1910 / 21 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 25 Jan 1910 18:00:01 GMT) scan diff

Berichte von deutschen Fruchtmärkten.

Qualität

1910 gering

mittel gut Verkaufte

Januar

Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner

Menge

Tag niedrigster

höchster V niedrigster

Doppelzentner

höchster niedrigster höchster ℳ6

Breslau Strehlen i.

Löwenberg i. Oppeln.. Neuß.

Babenhausen Illertissen. Aalen... Geislingen Meßkirch.

Poses

235 e.8.,8 Strehlen i. Schl.. Grünberg i. Schl. Löwenberg i. Schl. IZö1““ Illertissen

Aalen.

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Breslau

Strehlen i. Schl. Löwenberg i. Schl. Illertissen. Sv Riedlingen.

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Bemerkungen.

Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswert auf volle

W eizenu. 21,90 22,00 21,70 22,70 22,60 22,60 21,60 22,00 22,00 21,40 21,40 22,40 22,40

Kernen (enthülster Spelz, Dinkel, Fesf

121.895 21,85 22,40 22,40 23,40 23,40 21,00 21,20 22,40 21,80 22,00 22,00

Roggen. 16,00 15,60 15,60 15,40 15,50 15,60 15,20

15,80

22,90 22,70 22,80

do to to bo EI111““]

22, 22,00 2 23,20

16,20 16,20 15,60 15,70 16,00 16,20 16,00 16,00

15,70 16,20 15,60 15,70 16,00 16,20 16,00 16,00

Gerste.

13,80 14,80 15,00 15,00 14,70 14,50 15,00

16,00

Hafer. 16,00 15,00 15,20 16,00 15,20 14,60 15,50 15,80 14,60 15,20

5 15,40

14,00 13,70 14,70 14,75 14,50 14,40

14,00 15,30 15,00 15,00 14,70 14,50 15,00

16,00

16,00 15,50 15,20 16,30 15,20 14,60 15,50 30 16,00 . 15,20 54 5 15,60 64

Ein liegender Strich (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der be

Berlin, den 25. Januar 1910.

Kaiserliches Statistisches Amt. vpoan der Borght.

Muüuß Außerdem wurd am Markttage (Spalte 1)

Durchschnitts Am vorigen Durchschnitts⸗ 8 preis Markttage

D 1 zurch⸗

chätzun verkauft zentner Feaer. 1 üft

D 8 oppelzentner (Preis unbekannt)

Mark abgerundet mitgeteilt. Der Durchschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet.

tzten sechs Spalten, daß entsprechender Bericht fehlt.

b 8

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 8. Sitzung vom 24. Januar 1910, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sitzung ist in der Nummer d. Bl. berichtet worden.

Es folgen die ersten Beratungen der Gesetz entwürfe über die Erweiterung der Stadtkreise Essen, Cöln, Ratibor, Kiel, Flensburg, Harburg und Frankfurt a. M., die auf Antrag des Abg. Funck (fr. Vol ksp.) ge⸗ meinsam geführt werden. 1 1

Der Inhalt der Gesetzentwürfe über die Erweiterung der Stadtkreise Essen, Cöln und Ratibor ist bereits kurz mitgeteilt

gestrigen

den übrigen vier Gesetzentwürfen sollen am 1. April d. J. vereinigt werden: mit der Stadtgemeinde und Stadtkreise Kiel (Einwohnerzahl nach der letzten Personenstandsaufnahme 184 219) die zum Landkreise Bordesholm ehörigen Landgemeinden Hassee (6074 Einwohner), Gaarden 8 3961 Einwohner), Wellingdorf (4033 Einwohner) und Hassel⸗ dieksdamm (400 Einwohner) und die zum Landkreise Plön ehörige Landgemeinde Ellerbek (8341 Einwohner), mit der Snebigemeinde und dem Stadtkreise Flensburg (rund 54 000 Einwohner) die zum Landkreise Flensburg gehörigen Landgemeinden Fruerlund, Engelsby, Twedt und Twedterholz (mit zusammen 2380 Einwohnern einschließlich der Militär⸗ ersonen), mit der Stadtgemeinde und dem Stadtkreise Har⸗ b g (nach der letzten Volkszählung 56 238 Einwohner) die zum Landkreise Harburg gehörige Landgemeinde Eißendorf (3041 Einwohner), mit der Stadtgemeinde und dem Stadtkreise Frankfurt a. M. (368 800 Einwohner) sämtliche den bisherigen Landkreis Frankfurt a. M. (der aufgelöst werden soll) bildenden Ortschaften (mit zusammen 32 725 Ein⸗ wohnern), nämlich die Stadt Rödelheim (9508 Einwohner) und die Landgemeinden Berkersheim, Bonames, Eckenheim, Eschers⸗ heim, Ginnheim, Hausen, Heddernheim, Niederursel, Praun⸗ heim und Preungesheim.

Abg. Linz (Zentr.): Meine Freunde haben im allgemeinen prinzipielle Bedenken gegen Stadterweiterungen. Mindestens muß in jedem einzelnen Falle sorgfältig geprüft werden, ob bei den Eingemeindungen die Interessen der ländlichen Kreise genügend berücksichtigt werden. Es ist deshalb eine ausgiehige Kom⸗ missionsberatung angezeigt, und meine Freunde beantragen, diese sämtlichen Eingemeindungsvorlagen der erweiterten e⸗ meindekommission zu überweisen, wobei wir glauben, daß wir uns in Uebereinstimmung mit dem ganzen Hause befinden werden. Die Landkreise müssen vor der Eingemeindung hinreichend ge⸗ hört werden, um ihre Interessen namentlich in steuerlicher Beziehung würdigen zu können. Es kommt in Frage, ob die Landbürger⸗ meistereien im Westen, die durch die Eingemeindung zerrissen werden, genügend entschädigt werden. Frankfurt soll zum Beispiel in sich aufnehmen, die durchaus ländlichen Charakter aben.

