müssen. Die Form der Versicherung wird nich anders als auf dem von der Regierung beabsichtigten Wege zu erreichen sein, nämlich durch die Kombination der allgemeinen Arbeiterversicherung mit einer besonderen Zuschußkasse. Ich will in den Staatssekretär meinerseits nicht wieder dringen, sondern möchte ihn nur ersuchen, auch daran festzuhalten, daß die Pensionsversicherung der Privat⸗ angestellten von ihm in Angriff genommen wird, sobald er die Reichsversicherungsordnung aus der Hand gelegt hat. Die beständige Sorge um die Sicherheit der Zukunft bringt auch bei den geistig Tüchtigsten eine Lähmung der Schaffungskraft hervor. Daß die staatliche Versicherung eine Abschwächung des Verantwortlichkeits⸗ gefühls zur Folge habe, ist eine Behauptung, die die Tatsache auf den Kopf stellt. Es ist kein unbilliges Verlangen, daß die Unter⸗ nehmer 4 oder 5 % des Lohnes ihrer Angestellten als Amorti⸗ sationsquote für diese Versicherung zahlen. Nicht auf Idealismus, sondern auf ein sehr nüchternes kaufmännisches Rechenexempel geht unsere ganze soziale Gesetzgebung zurück. (Der Präsident bittet den Redner, diese allgemeinen Ausführungen abzubrechen,) Selbstverständlich werde ich der Aufforderung des Staatssekretärs Große Heiterkeit), des Präsidenten folgen. Alles Geld, das zur Ver⸗
esserung unseres Arbeitermaterials angelegt wird, wird hundertfältige Zinsen tragen.
Abg. Hoch (Soz.): Die Resolution Behrens ist unangebracht; die Proportionalwahl für die nicht ständigen Beisitzer zum Reichs⸗ versicherungsamt ist undurchführbar. Die Entscheidung der land⸗
wirtschaftlichen Berufsgenossenschaften und Schiedsgerichte über Rentenansprüche ländlicher Arbeiter müssen zu den größten Bedenken führen; der Bauer kann fast nie den Nachweis führen, daß ihm ein Unfall im landwirtschaftlichen Betriebe zugestoßen ist. Die Zahl der Fälle, in denen Beweiserhebung vom Reichsversicherungsamt be⸗ schlossen ist, ist zurückgegangen, während die Zahl der Rekurse ge⸗ stiegen ist. Dadurch werden die Arbeiter benachteiligt, die Gutachten der Vertrauensärzte der Berufsgenossenschaften entgehen infolgedessen oft der Nachprüfung. Anzuerkennen ist, daß das Reichsversicherungs⸗ amt sich eifrig bemuüͤht, auf dem Gebiete der Unfallverhütung eine Besserung herbeizuführen. Die Frankfurter Arbeiter haben die Kosten nicht gescheut, um einen eigenen Baukontrolleur anzustellen, sie haben in einem Jahre 373 Mö aufgedeckt. Leider versäumt das Reichsversicherungsamt es, Arbeitervertreter zuzuziehen, wenn es sich um Leben und Gesundheit der Arbeiter handelt.
Direktor im Reichsamt des Innern Caspar: Die meisten Fragen, die die Abgg. Behrens, Hebel und Hoch aufgeworfen haben, werden aus Anlaß der Reichsversicherungsordnung näher zu erörtern sein. Von allem Anfang an ist bei Behandlung derjenigen angeblich ver⸗ sicherungspflichtigen Fälle, wo Beschäftigung von Familienangehörigen gegen Lohn vorlag, besonders genaue Prüfung vorgeschrieben gewesen. Daß die Zahl der Beweiserhebungen im Rekursverfahren abgenommen hat, ist nicht richtig, die statistischen Zahlen sprechen dagegen.
Abg. Wiltberger (Elsässer) trägt Beschwerden über die Aus⸗ legung der Versicherungsgesetze und über die Handhabung des Rentenfestsetzungsverfahrens vor, bleibt aber im einzelnen unver⸗ ständlich.
Abg. Schwarze⸗Lippstadt (Zentr.) kritisiert ebenfalls das Rekurs⸗ verfahren in verschiedenen Fällen. 8
Das Kapitel wird bewilligt, ebenso ohne Debatte die Aus⸗ gaben für die „Physikalisch⸗technische Reichsanstalt“.
Bei den Ausgaben für das Kanalamt beschwert sich der
Abg. Dr. Bitter (Zentr.) darüber, daß beim Bau Kaiser Wilhelm⸗Kanals die Firma Bachstein in ihrem Rayon alle einheimi⸗ schen Arbeiter entlassen und dafür ausländische Arbeiter zu weit unter dem ortsüblichen Tagelohn stehenden Löhnen angenommen habe. Wie
stellt sich das Kanalamt dazu?
Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär des Innern⸗ Delbrück: Der Herr Vorredner hat ja bereits die Anordnungen wieder⸗ gegeben, die das Kaiserliche Kanalamt entsprechend den Zusagen meines Amtsvorgängers erlassen hat, er scheint mir sachlich mit diesen Anordnungen einverstanden zu sein. Selbstverständlich sind aber alle ddiese Anordnungen nur insoweit durchführbar, als das vereinbar ist mit einer Fortführung der Bauten und als sich einheimische ARlrbeiter in angemessener Zahl und geeigneter Qualität zur Ver⸗ fügung stellen. Denn jeder, der mit derartigen Arbeiten in seinem Leben zu tun gehabt hat, weiß, daß sich eine große Anzahl einheimischer Arbeiter zur Winterszeit für Erdarbeiten an⸗ bietet, aber nach kurzer Zeit die Arbeit wieder niederlegt, weil die Leute ihren Gewohnheiten nach außerstande sind, diese harte Arbeit im Freien und den Unbilden der Witterung ausgesetzt zu verrichten, ohne ihre Gesundheit und unter Umständen sogar ihre Ver⸗ wendbarkeit für ihre regelmäßige Berufsarbeit zu gefährden. Die Folge davon ist, daß die aus der unmittelbaren Umgebung des Kanals vorübergehend angenommenen Arbeiter freiwillig sehr bald aus dem Betrieb verschwinden, sobald an anderer Stelle die Möglichkeit einer ihnen genehmeren Beschäftigung eintritt. Das muß man festhalten, wenn man sich vergegenwärtigen will, wie schwierig es für das Kanalamt und die ihm nachgeordneten Instanzen und die Unternehmer ist, jene Anordnungen mit aller Strenge bis in ihre letzten Konsequenzen durchzuführen. Das Kanalamt ist aber bestrebt gewesen, diese Anordnungen seinerseits noch besonders dadurch zu fördern, daß es sich mit allen in Betracht kommenden Arbeits⸗ nachweisen, die inländischen Arbeitern die Arbeit vermitteln, in Beziehung gesetzt hat; es hat den Unternehmern alle Arbeitsnachweise, die bereit waren, inländische Arbeiter für die Arbeiten am Kanal zu vermitteln, namhaft gemacht. Ich kann feststellen, daß es gelungen ist, den Unternehmern am Kanal auf diesem Wege über 500 einheimische Arbeiter zuzuführen, speziell bei Kiel von insgesamt 605 Arbeitern fast die Hälfte, nämlich 285. Wenn nun bei einer anderen Gelegenheit besonders hervorgehoben worden ist, daß in letzter Zeit eine Benutzung der Arbeitsnachweise durch die Unternehmer nicht stattgefunden habe und wenn dabei
des
nachweises Kiel, so möchte ich darauf hinweisen, daß es sich offenbar um den Bericht über den Monat Dezember handelt, daß in diesem Monat derartige Erdarbeiten eingestellt zu werden pflegen, daß sie speziell am Kanal eingestellt werden mußten mit Rücksicht auf die sehr ungünstigen Witterungsverhältnisse des vorigen Dezember und daß es also völlig verständlich ist, wenn der einheimische Arbeits⸗ nachweis für die Umgegend von Kiel im Monat Dezember keine oder
hatte. Wie schwer es ist, aus den einheimischen Arbeitern, die nicht gelernte Erdarbeiter sind, die geeigneten Arbeiter zu beschaffen, kann
Trockenbagger einheimische Arbeiter angeworben hatte, in kurzer Zeit genötigt war, den Betrieb einzustellen, weil die Arbeiter nach Kiel zurückgegangen waren und es vorgezogen hatten, dort bei der Straßenreinigung oder als Schneeschipper usw. eine lohnendere oder bequemere Beschäftigung zu finden. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Eine lohnendere; das ist es ja eben!) — Auf die Löhne komme ich
Es läßt sich also in hae sen Grenzen gar nicht vermeiden, daß die Unternehmer einen Stamm alter Arbeiter, die sie mitbringen und die zum Teil Ausländer sind, behalten müssen, um für alle Fälle gesattelt zu sein. Aber in jedem Einzelfall ist seitens des Kanalamts geprüft worden, ob in der Annahme der ausländischen Arbeiter nicht über das unbedingt notwendige Maß hinausgegangen ist. Zurzeit werden in sämtlichen Betrieben 291 Ausländer beschäftigt, das ist kaum mehr als der fünfte Teil der ganzen in Betracht kommenden Arbeiterschaft.
Nun ist behauptet worden, daß bei der Firma Bachstein Inländer zugunsten neu eingestellter Ausländer entlassen worden seien. Ich bin auf diesen Fall durch die Presse aufmerksam geworden und habe ihn sofort untersucht. Es hat sich herausgestellt, daß diese Beschwerden unbegründet sind. Die Firma Bachstein hat die Lose 12, 14 und 21 des Baues. Im Los 14 stellte sie von Mitte November an wegen ungünstiger Witterung allmählich die Arbeiten⸗ ein und mußte dementsprechend Arbeiter entlassen. In Los 12 nahm sie Mitte Januar die Erdarbeiten wieder auf und stellte dabei einen Stamm von 60 Ausländern ein, die fast alle schon seit 3 Jahren bei der Firma beschäftigt sind. Im ganzen sind in jenem Los von 150 beschäftigten Arbeitern 80 ausländische. In Los 21 hat die Firma mit Eintritt der schlechten Witterung im Dezember die Arbeit nach und nach eingestellt und dementsprechend Arbeiter entlassen. Anfang Januar stellte sich die dringende Notwendigkeit heraus, die Abräumungsarbeiten in der Nähe des südlichen Kanalpfeilers der Holtenauer Hochbrücke zu beschleunigen. Die Firma nahm diese verhältnismäßig kleine Arbeit eiligst in Angriff und stellte dabei einen Schacht von etwa 50 Arbeitern unter einem ostpreußischen Schachtmeister ein, die kurz vorher von der Firma Borczynski an einem anderen Lose entlassen waren. Von diesen Arbeitern sind nur 9 Ausländer gewesen, von denen 2 schon wieder ent⸗ lassen sind. Zurzeit beschäftigt die Firma Bachstein 250 Mann im Lose 21, darunter nur 30 Ausländer. Ich habe ferner festgestellt, daß die Firma Bachstein alle Arbeiter gegen einen Stundenlohn von 38 ₰ beschäftigt und daß Angebote zur Beschaffung von Arbeitern für einen Stunden⸗ lohn von 30 und 32 ₰ überhaupt nicht gemacht sind.
