1910 / 25 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 29 Jan 1910 18:00:01 GMT) scan diff

Wenn auch die Fortbildungsschulen nicht allein Fesne. sondern eine Ergänzung der Allgemeinbildung bieten sollten, so sei es doch anz unangebracht, das religiöse Moment hineinzuziehen und mehrere Ftunden Religionsunterricht zu geben. Es wäre auch verwerflich, die Fortbildungsschulen der Aufsicht durch Geistliche zu unterstellen. Von Grund aus müsse die Frage geregelt werden, ob nicht den Lehrern eine Fortsetzung ihrer Studien auf den Universitäten ermöglicht werden solle; die „Frankfurter Zeitung“ habe einen beachtenswerten Artikel dar⸗ über gebracht. Auf den hauswirtschaftlichen Unterricht müsse der größte Wert gelegt werden; man könne die Arbeiterfrage auf dem Lande nicht lösen, ohne gleichzeitig die Arbeiterinnenfrage in Angriff u nehmen. 1 Dr. Heisig (Zentr.) erklärt, daß seine Partei auf die Religion in den Fortbildungsschulen den größten Wert legen müsse, wenn sie auch nicht verlange, daß wöchentlich mehrere Religionsstunden gegeben würden.

Das Kapitel der landwirtschaftlichen Lehranstalten wird bewilligt.

Beim Kapitel der tierärztlichen Hochschulen fragt

Abg. Dr. Heisig (Zentr.) an, wieweit die Frage der Promotion der Tierärzte gediehen sei.

Minister für Landwirtschaft ꝛc. von Arnim:

8 4 16“ Meine Herren! Ueber Verleihung des Promotionsrechts an die

tierärztlichen Hochschulen in Berlin und Hannover schweben schon seit langer Zeit Verhandlungen mit dem Kultusministerium, die jetzt zu einem befriedigenden Abschluß gekommen sind. (Abg. Dr. Heisig: Bravo!) Es werden noch Verhandlungen mit außerpreußischen deutschen Staaten nötig sein, die ebenfalls tierärztliche Hochschulen haben, um eine Gleichmäßigkeit herbeizuführen. Ich hoffe, daß in absehbarer Zeit die Frage befriedigend gelöst werden wird. (Bravo!)

Abg. von Kloeden (B. d. L.) beklagt sich darüber, daß durch die Nachbeschau durch die Tierärzte besonders den armen Gemeinden große Kosten erwüchsen. Wenn ein Fleischbeschauer auf Verdacht stoße, so müsse der Tierarzt herbeigeholt werden, wodurch oft 5 bis 15 Kosten entständen. 1“

Regierungskommissar, Geheimer Oberregierungsrat Schröter: Die Deckung der Kosten, die durch die Heranziehung von Tierärzten bei der Fleischbeschauung entstehen, ist in fast sämtlichen Bezirken des preußischen Staates dadurch möglich geworden, daß man von den bei der Fleischbeschau erhobenen Gebühren einen kleinen Anteil zu einer Sparkasse abführt, die für jeden Polizeibezirk gebildet werden kann. Dadurch wird es verhindert, daß kleine Gemeinden besonders schwer belastet werden. h1111“ dg

Abg. Dr. Freiherr von Erffa (kons.): Die Frage der Fleisch⸗ beschau wird in den nächsten Tagen ausführlich das Landesökonomie⸗ kollegium beschäftigen. Die Kosten der Nachbeschau durch Tierärzte machen oft den vierten Teil der Einnahme aus der Fleischbeschau aus. Hier muß entschieden eine Abhilfe eintreten. b

Abg. Tourneau (Zentr.) weist auf die Verluste durch die Schaf⸗ räude im Eichsfeld hin; die meisten Verluste seien gerade in den Orten eingetreten, wo das von der Regierung angeordnete T adeverfahren angewendet worden sei. Dieses Verfahren habe sich also nicht bewährt. Eine Regierungskommission solle einmal an Ort und Stelle Untersuchungen darüber vornehmen. In einem Orte sei bereits ein anderes Heilverfahren, die Schmierkur, mit Erfolg erprobt worden. Eine Versammlung der Interessenten in Worbis habe in einer Resolution die Regierung um Prüfung dieses Verfahrens und um Aufhebung der Regierungsverfügung über das Badeverfahren ersucht. Ferner wünscht der Redner, daß entsprechend einem früheren Antrage seines Freundes Wallenborn die Viehbesitzer entschädigt werden, die durch veterinärpolizeiliche Maßnahmen geschädigt seien. Es liege im allgemeinen Interesse des Landes, die Schafzucht des Eichsfeldes zu erhalten. In den 60er Jahren habe Deutschland 28 Mill. Schafe

ehabt, 1900 nur noch 9 Millionen. Bei solchem Rückgange der eimischen Produktion sei Deutschland natürlich auf den Import aus dem Auslande angewiesen.

Regierungskommissar, Regierungs⸗ und Veterinärrat Nevermann schildert die Maßnahmen, die zur Bekämpfung der seit langer Zeit in vier Kreisen des Eichsfelds bestehenden Schafräude ergriffen seien. Die Einführung von Schafen in diese Gebiete sei nur nach vorgängiger Untersuchung zugelassen. Mit dem Schmierverfahren allein, das seit langer Zeit angewendet worden sei, habe die Seuche nicht bekämpft werden können; dagegen habe sich das Badeverfahren als wirksamer erwiesen. .

Abg. Heine (nl.) bemerkt, daß das Badeverfahren bei den Bauern außerordentlich unbeliebt sei, daß dagegen das Schmier⸗ verfahren vielfach Erfolg gehabt habe. Die geschädigten Schaf⸗ besitzer müßten unterstützt werden. Die Absperrung der von der Seuche befallenen Kreise sei sehr unangenehm; der Minister würde sich ein Verdienst erwerben, wenn er nur eine Sperre innerhalb der einzelnen Kreise durchführen wollte. 3 1

Abg. Meier⸗Diepholz (nl.) fragt an, welche Erfahrungen mit der Eosingerste gemacht worden seien; die Zeitungsnachrichten darüber schienen falsch zu sein.

Minister für Landwirtschaft ꝛc. von Arnim: 8—

Meine Herren! Das Eosinschwein ist so plötzlich in Hamburg aufgetaucht wie der Komet; kein Mensch hat es erwartet, und ich hoffe, daß es auch ebenso wieder verschwinden wird. Bevor die Eosin⸗ färbung eingeführt wurde, hatten wir eingehende Untersuchungen von dem Kaiser Wilhelm⸗Institut in Bromberg auf dem Versuchsgut Moschin anstellen lassen. Eine Anzahl gleichartiger Schweine wurde in drei Gruppen geteilt, von denen die eine Gruppe mit gewöhnlicher Gerste, eine Gruppe mit solcher Gerste, wie sie auf den Zollämtern gefärbt wird, und die dritte Gruppe mit vollständig gefärbter Gerste gefüttert wurde. Damals haben sich auch bei der dritten Gruppe keinerlei schädliche Wirkungen des Eosins herausgestellt, und auf Grund dieser mehrere Monate lang fortgeführten Fütterungsversuche ist seiner⸗ zeit die Eosinfärbung eingeführt worden.

