8 Fracht auf die Dauer finden wird, daß etweder die Otavigesellschaft
8 11“ von Karibib nach Windhuk und der Weiterführung von Windhuk nach Keetmanshoop. Ich will hier gleich sagen: soweit ich es irgend kann, will ich der Entscheidung des Landesrats unter keinen Um⸗ ständen vorgreifen über die Weiterführung der Trasse. Meine private Ansicht aber, die ich nach dem eingehenden Studium aller dieser Akten mir gebildet habe, ist die, daß man Windhuk wahr⸗ scheinlich nicht wird umgehen können. Ich glaube, daß die Haupt⸗ stadt, die sich dort nunmehr gebildet hat, die großen fiskalischen An⸗ stalten, die sich dort befinden, die zentrale Lage und auch die Schwierig⸗ keit, die Bahn strategisch so zu gestalten, wie es notwendig ist, Windhuk als den gegebenen Platz bleiben lassen, von dem aus die Südbahn anfangen muß. Ich möchte auch darauf aufmerksam machen, daß zu Truppenverschiebungen nach dem Süden es notwendig sein wird, zunächst von Windhuk die Truppen nördlich bis nach Waldau ganz in die Nähe von Karibib zu bringen, um sie dann auf der Schleife nach dem Süden von Windhuk zu schicken. Es sind ernste Gründe, die dafür sprechen, daß die Entscheidung wohl nach dieser Richtung fällt; aber wie gesagt, anderen und besseren Gründen mich zu verschließen habe ich keine Veranlassung und auch nicht die Ab⸗ sicht. Von den 51 Millionen kommen auf den Umbau der Karibib — Windhukstrecke ungefähr 9 Millionen Mark, und der Rest von 42 Millionen Mark kommt auf die 540 km lange Strecke von Windhuk bezw. Waldau nach Keetmanshoop. Aber auch für diese Strecke soll der Reichskredit nur in Höhe von 17 Millionen in Anspruch ge⸗ nommen werden. Die übrigen 34 Millionen sollen aus denjenigen besonderen Einnahmequellen kommen, welche aus den Diamanten dem Reich und dem Schutzgebiet zufließen.
Es war die Frage mit Recht an uns gerichtet worden: ist es denn zu erwarten, daß diese 34 Millionen Mark einkommen werden? Nun, meine Herren, ich glaube, wir haben keinen Fehler gemacht, wenn wir im Jahre 1909 einschließlich des Nachtragsetats ungefähr
6ã ⅛ Millionen aus den Diamanteneinnahmen eingestellt haben, und eine ähnliche Summe von 6 ½ Millionen Mark werden uns aus den Einnahmen des Jahres 1910 wahrscheinlich, wenn nicht etwas ganz besonderes auf dem Diamantenmarkt vorgeht, zukommen, und wir brauchen hierzu einige mindere Beträge zur Balanzierung des südwest⸗ afrikanischen Etats, der ohne diesen Zuschuß noch einen Zuschuß vom Reich auf die Zivilverwaltung aufzeigen müßte. Aber immerhin eine Summe von 9 bis 10 Millionen Mark können wir in der Gegenwart und in der nächsten Zukunft erwarten, und dadurch werden die 34 Millionen schon wieder herabgemindert auf 24 Millionen, und nach allem was man hört, werden wir jedenfalls zur ganzen Summe kommen.
8 Hinsichtlich des Risikos, welches in der Verstaatlichung der Otavi⸗ bahn liegt, ist ja viel gesprochen worden. Die Rechnung ist so auf⸗ gestellt, daß wir heute bei zehnjähriger Vertragsdauer doch die Gelder einnehmen, die das Kaäpital für 17 oder 18 Jahre verzinsen, und ich habe, wenn ich mich auch über die Aussichten der Otavi⸗ Mitnengesellschaft nur sehr vorsichtig aussprechen will, doch die Ueber⸗ zeugung, daß innerhalb dieses großen und bisher noch durchaus uner⸗ forschten Gebiets nördlich und im Kaokofelde auch beim Abbau der Marmorvorkommen, falls diese zur Hebung gelangen, sich so viel
oder wir diese Bahn mit der bisherigen Rente betreiben können, und das ist auch natürlich sehr notwendig; denn die Rentabilität der Mittellandbahn ist ja noch im Dunkel. Aber doch nicht so im Dunkel, wie man es manchmal angenommen hat. Die Reichs⸗ und Kolonialverwaltung hat natürlich sehr vorsichtig gerechnet, sie hat immer ein Betriebsdefizit von 300 000, 200 000 oder 100 000 ℳ im Jahre angenommen, aber von allen den Farmdistrikten in Südwest⸗ afrika, vielleicht mit Ausnahme des mittleren Hererolandes, sind die Bezirke von Gibeon und Maltahöhe, die jetzt durch die Bahn er⸗ schlossen werden, die besiedeltsten, und es sind eine Anzahl kapital⸗ kräftiger Farmer da, und auch die Herren, welche die Geschichte der Konzessionsgesellschaften verfolgt haben, werden noch in der Erinnerung haben, daß die Hanseatische Minengesellschaft, die mit 1 Million Kapital neu konstruiert ist, ihre Arbeitsstätte bei Spitzkopp in der Nähe von Rehoboth finden wird, ein Punkt, welcher unmittelbar und aus⸗ schließlich von der neuen Linie bedient werden wird.