Ich glaube, damit sind die Beschwerden, die der Herr Ab⸗ geordnete eben vorzutragen die Güte hatte, in der Hauptsache erledigt. Ich möchte noch hinzufügen: wir lassen es uns angelegen sein, mit allen Mitteln die Zusagen, die damals gemacht worden sind, zu erfüllen. Wir sind vor allem auch bestrebt alle Anforderungen in bezug auf die Fürsorge für das leibliche Wohl der Arbeiter auf den Baustellen und in der Nähe von Baustellen, alle Anforderung in bezug auf gute Unterkunftsräume, Schlaf⸗ häuser und Kantinen, soweit es in unseren Kräften liegt, zu erfüllen. Ich habe im vorigen Herbst einen großen Teil dieser Anlagen gesehen. Ich habe einige Erfahrung in solchen Dingen und kann nur sagen: ich habe noch auf keinem Bau so einwandfreie und tadellose Einrichtungen gesehen. Allerdings haben die Anlagen, die einzelne Unternehmer gemacht haben, im Anfange dem Kanalamt zu Aus⸗ stellungen Veranlassung gegeben. Auf Anordnung des Kanalamts sind aber diese Mängel behoben, sodaß ich hoffen kann, daß auch die nicht von der Kanalverwaltung hergestellten Unterkunftsräume, Kantinen und dergleichen jetzt in ordnungsmäßigem und allen billigen Anforderungen entsprechendem Maße hergestellt sind und unterhalten werden.
Abg. Dr. Hahn (kons.) bittet, die Interessen der Küstenschiffer und der Eigentümer kleinerer Schiffe zu berücksichtigen. 1
Abg. Carstens (fr. Volksp.) hält gegenüber dem Staatssekretär daran fest, daß die von der Kanalverwaltung den Arbeitern gezahlten Löhne ganz erheblich unter dem ortsüblichen Satz ständen. Deutsche Arbeiter wären genügend vorhanden gewesen, wenn man sich nicht allein in der Nachbarschaft des Kanals umgesehen hätte. 1
Abg. Spehtmann (fr. Volksp.): Bei der Durchfahrt des Kaisers von Rußland durch den Kaiser Wilhelm⸗Kanal im vorigen Sommer war der Verkehr vollständig gesperrt, und es war die ganze Länge des Kanals entlang Militär aufgestellt. Die deutschen Sicherheits⸗ beamten arbeiteten mit den russischen Polizisten zusammen. Mit welchem Recht werden derartige Verkehrshindernisse verursacht? Im Auftrage vieler Geschädigter und Interessenten bitte ich, bei ähn⸗ lichen Anlässen nicht Sicherheitsmaßregeln zu treffen, die über das notwendige Maß hinausgehen. Der Redner lenkt sodann die Auf⸗ merksamkeit auf einige Brückenfragen und fordert die Anlegung einer Fähre bei Königsförde.
Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär des Innern Delbrück:
Meine Herren! Ich habe meines Wissens die Wege des Herrn Petersen nicht gekreuzt. Ich bin allerdings in diesen und jenen Fragen, die er mir vorgetragen hat, anderer Meinung als er. Aber ich bin schließlich verpflichtet, nach meiner eigenen Ueberzeugung zu verfahren und bin nicht gebunden an Resolutionen oder Empfehlungen von irgend einer Stelle aus. Im übrigen brauche ich wohl in An⸗ betracht der vorgerückten Stunde in die Erörterung eines Kanal⸗ projekts von Eckernförde nach Rendsburg nicht einzutreten.
Was die übrigen Ausführungen der Herren Vorredner betrifft, so will ich auf die Frage der Arbeiter und ihrer Löhne nicht noch wiederum eingehen. Meine Angaben beruhen auf einem neuen Bericht des Kanglamts, er ist, glaube ich, aus der Mitte des vorigen Monats. Nachdem aber hier von verschiedenen Seiten die Richtigkeit dieser Angaben in Zweifel gezogen worden ist, kann ich mich der Verpflichtung nicht entziehen, die Sache noch einmal zu prüfen.
