegeben und preisgegeben ohne Rücksicht auf den Hohn und Spott unserer Gegner, ohne Rücksicht auch darauf, daß in unseren eigenen Reihen Unmut, Unzufriedenheit, Umfall gezeigt hat. Das ist
ja wahr, und das haben wir unseren Freunden im Lande jza auch gesagt: Wir haben das Werk zustande gebracht und schlecht und recht, so gut wir es konnten. Wir haben damit elne schwere Verantwortung übernommen. Gewiß, meine Herren, wir wissen, was wir tun. Auf dem Wege, den wir gegangen sind, liegt der Block. Auch darüber will ich ein offenes Wort sagen. Bei dem Ernst der Lage liegt es mir fern, irgend etwas zu verschweigen. Der Block, der aus den Wahlen von 1907 hervorgegangen ist, wollte, daß gewisse nationale Interessen, die gefährdet waren, unbedingt gesitert würden. Das deutsche Volk wollte, daß die Vorherrschaft einer einzelnen Partei, wie sie damals nach den Parteiverhältnissen, den parlamentarischen Verhältnissen dem Zentrum zu gefallen war, aufhörte, und dies Ziel ist erreicht worden, dies Ziel bleibt erreicht. Aber der Reichskanzler Fürst Bülow hat aus dem Block noch etwas anderes gemacht: er hat eine Verbindung der konservativen und liberalen Partei herbeigeführt unter grundsätzlicher Ausschaltung des Zentrums bei der maßgebenden politischen Arbeit. Wohin konnte das schließlich führen? Es mußten früher oder später zwischen Liberalen und Konservativen, die in vieler Beziehung eine Weltanschauung trennt — ich nehme für keine der beiden Seiten ein besonderes Recht in Anspruch —, auch wirtschaftliche Gegensätze, die nicht überwunden werden können, es mußien Situationen eintreten, in denen eine dauernde Verständigung nicht möglich war. Und was ergab sich dann? Daß die Partei, die ausgeschaltet werden mußt“, ein Wort zu sprechen hatte in Situationen, über deren Natur dann sehr schwer zu urteilen gewesen wäre. Es wäre möglich gewesen, in diesem Block liberale und konservative Richtung zusammenzuhalten, und ich bekenne ganz offen, auch meine politischen Freunde sind durchaus nicht der Meinung, daß dieses Zusammengehen für unsere Sache in jeder Beziehung nachteilig gewesen ist. Wir sind objektiv genug, anzuerkennen, daß nicht bloß die Sache, sondern auch die Personen manche Förderung durch ein solches Zusammen⸗ gehen erfahren. Aber eine Voraussetzung war dabei, nämlich die, daß ein solches Verhältnis aufgebaut war auf der Grundlage der Gleich⸗ berechtigung, und diese Gleichberechtigung haben Sie (nach links) uns ver⸗ sagt. Erinnern Sie sich daran, wie noch vor wenigen Tagen der Führer der Freisinnigen Volkspartei Dr. Wiemer es ganz offen ausgesprochen hat, daß es ihr Ziel wäre, nicht nur dies oder jenes zu erreichen, sondern dn sie die ganze Verwaltung und Gesetzgebung mit liberalem Geist erfüllen wollten. Sie haben es ja selbst mit der größten Deutlichkeit ausgesprochen. Hat denn der Abg. Dr. Wiemer nicht namens Ihrer Partei gesprochen? (Lebhafte Zurufe von links: Jawohl!) Also es ist wirklich so, Sie wollten das nicht nur im Reich, sondern auch in Frachane (Erneute Zustimmung links.) Wir haben auch eine liberale era gehabt, die von liberalen Keäften gestützt war. Aber eine liberale Aera, die von konservativen Kräften gestützt ist, die kann es nicht geben. Es war unser Recht, von dem wir uns nichts nehmen lassen, so zu handeln. Indem wir den Blockgedanken auf das richtige Maß zurückgeführt haben, und indem