Amtsgericht in Lesum, Ruegenberg aus Kray, Amtsgerichts⸗ bezirk Steele, bei dem Amtsgericht in Recklinghausen mit dem Wohnsitz in Herten, die Gerichtsassessoren Dr. Paul Levi bei dem Oberlandesgericht in Frankfurt a. M., Paul Marcuse, Dr. Johannes Müller und Alfred Rosenbaum bei dem Landgericht I in Berlin, Dr. Riehn bei dem Landgericht in Altona, Dr. Kirschenbauer bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Hannover, Dr. Johannes Hentschel und Hermann Leiser bei dem Amtsgericht in Spandau, die früͤheren Gerichts⸗ assessoren Linnartz bei dem Landgericht I in Berlin und Hermann Schneider bei dem Amtsgericht und dem Land⸗ gericht in M.⸗Gladbach. 8 Der Amtsgerichtsrat de Witt in Cöln, der Rechtsanwalt, Justizrat Simons in Saarbrücken und der Rechtsanwalt und Notar Purgold in Hameln sind gestorben.
Ministerium des Innern.
Der Oberregierungsrat Schuhmann ist dem Regierungs⸗ präsidenten in Lüneburg zugeteilt worden.
Ministerium für Landwirtschaft, Domänen 3 und Forsten. Der Oberförster o. R. Greiffenberg ist zum Oberförster i Rauschenberg, Regierungsbezirk Cassel, ernannt worden. Der Titel Hegemeister ist verliehen: im Regierungsbezirk Danzig den Förstern: Jahnke in Burchartstwo, Oberförsterei Karthaus, Neumann in Jägerhof, Oberförsterei Kielau, Zars in Obersommerkau, Oberförsterei Stangenwalde; im Regierungsbezirk Cassel den Förstern: Bode in Bischhausen, Oberförsterei Bischhausen, Buchmann in Obergeis, Oberförsterei Neuenstein, Burkhardt in Mernes, Oberförsterei Burgjoß, Feldmann in Hilders, Oberförsterei Hilders, Fuhrmann in Wanfried, Oberförsterei Wanfried, Hartmann in Oberzell, Oberförsterei Oberzell, Hause in Oberkalbach, Oberförsterei Niederkalbach, Hoff in Brunings, Oberförsterei Sterbfritz, Löffert in Häuserdick, Oberförsterei Salmünster, Otto in Unterstoppel, Oberförsterei Burghaun, Rimy in Harmerz, Oberförsterei Giesel, Sartoris in Großentaft, Oberförsterei Burghaun, Schertz in Alsberg, Oberförsterei Salmünster, Strott in Weichersbach, Oberförsterei Oberzell.
Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinalangelegenheiten.
Der bisherige Dr. Max Wilcke aus Weißenfels ist zum Kreisschulinspektor in Zeitz ernannt worden.
Die Kreisarztstelle des Kreises Simmern, Re⸗ gierungsbezirk Koblenz, mit dem Amtssitz in Simmern ist zu besetzen.
Die Kreisassistenzarztstelle des Kreises Johannis⸗ burg, Regierungsbezirk Allenstein, mit dem Amtssitz in Bialla und
die Kreisassistenzarztstelle des S
1b 8 Königs⸗ erg i. Pr. sind zu besetzen. 8
1
Nachdem der bisherige Erste Ständige Sekretär der Akademie der Künste, Prosessor Dr. Ludwig Justi, zum Direktor der Königlichen Nationalgalerie ernannt worden ist, wurde er vom vorgeordneten Minister der geistlichen, Unter⸗ richts⸗ und Medizinalangelegenheiten kraft seines neuen Amtes und für die Dauer desselben zum Mitglied des Senats der Akademie der Künste auf Grund des Statuts der Akademie berufen.
Berlin, den 30. November 1909.
Der Präsident. Arthur Kampf.
Personalveränderungen.
Königlich Preußische Armee. „Dffiziere, Fähnriche usw. Berlin, 30. November. Bajohr (Hans), Lt. im Inf. Regt. von Voigts⸗Rhetz (3. Hannov.) Nr. 79, in das 8 Bad. Inf. Regt. Nr. 169 versetzt.
Beamte der Militärverwaltung. Durch Verfügung des Kriegsministeriums. 6. No⸗ vember. Schultze, Geheimer Rechnungsrat, Geheimer expedierender Sekretär im Kriegsministerium, auf seinen Antrag mit Pension in den Ruhestand versetzt.
8. November. Die Garn. Verwalt. Inspektoren auf Probe Rohkrämer in Magdeburg, Hannemann in Oldenburg, Kerfes in Darmstadt, zu Garn. Verwalt. Inspektoren ernannt.
9. November. Koppermann, Garn. Verwalt. Direktor auf Probe in Mörchingen, zum Garn. Verwalt. Direktor ernannt.
10. November. Rückert, Schütz, Intend. Sekretäre von der Intend der 2. Gardediv., zu der Intend. des Gardekorps, Teuber, Intend. Diätar von der Intend. des Gardekorps, zu der Intend. der 2. Gardediv. versetzt.
12. November. Kohn, Intend. Sekretär von der Intend. des Gardekorps der Titel „Obermilitärintend. Sekretär“ verliehen.
16. November. Zahn, Gerichtsassessor, als etatsmäß. Militär⸗ intend. Assessor bei der Intend. des IV. Armeekorps angestellt.
19. November. Dr. Domino, Intend. Rat von der Intend. des Gardekorps, zum 1. Dezember 1909 zu der Intend. des III. Armee⸗ korps versetzt.
XIII. (Königlich Württembergisches) Armeekorps.
Offiziere, Fähnriche usw. Ernennungen, Beförde⸗ rungen, Versetzungen usw. Schloß Bebenhausen, 19. No⸗ vember. Frhr. Geyr v. Schweppenburg, Lt. a. D., früher im Drag. Regt. König Nr. 26, mit einem Patent vom 2. Februar 1903 als Lt. der Res. des genannten Regts. angestellt und vom 1. Dezember d. J. ab auf ein Jahr behufs Dienstleistung beim Magdeburg. Hus. Regt. Nr. 10 nach Preußen kommandiert: während dieser Dienstleistung ist sein Patent als vom 6. Februar 1904 datiert anzusehen.