Was die Frage der Anstellung der Beamten auf Kündigung oder auf Lebenszeit betrifft, so besteht keineswegs weder beim Reiche noch in Preußen die Uebung, Betriebsbeamte, die den Charakter von Subalternbeamten haben, durchweg auf Lebenszeit anzustellen. Das verbietet sich aus einer ganzen Reihe von Gründen. In der preußischen Eisenbahnverwaltung besteht meines Wissens die Einrichtung, daß man Beamte dieser Art nach einer Dienstzeit von 5 Jahren eventuell auf Lebenszeit anstellt. Es schweben augenblicklich Ermittelungen darüber, inwieweit man die in Betracht kommenden Beamten des Kanalamts nach ähnlichen Grundsätzen anstellen kann. Weiter entgegenzukommen bin ich nicht in der Lage.
Der Herr Vorredner hat dann die Absperrungsmaßnahmen aus Anlaß der Reise des Kaisers von Rußland durch den Kanal moniert. Ich mache darauf aufmerksam, daß die Kanalver⸗ waltung an diesen Absperrungsmaßnahmen nur insoweit beteiligt ist, als es sich um Maßnahmen auf dem Kanal selbst handelt. Daß wir unter den gegebenen Umständen alles getan haben, was erforderlich war, um die Sicherheit eines fremden Souveräns, der unser Land durchfuhr, zu garantieren, ist nach meiner Auffassung so selbstver⸗ ständlich, daß es kaum einer weiteren Begründung bedarf. Ueber das
8
befinden und zu diskutieren, ist nach meiner Ansicht unmöglich. Die
die Verantwortung dafür tragen. 8 Was im übrigen die Anordnungen betrifft über das Halten der Schiffe auf beiden Seiten des Kanals, während die russische Flottille den Kanal passierte, so sind diese An ordnungen nicht über das Maß hinausgegangen, was auch sonst bei ähnlichen Vorkommnissen schon aus Gründen der Betriebssicherheit des Kanals selbst angeordnet wird. Ich kann also nicht anerkennen, daß nach dieser Richtung hin die erhobenen Beschwerden begründet sind. Es hat dann der Herr Spethmann noch meine Aufmerksamkeit gelenkt auf einige Brückenfragen und auf eine Fähre. Was die Frage der Holtenauer Brücke betrifft, so ist wiederholt erörtert worden, ob man bei ihrer Projektierung und bei ihrem Bau Rücksicht nehmen sollte auf das Projekt einer Eisenbahn von Kiel nach dem dänischen Wohld. Das Projekt war aber damals so wenig aussichtsvoll, seine Rentabilität und die Frage, ob sich ein Unternehmer dafür finden würde, so zweifelhaft, daß wir nicht in der Lage waren, bei der Projektbearbeitung auf die Möglichkeit des Baues dieser Bahn Rücksicht zu nehmen. Wir haben uns infolgedessen ent⸗ schlossen, die Brücke ohne Rücksicht auf die Eventualität dieses Baues
Das ist also nun nicht mehr rückgängig zu machen. Im übrigen aber haben wir uns zu diesem Entschluß um so leichter bereit gefunden, als nach der Auffassung der Techniker es mit Rücksicht auf die unver
hältnismäßig hohen Kosten einer kombinierten Straßen⸗ und Eisen⸗ bahnbrücke zweckmäßiger war, zu warten, bis die Vorbedingungen des Eisenbahnbaus erfüllt sind und dann eventuell für diesen eine besondere
entfernten Levensauer Brücke auch hierfür zu begnügen. b Was nun die Taterpfahler Brücke betrifft, so bin ich mit Herrr
die für die Bevölkerung der angrenzenden Kreise von außerordentlicher Bedeutung sind. Aber ich bin meinerseits auch der Ansicht, daß es nicht Aufgabe der Reichsverwaltung ist, diese lokalen Interessen der preußischen Bevölkerung dort ihrerseits zu prüfen und in die Ent⸗ scheidung darüber, wie diesen Interessen am zweckmäßigsten entsproche
mit Rücksicht auf das Maß seiner finanziellen Beteiligung an der Sache interessiert ist. Ich habe mich also darauf beschränkt, mit den preußischen Behörden zu meiner Information die verschiedenen Projekte zu erörtern, sie vom Gesichtspunkte der Kanal verwaltung zu kritisieren, aber es im übrigen den preußischen Instanzen überlassen, uns die Lösung zu empfehlen, die ihnen am zweckmäßigsten erscheint, und mich bereit erklärt, diesen Forderungen der preußischen Behörden zu entsprechen, soweit das mit Rücksicht auf die Betriebs
jetzt übersehen kann, die verfügbaren Mittel kein Hindernis bereiten werden, dem einen oder anderen Wunsche für die in Betracht kommende Bahnverlegung zu entsprechen. Ich glaube nicht, daß die Reichs⸗ verwaltung in diesem Falle eine andere Stellung einnehmen kann.
Abg. Molkenbuhr (Soz.): Auch andere Leute haben Anspruch auf den Schutz durch die deutschen Behörden, nämlich die, die durch solche Maßnahmen geschädigt werden. Man hätte die russische Re gierung auffordern sollen, erst eine Summe für zu zahlende Ent⸗ schädigungen zu deponieren.
Abg. Freiherr von Richthofen (dkons.): Ich protestiere ganz ent⸗ schieden dagegen, daß der Vorredner die Sache so darstellt, als ob di deutsche Regierung im Auftrage einer fremden Regierung vor gegangen wäre.
