1909 / 295 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 15 Dec 1909 18:00:01 GMT) scan diff

werden. Einseitige Arbeitsnachweise, wenn sie überhaupt zugelassen sind, müssen unter öffentlicher Kontrolle stehen. Der preußische Handelsminister hat ja einige Verbesserungen an der Einrichtung erlangt; aber wir trauen dem Frieden nicht. Die Gefahr bleibt bestehen, daß die Kandare stärker angezogen werden wird. Ich bitte den Staatssekretär, alle Kräfte aufzubieten, diese Gefahr zu beseitigen. Abg. Bömelburg (Soz.): Die Vorstände der bestehenden Berg⸗ arbeiterorganisationen haben mit ihren Vorstellungen bei dem Zechen⸗ verband wegen anderweiter Gestaltung des geplanten Arbeits⸗ nachweises eine glatte Ablehnung erfahren; auch dem Verband der Arbeitsnachweise, der die Gestaltung auf paritätischer Grundlage empfiehlt, wird es nicht anders gehen. Die Antwort, die die Vor⸗ stände von dem Handelsminister erhalten haben, ist bezeichnend für unsere Verhältnisse. Er lehnt es einfach ab, die Vermittlung zu übernehmen. Wer unsere Zustände kennt, wundert sich darüber nicht. Das Großkapital beherrscht alles, auch die Minister, und im Ministerstürzen leisten die Großkapitalisten schon viel mehr als die Junker; daraus erklären sich ja auch gewisse Minister⸗ worte, wie jenes: „Meine Herren, wir arbeiten ja nur für Sie.“ Natürlich handelt es sich nicht um den Wortlaut des Arbeitsnachweis statuts. Danach ist ja der Zweck der Einrichtung, den Arbeitern Arbeit nachzuweisen. Aber schon durch die bloße Errichtung des Zgwangsarbeitsnachweises wird dem Arbeiter die Freizügigkeit, die freie Wahl des Arbeitsplatzes, genommen. Die Arbeitsuchenden müssen nachweisen, daß sie gekündigt haben, oder daß das Arbeits⸗ verhältnis ordnungsmäßig gelöst ist. Damit wird der gegenwärtige Zustand zuungunsten des Arbeiters verändert, denn bis heute Fucht der Bergarbeiter sich andere Arbeitsgelegenheit, und dann erst kündigt er. Was der Zechenverband dem preußischen Handelsminister in diesem Punkt geantwortet hat, läuft auf eine Täuschung des Ministers hinaus. Diese Verschlechterung ist im Gegenteil be⸗ absichtigt, wie ein Vorgang auf der Zeche Kaiserstuhl bewiesen hat. Der Arbeitgeberbund im Baugewerbe hat dieselbe Bahn beschreiten wollen; die Bauarbeiter werden, das wiederhole ich hier, nie zu einem einseitigen Arbeitsnachweise der Arbeitgeber ihre Zustimmung geben, auf die Gefahr hin, daß das Tarifverhältnis dabei in die Brüche gehen sollte. Die einseitigen Arbeitsnachweise der Arbeitgeberverbände gestatten nach den Erklärungen der Arbeitgeber die Auslese der besten Arbeiter und die Regulierung der Arbeitsbedingungen nach dem Be⸗ lieben der Arbeitgeber, wie auch die Durchführung dieser Nachweise, 8 die konstruiert sind nach dem Vorbilde des Arbeitsnachweises der Hamburger Eisenindustriellen, als ein Kampfmittel ersten Ranges bei Streiks hingestellt wird. Der Hamburger Arbeits⸗ nachweis foll bereits im Besitze von 200 000 Personalkarten sein, auf denen nicht nur die Angaben der Arbeiter, sondern auch der Arbeitgeber stehen; sowie irgend etwas nach Ansicht der Arbeitgeber Tadelnswertes darauf steht, wird der Mann unter dem Vorwande, daß keine Arbeit sei, abgewiesen! Die organisierten Arbeiter sollen auch gezwungen werden, in gesperrte Betriebe zu gehen, weigern sie sich dessen, so werden sie von der Arbeit ausgeschlossen. Das sind keine Behauptungen, sondern Tatsachen, die durch Aeuße⸗ rungen von Sekretären dieser Arbeitgeberverbände erhärtet sind. Diese Arbeitsnachweise sollen nach Aussprüchen derselben Herren einen „erzieherischen“ Einfluß auf die Arbeiter ausüben und sie zu „angemessener“ Gegenleistung veranlassen; sie sollen zur Kontrolle von Streikenden und zur Gewinnung größeren Ein⸗ flusses auf die Lohnfrage dienen und auf allen diesen Wegen die Macht des Unternehmertums stärken helfen. Ganz geklärt wird die Sachlage durch die Praktiken des Mannheim⸗Ludwigshafener Arbeitsnachweises, auf die schon der Vorredner hingewiesen hat. In das schwarze Buch werden eingetragen: Name, Geburtsort, Alter, Militärverhältnisse, Wohnung, Fähigkeiten und Papiere des Arbeiters. s wird unterschieden zwischen mittel, gut, sehr gut und schlecht. Damit wird dem Arbeiter bereits ein Brandmal aufgedrückt. Für weitere Eintragungen besteht eine besondere Stteelerane Kann der Arbeiter den Zuweisungsschein nicht vorweisen, so findet er 14 Tage lang keine Arbeit. Von dem Arbeitsnachweis für Mann⸗

heim⸗Ludwigshafen sind ca. 4⸗ bis 5000 Arbeiter gesperrt worden. Es sind Arbeiter ausgesperrt worden nicht bloß wegen agitatorischer Fätigtei.