wir jede einseitige Vorherrschaft einer einzelnen Partei ausschalten, glauben wir uns ein Verdienst um das Vaterland erworben zu haben. Daß unser verdienter Reichs⸗ kanzler aus diesem Anlaß seinen Rücktritt in Erwägung genommen hat, ist eine schwere Verantwortung für uns. Auch da habe ich im Auftrage meiner politischen Freunde ein ganz offenes ungeschminktes Wort zu sagen. Wir bedauern es alle, daß der Reichskanzler, wie es scheint, den endgültigen Beschluß gefaßt hat, aus seinem Amte zu scheiden. Meine politischen Freunde haben es nicht vergessen und werden es nicht vergessen, und das ganze Deutsche Reich weiß es, was dieser Staatsmann für uns gewesen ist. Dieser Saal ist oft genug Zeuge davon gewesen, mit welcher Geistes⸗ schärfe dieser bedeutende Mann die Interessen des ganzen Reiches nicht nur nach innen, sondern auch nach außen hin vertreten hat. Das er⸗ kennen wir selbst auf die Gefahr hin, daß Sie uns Motive unterlegen, die wir nicht haben, in dieser Stunde offen und ehrlich an. Wir haben es nicht vergessen, was dieser Kanzler gerade auch für die wirt⸗ schaftlichen Interessen des Landes getan hat. Wir haben es nicht ver⸗ gessen, mit welcher niederschlagenden Beredsamkeit er der Partei ent⸗ gegengetreten ist, die hier zu meiner Linken steht, die nicht mehr sein würde, wenn Worte und Beweise ausreichten, sie zu beseitigen. In diesem Augenblick wollen wir aber auch ausdrücklich anerkennen, daß wir dem Reichskanzler zu Dank verpflichtet sind für die mannhafte und feste Art, mit der er so oft auch für die Person unseres Kaisers und Königs eingetreten ist. Wenn dies nicht immer in vollem Umfange geschehen sein follte, so sind meine politischen Freunde bis auf den letzten Mann einig, daß der Kanzler so gehandelt hat, weil er die feste und beste Ueber⸗ zeugung gehabt hat, so der Sache seines Kaisers und Königs am besten zu dienen. Einen solchen Reichskanzler hätten wir stürzen sollen? Etwa wegen der Aussicht auf eine Reform des preußi⸗ schen Wahlrechts? Daß uns diese Ankündigung gefallen hätte, kann ich nicht behaupten. Aber wir sind doch auch in Preußen modern genug und wissen, daß kein Gesetz, auch kein Wahlgesetz ewig ist und ewig sein kann. Diese Dinge ordnen sich dem wechselnden Fluß unserer ganzen politischen Entwicklung an. Wenn eine Partei nichts anderes für sich hätte als die formalen Be⸗ stimmungen eines Wahlgesetzes, so würde sie auf die Dauer auf keinem festen Grunde ruhen. Vergessen Sie nicht auf der liberalen Seite, daß auch Sie einst auf der Basis dieses Wahlrechts gestanden haben. Daß der Kanzler dem Liberalismus auch in Preußen ein Plätzchen an der Sonne gönnen wollte, wollten wir ihm nicht verweigern. Die preußischen Konservativen denken so, daß ohne jede Rücksicht auf das politische Bekenntnis innerhalb der bürgerlichen Parteien der Zutritt zu den öffentlichen Aemtern jedem freistehen muß, und wenn Sie danach sind, werden Ihnen diese Aemter und Würden offen stehen und offen stehen müssen. Alles dies hätte uns nicht bestimmen können, den Rücktritt des Reichskanzlers zu wünschen. Daß er den Weg nach Damaskus in der Erbschaftssteuer gegangen ist, verzeihen wir ihm. Glauben Sie, daß ein Staatsmann sich dauerd auf eine einzige politische Situation, auf ein einzelnes Gesetz einschwören könnte? Wenn Sie erst einmal selbst zur Re⸗ gierung kommen werden, werden Sie sehen, daß das