Abg. Molkenbuhr (Soz.): Ist denn der Abg. Richthofen so genau orientiert darüber, welche Befehle von St. Petersburg ge⸗ kommen sind? (Zuruf: Befehle gibt es nicht!) Wenn die deutsche Regierung für die Sicherheit des Zaren sorgen wollte, so hätte sie die notorischen Verbrecher, die sich unter der russischen Polizei befinden, zunächst außerhalb der deutschen Grenzen halten sollen, denn diese sind eine Gefahr für die allgemeine Sicherheit. 1
Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär des Innern Delbrück:
Meine Herren! Ich habe schon vorhin darauf hingewiesen, daß alle diejenigen polizeilichen Maßnahmen, welche sich nicht unmittelbar auf den Verkehr auf dem Kanal selbst beziehen, nicht Sache der Reichsverwaltung waren, sondern Sache der preußischen Behörden, daß ich also gar nicht in der Lage bin, über diese Frage hier Aus⸗ kunft zu erteilen; daß es nach meiner Ansicht nicht die richtige Stell ist, wenn Sie sich mit diesen Beschwerden an mich wenden. Aber nachdem die Sache einmal erörtert ist, möchte ich mir dazu folgende Bemerkungen erlauben.
Ich bin mit den Herren darüber einig, daß jeder ausländische Fürst, mag er sein, welcher er will, ungefährdet durch das Deutsche Reich fahren konnte, wenn er dabei nur Staatsbürgern begegnete. Die Gefahren liegen aber einem ganz anderen Gebiete. (Sehr richtig! rechts.) liegen auf dem Gebiete der international organisierten Anarchisten, bei denen — — (Zurufe bei den Soz.) — meine Herren, lassen Sie mich doch weiter sprechen —, bei diesen liegen allein di Gefahren (Sehr richtig! rechts.) Und gegen derartige Ausländer können wir nur schützen, wenn unsere Polizei unterstützt wird durch personalkundige Leute, und so wird es sich wohl erklären, wenn nebe unseren Polizeiorganen auch auswärtige dagewesen sind. Ob das der
Im übrigen aber, meine Herren, bekommt weder das Kanalamt, noch das Reich, noch der preußische Staat Befehle von auswärts in solchen Fragen; wir tun vielmehr aus eigenem Recht und nach unserem freien Ermessen das, was der Würde und der Macht eines großen Kulturstaats entspricht. (Bravo! rechts, Zuruf bei den Sozial⸗ demokraten.)
Meine Herren, es ist unrichtig, wenn die haupten, daß wir den Verkehr auf dem Kanal ohne Recht gesperrt hätten. Es ist unsere Pflicht, und es ist das Recht aller für die Sicherheit des Betriebes verantwortlichen und mit der Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung betrauten Behörden, diejenigen Maßnahmen zu treffen, welche nach ihrer Auf⸗ fassung notwendig sind (sehr richtig! rechts) zur Erreichung dieses Zweckes. Daraus folgt unser Recht, und aus diesem unserem Recht folgt nicht eine Verpflichtung, diejenigen zu entschä⸗ digen, die durch diese von den Behörden im öffentlichen Interesse (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten) getroffenen Maßnahmen etwa
gleich, meine Herren! 1““
Maß des Notwendigen und Nützlichen hier in diesem hohen Hause zu
vorübergehend eine kleine wirtschaftliche Beeinträchtigung erfahren.
zu projektieren und inzwischen auch auszuschreiben und zu vergeben.
Brücke zu bauen, wenn man es nicht vorzieht, sich mit der nur 3 kmü Spethmann darin einig, daß es sich hier um Maßnahmen handelt,
wird, einzugreifen, soweit nicht das Reich aus Betriebsgründen und
sicherheit, auf die Standsicherheit der Bauten und die mir zur “ fügung stehenden Mittel möglich ist. Ich nehme an, daß, soweit ich
deutschen
Fall gewesen ist, weiß ich nicht. 8
Herren be⸗
im Inlande vorhanden
ebhaftes Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Das ist überall Deutschland rechtens gewesen und wird es auch ferner sein. (Beifall hts.
8 übrigen aber, meine Herren, setzt der Herr Abg. Molken⸗ hr größerere Störungen des Verkehr und sehr viel erheblichere törungen der Schiffahrt voraus, als tatsächlich vorgelegen haben.
Die Holtenauer Schleuse ist für einlaufende Schiffe von der stsee von 2 Uhr bis 10 Uhr 40 Minuten Morgens, d. h. Stunden 40 Minuten geschlossen gewesen. Die Brunsbütteler chleuse ist von der Nordsee für einlaufende Schiffe vom 28.,/7. Abends Uhr 30 bis zum 29./7. Abends 9 Uhr 15, also 26 Stunden 45 Mi⸗ ten geschlossen gewesen. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten,)
Warten Sie weiter, meine Herren! — Tatsächlich hat nur ein ziges Schiff 25 Stunden gelegen, die übrigen 11 dort eingetroffenen schiffe haben nur 6 bis 7 Stunden gewartet. Aehnlich liegen die erhältnisse auf dem Rückwege. Ich kann nur wiederholt feststellen: ir haben getan, was unsere Pflicht war, und wir werden uns durch glle Moniten, die hier gezogen werden, auch in Zukunft darin nicht irren lassen. (Bravo! rechts.)