Das Wort „Konzessionsgesellschaften“ bringt mich auf die Er⸗ wähnung der Landkommission, deren Bericht heute verteilt worden ist. In der Landkommission, einer Kommission bestehend aus Mitgliedern dieses hohen Hauses und aus Mitgliedern, welche vom Herrn Reichs⸗ kanzler ernannt werden teils aus Interessenten, teils aus Sach⸗ verständigen, wurden die Rechte der verschiedenen Gesellschaften geprüft. Der Herr Vorredner hat nicht angestanden, auch der Kolonial⸗ verwaltung für diejenigen Dinge, welche in Ausführung der Beschlüsse der Landgesellschaften erfolgt sind, zu danken und hervorzuheben, daß die Landkommission durch ihren Generalberichterstatter es hat aussprechen lassen, daß dasjenige, was nach Lage der schwierigen und verworrenen Rechtsverhältnisse hat erzielt werden können, auch tatsächlich diesmal erzielt worden sei. Ich mache aber diese Bemerkung nur deshalb, um gleichzeitig zu sagen, daß die Unterstützung, welche die Landkommission dem Reichskolonialamt durch ihre Anregungen, ihre Arbeiten und ebenso auch durch die scharfe Stellungnahme, die sie in gewissen Punkten genommen hat, es allein crmöglicht hat dem Reichskolonialamt, zu diesem Resultat zu kommen, und wenn hier gedankt wird, muß dieser Dank mindestens geteilt werden. (Bravo!) Meine Herren, der Herr Abg. Dr. Arendt hat das Verhältnis, welches zwischen den Bewohnern des Schutzgebiets und der Heimat eingetreten ist durch die letzten Vorkommnisse, be⸗ sprochen und hat sich dabei auf den Standpunkt gestellt, daß man es heute mit einer Aufregung zu tun habe, welche vorüber⸗ gehender Natur sei, und daß, wenn es gelingen würde, die Rechtsverhältnisse, unter denen sich diese Personen bewegen und welche für sie maßgeblich sind, aufzuklären, eine Beruhigung ein⸗ treten müsse. Meine Herren, wir haben ein Interesse daran, diese Beruhigung möglichst bald herzustellen, und aus diesem Grunde habe ich Ihnen gestern den Inhalt eines Nachtragsvertrages mit der Deutschen Kolonialgesellschaft vorgelegt. Ich will aber gern an⸗ erkennen, daß diejenigen Anregungen und Bemängelungen, welche in der Budgetkommission gegenüber dem Vertrage heute laut geworden sind, mich trotz der mir zweifellos ressortmäßig zustehenden Möglich⸗ keit, diesen Vertrag zum Abschluß zu bringen, auch ohne dieser Stimmung Rechnung zu tragen, dazu veranlaßt haben, diesen Ver⸗
Meine Herren, die Sympathie, welche für unsere
Südwestafrika hier geäußert worden ist, teile ich durchaus, aber eine Sympathie muß sich gründen auf einem gegenseitigen und wirksamen Verstehen und auf der gegenseitigen und wirksamen Achtung der jedem Teile zustehenden Rechte, und daran scheint es mir noch ein wenig zu mangeln. Wir haben das ja auch in anderen Kolonien gesehen. Die deutschen Kolonien werden regiert nach den Bestimmungen des Schutz⸗ gebietsgesetzes durch den Inhaber der Schutzgewalt, Seine Majestät den Kaiser, dessen Handlungen der Gegenzeichnung des Reichskanzlers bedürfen, und sie werden regiert durch die Zentralstelle in Berlin, den Staatssekretär des Reichskolonialamts, der unter Verantwortung des Reichskanzlers seine Geschäfte führt. Deswegen kann es nicht fehlen, daß in allen wichtigen Dingen, so sehr man auch bemüht ist, in lokalen Fragen die lokalen Verwaltungen ungehindert arbeiten zu lassen, die Entscheidung von hier aus kommen muß, und zwar um so mehr, weil der Staatssekretär des Reichskolonialamts ebenso wie der Herr Reichskanzler diesem hohen Hause für die Verwendung der be⸗ willigten Gelder und die Zustände in den Schutzgebieten entweder Rechenschaft schuldig sind oder Auskunft geben müssen. Daraus ergibt sich mit absoluter Notwendigkeit, daß derfjenige, der die Verantwortung trägt, auch die Exekutive haben muß, und alle diese falschen Andeutungen in den ver⸗ schiedenen Depeschen, daß der Gouverneur oder Landesrat oder irgend jemand anders in dem südwestafrikanischen Schutzgebiet den Ausschlag geben könne gegenüber dem Reichstag, Bundesrat und Reichskanzler, ist in allem verkehrt, und es ist notwendig, daß unsere Landsleute in Südwestafrika das einsehen lernen. (Sehr gut! links.) Das ergibt sich natürlich auch aus der großen finanziellen Last, welche das Reich nach wie vor trägt. Ich habe gestern bereits davon ge⸗ sprochen, diese finanzielle Last erscheint ja nicht mehr in dem Schutz⸗ gebietsetat, aber die Taschen der heimischen Steuerzahler fühlen sie mit unverminderter Kraft. Wenn dann dieses Gefühl der tatsäch⸗ lichen Machtverteilung, Verantwortungsverteilung und der tatsäch⸗ lichen Aufgaben, welche die Kolonialverwaltung draußen in dem Schutzgebiete hat, hinreichend anerkannt wird, werden auch hier keinerlei Schwierigkeiten gemacht werden, in allen lokalen Dingen dem Schutzgebiete diejenige Bewegungsfreiheit zu geben, auf welche die Bürger dort Anspruch machen, und wie ich sage, in gewissem Umfange Anspruch haben. Denn es kann nicht verlangt werden, daß jemand, der in das Schutzgebiet hinausgeht und die deutschen Bürgerrechte verliert dadurch, daß er die Heimat verläßt, nunmehr als Objekt der Gesetz⸗ und Verordnungsgewalt von Behörden behandelt wird. Auch denjenigen Personen, die wir in Deutschland politisch erzogen haben, müssen gewisse politische Rechte mit der Zeit eingeräͤumt werden. Ich kann mich also nur dem Aus⸗ spruche anschließen, daß auch Südwestafrika auf die Dauer nach jeder Richtung auf unsere Sympathien wird rechnen können, und daß wir nach keiner Richtung etwa geneigt sind, aus den Vorkommnissen irgend welche Konsequenzen zu ziehen, welche die durchaus wohlwollenden und gerechten Absichten, die wir heute und jederzeit diesen unseren Lands⸗ leuten entgegengebracht haben, irgendwie zu tangieren in der Lage wären. Meine Herren, der Beweis dafür liegt besonders in diesen Vorlagen, besonders in der Vorlage dieser Bahnbauten. Was hätte näher gelegen, bei 405 Millionen Kriegsschulden und 42 Millionen Bahnschulden und bei den großen Zuzahlungen noch für die Zivil⸗ gewalt und bei 14 Millionen jährlichen Unkosten für das Militär diese unverdienten, durch keine besondere Arbeit zu gewinnenden Berg⸗ schätze in Südwestafrika nunmehr für das Deutsche Reich in Anspruch zu nehmen, um diese große Last abzubürden. Das Reichskolonialamt hat geglaubt, Ihnen das nicht vorschlagen zu sollen, und Sie haben sich in großzügiger Weise diesem Bahnbauvertrag angeschlossen. Wo bleibt jeder Pfennig, der aus den Diamantenschätzen des südwest⸗ afrikanischen Schutzgebiets kommt? Er wird dazu dienen, diesem Lande eine große Entwicklungsmöglichkeit zu geben und auch strategisch in einer Weise unter die Kontrolle des Militärs zu bringen, daß jedenfalls die gegenwärtige Schutztruppe unter allen Umständen mit der Verminderung hinreichen wird, Ruhe und Ordnung zu garantieren. Es kommt aber noch etwas anderes hinzu, je mehr Deutsche in dieses Land gehen, desto intensiver muß die Verwaltung werden, desto mehr hat das Gericht zu tun, desto mehr Bezirksamtsstellen müssen ge⸗ schaffen werden, eine desto größere Verwaltungstätigkeit muß aus⸗ geführt werden. Das ist aber alles ungeheuer teuer in einem eisen⸗ bahnlosen Lande, sodaß ich glaube, auch sagen zu können, eine bessere und intensivere Verwaltung wird die Folge der Einrichtung dieser Bahnen sein, sodaß nicht nur in kultureller und militärischer, sondern auch in administrativer Beziehung diese Bahnvorlage vielleicht das Wichtigste ist, was Sie dem südwestafrikanischen Schutzgebiet an,⸗ geboten und bewilligt haben oder bewilligen wollen, und von diesem Gesichtspunkte aus begrüße ich mit Freuden und namens der Süd⸗ westafrikanischen Schutzgebiete mit Dank die einstimmige Haltung des hohen Hauses in dieser Frage. (Bravo!l links.)