Schloß Bebenhausen, 30. November. v. Pfaff, Gen. der Inf. z. D., zuletzt Gen. Lt. und Kommandeur der 27. Div. (2. K. W.), erhält die Erlaubnis zum Tragen der Uniform des Gren. Regts. Königin Olga Nr. 119, v. Sarwey, Gen. Lt. z. D., zuletzt Gen. Major und Kommandeur der 9. Inf. Brig., die Erlaubnis zum Tragen der Uniform des 8. Inf. Regts. Nr. 126 Großherzog Friedrich
von Baden.
, 26. Novbember. Moser, Rechnungsrat
Schloß Bebe de mit der gesetzl. Pension in
im Kriegsministerium, auf seinen Antrag den Ruhestand ö.“
88
“
Preußzen. Berlin, 4. Dezember.
Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Zoll und Steuerwesen und für Justizwesen, die vereinigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen, für Justizwesen und für Rechnungs⸗ wesen, der Ausschuß für Zoll⸗ und Steuerwesen sowie die ver⸗ einigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Handel und Verke een heute Sitzungen.
UMeber die Verwertung der Weine sowie sonstiger Getränke und Stoffe, hinsichtlich deren auf Grund des Weingesetzes vom 7. April 1909 (Reichsgesetzbl. S. 393) 89 Einziehung erkannt worden ist, hat der Justizministgrrim Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Minlster der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗ angelegenhecten durch allgemeine Verfügung vom 30. November d. J. folgendes bestimmt:
1) Traubenmost, Weine, weinähnliche und weinhaltige Getränke, Schaumwein und Kognak, die nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen (§§ 13 bis 16, § 11 Abs. 2 des Gesetzes), sind zu vergällen und sodann zugunsten der Staatskasse zu verausen. Die Vergällung ist von der Polizeibehörde zu überwachen.
Die Vergällung hat, wenn die Flüssigkeit zur Essigbereitung ver⸗ kauft wird, zu erfolgen durch Zusatz von Essigsäure (auch in Form von Essigsprit oder Ptveessenz) in solcher Menge, daß die Flüssigkeit auf 100, 1 etwa 4 1 Essigsäure enthält. Wenn die Flüssigkeit zur Verarbeitung auf Branntwein verkauft wird, hat die Vergällung durch Zusatz von 2 kg Kochsalz auf 100 1 Flüssigkeit zu geschehen. Dabei ist darauf zu achten, daß vor Uebergabe an den Erwerber das Kochsalz vollständig gelöst ist. —
Enthalten die in Abs. 1 bezeichneten Getränke gesundheitsschäd⸗ liche Stoffe, so sind geeignete Sachverständige darüber zu hören, ob eine Weiterverwendung zulässig ist und welche Art der Vergällung ihr vorauszugehen hat. Die Sachverständigen können für die Ver⸗ gällung dieser Getränke auch andere als die in Abs. 2 bezeichneten Mittel, je nach der Art der Weiterverwendung des Weines oder Kognaks, vorschlagen, wie z. B. die in der Branntweinbefreiungs⸗ ordnung zur Vergällung von Branntwein für technische Zwecke vor⸗ gesehenen Mittel.
Genehmigt die Polizeibehörde (der Landrat, in Stadtkreisen die Ortspolizeibehörde) die Weiterverwendung nicht oder ist durch den Verkauf ein angemessener Erlös nicht zu erzielen, so sind die Getränke zu vernichten.
2) Die vorstehenden Bestimmungen gelten auch für Trauben maische, die einen nach § 3 Abs. 1 oder nach § 4 des Gesetzes nicht zulässigen Zusatz erhalten hat. G
3) Ist auf Einziehung von Haustrunk nur darum erkannt worden, weil er entgegen dem § 11 Abs. 4 des Gesetzes in den Verkehr ge⸗ bracht worden ist, so ist nach Ziffer 1 Abs. 1 dieser Verfügung zu verfahren.
Ist jedoch darch den Verkauf ein angemessener Erlös nicht⸗zu er⸗ zielen, so kann Im der Vergällung abgesehen und der Haustrunk, so⸗ sern er nicht gesundheitsschädlich ist, unentgeltlich an staatliche Be⸗ hörden oder an Armen⸗ oder Krankenanstalten zum eigenen Verbrauch abgegeben werden. Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, daß eine weitere Abgabe des Getränks strafbar sein würde.
4) Getränke, die nur aus dem Grunde eingezogen worden sind, weil ihre Bezeichnung den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht, sind nicht zu vergällen, sondern unter gesetzmäßiger Bezeichnung zu⸗ gunsten der Staatskasse zu verkaufen.
5) Stoffe, deren Verwendung bei der Herstellung, Behandlung oder Verarbeitung von Wein, Schaumwein, weinhaltigen oder wein⸗ ähnlichen Getränken unzulässig ist, sind zu vernichten, wenn nicht die Polizeibehörde (Ziffer 1 Abs. 4) ihre Veräußerung oder sonstige Ver⸗ wendung genehmigt. 88
Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Condor“ am 29. Oktober bei den Pleasentinseln, am 2. November in Jaluit (Marschallinseln) und am 25. November in Herbertshöhe (Neupommern) eingetroffen und von hier am 1. Dezember nach Ponape (Ostkarolinen) in See gegangen.
S. M. S. „Hertha“ ist vorgestern in Willemstadt auf Curaçao eingetroffen und geht am 11. Dezember von dort nach St. Thomas in See.
S. M. S. „Bremen“ ist vorgestern in Rio de Janeiro und S. M. S. „Luchs“ vorgestern in Tsingtau eingetroffen.
Gestern vormittag hat in Gegenwart der nächsten
lichen Verwandten, „W. T. B.“ zufolge, die Be isetzung Seiner Königlichen Hoheit des Herzogs Karl Theodor in Tegernsee stattgefunden. Zu gleicher Zeit wurde in der Theatinerkirche in München ein feierliches Requiem ab⸗ gehalten, dem Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗ regent mit den dort weilenden Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses, die Mitglieder des diplomatischen Korps und die Spitzen der Behörden beiwohnten.
