1910 / 21 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 25 Jan 1910 18:00:01 GMT) scan diff

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Das vorerwähnte Zeugnis einer geprüften Turnlehrerin hat sich darüber auszusprechen, daß und wie die genannten Uebungen von der Bewerberin geleistet worden sind.

Berlin, den 10. Januar 1910. 1

der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinalangelegenheiten. Im Auftrage:

Müller.

Bekanntmachung.

Des Königs Majestät haben durch Allerhöchsten Erlaß vom 8. d. M. zu geruht, daß der Provinzial⸗ landtag der Provinz Sachsen zum 6. März d. J. nach der Stadt Merseburg berufen wird. Die Eröffnung des Pro⸗ vinziallandtags wird an diesem Tage, Mittags 12 Uhr, im Ständehause zu Merseburg erfolgen; ihr wird in der Schloß⸗- und Domkirche um 10 Uhr ein Gottesdienst voraufgehen. Magdeburg, den 20. Januar 1910. Der Königliche Kommissarius ppräsident der Provinz Sachsen. vC11X4“

Deutsches Reich. 8

Preußen. Berlin, 25. Januar.

Ihre Majestät die Kaiserin und Königin empfingen

gestern abend im hiesigen Königlichen Schlosse die Fürstin

Lichnowski, Mutter der Gräfin Redern, und die Fürstin Lichnowski, geb. Gräfin von und zu Arco.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Handel und Verkehr, für Justizwesen und für das Seewesen hielten heute eine Sitzung.

im Reichsversicherungsamt gefertigten Zusammenstellung, die auf den Mitteilungen der Vorstände der Versicherungsanstalten und der zugelassenen Kasseneinrich⸗ tungen beruht, betrug die Zahl der seit dem 1. Januar 1891 bis einschließlich Dezember 1909 von den 31 Versicherungsanstalten und den 10 vorhandenen Kassen⸗ einrichtungen bewilligten Invalidenrenten (§§ 9, Absatz 2 und 10 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes und 15 Absatz 2 des Invalidenversicherungsgesetzes) LEWTT1 Davon sind infolge Todes oder Auswanderug des Berechtigten, Wiedererlangung der Erwerbs⸗ fähigkeit, Bezugs von Unfallrenten oder aus anderen 4“ 8 8 .Januar 1910 liefen. 893 585 gegen . 885 950: am 1. Oktobex 1909. 11“ Die Zahl der während desselben Zeitraums be⸗ „„ villigten Nhe ber⸗ sten (§§ 9 Absatz 4 des In⸗ 8 validitäts⸗ und Mteersverst erungsgesetzes und 15 Absatz 3 des Invalidenversicherungsgesetzes) betrug 8 avon sind infolge Todes oder Auswanderung des Berechtigten oder aus anderen Gründen weg⸗ gefallen 1“ odaß am 1. Januar 1910 liefen.

am 1. Oktober 1909. Invalidenrenten gemäß § 16 des Invaliden⸗ versicherungsgesetzes (Krankenrenten) wurden seit veeeee—“ Davon sind infolge Todes, Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit oder aus anderen Gründen XX“

sodaß am 1. Januar 1910

am 1. Oktober 1909. 14 Beitragserstattungen sind bis zum 31. Dezember 1909 bewilligt: 8

a. an weibliche Versicherte,

7 7„

1 2

7.

379 020. 102 362 103 558

. . . . . . .

gegen

103 192.

84 690, 18 502 18 653

gegen

die in die Ehe getreten 1 962 340 ge . 1 919 838, an versicherte Personen, die durche einen Unfall dauernd erwerbs⸗ unfähig im Sinne des Invaliden⸗ versicherungsgesetzes geworden sind gegen. an die Hinterbliebenen von Ver⸗ sicherten .437 967

sind

6 026 5 896,

gegen 429 706 zusammen gegen um 30. September 1909.

7

Der Bevollmächtigte zum Bundesrat, Königlich württem⸗ bergische Wirkliche Geheime Kriegsrat von Wunderlich ist i Berlin angekommen.

Der Oberregierungsrat Dr. Diderichs aus Arnsberg ist dem Regierungspräsidenten in Düsseldorf als zweiter Ober⸗ regierungsrat zugeteilt, dem Oberregierungsrat Stiller aus Arnsberg ist die von ihm kommissarisch verwaltete Stelle des Dirigenten der Finanzabteilung in Angelegenheiten der Ver⸗ waltung der direkten Steuern bei der Königlichen Regierung in Potsdam endgültig übertragen worden. 1 b Der Landrat Kesselkant ist aus dem Kreise Mayen, Regierungsbezirk Koblenz, in gleicher Amtseigenschaft in den Kreis Düren, Regierungsbezirk Aachen, versetzt, der Regierungs⸗ rat a. D. Dr. jur. Martin Richter ist als Regierungsrat wieder in die allgemeine Staatsverwaltung übernommen und der Königlichen Staatsregierung in Potsdam zugeteilt, dem Regierungsrat Kleine in Hannover ist die kommissarische Ver⸗ waltung des Landratsamts im Kreise Leer, Regierungsbezirk Aurich, dem Regi sassessor Dr. Hagedorn in Berlin die