sondern auch weil sie einen Leistenbruch oder einen Herzfehler aufwiesen. Das ist eine Niedertracht und Schlechtigkeit. Strolche und Wegelagerer, die einen Menschen hinterrücks überfallen, werden von deutschen Kapitalisten in den Schatten ge⸗ tellt. Die Kontrolle wird jetzt bestimmten Beamten über⸗ ragen, die unter der Fuchtel des Unternehmers stehen, und von denen an die Gewähr hat, daß sie eine Knebelung der Arbeiter durch⸗ hren. Die schwarzen Listen sollen besonders im rheinisch⸗westfäli⸗ chen Gebiet für die Bergherren ein Mittel sein, um die Gesetze zum 1. der Arbeiter zur weißen Salbe zu machen. Um diese Waffe besonders wirksam zu machen, soll der Arbeitsnachweis zentralisiert werden. Es soll ein „Netz gebildet werden, in dem sich die Streiker Een lassen“. Mit der Knechtung und Aushungerung der Arbeiter will das Unternehmertum seine Machtposition befestigen und stärken. Der Arbeitsnachweis richtet sich direkt gegen die Koalition der Arbeiter. Auf der Versammlung des Zentralunter⸗ nehmerverbandes wurde gesagt, man müsse dem Arbeiter deutlich machen, daß er als Knecht geboren sei und auch als solcher sein Leben zu verbringen habe, daß er sich für die ihm in Gnaden ge⸗ währte Zuwendung des Arbeitsverdienstes dankbar zu erweisen habe. Der Kapitalismus ist bereis vom Cäsarenwahn befallen. Auf der Geheimkonferenz im Palasthotel im Anfang dieses Jahres sagte Geheimrat Uthemann: Wir sind Herren im Hause und lassen die Arbeiter nicht hineinreden usw. Die Minister, besonders in Preußen, waren schon von jeher in einem Abhängigkeitsverhältnis von den Junkern, das Kapital will, daß die Regierungen ihre Knechte werden. Auch der Reichstag soll in Zukunft unter ihre Botmäßigkeit ge⸗ bracht werden. Es soll zu diesem Zwecke ein Juliusturm er⸗ richtet werden, von dem nicht nur die Nationalliberalen etwas ab⸗ bekommen sollen, sondern auch das Zentrum, denn es seien auch brave Kerle darunter, denen es darum zu tun ist, die Interessen des Großkapitals zu wahren. Diese Kapitalsprotzen maßen sich in neuerer Zeit das Strafrecht an, sie verhängen Strafen nicht nur über den einzelnen Arbeiter, sondern auch über seine ganze Familie, sie lassen ihn 14 Tage hungern. Soll das deutsche Volk es sich ernsthaft gefallen lassen, daß eine Handvoll beutegieriger Kapitalisten weite Volkskreise sübabige- Ich sage nein und abermals nein. Auch weite bürgerliche Kreise sind dafür, da die Gesetzgebung eingreift. Die Tyrannisierung der Arbeiter vucß die Zuchtrute des Bv“ wird zu einem gewaltigen Ringen wischen Kapital und Arbeit führen. Würde sich das Volk diese nterdrückung und Knebelung gefallen lassen, so würde es mit der Zeit in die elendeste Sklaverei versinken. In diesem Punkte sind alle Arbeiterkreise einer Meinung, auch der Führer der Christlichen Gewerkschaften, Effertz, schreibt der „Germania“, daß der Kampf um den Arbeitsnachweis kommen wird als ein Produkt der Selbsterhaltung der Bergarbeiter, die sich nicht wie Kohle und Eisen auf dem Markt umherwerfen lassen würden, und es werde ein Kampf sein, wie ihn Deutschland bisher nicht gesehen habe, denn es handle sich um die höchsten Güter, die Ehre und die Freiheit. Die Arbeiter werden also den Fenhf für ihre gemeinsamen Rechte führen, und sie werden ihn führen bis zum In allen Parteien, auf der Rechten, bei den Nationalliberalen und beim Zentrum sitzen hochmögende Zechenbesitzer, mögen sie uns sagen, wie sie eigentlich über die Knebelung der Arbeiter denken. Aber selbst diejenigen, die dem Zentrum angehören, beteiligen sich ebensogut an dieser Bewegung wie alle anderen, die Unternehmer 89b. einig, wenn es gegen die Arbeiter geht. Wir standen jetzt im Bergbau kurz vor einem großen Streik, nur die Führer der Organisationen verhinderten ihn, die Arbeiter haben im Vertrauen auf die S1 Se und im Be⸗ wußtsein, daß den Bergherren ein Streik gerade jetzt nur angenehm sein würde, den Streik abgelehnt; sie haben taktisch klug gehandelt, sonst hätten sie den Bergherren die Möglichkeit gegeben, während des Streiks ihre großen Vorräte aufzubrauchen und dann den deutschen Konsumenten von neuem zu schropfen Hoffentlich wird das Vertrauen der Arbeiter zum Reichstag und zur Regierung nicht getäuscht. Wenn

168

die Regierung in diesem Moment nichts tut, ist sie mitschuldig. Es läge nahe, hie Zechenbesitzer geselich zu expropriieren, aber wir wollen nur das Nächstliegende, die Regelung des paritätischen Arbeits⸗ nachweises. Diese ist auch die erste heaeg für eine Arbeits⸗ losenversicherung. Erfahrungen auf dem Gebiete des paritätischen Arbeitsnachweises sind bereits an vielen Orten gemacht worden. Auch einige Unternehmer haben sich auf den Standpunkt des paritätischen Arbeitsnachweises gestellt; im Holzgewerbe ist zwischen Arbeitgebern und Arbeitern der paritätische Arbeitsnachweis vereinbart. Die Gesetz⸗ gebung darf nicht zulassen, daß die Arbeiter durch eine Handvoll Leute in Acht und Bann getan werden. Sollte wider Erwarten die Regierung und der Reichstag nicht das erlösende Wort sprechen, so wird das Volk sagen: Eine Grenze hat Tyrannenmacht, und es wird kämpfen gegen Knechtung und Bedrückung. Die Verantwortung trägt dann die Gesetzgebung.