Das Abgeordnetenhaus hat, obiger Quelle zufolge, gestern mit 119 gegen 30 Stimmen das Umlagen gesetz nach mehrwöchiger Beratung angenommen. Durch die Annahme dieses Gesetzes wird erst die Einführung der bereits beschlossenen allgemeinen progressiven Einkommensteuer und der ganzen Steuerreform ermöglicht.
Desterreich⸗Ungarn.
Der ungarische Minister Graf Andrassy ist, „W. T. 8. zufolge, gestern vom König Franz Pefaph in Audienz empfangen worden. In der Audienz fiel keine Entscheidung. Der Ministerpräsident Dr. Wekerle wird heute nicht vom König empfangen werden. Bezüglich weiterer Audienzen oder Berufungen ist bisher keinerlei Disposition getroffen.
Das ungarische Abgeordnetenhaus hat in der gestrigen Sitzung, wie das „W. T. B.“ berichtet, zunächst die Dringlichkeit des tschechischen Antrages abgelehnt, der die Be⸗ handlung der Sh Marktfahrer in den deut⸗ schen Städten Böhmens betrifft. Nachdem der Abg. Budzynowskyi ferner seinen Antrag, betreffend das Ge⸗ heim mittelverbot, begründet und erklärt hatte, er verzichte
des „W. T. B.“ zufolge, „ 0 8
auf die Dringlichkeit seines Antrages, trat das Haus in die Tagesordnung, die erste Lesung des Budgetprovisoriums, ein, was zu lebhaften Beifallskundgebungen Anlaß gab.
Großbritannien und Irland.
Das Parlament ist gestern nachmittag mit einer Thron⸗ rede vertagt worden, die, wie „W. T. B.“ meldet, folgenden Wortlaut hat:
„Der offizielle Besuch, den der König von Portugal aus Anlaß seiner Thronbesteigung abstattete, hat der Königin und mir große Freude bereitet. Hies freundschaftlichen Beziehungen, die seit vielen Jahren zwischen den beiden verbündeten Ländern bestehen, sind durch ihn verstärkt und gefestigt worden. Unsere Beziehungen zu den auswärtigen Mächten sind fortgesetzt die freundschaft⸗ lichsten. Die Schwierigkeiten, die im Herbst des letzten Jahres im Südosten Europas auftauchten, sind lücklicherweise zu einer praktischen Lösung geführt worden, sodaß der Friede aufrecht erhalten blieb. Andererseits macht das konstitutionelle Regime im Ottomanischen Reiche weitere befriedigende Fortschritte. Ab⸗ gesehen von gewissen, pon meinen Vertretern im Augenblick der Unterzeichnung gemachten Vorbehalten, konnten die auf der Friedens⸗ konferenz im Haag im Jahre 1907 getroffenen Abmachungen, die, um Gültigkeit zu erlangen, eine spezielle Legalisierung nicht erfordern, gutgeheißen werden. Die mit dem Deutschen Reich, Schweden, Norwegen, der Schweiz und Portugal getroffenen Konventionen und Abmachungen sind auf weitere fünf Jahre verlängert worden. Andere Verträge, deren Gültigkeit demnächst abläuft, werden unverzüglich erneuert werden. Eine Maßregel zur Verbesserung der Verwaltung in Indien und zur Vermehrung der Befugnisse verschiedener gesetz⸗ gebender Räte hat Gesetzeskraft erhalten. Diese Maßregel ist durch notwendige Vorschriften ergänzt worden, und zu Beginn des kommenden Jahres werden die neuen Räte die ihnen zugedachte Verant⸗ wortung übernehmen. Wenn man sie mit Vertrauen auf⸗ nimmt, werden diese. Instanzen, in treuem Zusammenarbeiten mit meinen Offizieren, die Regierungsarbeiten fördern und für den moralischeu und materiellen Fortschritt meiner indischen Unter⸗ tanen arbeiten, und zu gleicher Zeit werden sie auch das Reich stärken. Mit großer Genugtuung konnte ich meine Genehmigung geben zu einem Gesetz, das die südafrikanische Union schafft, die auf einmütigen Wunsch der Parlamente der vier Kolonien gebildet werden konnte. Ich zweifle nicht, daß die neue Union Suüdafrika stärken wird, und hoffe, daß die Bevölkerung in den kommenden Jahren einen steigenden Wohlstand und daß die Eintracht dauernd unter den Völkern der Kolonien herrschen wird. Die wichtige Konferenz, die im vergangenen Juli zum Zweck eines Meinungsaustausches zwischen meiner Regierung und den Regierungen meiner autonomen überseeischen Besitzungen hinsichtlich der maritimen und militärischen Verteidigung getagt hat, ist vorteilhaft für alle vertretenen Teile gewesen. Man kann sicher sein, daß diese Bestrebungen dazu beitragen werden, meine Be⸗ sitzungen zu kräftigen und deren Zusammenhalt zu festigen. Meine Herren vom Unterhause! Ich danke Ihnen für die Sorge und Frei⸗ gebigkeit, die Sie gelegentlich der bedeutenden Vermehrung der zur Verteidigung des Reiches und für die soziale Reform erforderlich ebee nationalen Ausgaben an den Tag gelegt haben. Ich bedauere, daß die betreffenden Maßnahmen fruchtlos ge⸗ blieben sind. Milords und Gentlemen, ein irländisches Agrar⸗ gesetz ist angenommen worden. Dieses Gesetz wird die lokalen Kassen, die zum Zweck der Ankäufe und zur Erweite⸗ rung der Verwaltungsdomänen früher geschaffen worden sind, entlasten und zur Förderung des allgemeinen Wohlstandes dienen, sowie sicherlich auch zur Besserung der Lage der kleinen Bauern, die im Westen von Irland leben, beitragen. das Gesetz weitere Maßnahmen eingeführt worden sind, die die
Wohnungsfragen der arbeitenden Klassen fördern und die Reinlichkeit
der Wohnungen erhöhen sollen. Diese Maßregeln machten Vorschriften notwendig, die schon längst hätten getroffen werden müssen. Ich habe meine Zustimmung zur Schaffung von Arbeitsbörsen gegeben, wodurch zweifelsohne eine bessere Re⸗ elung des Arbeitsmarkts gewährleistet und Arbeiteraus⸗ tände vermieden werden. Die ferner angenommene Bestimmung, die Industriekammern für die einzelnen Berufszweige schaffen soll, wird bei weiterer Durchführung sicherlich den arbeitslosen Arbeitern einen großen Dienst erweisen können. Ich hoffe ferner, daß die für die landwirtschaftliche und für die ländliche Industrie getroffenen Maß⸗ nahmen die ökonomische Entwicklung des Königreichs fördern werden.“ Zum Schluß erwähnt die Thronrede noch einige Gesetze und bemerkt: „Ich danke Ihnenfür den Eifer, mit dem Sie Ihre schwierigen und langwierigen Arbeiten vollbracht haben, und wünsche, daß diese Gottes Segen finden werden.“
Nach Verlesung der Thronrede wurde die parlamentarische Session offiziell vertagt. Wie amtlich bekannt gegeben wird, ist die Auflösung des Parlaments auf den 8. Januar festgesetzt, die Wahlen sollen am 13. Januar beginnen.