Abg. von Treskow (kons.): Die Eingemeindungsvorlagen vom vorigen Jahre wurden in der Gemeindekommission beraten. Ich bin

der Ansicht, daß auch die heutigen Vorlagen der Kommission über⸗ wiesen werden sollen, und beantrage gleichfalls, die Vorlagen der um 7 Mitglieder zu verstärkenden Gemeindekommission zu überweisen.

Abg. Funck (fr. Volksp.): Nach meinen Erfahrungen ist die Ver⸗ tretung der Städte in den Kommunallandtagen eher zu gering als zu groß. In den Städten herrscht ein gewisses Mißtrauen gegen die Ein⸗ gemeindung der kleineren Orte, denn mit wenigen Ausnahmen machen sie mit der Eingemeindung ein schlechtes Geschäft. Andererseits zwingt aber eine ganze Reihe anderer Dinge zur Eingemeindung. Es sind dies Aufgaben im Interesse des Staates, namentlich auf dem Gebiete der Schule und der Armenpflege. In Frankfurt a. M. bestand durchaus keine Neigung, alle Ortschaften des Landkreises einzugemeinden. Man hätte sich am liebsten diejenigen Landgemeinden ausgesucht, die für die Frank⸗ furter Verhältnisse am vorteilhaftesten waren; aber das ließ sich nicht ohne weiteres machen. Die Aufsichtsbehörde bestand darauf, die Sache so zu arrangieren, wie es geschehen ist. In der Kommission wird auch die hier in Betracht kommende Frage des Wahlrechts, die Vertretung der Stadtgemeinden im preußischen Abgeordnetenhause nach Maßgabe des Bevölkerungszuwachses eine Rolle spielen. Wir behalten uns entsprechende Anträge vor.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.);: Diese letzte Frage ist von so einschneidender Bedeutung, daß sie hierbei nicht gelsf werden kann. Nachdem uns die Regierung ein ganzes Bündel von Eingemeindungsgesetzentwürfen vorgelegt hat, entsteht für uns die Frage, ob diese ganze Sache nicht auf einem anderen Wege, nach einem einheitlichen System geordnet werden kann, nämlich durch Bildung von öffentlich⸗rechtlichen Zweckverbänden, wie es sich auch für Groß⸗ Berlin im Interesse des Verkehrs empfiehlt. Ich hoffe, daß uns eine Vorlage in diesem Sinne unterbreitet werden möge.

Abg. Dr. Schröder⸗Cassel (nl.): Vom kaufmännischen Stand⸗ punkte aus machen die großen Städte mit der Eingemeindung in der Tat ein schlechtes Geschäft. Ihren neuen Schullasten usw. stehen in der Regel sehr geringe Steuerleistungen der eingemeindeten Ortschaften gegenüber. Gegen eine angemessenere Vertretung der Stadt⸗ gemeinden im preußischen Abgeordnetenhause ist sachlich nichts zu er⸗ innern, ich möchte aber anheimgeben, ob es sachlich richtig ist, das Moment gerade bei dieser Gelegenheit geltend zu machen.

Unterstaatssekretär Holtz: Der Abg. von Zedlitz hat nach dem Stande eines Gesetzentwurfs über die Zweckverbände gefragt. Es kommt hierbei darauf an, die Zweckverbände in einer angemessenen Weise zu bilden und sie auch den westlichen Provinzen zugängig zu machen. Ob die Vorlage, die in Vorbereitung ist, noch in dieser Session wird vorgelegt werden können, steht ven. nicht fest.

Abg. Hoff (fr. Vgg.): Was die Entschädigung der Land⸗ kreise betrifft, so kann ich wenigstens in bezug auf die Kieler Vor⸗ lage sagen, daß die Interessen der Landkreise in mehr als aus⸗ reichender Weise gewahrt worden sind, sodaß man beinahe von einer Härte für die Stadt Kiel sprechen kann. Der Staat als solcher hat in erster Linie ein Interesse an der Einverleibung, vor allem aus sanitären Erwägungen. Die Stadt selbst muß große Opfer bringen. Das Herrenhaus hat bekanntlich die frühere Eingemeindungsvorlage für Kiel abgelehnt. Hätte es Gelegenheit gehabt, die Verhältnisse eingehender zu prüfen, so hätte es gefunden, daß die 40 000 Abfindungssumme für die Bürgermeister von Ellerbek und Hassee weiter nichts waren als ein Ausgleich für das geringere Gehalt.

Abg. Borgmann (Soz.): Auf die Wahlrechtsfrage gehe ich nicht ein, weil uns ja in der nächsten Zeit eine allgemeine Wahl⸗ rechtsvorlage beschäftigen wird. Daß uns ein Bündel solcher Ein⸗

emeindungsvorlagen zugegangen ist, betrachte ich als ein erfreuliches Feichen für die Entwicklung der Provinzstädte. Einen rechtlichen Anspruch auf Entschädigung haben die Landgemeinden nach einer Ent⸗ scheidung des Oberverwaltungsgerichts cht U uffallender

fällt der nächste Etat

ist es, daß der Minister des Innern der Gemeinde Kiel bedeutet h daß, wenn sie sich nicht mit dem Kreise Plön bezüglich der E schädigung einige, von einer Eingemeindung keine Rede sein köm Das sieht einer Erpressung so ähnlich wie ein Ei dem anderen. Abg. von Zedlitz hat den Zweckverband für Groß⸗Berlin mit der N wendigkeit eines einheitlichen Verkehrswesens begründet. Die Steus verhältnisse in den einzelnen Vororten sind aber noch viel verworre Es gibt gutsituierte Gemeinden, die im Fett schwimmen, währe andere Gemeinden mit einer Menge von Arbeitern in einer se schlimmen Lage sich befinden. Es kommt hinzu, daß mit der E führung der Wertzuwachssteuer die Orte, die sie eingeführt habe mehr belastet sind als die umliegenden Gemeinden, die diese Stec nicht haben, sich aber eines großen Wertzuwachses erfreuen.