Abg. Lattmann (wirtsch. Vgg.): Aus den Worten des Staats⸗ sekretärs klingt die hohe Befriedigung über die einheitliche Auffassung der bürgerlichen Parteien heraus. Dieses Zusammenfinden aller Parteien, mit Ausnahme der Sozialdemokraten, ist erfreulich; aber auch die Ausführuugen des Abg. Ledebour schienen mir gequält nach kümmerlichen Gründen gegen die Vorlage zu suchen, während er innerlich eigentlich keine Gründe dagegen hat. Der Abg. Ledebour meinte in der Kommission, das Land 88 für die kleinen Leute gar kein Interesse, da zur Ansiedlung ein Kapital von 15⸗ bis 20 000 ℳ gehöre. Aber die Erschließung des Landes durch diese Bahn wird auch den Arbeitern klar machen, daß diese Entwicklung in erster Linie im Interesse der deutschen Industrie liegt, und daß mit der Zeit auch die Ansiedlung kleinerer Existenzen möglich sein wird. Wer hätte vor kurzem noch für möglich gehalten, daß diese 1200 km Bahnen von der Kolonie aus eigener Kraft gebaut werden könnten? Früher war lebhafter Streit, ob Gesellschaftsbahnen oder Staats⸗ bahnen zu bauen seien. Unsere damalige Ansicht zu Gunsten der Staatsbahnen wird jetzt allgemein geteilt, die Gesellschaftsbahnen könnten wegen des Tarifmonopols gefährlich werden. Ueber die Hauptsache, die Tariffrage, ist auch die Bevölkerung der Kolonie gefragt worden, denn diese Frage muß aus den lokalen Kennt⸗ nissen heraus entschieden werden. Ueber die Diamantenfrage läßt sich schwer sprechen, weil wegen der vertraulichen Verhandlungen in der Kommission manche Vorwürfe nicht zurückgewiesen und manche Bedenken nicht vorgebracht werden können. Die Ein⸗ nahmen aus den Diamanten sind durch die Kolonialverwaltung ver⸗ möge des Ausfuhrzolls, der Sperre und der Regie gesichert worden. Hinter den Depeschen steht nicht die ganze südwestafrikanische Be⸗ völkerung; aus Swakopmund habe ich die Nachricht erhalten, daß ein Teil der Bevölkerung auch mit dem sachlichen Inhalt der Depeschen nicht einverstanden ist. Stutzig macht uns der Gegensatz selbst in der deutschen kolonialfreundlichen Presse; es heißt dort, daß
trag in der gegenwärtigen Form jedenfalls zurzeit nicht abzuschließen. Sehr gut!) 8
der Berliner Großkapitalist und die großen Kolonialgesellschaften be⸗
vorzugt seien. In der Oeffentlichkeit hat man sich über die Regie kein klares Bild gemacht; es hieß, daß 16 Banken und zwei Gesell⸗ schaften Millionen über Millionen aus der Regie in ihre Taschen steckten; das ist falsch. Diese Banken und Gesellschaften erhalten nur eine Verzinsung ihres Kapitals und einen Ersatz ihrer Auslagen, alles übrige wird zugunsten der Kolonie verwendet. Durch die Kon⸗ tingentierung der Produktion und durch die Regie wird der Entwertung der Diamanten vorgebeugt. Heute wird nun die Regie allgemein anerkannt. Die Regie ist das Gegenteil jeder manchesterlichen Auffassung, und auch aus diesem Grunde begrüßen wir die Einrichtung ganz besonders. Der Verpachtungsvertrag wird angefochten, weil man die fiskalischen Interessen dadurch beeinträchtigt sieht. Die alte Konzessionspolitik hat aber doch seit einigen Jahren aufgehört, und das ist nicht zum mindesten der Mitwirkung unserer Landkommission zu danken. Durch das Studium der Akten des Kolonialamts 1 ich mich zu meinem Bedauern davon überzeugen müssen, daß die alten, von den Gesell⸗ schaften abgeschlossenen Verträge fatfachlich zu Recht bestehen, und daß auch nicht aus dem Grunde, weil sie nicht erfüllt worden seien, ihre Nichtigkeitserklärung gefordert werden kann. Die ruhbigen und verständigen Elemente in der Kolonie müssen wir möglichst unterstützen, 1188 Bitten möglichst entgegenkommen, dann werden wir auch in der Kolonie selbst ein Gegengewicht gegen un⸗ vernünftige Tendenzen schaffen. Mit diesem Wunsche stimmen wir der Vorlage zu.
Abg. Erzberger (Zentr.): Es ist kein Widerspruch, wenn ich einer⸗ seits den kaufmännischen Geist des Staatssekretärs lobe und ander⸗ seits das Bestreben zeige, wo irgend möglich das Budgetrecht des Reichstags zu wahren. Der Auffassung des Abg. Storz, daß die Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika heute noch nicht blo das Bergrecht, sondern auch das Bergwerkseigentum besitzt, muß 8 aufs entschiedenste widersprechen. Damit würden wir ja in eine ganz unerträgliche Monopolwirtschaft geraten. Von 1908 ab kann davon gar keine Rede sein. Auch in allen früher abgeschlossenen Verträgen ist nirgends von einem Bergwerkseigentum die Rede. Die Bergordnung von 1905 stellt ausdrücklich auch für das Gebiet der Deutschen Kolonialgesellschaft das Prinzip der allgemeinen Schürffreiheit auf; aus dem Schürfrecht erfolgt nach dem Wortlaute der Bergordnung das Abbaurecht von selbst. Die Uebergangsbestimmungen der Bergordnung ändern an diesem Verhältnis nichts; die gegenteilige Annahme des Abg. Storz ist ein Grundirrtum; alle Privilegien der Gesellschaft sind auf diesem Ge⸗ biete beseitigt, es besteht kein Recht der Gesellschaft mehr an dem Besitz des Mineralvorkommens in ihrem Gebiet. Das ganze Ab⸗ kommen vom 17. Februar 1908 mit der Gesellschaft hätte ja sonst gar keinen Sinn. Deshalb hat ja auch die Landkommission gerade dieses Abkommen als einen großen Fortschritt begrüßt; als eine sinn⸗ gemäße Auslegung der Verträge könnten wir es nun und nimmer⸗ mehr ansehen, wenn man jetzt dazu überginge, die Bestimmungen dieses Abkommens veeergen. Allerdings hbätte die Gesellschaft das Abkommen vielleicht nicht geschlossen, wenn damals schon die Diamantenfunde gemacht worden wären. Sonderprivilegien dürfen nicht mehr der Ausgangspunkt allgemeiner Maßnahmen sein.