Die Zoll⸗ und Steuerbehörden geben bekannt, daß die Zahlung der im Budget vorgesehenen Abgaben gegen⸗ wärtig in das freie Belieben gestellt ist, daß aber diejenigen, welche jetzt nichts zahlen, dazu verpflichtet sein werden, wenn die Steuern rückwirkende Gesetzeskraft erlangen werden. Falls dies nicht geschieht, werden alle geleisteten Zahlungen wieder erstattet werden.
Imn Plymouth hat Lord Lansdowne gestern in einer großen Versammlung eine Rede gehalten, in der er, „W. T. B.“ zufolge, ausführte:
Es handle sich jetzt um zwei Streitpunkte, nämlich Budget gegen Tarifreform und Einkammerregierung gegen Zwei⸗ kammerregierung. Das Haus der Lords sei nicht fehlerlos, aber die· zu seiner Neugestaltung eingesetzte Kommission sei von der Regierung in Verruf erklärt worden. Der Grund hierfür sei klar, denn je mehr man das Oberhaus ausbilde, um so stärker werde es sein. „Die Haltung“, fuhr Lansdowne fort, „an der wir festhalten, ist vernünftiger und konstitutioneller als die Haltung der Regierung. Wir behaupten, daß das Haus der Lords für die Freiheiten des Volkes und für eins seiner kostbarsten Vorrechte kämpft, nämlich dafür, daß die Nation ein Recht hat, befragt zu werden, bevor eine grundlegende Aenderung in ihrer Gesetzgebung stattfindet.“
Rußland.
Die Reichsduma beriet gestern die Gesetzesvorlage, be⸗ treffend die Unantastbarkeit der Person.
Nach dem Bericht des „W. T. B.“ erging sich der Abg. Markow (extreme Rechte) in den heftigsten Schmähungen gegen Kadetten und Nichtrussen. Die Kadetten verließen schließlich unter heftigem Widerspruch den Saal. Der Präsident entzog dem Redner nach dem siebenten Ordnungsruf das Wort.
Die Vorlage wurde mit 204 Stimmen der Opposition und der Oktobristen gegen 113 der Rechten einer neuen Kommission zur Bearbeitung in Monatsfrist überwiesen.
Italien.
Der König Victor Emanuel hatte, einer Meldung
gestern Besprechungen mit den Präsidenten des Senats und der Kammer, ferner mit dem Marchese Visconti Venosta, dem Senator Finali und mit den Deputierten Sonnino, Boselli, Bettolo und Sacchi.
Wie das „Giornale d'Italia“ erfährt, haben etwa 20 katholische Deputierte in einer Zusammenkunft, bei der der Deputierte Cornaggia den Vorsitz führte, beschlossen, eine politische Kammergruppe unter dem Titel „Demokratisches Zentrum“ zu gründen.
Mit Interesse habe ich beobachtet, daß in
1“
Die thn des Stammes der Beni Sikar haben sich, wie amtlich mitgeteilt wird, vorgestern sämtlich dem spanischen Oberstkommandierenden unterworfen.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichs⸗ tags befindet sich in der Ersten Beilage.
— Der heutigen (4.) Sitzung des Reichstags wohnten der Staatssekretär des Innern Delbrück, der Staatssekretär des Reichsmarineamts, Admiral von Tirpitz und der Staats⸗ sekretär des Auswärtigen Amts Freiherr von Schoen bei.
Ein zunächst auf der Tagesordnung stehender schleuniger Antrag Dr. Ablaß und Genossen wegen Einstellung zweier gegen den Abg. Hanssen (Däne) beim Landgericht Flensburg und beim Reichsgericht schwebender Strafverfahren für die Dauer der Session wurde ohne Diskussion angenommen.
Sodann wandte sich das Haus der Interpellation der Freisinnigen und Sozialdemokraten, betreffend den Werft⸗ betrieb in Kiel, zu.
Abg. Dr. Wiemer (fr. Volksp.) zur Geschäftsordnung: Mit Rücksicht darauf, daß über das Urteil im Kieler Werftprozeß die näheren Einzelheiten heute noch nicht bekannt sind, erscheint es mir erwünscht, die Verhandlungen über die Interpellation um etwa ein bis zwei Tage zu verschieben, falls der Vertreter des Reichkanzlers dann geneigt ist, die Interpellation zu beantworten.
Abg. Singer (Soz.): Ich schließe mich dem durchaus an.
Auf die Frage des Präsidenten erklärte der
Staatssekretär des Reichsmarineamts, Admiral von Tirpitz:
16“ 8
8—
Wenn das hohe Haus die Beantwortung der Interpellation zu ver⸗ schieben wünscht, so bin ich bereit, die Interpellation am Montag zu beantworten.
Präsident Graf zu Stolberg⸗Wernigerode: Ich werde die Interpellation also am Montag auf die Tagesordnung setzen.
In betreff der Interpellationen des Zentrums und der Sozialdemokraten, betreffend den Arbeitsnachweis im Ruhr kohlenrevier, erklärte auf Anfrage des Präsidenten der
Staatssekretär des Innern Delbrück: Ich bin bereit, die Interpellation an einem der nächsten Tage zu beantworten; ich werde mich mit dem Präsidenten bezüglich des Termins demnächst in Ver⸗ bindung setzen.