v14“*X“ 88 kommissarische Verwaltung des Landratsamts im Kreise Schleswig, Regierungsbezirk Schleswig, und dem Regierungs⸗ assessor von Pommer Esche die kommissarische Verwaltung des Landratsamts im Kreise Grätz, Regierungsbezirk Posen, übertragen worden. X“X“ der Geheime Regierungsrat Mohr in Liegnitz ist der Königlichen Regierung in Bromberg, der Regierungsrat Reinecke in Aachen der Königlichen Regierung in Oppeln, der Regierungsrat Adolf Schmidt in Hildesheim der Königlichen Regierung in Bromberg, der Regierungsrat Mand in Trier der Königlichen Regierung in Liegnitz, der Regierungsrat Parey in Hannover der König⸗ lichen Regierung in Schleswig, der Regierungsrat Dr. Dietrich in Koblenz der Königlichen Regierung in Posen, der Regierungsrat Freiherr Röder von Diersbu rg in Koblenz der Königlichen Regierung in Potsdam, der Regierungsassessor Dr. Wehrmann, bisher in Bromberg, der Königlichen Kanalbaudirektion in Hannover, der Regierungs⸗ assessor Dr. von Müller in Berlin der Königlichen Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern in Berlin, der Regierungsassessor Dr. Pantenburg in Mohrungen dem König⸗ lichen Polizeipräsidium in Berlin, der Regierungsassessor Graf von Spee aus Kolberg der Königlichen Regierung in Cöln, der Regierungsassessor Dr. Gottheimer in Braunsberg der König⸗ lichen Regierung in Aachen, der Regierungsassessor Dr. Mallinckrodt in Beeskow der Königlichen Regierung in Koblenz, der Regierungsassessor Freiherr von dem K nesebeck— Milendonck in Belzig der Königlichen Regierung in Trier, der Regierungsassessor Dr. Schmitz in Osterode (Ostpr.) der Königlichen Regierung in Koblenz und der Regierungsassessor Dr. Schwarz in Schleswig der Königlichen Regierung in Hildesheim zur weiteren, dienstlichen Verwendung überwiesen worden. Die Regiersx llsbars Janetzki aus Königsberg, von Garnier aus Oppeln, von Sperber aus Frankfurt a. O., Heinichen aus Schleswig, von Kühlewein aus Münster und von Knebel⸗Doeberitz aus Frankfurt a. O. haben die zweite Staatsprüfung für den höheren Verwaltungs⸗ dienst bestanden. “““ Der neuernannte Regierungsassessor Janetzki aus Königs⸗ berg ist dem Landrate des Kreises Wanzleben und der neu⸗ ernannte Regierungsassessor von Sperber aus Frankfurt a. O. dem Landrate des Kreises Herzogtum Lauenburg zur Hilfeleistung in den landrätlichen Geschäften zugeteilt worden.

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Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Hansa“ vorgestern in Palermo eingetroffen und geht am 31. Januar von dort nach Algier in See. 1 S. M. S. „Bremen“ ist vorgestern in Corral (Valdivia) eingetroffen und geht am 5. Februar von dort wieder in See. S. M. Flußkbt. „Tsingtau“ ist am 22. Januar in Canton eingetroffen.

8* Oesterreich⸗Ungarn. Wö“ ungarise n Abgeordnetenhause spielten sich gestern vor und nach der Programmrede des Ministerpräsidegten Grafen Khuen⸗Hedervary sehr erregte Szenen ab. Mie das „W. T. B.“ berichtet, wurde das neue Kabinett beim Betreten des Saales von der Unabhängigkeitspartei mit heftigem Geschrei empfangen. Inmitten dieses ohrenbetäuben⸗ den Lärmes bat Graf Khuen⸗Hedervary den Präsidenten, das Königliche Handschreiben zu verlesen, in dem der Kabinettswechsel mitgeteilt wird. Doch trat erst nach geraumer Zeit die dazu nötige Stille ein. Bei XSaI1 . 8 . der Debatte, die sich über den Vorschlag des Präsidenten entspann, man möge das Handschreiben zur Kenntnis nehmen und es dem Magnatenhause übermitteln, sah sich der Präsident zunächst zur Anordnung einer Pause genötigt und wurde später, als er zur Abstimmung schreiten wollte, von den Mitglieder der Unabhängigkeitspartei mit Schmährufen über⸗ häuft. Unter wachsendem Lärm mußte der Präsident die Sitzung aufs neue unterbrechen. Nach Wiederaufnahme der Sitzung sprach der Abg. Justh der neuen Regierung das Miß⸗ trauen seiner Partei aus. Dann entwickelte der Minister⸗ präsident das Programm der Regierung, in dem es heißt: 1“ Der Zweck der Kabinettsbildung sei, die lange sich hinschleppende Krise 8 streng gesetzliche, verfassungsmäßige Mittel zu lösen, sowie das Verhältnis zwischen Krone und Nation vor Schaden zu bewahren. Das Kabinett zähle hierbei auf die Unterstützung des Abgeordneten⸗ hauses, sollte diese versagt werden, so beabsichtige das Kabinett, Neu⸗ wahlen anzuordnen. Was die wirtschaftliche Unabhängigkeit betreffe, so sei dieses Recht Ungarns von keinem kompetenten Faktor in Zweifel gezogen worden. Es sei jedoch eine Frage der Zweckmäßigkeit, ob dieses Recht in bisheriger Weise oder abweichend von dem jetzigen System ausgeübt werden solle. In der Bankfrage seien entgegengesetzte Anschauungen aufgetaucht, die Regierung werde seinerzeit einen Vor⸗ schlag unterbreiten, der den Interessen des Landes entsprechen werde. Zur Frage des Wahlrechts erklärte der Ministerpräsident, daß die Einführung der Pluralwahl von der Regierung fallen gelassen worden sei, er stehe auf dem Boden des allgemeinen Wahlrechts, werde jedoch den geschichtlichen Charakter des Staates wahren. Graf Khuen⸗ Hedervary legte darauf das Budgetprovisorium und den Handels⸗ vertrag mit Rumänien vor, und erklärte, ihre Annahme sei unabhängig von der Vertrauensfrage. Die Annahme werde aber einen Prüfstein bilden dafür, ob ein Zusammenwirken mit diesem Hause möglich sei.

Die Rede des Ministerpräsidenten wurde verhältnismäßig ruhig angehört, zuweilen aber von erregten Zwischenrufen und durch Zeichen des Widerspruchs, namentlich von seiten der Justhgruppe, unterbrochen. Die Debatte über den Antrag des Vizepräsidenten Navay auf Ueberweisung der Regierungsvorlagen an eine Kommission wurde auf heute vertagt.