Abg. Dr. Arning (nl.) bestätigt, daß die Landkommission mit einziger Ausnahme des Abg. Storz auf dem von dem Abg. Erzberger entwickelten Standpunkte gestanden hat. 8— 8
Damit schließt die Diskussion.
Nachdem nochder Abg. Storz (d. Volksp.) über die Petitionen berichtet hat, wird zur Abstimmung geschritten. Das Haus nimmt den Nachtragsetat für Südwestafrika durchweg nach dem Antrage der Budgetkommission an, ebenso ohne Debatte den zweiten Nachtrag zum Reichshaushaltsetat für 1909, der die Konsequenzen des Nachtragsetats für die Schutzgebiete zieht und außerdem die Summe von 102 000 ℳ zu baulichen Renovierungen im Gebäude des Reichsjustizamts anfordert.
Es folgt die zweite Beratung der Uebersicht der Ein⸗ nahmen und Ausgaben der afrikanischen Schutzgebiete, des Schutzgebies Neuguinea, der Verwaltung der Karo⸗ linen, Palau und Marianen, sowie des Schutzgebiets Samoa für 1903 und für 1905. Referent der Rech⸗ nungskommission ist der Abg. Schwarze⸗Lippstadt (Zentr.). Die Kommission beantragt, die nachgewiesenen Etatsüber⸗ schreitungen und außeretatsmäßigen Ausgaben vorläufig zu genehmigen.
Abg. Dr. Görcke (nl.): In der Kommission ist angefragt worden, weshalb 1903 die eingestellte Ausgabe von 150 000 ℳ zur Verstärkung der Artillerie nicht ausgegeben worden ist. Seitens der Regierungsvertreter wurde bestritten, daß die Rechnungs⸗ kommission überhaupt das Recht habe, nach Gründen für die Nicht⸗ verausgabung eines Betrages zu fragen. Es handelt sich hier um eine grundsätzliche Frage. Später wurde uns gesagt, es sei „aus hier nicht näher bekannten Gründen“ Abstand von der Verausgabung genommen worden. Auch die verhältnismäßig riesigen Summen, die in dem Schutzgebiet Kamerun für Radiergummi, für Tinte usw. aus⸗ geseben worden sind und schon früher allgemeines Aufsehen erregten, haben die Prüfung in der Kommission passiert. Man hat uns ge⸗ sagt, das ginge in den Kolonien nicht anders, es müßten davon immer gleich große Quantitäten ins Innere geschafft werden, um nicht zu oft Karawanen und sonstige Transporte aus diesem Anlaß auszurüsten. Wir haben aus der Sache keine cause célèbre machen wollen, aber es mußte hier darauf hingewiesen werden, um zu zeigen, wie auch auf diesem Gebiete dort aus dem vollen gewirt⸗ schaftet worden ist. Es gehört das mit in die Kategorie der 500 000 Paar Strümpfe und der 300 000 Unterhosen, die der Staatssekretär immer noch zu verkaufen hat. Die Position „Reise⸗ kosten“ ist wiederholt ganz arg überschritten worden. Diese Etats⸗ überschreitungen lenken wieder unsere Aufmerksamkeit auf die Not⸗ wendigkeit einer Neuordnung der Tagegelder und Reisekosten. Es sollen bei der Regelung Schwierigkeiten entstanden sein; ich möchte wissen, ob demnächst Ernst gemacht werden wird.
Staatssekretär des Reichsschatzamts Wermuth:
Meine Herren! Der Herr Vorredner hat gefragt, wie weit die Neuregelung der Reisekosten, Tagegelder und Umzugskosten der Reichs⸗ beamten vorgeschritten sei. Ich hatte bereits in der ersten Beratung und in Anknüpfung an die Erklärungen, die schon in der vorigen Session abgegeben worden sind, die Ehre, Ihnen mitzuteilen, daß jetzt Verhandlungen eingeleitet sind, um diese Neuregelung alsbald zum Abschluß zu bringen. Bei der großen Verschiedenartigkeit der in Betracht kommenden Verhältnisse sind natürlich mancherlei Schwierig⸗ keiten zu überwinden, aber gerade in letzter Zeit sind die Verhand⸗ lungen im lebhaftesten Fluß gewesen. (Heiterkeit.) Ich meinerseits hoffe, daß es in kurzer Zeit gelingen wird, ein endgültiges Resultat in dem Sinne zu erzielen, daß die Reisekosten tunlichst sich den tat⸗ sächlichen Ausgaben anpassen. (Heiterkeit.) Es besteht wohl auf allen Seiten der lebhafte Wunsch, daß diese Angelegenheit nunmehr bald und endgültig zum Austrag gebracht wird. (Heiterkeit.)
Abg. Erzberger (Zentr.): Es ist sehr zu begrüßen, daß wir solchen Berichten erhöhte Aufmerksamkeit schenken und manches Kabinett⸗ stück zu Tage fördern. Was die Reisekostenregelung betrifft, so frage ich: Was heißt „bald“ (Zuruf: Tunlichst!) oder „tunlichst“? Die Reise⸗ kostenregelung ist durchaus veraltet. Wenn die Reisekosten den tat⸗ sächlichen Bedürfnissen angepaßt werden, so können in Staat und Kommunen Millionen gespart werden. Ein Postbeamter, der von Kattowitz nach Südwestafrika versetzt wird, erhalt 2200 bis 2400 ℳ Reisekosten; er kann 1700 ℳ davon in die Tasche stecken und erhält
₰¼
auch noch 20 % Ermäßigung von seiten der Dampfergesellschaft.