Staatsminister, Staatssekretär des Innern Delbrück:

Meine Herren! darauf hingewiesen, daß die Frage des Arbeitsnachweises den Reichstag heute nicht zum ersten Male beschäftigt. Meine Herren, sie wird uns heute nicht zum letzten Male beschäftigen, dazu ist die Frage zu wichtig, dazu ist es zu schwer, den richtigen Standpunkt zu finden für die Beurteilung der in dieser Frage gegeneinander stoßenden Interessen. Hinzukommt, daß nach meiner Ueberzeugung die Frage auch für eine Regelung, wie sie die Herren Interpellanten wünschen, zum mindesten nicht reif ist. (Zuruf links: Na, na, warum denn nicht2) Den Anlaß zu der Interpellation und der heutigen Besprechung hat gegeben der Umstand, daß man im Ruhrrevier seitens des Zechenverbands einen Arbeitsnachweis mit Zwangscharakter für die Zechenbesitzer und, dem entsprechend, auch mit indirektem Benutzungszwang für die Arbeiter gegründet hat. Ich habe zu prüfen, ob diese Einrichtung im Ruhrrevier mit den bestehenden Reichsgesetzen im Einklang steht; und ich habe zu prüfen, ob die Vorgänge im Ruhrrevier Anlaß bieten können können oder müssen zu einem alsbaldigen Eingreifen der Gesetz⸗ gebung.

Nun ist die erste Frage, ob der Arbeitsnachweis im Ruhrrevier und ihm ähnliche Einrichtungen im Einklang mit dem bestehenden Gewerberecht stehen oder nicht, von den beiden Herren Rednern, die bisher gesprochen haben, nur gestreift worden; sie ist von keinem unbedingt verneint worden. Ich möchte aber doch mit einigen Sätzen daran erinnern, daß weder das Gesetz über die Freizügigkeit noch die Bestimmungen des § 152 der Gewerbeordnung über die Koalitionsfreiheit, die gleich⸗ mäßig für Arbeitgeber und für Arbeitnehmer gelten, ein Hindernis bilden für die Einrichtung eines derartigen Arbeitsnachweises. Der Arbeiter hat ein Recht, sich seinen Wohnsitz frei zu suchen und zu sehen, ob er dort, wo es ihm beliebt, Arbeitsgelegenheit findet, ein Recht auf Arbeit an einem bestimmten Orte und bei einem bestimmten Unternehmer hat er nicht. Es steht dem Unternehmer frei, sich seine Arbeiter auszuwählen; es steht dem Unternehmer und seinen Organi⸗ sationen frei, die Beschäftigung bestimmter Arbeiter abzulehnen; ebenso wie es den Araeitern und ihren Organisationen freisteht, ihre Arbeitskraft bestimmten Betrieben und den Angehörigen bestimmter Arbeitgeberorganisationen zu versagen, d. h. derartige Betriebe zu sperren.

Ist es nun richtig, daß die Einrichtungen im Ruhrrevier, die heute Gegenstand der Kritik gewesen sind, mit den bestehenden gesetz⸗ lichen Bestimmungen im Einklang stehen, im Einklang stehen nicht bloß mit dem Buchstaben, sondern auch mit dem Sinn und Geist dieser Gesetze, so habe ich mich heute nicht weiter zu beschäftigen mit dem, was der preußische Herr Handelsminister in dieser Angelegenheit getan hat. Das, was die Regierungen der Bundesstaaten, was die ver⸗ antwortlichen Minister der Bundesstaaten im Rahmen der bestehenden Reichsgesetzzebung und im Einklang mit der Reichsgesetzgebung tun und lassen, entzieht sich verfassungsmäßig der Einfluß⸗ nahme des Reichskanzlers und, dem entsprechend, auch der Erörterung in diesem Hause. (Sehr richtig! rechts.) Der preußische Herr Minister für Handel und Gewerbe wird aber im preußischen Abgeordnetenhause (ahay! bei den Sozialdemokraten) gern bereit und imstande sein, diejenigen Einwendungen zu widerlegen, die man hier und anderswo gegen sein Verhalten in dieser Angelegenheit erhoben hat.

Nun, meine Herren, komme ich zu der zweiten Frage: bieten die Vorgänge im Ruhrrevier Veranlassung zu einem sofortigen Eingreifen der Reichsgesetzzebung? Der Herr Abg. Giesberts hat, soweit ich mich erinnere, erschöpfend und zutreffend mitgeteilt, was in dem Statut des Zechenarbeitsnachweises im Ruhrrevier steht. Er hat erschöpfend mitgeteilt, welches Ergebnis die Verhandlungen des preußischen Herrn Handelsministers mit dem Zechenverbande in bezug auf Abänderung der statutarischen Bestimmungen gehabt haben, und er hat daran die Bemerkung geknüpft: wenn man diese Bestimmungen lediglich nach ihrem Wortlaut und den dazu gegebenen Erläuterungen beurteilt, so erscheinen sie harmlos, und wenn sie ihrem Wortlaut nach und loyal gehandhabt wurden, so würde eigentlich kein Bedenken gegen sie zu erheben sein. Der Herr Abg. Giesberts hat auch bereits darauf hingewiesen, daß zweifellos in diesen Ein⸗ richtungen die Wege gewiesen sind zur Verbesserung einer Reihe wie auch er anerkennt unbequemer und unerwünschter Erscheinungen in den Arbeitsverhältnissen des Ruhrreviers. Ich glaube, ich brauche aus diesem Grunde auf die Einzelheiten hier nicht weiter zurück⸗ zu kommen.

Unter diesen Umständen könnte man wohl fragen: ist die reine Möglichkeit, daß der Arbeitsnachweis des Zechenverbandes nicht loyal gehandhabt wird, ein hinreichender Grund, heute mit der Gesetzgebung vorzugehen? Sollte man nicht abwarten, ob die Befürchtungen, die man an diesen Arbeitsnachweis knüpft, tatsächlich in Erfüllung gehen oder nicht? Dem gegenüber hat man nun eingewendet: das ist richtig, aber dieser Arbeitgebernachweis mit Zwangscharakter, wie er im Ruhrrevier entstehen soll, ist nichts Neues, er ist errichtet nach Maßgabe des HamburgerzSystems. Das mag richtig sein, in⸗ sofern der Arbeitsnachweis im Ruhrrevier in gewissen bureaukratischen Einrichtungen dem sogenannten Hamburger System nachgebildet ist. Ich möchte aber hier ausdrücklich feststellen, daß mir einer der Ver⸗ treter des Zechenverbandes gesagt hat: wir denken gar nicht daran (große Heiterkeit bei den Sozialdemokraten), den Hamburger Arbeits⸗ nachweis ohne weiteres auf das Ruhrrevier übertragen zu wollen, wir wissen, daß das nicht möglich ist, wir haben infolgedessen im wesent⸗ lichen die Bestimmungen unseres Arbeitsnachweises abweichend und milder organisiert, als das nach den Bestimmungen des Hamburger Systems

möglich gewesen wäre. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Glauben