Abg. Hirsch⸗Essen (nl.) weist auf die nahen wirtschaftlichen 2 ziehungen zwischen Essen und Rellinghausen hin. Eine Kommissic beratung sei bei dieser Frage eigentlich vollkommen unnötig, de Verhältnisse vollständig klar lägen. Abg. Johanssen (freikons.) tritt den Ausführungen des X. Hoff betreffs der Entschädigung für die Bürgermeister von Ellerd und Hassee entgegen.

Darauf werden sämtliche Eingemeindungsvorlagen der u 7 Mitglieder zu verstärkenden Gemeindekommission überwiese

Alsdann setzt das Haus die zweite Beratung des En wurfs des Staatshaushaltsetats für das Rechnung jahr 1910 bei dem Spezialetat der landwirtschaftlichs Verwaltung fort.

Die Einnahme wird ohne Debatte bewilligt.

Bei den dauernden Ausgaben und zwar bei de Titel „Gehalt des Ministers“ teilt

Berichterstatter Abg. von Arnim (kons.) mit, daß in der Ke mission auf eine Anfrage der Minister die Vorlage eines Wassergeeg für die nächste Session in Aussicht gestellt habe. In der Kommift sei ferner der Wunsch ausgesprochen worden, daß bei der Genehmigr industrieller Anlagen auch Sachverständige aus der Landwirtschaft. hört würden. In einem Fall in der Sebe proea seien bei dem bau einer Fabrik die landwirtschaftlichen Interessen nicht berücksict worden. Der Regierungskommissar habe eine Schädigung dieser Ih essen nicht als erwiesen angesehen. Abg. Wallenborn (Zentr.): Wenn auch die Lage der Landwcgh schaft besser geworden ist, so wird doch noch immer im Osten Leutemangel und im Westen die Höhe der Löhne schwer empfun Den Handelsverträgen mit Amerika und Dänemark sieht die wirtschaft mit Besorgnis entgegen, da die einheimische Produln von den Unterhändlern nicht genügend geschützt zu werden sce⸗ In Amerika hat das Großkapital die Viehproduktion in der und kann unsere Viehwirtschaft, abgesehen von der Seuß⸗ einschleppung, schwer schädigen. Herr Bueck hat in der Versam der Eisen⸗ und Hüttenleute mit Recht darauf bingewiesen, n Interesse die Industrie an der Gestaltung dieser Handelsve hat, leider hat er dabei unterlassen, der Mitarbeit des Zentrum unserer Schutzzollpolitik zu gedenken. Bedauern müssen wir, das Wassergesetz nicht schon in dieser Session vorgelegt werden Z. Mag immerhin der Etat sparsam aufgestellt sein, so ist die Sf samkeit doch bei den Forderungen für das landwirtsceee Unterrichtswesen nicht am Platze, zumal wenn man die F. des gewerblichen Unterrichtswesens gegenüberstellt. schuldungsaktion in den Provinzen Brandenburg und E. ae wir mit großer Reserve gegenüber, freuen uns dagegen. ur ewährten Erleichterungen für das ländliche Bauwesen. Doffere⸗ ünstiger us als der vorliegende.

nach übers chläglicher

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten von

Arnim:

Meine Herren! Ich will, dem Vorschlage des Herrn Referenten folgend, nicht auf all die Einzelheiten eingehen, die der Herr Vor⸗ redner vorgebracht hat; nur auf eines will ich antworten.

Der Herr Vorredner hat die Befürchtung ausgesprochen, daß bei der Regelung der Handelsverträge mit den Vereinigten Staaten und Dänemark die Interessen der heimischen Viehzucht Schaden leiden könnten. Meine Herren, ich kann darauf erklären, daß die preußische Staatsregierung auf dem Standpunkt steht, daß auf dem Gebiete, auf das sich ja wohl die Befürchtungen des Herrn Vorredners be⸗ ziehen, auf dem Gebiete des veterinären Schutzes Konzessionen nicht gemacht werden können, daß überhaupt der veterinäre Schutz nicht zum Gegenstand von Handelsvertragsverhandlungen gemacht werden kann. Ich bin davon überzeugt, daß die Vertreter der Reichsregierung auf demselben Standpunkt stehen. (Bravo! rechts.)