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
Schießen in größeren
sshen ist, daß sich die Umbewaffnung ohne beson
chsanzeiger und Königlich Preußi
Berlin, Donnerstag, den 27. Januar
Die Erklärung des Staatssekretärs läßt nun alles in der Schwebe. Wir müssen aber unser Budgetrecht wirklich zur Geltung bringen. Die Etatsüberschreitungen in Kamerun sind doch höchst sonderbar. Für Formulare sind allein über 6000 ℳ aus⸗ egeben, für Löschblätter und Linienblätter über 500 ℳ, für Feder⸗ balter und Federn 501 ℳ. Eine Ausgabe ist jedenfalls sehr dunkel: 468,75 ℳ für Papieruntersuchungen. Was sind das für Untersuchungen? Hier hätte der Staatssekretär ein großes Gebiet zur Betätigung seiner Sparsamkeit; aber nicht nur in den Kolonien, sondern auch in der Heimat. Hier kann viel gespart werden, ohne daß die Maschinerie des Staates darunter Schaden leidet.
Staatssekretär des Reichsschatzaäamts Wermuth: 8
Soweit ich in der Lage bin, meinerseits Voraussagungen abzu⸗ geben, glaube ich, erklären zu dürfen, daß die sichere Aussicht besteht / daß die Neuregelung der Tagegelder usw. bis zum 31. März d. J., also vor dem 1. April (Heiterkeit), eintreten wird. Ich habe augen⸗ blicklich allen Grund zu der Annahme, daß diese Hoffnung sich be⸗ stätigen wird. (Erneute Heiterkeit.)
Im übrigen werde ich mir die von den Herren Abgg. Erzberger und Görcke mitgeteilten Beispiele gern merken, um dem Sparsam⸗ keitsdrange der verbündeten Regierungen weiterhin die Zügel schießen zu lassen. (Heiterkeit.)
Das Haus beschließt nach dem Kommissionsantrage. Darauf berichtet der Abg. Oertel (nl.) namens der Rechnungs⸗ kommission über die Rechnungen über den Haushalt der afrikanischen Schutzgebiete für die Rechnungsjahre 1897/98 und 1898. Die Kommission beantragt die Er⸗ teilung der Entlastung für den Reichskanzler.
Ueber die Rechnungen über den Haushalt der afrikanischen Schutzgebiete, des Schutzgebietes Neu⸗ guinea, der Verwaltung der Karolinen usw. und des Schutzgebietes Samoa für 1900 referiert der Abg. Dr. Görcke. Die Kommission beantragt, unter gleichzeitiger nachträglicher
Genehmigung einer Reihe einzelner Posten die Entlastung zu
erteilen. 1 2 “] Ohne Debatte entspricht das Haus diesen Anträgen.
Darauf tritt das Haus in die Beratung des Militär⸗
etats für 1910 ein.
In der allgemeinen Debatte beim Titel „Gehalt des
Kriegsministers“ bemerkt der 8 Abg. Häusler (Zentr.): Zur Beruhigung der Steuerzahler ist es als politisches Axiom hingestellt worden, daß die Rüstung eines Staates sich von keinem anderen Staate übertreffen lassen kann. Dieser Zustand ist immer unhaltbarer geworden; da ist ein Ende mit Schrecken besser als ein Schrecken ohne Ende. Die Rüstung des einen Staates zwingt alle anderen, auf dem gleichen Wege zu folgen, und schließlich wird der Sieger bleiben, dem es gelingt, unter möglichster Schonung des Volkes die beste Rüstung zu tragen. Er⸗ sparnisse an der Rüstung unserer Armee können wir also nicht machen. Im vorigen Jahre sind die Offiziersgehälter erhöht worden, um so mehr ist zu bedauern, daß die Erhöhung der Soldatenlöhne noch immer nicht stattfinden soll. Die als Ersparnis gedachten Maß⸗ nahmen der Heeresverwaltung klingen wie eine Ironie, wenn man die Grhöhung mancher Positionen in diesem Etat sieht. Ersparnisse ließen sich wohl erzielen bei den Zurdispositionsstellungen, bei den Komman⸗ danten in den offenen Städten, sowie beim Zulagewesen, das leider nicht zugleich mit der Gehaltsaufbesserung im vorigen Jahre geregelt ist. Gehen diese Ersparnisse auch nicht in die Millionen, so können doch immerhin große Beträge herauskommen, und wir müssen dem fortwährenden Anschwellen des Etats vorbeugen. In, Frankreich ist ohne Schaden die Zahl der Leutnants um 700 verringert worden; daß das auch bei uns möglich wäre, zeigen die schon vorhandenen Manquements an Offizieren. Wir müssen auch darauf halten, daß das für eine bestimmte Stelle ausgeworfene Gehalt unter allen Um⸗ ständen innegehalten wird. Durch die Reform des Militär⸗ veterinärwesens sind leider nicht alle Wünsche befriedigt worden. Die bayerischen Militärveterinäre sind bei dieser einheitlichen Regelung im Reiche benachteiligt worden, weil ihnen die Studien⸗ jahre bei der Berechnung der Pensionszeit nicht angerechnet werden. Das Anwachsen unserer Bevölkerung bringt eine fortgesetzte Heeres⸗ vermehrung mit sich. Es wäre ein verhängnisvoller Fehler, diese Ueberlegenheit Deutschlands über andere Militarmächte nicht voll aus⸗ zunutzen, und so nehmen auch in dieser Hinsicht die Anforderungen des Heeres nicht ab, sondern zu. Ein Ausgleich dafür ist nur in einer weiteren Herabsetzung der Dienstzeit zu finden. Die Be⸗ seitigung des dritten Dienstjahres für die Kavallerie wird bei der nächsten Quinquennatsvorlage zur Sprache kommen. Die allgemeine Herabsetzung der Dienstzeit, ohne Verminderung der Schlagfertigkeit das wichtigste militärische Problem. Wir müssen schon unsere Jugend zur Vorbereitung für den Militärdienst heranziehen, darin sind bei uns Fortschritte noch nicht erzielt worden. In Berlin ist im Beisein des “ Parade der Jugend⸗ wehr abgehalten worden, wobei die üblichen Ansprachen ge⸗ balten wurden, und der Kriegsminister hat in einem Erlaß die Zuziehung ganzer Schulen zu Paraden usw. empfohlen, um die Freude am Soldatenleben zu wecken. Den Schulen sollen auch Exrerzierplätze und Schießplätze zur Verfügung gestellt werden; das ist anzuerkennen, genügt aber nicht. Wir brauchen eine Organisation nach japanischem Muster, um die mi itärischen Eigenschaften schon in