Nachdem nun das Eosinschwein aufgetaucht war, haben eingehende Beratungen im Reichsschatzamte stattgefunden. Es wurden viele Sach⸗ verständige hinzugezogen, von denen sich nur einer, Professor Levin aus Berlin, dahin aussprach, daß die Möglichkeit einer Färbung durch Eosin vorhanden wäre, während die übrigen: Professor Jodlbauer⸗ Möünchen, Professor Ehrlich, Professor Voß, Professor Zunz u. a. der Ansicht waren, daß der Farbstoff Eosin auf den Körper der Schweine nicht übergehen könne. Außerdem sind aber die damals angestellten Füͤtterungsversuche in Moschin durch das Kaiser Wilhelms⸗ Institut und ferner vom Kaiserlichen Gesundheitsamt und auch von der landwirtschaftlichen Hochschule wieder aufgenommen worden. Inzwischen habe ich mich auch an die Landwirtschaftskammern gewendet und habe gebeten, über die Erfolge der Fütterung mit Farbgerste Material zu sammeln. Tausende von Schweinen, die mit Eosin gefüttert worden sind, sind auch schon geschlachtet worden, und es haben sich bisher nirgends Mißstände herausgestellt. Das betonen die Berichte der Landwirtschaftskammern einstimmig. Ich glaube also, daß die Beunruhigungen unbegründet sind, die durch dieses eine unglückliche Schwein hervorgerufen wurden, und die tatsãchlich Getreidehändler und Müller, die mit Eosin gefärbte Gerste auf Lager hatten, schwer geschädigt haben. Sobald die Versuche abgeschlossen

sein werden, wird darüber in der Oeffentlichkeit berichtet werden.

Unter den Ausgaben für das Veterinärwesen ist ein extraordinärer Fonds von 40 000 zu wissenschaftlichen Ver⸗ suchen über Maul⸗ und Klauenseuche vorgesehen.

Abg. Heine (nl.): Die Bekämpfung der Maul⸗ und Klauenseuche hat bisher deshalb wenig Erfolg gehabt, weil es noch nicht gelungen ist, den Krankheitserreger zu finden. Geheimrat Loeffler in Greifs⸗ wald hat ein neues Serum erfunden. Ich möchte den Herrn Minister bitten, uns einige Mitteilungen über den Stand der Forschungen zu machen. Selbstverständlich darf der Schutz an den Grenzen gegen die Einschleppung der Viehseuchen nicht abgeschwächt werden. Meine politischen Freunde stehen deshalb auf dem Standpunkt, daß es unbedingt notwendig ist, veterinärpolizeiliche Maßnahmen an der Grenze aufrecht zu erhalten. 8 8 b Geheimer Oberregierungsrat Schröter: Geheimrat Loeffler wird über den Stand seiner Untersuchungen in der nächsten Zeit vor dem Hause einen Vortrag halten. Jedes Serum hat seine Schattenseiten, und es kommt also auch hier darauf an, ob es mittels des neuen Serums gelingt, um die Ausbruchsstelle herum eine immune Zone zu schaffen. Gelingt das, so wird man in der Praxis davon Gebrauch machen können.

Abg. von Bieberstein (kons.) schließt sich vollständig den Aus⸗ führungen des Abg. Heine an und bringt eine Reihe von Fällen zur Sprache, in denen einzelne Besitzer durch die Maul⸗ und Klauenseuche große Verluste erlitten hätten.

Minister für Landwirtschaft ꝛc. von Arnimm:

Meine Herren! Die Regierung zhat stets auf dem Standpunkt gestanden, daß leine staatliche Entschädigung für Tiere, die auf polizeiliche Anordnung getötet worden sind, im allgemeinen nur statt⸗ finden könne, wenn die Tiere sich als gesund herausgestellt haben. Haben die Tiere sich als krank erwiesen und litten sie an einer Krankheit, die unter allen Umständen tödlich ist, wie das z. B. bei der Tollwut der Fall ist, dann hat die Regierung eine Entschädigungs⸗ pflichtknicht anerkannt. Es kann aber wohl bei dem Ausführungs⸗ gesetz zum Viehseuchengesetz in Aussicht genommen werden, die Pro⸗ vinzen zu bevollmächtigen, ähnlich wie das bei Rotz, Lungenseuche, Milzbrand usw. geschieht, aus den Seuchenentschädigungsfonds, die zum Teil schon zu sehr hohen Beträgen angewachsen sind, auch durch Tollwut entstandene Verluste zu entschädigen. Weiter, glaube ich, kann nicht gegangen werden. Sollte in einzelnen Fällen die wirt⸗ schaftliche Existenz eines Besitzers durch große Verluste, die durch das Fallen von tollwutkranken Tieren entstehen, in Frage gestellt sein, so könnte nur eine außerordentliche Beihilfe aus dem Allerhöchsten Dis⸗ positionsfonds in Frage kommen. Wenn solche Fälle vorliegen, werde ich mir angelegen sein lassen, den Versuch zu machen, soweit dieser Fonds eben nicht anderweitig in Anspruch genommen ist, Ent⸗ schädigungen dafür hieraus zu bekommen.

Abg. Kuntze (konsv.): Das neue Reichsseuchengesetz hat nicht genügend Rücksicht auf die Brustseuche, Lungenseuche und Pferdestaupe genommen, wohl aber hat der Reichskanzler durch einen Erlaß die An⸗ zeigepflicht angeordnet. Der Redner bringt einen Fall zur Sprache, wo durch eine Batterie die Brustseuche nach Sagan und von dort nach Sprottau verschleppt worden sei. Der Redner kritisiert weiter die einzelnen Paragraphen der landespolizeilichen Anordnung. Es werde nur festgesetzt, daß der Tierarzt die Seuche feststelle, während es doch unbedingt notwendig sei, daß der Tierarzt dauernd den Verlauf der Krankheit und ihre Ausbreitung überwache. Die vorgeschriebenen Tafeln mit der Inschrift: „Pferdeinfluenza“ seien oft zu klein. Es müßten einheitliche Bestimmungen über die Größe erlassen werden. Der Redner bittet den Minister, zugleich im Auftrage der schlesischen Landwirtschaftskammer, dahin zu wirken, daß die IET der landespolizeilichen Anordnung verschärft und daß diese verschärften Bestimmungen auch beim Militär eingeführt würden.

Minnister für Landwirtschaft ꝛc. von Arnim: I1 Meine Herren! Der Herr Vorredner hat Fälle angeführt, in

denen seitens der ländlichen Bevölkerung die Behauptung aufgestellt

wurde, daß die Brustseuche durch Militärpferde übertragen worden

sei, während dies von militärischer Seite bestritten würde. Um in solchen Fällen Aufklärung zu schaffen, habe ich mit dem Herrn Kriegs⸗ minister dahin ein Abkommen getroffen, daß in allen solchen Fällen eine gemeinsame Untersuchung seitens der Veterinäre der Militärver⸗ waltung und der Tierärzte der Zivilverwaltung stattfinden muß.