1

Der Herr Abg. Giesberts hat bereits vorhin

Sie das?) Ich habe keine Veranlassung, die Mitteilungen, die mir gemacht werden, nicht zu glauben, solange ich nicht in der Lage bin, das Gegenteil zu beweisen. Ihnen das, was Sie mir sagen, glauben (sehr gut! rechts), solange ich nicht in der Lage bin,

was Sie gesagt haben, nicht richtig ist. (Sehr gut!

der für die Stelle passenden, der Verheirateten, der am längsten Ge⸗ meldeten, zu beachten sind, haben die Nachweisstellen im Ruhr⸗ revier den Nachweisschein zu erteilen, sofern ist, sie sind verpflichtet, die Wünsche der sichtigen. die Leistungsfähigkeit der sich meldenden Arbeiter eine Prüfung bezüglich anderer Eigenschaften der Arbeitsuchenden, die vom Standpunkt der Arbeitgeber aus als wesentlich betrachtet werden, auf Grund einer für jeden sich meldenden Arbeiter geführten Personal⸗ karte vorgesehen und ein Ausschluß der Arbeiter aus bestimmten Gründen möglich. Davon weichen die Bestimmungen für das Ruhrrevier in wesentlichen Punkten ab. (Abg. Hue: 30 Mann sind ja vom Ruhrrevier nach Hamburg geschickt und haben das System dort studiert!) Das ist absolut richtig, Herr Hue; die Herren sind nach Hamburg geschickt, wie man mir mitgeteilt hat, und die Pläne, die sie lediglich nach dem Hamburger Muster mitgebracht haben, hat man nicht als zweckentsprechend anerkannt. (Hört! hört! rechts, Zuruf von den Sozialdemokraten.) Ich kann nur das mitteilen, was mir von glaubwürdiger Seite gesagt worden ist.

Derselbe Gewährsmann hat mir aber außerdem das will ich hier gleich einflechten gesagt: Glauben Sie nicht, daß wir irgend etwas tun werden, was ohne Not einen Streit heraufbeschwören könnte. Wer den Streik im Jahre 1905 mitgemacht hat, seine Schrecken, seine schlimmen Folgen für den Unternehmer und für den Arbeiter kennt, wird alles unterlassen, was einen derartigen Streik heraufbeschwören könnte. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Sind auch Arbeiter gehört worden?) Meine Herren, ich bin nur in der Lage, das mitzuteilen, was mir gesagt worden ist. Wenn Sie das nicht glauben wollen, Herr Hue, dann lassen Sie das. (Erneuter Zuruf von den Sozial⸗ demokraten: Wir fragen, warum Sie keine Arbeiter gehört haben?) (Glocke des Präsidenten.)

Also, meine Herren, ich stelle fest, daß zweifellos das strenge Hamburger System weitergehende, die Arbeiter mehr einschränkende Bestimmungen enthält, als die Bestimmungen über den Arbeits⸗ nachweis im rheinisch⸗westfälischen Steinkohlenrevier.

Nun hat man allerdings außerdem Bezug genommen auf eine Reihe von Vorkommnissen, die sich unter der Herrschaft äbnlicher Arbeitsnachweise abgespielt haben sollen. Man hat insbesondere Bezug genommen auf die Vorgänge in Mannheim und Ludwigshafen. Ich bin heute nicht in der Lage, die Richtigkeit dieser Angaben nach⸗ zuprüfen; das ist aber auch nach meiner Ansicht für die Entscheidung der Frage gar nicht notwendig. Denn darüber darf sich ja ein unbefangener Mensch nicht täuschen, daß derartige Arbeitsnachweiseinrichtungen gemißbraucht werden können, daß sie zu Mißständen führen können, die unerwünscht sind. Es fragt sich nur: sind diese Mißstände derartig, daß man ein Loch in unseren bestehenden gesetzlichen Bestimmungen über die Koalitionsfreiheit machen soll oder nicht?

Mein Herr Amtsvorgänger hat, soweit ich mich erinnere, im An⸗ fang dieses Jahres über die Koalitionsfreiheit und über die Zweck⸗ mäßigkeit eventuell gesetzliche Beschränkungen derselben sich hier eingehend geäußert und ist zu dem Ergebnis ge⸗ kommen, daß er im Interesse aller Beteiligten vor einer derartigen Beschränkung warnen müsse. Diese Auffassung teile auch ich. Es handelt sich aber im vorliegenden Falle um eine Beschränkung der Koalitionsfreiheit. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, wenn Sie die Güte haben wollen, sich gegenwärtig zu halten, was ich schon vorhin gesagt habe, daß im § 152 der Gewerbeordnung nicht nur von Arbeitern und Gewerbe⸗ gehilfen, sondern auch von Gewerbetreibenden die Rede ist, und daß gerade in dieser Parität der Gewerbetreibenden und ihrer Arbeiter die einzige Rechtfertigung für die Koalitionsfreiheit liegt, welche die Gewerbeordnung statuiert hat (sehr richtig! rechts, Zurufe von den