Zu den Interpellationen des Zentrums und der Nationalliberalen, betreffkend die Pensions⸗ und Hinter⸗ bliebenenversicherung der Privatbeamten, erklärte der
Staatssekretär des Innern Delbrück: Ich bin bereit, diese Interpellation alsbald zu beantworten und werde in den nächsten Tagen deshalb mit dem Präsidenten in Verbindung treten.
In betreff der Interpellation der Sozialdemokraten, betreffend Unterstützung an arbeitslose Tabak⸗ arbeiter, gab der
Staatssekretär des Innern Delbrück die Erklärung ab: Der Staatssekretär des Reichsschatzamts ist nicht anwesend, ich glaube aber in seinem Namen erklären zu können, daß er bereit ist, die Interpellation alsbald zu beantworten.
In betreff der Interpellation der Sozialdemokraten, betreffkend den Mansfelder Bergarbeiterstreik, er⸗ klärte der
Staatssekretär des Innern Delbrück: Ich bin auch hier bereit, die Interpellation in der nächsten Woche zu beantworten.
Zur Interpellation der Freisinnigen, betreffend die Anwendung des Reichsvereinsgesetzes, bemerkte der
Staatssekretär des Innern Delbrück: Ich habe hier dieselbe Erklärung abzugeben.
Hierauf setzte das Haus die gestern abgebrochene erste Lesung der Vorlage, betreffend die Abänderung des § 15 des Zolltarifgesetzes vom 25. Dezember 1902, und des § 2 des Gesetzes, betreffend den Hinterbliebenenver⸗ sicherungsfonds und den Reichsinvalidenfonds vom 8. April 1907, fort.
Abg. Sachse (Soz.): Das Zentrum hat bestritten, daß es mit der lex Trimborn Wahlagitation getrieben habe. Wie unrichtig das ist, geht schon daraus hervor, daß in dem Wahlkreise des Abg. Thaler gerade mit dieser lex Trimborn Stimmenfang getrieben worden ist. Man hat in Wahlflugblättern des Zentrums die größten Unwahrheiten gegen die Sozialdemokratie vorgebracht und ihr verlogene Agitation in bezug auf die Wirkungen des Zolltarifs vorgeworfen. Als ich vor 7 ½ Jahren aus Sachsen nach Westfalen kam und die Agitationsmethoden des Zentrums kennen lernte, da habe ich Augen und Ohren aufgesperrt; ich habe es nicht für möglich gehalten, daß in einer christlichen Partei eine so schofle und verlogene Agitation getrieben werden könnte. Das Zentrum hat keinen Grund, uns vor⸗ zuwerfen, daß wir Brust verdächtigt hätten. Ich erinnere nur an die Affäre Spaniol. (Der Vizepräsident Dr. Spahn ersuchte den Redner, dem er einen weiten Spielraum gelassen habe, sich auf den Gegenstand der Debatte zu beschränken.) Ich möchte den Abg. Giesberts bitten, seinen Einfluß auf die christliche Vereinspresse auszuüben, da⸗ mit seine Freunde sich einer anständigeren Kampfesweise gegen uns bedienen. Der Abg. Becker hat gestern behauptet, der Zolltarif habe nicht den geringsten Einfluß auf die Zentrumspartei bei den Wahlen gehabt. (Vizepräsident Dr. Spahn: Herr Abgeordneter, die Wahlen haben mit dieser Sache garnichts zu tun!) Der Abg. Becker hat gestern ausgeführt, das Zentrum habe nicht den geringsten Stimmen⸗ verlust gehabt. Es muß mir gestattet sein, das Gegenteil zu be⸗ weisen. Ich will nur eins sagen: Bei den Gewerbegerichtswahlen in Essen hat das Zentrum nicht weniger als 1235 Stimmen verloren.
Abg. Stadthagen (Soz.): Wir müssen gegen die Vorlage stimmen, weil die Hinterbliebenen der Arbeiter nach dem § 15 des Zolltarifgesetzes das Recht haben, am 1. Januar 1910 eine Rente zu verlangen. Man sollte auf unseren Antrag eingehen, die notwendigen Beiträge durch Buschläge auf die höheren Einkommen aufzubringen, wenn die Mittel des Reichs nicht ausreichen. Jedenfalls dns das Gesetz rückwirkende Kraft bis zum 1. Januar 1910 erhalten. Der Abg. Trimborn hat das Wertvolle aus seinem Schiff rausgeworfen. Eine Rente von 30 ₰ für den Tag kann als irgend eine Beihilfe für die Witwe nicht angesehen werden. Das wirdvielmehr mit Recht als eine Verhöhnung der Witwen und Waisen bezeichnet. Der Abg. Becker behauptete gestern, daß die Sozialdemokraten bei den Wahlen 1907 Mißerfolge gehabt hätten,
weil, wie Kautsky anerkannt hätte, die Getreidezölle nicht nur den
auf einem Parteitage mitgeteilt haben, daß in
Großgrundbesitzern, sondern auch den Bauern nützten. Wenn er solche Behauptungen aufstellt, muß er sie auch beweisen. Bebel soll ferner . einer geheimen raktionssitzung durch. Zufallsmajorität, da 15 dhosatfin nd nur 11 andere anwesend waren, beschlossen sei, für die Novelle zum Invalidenversicherungsgesetz zu stimmen. Auch diese Behauptung ist nicht richtig. Bebel hat kein Wort davon gesagt. Den Ausdruck von politischer Hochstapelei in bezug auf den § 15 habe ich nicht gebraucht. Es ist nicht wahr, daß das Zentrum immer ir die Invalidenversicherung gewesen ist, es hat vielmehr 1889 gegen das “ gestimmt. Während man ferner die Verteuerungen durch den Zolltarif dadurch anerkennt, daß man die Beamtengehälter erhöht, verkleinert man die Renten der Arbeiter durch diesen so, daß von 20 ℳ 8 ℳ wieder fort⸗ genommen werden. as Zentrum ist aber noch weitergegangen,
es hat auch das schon in Kraft getretene Invalidenversicherungsgesetz aufs energischeste bekämpft; es verlangte eine Beschränkung des Geltungsbereichs des Gesetzes und die Aufhebung des Versicherungs⸗ zwanges für die land⸗ und forstwirtschaftlichen Arbeiter und das Gesinde, endlich auch die 8 des Reichszuschusses, damit die Arbeiter allein die ganze Last zu tragen hätten. Dieser Antrag ist von allen führenden Herren im Zentrum einschließ⸗ lich des Abg. Trimborn unterschrieben! Auch der Abg. Trim⸗ born verlangte also damals, daß die Versicherung der Witwen und Waisen auf das Großgewerbe beschränkt werden sollte! Jährlich sollten 80 — 90 Millionen von 1902 bis 1909 aufgehäuft werden; jetzt sind ganze 42 Millionen vorhanden! Wie kam der Abg. Trim⸗ born dazu, solche Versprechungen zu machen? Dabei hat das Zen⸗ trum selbst Beschlüsse herbeiführen helfen, die diesen Ueberschüssen Abbruch tun mußten; es hat dazu beigetragen, daß von dem, was man den Witwen zugedacht hatte, große Teile gemaust wurden.