nicht geht. Ich rechne es ihm nicht zum Nachteil an, daß er in dieser Beziehung, wahrscheinlich auch mit schwerem Bedruck, seine eigene Auffassung ge⸗ aändert hat. Aber er verlangte auch von uns das Opfer der Ueber⸗ zeugung in diesem Falle. Diese Frage lag doch eigenartig. Der Reichskanzler wußte längst, ehe dieses Gesetz zur Vorlage kam, ganz genau, und wir haben es ihm in der autoritativsten Weise durch unsern Vorsitzenden mitgeteilt, daß es für unsere Partei eine Unmög⸗ lichkeit sein würde, dieses Gesetz zu verabschieden, und daß, wenn er eine Vorlage machte, die dieses Gesetz enthielt, wir kaum in der Lage sein würden, trotzdem ein solches Gesetz mit unserer Ueber⸗ zeugung zu vereinbaren. Der Reichskanzler wußte, wie unser Stand⸗ punkt war, und zwar zu einer Zeit, wo ein anderer Weg noch hätte gegangen werden können. Es mag sein, daß der Kanzler gehofft hatte, unsere Zustimmung zu diesem Gesetz noch zu erreichen. Wo kommt denn eine politische Partei hin, wenn sie in der Frage
machen für
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zeichnenderweise nicht ihre sonstigen Wortführer,
Ansehung
erklärt, daß seine
des Rücktrittes oder Nichtrücktrittes des leitenden S
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bis zum letzten Ende ihre politische Ueberzeugung aufrecht erhielte! Täte sie das nicht, so wäre das nichts als ein reiner Gouvernementalismus, und den kann eine politische Partei wie die unsrige nicht mitmachen, und gerade die liberalen Parteien sollten ein Verständnis dafür haben. Der Reichskanzler hat vor einigen Wochen gesagt, daß er einer See nicht würde zustimmen können, die anders als mit den iberalen gemacht würde. Hätten Sie (nach links) die
Konsequenz daraus gezogen, positive Mitarbeit zu leisten, hätten Sie nicht versagt, dann hätte der Reichskanzlex recht, wenn er sich mit einer solchen Partei, mit einer solchen politischen Richtung solidarisch erklärte. Der Staatsmann, der mit einer politischen Richtung arbeitet, die im letzten Augenblick versagt, kann von uns nicht in Anspruch nehmen, daß wir unserseits unsere Pflicht zurücktreten lassen. Das können wir nicht, das hat politisch keinen Zweck. Wollte aber der Reichskanzler eine solche Partei⸗ konstellation, so wäre das mit seinen eigenen Worten von der Ab⸗ weisung des parlamentarischen Regimes unvereinbar gewesen. Konnten wir denn annehmen, daß ein Reichskanzler, der sein Amt nur seinem Kaiserlichen Herrn und seinem Gewissen verdankt, vor einer Partei, und sei es auch die unserige, zurückweichen würde? Das konnten wir nicht annehmen und das haben wir nicht angenommen. Wir haben unsere Stellung genommen auf Grund unserer ehrlichen Ueberzeugung und auf Grund der Unfähigkeit anderer Parteien, die Sache zu machen. Es ist nicht richtig, daß wir unsere Stellung genommen haben unter dem Motto: den Reichskanzler zu stürzen. (Lachen links und Wider⸗ spruch.) Wenn Sie das von Ihrem Standpunkt aus glauben wider⸗ legen zu können, so können Sie es ja nachher tun. (Erneute Zurufe links. Der Präsident bittet, den Redner nicht zu unterbrechen.) Ich habe hier nicht den Standpunkt des Reichskanzlers zu vertreten, sondern den meiner politischen Freunde. Ich glaube, die Ensichtigen im Lande werden sich unseren Gründen schließlich nicht verschließen können. Aber unsere Gegner und auch Freunde von uns werfen uns vor, daß wir eine