Sozialdemokraten), so werden Sie zugeben müssen, daß das Verbot bestimmter Arten einseitiger Arbeitsnachweise ein Eingriff in die Koalitionsfreiheit ist. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, die Herrschaft über den Arbeitsmarkt ist zweifellos wichtig für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Der Kampf um die Herrschaft auf dem Arbeitsmarkt, d. h. um den Arbeitsnachweis, spielt sich ab in dem Rahmen der Koalitionsfreiheit, wie ihn der § 152 der Gewerbe⸗ ordnung gewährleistet. Wenn Sie an eine Beschränkung dieser Koalitionsfreiheit gehen, so werden Sie keinen Gesetzgeber finden, der diese Koalitionsfreiheit einseitig einschränkt, sondern wir werden unter allen Umständen daran festhalten müssen, daß wir das, was wir rechts geben, auch links geben, und was wir rechts nehmen, auch links genommen wird. (Sehr gut! rechts.) Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben sich des Arbeitsnachweises bedient mit vollem Bewußtseiu als eines Machtmittels im Kampfe um die Verbesserung ihrer Arbeits⸗ verhältnisse. Nicht die Arbeitgeber das möchte ich hier betonen haben den Arbeitsnachweis mit Zwangsbenutzung erfunden, sondern es ist eine Erfindung der Arbeitnehmer, und ein großer Teil der Arheit⸗ nehmer hat lange auf dem Standpunkt gestanden, daß der obli⸗ gatorische paritätische Arbeitsnachweis abzulehnen sei (sehr richtig! rechts), solange sie glaubten, daß der einseitige Arbeit⸗ nehmerarbeitsnachweis mit Benutzungspflicht für ihre Zwecke vor⸗ teilhafter wäre. (Sehr richtig! rechts.) Noch im Jahre 1907, glaube ich, hat der Textilarbeiterverband einen Arbeitsnachweis dieses Charakters gegründet, mit der ausgesprochenen Absicht, dadurch einen Einfluß auf den Arbeitsmarkt zu ungunsten der Arbeitgeber zu er⸗ langen. Nun, meine Herren, mache ich Ihnen daraus keinen Vor⸗ wurf, das ist ihr gutes Recht. v1“ 1A1A“

Arbeiter zu

Ich würde auch

nachzuweisen, daß das, rechts.) Während nach dem Hamburger System von dem Beamten des Arbeitsnachweises unter Berücksichtigung der Wünsche der Arbeit⸗ Inehmer und. Arbeitgeber die Arbeiter ausgewählt werden, wobei ge-⸗ wisse Vorschriften für die Auswahl, insbesondere die Berücksichtigung

Arbeit vorhanden berück⸗ Bei dem Hamburger System ist neben der Aufsicht über

11““ No. 295. Schluß aus der Ersten Beilage.)

Ich frage Sie nur: ist es zweckmäßig, heute bei den Unternehmern mit einer Beschränkung des Koalitionsrechtes anzufangen, der gleichzeitig auch eine Beschränkung des Koalitionsrechts bei den Arbeitern folgen könnte. (Ach! ach! bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, halten Sie das fest: das Koalitionsrecht des § 152 der Gewerbe⸗ ordnung ist eine absolut paritätische Einrichtung; es kommt den Arbeitgebern wie den Arbeitnehmern gleichmäßig zugute. (Sehr wahr! rechts. Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Also, meine Herren, ich würde aus grundsätzlichen Erwägungen heraus warnen, irgend einen gesetzgeberischen Schritt namentlich von seiten der Arbeiter zu fordern und zu betreiben, der geeignet ist, in das Gebäude der Koalitionsfreiheit, unter deren Schutze ihre Gewerkschaften groß und mächtig geworden sind, eine Lücke zu reißen.

Aber, meine Herren, von diesen grundsätzlichen Erwägungen ab⸗ gesehen, wollen wir mal die Frage auch lediglich vom Standpunkte der Zweckmäßigkeit aus betrachten. Was verlangen Sie? Sie ver⸗ langen, daß von den drei möglichen Formen des Arbeitsnachweises der paritätische öffentliche Arbeitsnachweis obligatorisch werden soll, und daß der einseitige Arbeitgebernachweis und Arbeitnehmernachweis durch die Gesetzgebung ausgeschlossen werden soll. (Zuruf von den Sozial⸗ demokraten: Beiderseits!) Beiderseits, ja! darüber sind wir uns einig.

Nun frage ich, meine Herren: hat eigentlich die Entwicklung der Dinge, wenn man einmal von den sozialpolitischen Fragen absieht, die in diese Angelegenheit hereinspielen, Veranlassung zu einer der⸗ artigen Forderung gegeben? Ich habe eine große Anzahl von Tarif⸗ verträgen durchgesehen und für 316 Fälle feststellen lassen, wie die Frage des Arbeitsnachweises geregelt ist. Daraus ergibt sich, daß unter diesen 316 Fällen 12 waren, in denen es sich um Arbeitgebernachweise han⸗ delte, von denen 10 obligatorisch waren. In 246 Fällen handelte es sich um Arbeitnehmernachweise (hört! hört! rechts), von denen 105 obligatorisch waren. (Hört! hört! rechts.) In 41 Fällen, von denen 29 obligatorisch waren, handelte es sich um paritätische Arbeits⸗ nachweise, in 10 Fällen, von denen 4 obligatorisch waren, um öffent⸗ liche Arbeitsnachweise, und in 7 Fällen, von denen 5 obligatorisch waren, um Innungsarbeitsnachweise. Daneben habe ich aber auch festgestellt, daß in diesen fraglichen Tarifverträgen 20 Fälle waren, in denen die ausschließliche Beschäftigung organisierter Arbeiter durch den Tarif festgelegt wird. (Hört! hört! rechts.)

Nun, meine Herren, habe ich ferner einige Zahlen, die für Sie nicht ohne Interesse sein dürften. Nach dem Reichsarbeitsblatt von 1908 haben in diesem Jahre erzielt öffentliche Arbeitsnachweise rund 800 000 Vermittlungen, Arbeitgebernachweise rund 165 000 Ver⸗ mittlungen, Arbeitnehmernachweise rund 256 000 Vermittlungen und paritätische Facharbeitsnachweise 88 000 Vermittlungen. Nun, meine Herren, wenn Sie diese Zahlen, von denen ich ohne weiteres anerkenne, daß sie weder Anspruch auf Vollständigkeit machen können, noch in sich unbedingt vergleichbar sind, ansehen (Zuruf: Und außerdem nichts beweisen!) warten Sie doch ab, Herr Hue, ob und was ich damit beweisen will! ich sage: selbst wenn ich anerkenne, daß diese Zahlen nicht erschöpfend sind, daß sie in sich nicht vergleichbar sind, so bestätigen sie doch das Bild, das ich aus dem Studium der mir zugänglichen Literatur gewonnen habe, nämlich daß der paritätische Arbeitsnachweis, namentlich der öffentliche, keineswegs sich der Ver⸗ breitung erfreut (na also! bei den Sozialdemokraten), wie man vor⸗ aussetzen müßte, nach dem Lobe, das ihm unsere Sozialtheoretiker im allgemeinen spenden. Es ergibt sich ferner, daß im allgemeinen der Facharbeitsnachweis der Arbeitgeber wirtschaftlich leistungsfähig ist, weil er der technisch vollkommenste ist, und es ergibt sich endlich, daß in einer großen Anzahl von Fällen, in denen die Frage des Arbeit nachweises in Tarifverträgen geregelt ist, diese Verträge keineswegs den paritätischen Arbeitsnachweis als die Norm aufzuweisen haben, sondern daß in einer großen Anzahl von Fällen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich auf den Arbeits⸗ nachweis der einen oder der anderen Partei geeinigt haben, die allerdings das erkenne ich ohne weiteres an in diesem Falle insofern einer paritätischen Kontrolle unterstanden, als sie ja der Kontrolle der Tarifkommission unterworfen waren. (Na also! bei den Sozialdemokraten.)