Abg. Dr. Crüger (fr. Volksp.): Aus den statistischen Zahlen, die der Finanzminister über die Entwicklung der Land⸗ wirtschaft vorgetragen hat, sind ganz andere Schlüsse zu ziehen, als sie der Minister ziehen zu können glaubte. Der außerordentlichen Steigerung der Produktion steht doch eine ganz bedeutende Preis⸗ steigerung gegenüber, und trotz der Preissteigerung ist die Landwirtschaft nicht in der Lage, die einheimische Bevölkerung zu ernähren. Das Getreide geht dank den Ausfuhrscheinen zum großen Teile ins Aus⸗ land. Der Minister stellte fest, daß die Hauptgrundlage der Industrie der inländische Markt ist, und daß für diesen wiederum die Landwirt⸗ schaft den bedeutungsvollsten Faktor abgiht. Wer hat das je bestritten? Aber wir müssen doch auch die Wechselwirkung in Betracht ziehen, und da stelle ich die Frage: wo wäre die Landwirtschaft mit ihren Produkten geblieben, wenn nicht Deutschland in der gleichen Zeit sich ju einem Industriestaat entwickelt hätte? Ohne diese Entwicklung wären wie früher große Bevölkerungsmassen ins Ausland abgewandert. Herr Bueck hat zu einem Schutzbündnis zwischen Industrie und Land⸗ wirtschaft aufgefordert. Vergegenwärtigen wir uns aber doch, daß die Industrie unter dem Schutzzollsyostem zu einem ganz erheblichen Teile gezwungen gewesen ist, auszuwandern. Alles in allem stößt der Finanzminister mit seinen Ausführungen über die Bedeutung des inländischen Marktes offene Türen ein und veranlaßt, soweit er es unterlassen hat, die weiteren Schlüsse aus seinem Zahlenmaterial zu ziehen, irrtümliche Ansichten. Die wichtige Frage, wer denn eigentlich der stärkste Abnehmer in Landwirtschaft und Industrie ist, ist bei einer Konferenz, die bisher

merkwürdigerweise in landwirtschaftlichen Kreisen nicht die verdiente Beachtung gefunden hat, dahin entschieden, daß es der mittlere und kleine Bauernstand, nicht der Großgrundbesitz ist. Graf Zedlitz⸗ Trützschler hat Betrachtungen darüber angestellt, ob das bavverliche Element in den landwirtschaftlichen und sozialpolitischen Verhältnissen dem Großgrundbesitz überlegen ist. Das Ergebnis seiner Betrach⸗ tungen geht dahin, daß für diese Frage die jeweilige Wirt⸗ schaftspolitik maßgebend ist. In der Zeit der geringen Zölle ist der kleine und mittlere Besitz dem Großgrundbesitz überlegen, in der Hochschutzzollära ist es umgekehrt. Die Autorität des Grafen Zedlitz⸗Trutzschler werden Sie nicht bezweifeln. Prof. Bern⸗ hard hat sich dahin geäußert, die Kolonisationsmöglichkeit sei davon beeinflußt, ob das wichtigste Erzeugnis des Großbetriebes hoch oder niedrig im Preise steht. Die Interessensolidarität zwischen Großgrundbesitz und Bauernstand ist vor allem durch die Vorgänge in Posen stark ins Wanken geraten. Heute zeigt sich das vielleicht nur auf dem politischen Gebiet. Wenn aber erst einmal in den Bauern⸗ wirtschaften die ordnungsmäßige Buchführung Eingang gefunden hat, so wird man sich davon überzeugen, daß mindestens dieselben Gegen⸗ sätze auch auf wirtschaftlichem Gebiet vorhanden sind. Es ist so viel über die Steuerveranlagung gesprochen. Wir haben in der Presse davon wieder durch Persönlichkeiten gehört, die mit ihrem Namen hervorgetreten sind und in den Finanzgeschäften wie in der Steuerpraxis bewandert sind, daß die Dinge anders liegen werden, wenn der Groß⸗ grundbesitz die kaufmännische doppelte Buchführung (Heiterkeit rechts) ob die Herren dann auch noch lachen, ist mir zweifelhaft. Jedenfalls hoffe ich, daß sie alle Bestrebungen unterstützen, die darauf ausgehen, der Buchführung in den landwirtschaftlichen Betrieben Eingangzu verschaffen. Wie stellt sich der Großgrundbesitz zur inneren Kolonisation? Die „Deutsche Tageszeitung“ hat kürzlich in einem längeren Artikel den Beweis zu erbringen versucht, daß in den Kreisen des Großgrund⸗ besitzes man der inneren Kolonisation das größte Interesse entgegen⸗ bringt, daß von einer Gegnerschaft nicht die Rede sein könne. Ich kann Ihnen nur den guten Rat geben: machen Sie das mit dem Freiherrn von Wangenheim ab. Er sagte bei der erwähnten Konferenz: wir wollen uns darüber keinen Illusionen hingeben, daß heute in sehr weiten Kreisen, ich beziehe mich speziell auf Pommern, des Großgrundbesitzes noch ein mindestens passiver, vielleicht auch ein direkter aktiver Widerstand gegen die innere Kolonisation besteht. Als Grund spricht er aus, daß man darin eine Schädigung des Großgrundbesitzes erblicke, ein etwas liberalisierendes Manöper. In ähnlichem Sinne hat sich der Präsident des Ober⸗ kandeskulturgerichtes unter Bezugnahme auf den Landwirtschaftsminister und Prof. Sering ausgesprochen. Im Landesökonomiekollegium er⸗ klären Sie, daß das Tempo der inneren Kolonisation ein zu leb⸗ haftes geworden ist. Die Gründe dafür liegen in der Stellung der Ansiedler gegen die Bevormundung, die ihnen seitens des Groß⸗ rundbesitzes zu teil werden soll. Die Restgüterfrage steht hier im Vordergrund. Die Herren wissen ganz genau, wenn die Bauern zu ihren politischen Rechten kommen, so ist es mit den Rechten des Großgrundbesitzes zu Ende; Sie kämpfen gegen die innere Koloni⸗ sation, um die politische Macht in Händen zu behalten. Es kommen noch andere Motive hinzu, vor allem die Preisfrage. Es war der Minister, der erklärt hat, in der Preisfrage liegt eine ungeheure Schwierigkeit. Durchaus zutreffend! Aber durch eine ungesunde Preistreiberei bei den Gütern, die wieder ganz erheblich zurückzuführen ist auf die künstliche Steigerung der Ergebnisse der 18 geht die Entwicklung auf künstlichem statt auf natürlichem ege vor sich. Gerade aus sachverständigen Kreisen heraus hat man auch bei der Konferenz ausgeführt, daß die Arbeiterfrage ein ganz not⸗ wendiges Glied der inneren Kolonisation ist. Es muß dem Arbeiter, wenn er es zu etwas gebracht hat, die Möglichkeit gegeben werden, eine wirtschaftlich selbständige Existenz zu erlangen. Deswegen ist auch dringend erwünscht, daß alle Versicherungszweige so bald wie möglich auch auf die ländlichen Arbeiter erstreckt werden. Eine richtige Organisation des Arbeitsnachweises würde auch ihren Einfluß auf die Landarbeiterfrage nicht verfehlen. Wie stellt sich der Großgrundbesitz zur Frage der Wiederaufnahme der Industrie⸗ arbeiter in die ländlichen Betriebe? Graf Zedlitz⸗Trützschler er⸗ klärt es in dieser Beziehung für sehr bedauerlich, daß eine große Anzahl von Landwirten, namentlich aus den Reihen des Großgrund⸗ besitzes, gar kein Interesse daran hat, einheimische Arbeiter zu haben, weil diese viel unbequemer und unbotmäßiger sind als die Polen. So einer der Ihrigen (nach rechts) über diese Frage. „Die Halunken, die weggegangen sind, solange es in der Industrie Arbeit gab, die nehmen wir nicht wieder, dann behelfen wir uns lieber mit Polen“, so und ähnlich drastisch haben sich Vertreter des Großgrundbesitzes bei der erwähnten Konferenz ausgesprochen. Solange solche Anschauungen in diesen Kreisen maßgebend bleiben, wird man zu einer wirklichen inneren Kolonisation nicht kommen. Für die innere Kolonisation fehlt es überhaupt noch an einer Zentralstelle, einer obersten Instanz für die Auskunfterteilung in allen Fragen der inneren Kolonisation. Zur Durchführung derselben gehört weit mehr als die paar Millionen, die säbrlich im Etat stehen, diese sind ein Tropfen auf 3 Weshalb hat man bisher immer das Privat⸗