Vorherrschaft des Zentrums, wie sie dereinst war, wieder herbeiführen wollten. Ein Bündnis mit dem Zentrum hat in dieser Angelegenheit nicht bestanden und besteht nicht. Ich sage das mit voller Ehrlichkeit. Meine politischen Freunde haben ihre Ent⸗ schließungen auf Grund eigener rein sachlicher Erwägungen gefaßt, und wenn vielleicht die Zentrums partei auf Grund von Erwägungen, die sie ihrerseits angestellt hat, zu einem Ergebnis kam, das mit dem unserigen sachlich zusammenfiel, so hatten wir keinen Grund, das zurückzuweisen. Wo es sich um die Vollendung eines Werkes von einer solchen patriotischen Bedeutung handelte — haben andere Parteien in ähnlicher Lage nicht ebenso gehandelt? Was Ihnen recht, ist uns billig. Mit welcher Partei hat denn der große erste Kanzler, Fürst Bismarck, die Grundlagen unserer Wirt⸗ schaftspolitik 1879 gelegt? Gerade Sie, die liberale Seite sollte doch wissen, was unsere Industrie, was Handel, Verkehr und auch Landwirtschaft dieser Situation verdankt. Es geschah mit dem Zentrum, und Fürst Bülow hat 10 Jahre im Einverständnis mit dieser Partei die politischen Geschäfte geführt. Wir befinden uns in einer Gesellschaft, deren wir uns nicht zu schämen haben, das spreche ich offen aus. Aber das kann ich auch sagen: wir werden bereit sein, mit jeder der bürgerlichen Parteien in gemein⸗ samer politischer Arbeit zusammenzuwirken, vorausgesetzt, daß die Parteien uns auf der Basis der Gleichberechtigung behandeln. Wir wollen die Vorherrschaft keiner Partei, weder des Liberalismus noch des Zentrums. Wir nehmen auch für uns selbst eine solche Herrschaft nicht in Anspruch, aber wir weisen die grundsätzliche Ausschaltung einer bürgerlichen Partei mit Entschiedenheit ab. Wir haben die grundsätzliche Ausschaltung des Zentrums nicht nur für einen politischen Fehler gehalten, sondern sie auch bedauert im Interesse des konfessionellen Friedens. Wir wissen, die Macht der katholischen Kirche ist eine große, aber wir, die wir fast ausnahmslos treue An⸗ hänger unserer evangelischen Kirche sind, denken groß genug von der evangelischen Kirche und der Freiheit, die ihr Palladium ist, daß sie den geistigen Kampf auch mit der katholischen Kirche nicht zu scheuen hat. Wir wünschen auch nicht eine zweite Auflage des Kulturkampfs. Das kann nicht dem Frieden dienen, nicht dem Frieden der Konfessionen, und es ist nicht zum Segen des Deutschen Reiches. Was die neue Konstellation des Blocks anbelangt, so hat ja die Reichspartei für die Erbanfallsteuer gestimmt. Dies Votum trennt uns von dieser Partei nicht. Wir wissen, daß sie ebenso nach ihrer ehrlichen Ueberzeugung gehandelt hat wie wir. Wir erkennen an, daß die Herren wohl glauben konnten, daß es der beste Weg wäre, die Finanzreform zustande zu bringen. Man muß Gerechtigkeit nach beiden Seiten walten lassen. Das gleiche gilt für die Wirtschaftliche Vereinigung. Und nun noch ein Schlußwort. (Rufe links: Die Polen!) Kommt schon. Sie scheinen schon ungefähr zu wissen, was ich auf dem Herzen habe. In der Mehrheit, die sich zum Zustandekommen der Reform gebildet hat, haben sich nicht überall, aber doch bei den meisten Gesetzen auch die Mitglieder der polnischen Fraktion befunden. Allerdings bestehen
Beforgnisse, ob aus einem solchen Zustand nicht eine Ge⸗
fährdung der deutsch⸗nationalen Interessen hervorgehen könnte oder schon gar hervorgegangen wäre.