Nun, meine Herren, ist ja ferner anzuerkennen, daß die Zahl der paritätischen Arbeitsnachweise vielleicht nicht so groß ist, wie man nach der Zahl seiner augenblicklichen Verehrer annehmen zu müssen glaubt, weil in dem Kampf zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern der einseitige Arbeitsnachweis in einer großen Anzahl von Fällen von beiden Seiten ungern preisgegeben wird. Trotz alledem aber wird man sich über eins nicht täuschen können:

daß in dem paritätischen öffentlichen Arbeitsnachweis immerhin eine gewisse technische Schwerfälligkeit liegen wird, die mit allen mehr oder weniger bureaukratisch organisierten Einrichtungen verbunden zu sein pflegt. Es ist für einen großen paritätischen öffentlichen Arbeitsnachweis sehr viel schwieriger, besondere Wünsche des Arbeitgebers zu befriedigen und auch den einzelnen Arbeiter seinen Fähigkeiten entsprechend zu plazieren, als einem einseitigen Unternehmernachweis unter einer entsprechenden technischen Leitung.

Aber, meine Herren, selbst wenn man über diese Bedenken hinwegkäme und ich bin keineswegs etwa gewillt, in diesen Ausführungen ein Hindernis für eine Durchführung des obligatorischen paritätischen Arbeitsnachweises überhaupt zu sehen —, so bleibt doch zurzeit eine große Reihe anderer gewichtiger Bedenken gegen eine zwangsweise Einführung der paritätischen Arbeitsnachweise bestehen.

Diese liegen in den Schwierigkeiten, die dadurch entstehen können, daß einmal der paritätische Arbeitsnachweis, der ja doch schließlich auf ein gutwilliges Mitarbeiten beider Teile, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, basiert ist, nicht funktioniert. Meine Herren, was soll werden, wenn die Arbeitgeber es ablehnen, in den Arbeitsnachweis ihre

Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember

eines paritätischen Arbeitsnachweises ihrerseits aus irgend einem Grunde die Geschäfte niederlegen? Was soll werden, wenn in strittigen Fragen diese beiden sich nicht einigen können? Für alle diese Fälle gibt es nur eine Lösung: daß man diesem paritätischem Arbeitsnachweis eine unbeteiligte Spitze in der Person eines Staats⸗ oder Kommunalbeamten gibt. Dieser Staats⸗ und Kommunalbeamte wird dann sehr häufig in die unbequeme Lage kommen, in schwierigen Fällen allein entscheiden zu müssen, und damit tritt das ein, was sonst in diesem hohen Hause immer so sehr bekämpft wird, nämlich eine Bureaukratisierung des Wirtschafts⸗ lebens, deren Konsequenzen heute nicht zu übersehen sind.

Trotz aller dieser Bedenken stehe ich aber keineswegs auf dem Standpunkt, daß man den paritätischen Arbeitsnachweis als solchen von der Hand weisen soll. Ich bin nur der Ansicht, daß heute der Zeitpunkt nicht gekommen ist, um ihn obligatorisch zu machen, und daß wir wahrscheinlich auch noch lange werden warten müssen, bis wir zu der Möglichkeit einer obligatorischen Durchführung kommen. Auf der anderen Seite verkenne ich nicht, daß der paritätische Arbeitsnachweis für eine ganze Reihe von Betrieben notwendig und nützlich ist. Ich stehe auch auf dem Standpunkt, abweichend von Herrn Bömelburg wenn ich ihn recht verstanden habe —, daß eine Zentrali⸗ sation des Arbeitsnachweises für einen großen Teil unserer Betriebe außerordentlich wünschenswert ist, und aus diesem Grunde bin ich der Meinung, daß man an sich wohl bestrebt sein sollte, die allmähliche Einbürgerung und Durchführung des obli⸗ gatorischen, paritätischen Arbeitsnachweises zu fördern.

Meine Herren, in dem Etat des Reichsamts des Innern ist in diesem Jahre zum ersten Mal im Ordinarium ein Betrag von 30 000 ausgeworfen mit der Zweckbestimmung der Förderung des Verbandes deutscher Arbeitsnachweise. Das ist eine Summe, die prinzipaliter für Propagandazwecke verwandt werden soll. Ich erkenne ohne weiteres an, daß lediglich mit dieser Propagandaunterstützung nicht viel erreicht werden kann, wenn nicht noch andere Maßnahmen ergriffen werden, und ich sehe ein weiteres Mittel zur Förderung des paritätischen öffentlichen Arbeitsnachweises in den Bestimmungen des Stellenvermittlergesetzes, das ich hoffe dem Reichstage demnächst vorlegen zu können. In diesem Entwurf, wie er jetzt gestaltet ist ich weiß nicht, ob er genau so aussieht, wenn ich ihn in einigen Wochen hier vorlegen werde —, ist die Be⸗ stimmung enthalten, daß gewerbsmäßige Stellenvermittler einer Konzession der Behörde bedürfen, daß diese Konzession nur erteilt werden darf, wenn ein Bedürfnis für den Betrieb nachgewiesen ist, und daß das Bedürfnis für einen derartigen Betrieb zu verneinen ist, wenn ein öffentlicher oder gemeinnütziger Arbeitsnachweis in hin⸗ reichender Leistungsfähigkeit vorhanden ist. Diese gesetzliche Bestimmung wird zweifellos in sehr starkem Maße für die Entwicklung des paritä⸗ tischen Arbeitsnachweises wirken; denn ein öffentlicher Arbeitsnachweis kann nach meiner Ansicht nicht wohl anders als paritätisch organisiert sein. In dem Entwurf ist ferner vorgesehen, daß die Bestimmungen des Gesetzes, die zunächst nur auf gewerbsmäßige Stellenvermittler An⸗ wendung finden, durch die Beschlüsse der Landeszentralbehörden auch ausgedehnt werden können auf nichtgewerbsmäßig betriebene Stellen⸗ vermittler.