einen heißen Stein. 9 er kapital ausgeschlossen? Es ist niemals bewiesen, sondern abe sich auf diesem Gebiete

immer nur behauptet worden, es ha 2 Gebie nicht bewährt, es müsse hier jede Erwerbsrücksicht ausgeschlossen

1““

8

sein. Das Privatkapital ist hier nicht zu entbehren, seine Aus⸗ schliehung bedeutet nur eine Verzögerung der Durchführung der inneren Kolonisation. Freilich, manchen Herren ist das bisher eingeschlagene Tempo schon zu rasch. Ein Teil der Großgrundbesitzer befindet sich ja heute schon in der Lage der Kapitalbesitzer, nur daß diese ihre Coupons abschneiden, jene ihre Pachten und Mieten einziehen. Die Fideikommißbildungen haben ganz erhebliche Fortschritte gemacht. Wir fordern nach wie vor die Beseitigung der Fideikommisse, die in unserem wirtschaftlichen Organismus einen Fremdkörper darstellen; ihrer weiteren Ausdehnung muß ein Riegel vorgeschoben werden. Man wendet ein, die Fideikommisse seien nötig zur Erhaltung der deutschen Wälder. Die Wälder brauchen wir; für ihre Er⸗ haltung und pflegliche Behandlung muß die Regierung sorgen. Wieviel Bauerngüter hat es gekostet, diese Fideikommißbildungen und die Erweiterung der Fideikommisse zu ermöglichen! Auch hier ist es wieder Graf Zedlitz, der bei jener inneren Konferenz treffende Worte der Kritik efunden hat. (Zarnfe rechts.) Ob es sich um die Bildung von Fideikommissen oder von Großgrundbesitzen handelt, ist doch wirtschaftspolitisch völlig gleichgültig. Das ländliche Schulwesen steht mit der inneren Kolonisation im engsten Zusammen⸗ hange, denn diese ist fruchtbringend nur vnres steen. wenn man gleichzeitig gute Schulen genug ins Leben ruft. Wenn über den Mangel an Menschenmaterial auf dem Lande geklagt wird, so liegt darin auch eine Kritik über den heutigen Zustand des ländlichen Fort⸗ bildungsschulwesens. Durch die anscheinend günstigen statistischen darf man sich nicht blenden lassen. In Ostpreußen at der riesige Regierungsbezirk Königsberg ganse 39 solcher Schulen. Im ganzen Regierungsbezirk Stralsund besteht deren nicht eine einzige. Wie sich die Schulen auf Gutsbezirke und Landgemeinden verteilen, läßt sich überdies aus der Statistik nicht ersehen. Der Ein⸗ führung der Bürgerkunde in den Lehrplan muß die größte Aufmerk⸗ samkeit zugewendet werden. Die Schwierigkeit liegt an dem Mangel an Lehrerpersonal; hier sind vor allem Maßnahmen zur Abhilfe nötig. Der häufige Besitzwechsel auf dem Lande, ein Haupthindernis des Fortschreitens der inneren Kolonisation, ist vornehmlich auf die enorme Preissteigerung der Güter, auf die künstliche Preissteigerung durch den Hochschutzzoll und andere Mittel zurückzuführen. Wir müssen wünschen, daß die Landwirtschaft ihre so gerühmte Bodenständigkeit nicht bloß theoretisch, sondern auch in der Praxis durchführen und bewähren möge. Vom Standpunkt des Besitzers aus mag der Besitzwechsel ja das rationellste Mittel zur Sanierung des Besitzes sein. Zur Sanierung soll aber auch die Entschuldung dienen; ich behalte mir nähere Ausführungen darüber vor, bis der Referent darüber berichtet hat. Mit den 50 000 im Etat läßt sich die Entschuldungsfrage wirklich nicht lösen; denn die Wirkun