In der weiteren Diskussion zu diesem Kapitel erklärt im Anschluß an Ausführungen der Abgg. Fegter (fr. Vgg.) und Hr. Hahn (bkons.) der Direktor im Reichsamt des Innern von Jonquidres, daß in⸗ Ftolge von Petitionen der Küstenschiffer die Kanalverwaltung sowie
e- Regierungen sämtlicher Küstenstaaten den Unternehmern vorge⸗ rieben haben, bei der Anlieferung von Baumaterialien für den anal zunächst deutsche Schiffe zu wählen.
Der Rest des Ordinariums wird ohne weitere Debatte er⸗ digt, ebenso der größte Teil des Extraordinariums, wobei die esolution Bassermann, in den Etat für 1911 für das Hand⸗ erkerblatt 10 000 ℳ (statt bisher 6000 ℳ) einzusetzen, zur mnahme gelangt.
Gegen 9 Uhr Abends vertagt das Haus die weitere Be⸗ atung des Extraordinariums des Etats des Reichsamts des Innern auf Sonnabend früh 10 Uhr, außerdem Marineetat.
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 33. Sitzung vom 4. März 1910, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Das Haus setzt die Beratung des Etats der Berg⸗,
hütten⸗ und Salinenverwaltung bei den Einnahmen us den Salzwerken (12 810 780 ℳ) fort. Berichterstatter Abg. Stengel referiert über die Kommissions⸗ perhandlungen und verweist auf die Verhandlungen des Reichstags er den Entwurf eines Reichskaligesetzes. Abg. Dr. von Woyna (freikons.): Bei der Beratung der lex bamp vor einigen Jahren gelang es uns hannoverschen Ab⸗ Peordneten, aus der Regierung die rückhaltlose Erklärung heraus⸗ tholen, daß die Regierung nicht beabsichtige, die Rechte der Hrundeigentümer in Hannover bezüglich der Kaligewinnung irgend⸗ die zu beschränken. Eine mit Sicherheitsgründen motivierte Polizei⸗ erordnung verlangte aber dann, daß überall ein zweiter chacht angelegt werde. Diese Maßnahme hatte jedoch eine Wirkung, die der erstrebten gerade entgegengesetzt war; sie führte zu ner weiteren Felderteilung und zu einer 818 vermehrten Speku⸗ aation. Die Regierung stellte nun einen Kaligesetzentwurf für das deich fertig, der dann aber auf das Drängen der interessierten Kreise mgeändert wurde. Es liegt jetzt dem Reichstage ein neuer Gesetz⸗ untwurf vor. Bei der Bedeutung der Kalivorkommen in der provinz Hannover will ich die Regierung über die Ansichten er beteiligten Kreise in der Provinz Hannover aufklären. die Landwirtschaft hat ein großes Interesse an dem billigen Bezug on Kali, deshalb darf auf keinen Fall in das Ausland billiger ver⸗ auft werden als in das Inland. Es ist nötig, daß dieses Gesetz so⸗ aald wie möglich zur Geltung kommt. Daneben darf aber dieses Gesetz nicht den Anfang dazu bilden, daß die bergrechtlichen Angelegen⸗ eiten überhaupt durch die Reichsgesetzgebung geregelt werden; wir üssen vielmehr in Preußen an unserer Berggesetzgebung unbedingt esthalten. Es kann sich lediglich darum handeln, diese Spezialfrage eichsgesetzlich zu regeln. Ich möchte jedoch wünschen, daß es der Reichstagskommission gelingen möge, daß manches aus dem Gesetz⸗ ntwurf fortgelassen wird, das in bezug auf wirtschaftliche Maß⸗ ahmen besser der freiwilligen Regelung durch die beteiligten Kreise elbst überlassen wird. Die Reichstagskommission hat noch weiteres Material zur Beurteilung der Frage gewünscht, und ich bitte die Re⸗ gierung, dieses Material so schnell wie möglich zu beschaffen. Ich bitte aber ferner die Regierung, zu bedenken, daß die gegenwärtige Organisation des Kalisyndikats für den Verkauf nicht das leisten ann, was im Interesse des deutschen Kalibergbaues und eines ver⸗ nehrten Absatzes notwendig ist. Wir dürfen nicht so sehr den Kaliabsatz nach den Getreide exportierenden Ländern fördern, damit nicht die Konkurrenz für unsere eigene Landwirtschaft gestärkt wird, sondern bir müssen unser Kali nach den tropischen Ländern zu bringen suchen, die hauptsächlich Handelsgewächse produzieren, Kaffee, Schokolade, Pfeffer usw. In Indien, China, Japan liegt noch ein bisher völlig nbebautes Feld für den Absatz des deutschen Kali. Die jetzige rportorganisation des Kalisyndikats ist nicht geeignet, die Absatz⸗ möglichkeit in diesen Ländern zu fördern. Die indische Regierung ist bereit, unserem Kali Eingang zu verschaffen. An der Exportorgani⸗ ation müssen auch landwirtschaftliche Sachverständige beteiligt werden, und dann wird es mit kaufmännischer Tätigkeit gelingen, den Absatz des deutschen Kali im Auslande so zu steigern, daß unser Kalibergbau weiter ausgedehnt werden kann. Abg. von Arnim⸗Züsedom (kons.): Mit den Ausführungen des