Der Herr Vorredner hat sich dann darüber beklagt, daß man in der Polizeiverordnung, die infolge des Erlasses des Herrn Reichskanzlers erlassen wurde, nach welchem die Brustseuche als anzeigepflichtige Krankheit erklärt worden ist, nicht streng genug vorgegangen sei. Meine Herren, diese Klage steht im direkten Widerspruch zu den Klagen, die wir eben bezüglich der Schafräude gehört haben; dort wird allgemein geklagt, daß wir zu streng vorgegangen wären. Meine Herren, es ist wirklich ungeheuer schwer, es jedem recht zu machen. Aber ich möchte doch, um das Vorgehen der Königlichen Staatsregierung zu be⸗ gründen, anführen, daß eine so weitgehende, so rigorose Bestimmung, wie der Herr Vorredner sie fordert, außerordentlich schwer von der betroffenen Bevölkerung getragen werden würde. Er fordert z. B., daß alle ansteckungsverdächtigen Tiere unter Stallsperre gestellt werden sollten, das heißt, daß, wenn in irgend einem Gehöft die Seuche aus⸗

richt, sämtliche Pferde unter Stallsperre gestellt werden; so habe ich

ihn wenigstens verstanden. Das würde bedeuten, daß dieses Gehöft vom Verkehr vollständig abgeschnitten würde; wir würden dann die allerschlimmsten Beschwerden und Klagen bekommen, wenn wir in dieser rigorosen Weise vorgehen wollten. Die Staatsregierung steht auf dem Standpunkt, daß sie zunächst mal den Versuch machen wollte, mit den Vorschriften, wie sie erlassen worden sind, die Seuche zu bekämpfen. Sollte es sich wirklich als dringend notwendig herausstellen, mit rigorosen Maßregeln vorzugehen, wird es noch an der Zeit sein, dazu Stellung zu nehmen. Nachdem sich Widerstand gegen rigorose Bestimmungen geltend gemacht hat, glaube ich, nicht zu weit gehen zu sollen.

Was der Herr Vorredner in bezug auf die Vernichtung der Kadaver gesagt hat, ist richtig. Die Vernichtung ist nicht vor⸗ geschrieben, weil die Wissenschaft auf dem Standpunkt steht, daß durch Kadaver bisher eine Uebertragung noch nicht festgestellt ist, man also besondere Maßregeln nicht für notwendig hält.

Abg. Dr. Müller (fr. Volksp.): Der Herr Landwirtschafts⸗ minister müßte doch feststellen, ob ein Einschleppen der Brust⸗ seuche von den Pferdebeständen der Militärbehörde auf Fvilbefstände erfolgt ist. Dann läge doch ein Verschulden der Militärbehörde vor.

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Minister für Landwirtschaft ꝛc. von Arnim:

Es haben in verschiedenen Fällen, in denen die Behauptung auf⸗ gestellt worden ist, daß Seuchen durch Militärpferde aufgetreten seien, Verhandlungen mit dem Herrn Kriegsminister stattgefunden. In allen diesen Fällen haben, bis auf einen, die zuständigen Veterinäre der Militärverwaltung in Abrede gestellt, daß eine Uebertragung seitens der Pferde der Militärverwaltung stattgefunden hätte. In

dem einen Falle ist zugegeben worden mir ist augenblicklich nicht

gegenwärtig, in welchem Falle —, daß das der Fall gewesen ist. Der Herr Kriegsminister hat dort Entschädigung bezahlt. Bisher hatte ich nicht die Möglichkeit, ich möchte sagen, in ein kontradiktorisches Verfahren einzutreten. Jetzt ist aber durch das Abkommen mit dem Herrn Kriegsminister Wandel geschaffen worden.

Abg. Kuntze (kons.): Auf alle Fälle müßten die Pferde der Militärbehörde, wenn ein Fall von Brustseuche vorgekommen ist erst für gesund erklärt werden, ehe sie auf die Straße geführt werden dürften. 8

Die Ausgaben für das Veterinärwesen werden bewilligt Unter den Ausgaben für die Förderung der Viehzucht ist

der Dispositionsfonds zu Prämien bei Pferderennen mit

3 007 000 ausgestattet, das sind 342 000 mehr als im Vorjahre; darin sind 2 776 000 enthalten, die den Ein⸗ nahmeanteil Preußens an dem Ertrage der Reichsstempel⸗ abgaben von Wetteinsätzen bei Pferderennen auf Grund des Reichsgesetzes von 1905 über den Totalisator darstellen. (Der frühere extraordinäre Fonds von 300 000 für Rennprämien ist in diesem Etat nicht enthalten.)

Die Abgg. Schulze⸗Pelkum (kons.), von Oertzen (freikons.), Dr. Friedberg (nl.) und Graf Henckel von Donnersmarck beantragen:

die Regierung zu ersuchen, die in dem Dispositionsfonds ent⸗ haltene Summe von 231 000 für Staatspreise bei Rennen vom nächsten Jahre ab angemessen zu erhöhen.

Abg. Schulze⸗Pelkum k(kons.): Die Folge unseres Beschlusses, den extraordinären Fonds von 300 000 in das Ordinarium zu nehmen,

ist nunmehr die gewesen, daß diese 300 000 einfach aus dem Etat ver⸗

schwunden sind. Ich bedauere lebhaft, daß es dem Landwirtschaftz⸗ minister nicht gelungen ist, die Streichung zu verhindern. Die Mehr⸗ einnahme von 342 000 aus der Totalisatorabgabe ist zurückzuführen auf die Eröffnung der Grunewaldrennbahn und ferner darauf, daß im vorigen Jahre auch auf anderen Rennbahnen bedeutend mehr Renn⸗ tage abgehalten worden sind als gewöhnlich. Die Erhöhung kommt auch nicht allen Rennvereinen zugute, sondern nur denjenigen, die einen Vereinstotalisator haben; außerdem ist die Frage, ob diese Ein⸗ nahmen aus dem Totalisator dauernd sein werden. Der Steuer⸗ satz von 16 ¾ % ist viel zu hoch, und es ist ein offenes Geheimnis, daß eine Unmenge Geld aus Wetten nach Frankreich geht

Es hat sich ein vollständiges Agenturwesen für die Annahme aus⸗

ländischer Wetten herausgebildet. Die Beträge, die auf diese Weije dem Inlande verloren gehen, werden in einem Artikel in der „Spon⸗ welt“ auf 60 Mill. Mark jährlich geschätzt. Der Rennsport hat sich gerade infolge der Prämien außerordentlich entwickelt, und dieser Entwicklung entsprechend müssen auch höhere Staatsbeiträge bewilligt werden. Die Regierung erwägt ja eine Aenderung des Totalisater⸗ gesetzes und eine Herabsetzung der Steuer, es läßt sich aber noch ga nicht absehen, ob und wann dieses neue Gesetz zu stande kommt, um wie dann der Erfolg sein wird. Deshalb bitte ich, unseren Antrag anzunehmen.