der damit anzustellenden Versuche kann sich doch erst na

einem Menschenalter zeigen. Der Bauernstand verhält sich gegen die Eintragung einer Entschuldungsgrenze ablehnend, und ich beglückwünsche ihn zu seinem klaren Blick. Die Ansiedlungs⸗ kommission greift zu seltenen Mitteln, um die Genossenschaften zur Entschuldungsaktion mit heranzuziehen, indem sie, wenn eine Genossen⸗ schaft die Betriligung ablehnt, eine Konkurrenzgenossenschaft ins Leben ruft; das steht im Gegensatz zu dem Beschluß des Hauses von 1906. Die Pläne der Ostpreußischen Landschaft konnte ich zurzeit im großen ganzen billigen; heute aber muß man ihr ein „vorläufiges enug!“ zurufen und sie auffordern, zunächst einmal die Geschäfts⸗ zu konsolidieren; die Aufnahme des Geschäftszweiges der Lebensversicherung halte ich für äußerst bedenklich. Zur Deckung der Talonsteuer von 2 pro Mille verlangt die Di⸗ rektion der Generallandschaft von den Pfandbriefschuldnern 5 pro Mille. Diese Steuer, die Sie (rechts) als Besitzsteuer angesehen wissen wollen, wird hier von den Pfandbriefschuldnern getragen. Wir auf der Linken wollen nicht etwa den Großgrundbesitz enteignen, dieser Gedanke läge z. B. in Pommern sehr nahe. Vom nationalen Standpunkte haben Sie (rechts) vor der Ent⸗ eignung nicht zurückgeschreckt, das war eine gefährliche Beschluß⸗ fassung, und man koönnte dies für die innere Kolonisation festlegen. Daß der Großgrundbesitz der inneren Kolonisation nicht nur passiv, sondern auch aktiv widerstrebe, haben Männer aus Ihren eigenen Reihen bestätigt. Der Großgrundbesitz als Klasse hat jedem Kultur⸗ werk Widerstand geleistet. (Lebhafter Widerspruch rechts.) Soll ich Sie an die Wasservorlage erinnern? Wie viele Minister haben darüber stürzen müssen! Der Großgrundbesitz bildet das Bollwerk, das sich allen Kulturaufgaben entgegenstellt. Die Staatsregierung, hervor⸗ gegangen aus Ihren Kreisen, findet in solchen Fragen nur Unter⸗ stützung bei uns, bei der Opposition.

Abg. Ecker⸗Winsen (nl.): Wir haben mit großer Freude gehört, daß ein Wassergesetzentwurf demnächst dem Staatsministerium zu⸗ gehen soll. Eine einheitliche Regelung der Wasserfrage ist für Landwirtschaft und Industrie von größter Bedeutung. Hoffentlich gelingt es, auch die Frage der Abwässer zu regeln und den Begriff der Wassergrenze zu definieren. Mit dem Vorredner freue ich mich, daß das ländliche Fortbildungsschulwesen sich fortentwickelt, wenn ich auch bedaure, daß nicht größere Mittel in den Etat eingestellt sind. Die in Hannover mit der Ein⸗ führung obligatorischer Fortbildungsschulen gemachten Erfahrungen sind durchaus günstig. Für die Errichtung von Haushaltungs⸗ schulen sollte ein besonderer Titel in den Etat eingestellt werden. Auch der Frage der Bullenhaltung sollte die Regierung eine erhöhte Aufmerksamkeit zuwenden und kleineren Besitzern Beibitten gewähren. Auch ich wünsche, daß die Kürzung des Westfonds künftig wegfalle. Die nationalliberale Partei betrachtet di isdwirtschaft als die Suelle der nationalen Gesundheit und Wehrkraft. Wir wünschen, daß alle parteipolitischen Bestrebungen von ihr ferngehalten werden.