Auch im Magnatenhause hielt der Ministerpräsident gestern seine Programmrede. 3

Mehrere oppositionelle Redner erklärten sich, „W. T. B.“ zufolge, gegen dieses Programm. Graf Stefan Tisza hingegen trat in wärmster Weise für den Ministerpräsidenten ein, der sich große Ver⸗ dienste um das Vaterland erworben habe. Graf Tisza sprach sich nur gegen die Wahlreform aus, die weder der Nation noch der Dynastie Vorteile bringen könne, und wies darauf hin, daß seine trüben Prophezeiungen über den Zwiespalt zwischen Nation und Krone sich bewahrheitet hätten.

Nach weiterer Debatte faßte das Magnatenhaus einen Beschluß, in dem das die Ernennung der Regierung enthaltende Königliche Handschreiben ehrfurchtsvoll zur Kenntnis genommen und die Hoffnung ausgesprochen wird, daß die Regierung im

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Sinne der Gesetze ihre Aufgabe lösen werde.

Frankreich.

Die Deputiertenkammer bewilligte in der gestrigen

Sitzung laut Bericht des „W. T. B.“ einen Kredit von zwei Millionen Francs zur ersten Hilfe bei den Ueber⸗ schwemmungen und setzte dann die Debatte über die Interpellation wegen der Laienschule fort. Nachdem ver⸗ schiedene Redner dafür und dagegen gesprochen hatten, wurde unter Zustimmung des Ministerpräsidenten eine Tages⸗ ordnung Dessoye mit 385 gegen 137 Stimmen angenommen in der die Kammer ihr Vertrauen zur Regierung ausspricht. daß diese die Laienschule gegen alle Gegner verteidigen werde und ihren Entschluß kundgibt, vor dem Auseinandergehen ent⸗ sprechende Vorlagen zur Verteidigung der Laienschule zu be⸗ raten. Alsdann trat Vertagung ein. 8

Niederlande.

In dem Bericht der Kommission der Ersten Kammer über das Nordseeabkommen heißt es laut Bericht des „W. T. B.“ man habe daran gezweifelt, ob Holland Vorteil aus dem Ab⸗ kommen ziehen könne, das seine Neutralität nicht garantiere. In einem Anhang zu dem Bericht drückt der Senator Van Veeckeren, der frühere Gesandte in Stockholm, den Wuns aus, es möge in einer Zusatzerklärung zu dem Nordsee⸗ abkommen eine Garantie dafür gegeben werden, daß Deutsch⸗

land und England im Fall eines Krieges die Neutralität

Hollands respektieren würden.

Türkei.

In der Deputiertenkammer, die auf das Anerbieten der Prinzessin Nazimeh, einer Tochter des verstorbenen Sultanz Abdul Asis, ihre Sitzungen in deren Palais am Bosporus abhält, verlas der Großwesir Hakki Pascha gestern das Regierungsprog ramm, das lebhaften Beifall hervorrief.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ sprach der Großwesir zunächst über die innere Politik des Kabinetts. Die erste Pflicht der Re⸗ gierung sei die Beruhigung der Gemüter, die Befestigung der Ordnung und vernünftiges Hinüberlenken des Volkslebens in normale Bahnen, aus denen es infolge der Aprilereignisse herausgerissen worden sei. Eine Abgrenzung der Befugnisse der Staatsgewalt sei nötig, die Be⸗ amtenfrage müsse gerecht geregelt werden; die Kräftigung der Eintracht zwischen den verschiedenen Nationalitäten sei unerläaßlich, wozu auch die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht beitrage. Dann werden für einige Provinzen angekündigt, ferner der Finanz⸗ lage des Reichs entsprechende Maßnahmen zur Verstärkung der Armee und Flotte behufs Sicherung des Friedens. Die auswärtige

olikik der Türkei beruhe auf der aufrichtigen Freundschaft mit allen Bolinachder und der Freundschaft und dem⸗Vertrauen zu den Nach⸗ barstaaten. Das Kabinett werde die Politik des früheren Kabinetts beibehalten, in dem es seine Vertragspflichten erfülle, gegen niemand illegale oder aggressive Absichten verfolge, aber die Rechte des Vaterlandes verteidige. Die Türkei werde sich bemühen, im Konzert der Mächte ein wichtiges Element des Friedens zu bilden. Der Großwesir schloß: „Jemehr die Legislative und Exekutive die Ver⸗ fassung wahren und sich verfassungswidriger Handlungen enthalten,

destomehr werden sie an Sympathien gewinnen, destomehr werden wir⸗

haben und desto

bei der Wahrung der Rechte der Türkei wSSS eien, die den Fort⸗

leichter uns von den veralteten Kapitulationen be⸗ schritt verhindern.“ 1 3

Niach der Verlesung des Programms besprach der Großwesir einige Hauptpunkte, besonders die Wiederherstellung normaler Ver⸗ hältnisse, und wies auf die Notwendigkeit hin, Reformen in Yemen einzuführen, wo eine regelrechte Verwaltung ganz fehle. Hakki Pascha hob hervor, daß die Türkei in der Kretafrage eine gerechte Politik befolge und Kreta weitgehende Autonomie gewähren werde, aber die

türkischen Rechte wahren und nicht erlauben werde, daß sich ein anderer

Staat einmische. „Unsere Freunde“, erklärte der Großwesir, „ver⸗ standen unsere Wünsche; wir dürfen sie nicht allzu sehr belästigen. Die Regierung wird auch die Kretafrage mit Umsicht behandeln.“

Hierauf folgte eine lange, stellenweise stürmische Debatte.

Die gemäßigten Liberalen, die zum ersten Male als geschlossene Partei auftraten, bezeichneten das Programm als ein leeres Ver⸗ sprechen und verlangten Aufklärungen über den Sturz Hilmi Paschas. Der Führer der Partei, Jsmail Kemal, sprach die Hochachtung vor der Person Hakkis aus; dagegen äußerte er Bedenken gegen die jungtürkischen Minister. Der Bulgare Daltscheff kritisterte die Politik des alten Kabinetts und besprach die Frage der Bandenbewegung, das Vereinsgesetz und die mohammedanische Einwanderung in Mazedonien. Unter lärmender Unterbrechung seitens der Bulgaren warf der Liberale Mufie die Frage des bulgarischen Exarchats auf und besprach die Zollverhältnisse mit Bulgarien. Der Großwesir Hakki Pascha trat den oppositionellen Rednern entgegen und betonte die Verfassungsmäßigkeit des Sturzes Hilmi Paschas.