Ferner habe ich bei dem Studium dieser Angelegenheit den Ein⸗ druck gewonnen, daß die Regelung des Arbeitsnachweises in allererster Linie und am zweckmäßigsten erfolgen sollte durch Tarifverträge. Ich stehe auch keineswegs auf dem Standpunkt, daß der Tarifvertrag überall verwerflich ist. Er ist auf der einen Stelle brauchbar, auf der anderen wieder nicht. Im großen und ganzen ist er zweifellos in vielen Fällen ein zweckentsprechendes Mittel zur Förderung des wirtschaftlichen Friedens, und um dieses zu fördern, erscheinen auch mir die vorhin schon erwähnten Bestimmungen in dem Entwurf eines Arbeitskammergesetzes nützlich, wonach den Arbeitskammern auch die Aufgabe auferlegt werden soll, den Abschluß von Tarifverträgen zu fördern. Da der Gesetzentwurf über die Arbeits⸗ kammern dem Reichstag demnächst zugehen wird, so sehe ich auch in dieser gesetzgeberischen Maßnahme der verbündeten Regierungen ein weiteres Mittel zur Erreichung des Zieles, in dem wir in der Haupt⸗ sache wohl alle einig sind, nämlich des Zieles, allmählich mit den sich entwickelnden Verhältnissen zu einem paritätischen und öffentlichen Arbeitsnachweis zu gelangen.

Wenn ich also kurz rekapitulieren darf, so bin ich der Meinung, daß die Verhältnisse heute bei uns nicht derartig sind, daß wir durch ein Gesetz den öffentlichen paritätischen Arbeitsnachweis obligatorisch machen sollen. Ich bin der Ansicht, daß der paritätisch⸗öffentliche Arbeits⸗ nachweis ein erstrebenswertes Ziel ist, das erreicht werden kann und soll, einmal durch gesetzgeberische Maßnahmen auf dem Gebiete der Stellenvermittlung und andererseits durch gesetzgeberische Maßnahmen bei der Regelung des Gesetzentwurfs über die Arbeitskammern. Das, meine Herren, ist das, was ich zur Sache zu sagen habe.

Nur eine kurze Bemerkung möchte ich noch anknüpfen an das, was der Herr Abg. Bömelburg gesagt hat. Wenn ich den Herrn Abg. Bömelburg recht verstanden habe, hat er uns Ministern den Vorwurf ge⸗ macht, daß wir im Zustande der völligen Abhängigkeit von den Zechen⸗ herren wären, daß wir uns in den Dienst einseitiger Interessen stellten. So liegen die Dinge doch nicht. Wir Vertreter der verbündeten Regierungen wissen uns völlig frei von einer Abhängigkeit von irgend welchen bestimmten Interessen oder Interessentengruppen. Wir fühlen uns völlig frei von dem Bestreben, einer bestimmten Gruppe zu dienen, im Gegenteil, wir sind redlich bestrebt, im Widerstreit der Interessen diejenige Linie zu finden, die zum Erreichbaren und Zweckmäßigen im Interesse der Gesamtheit führt. Wenn aber der Herr Abg. Bömelburg schließlich der Ansicht gewesen ist, daß wir hier bei dieser Gelegenheit die Interessen der Massen der deutschen Arbeiter nicht hinreichend bewerten gegenüber den engbegrenzten Interessen einer kleinen Unternehmerschaft, so bitte ich den Herrn Abg. Bömelburg, eins nicht zu

1

das Kapital vist verteilt durch das ganze deutsche Volk in der Hand kleiner Rentner, in der Hand armer Witwen, in der Hand von Waisen und Vormündern. (Zurufe bei den Sozial⸗ demokraten.) Meine Herren, wir erfüllen nur eine Pflicht, wenn wir ernstlich bestrebt sind, bei allen Maßnahmen der verbündeten Re⸗ gierungen ausgleichende Gerechtigkeit zu üben zwischen den auf der einen Seite und allen denen, die ans den großen unternehmungen, in denen diese Arbeiter beschäftigt sind, schaftliches Interesse haben. (Bravo! rechts.) 8

Auf Antrag der Abgg. Freiherr von Hertling (Zentr.) und Singer (Soz.) beschließt das Haus die Besprechung der Interpellationen.