Abg. von Kessel (kons.): Auch wir wünschen eine Verbesserung des ländlichen Bauwesens. Die Bauordnung in Schlesien ist in der Umordnung begriffen. Wir wünschen eine solche auch für die übrigen Provinzen. Eine Rede wie die des Abg. Crüger habe ich seit den letzten Wahlen nicht gehört. Glaubt Herr Crüger vielleicht an eine Auflösung des Abgeordnetenhauses infolge der neuen Wahlrechts⸗ vorlage? Wer den Grafen Zedlitz⸗Trützschler kennt, weiß, daß ie die der Abg. Crüger von ihm zitiert hat, nicht den Sinn gehabt haben können, den ihnen Herr Crüger unter⸗ legt. Seine Aeußerungen bezogen sich wohl auf die Zeit, wo zuerst ein Arbeitermangel besonders hart in die Erscheinung trat, und naturgemäß der Großgrundbesitz darunter mehr zu leiden hatte als der Kleinbesi, oder sie bezogen sich auf die Zeit des Grafen Caprivi. Weiß denn der Abg. Crüger gar nicht, welches Verdienst sich der Großgrundbesitz um den kleinen und mittleren Besitz erworben hat? Wo wäre die Viehzucht, wenn der Großgrundbesitz nicht voran⸗ gegangen wäre? Ich möchte also Herrn Crüger bitten, mit dem Ent⸗ eignungsgesetz für den Großgrundbesitz noch etwas zu warten. Wenn die Linke ein Interesse für die Landwirtschaft hat, dann möge sie es nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch betätigen. Die Seuchen nicht durch Sperrung der Grenzen, sondern durch Polizei⸗ maßregeln bekämpfen zu wollen, ist ein sonderbares Beginnen. Wir werden mit aller Kraft darauf hinwirken, allen gärtnerischen Erzeugnissen bei künftigen Handelsverträgen einen erhöhten Schutz zu geben. Der bäuerliche Besitz befindet sich in einer schlimmen Lage, da die Löhne und die Kommunallasten sehr erheblich gestiegen sind, und die Arbeiter in die westlichen Industriebezirke abwandern. Alle größeren und mittleren Besitzer haben bereits eine korrekt durchgeführte Buchführung; bis sie aber auch die kleinen Besitzer einführen können, wird noch viel Zeit vergehen. Die Statistik zeigt, daß in der Gestellung tauglicher Rekruten das platte Land an erster Stelle steht, an zweiter Stelle die Industrie und erst an dritter die großen Städte. Trotz der uns vorgeworfenen Bildungsfeindlichkeit begrüßen auch wir die Mittel, die für Errichtung und Erhaltung von Mittelschulen und ländlichen Fort⸗ bildungsschulen in den Etat eingesetzt sind. Die elektrischen Ueber⸗ landzentralen haben auch namentlich in Sachsen und in Schlesien große Fortschritte gemacht. Wir begrüßen diese Ueberlandzentralen nicht nur im Interesse der Landwirtschaft, sondern auch deshalb, weil sie die Industrie, das Kleingewerbe und die Landwirtschaft zusammen⸗ kassen können. Ich möchte dem Finanzminister anheimgeben, ob er nicht

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entgegen seinem früheren Standpunkt diese Institute durch staatliche Mittel starken sollte. Gerade für die Ueberlandzentralen ist eine baldige Regelung der Wasserverhältnisse durch ein Wassergesetz erwünscht, das aber mehr die generellen Gesichtspunkte regeln und die Spezialitäten den Provinzen uͤberlassen sollte. Wir hoffen, daß die Landwirtschaft den Aufschwung, den sie in den letzten Jahren genommen hat, auch weiterhin zeigen möge, im Interesse des ganzen Vaterlandes.

Abg. Fleuster (Zentr.): Vor zwei Jahren ist vom Grafen Spee der Antrag gestellt worden, vor der Konzessionierung von gewerblichen Anlagen auch landwirtschaftliche Sachverständige zu hören und die Entscheidung nicht allein dem Handelsminister, sondern dem Handels⸗ minister in Gemeinschaft mit dem Landwirtschaftsminister zu übertragen. Die Kommission für Handel und Gewerbe hat diesen Antrag der Regierung als Material überwiesen. Es ist den Be⸗ mühungen des Landwirtschaftsministers zu danken, und ich möchte diesen Dank ausdrücklich aussprechen, zugleich im Namen des ver⸗ hinderten Grafen Spee, daß diesen wiederholten Wünschen bis zu einem gewissen Grade durch einen Erlaß des Handelsministers entsprochen ist. Dieser Erlaß in Form von Ausführungsanweisungen zur Gewerbeordnung enthält verschiedene Bestimmungen, die darauf schließen lassen, daß man gewillt ist, in Zukunft die Interessen der Landwirtschaft stärker zu berücksichtigen. Aber alles, was zu Gunsten der Landwirtschaft gesagt ist, erfahrt durch die Voraussetzungen, an die es geknüpft ist, solche Einschränkungen, daß man keine volle Be⸗ friedigung darüber empfinden kann. Das Konzessionierungsgesuch soll im Amtsblatt der Regierung veröffentlicht werden. Es gibt Leute, die behaupten, daß man eine Sache, die man verstecken will, ins Amts⸗ blatt setzen soll. So kommt es, daß keine Einsprüche erhoben und auch kein Sachverständiger gehört wird. Aehnlich un⸗ günstig liegt es für die Landwirtschaft bei nachträglicher Abänderung ereits konzessionierter gewerblicher Anlagen. Die Einsetzung beider Minister als beschließende Behörde würde allerdings eine Aenderung des Zuständigkeitsgesetzes erfordern; im Interesse der Industrie ist aber sofort der § 19a in die Gewerbeordnung eingefügt. Wie ist es überhaupt gekommen, daß in Preußen der Handelsminister allein entscheidet? Gewerbliche Anlagen gehen doch in ihren Wir⸗ kungen die Allgemeinheit an. Es kommen auch bauliche Interessen in Frage. In der jetzigen Regelung liegt schon eine gewisse Be⸗ günstigung der Industrie. Es wäre auch angebracht, wenn in der Rekursinstanz ein Kollegium entschiede, wie das in Bavern der Fall ist. Das würde mehr Vertrauen erwecken. In Höningen im Rheinland wollte eine chemische Fabrik Superphosphatfabrikation neu einrichten. In der ganzen Gegend herrscht ein fürchterlicher Aufruhr, weniger über die Tatsache, daß die Konzession erteilt ist, sondern darüber, daß in der Rekursinstanz die vom Minister gesandte Kommission keine Vertreter der Landwirtschaft gehört hat. Das ist zwar nirgends vor⸗

eschrieben, aber die ganze Aufregung hätte so vermieden werden können. Fndustrie ist auf dem Lande sehr erwünscht, aber es kann kein Industrieller wünschen und wollen, daß er schon mit Unmut von der Bevölkerung aufgenommen wird. Deshalb ist eine gründliche Aenderung, vor allem eine Abkürzung des Verfahrens geboten.