Abg. Graf Henckel von Donnersmarck (Zentr.): Im Laufe vo zwei Jahren hat der preußische Staat den Rennvereinen 500 000 weniger gegeben. Schon im vorigen Jahre wies ich auf die schäd⸗ lichen Folgen hin, die durch das schwankende Verbalten der Regierung für die Entwicklung des Pferdesports und damit für die Landespferde zuchk entstehen werden. Im Vertrauen auf den Staat sind im Pferde material in Gestüten, in Rennbahnen ganz gewaltige Summen an⸗ gelegt worden, die jetzt so ziemlich entwertet sind. Das Betreibe der Vollblutzucht und eines Rennstalles ist durchaus keine gewim bringende Beschäftigung. Die Vereine werden ihr Programm ein⸗ schränken müssen. Ich bitte das Haus, unseren Antrag, der mir aller dings noch nicht weit genug geht, zu unterstützen.

Abg. Dr. Müller (fr. Volksp.): Wir haben die Mittel eine zweckmäßige Hebung der Pferdezucht immer bewilligt. Abe wie wir immer Gegner des Totalisators gewesen sind, sind wir e auch heute noch. Ich habe auch einmal gewettet, um es kennen 5 lernen, und kann zum Vergnügen meiner Herren Kollegen s daß ich nicht einmal dabei verloren habe. Das Wetten am Tota sator ist nicht einmal so schlimm wie das Wetten beim Buchmacha In Zigarrengeschäften etablieren sich die reinen Wettbureaus werden da sogar viele Wetten für das Ausland abgeschlossen. Ei Mittel gegen diese Wetten für das Ausland wäre eine Ermäßigung des Totalisatorstempels. Dagegen müßten die Staatspreise erhöb werden, und insofern könnte ich dem Antrag zustimmen. Es hand sich um keine Parteifrage, sondern um das allgemeine Interesse Landespferdezucht zu .

Abg. von Oertzen (frkons.): Das Totalisatorgesetz wurde 1902 macht, weil die Mittel für die Pferderennen nicht ausreichten, um a neue Mittel dafür zu beschaffen. Diese Notwendigkeit haben damalsd verbündeten Regierungen und der Reichstag anerkannt, und nicht! absichtigt war, daß einzelne Bundesstaaten die dadurch gewonnene Mittel in die Tasche stecken sollten, wie Preußen das jetzt tun wil Es ist moralisch nicht berechtigt, daß die Versprechungen, die seinerze die verbündeten Regierungen gemacht haben, von einzelnen Bundes staaten nicht gehalten werden. Als Vorsitzender der Kommission die Rennen in Deutschland zu veranstalten hat, muß ich die Renn vereine gegen den Vorwurf in Schutz nehmen, daß die Vereine nie vor allem darauf bedacht seien, die inländische Pferdezucht heben. Wenn wir aber gar keine ausländischen Pferde zulasse könnten wir ebensogut Hammelrennen machen. Die Tcoctalisaton steuer muß ermäßigt werden, weil infolge ihrer jetzigen Höd viele Wetten in Frankreich und Oesterreich abgeschlossen wurden die Leute wären ja auch Narren, wenn sie da nicht wetteten, sie es billiger haben können. In der Kommission hat der Ministe eine zustimmende Erklärung über die Ermäßigung der Totalisator abgabe abgegeben. Für die Erfüllung dieser Zusage würden die Ren vereine sehr dankbar sein. 8

Unterstaatssekretär im Finanzministerium Dr. Michaelis: De ertraordinäre Fonds von 300 000 war nur ein Zuschußfonds den Bedarfsfall, und wir müssen jetzt die Staatsfinanzen berüc sichtigen. 1881 wurden noch 1,4 Million, 1889 nur 960 000 und später nur noch 500 000 gegeben. Dann kam dae Reichsgesetz, und es flossen 1908 2 050 000 ℳ, 1909 2 234 000 und 1910 2776 000 aus dieser Steuer den Remn vereinen zu. Der Staat hat nichts davon in die Tasche ge steckt, die Summe von 2 776 000 wird gegeben, wie sie im Eta steht. Aber der Staat muß sich fragen, ob bei diesen reichen En trägen aus der Steuer er noch den Fonds geben kann, der aus de Tasche der Steuerzahler genommen wird. Um die Möglichkeit eine Aenderung des Reichsgesetzes handelt es sich für uns gar nich sondern darum, ob die Finanzlage noch den Zuschuß gestattet für di Rennvereine, denen so reiche Einnahmen zufließen. Die Regierun hat volles Verständnis für die Ziele der Rennvereine und für d Vollblutzucht, und sie würde sich freuen, wenn einmal der Zuschu wieder gegeben werden könnte.

Der Titel wird darauf nach dem Etatansatz bewillig Der Antrag Schulze⸗Pelkum wird der Budgetkommissio überwiesen.

Nach 4 ½ Uhr wird die weitere Beratung des Etats d landwirtschaftlichen Verwaltung auf Sonnabend 11 Uhr vertas (außerdem Etat der Gestütverwaltung).

Statistik und Volkswirtschaft.

ungsbewegung, Besitzwechsel, Schlachtungen, Sparkasse und Armenpflege ꝛc. in Berlin im November 1909.

Nach dem Novemberheft der „Monatsberichte des Statistis Amts der Stadt Berlin“ belief sich die fortgeschriebene Bevölke⸗ rungsziffer der Reichshauptstadt Anfang Dezember 1909 auf 2 119 247 (zu der gleichen Zeit des Vorjahrs auf 2 106 856). Die Zunahme im November betrug 7038 (im Vorjahr 5665). Lebend⸗ e wurden im November 1909 3434 (in demselben Monat des Vorjahrs 3747) Kinder, darunter 698 (724) oder 20,33 - % uneheliche. Auf das Jahr und Tausend der mitt⸗

eren Beyölkerung berechnet, stellte sich die Geburtenziffer auf 19,75 (21,73). Ehen wurden im November 1596 (im Vorjahre 1515) geschlossen, darunter 309 (275) Mischehen. Die Zahl der Sterbefälle (ohne Totgeburten) belief sich im November auf 2608 (im Vorjahre auf 2598). Im Alter bis zu 1 Jahre starben im ganzen 625 (555) Kinder, das sind 23,96 (21,36) % aller Sterbefälle des Berichtsmonats. Auf das Jahr und Tausend der mittleren Bevölkerung berechnet, betrug die allgemeine Sterblichkeitsziffer 15,00 (15,06).

zugezogen waren im November 10 768 (1908 9557) männ⸗ liche und 9457 (8617) weibliche, zusammen 20 225 (18 174) Per⸗ sonen zu verzeichnen. Für die in demselben Monat Fortgezogenen ergaben sich einschließlich des Zuschlags für die unterbliebenen Ab⸗ meldungen die Zahlen: 7689 (7809) männliche, 6324 (5849) weibliche, zusammen 14 013 (13 658) Personen. Somit verbleibt bei der Wanderung ein Mehrzuzug von 3079 (1748) männlichen und (2768) weiblichen, zusammen ein Mehrzuzug von 6212 (4516)

rsonen.