(Schluß des Blattes.)
Dem Reichstage ist ein Weißbuch mit Erläuterungen zu den Ergebnissen der in London vom 4. Dezember 1908 bis zum 26. Februar 1909 abgehaltenen Seekriegsre chts⸗
konferenz zugegangen.
Bei der Ersatzwahl eines Mitgliedes des Hauses der Abgeordneten, die am 3. b. M. in dem Stadtkreis Halle und dem Saalkreis im Regierungsbezirk Merseburg statt⸗ fand, entfielen nach amtlicher Feststellung, wie „W. T. B.“ aus Halle a. d. S. berichtet, auf den Oberpostassistenten Delius (fr. Volksp.) 423, auf den Klempnermeister Grecke (fraktionslos) 243 Stimmen. Delius ist somit gewählt.
Statistik und Volkswirtschat.
Konkurse in Deutschland im 3. Vierteljahr 1909. Nach vorläufigen Mitteilungen des Kaiserlichen Statistischen Amts gelangten im 3. Vierteljahr 1909 im Deutschen Reich 2313 neue Konkurse zur Zählung, gegen 2515 im 3. Vierteljahr 1908. Es wurden 505 Anträge auf Konkurseröffnung wegen Massemangels abgewiesen und 1808 Konkursverfahren eröffnet; von letzteren hatte in 1102 Fällen der Gemeinschuldner die Konkurseröffung beantragt. Be⸗ endet wurden im 3. Vierteljahr 1909.2047 (im 3. Vierteljahr 1908: 1907) Konkursverfahren, und zwar durch Schlußverteilung 1372, durch Zwangs⸗ vergleich 475, infolge allgemeiner Einwilligung 33 und wegen Maßfe⸗ mangels 167. In 938 beendeten Konkursverfahren war ein Gläubiger⸗ ausschuß bestellt. Von den 2313 neuen und den 2047 beendeten Kon⸗ kursverfahren betrafen: natürliche Personen 1695 1665 Handelsgesellschaften .. 92 Genossenschaften . . . 13 andere Gemeinschuldner. 83
Zur Arbeiterbewegung.
Die Streitigkeiten und Ausstände in der Berliner Holz⸗ industrie haben mit der Kündigung der Tarife zugenommen. Die Holzarbeiter haben, wie die „Voss. Ztg.“ berichtet, über zehn Betriebe in Groß⸗Berlin Sperren verhängt, die Bauarbeiter über vier. Ferner sind sämtliche Betriebe in den Städten Lucken⸗ walde und Magdeburg sowie in Sommerfeld bei Berlin ge⸗ sperrt.
In Crefeld ist, der „Köln. Ztg.“ zufolge, der Ausstand der Buchbinder und Kartonnagearbeiter beendet. Die Akkord⸗ arbeit wird wieder eingeführt, dagegen die Arbeitszeit von 57 auf 55 ½ Stunden herabgesetzt und der Mindestlohn für Erwachsene von 23 auf 25 ℳ erhöht. 8
Kunst und Wissenschaft.
Das Königliche Institut für Meereskunde, Georgen⸗ straße 34— 36, veranstaltet in der kommenden Woche, Abends 8 Uhr, folgende öffentliche, Herren und Damen zugängliche Vorträge: Am Montag setzt der Direktor des Instituts, Geheimrat, Professor Dr. Albrecht Penck seine Vortragsreihe über Erinnerungen an seine Reise um die Erde fort und spricht über Kiautschou und sein Hinter⸗ land unter Vorführung von Lichtbildern; am Dienstag spricht der Professor Grund Berlin über den Bosporus und die Dardanellen, mit
;perimenten und Lichtbildern; am Freitag der Dr. Neubaur⸗Berlin über die Entstehung und Entwickelung des Suezkanals, gleichfalls mit Lichtbildern. Einlaßkarten sind von 12 bis 3 Uhr Mittags und an den Vortragsabenden selbst von 6 Uhr ab zum Preise von 1 ℳ für den Vortrag am 6. d. M. und von je 25 ₰ für die Vorträge am 7.r und 10. d. M. in der Geschäftsstelle des Instituts zu haben.
Literatur.