Abg. Dr. Schroeder⸗Cassel (nl.): Den Ausführungen des Abg. von Kessel, daß die Unterstützung der Landwirtschaft durch die Liberalen nur in der Theorie bestehe, muß ich, soweit die Nationalliberalen in Frage kommen, widersprechen. Alle meine politischen Freunde sind absolute und überzeugte Anhänger der jetzigen Zollschutgesetzgebung für die Landwirtschaft, alle ohne Rücksicht darauf, oh sie den Kreisen der Landwirtschaft oder der Industrie angehören. Wenn eine kleine Meinungsverschiedenheit zwischen uns und der Rechten besteht, so liegt sie darin, daß wir verlangen, daß auch die Induftrie durch aus paritätisch behandelt wird. Die größte Gefahr für die Landwirt⸗ schaft ist unzweifelhaft der Arbeitermangel. Aus diesem Sinne heraus hatten wir ja auch den Antrag gestellt, der den Zweck verfolgte, den Arbeitermangel so viel als möglich durch Förderung der inneren Kolonisation zu beseitigen. Vor zwei Jahren hat meine Fraktion beantragt, daß die Rentengutausgeber den Zwischenkredit auch durch die Landesversicherungsanstalten bekommen sollten, daß ein Fonds zur Vergrößerung des Zwischenkredits geschaffen werden sollte, daß ferner die kleinen Resthypotheken auch von den Landesversicherungs anstalten gegeben werden möchten, und daß endlich auch das Erbbaurecht angewendet werden sollte. Obwohl wir wissen, daß das Erbbaurecht wenig bekannt ist, und daß eine gewisse instinktirve Abneigung dagegen besteht, haben wir es doch in den Antrag hineingenommen, um es zur Diskussion zu stellen. Da die 10 Millionen dieses Fonds schon verbraucht sind, so möchten wir jetzt darum bitten, diesen Fonds zur Vergrößerung des Zwischen kredits auf 20 Millionen zu erhöhen. Dann sollten wir in den großen Kapitalien der Landesversicherungsanstalten neue Quellen erschließen. Aber die Landesversicherungsanstalten stehen auf dem Boden, daß diese Gelder nicht mündelsicher seien. Auch das Reichsversicherungs⸗ amt hat Bedenken hinsichtlich der Sicherheit geäußert. Anderseits ist die Stellung von Bürgschaften verlangt worden, die oft sehr schwer beizubringen sind. Auf eine Eingabe hin hat der Präsident der Generalkommission in Dortmund sich auf denselben Standpunkt ge⸗ stellt. Bei der Beratung des Gesetzentwurfs zur Förderung der An siedlung auf dem Wege der inneren Kolonisation hat der Finanz minister einen anderen Standpunkt eingenommen. Ich möchte darum die Staatsregierung bitten, entsprechende Verhandlungen einzuleiten, damit diese Kapitalien der Landesversicherungsanstalten, die zum großen Teil aus der Landwirtschaft stammen, auch wieder der Land⸗ wirtschaft zur Verfügung gestellt werden, und ferner dahin zu wirken, daß das Reichsversicherungsamt seinen ablehnenden Standpunkt aufgibt.

Abg. Humann (Zentr.) verbreitet sich über die Fleischbeschau auf dem Lande und spricht die Ansicht aus, daß die Fleischteuerung nicht sowohl in der Grenzsperre als vielmehr in der Erhöhung der all⸗ gemeinen Produktionskosten ihre Ursache hat. Sodann geht der Redner auf das Thema der inneren Kolonisation über; seine Ausführungen sind aber auf der Berichterstattertribüne im einzelnen nicht zu ver⸗ stehen.

Nach 4 Uhr vertagt das Haus die Fortsetzung der Be⸗ ratung auf Dienstag 11 Uhr.

Verkehrsanstalten.

Laut Telegramm aus Saßnitz trifft die Post aus Schweden und Norwegen, die heute vormittag in Berlin fällig war, etwa 6 Stunden später ein. Grund: Starker Oststurm mit Schneec.

Verdingungen im Auslande.

Verdingungen, die beim „Reichs⸗ und können in den Wochentagen in dessen 9 bis 3 Uhr eingese

(Die näheren Angaben über Staatsanzeiger“ ausliegen, könn Expedition während der Dienststunden von

Kriegsministerium in Konstantinopel: Vergebung der Lieferung von 250 Handwagen und 25 zweirädrigen Karren nach Modellen Endgültiger Zuschlagstermin am 29. Januar 1910. Angebote an das obengenannte Ministerium, Eftrn⸗ auabteilung der Inspektion für Technik und Festungsbau. Sicherheitsleistung in Höhe von 10 % des Kaufpreises.

Statistik und Volkswirtschaft.

Der Sparkasse der Stadt Schöneberg brachte der letzte Monat des verflossenen Jahres trotz der IJnanspruchnahme der Priva mittel durch die Anforderungen des Weihnachtsfestes eine ög Erhöhung ihres Bestandes. Der Gesamtbetrag des Spargeldes wu von 47 787 296 auf 49 055 913 ℳ, und den Einzahlungen in der Höhe von 2 028 581 standen Auszahlungen von nur 759 937 Rresber Den Sparern konnten 1 312 173 Zinsen gutgeschrieben werden