Sodann nahm die Kammer mit 187 gegen 34 Stimmen ein Vertrauensvotum für das Kabinett an.

Griechenland.

Nach einer Blättermeldung hat der Ministerpräsident dem Grafen Zorbas den Vorschlag gemacht, in das Kabinett einzutreten, um so dem Fortbestehen der Militärliga ein Ende zu machen. Zorbas bedang sich jedoch aus, sich mit der Liga zu beraten.

Die Deputiertenkammer hat gestern ihre Sitzungen wieder aufgenommen.

Rumänien.

Die Deputiertenkammer hat gestern nach einer Meldung des „W. T. B.“ einstimmig das Gesetz, betreffend die Konsolidierung der Schatzreserven, angenommen. Die Reserven werden in der Sparkasse hinterlegt, die Staats⸗ rente kaufen und die Reservefonds kapitalisieren wird. Es ist noch ein Sondergesetz in Aussicht genommen, durch das die Regierung ermächtigt wird, diese Fonds nutzbringend zu ver⸗ wenden. . Bulgarien. 1

Der Kronprinz Alexander von Serbien ist „W. T. B.“ zufolge, gestern nachmittag in Sofia eingetroffen und auf dem Bahnhofe vom König Ferdinand empfangen worden. 1

Amerika. 88

Nach Meldungen des „W. T. B.“ bereitet die amerikanisch Regierung ein planmäßiges Vorgehen gegen alle T und gleichartige Unternehmen vor zur Einschränkung des Wettk⸗ bewerbs mit ungesetzlichen Mitteln.

Wie aus Bluefields von dem oben genannten vi gemeldet wird, hat gestern zwischen den Armeen von Estrada und Madriz bei Acoyapa eine Schlacht begonnen.

Afrika.

Ueber die von der Entschädigungskommission in Casablanca bewilligten Summen wird laut Meldung „W. T. B.“ jetzt folgendes bekannt: 1

Eingereicht waren im ganzen 3506 Entschädigungsforderunge 8 Betrage von 26 473 366 Fr., bewilligt wurden 13 069 642 Fr. 87 Fit seits wurden gefordert 2 469 491, bewilligt 1 297 502 Fr.; spanisc Luaten gefordert 4 850 193, bewilligt 2538 106 Fr.; von den Vereinigten Sta

8 1“ ;.

gefordert 378 995, bewilligt 140 525 Fr.; französischerseits gefordert 4 601 789, bewilligt 1 877 854 Fr.; englischerseits gefordert 2 135 039, bewilligt 1 748 937 Fr.; italienischerseits gefordert 901 827, bewilligt 419 633 Fr.; marokkanischerseits gefordert 8 447 045, bewilligt 3701, 082 Fr. portugiesischerseits gefordert 1 302 367, bewilligt 503 451 Fr. Die Entschädigungsforderungen aus der Besetzung von Grundstücken durch die französischen und spanischen Truppen belaufen sich auf 61, auf die im ganzen 195 710 Fr. bewilligt wurden, von enen 53 171 Fr. auf Deutschland, 99 309 auf Frankreich, 14 990 auf England und 10 563 auf Spanien entfallen.

Parlamentarische Nachrichten.

Der heutigen (23.) Sitzung des Reichstags wohnte der Staatssekretär des Reichskolonialamts Dernburg bei.

Die zweite Lesung des zweiten Nachtrags zum Haus⸗ haltsetat für die Schutzgebiete für 1909 war in der Freitagssitzung hinsichtlich der Position für Deutsch⸗Ostafrika erledigt worden. Für Südwestafrika ist durch einen Nachtrag die Einnahme aus den Diamantzöllen um 3050 000 höher angesetzt, ebenso die Einnahme aus der Bergverwaltung um 1 510 000 ℳ. Zur Verminderung des Schmuggels und Diebstahls von Diamanten sieht der Nachtragsetat eine Ausgabe von 800 000 ℳ, zur Aus⸗ führung des neuen Eisenbahnprogramms der Kolonial⸗ verwaltung in diesem Schutzgebiet (vorgeschlagener Gesamtbetrag 76 Millionen Mark) eine erste Rate von 3 ½% Millionen Mark zum Umbau der Strecke Karibib Windhuk und zum Bau der Nordsüdbahn vor. Die Budgetkommission hat die Ein⸗ nahme aus den Zöllen auf 4 ½ Millionen, diejenige aus der Bergverwaltung auf 1 860 000 erhöht; der Ausgabe⸗ posten von 800 000 soll auf 1 040 000 erhöht werden, um auch „sonstige notwendige Maßnahmen aus Anlaß der Auf⸗ findung der Diamanten“ zu ermöglichen; die erste Rate für die Eisenbahnbauten soll auf 4 900 000 gesteigert und außerdem neu ein Ausgabetitel von 160 000 „zur Gewinnung von Diamanten auf den Diamantfeldern des Fiskus“ eingestellt werden.

Ueber die Petition des Bürgermeisters Kreplin in Lüderitz⸗ bucht um Einsetzung einer Untersuchungskommission zur Prüfung der Gründung der Diamantgesellschaften beantragt die Kommission Uebergang zur Tagesordnung; die Depesche des⸗ selben Petenten an das Reichstagspräsidium in derselben An⸗ bllegenheit soll durch die zu fassenden Beschlüsse für erledigt erklärt werden.

(Schluß des Blattes.)

Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten befindet sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (9.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ eordneten, welcher der Minister für Landwirtschaft ꝛc. on Arnim beiwohnte, wurde die zweite Beratung des Entwurfs des Staatshaushaltsetats für das Rech⸗ ungsjahr 1910, und zwar die Besprechung des Spezial⸗ tats der landwirtschaftlichen Verwaltung, zunächst die i dem Titel der dauernden Ausgaben „Gehalt des

Ministers“ übliche allgemeine Debatte fortgesetzt.

Abg. Westermann (nl.): Meine Freunde sind stets für einen sreichenden der Grenzen ge en die Einschleppung von Vieh⸗ chen gewesen. Wenn gestern behauptet worden ist, daß in der zmmission von liberaler Seite die Grenzsperre als etwas viel Schlimmeres als die Maul⸗ und Klauenseuche bezeichnet worden sei, gilt dies jedenfalls nicht für uns. Mit dem Schutz unseres rtvollen Viehbestandes gegenüber der Einschleppung der 15 vom Auslande muß aber auch Hand in Hand gehen e Bekämpfung der Seuche im Inland. Diese Bekämpfung ist von n Polizeiorganen bisher nicht immer mit dem nötigen Ernst und cchdruck durchgeführt worden. Im vorliegenden Etat sind 40 000 Erforschung der Maul⸗ und Klauenseuche eingesetzt. Wir begrüßen se Forderung mit Freude und hoffen, daß die Tätigkeit der nzurichtenden Viehseuchenbeobachtungsstelle von Erfolg sein wird.

Diese Summe könnte eventuell später noch erhöht werden. ist eine dringende Notwendigkeit, unsere Viehbestände gesund zu alten und noch mehr zu schützen. Es handelt sich um einen großen l unseres Nationalvermögens, und ich möchte deshalb den Minister bitten, dieser wichtigen Frage fortgesetzt seine Aufmerksamkeit uwenden.

Abg. Dr. Hahn (kons.); Da der Abg. Crüger der Konferenz r die innere Kolonisation beigewohnt hat, so hätte ich geglaubt,

er die Ansichten des Freiherrn von Wangenheim zutreffender tteiilen würde, als es tatsächlich der Fall war. Nach den trigen Ausführungen des Abg. Crüger muß jeder, der Herrn Wangenheim nicht kennt, zu einem völlig unzutreffenden Bilde mden Grundgedanken des Herrn von Wangenheim über die Frage inneren Kolonisation gelangen. Freiherr von Wangenheim hat es die erste Aufgabe einer jeden volkswirtschaftlich richtigen Koloni⸗ on bezeichnet, einmal eine große Zahl von Deutschen seßhaft zu chen und zweitens den Grund und Boden richtig auszunutzen. Es tsicherlich niemand hier anwesend, der gegen diese Grundgedanken derspruch erheben könnte, nicht einmal die Sozialdemokraten. Ich soönlich bin sogar zweifelhaft, ob Freiherr von Wangenheim in er milden, menschenfreundlichen Art nicht zu weit ge⸗ gen ist. Ich möchte nicht eine möglichst große Zahl

Leuten seßhaft, machen, sondern wirtschaftlich, moralisch

militärisch tüchtige Deutsche, also nicht etwa ein Proletariat, ondern Deutsche in altem germanischen Sinne. Ob damit noch die sozialdemokratie übereinstimmen würde, fängt an, zweifelhaft zu sein. vbei aller Sozialpolitik handelt es sich in erster Linie um den Schutz

nationalen Arbeit. Wenn wir noch so viel in sozialen Fragen rrimentieren, ohne Erfolge zu erzielen, so kommt dies 8g die wirtschaftlichen Fragen nicht richtig gelöst sind. entlich müßte es von den Parteien der Linken anerkannt werden, ein Mann aus Pommern, aus Hinterpommern, ein Großgrund⸗ ber, ein Freiherr in dieser direkt objektiven, vorurteilslosen Weise rein eigenes Land urteilt. In den Kreisen der Großgrundbesitzer Ostens ist man davon durchdrungen, daß es viele Besitzer denen man einen Teil ihres Landes nehmen kann, um zur Kolonisation zu verwenden. Es wäre oft besser, n diese Großgrundbesitzer weniger Land und mehr Mittel hätten. Westen haben die Grundherren für die Ablösung

Rechte Wertpapiere bekommen. Das war dort möglich, I Kapital vorhanden war. Im Osten fehlte es aber daran. lgedessen haben die Bauern ihre Verpflichtungen dadurch löst, daß sie einen Teil ihres Landes hergaben. Ob diese ung eine günstige war, ist eine andere Frage, aber es

kein anderer Weg möglich. Ungerecht ist es jedenfalls,

darüber zu raisonieren und die heutigen Besitzer für die Maß⸗ men vor 100 Jahren verantwortlich zu machen. Freiherr von agenheim hat allerdings davon gesprochen, daß man sich aber keinen Illusionen hingeben dürfe, daß heute in sehr en Kreisen des Grundbesitzes ein mindestens passiver, eicht auch aktiver Widerstand gegen die innere Koloni⸗ on vorhanden sei. (Hört, hört! links.) Ja, hören Sie nur mer! Solange Erwerbsgesellschaften die innere Kolonisation be⸗ ten, müsse man ihnen mit Fug und Recht entgegenhalten, daß sie