der Jugend zu fördern und den von den Vätern ererbten kriegerischen Geist zu erhalten. Der Kriegsminister⸗ allein ist dazu nicht in der Lage. Verschiedene Fortschritte wie die Beseitigung des Frontmachens und sonstige Erleichterungen sind anzuerkennen, die dadurch er⸗ sparte Zeit wird der kriegsmäßigen Ausbildung zugute kommen. Besonders ist der Fortschritt des neuen Ererzierreglements für die Infanterie zu begrüßen. Die Beseitigung der ominösen Bestimmung im zweiten Absatz des § 3 der Einleitung, worin die parademäßige Ausbildung mit der Disziplin identifiziert wurde, wird boe 1S Geist in die Ausbildung unserer Infanterie bineinbringen. Hoffertlich sindet auch die neue Fassung bei allen Stellen btige Ver⸗ ständnis und trägt auch dazu bei, den beklagenswerten Mißhandlungen zu steuern. Das Verbot des übertriebenen Aufhauens der Füße wird den Extremitäten unserer Soldaten zugute kommen. Ich begrüße auch die neuen Vorschriften über das Schulschießen. Das Abteilungen ist notwendig zur Ausbildung der ‚aber es wird dabei noch zuviel Munition verbraucht. Es ist nicht nötig, daß alle mitgenommene Mrhnnts he 686
6 zFe daß die Frage des matischen Gewehrs
111— dere Kosten vollziehen ann; die vorhandenen Munitionsbestände könnten erst aufgebraucht werden. Nicht so befriedigend kann ich mich aussprechen über es neue Exerzierreglement für die Kavallerie vom vorigen Jahre. ü dem bestimmten Willen des deutschen Volkes ist eine ve rung der Kavallerie nur unter gleichzeitigem Uebergang zur werlabriehen Dienstzeit zu erreichen. Ich bin gewiß kein Befürworter erhöhter
Militärausgaben, aber der künftige Krieg steht im Zeichen des Massenaufgebots, und deshalb mgisen Flugapparate, drahtlose Tele⸗ graphie usw. schon jetzt in den Manövern erprobt werden, und das kostet natürlich Geld. Die Sonderausgaben dafür müssen durch Wegfall der großen Parade und durch Verkürzung der Divisionsmanöver wieder eingebracht werden. Unsere Truppen⸗ übungsplätze sollten für die drei Waffengattungen nach dem Bei⸗ spiele Frankreichs besser ausgenutzt werden. Es wäre interessant, einmal zu erfahren, wieviel die Militärverwaltung nach Maßgabe der persönlichen, sachlichen und politischen Ausgaben eigentlich kostet. Im großen und ganzen ruft man auch in der Heeresverwaltung nach kaufmännischem Geiste. Dieser kaufmännische Geist mag bei den Anschaffungen am Platze sein, in Organisationsfragen kommt man damit nicht aus. Die Intendanturen sind aber ungemein schwerfällige Verwaltungskörper geworden und müßten im Mobilmachungsfalle fast vollständig neu organisiert werden. Vor allem ist die Loslösung aller derjenigen Verwaltungszweige von den Intendanturen notwendig, die mit der unmittelbaren Mobilmachung nichts zu tun haben. Die Vorbedingung ist ein möglichst homogenes und gut geschultes Beamtenpersonal, woran es leider fehlt. Nach der Stellung, die der Vorgänger des jetzigen Kriegsministers zu der Duellfrage genommen hat, mußte es großes Befremden erregen, daß bei einem Duell in Halberstadt nach Preßberichten der Platz von Soldaten abgesperrt war, und sogar Krankenwagen bestellt und Aerzte bereit waren. Wenn unter notorischem Mißbrauch der Amtsgewalt Mannschaften aufgeboten worden sind, um ein solches Verbrechen ungestört begehen zu lassen, dann fehlt es mir überhaupt an parlamentarischen Worten, um ein solches Verfahren zu kennzeichnen. Schließlich spreche ich die Hoffnung aus, daß der Kriegsminister dem Handwerk dasselbe Wohl⸗ wollen entgegenbringen wird wie der Landwirtschaft. Abg. Dr. Osann (nl.): Zunächst möchte ich dem aus dem Amte eschiedenen Kriegsminister v. Einem Worte der Anerkennung für seine Verdienste und namentlich für die Einlösung des Versprechens, in einer gewissen Richtung unnachsichtlich einzuschreiten, nach⸗ rufen. Wir freuen uns, daß der neue Kriegsminister nicht bloß in der Militärverwaltung groß geworden ist, sondern auch in der Front gestanden und dort Erfahrungen gesammelt hat, die ihm auch in seinem neuen Amte sehr zugute kommen werden. Auch im Heeres⸗ etat müssen wir auf Ersparnisse drängen. Der vorige Reichskanzler sprach am 25. Februar 1907 die denkwürdigen Worte, daß er an Er⸗ sparnisse denke auch in der Armee; bis jetzt ist diesen Worten die Erfüllung nur in geringem Maße gefolgt; es sind lediglich im außerordentlichen Etat, bei Bauten und dergl., einige nicht sehr erhebliche Ersparnisse vorgesehen. Der Reichstag kann verlangen, daß der Etat klarer und übersichtlicher gestaltet wird, sodaß nicht nur Spezialisten sich darin zurechtsinden. In manchen Beziehungen ist der Effekt der auf Ersparnisse gerichteten Anträge und Wünsche des Hauses eine Erhöhung der Ausgaben, indem eine Reihe von Forderungen nur für den Augenblick zurückgestellt worden sind. Bei den Reisekosten und Tagegeldern wird noch immer eine gewisse Verschwendung getrieben. Die Obersten bekommen 25, die Majore 20 ℳ tägliche Reisediäten; das stimmt nicht zu dem Ver⸗ langen, daß nur die mutmaßlichen Ausgaben vergütet werden sollen. Dem Verlangen nach weiterer Einziehung von Kommandanturen ist noch immer nicht Rechnung getragen worden. Absolut nicht zu ver⸗ steben ist es, wenn ein kommandierender General 13 000 ℳ Gehalt, aber 18 000 ℳ Zulage erhält; der Wert seiner Dienstwohnung be⸗ rechnet sich durchschnittlich auf 15 000 ℳ, wovon er aber nur 2000 ℳ bezahlt, während den Rest das Deutsche Reich trägt. Auch mit dem Verbrauch der Munition wird verschwenderisch um⸗ gegangen. Die großen Paraden, die nicht zugleich kriegs⸗ technische Zwecke verfolgen, die sich selbst