Alexander von Gleichen⸗Rußwurm: Geselligkeit, Sitten und Gebräuche der europäischen Welt 1789—-1900. Stuttgart, Verlag von Julius Hoffmann (geh. 8,50, geb. 10 bezw. 12 ℳ). Der stattliche Band enthält ein so. überaus reiches Material, daß man, obwohl der v den Stoff nach einem wohl überlegten Plan gegliedert hat, doch zu der Ueberzeugung kommt, daß hier weniger 19 gewesen wäre. Wären aus jeder der vier Perioden, in die der Zeitraum von 1789 — 1900 geteilt wurde, einige besonders markante Erscheinungen ein⸗ gehender geschildert und von den übrigen nur dies oder jenes gelegentlich als Beiwerk behandelt, so wäre ein anschaulicheres Bild der Geselligkeit entstanden, als es bei dem Nebeneinander fast unübersehbar vieler kleiner Einzelbildchen, die zwischen Wichtigem und Unwichtigem kaum unterscheiden, möglich war. Nichtsdestoweniger wird der Leser, der in der Geselligkeit einer Zeit nur Begleit⸗ erscheinungen, nur die Oberfläche deckende Hüllen des gesamten Kulturzustandes erblickt, in dem Buche ebenso Anregung und ein reiches Material für seine Beobachtungen finden, wie der „Gesellschaftsmensch“, der in den äußeren Lebensformen der erklusiven Kreise den eigentlichen Kulturausdruck sieht. Das Buch zerfällt in vier Hauptabschnitte. Der erste behandelt die Geselligkeit im Zeitalter der Politik (vom neuen, Frankreich bis zum Wiener Kongreß); der zweite in dem des National⸗ gefühls und der Romantik (vom Wiener Kongreß bis zum Revolutions⸗ sacr 1848); der dritte im Zeitalter des Altruismus und Snobismus (1848 is zum Berliner Kongreß) und der letzte die Geselligkeit bis auf die Jetztzeit (Soziale Sehnsucht).
— J. J. Webers Verlagsbuchhandlung in Leipzig hat eine Mappe herausgegeben, die auf feinsten Kunstdruckkartons 14 Bilder Hermann Hendrichs' zum Ring des Nibelungen enthält. Die Vielfarben⸗ drucke sind nach Gemälden und Pastellen des Künstlers mit allen Mitteln einer weitvorgeschrittenen Technik hergestellt; sie zeigen den Tanz der Rheintöchter aus dem Rheingold, Freias Garten, Niebel⸗ heim, Walhall, Hundings Haus, den Walkürenritt, Wotans Abschied von Brünnhilde, Waldweben, den Drachenkampf, die Erweckung Brünnhildes, die Nornen, Wotan, Sieg⸗ frieds Tod und den Schattenzug der Mannen mit Siegfrieds Leiche. Zu den farbenprächtigen Bildern hat der Professor Dr. Wolfgang Golther eine Einleitung geschrieben, die dem Leser einen kurzen Ueberblick über die künstlerische Darstellung bietet, die die Ge⸗ stalten des Nibelungenliedes bisher in Werken der Zeichen⸗, Mal⸗ und Buchkunst gefunden haben. Die schön ausgestattete Mappe wird Verehrern der Hendrichsschen Malerei gewiß sehr willkommen sein; sie kostet 15 ℳ.
— Unter den Menzelschen Friedrichsbildern ist uns die Tafel⸗ runde in Sanssouci wohl am meisten ans Herz gewachsen. So ist es denn ein ausgezeichneter Gedanke der Kunstanstalt Trowi zsch und Sohn in Frankfurt a. Oder gewesen, das berühmte Wich Adolph von Menzels, dies Juwel unserer Nationalgalerie, in vollen⸗ deter farbiger Wiedergabe auf den Weihnachtstisch zu legen. Man weiß, daß das Original leider von Jahr zu Jahr mehr verdirbt und die Risse sich stetig vergrößern — um so wertvoller und wichtiger ist die Trowitzschsche Veröffentlichung, die es in Zeichnung und Farben⸗ enng getreu, mit unvergänglichen Farben herausbringt und jedem Verehrer der beiden genialen Märker, des Königs wie des Malers, zugängig macht. Die Kunstanstalt Trowitzsch und Sohn ist durch ihre farbigen Nachbildungen berühmter Gemälde weit bekannt. Wir erinnern nur an die Toteninsel und den Eremiten von Bocklin, an Thaulows Novembertag, denen die meisterlichen Nachbildungen der Sixtinischen Madonna von Raphael und seiner Madonna della Sedia, denen Ruisdaels Windmühle am Wasser und Giorgiones Konzert würdig zur Seite stehen. Die Tafel⸗ runde Friedrichs II. in Sanssouci schließt sich den oben genannten Meisterwerken nicht nur an, sie geht dank der rastlos fortgeschrittenen Technik in mancher Beziehung noch über sie hinaus. Der Preis für das stattliche Blatt, dessen Bildgröße 53 % 62 ½ cm groß ist, während der Karton mit Titel 76 % 98 cm mißt, beträgt nur 25 ℳ. Das Bild ist in allen Kunsthandlungen zu haben.
— „Als Deutschland erwachte“ nennt sich eine Samm⸗ lung von Lebens⸗ und Zeitbildern aus den Befreiungskriegen, die der Verlag von Gustav Schlößmann (Gustav Fich in Hamburg heraus⸗ gibt. Sie ist auf etwa 30 Bändchen angelegt, von deren bisher 6 erschienen sind, die (1, 2, 4, 5, 6) das Leben der Königin Luise, Blüchers, des Freiherrn vom Stein, Andreas Hofers und Friedrich Friesens behandeln, während das 3. von den Schreckenstagen, die Hamburg in den Jahren 1806— 14 wieder⸗ holt erlebte, erzählt. Die bisher vorliegenden Bändchen sind in gutem Sinn vaterländisch und volkstümlich erzählt und eignen sich besonders für Jugend⸗ und Volksbibliotheken, für die sie auch der niedrig gehaltene Preis von 0,75 ℳ für das Büchlein (in großen Mengen 50 —.42 ₰) empfiehlt. Die äußere Aus tattung der mit farbigen Deckelbildern und Textillustrationen versehenen Hefte ist, auch was Druck und Papier anlangt, durchaus anerkennenswert.
— Helmut der Patrouillenreiter. Eine Kriegserzählung aus Südwest von August Niemann. Mit zahlreichen Abbildungen von Oskar Marté. (Verlag von Otto Spamer in Leipzig. geb. 6 ℳ.) Das frisch und anschaulich geschilderte Buch, das unter jugendlichen Lesern gewiß viele aufrichtige finden wird, führt den 17 jährigen Helden mitten in die Gefahren des Hereroaufstandes und gibt dem Verfasser Gelegenheit, dessen Verlauf mit den Schicksalen des tapferen Patrouillenreiters ungezwungen zu verbinden.
Theater und Musik.
v Komische Oper.