etwas ganz anderes, als was Herr Crüger gestern gesagt hat. Die vielen, die nur aus dem „Berliner Tageblatt“ ihre Anschauungen er⸗ halten, sind also ganz falsch unterrichtet worden Ich hoffe, daß die Blätter, die die Darlegungen des Abg. Crüger gebracht haben, auch so nobel sind, die Richtigstellung zu bringen. Der Provinziallandtag in Pommern hat im vorigen Jahre erklärt, daß eine planmäßige innere Kolonisation für die Provinz Pommern notwendig ist, und gebeten, dem Provinzial⸗ landtage eine Vorlage über die Beteiligung der Provinz Pommern an dieser Kolonisation zu machen. Sie sehen also, daß die Groß⸗ grundbesitzer auf dem richtigen Wege sind, eine planmäßige Kolonisation zu betreiben. ei der inneren Kolonisation muß man Rücksicht nehmen auf die geschichtliche Entwicklung, auf die Grund⸗ und Bodenverhältnisse des Landes. So, wie man in Hannover kolonisiert, kann man es nicht im Osten machen. Bei den Verhandlungen über diese Fragen hat jeder der Herren eine andere Meinung geäußert, ganz natürlich, weil jeder von seinen eigenen Verhältnissen ausgeht. Aus den Darlegungen des Grafen Zedlitz hat der Abg. Crüger auch falsche Schlüsse gezogen. Die Krise der 90 er Jahre ist im Westen ebenso empfunden worden wie im Osten. Sonst könnte der Bund der Landwirte in Hannover nicht 24 000 Mitglieder haben. Aber man konnte sich im Westen schneller darüber hinweghelfen, weil man genügend Mittel hatte. Ich nehme an, alle Parteien, auch die Liberalen, haben den Ehrgeiz, dahin zu wirken, daß die deutsche Landwirtschaft den Bedarf des deutschen Volkes an Brotgetreide und Futtermitteln felbst deckt. Nur dann ist man für den Fall des Krieges gesichert, wenn die nötige Zufuhr aus dem Auslande uns abgeschnitten werden sollte. Deshalb haben wir uns von jeher bemüht, das Inland gegen die Einschleppung von Seuchen zu schützen. Unsere Viehzucht muß so betrieben werden, daß wir bei der Ernährung des Viehs nicht vom Auslande abhängen; sonst kann es dahin kommen, daß, wenn das Ausland uns die Nahrungsmittel für das Vieh entzieht, wir unsere Viehbestände abschlachten müssen und eine Versorgung des Inlandes mit Vieh kauf die Dauer nicht durchgeführt werden kann. Daher ist der Bund der Landwirte für einen Fellschut der Futtermittel im Inlande eingetreten. Die Liberalen haben es nun so dargestellt, als ob der Bund der Landwirte zugunsten des größeren Grundbesitzes der östlichen Provinzen für die Zölle auf Futtermittel eingetreten sei. Das ist unrichtig; gerade mit Rücksicht auf die süd⸗ deutschen kleineren Besitzungen mit geringeren Böden ist er dafür ein⸗ getreten. Wir haben einen gleichmäßigen Schutz aller Getreidearten gefordert, weil wir uns sagten, daß, wenn wir eine Getreideart aus⸗ ließen, sich das Ausland gerade auf die Einfuhr dieses Produktes nach Deutschland werfen würde. Herr Wamhoff und seine Freunde haben die hannoversche Landwirtschaft im Stich gelassen, als sie für die Handelsverträge stimmten. Wenn die Herren mir vorgeworfen haben, daß ich selbst in der Frage als Landwirt nicht mitsprechen könnte, so sage ich Herrn Wamhoff: ich habe sogar so viel Halme auf meinem Grund und Boden, daß er zeit seines Lebens sich damit beschäftigen könnte, diese Halme zu zählen. Billiges Korn und teure Schweine, das gibt es nicht; das allzu billige Korn zieht allzu billige Schweine nach sich.

(Schluß des Blattes.)

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Eine große Lohnbewegung der Berliner Brauereiarbeiter (vgl. Nr. 18 d. Bl.), die sich auf alle in Brauereien beschäftigten Arbeiter erstreckt, wurde am Sonntag durch eine Massenversammlung eingeleitet. Ein neuer, erhöhter Tarif, der die Grundlage der Lohn⸗ bewegung bilden soll, wurde, wie die „Voss. Ztg.“ berichtet, einstimmig angenommen. Gemeinsam für alle 13 an der Bewegung beteiligten Gewerkschaften ist die Forderung einer Verkürzung der Arbeitszeit von 9 ½ auf 8 Stunden. Für Brauer und gelernte Handwerker der sonstigen in Brauereibetrieben tätigen Berufe, z. B. Böttcher, Schmiede usw., wird ein Mindestlohn von 38 die Woche, für Maschinisten und Heizer ein solcher von 36 ℳ, für ungelernte so⸗ genannte Brauereihilfsarbeiter 35 ℳ, für Hof⸗ und Kellerarbeiter 32 verlangt. Um auch die Bierfahrer, deren Einkommen das der übrigen Brauereiarbeiter wesentlich übersteigt, für die Lohnbewegung zu gewinnen, wurden auch für sie Forderungen aufgestellt, und zwar die Gewährleistung eines Mindesteinkommens von 4000 (aus Pro⸗ vision und Wochenlohn) für Faßfahrer und 2800 für Flaschenfahrer. Der neue Tarif wird schon heute den Brauereien vorgelegt.

In Essen haben, der „Köln. Ztg.“ zufolge, die Vertreter des Zentralverbandes der Böttcher einstimmig beschlossen, den Tarif für die Faßfabriken und Werkstellen in Rheinland und Westfalen zum 1. März zu kündigen. Den Unternehmern soll ein neuer, den ver⸗ änderten Verhältnissen entsprechender Tarifvertrag unterbreitet werden.

Der Verein Wuppertaler Seiden⸗ und Kunstseiden⸗ färber hat, wie der „Köln. Ztg.“ aus Barmen gemeldet wird, be⸗ schlossen, falls die ausständigen Färbergesellen bis zum 27. Januar die Arbeit nicht wieder aufgenommen haben, im übrigen Betriebe am 27. Januar die erste Hälfte, am 1. Februar die zweite Hälfte der Färber und Bleicher auszusperren und am 1. Februar auch die vom Streik betroffenen Betriebe, in denen teilweise noch gearbeitet wird, zu schließen. (Vgl. Nr. 16 d. Bl.)

Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Ersten Beilage.)

Kunst und Wissenschaft.