daß in keinem Stadium der Zusammenarbeit aus dieser Fraktion uns auch nur ein Schatten einer Bewegung oder einer Auffassung
entgegengetreten ist, die anders gewesen wäre als eine Mitarbeit auf
rein sachlicher Grundlage. Glauben Sie, daß wir, wenn es anders
gewesen wäre, nicht unsere Mitwirkung abgelehnt hätten? Unsere Partei
hat noch nie in einer nationalen Frage versagt. (Ohol links.) Gewiß,
deswegen haben wir das Recht, auszusprechen, daß wir nicht mit⸗
gemacht hätten, wenn uns Ansinnen entgegengetreten wären, die auf
anderem Boden als dem einer sachlichen Mitarbeit an der Reform
gestanden hätten.é Wenn die Mitarbeit der Herren von der polnischen
Fraktion in positivem Sinne manches Resultat gezeitigt hat, das auch
unseren Anschauungen entspricht, so muß ich anerkennen, daß diese
positive Arbeit objektiv besser war, als ein schmollendes Beiseitestehen, das sie von allem auzschloß. Glauben Sie uns, daß wir die deutsch⸗nationalen Interessen, daß wir die Güter deutscher Kultur, die uns anvertraut sind in einem Kampf von Jahrhunderten, niemals
preisgeben werden, daß wir alle, wenn es sein muß, bis zum letzten Mann, dafür kämpfen werden! So bin ich am Ende. Meine politischen Freunde haben in diesem ganzen schweren Kampf ein gutes Gewissen
gehabt, es hat uns getragen und gestützt in diesem schweren Kampf, und es soll uns zur Seite stehen, wenn wir jetzt vor das Land und
unsere Wähler treten, um zu rechtfertigen, was wir gewollt und was
wir getan haben. 4 8 Abg. Singer (Soz.): Die Erklärung, die namens der verbündeten
Regierungen heute abgegeben worden ist, bestätigt ausdrücklich, daß die Erklärungen der verbündeten Regierungen nur insoweit Wert haben, als sie von der jetzt maßgebenden Mehrheit gebilligt werden. Damit haben die verbündeten Regierungen im Punkte der Autorität vollständig abgedankt. Die Konservativen haben denn heute auch be⸗ sondern den eigent⸗ lichen spiritus rector des Ganzen, den Abg. von Heydebrand, vor⸗ geschickt. Der Abg. von Heydebrand hat sich als Diktator des Deutschen Reiches aufgetan. Man kann es ihm nachfühlen, welche Genugtuung ihn üͤber seine Erfolge erfüllen muß, und auch wir müssen ihm für 21 Offenheit dankbar sein. Vernichtend war für den Liberalismus sein Ausspruch, daß zwischen Konservativen und Liberalen eine Versöhnung, ein IIee nicht möglich ist. Das aber mußten ie Liberalen von allem Anfange an selber sagen, dann wäre der liberal⸗ konservative Block, dieses Mißgebilde, nicht zustande gekommen. Das Interessanteste war an den Darlegungen des Abg. von Heyde⸗ brand das Geständnis, daß die Konservativen die Besitzsteuergesetz⸗ gebung nicht einer aus allgemeinen Wahlen hervorgegangenen Körper⸗ schaft in die Hände legen können. Nach dieser Aeußerung wird der zukünftige Reichskanzler diese Stellungnahme der Konservativen als einen avis au lecteur ansehen, wonach er auch in der Uebertragung des Reichswahlrechts auf Preußen Damit hat der Abg. von Heydebrand klipp und klar
zu richten hat. m Partei nur um den Preis für die Regierung
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Demgegenüber habe ich zu erklären,—
zu haben ist, daß Preußen keine Wahlreform stattfindet. Eine dreiste Stirn gehört allerdings dazu, eine solche Er⸗ klärung über die Erbschaftssteuer abzugeben. Die Konseguenzen dieser Rede können gar nichts anderes sein als ein Kampf auf Leben und Tod mit den rückständigen Anschauungen dieser v. die leider auch im Reiche maßgebend sind; und Regierungen, die sich zum Werk⸗ zeug dieser Partei machen, sind ebenso schuldig wie diese Partei selbst. Be die Konservativen jetzt aus „nationalem“ Interesse und unter großen Opfern auf die Steuerreform eingehen, ist einer Widerlegung nicht wert; neig doch jeder, welche materiellen Vorteile gerade für den Großgrundbesitz diese Reform bringt. Der Abg. von Heydebrand hat aber auch eine Trauerrede auf den Fürsten Bülow gehalten. Er ver⸗ wahrt sich aufs allerenergischste dagegen, als ob die Konservativen den Kanzler gestürzt hätten. Das glaube ich auch nicht; hätte der Kanzler sich in allem ihrem Willen gefügt, so würden sie ihn nicht gestürzt haben. Aber gestürzt haben sie schon oft Minister. Wie haben denn die Konservativen früher Paen Bismarck, wie gegen Caprivi gehandelt? Sie waren die ärgsten