Vorkedners über den Absatz von Kali im Auslande bin ich ganz ein⸗
erstanden. Die Frage des Kalisyndikats wird ja wesentlich im Reichs⸗ tage entschieden, aber meine politischen Freunde legen doch Wert
Darauf, daß hier in dem Hause der Standpunkt der Fraktionen dar⸗
elegt wird. Wir sind überzeugt, daß für die Stellung der preußischen ommissare im Reichstage es nicht schädlich sein kann, wenn die Fraktionen hier im Hause ihre Ansicht kundgegeben haben. Meine Freunde sind dafür, daß das Gesetz in den wesentlichen Be⸗ stimmungen angenommen wird. Deutschland beherrscht den Kali⸗ markt. Durch die bisherigen Vorgänge sind die deutschen Interessen um 105 Millionen Mark geschädigt worden. Diese eigenartige Situation läßt es begreiflich erscheinen, daß ein so eigen⸗ artiges Gesetz, wie das Reichskaligesetz, ausgearbeitet wurde. Die Vorlage geht bekanntlich von dem Grundsatz aus, den der Skaatssektetär Delbrück im Reichstage voriges Jahr klargelegt hat, daß wir, wenn kein Syndikat vorhanden ist, einen Ausfuhrzoll brauchen, daß aber dieser Ausfuhrzoll unnötig ist, wenn ein Syndikat zustande kommt. Es wird im Auslande kaum verstanden, daß Deutschland für diesen Artikel, der allein in Deutsch⸗ land produziert wird, keinen Ausfuhrzoll hat. Sollte der Gesetz⸗ entwurf im Reichstage nicht angenommen werden, dann werden wir ie Frage eines solchen Zolles eingehend erörtern müssen. Aufgabe des Syndikats 2 es sein, mäßige und stabile Inlandpreise und höhere Auslandpreise anzustreben. Nereuscefegte daß kein Konkurrent b ist, wird dieses Ziel auch erreicht werden onnen. Wir dürfen der ausländischen Landwirtschaft nicht durch billige Kalipreise Gelegenheit bieten, der deutschen Landwirtschaft in
“ 9 8 ungehöriger Weise Konkurrenz zu machen. Es darf sich nicht ein solcher Vorgang wiederholen, wie er durch die Schmidtmann⸗Gruppe herbeigeführt ist. Ich bitte die Regierung, diesen Wunsch der stärksten Fraktion zu berücksichtigen, damit nicht eine schrankenlose Ver schleuderung dieses wertvollen Produkts stattfindet. .1“
Minister für Handel und Gewerbe Sydow:
Meine Herren! Ich kann den beiden Herrn Vorrednern nur dankbar dafür sein, daß sie sich mit den Grundzügen des jetzt dem Reichstag vorgelegten Kaligesetzentwurfs namens ihrer Fraktionen hier einverstanden erklärt haben. Als Grundzüge des Entwurfs fasse ich die beiden Gesichtspunkte auf: wir sollen dafür sorgen, daß das Auslandsgeschäft im Kalihandel nicht in die Hände des Auslands übergeht, sondern vom Inlande nach Maßgabe der inländischen Interessen geführt wird (sehr richtig! rechts); und als zweiten Grund⸗ satz: wir sollen weiter dafür sorgen, daß für den Inlandskonsum das Kali nicht unnötig verteuert wird. Daß die Königliche Staats⸗ regierung das ihrige tun wird, um diesen Grundsätzen im Reichstag Annahme zu verschaffen, versteht sich von selbst. Ich kann auch bestätigen, daß wir den Wünschen nach Beschleunigung zustimmen, und meinerseits ist in der Beschaffung des Materials, das die Reichs⸗ tagskommission gewünscht hat, das Mögliche in dieser Beziehung geschehen. 1
Der Herr Abg. von Woyna hat nun allerdings den Entwurf in den Einzelheiten nach verschiedenen Richtungen hin kritisiert. Ich glaube, Sie werden es verstehen, wenn ich in dem jetzigen Stadium der Sache auf die Einzelheiten nicht eingehe; ich würde glauben, der Sache nicht zu nützen, wenn wir für eine Vorlage, die den Reichstag beschäftigt, hier gewissermaßen eine Vorberatung vornehmen. (Sehr richtig!) Das ist auch der Grund, weshalb ich auf die von dem Herrn Abg. von Arnim angeschnittene Frage des Ausfuhrzolls an dieser Stelle nicht eingehe.
Der Herr Abg. von Woyna hat bemerkt, es sei hier zum ersten Male eine bergrechtliche Vorlage vor das Forum des Reichs gebracht. Ich möchte dem nicht zustimmen. Es handelt sich nicht um Fragen des Bergrechts, sondern um Fragen des Handels mit Produkten, die vollkommen aus dem Bergwerk ausgeschieden sind, zum Teil sogar ein besonderes Fabrikationsstadium durchgemacht haben. Ich bin im übrigen wie mein Herr Amtsvorgänger der Meinung, daß es weder notwendig noch auch nur zweckmäßig oder wünschenswert ist, das Berg⸗ recht der landesgesetzlichen Kompetenz, der es bisher angehört hat, zu entziehen und der des Reichs zu unterwerfen.