Die Komische Oper führte gestern mit mehr Wagemut als Glück das Werk eines Neulings auf: „Das Veilchenfest“, Sper in vier Akten von Viktor Heindl, Musik von Jan Brandts⸗Buys. Schade daß soviel Aufwand voraussichtlich ziemlich nutzlos vertan worden ist, denn an die Lebensdauer der Oper auf der Bühne sind keine allzu großen Hoffnungen zu knüpfen. Einen Teil der Schuld an dem ge⸗ ringen Erfolg trägt der Textdichter, der es nicht verstand, den an und ür sich netten Vorgang dramatisch zu beleben. Die Handlung spielt in Wien in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts zur Zeit Herzog Ottos des Fröhlichen und knüpft an die Volkssitte an, den Entdecker des ersten Frühlingsvpeilchens dem Liebsten zu vermählen, und zwar führt der Herzog selbst dem bezw. der Glücklichen die Braut oder den Bräutigam zu. Diesmal droht dem ehescheuen Ritter Neidhard Fuchs beim nächsten Veilchenfest das Schicksal, verheiratet zu werden, als Strafe für sein bisher allzu lockeres Leben. Aber alles geht gut aus, denn Ivi, sein Knappe, findet das erste Veilchen; dieser aber ist ein verkleidetes Mädchen, das den Ritter liebt und dem, ihm unbewußt, auch Neidhards Herz Lehört. Eine recht unklare Exposition und Disposition des Stoffes läßt wenig Interesse für den Inhalt aufkommen, und der Musik ist es auch nicht gelungen, diesen Mangel vergessen zu machen. Dabei läßt sich ihr — davon abgesehen, daß sie oft allzu geflissentlich in den Spuren des Bayreuther Meisters wandelt — manches Gute nachsagen. Sie ist schön instru⸗ mentiert, vermeidet Trivialitäten und weist einige bemerkenswerte melodische Einfälle und nicht alltägliche Harmonien auf. Im all⸗ gemeinen aber hebt sie die Gestalten und Vorgänge auf der Bühne nicht pastisch genug hervor, hemmt vielmehr mit allzu schwerem Rüstzeug deren Bewegung. Die Aufführung, unter der Spiel⸗ leitung des Oberregisseurs Moris und der musikalischen Leitung des Herrn von Reznicek, hatte sich mit aller Liebe des Werks an⸗ genommen. Man sah schöne und charakteristische Bühnenbilder, be⸗ sonders eine Frühlingsfestwiese, die der „Meistersinger“ würdig wäre. Den Neidhard sang Herr Zador etwas rauh, aber mit Temperament und gutem Humor, und als Ivi zeichnete sich Fräulein Labia gleicher⸗ maßen — Anmut der Erscheinung wie durch Schönheit der Stimme aus. Ein stattlicher, an Ernst Kraus gemahnender Herzog war Herr Fegsetns und einen humorvollen Pater zeichnete Herr Mantler in Gesang und Spiel mit kräftigen, sicheren Strichen. Die Aufnahme war geteilt, es gab Klatscher und Zischer, aber ernstlich böse war man dem Komponisten nicht.
Im Königlichen Opernhause findet morgen eine Aufführung von „Mignon“ (Anfang 7 ½ Uhr) unter der Leitung des Kapellmeisters Dr. Besl und unter Mitwirkung von Fräulein Hempel, welche hier zum ersten Male die Philine singen wird, statt. Als Gast wird Herr Egénieff von der Komischen Oper den Lothario singen. Außerdem sind beschäftigt: Fräulein Artot de Padilla und die Herren Kirch⸗ hoff, Dahn, Krasa, Platen. Montag wird Richard Wagners „Rienzi“ (Anfang 7 Uhr) gegeben. Dirigent ist der Generalmusik⸗ direktor Dr. Muck. Mitwirkende sind: die Damen Rose Götze, Artôt de Padilla (zum ersten Male in der Rolle des ersten Friedens⸗ boten), die Herren Grüning, Bischoff, Krasa, Mödlinger.
Im Königlichen Schauspielhause wird morgen, Sonntag, E. von Wildenbruchs Schauspiel „Der deutsche König“ und am Montag Molidres „Eingebildeter Kranker“ in der Beecseben Paul Lindaus wiederholt. Die Besetzungen sind bekannt. (Anfang beider Vorstellungen 7 ½ Uhr.) 1
Im ö Königlichen Operntheater wird morgen die Kienzlsche Oper „Der Evangelimann“ (Anfang 7 ½ Uhr) gegeben werden. Mitwirkende sind die Damen Rose, Ober, die Herren Philipp, Hoffmann, Mödlinger, Bachmann, Lieban, Alma. Dirigent ist Dr. Muck.
Im Deutschen Theater beherrscht Schillers „Don Carlos“ den Spielplan der nächsten Woche; außer Donnerstag und nächsten Sonntag, an welchen Tagen „Hamlet“ in Szene geht, wird allabendlich „Don Carlos“ aufgeführt. In den Kammerspielen bringt die dritte diesjährige Erstaufführung, die am Donnerstag stattfindet, das Schauspiel „Das Heim“ (ILe Foyer) von Octave Mirbeau und Thadé Nathazison⸗ Das Werk wird Sonnabend und nächsten Sonntag wiederholt. Morgen und am Dienstag geht der „Arzt am Scheideweg“ in Szene, Montag, Mittwoch und Freitag „Major Barbara“.
Im Neuen Schauspielhause wird morgen „Ihr letzter Brief“, Montag „Das Exempel“, Dienstag 82¾ Uhr) „Faust“ (I. Teil) aufgeführt. Mittwoch beginnt das Gastspiel des Englischen Theaters unter Leitung von Meta Flling mit der Komödie „She stoopbs to conquer“ von Gold⸗ smith, die Sonnabend wiederholt wird. Donnerstag und Sonntag geht „Merely Mary Ann“ von Zangwill, Frettag „The tragedy of Nan“ von Marfield in Szene. Mittwoch und Sonnabend, Nachmittags 3 Uhr, finden Wiederholungen des vüe. nachtsmärchens „König Zipapek“ statt. Mittwoch und Sonntag gibt das Neue Schauspielhaus mit dem Lustspiel „Ihr letzter in der Königlichen Hochschule für Musik in Charlottenburg Gast⸗ vorstellungen.