inisterstürzer, die es je gegeben hat. Daß Fürst Bülow über diesen Nekrolog besonders erfreut sein wird, glaube ich nicht. Von meinem Standpunkt aus würde ich es aber den Konservativen gar nicht übelnehmen, wenn sie einen ihnen nicht genehmen Minister zu stürzen suchen. Die jetzige Generaldiskussion hat es mit einer sonderbaren Geschäftslage zu tun; sie findet statt, nachdem zwei Drittel der neuen indirekten Steuern bereits definitiv bewilligt sin so hat es der. „Schnapsblock“ darf man ja wohl nicht mehr sagen, gewollt. Ebenso gut haͤtte man die endgültige Abstimmung vor der Diskussion vornehmen können. Die Mehrheit hat die Be⸗ steuerung der Erbschaften verhindert und für die Branntweinbrenner noch eine Extraliebesgabe von 40 Millionen 1S lagen. Schon heute fallen 1200 Mill. Mark etatsmäßig auf die Verbrauchsabgaben; diese Last der großen Massen wird jetzt um über 400 Mill. Mark jährlich vermehrt! Die Arbeiterfamilie wird durchschnittlich jährlich mit 100 bis 125 ℳ mehr belastet; und das wagen die Herren von der Mehrheit eine soziale Reform zu nennen! Zu der harte Mehrbelastung kommt so auch noch der Hohn und Spott hinzu. Wie feierlich waren nicht die Erklärungen der verbündeten Re⸗ gierungen, daß eine Finanzreform ohne Erbschaftssteuer nicht zustande kommen könnte und würde! So der Reichsschatzsekretär Sydow, so der Nun⸗Reichskanzler. Die verbündeten Regierungen haben bei den Ver⸗ bandlungen auch etwas gelernt; sie haben gegen Entgelt, gegen den 8 der gestundeten Matrikularbeiträge von 148 Millionen diese wohlerwogene Ueberzeugung aufgegeben. Wie man im gewöhnlichen Leben einen Menschen nennt, der das tut, will ich in diesem Hause nicht sagen, ich habe mich wohl deutlich genug ausgedrückt. Das Zentrum hat den alten Spruch: „Zentrum ist Trumpf“, wieder zu Wahrheit gemacht, indem es den Konservativen, die ihr Portemonna nicht schnell genug gefüllt bekommen konnten, im richtigen Momen beisprang. Das einzige, was für den Reichskanzler die Situation hätte retten können, wäre die Auflösung gewesen. Der Kanzler hätte patriotisch gehandelt, wenn er durch die Auflösung dem Volke Gelegenheit gegeben hätte, zu sagen, wie es über die ge⸗ plante Ausbeutung des Volkez denkt! Aber weil er eben ein Agrarier ist und der agrarischen Ausbeutungspolitik nicht hinderlich sein wollte, hat er auch diese agrarische Reform hingenommen. Auf seinem Leichenstein wird fortan stehen müssen: Hier ruht, ein Reichskanzler, der seine Ueberzeugung, seine Selbstachtung, seine Würde den Agrariern zum Opfer gebracht hat, zum Opfer gebracht dem Steuerblock. (Vizepräsident Dr. Paasche: Ich bitte, solche Ausdrücke doch zu unterlassen!) Die Liberalen werden den Vorwurf nicht widerlegen können, daß sie im Peinzip bereit waren, 400 Mil⸗ lionen indirekte Steuern zu bewilligen. Man wird sie beurteilen nach ihren ursprünglichen Absichten, nicht nach ihren Taten. Der Widerstand der Rechten gegen die ä ist diktiert vo der Abneigung, das elendeste Wahlsystem in Preußen, das Dreiklassen wahlsystem, zu beseitigen. Zu einer dauernden Gesundung der Reichs⸗ finanzen führt allerdings auch diese Finanzreform nicht. Der Bankrott des Reichs ist nicht zu vermeiden, wenn nicht mit den wahnsinnigen Ausgaben für Heer und Marine ein Ende gemacht und mit den anderen Völkern abgerüstet wird. Ginge Deutschland auf diesem Gebiete voran, dann würde es ein Kulturstaat ersten Ranges sein, dann ainge Deutschland wirklich in der Welt voran. Wir lehnen diese Reform in der Gesamtabstimmung in allen ihren Teilen ab. Das Urteil über diese sogenannte Reform wird das Volk geben, wenn es zu den Wahlen gerufen wird.