Hauptzweck sind, führen zu ganz nutzloser Geldverausgabung. Auf dem Gebiete der technischen Waffen wollen wir keine unangebrachte Spar⸗ samkeit geübt haben, auch nicht gegenüber den Kriegsteilnehmern von 1864 bis 1871; das bezügliche, vom Reichstage im vorigen Jahre angenommene Gesetz ist nicht vollzogen worden, weil das Datum gefehlt hat. Wir hoffen, daß ein von allen Parteien eingebrachter gleichartiger Gesetzentwurf auch die Zustimmung der berbündeken Reoierunzen finden wird; die Deckung kann ja leicht in einer vernünftig konstruierten Wehrsteuer gefunden werden. Die bedeutsame Frage der zweijährigen Dienstzeit bei der Kavallerie hat die Verwaltung im vorigen Jahre ablehnend beantwortet; wir halten an der Forderung mit den anderen Parteien fest, eine Pression aber auf die Militärverwaltung in der Weise auszuüben, wie es der Vor⸗ redner andeutete, liegt uns fern. Die Exerzierreglements dürfen nicht nach dem Buchstaben, sondern müssen nach dem Geiste gehandhabt werden, der ihnen innewohnt. Die Vorschriften üͤber die Bespannung bei der Artillerie und beim Train sind durchaus einer Aenderung bedürftig. Noch heute wird die Bevor⸗ zugung des Adels in der Armee unangenehm empfunden. Ich weiß sehr wohl, was der Adel in der Armee bedeutet und geleistet hat. Aber noch heute hat eine Reihe bevorzugter Regimenter, haupt⸗ sächlich in Berlin, in ihren Reihen keinen einzigen bürgerlichen Offizier; daneben haben wir eine große Anzahl von Regimentern, deren Offizierkorps in der Mehrheit adlig ist. Anderseits gibt es eine Anzahl Regimenter mit nur bürgerlichen Offizieren; diese Regimenter stehen aber meistens an der Ost⸗ oder Westgrenze. Wir müssen verlangen, daß bei der Auswahl der Offiziere nicht auf Stand und Rang, sondern auf die Tüchtigkeit und auf die adlige, edle Gesinnung gesehen wird, daß auch nicht einige große Garni⸗ sonen in solcher Art bevorzugt werden. Ein Nachteil dieses Systems ist, daß tüchtige bürgerliche Elemente sich der Offizierskarriere nicht widmen. Es ist doch eine Ehre für jeden Offizier, auf den verant⸗ wortungsvollsten Posten gestellt zu werden, und die befinden sich doch gerade in den Grenzgarnisonen. Wie stellt sich der Kriegsminister zu
der Handwerkerfrage? In den Grenzgarnisonen werden vielfach ganze Einrichtungen von Soldaten hergestellt; wo bleiben da die in denselben Orten wohnenden Handwerker? Auch die Klagen der Zivil⸗ musiker über die Konkurrenz der Militärmusiker müssen endlich ab⸗ gestellt werden. Auch das Militärstrafrecht muß im Sinne des Zivilstrafrechts, dessen Revision jetzt in Angriff genommen ist, reformiert werden. Die bisherige Auslegung des Auf⸗ ruhrparagraphen ist nicht aufrecht zu erhalten; es muß ent⸗ weder der Begriff des Aufruhrs anders fixiert oder aber eine Herab⸗ setzung des Strafminimums von fünf Jahren herbeigeführt werden. Durch die Oeffentlichkeit des militärgerichtlichen Verfahrens wird die Disziplin nicht untergraben; durch den Ausschluß derselben können vielmehr durch die Presse unrichtige Darstellungen verbreitet werden. Den Militärmißhandlungen muß mit aller Entschiedenheit entgegen⸗ etreten werden. Allerdiggs muß man unterscheiden zwischen Mißhandlungen, die aus roher Gesinnung und Schikaniererei, und solchen, die aus Uebereifer begangen werden. Die letzteren will ich allerdings keineswegs verteidigen. Vereinzelt kommen auch Miß⸗ handlungen durch Offiziere vor. Gewiß wird ein Offtzier, der sich zu Mißhandlungen herabläßt, bestraft, aber nicht in derselben Weise wie der Unteroffizier; diesen trifft nicht allein die Strafe, sondern auch der Verlust seiner Stellung und des Zivilversorgungsscheins. Das sollte eine Warnung sein für diejenigen, die berufen sind, die Soldaten zu erziehen. Einzelne Fälle braucht man nicht vorzuführen, wenn man von dem Fggeeng ßedanken ausgeht, daß die Mißhandlungen mit aller Schärfe bekämpft
werden müssen. Wie aus den Verhandlungen des baverischen Ab⸗ geordnetenhauses hervorgeht, haben sich in den letzten Jahren die
Mißhandlungen auch in Bavern gehäuft, während man immer glaubte, daß sie nur bei der scharfen Disziplin in Preußen vorkämen. Dem Kriegsminister stehen in nächster Zeit verantwortliche Aufgaben bevor; er muß damit rechnen, daß das Quinauennat fortgesetzt werden muß, daß wir schon einen Mannschaftsbestand von 652 500 Köpfen haben, daß in diesem und im nächsten Jahre 43 000 Unteroffiziere und 336 000 Mann zu Reserveübungen eingezogen werden, und daß er für alle diese die Verantwortung trägt. Wenn wir bezüglich der Abrüstung den Plänen des englischen Ministers Asquith gefolgt wären, welche Gewähr hätten wir gehabt, daß solche Ver⸗ einbarungen von seinen Nachfolgern gehalten worden wären? Der englische Wahlkampf wird nicht durch Schutzzoll und Tarifreform, sondern durch die nationalen Fragen der Wehrhastigkeit des eng⸗ lischen Volkes, durch Heer und Flotte beherrscht. Der frühere Mi⸗
4
nister der Liberalen Balfour hat erst vor wenigen Wochen in einer Rede ausgeführt, daß er die deutsche Gefahr durch die Wehrhaftigkeit des englischen Volkes gebunden haben würde. sind Rahmen der Gesetzlichkeit mit unserer Flotte vorangeschritten und werden unsere Rüstung fortsetzen müssen, ob wir wollen oder nicht; aber wir werden das ohne Nervosität tun, fest und gestützt auf das Vertrauen des Volkes und auf das Vertrauen zu unseren Führern an der Spitze der Armee und des Kriegsministeriums. — durch die Sicherheit unseres Auftretens wird erreicht werden, was wir 8. fast 40 Jahren erstreben: die Aufrechterhaltung des Friedens in Furopa.