Abg. Beuchelt (dkons.): Es besteht doch schon seit Jahren eine Reihe von Arbeitsnachweisen, die von Arbeitgeberverbänden errichtet worden sind und verwaltet werden. Die Zentrumsinterpellation behauptet nun, daß durch diese einseitigen Arbeitsnachweise mit Zwangscharakter die Rechte der Arbeiter, namentlich die Fre zügigkeit, beeinträchtigt werden, und der Wortlaut der Interpellation der Sozialdemokraten ist noch schärfer. Was ist denn geschehen, um diese Schärfe zu rechtfertigen? Der Verband der Zechenbesitzer hat einen Schritt getan, den vor ihm schon 150 Arbeitgebe verbände getan haben. Aus der Tatsache der Errichtung dieses Arbeitsnachweises in Essen allein läßt sich also die Aufregung der Bergarbeiter nicht erklären. Die Ursache der Verbitterung und Erregung soll in einzelnen Bestimmungen dieses Arbeitsnachweises liegen. Ich finde meinerseits keine einzige Bestimmung, die die Vertragsfreiheit oder die Freizügigkeit der Arbeiter in Frage stellt. § 4 enthält die Bedingungen, unter denen Arbeit nachgewiesen wird. § 6 gibt an, wo, und § 9 besagt, wann die Arbeit angetreten werden muß; in keinem Punkte wird den Arbeitern ein Recht, das sie besitzen, irgendwie beschnitten. Es steht ferner fest, daß die so angefochtene sechsmonatige Aussperrung jetzt auf 14 Tage beschränkt ist; das ist ein unverkennbares Entgegen kommen des Zechenverbandes gegen die Bergarbeiter. Dem Unwesen der Boykottierung einzelner Zechen durch die Arbeiter aber wird durch den Arbeitsnachweis wirksam entgegengetreten werden können. Die schwarzen Listen des Zechenverbandes verschwinden, es geht alles in größter Oeffentlichkeit vor sich. Unfaire Handlungen werden auch wir jederzeit mißbilligen. Das Kohlensyndikat hat auch ausdrücklich erklärt, daß es Mängel, die sich herausstellen sollten, gerne zu mildern und zu beseitigen bereit ist. Nach dem bisherigen Material können wir Konservativen also den Stab über die neue Einrichtung des Zechenverbandes nicht brechen. Gegen das Verlangen der einheit⸗ lichen Regelung des Arbeitsnachweises von Reichs wegen müssen wir uns ganz entschieden erklären. Die beste Lösung der Frage ist die lokale und berufliche. Das Risiko der Arbeit wird immer dem Arbeitgeber verbleiben; sehr notwendig ist für ihn in vielen Betrieben eine richtige Auswahl der Arbeitskräfte. Vielfach sieht man ja in Arbeiterkreisen die Wohlfahrtseinrichtungen der Unternehmer als arbeiterfeindliche Schöpfungen an; diese falsche Anschauung muß verschwinden. Ich hatte in meinem Betriebe meinen Arbeitern einen Fonds überwiesen, aus dem bei Verheiratung von Arbeitern die Wirtschaftseinrichtung beschafft werden sollte, um die Leute vor Abzahlungsgeschäften usw. zu bewahren; auch in dieser Fürsorgeeinrichtung erblickten die lokalen Führer der Sozial⸗ demokratie eine Einschränkung der Freizügigkeit der Arbeiter! Eine Störung des Ausgleiches der Interessen der Arbeiter und der Unternehmer können wir in dem Arbeitsnachweis des Zechen⸗ verbandes noch nicht erblicken.

Hierauf vertagt sich das Haus.

Scchluß gegen 6 ½ Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch vor⸗ mittag 11 Uhr. (Nachträge zum Etat für 1909, Fortsetzung der eben abgebrochenen Besprechung, Interpellation Linck Pachnicke, betr. die Verfassungsfrage in Mecklenburg.)

Handel und Gewerbe. G

(Aus den im Reichsamt des Innern zusammengestellten „Nachrichten für Handel und Industrie“.)

Italiens Außenhandel in Kunstgegenständen 1908 unter besonderer Berücksichtigung von Florenz.

Im Jahre 1908 sind von Florenz insgesamt 46 139 Stück Kunst⸗ gegenstände im Werte von 4 825 250 Lire ins Ausland ausgeführt worden, und zwar moderne Kunstwerke: Malerei 2740 Stück im Werte von 826 100 Lire, Skulpturen 10 015 Stück im Werte von 1 834 950 Lire, andere Kunstsachen 31 449 Stück im Werte von 1 891 510 Lire; antike Kunstwerke: Malerei 298 Stück im Werte von 147 280 Lire, Skulpturen 42 Stück im Werte von 27 450 Lire, andere Kunstsachen 1595 Stück im Werte von 97 960 Lire.

Der Wert der aus ganz Italien exportierten Kunstsachen betrug 8 586 822 Lire, woran folglich Florenz mit mehr als 50 % beteiligt ist. Nach den Bezugsländern verteilt sich die Gesamtausfuhr, wie folgt: Deutschland 1 907 000 Lire, Oesterreich⸗Ungarn 895 000 Lire, Frankreich 1 633 000 Lire, England 783900 Lire, Schweiz 740 000 Lire, Vereinigte Staaten 1 841 000 Lire. (Aus einem Bericht des Kaiserlichen Konsulats in Florenz.)

Serbien.

Anmeldung von Waren, die von Reisenden und über⸗ haupt aus dem Ausland kommenden Personen mitgeführt werden. Der serbische Finanzminister hat durch Erlaß vom 21. Ok⸗ tober d. J., Z. Nr. 21 007, zur Erleichterung des Verkehrs der Reisenden und sonstigen Personen angeordnet, daß die Zollämter von Reisenden und sonst vom Ausland kommenden Personen für Waren, deren Wert bei Reisenden 100 Dinar und bei anderen Personen 10 Dinar nicht übersteigt, keine schriftliche Anmeldung verlangen. Als Personen der letztgenannten Art sind solche zu erachten, die tagsüber ins Ausland gehen. (Srpske Novine.)

Zolltarifierung von Waren. Laut Erlasses des serbischen Finanzministers vom 14.,/27. Oktober d. J., Z. Nr. 20 568, sind aus Vaselin, Fettöl, Seife und Wachs hergestellte Präparate zum Schmieren und Putzen von Leder bei der Einfuhr nach Nr. 192 des Tarifs zu verzollen, weil sie ihrer Zusammensetzung und Ver⸗ wendung nach den Waren der Nr. 192 am nächsten stehen. (Ebenda.)

Zum Zolltarif. Laut Erlasses des serbischen Finanzministers vom 7./20. Oktober d. J., Z. Nr. 16 064, befindet sich in der Unter⸗ abteilung 1 der Nr. 433 des Zolltarifs ein Druckfehler, und zwar hat diese Tarifstelle statt „aus weichem Holze oder furniert mit hartem Holze“ zu lauten: aus weichem Holze oder furniert mit solchem Holze“. (Ebenda.)

vergessen. Die Zechenherren sind nur zu einem kleinen Teile

Delegierten zu schicken? Was soll werden, wenn die Arbeitnehmerbeisitzer

Eigentümer des Kapitals, das in den Zechen arbeitet, sondern