Abg. Dr. Hieber (nl.): Das Gesetzgebungswerk der Finanz⸗ reform hängt zusammen mit einer “ Krisis unserer inneren Politik. Es ist seit Jahren das erste umfassende Gesetzgebungs⸗ werk, dem gegenüber wir uns ablehnend verhalten. Diese Haltung ist für uns ein schwerer Entschluß gewesen, aber d Ergebnfe ernsthafter politischer Erwägung. Die Reichsfinanzrefor kommt heute zum Abschluß. Was aber die neue Mehrheit zustande bringt, ist keine Finanzreform, sondern ein Steuerbukett. Das ursprüngliche Finanzprogramm war doch eine Ordnung des Schuldenwesens des Reiches, die Beseitigung des Mißverhältnisses zwischen Bedarf und Deckung durch Bewilligung neuer Steuern und die sachgemwäße Begrenzung zwischen Reich und Einzel⸗ staaten dadurch, daß das Reich auf eigene Füße gestellt wird. Was ist aus diesem Finanzprogramm der Reglerung geworden? Höchstens die Deckung des Bedarfs ist einigermaßen gelöst, die beiden anderen Forderungen sind so gut wie völlig aus den Augen verlore Von einer organischen Neuordnung des Reichsfinanzwesens ist gar keine Rede mehr. In der Form, in der sie allein dem Reiche helfen konnte, ist die Reform gescheitert. Die Regierung hat mit dem Grundgedanken ihrer Reform eine Niederlage erlitten, und zwar durch dieselbe Mehrheit, durch die sie die neuen Steuern jetzt in die Reichskasse bekommt. Der Abg. von Heydebrand hat sich da⸗ gegen verwahrt, daß irgend welche parteitaktischen Gründe oder ähnliche Verabredungen für seine Partei bestimmend gewesen sind. Ich habe keinen Grund, hieran zu zweifeln. Aber mögen die Konservativen die Führer oder die Geführten gewesen sein, der Vorwurf kann ihnen nicht erspart bleiben, daß sie, als sie das Bündnis vor allem mit dem Zentrum eingingen, jeden⸗ falls wissen mußten, daß letzteres nur seinen eigenen 1““ befolgten Traditionen getreu handelt, indemes eine wirkliche Reichs⸗ finanzreform, die diesen Namen verdient, unmöglich macht. Wenn etwas aus der Geschichte der Zentrumspartei und der Finanzreform⸗ bestrebungen im Reiche bewiesen ist, so ist es diese Tatsache. Auch das mußten die Konservativen wissen, daß für das Zentrum die Mit⸗ arbeit auf das engste und unmittelbarste verknüpft ar mit dem Rachefeldzug gegen den Reichskanzler, daß die Konserbativen durch ihre Mitarbeit für diese Interessen mit eingespannt worden sind. Schon als die Finanzreform in Sicht war, hat der Abg. Erzberger in einer Rede in Kaiserslautern gesagt, einem Betrage von 200 oder 150 Millionen werden wir wohl unsere Zustimmung geben müssen, und wenn es wirklich pelingt, auf diese Weise über die Klippe hinwegzukommen, so sei das eine nationale Tat des Zentrums. In der Wahlbroschüre des Abg. Erzberger heißt es — schon das wird ein Ansporn für jeden sein, sich diese Broschüre anzuschaffe Woher sollen die mindestens 500 Millionen kommen? D Zentrum hat 1906 erreicht, daß die Kleinen nicht oder nicht schwer getroffken sind. Es hat auch jetzt schon erklärt, daß es keinen Pfennig bewilligt, ehe nicht die Branntweinsteuer geändert wird, denn daraus stecken jetzt die großen Brennereien jährlich 500 Millionen ein, und doch gehören diese Gelder von Rechts wegen dem Reiche. Dasselbe Zentrum hat jetzt nicht gezögert, mindestens das Doppelte aus dem Branntwein zu bewilligen. Wenn das Zentrum, heißt es weiter, in alter Stärke wiederkehrt — und das ist ja geschehen —, so ist das Volk in seinen breiten Schichten vor neuen großen Steuern bewahrt, sonst 8 eine un⸗ geheuere Erhöhung der indirekten Steuern; und der letzte Satz heißt: Wir sind gegen die Erhöhung der indirekten Steuern. Das i ein offi ielles Flugblatt. Sie können es nicht von Ihren Rockschößen a
schütteln, es ist Verlag der „Germania’. (Zuruf und lauter Widerspruch im Zentrum.) Dann gibt erh t kei