A. F. In der anthropologischen Fachsitzung der Berliner Gesell⸗ schaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte sprach am letzten Sonnabend der Geheimrat, Professor Dr. Waldever „über einige Besonderheiten am menschlichen Schläfen⸗ und Hinterhauptbein“. Etwa ein halbes Dutzend Schädel lagen zur Erläuterung einer merkwürdigen Beobachtung neben dem Redner⸗ pult, während der Vortragende an zwei von ihm auf der Tafel entworfenen anschaulichen Zeichnungen das Wesen der Abnormitäten erklärte. Es handelt sich um gewisse, an Schädeln von Papuas beobachtete eigenartige Höcker, die fast immer an den gleichen Stellen rechts und links am Hinterhaupt auftreten. Bei denselben Individuen finden sich dann auch ähnliche Höcker am Vorderschädel, nämlich am vorderen Ende des Scheitelbeins, je einer rechts und links, ziemlich genau miteinander korrespondierend und stets in Verbindung mit einer dritten Erhabenheit in der Mitte. Der immer vorhandenen Dreizahl halber hat man letztere Abnormität „Dreihöcker“ genannt. Welche Ursachen diese bisher nirgends anders als bei Melanesiern beobachtete Erscheinung hat, bedarf noch weiterer Untersuchung. Aus⸗ geschlossen scheint eine Rasseneigentümlichkeit; denn bisher sind die Höcker nur an männlichen Schädeln gefunden worden. Vermutlich liegt eine durch frühzeitige Gewöhnungen schon im Kindesalter er⸗ worbene Schädelverdickung an Stellen vor, die anhaltendem starken Druck ausgesetzt sind, sei es durch die Lage des Kopfes im Schlaf, beim Liegen auf der Seite und auf harter Unterlage, sei es durch das Tragen von Lasten auf dem Kopfe, deren Gewicht vorzugsweise auf den Stellen lastet, die jene Schädelverdickungen zeigen. Die Er⸗ scheinung ist den Anthropologen zu weiterer Untersuchung empfohlen. Auf eine Frage aus der Zuhörerschaft, ob die Erhabenheiten stets auf beiden Seiten gleich seien, antwortete der Vortragende verneinend. In einem von vielen Lichtbildern begleiteten Vortrage sprach dann der Professor Dr. W. Dieck über „Die Pulpa der Zähne und die sekundäre Dentin⸗Bildung in ihrer anthropologi⸗ schen Bedeutung“. Bekanntlich besitzt jeder Zahn eine Höhle, die sich bis in die Krone erstreckt und den Kanal herstellt, der in der Spitze der Wurzel einen Nerv, eine Arterie und eine Vene

eigenen Interessen, ihre eigenen Geschäfte wahrnähmen. Das ist

aufnimmt, die zusammen die Pulpa bilden, durch welche die Höhle

ausgefüllt und der Zahn ernährt wird. Die n le Bildung der Pulpa ist zumeist mit dem 20. Jahre abgeschlossen. Von da ist sie, je nach der größeren oder geringeren Beanspruchung der Zähne, der Wahl der Nahrungsmittel, der größeren oder geringeren Vorsicht, die angewandt wird, die Zähne gegen extreme Tempe⸗ raturen zu schützen, mit der fortschreitenden Abnutzung der Zähne auch ihrerseits dem Verfall ausgesetzt. Mit dem Untergang der Pulpa hört jede weitere Entwicklung des Zahns auf. Solange sie aber in Funktion ist, hilft sie den sich normal abnutzenden Zahn regenerieren durch Bildung von neuem Dentin, das von dem normalen und ursprünglichen Dentin sich charakteristisch in der Struktur unter⸗ scheidet, stofflich aber mit ihm übereinstimmt. Der Vortragende ist geneigt, die Bildung dieses „sekundären Dentin“ für eine pathologische Erscheinung zu halten. Darin wider⸗ sprach ihm in der Debatte der Professor Dr. Hans Virchow, der einen wohlgeordneten, natürlichen Regenerationsvorgang annimmt, zumal auch die vorgeführten wunderschönen Röntgenphotographien, die alle Zähne mehr oder weniger durchsichtig und alle Einzelheiten deutlich unterscheidbar zeigen, und mehrere ausgezeichnete Mikro⸗ photographien erkennen lassen, welche überaus feine Reparaturarbei die Natur bei noch fungierender Pulpa liefert. Der Vortragende will seine Annahme einer pathologischen Bildung nur so verstanden haben, daß es sich um Folgewirkungen von nicht normaler Abnutzung der Zähne handelt. Professor von Luschan betonte, daß diese Regenerationsarbeit der Pulpa sehr segensreich sei, da sie vielen noch recht jugendlichen Menschen zustatten komme, und erwähnte, daß Pulpazerstörungen bei den Eskimos gar nicht, dagegen bei einzelnen Naturvölkern, wie den Maoris, häufig vorkommen. Uebrigens seien Oeffnung der Pulpa und Hohlwerden der Zähne einerseits und Abschleifen der Zähne andererseits durchaus verschiedene Dinge. 1