An Zensiten der Staatseinkommensteuer sind im 3. Vierteljahr 1909 17 016 (in demselben Vierteljahr 1908: 18 461) zugezogen und 18 087 (20 353)

Die Zahl der im November in den Berliner Hotels, Gast⸗ höfen usw. abgestiegenen Fremden betrug 89 252 (i. Vorj. 87 458) Personen; darunter befanden sich 14 923 (12 111) Ausländer, von denen 5621 (3748) aus Rußland, 2636 (2096) aus Oesterreich, 1061 (1010) aus Amerika, 1058 (999) aus England, 766 (740) aus Schweden kamen.

Baugesuche sind im November 715 (im Vorj. 578) eingereicht worden. Genehmigt wurden 183 (131) Neubauten, 45 (50) Umbauten von Wohngebäuden, 24 (23) Schuppen usw. sowie 362 (293) sonstige Bauausführungen. Brände kamen im November 720 (1059) zur davon 151 (167) mit und 569 (892) ohne Alarmierung er Wehr.

Ein Besitzwechsel war im November bei 208 (im Vorjahre bei 176) Grundstücken zu verzeichnen. Kauf lag vor bei 92 (79) bebauten Grundstücken mit 24 850 299 (23 610 703) Kaufpreis und bei 26 (22) unbebauten mit 2 755 450 (1 977 415) Kaufpreis, Zwangs⸗ versteigerung bei 31 (29) bebauten mit 8 175 727 (7 378 877) und bei 1 (2) unbebauten mit 737 000 (86 900) Kaufpreis. Durch Vererbung gingen 40 (40) Grundstücke mit 10 833 299 (6 981 454) Wert und 18 (4) ohne Wertangabe in anderen Besitz über.

Den Angaben über den Verkehr auf den Berliner Straßen⸗ bahnen, Hoch⸗ und Untergrundbahnen sowie Omnibuslinien im Monat November ist zu entnehmen, daß durch die Straßenbahnen 42 474 324 (im November 1908 39 542 388) Personen befördert worden sind, von denen 34 081 250 (31 885 848) auf die Große Berliner Straßenbahn kamen, durch die Hoch⸗ und Untergrundbahnen seinschließlich der Berliner Ostbahnen) 5 145 218 (4 517 783), auf den Omnibuslinien mit Pferdebetrieb 8 925 992 (8 200 471) Personen, davon zu 5 7494 125 (6 608 784), zu 10 (einschließlich der Abonnenten usw.) 1431 867 (1 591 687). Ferner wurden durch die Kraftomnibuslinien 2 496 678 (2 133 035) Personen befördert.

Der Auftrieb auf den städtischen Viehhof betrug für den Monat November 18 723 (für November 1908 16 995) Rinder, 13 806 (11 233) Kälber, 40 348 (34 391) Schafe, 101 988 (97 884) Schweine. In den öffentlichen Schlachthäusern wurden im November 14 563 (13 099) Rinder, 13 608 (10 265) Kälber, 39 939 (33 543) Schafe, 92 426 (86 969) Schweine geschlachtet. In der Zentral⸗ roßslächterei wurden 1386 (1157) Pferde geschlachtet, von denen 6 (12) zurückgewiesen wurden. Zum Konsum und zur Tierfütterung gelangten somit 1380 (1145) Pferde, ferner von der Rixdorfer Roß⸗ schlächterei 137 (116).

Bei der städtischen Sparkasse betrugen die Einzahlungen im November 5 054 320 (im November 1908 4 020 279) ℳ, die Rück⸗ zahlungen 4 235 666 (4 216 868) ℳ; demnach ergab sich ein Mehr an Einzahlungen von 818 654 (in demselben Monat des Vor⸗ jahres ein Mehr an Rückzahlungen von 196 589 ℳ).

Von der Landesversicherungsanstalt Berlin wurden im Monat November 446 (i. Vorj. 397) Invaliden⸗ und 37 (25) Alters⸗ renten bewilligt. Der Mitgliederbestand der der Aufsicht des Magistratskommissars unterstellten Krankenkassen betrug am 1. Dezember 1909 774 233 (zu derselben Zeit des Vorjahrs 738 858), worunter sich 48 652 (45 988) freiwillige Mitglieder befanden. Er⸗ werbsunfähig waren an diesem Tage bei den bezeichneten Kassen 24 764 (25 757) Mitglieder.

Im Arbeitshause zu Rummelsburg befanden sich am 1. De⸗ jember 1909 1450 (zu derselben Zeit des Vorjahres 1372) Männer und 86 (66) Frauen. Das Familienobdach beherbergte am gleichen Tage außer 30 (36) Familien mit 71 (81) Personen noch 159 (212) Einzelpersonen. Im städtischen Obdach nächtigten im November 88 518 (81 586) männliche und 668 (613) weibliche, zusammen 89 186 (82 199) Personen, im Männerasyl des Asylvereins 14 861 (20 884), im Frauenasvyl 4068 (4523) Personen einschließlich

von 76 (39) Kindern.

In den 6 städtischen Krankenhäusern befanden sich Ende November 4100 (zu derselben Zeit des Vorjahres 3892) Patienten, als belegungsfähig waren in diesen Anstalten 4730 (4496) Betten an⸗ gegeben; in der Geschlechtskrankenstation des Obdachs waren 120 (145) weibliche Kranke. Die Irrenanstalten zu Dalldorf, Herz⸗ berge und Buch und die Epileptikeranstalt in Wuhlgarten hatten am 1. Dezember 5641 (5369) Insassen, in Privatpflege waren 3023 (2886) Personen untergebracht. In den 7 Heimstätten befanden sich am Ende des Monats November 377 (381) lungen⸗ kranke und erholungsbedürftige Personen. Der Bestand in den Siechenhäusern (Fröbel⸗ und Palisadenstraße und Buch) betrug am 1. Dezember 2440 (1828) Personen. In den Hospitälern des Arbeitshauses waren am gleichen Tage 690 (712) Insassen vor⸗ handen, in den Erziehungsanstalten zu Lichtenberg, Birkholz und Klein⸗Beeren 260 (314) Fürsorge⸗ und Zwangserziehungs⸗ zöglinge, in Privatverpflegung waren 1227 (1349) Kinder. In der städtischen Waisenpflege befanden sich an demselben Tage (ein⸗ schließzlich der Schmidt⸗Gallisch⸗Stiftung) 7901 (7535) Kinder.