Wir sind aber im
Gerade
Baverischer Bevollmächtigter zum Bundesrat, General⸗
major Freiherr von Gebsattel: Ich weiß wirklich nicht, wie der Abg. Osann diesen eren orn die bayerische Armee richten kann, ich muß sie entschieden dagegen
schweren Vorwurf gegen
verwahren. Wenn der Abg. Osann einen solchen Vorwurf erhebt, sollte er sich erst die Grundlagen dafür ansehen. Dann muß er sehen,
daß Bayern günstiger dasteht wie das ganze Deutsche Reich. In den
Verhandlungen des bayerischen Landtags ist nur gesagt worden, es sei
zu bedauern, daß die Mißhandlungen anscheinend stationär geworden
seien, es ist aber anerkannt worden, daß sie in Bayern geringer sind als im übrigen Reich. Es ist also nur bedauert worden, daß sie stationär sind, das ist etwas ganz anderes. Ich weise die schwere Beleidigung der bayerischen Armee mit aller Entschiedenheit ab. Abg. Stücklen (Soz.): Was der Kriegsminister zu tun hat, wird ihm vom Militärkabinett vorgeschrieben, einer Institution, die mit der Verfassung schwer vereinbar und dem Reichstage nicht ver⸗ antwortlich ist. Auf die Entschlüsse des Militärkabinetts hat der Kriegsminister nicht den geringsten Einfluß. Militärvorlagen werden zunächst im Militärkabinett ausgearbeitet, er ist dem Reichstage gegen⸗ über so eine Art verantwortlicher Redakteur. Die eigentlichen Draht⸗ zieher sind unfaßbar; das Militärkabinett ist der Absolutismus in reiner Form. Wir sind Gegner des bestehenden Militärsvystems. Die Aus⸗ gaben für das Heer belaufen sich auf annähernd 900 Millionen Mark im Jahre; was könnte mit dieser Summe für Kulturzwecke geleistet werden! Die Militärlasten wachsen von Jahr zu Jahr und in entsprechender Weise der Pensionsetat. Offiziere in der Voll⸗ kraft ihrer Arbeitskraft werden heute in großer Zahl pensioniert auf Kosten der Steuerzahler und unter Erhöhung der Schuldenlast des Reichs. Es wird uns gesagt, die neue Militärvorlage werde sich in bescheidenen Grenzen halten. Ich bezweifle das nach den fortgesetzten Rüstungen der anderen Staaten. Diese fortgesetzten Rüstungen sind eine Gefahr für den Frieden. Es ist ein offenes Geheimnis, daß das Offizierkorps keinen anderen Gedanken hat als den, das im Kriegsspiel Erlernte im Kriege zu verwenden. Der General von Deimling hat in Mülhausen eine Rede gehalten, wo er sagte, das Gequassel von dem ewigen Weltfrieden ist Mumpitz. Er mußte sich doch sagen, daß in feiner hohen verantwortlichen Stellung solche Reden als eine Provokation aufgefaßt werden mußten. Der General Keim sagte in Jena, unsere politische Machtstellung hat seit Bismarcks Zeiten gelitten, man hat den Eindruck, als ob die deutsche Diplomatie auf Filz⸗ pantoffeln durch die Welt gehe. Wer sagt, es werde künftig keine Kriege geben, gehört ins Irrenhaus. Das ist eine Kriegs⸗ hetze, wie man sie sich nicht schlimmer denken kann. Es ist von Wert, auszusprechen, daß das deutsche Volk diese Auffassung nicht teilt. In London sind auch neuerlich auf einem Bankett ketzerische Reden ge⸗ halten worden; das ist eine Folge solcher Reden, wie sie hier in Deutschland gehalten werden. Jetzt werden sogar unsere vier Millionen Bajonette in einer Broschüre von einem Verfechter der Interessen der Brüder Mannesmann aufgerufen! Der General Spitz hat geäußert, daß man gegen den inneren Feind bereit sein müsse. Der Kampf, den wir in Deutschland führen, wird nur dafür eführt, * daß wir in einem Hause wohnen wollen, in dem nicht nur die oberen Zehntausend die Herrschaft haben. Was wäre Deutsch⸗ land ohne den inneren Feind, ohne seine intelligente, gutgeschulte Arbeiterschaft? Gerade der Tätigkeit der Massen ist der Fortschritt in Deutschland zu danken. Glauben Sie, daß wir Gewalt anwenden wollen? Das könnte den Herren passen. Wir wollen abwarten, ob die Militärgewalt auf die Massen schießen lassen wird. Die Bevorzugung des Adels muß böses Blut machen. Bezeichnend ist, daß der neue Etat die Offiziere für die entgangenen Pferderationen entschädigt, die Rationen sind doch nicht für die Offiziere bestimmt, sondern für die Pferde! Will man sparen, so muß man es tun an den fortdauernden Ausgaben, nicht an den Exrtraordinarien. Zu diesem Zwecke muß der Militärdienst der Kavallerie verkürzt werden. Wr haben den Eindruck, daß die dreijährige Dienstzeit das Handels⸗ objekt der Militärverwaltung bei der nächsten Militärvorlage in ihren Verhandlungen mit den bürgerlichen Parteien bilden wird. Kavallerieattacken sind nur ein schönes Schaustuͤck. Ulanen sind noch neuerdings als Treiber bei Treibjagden verwendet worden, andere Truppen zu Feldarbeiten; ein Landwirt hat die Leute so schlecht be⸗ handelt, daß sie ihm wegliefen, andere wurden in Zoppot als Kellner verwendet. Auch Streikbrecher werden aus den Reihen der Soldaten gestellt. Dagegen muß entschieden protestiert werden. Billigt der Kriegsminister eine solche Verwendung, und wie stellt er sich zu den Absperrungsmaßregeln bei Gelegenheit der Anwesenheit des russischen Kaisers? Solche Fälle zeigen, daß die Soldaten zu viel Zeit haben. Bei einem Milizheere würde der übrige Firlefanz in der Armee entbehrlich sein, wie in der Schweiz; dort nehmen die Soldaten ihre Gewehre nach Hause. Sollte bei uns, wo man vor dem inneren Feinde eine so unsinnige Angst hat, jemand auf einen solchen Gedanken kommen, ich glaube, der Militärverwaltung würden die Haare zu Berge stehen. Kulturvölker sollten es verabscheuen, mit roher Waffengewalt gegeneinander vor⸗ zugehen. Der Posten des Gouverneurs von Berlin dient nur höfischen Zwecken; er könnte ohne weiteres gestrichen werden. Dasselbe gilt von einer großen Anzahl von Kommandanten, Militärattachs usw. Das Zulage⸗, das Reisekosten⸗ und das Bekleidungswesen bedarf einer gründlichen Reform. Daß die gemeinen Soldaten bei der Gehaltsaufbesserung unberücksichtigt geblieben sind, verschuldete das Zentrum, das die Sache auf das nächste Jahr verschieben wollte. Es ist zweifelhaft, ob der jetzige Schatzsekretär jetzt dafür zu haben sein wird. Wie steht es mit der Reform des Militärstrafgesetzbuches? Viel versprechen wir uns ja davon nicht. Die ganze Militärjustiz widerspricht dem Rechts⸗ bewußtsein des Volkes, wie die Behandlung der Duellanten beweist. Soldatenschindereien werden in der Regel mit lächerlich geringen Strafen geahndet. Der Ueberfall des Unteroffiziers in Bonn führte nur zur Suspension des feudalen Borussenkorps. Im Militärverfahren ie Angeklagten freigesprochen, obwohl sie eigentlich wegen .“ 1 G“ . “ 8 “ 8 8
— — — — ——— ——— menn — —
——