Es sprach hierauf der Geheimrat, Professor Dr. G. Fritschüber ver⸗ nachlässigte Mumienschädel des alten Reiches in Aegypten. Nimmt man mit dem Vortragenden an, daß das Einbalsamieren der Toten eine nicht bloß mühsame, sondern auch kostspielige Sache gewesen ist, also nur den Reichen, Großen und Vornehmen möglich war, so geben die Mumienschädel in ihrer Gesamtheit wahr⸗ scheinlich kein richtiges Bild der Stammeseigentümlichkeiten der Aegypter. Leider ist allzulange das eingehende und vergleichende Studium der Mumienschädel und der ägyptischen Gräbern entnommenen Schädel und Skelette vernachlässigt worden. Hier wird nach Möglichkeit nachzuholen sein, womit durch einige neuere englische Veröffentlichungen ein dankenswerter Anfang gemacht ist. Denn noch bleibt die Frage nach der ägyptischen Urbevölkerung ohne genügende Antwort. Sind die fabelhaften Pygmäen, die wir heute für mit den Buschmännern übereinstimmend halten, wie sie wahrscheinlich das Urvolk eines großen Teils Afrikas waren, auch als das Urvolk Aegyptens anzusprechen? In der Zeit des alten Reiches verlautet, wenn auch nicht von „Buschleuten“, so doch von „Sumpf⸗ leuten“, denen ähnliche Eigenschaften nachgesagt werden wie den Buschleuten unserer Tage. Was bisher an ägyptischen Schädeln untersucht ist, gibt hierauf keine befriedigende Antwort. Zwar läßt sich ein gröberer und ein feinerer Typus unterscheiden, aber z. Z. nicht einmal sagen, ob der gröbere Typus überwiegt. Jene englische Publikation der neuesten Zeit bezeichnet die Aegypter als hervorgegangen aus Buschmännern, Negern, Libvern, Hamiten und Semiten. Daß man der Frage nähergetreten ist, ist wohl anerkennenswert: aber mit dieser Er⸗ klärung ist nicht viel anzufangen, da z. Z. „Hamiten“ ein ganz unfaßbarer Begriff ist. Fraglich ist auch, ob mit Libyern der dritte der als von Noah ausgehend gedachten Stämme, der Stamm der Japhetiten gemeint ist. Praktisch dürfte die Lösung der Frage nur durch weitere Ausgrabungen und sorgfältige Sichtung der Skelette und möglichst genaue Einordnung der Ergebnisse in die Zeitenfolge erreichen sein. In der sich an den Vortrag schließenden Debatte wurde der Redner gefragt, ob er das alte Reich der Aegypter dasselbe annehme, was von Japanern behauptet worden ist, daß die herrschende Rasse, also etwe die als Mumien Erhaltenen, einen anderen, vom Gros der Be völkerung abweichenden, feineren Typus dargestellt habe. Geheimra Fritsch antwortete hierauf mit der Erklärung, welche die erwähnt englische Publikation gibt, die in dem feineren Schädeltypus de Typus der Fellachen, also der heutigen ägyptischen Bauern, in dem gröberen den Typus der Kopten sieht. Dieser Ansicht kann der Vor⸗ tragende nicht beistimmen, ebensowenig als der an dieser Stelle gemachten Behauptung einer Verwandtschaft zwischen Berbern und Nubiern, di wahrscheinlich gar nichts miteinander zu tun haben; denn in den Nubiern eS negroide Elemente vor, sie sind manchmal kaum von Negern zu unterscheiden. Von den Kopten glaubt Geheimra Fritsch, daß sie den größten Anspruch darauf haben, sich von den alten Aegyptern abzuleiten; denn sie sind von den zahlreichen Invasionen Aegyptens und den daran sich schließenden Völkermischungen am meisten unberührt geblieben.

Es sprach zum Schluß noch der Geheimrat, Professor Dr. Hans Virchow zur Frage zweier nicht normaler Knochenbildungen am Fuße der Anthropoiden, die er durch Zeichnung und Original⸗ knochen von einem Schimpansen erläuterte. Ein weiterer Punkt mußte der vorgerückten Zeit halber vertagt werden.

Beauwesen.

Im Architektenverein zu Berlin hielt am Montag der Architekt Dr. Stefan Fayans aus Wien einen Vortrag über „Friedhof⸗ und Grabmalkunst“. Den Gegenstand des Vor⸗ trages bildeten die Streifzüge in die Gebiete der Friedhof⸗, der Grabmal⸗ und der Feuerbestattungskunst. Nach der Schilderung der der Geschichte des Altertums gehörenden Zeiten der höchsten Ver⸗ herrlichung des Todes und und der in ihren Dienst gestellten Bau⸗ gebilde von unübertroffener monumentaler Einfachheit ging der Vortragende zu der düsteren, durch den tiefen Ernst erstarrten Grab⸗ malkunst der ersten christlichen Jahrhunderte über. Aus den Lehren der jungen Christengemeinde ist auch die finstere Todessymbolik der mittelalterlichen Kirchhöfe abgeleitet worden. Einen großen Um⸗ schwung auf dem Gebiete des zu der Zeit verrufenen Friedhofgebietes bedeutet die Errichtung des ersten italienischen Campo Santo zu Pisa am Ende des XIII. Jahrhunderts. Dieser ist auch für die neuzeitlichen italienischen Campi Santi und auch die nach ihnen ge⸗ arteten städtischen Friedhöfe der Städte anderer Länder vorbildlich ewesen. Die Siegespalme in der letzteren Richtung ist den neuen Nünchener Friedhöfen und dem Wiener Zentralfriedhofe zuzuerkennen. Das folgende Vortragskapitel galt den herrschenden Richtungen in der gegenwärtigen Grabmalkunst. Der Redner besprach die formal⸗tektonische und die malerisch bildnerische Gestaltungsweise in der italienischen, französischen und österreichischen Grabmalkunst und führte Vergleiche zwischen den hervorragendsten Vertretern der symbolistischen Kunst: Monteverde, Bistolfi und Bartolomé. Den Abschluß des Vortrages, der durch reichhaltige Lichtbilder illustriert wurde, bildete das Kapitel über die Feuerbestattungskunst. Haupt⸗ sächlich wurde das Problem der archikektonischen Losung auf diesem neuen Bestattungsgebiete berücksichtigt. Beispiele aus Deutschland, England und Amerika wurden vorgeführt und kritisch besprochen. Mit einem Blick in die Zukunft, die sich der Feuerbestattungsidee

erschließt, schloß der Vortragende seine Ausführungen. 8 5 a

Am Sonnabend wurde das mit dem Schillerpreise gekrönte Drama „Tantris der Narr“ von Ernst Hardt zum 50. Male wiederholt. Die Aufführung war in Abänderung des Spielplans auf Anregung Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kron⸗ prinzen erfolgt, um seinen Gästen, Ihren Königlichen Hoheiten dem Kronprinzen und von Rumänien Gelegenheit zu geben⸗ das Stück im Lessingtheater zu sehen. Die Höchsten Herrschaften wohnten der Vorstellung in einer Loge des ersten Ranges bei und beteiligten sich

vie“

der Kronprinzessin