Die städtische Armenpflege umfaßte im Monat November 34 701 (im Vorjahre 33 971) Almosenempfänger mit einem Gesamt⸗ betrage an laufenden Unterstützungen in Höhe von 600 113 (578 047) ℳ, darunter 2035 (2040) Almosengeldempfänger mit außerdem ewährten 14 749 (14 677) Extraunterstützungen. Solche wurden sanwe für 6597 (6562) nicht laufend unterstützte Personen im Gesamt⸗ Pflegekinder waren 12 816

betrage von 84 187 (85 337) gewährt. . 7 697) aufgewendet wurden.

(12 015) vorhanden, für die 119 119 (107 Zur Arbeiterbewegung. Die Militäreffektensattler Groß⸗Berlins, die seit drei

Jahren ohne Tarif arbeiten, gaben, der „Voss. Ztg.“ zufolge, gestern abend in zahlreich besuchter Versammlung ihre Zustimmung zu einem Tarifentwurf, der, von den Vertrauensmännern und der Lohnkommission ausgearbeitet, folgende Hauptbestimmungen enthält: Arbeitszeit 9 Stunden, Mindeststundenlohn 50 ₰, Ueberstunden 5, 10, 15 Zuschlag, Sonntagsarbeit 20 Zuschlag die Stunde. Arbeiter unter 45 Jahren dürfen in der Heimarbeit nicht beschäftigt werden. Das Zwischen⸗

hat den

meistersystem ist nicht zulässig. Spezialisierter Akkordtarif. Der Tarif tritt am 15. Februar 1910 in Kraft und hat drei Jahre Gel⸗ tung. Die Tarifkommission wurde beauftragt, den Tarifentwurf un⸗ verzüglich den Fabrikanten zu unterbreiten mit der Maßgabe, daß am Donnerstag, 3. Februar, Antwort erwartet werde. Auch dem Kriegs⸗ ministerium soll der Entwurf mit einem erläuternden Anschreiben zu⸗ gestellt werden. 2 Die Lage in Norddurham gestaltet sich, wie „W. T. B.“ meldet, schwierig infolge zunehmender Unruhen, die teils auf die Wahlbewegung, teils auf den Kohlenarbeiterstreik zurückzuführen sind. Die Streikenden zerstörten die Hauptquartiere der Unionisten und die Wohnung eines Grubenbesitzers. Dieser feuerte auf die Menge und verwundete einen von den Streikenden. Auch das Auto⸗ mobil des Grubendirektors wurde zerstört und einen Abhang hinab⸗ geworfen. Ein starkes Polizeiaufgebot ist an den Schauplatz der Unruhen gerufen worden. 3 Literatur. Die Novelle zu dn Zint eßgeleten vom 1. Juni 1909 den Buchhandel insofern in Verlegenheit gebracht, als erst kurz vor ihrer Annahme im Reichstag manche Ausgaben dieser Gesetze mit Anmerkungen oder ausfuͤhrlichen Erläuterungen in neuen Auf⸗ lagen erschienen waren, in denen die Novelle noch nicht berücksichtigt werden konnte. Obwohl diese nun erst am 1. April 1910 in Kraft tritt, ist doch eine Ausgabe der Fassung schon je uflage unter dem Tite

Zivilprozeßordnung in der dann t ein Bedürfnis. Ihm trägt die in zweiter 1 „Die Zivilprozeßordnung in der vom 1. April 1910 ab geltenden Fassung, unter Beifügung des bis dahin geltenden Textes und der übrigen Bestimmungen der Novelle vom 1. Juni 1909 erläutert durch die Rechtsprechung nebst Angaben über die einschlägige Literatur“ erschienene Handausgabe der 3. „O. von Dr. Otto Sbe Amtsgerichtsrat in Leipzig, (Roßbergsche Verlagsbuchhandlung, Leipzig; geb. 7 ℳ). Sie enthält an den geänderten Stellen den alten und den neuen Text der Z.⸗P.⸗O., die in derselben Weise, wie in der Warneyer⸗ schen Handausgabe des Bürgerlichen Gesetzbuchs dieses, unter Mit⸗ teilung der Rechtsprechung erläutert ist. 8— sind die Judikatur des Reichsgerichts und die seit 1900 ergangene Rechtsprechung der übrigen Obergerichte herangezogen. Die einzelnen Rechtssätze sind meist mit den Worten der DOriginalentscheidung wiedergegeben, sodaß sich ein Nachschlagen der letzteren in vielen Fällen erübrigen wird; gleichwohl ist bei jeder Entscheidung das Datum angegeben und sind alle Zeitschriften angeführt, in denen sie abgedruckt ist. Uebersichtliche Gruppierung des umfangreichen Materials, S Anordnung der zu dem einzelnen Paragraphen mit⸗ geteilten Rechtssätze, Gliederung der Erläuterungen unter fettgedruckten Stichworten und Hervorhebung des Wesentlichen im Druck erleichtern die Benutzung des Buches, in dem man auch Angaben über die wichtigere zivilprozeßrechtliche Literatur findet.

. Einen anderen Weg hat der Amtsgerichtsrat M. K. Samter in Berlin eingeschlagen, der in einem im Verlage von Otto Liebmann hierselbst erschienenen Buche (kart. 3 ℳ) nur „die Aenderungen der Zivilprozeßordnung, des Gerichtsverfasungsgesetzes, des Gerichtskostengesetzes und der Gebührenordnung für Rechtsanwälte nach der Novelle vom 1. Juni 1909 unter Wieder⸗ gabe der bisherigen Vorschriften und besonderer Berücksichtigung des Verfahrens vor den Amtsgerichten“ für die Praxis erläutert. Wo die Novelle Neues geschaffen hat, sei es durch Einfügung neuer Paragraphen oder nur durch Aenderung der bisherigen, ist dies durch fetten Druck im Gesetzestext hervorgehoben und anmerkungsweise der bisher geltende Wortlaut, der durch einen neuen ersetzt wird, in kleinerem Druck wiedergegeben. Die dem neuen Gesetzestexte an⸗ efügten, die Materialien hinreichend verwertenden Erläuterungen sind kurz und präzis gefaßt und auch da, wo sie, wie bei den Vorschriften über das Verfahren vor den Amtsgerichten einschließlich des Verfahrens nach vorangegangenem Zahlungsbefehl, eingehender sind, recht über⸗ sichtlich. Ein Anhang enthält den zusammenhängenden Text des Reichsgesetzes vom 1. Juni 1909 mit Verweisungen auf die Seiten⸗ zahlen der Erläuterungen der einzelnen Paragraphen. Zur schnellen Orientierung über die neuen Vorschriften der ZPO., des GVG., des Gerichtskostengesetzes sowie der Gebührenordnung für Rechtsanwälte und über deren Tragweite ist das Buch sehr geelgnet.

Eine unliebsame Verzögerung hat durch das Erscheinen der Novelle zu den Zivilprozeßgesetzen sowie außerdem durch den Tod eines der beiden Herausgeber die Fortführung einer groß angelegten kommentatorischen 5 der Z.⸗P.⸗O. und des G.⸗V.⸗G. er⸗ fahren, die dazu bestimmt ist, den Jahrzehnte hindurch am meisten benutzten, seit längerer Zeit aber veralteten von Wilmowski⸗Levyschen Kommentar zu ersetzen: des Werkes „Zivilprozeßordnung und Gerichtsverfassungsgesetz für das Deutsche Reich nebst den Einführungsgesetzen und den preußischen Ausführungsgesetzen, auf Grund der Rechtsprechung erläutert von Richard Skonietzki, Reichsgerichtsrat, und Dr.” ax Gelpcke †, Rechtsanwalt und Notar“ (Verlag von Franz Vahlen, Berlin). Bisher liegen drei noch vor dem Erscheinen der Novelle ausgegebene Lieferungen vor, die auf 581 Seiten die im ersten Buch der Z.⸗P.⸗O. enthaltenen allgemeinen Be⸗ stimmungen erläutern (Preis 11,20 ℳ). Im Geiste des älteren Werkes, aus der Praxis für die Prarxis geschrieben, bringt dieser neue Kommentar, nachdem die Z⸗P.⸗O. über ein Vierteljahrhundert in Geltung gewesen und während dieser langen Zeit durch die Recht⸗ sprechung, insbesondere die des Reichsgerichts, in allen ihren Teilen einen nahezu völligen Ausban erfahren hat, den sich daraus ergebenden Stand der Praxis unter eingehender Verurbeitung des angefammelten kasuistischen Materials zur Darstellung. Unbeschadet gleichzeitiger Be⸗ rücksichtigung der Literatur sind die Rechtsspruche der Gerichte, in erster Linie die des Reichsgerichts, in den Mittelpunkt der Darstellung ge⸗ rückt und dabei zur Gewinnung von Kasuistik die reichsgerichtlichen Urteile nicht nur hinsichtlich der in ihnen getroffenen Entschei⸗ dungen, sondern auch insoweit verwertet, als sie Fragen berühren, zu deren Aufwerfung der zu entscheidende Rechtsfall Anlaß bot, die aber, weil die Spruchreife der Sache sich bereits anderweit ergab, in dem damaligen Einzelfalle nicht entschieden zu werden brauchten. Im übrigen ist die Kommentierung nach streng exegetischer Methode durch⸗

eführt, unter Ablehnung sowohl des dogmatischen wie des Ab⸗ handlungsstils die in knapper Form gehaltene Verarbeitung des ge⸗ samten Auslegungsmaterials ausschließlich auf den Zweck zugeschnitten, der sicheren exakten Auslegung des Gesetzes zu dienen. Von Landesgesetzen haben die Verfasser dem Kommentar nur die preußischen zugrunde gelegt, diese aber erschöpfend bis in alle Einzelheiten berück⸗ sichtigt. Entsprechen den ersten die weiteren Lieferungen des Kommentars, für die nach dem inzwischen erfolgten Ableben des Mitherausgebers Gelpcke einer Mitteilung der Verlagshandlung zu⸗ folge der Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Kraemer m Berlin als Mit⸗ arbeiter eingetreten ist, so wird die juristische Literatur um ein Werk bereichert, das für die Wissenschaft und Praxis des Zivilprozeßrechts, ganz besonders für den viel beschäftigten Praktiker dieselbe Bedeutung erlangen dürfte, die in früheren Jahrzehnten der von Wilmowski⸗ Levysche Kommentar hatte. Für die in den ersten drei Lieferungen erläuterten 252 Paragraphen der Z.⸗P.⸗O. kommen die durch die Novelle vom 1. Juni 1909 bewirkten Aenderungen weniger in Betracht als für die dann folgenden Teile der 3.P.⸗O. und für das G.⸗V.⸗G., es wird daher ihre Brauchbarkeit, falls die Herausgeber den bisher vorliegenden Teil des Kommentars zunächst nicht in neuer Auflage erscheinen lassen, sondern die am 1. April d. J. in Kraft tretenden Abänderungen bereits erläuterter Paragrap in Nachträgen behandeln, auf die Inhaltsverzeichnis und alphabetis Sachregister hinweisen, hierdurch nicht wesentlich beeinträchtigt werden.

Eine systematische Darstellung des Rechtszustandes, wie er vom 1. April d. J. an gelten wird, erschien im Verlage von 8. W. Müller in Berlin als dritte, von dem Landrichter

xr. A. Nöldeke in Hamburg bearbeitete Auflage des Werkes „Das Zivilprozeß⸗ und Zwangsvollstreckungs⸗ verfahren, ein Grundriß mit zahlreichen Beispielen“ von Willen⸗ bücher, weil. Geh. Justizrat und Oberlandesgerichtsrat (kart. 8 ℳ).

1.“ 8 1

Es ist ein kurz gefaßtes, die korrekte Handhabung des praktischeu Dienstes ins Auge fassendes Lehrbuch des Prozeßverfahrens und der gerichtlichen Zwangsvollstreckung insbesondere für die in die Praxis tretenden jungen Juristen, denen es als zuverlässiger Ratgeber wert⸗ volle Dienste zu leisten vermag. Diesem Zwecke entsprechend ist, ab⸗ gesehen von einzelnen Hauptfragen, auf Konkroversen nicht eingegangen, aber die Rechtsprechung der hochsten Gerichtshöfe bis in die neueste Zeit verwertet und angeführt. Der Klarlegung des oft verwickelten Verfahrens dienen auch zahlreiche der systematischen Darstellung an⸗ gefügte Beispiele, die unter sorgfältiger Beachtung des Gesetzes und der einschlägigen Ausführungsverordnungen in mustergültiger Art ent⸗ worfen sind.

Eine reiche Auswahl von Fällen, wie sie täglich an den Referendar, Gerichtsassessor und juüngeren Anwalt herantreten, bietet Wilhelm Kisch, Professor in Straßburg, in einem „Praktikum des Zivilprozeßrechts“ betitelten Buche (G. J. Göschensche Verlagsbuchhandlung, Leipzig; geb. 4,80 ℳ) dem jungen Rechts⸗ beflissenen, der bei gründlicher Bearbeitung der gestellten Fragen eine gute Schulung für die zivilprozessuale Praxis mit ins Leben nehmen wird. Zur Erleichterung der Uebersicht sind die Beispiele in eine systematische Ordnung gebracht, wie sie der Z.⸗P.⸗O. entspricht. Ein Vorzug dieser Sammlung besteht darin, daß sie nicht nur größere, zur schriftlichen Bearbeitung geeignete Fälle, sondern auch kleinere Bei⸗ spiele enthält, deren einfacher Tatbestand sich zur mündlichen Be⸗ antwortung eignet.

Die deutsche Kolonialgesetzgebung. Sammlung der auf die deutschen Schutzgebiete bezüglichen Gesetze, Verordnungen, Erlasse und internationalen Vereinbarungen mit Anmerkungen und Sachregister. Zwölfter Band, Jahrgang 1908, auf Grund amtlicher Quellen herausgegeben von Professor Dr. Köbner, Wirk⸗ lichem Admiralitätsrat, und Gerstmeyer, Wirklichem Legationsrat. Verlag der Königlichen Hofbuchhandlung E. S. Mittler u. Sohn, Berlin. Geh. 15 ℳ. Der vorliegende zwölfte Band der auf Grund amtlicher Quellen herausgegebenen „Deutschen Kolonial⸗ gesetzgebung“, deren erste elf Bände die Jahre 1892 1907 umfassen, enthält eine vollständige Sammlung der im Jahre 1908 erlassenen, auf die deutschen Schutzgebiete bezüglichen Gesetze, Verordnungen und internationalen Vereinbarungen. Die Ursachen, die im Jahre 1907 ein Anwachsen des in Betracht kommenden Materials zur Folge hatten, haben auch 1908 fortgewirkt. Von den neuen erordnungen usw. entfallen wiederum die meisten auf solche Rechtsmaterien, in denen die wirtschaftliche Aufwärts bewegung der Schutzgebiete unmittelbar ihren Einfluß äußert, s namentlich auf das Eisenbahn⸗ und sonstige Verkehrswesen sowie di Zoll⸗ und Steuerverwaltung. An die für die afrikanischen und Südseeschutzgebiete erlassenen, sich u. a. auch auf die Diamantenf unde in Südwestafrika beziehenden Vorschriften reihen sich für das Kiautschougebiet die zur Regelung des Warenverkehrs im Hafen und des Lagerhausbetriebes ergangenen Bestimmungen. Eine lebhaftere esetzgeberische Tätigkeit macht sich diesmal auf dem Gebiete der echtspflege bemerkbar; insbesondere haben die Vorschriften, betreffend ie Gerichtsbarkeit über Nichteingeborene, Aenderungen erfahren, ferner ist eine Neuregelung der Eingeborenenrechtspflege eschaffen worden, endlich sind die Vorschriften über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft im Kiautschougebiet hervorzuheben. Der neue Band enthält zugleich einen die zahlreichen Deckblätter berücksichtigenden Abdruck der organisatorischen Bestimmungen für die Kaiserlichen Schutztruppen (Schutztruppenordnung). Die „Deutsche Kolonial⸗ setzgebung“ erfreut sich seit ihrem ersten Erscheinen des Rufes eines

behrlichen Hilfsmittels für die Beamten in den Kolonien. In

Weise ist sie geschätzt bei den Behörden und Gerichten des utterlandes, die sich über die Rechtsordnung unserer überseeischen Besitzungen auf dem Laufenden halten müssen, ferner von Kaufleuten, die Handelsbeziehungen zu den Kolonien unterhalten, sowie von allen, die sich mit dem Kolonialrecht beschäftigen. Im Hinblick darauf, daß das elchla gg⸗ Quellenmaterial in verschiedenen Publikationsorganen [Reichsgesetzbla „Reichsanzeiger, Kolonialblatt, Marineverordnungs⸗ blatt, lofalen Amtsblättern usw.) zerstreut ist und infolgedessen die Uebersicht über die koloniale Rechtslage stch erschwerend und zeit⸗ raubend gestaltet, bedarf das verdienstvolle Unternehmen, das sich durch Vollständigkeit und unbedingte Zuverlässigkeit auszeichnet, kaum noch einer besonderen Empfehlung.

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Land⸗ und Forstwirtschaft.

Die Kolonialabteilung der Deutschen Landwirtschafts⸗ esellschaft weist in einem besonderen Anschreiben an die kolonialen Plenzunege ellschaften und an einzelne Farmer, Pflanzer und Vieh⸗ züchter in den deutschen Kolonien auf die Bedeutung der Er⸗ werbung [der Mitgliedschaft der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft für koloniale Landwirte und Pflanzer hin, die durch mehr⸗ fache Aufgaben der Kolonialabteilung begründet ist, nämlich: 1) Heranziehung von kolonialen Landwirten und Pflanzern zu der großen Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Landwirtschafts⸗ gesellschaft, 2) unmittelbare Förderung der kolonialen Landwirt⸗ schaft und zwar besonders: a. durch die Vermittlung des Bezugs von Dünger, landwirtschaftlichen Geräten und Zuchtvieh für die Kolonien aus dem Mutterland und von Futtermitteln aus den Kolonien für das Mutterland, b. durch Förderung der Technik der Landwirtschaft auf Grund praktischer Versuche auf den verschiedensten Gebieten der Düngung, Sortenwahl, Saatzucht, Weidefloraerforschung, Vieh⸗ zucht usw. Besonders diejenigen Farmer und Pflanzer, die sich für Ausnutzung aller Fortschritte auf landwirtschaftlichem Gebiete für

ihre Unternehmungen interessieren, sollten sich an den Versuchsunterne mungen der Kolonialabteilung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft beteiligen. Diese erstrecken sich zunächst auf Düngungsversuche und Anbauversuche von Maissorten. Die Kolonialabteilung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft übernimmt ferner die Beschaffung und Versendung von Zuchtvieh und Geflügel aller Art. Sie ver⸗ schafft auch südwestafrikanischen Landwirten besondere Geleg

sich entweder vor der ersten Ausreise oder während eines gelegentli längeren Aufenthalts in Deutschland in der Wollkunde auszubilden und hat eine Untersuchungsstelle für Wollvließe eingerichtet. Besonders diejenigen Farmer und Pflanzer, die sich gelegentlich in Deutschland be⸗ finden, sollten die alljährlich im Juni stattsindenden Wanderausstellungen der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft besuchen, so auch die Wander⸗ ausstellung vom 2. bis 7. Juni 1910 in Hamburg, in der auch eine besondere Kolonialabteilung vorhanden sein wird, sowie die im Februar und meistens auch zur Zeit der Wanderausstellungen und im Oktober j. J. stattsindenden Versammlungen der Kolonialabteilung. Die Aus⸗ künfte auf einzelne Anfragen werden nach Möglichkeit unter Hinzu⸗ ziehung von erfahrenen Spezialisten erteilt. Farmer und Pflanzer, welche die Zusendung der Schriften über die Bedeutung der Mitgliedschaft der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft und die vorstehend genannten Unternehmungen nicht innerhalb der nächsten Monate erhalten, wollen sich zum Empfang dieser Druckschriften an die Kolonialabteilung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft, Berlin SW., Dessauer Straße 14, venden. Die nächste Versammlung der Kolonialabteilung findet am Mittwoch, den 23. Februar 1910, Vormittags 9 Uhr, im Kaisersaal des Weinhauses „Rheingold“, Berlin W., Bellevpue⸗ straße 19,20, statt.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln.

—.

Da die Maul⸗ und Klauenseuche in der Schweiz auch im

Kanton Schaffhausen ausgebrochen ist, so hat das baverische Staats⸗

ministerium des Innern, „W. T. B.“ zufolge, die Einfuhr und

Durchfuhr von Rindern und Ziegen aus sämtlichen Kantonen der Schweiz nach und durch Bavpern verboten.