Herr Abg. von Woyna hat dann noch einige Bemerkungen über die Kalibergbauverhältnisse in der Provinz Hannover gemacht. Er hat anerkannt, daß der Entwurf, so wie er an den Reichstag gelangt ist, die Interessen der Provinz Hannover nicht weniger wahrnimmt als die der anderen kaliführenden Landesteile. Er hat aber die Be⸗ merkung daran geknüpft, daß die preußische Bergverwaltung früher in der Zeit vor Einbringung des Gesetzentwurfs sich den Interessen der Provinz Hannover durch eine Verwaltungsmaßregel ungünstig ge⸗ zeigt habe. Er war der Meinung, daß die Zweischächteverordnung gerade mit zu dem Zwecke erlassen sei, um die Konkurrenz der in der Provinz Hannover in großer Zahl auftauchenden Kaliwerke herab⸗ zumindern. Dem muß ich auf das allerentschiedenste widersprechen. Bei der Zweischächteverordnung sind nur bergpolizeiliche Rücksichten maßgebend gewesen. Die Beobachtung, daß man in den Kaliwerken auch Grubengasexplosionen hatte, die Rücksicht auf vorgekommene Wassereinbrüche, die Rücksicht auf Feuersgefahr, das alles sind zwingende Gründe, die aus der Sorge für die Sicherheit der Gruben und der Bergleute hergeleitet werden müssen. Ich für meine Person werde diese Frage auch nur nach diesem Gesichtspunkte verfolgen, und werde dabei auf diesem Wege mit allem Nachdruck weitergehen, wie es mein Herr Amtsvorgänger angefangen hat.
„Abg. Macco (nl.): Wir haben im Auslande genug Absatz⸗ möglichkeiten für unser Kali, ich bin daher gar nicht ängstlich in bezug auf die Ausnutzung des Kali, meine vielmehr, daß wir so viel wie möglich gewinnen müssen. Ein Widerspruch ist es, wenn man die schwächeren Werke stärken will und gleichzeitig für die Einführung eines Kaliausfuhrzolles eintritt. Von Interesse ist mir die Erklärung des Ministers, daß die Zweischächteverordnung lediglich aus berg⸗ polizeilichen Gründen erlassen sei, aber es muß auch dafür gesorgt werden, daß sie nicht so angewendet wird, daß die Werke unnötiger⸗ weise gezwungen werden, die großen Kosten für einen zweiten Schacht aufzuwenden.
Die Einnahmen aus den Salzwerken werden bewilligt, ebenso die übrigen Einnahmen. 8
Bei den dauernden Ausgaben, und zwar zu den Betriebskosten der Bergwerke, bemerkt
Abg. Sauermann deiz Viele Bergarbeiter im Saarrevier arbeiten weit von ihrer Wohnstätte entfernt, wo sie Familien und vielfach auch ein Haus mit Gartenwirtschaft haben. 1889 wurde es diesen Arbeitern möglich gemacht, am Sonnabend nach Hause zu fahren und Montags wieder zur Arbeit zurückzukehren; so konnten sie jede Woche nachsehen, wie es zu Hause geht. Das wurde dadurch möglich gemacht, daß die Schichten am Sonnabend zwei Stunden früßer aufhörten und am Montag zwei Stunden später anfingen. Bei der Einrichtung der Achtstundenschicht änderte aber die Berg⸗ werksdirektion in Caarbrücken die Schichteneinteilung so, daß die Arbeiter nicht mehr über den Sonntag nach Hause fahren können. Die Bergleute im Saarrevier haben ein großes Vertrauen zum Minister und zum Oberberghauptmann und hoffen, daß es gelingt, hier Wandel zu schaffen. Die Wünsche derjenigen Bergarbeiter, die schon jahrelang auf einer entfernten Zeche gearbeitet haben, nach Ver⸗ setzung auf eine ihrem Wohnorte näher gelegene Zeche, müssen mehr als bisher berücksichtigt werden, und diese Versetzung darf nicht davon abhängig gemacht werden, daß sich ein Mann zum Tausch bereit findet. Die scharfe militärische Disziplin führt oft zu Uebergriffen der Be⸗ amten. Die Disziplin kann auch aufrecht erhalten werden, ohne daß rigoros gegen die Arbeiter vorgegangen wird.
Abg. Dr. Röchling (nl.): Wenn es irgendwie geht, muß den Arbeitern die Möglichkeit, Sonntags nach Hause zu fahren, gegeben werden. Der Wunsch, daß nur Inländer beschäftigt werden, wird sich nur dann erfüllen lassen, wenn genügend inländische Arbeiter vor⸗ handen sind. Bei Arbeitermangel ist die Verwaltung oft gezwungen, ausländische Arbeiter anzunehmen. Den forschen militärischen Ton sind die Arbeiter gewohnt. Derartige Klagen soll man nicht allzu tragisch nehmen. In dem Etat sind 47 neue Stellen für Bureau⸗ assistenten geschaffen worden. Diese Stellen sollen vorwiegend für bergfertige Steiger bestimmt sein, die noch im Bureaudienst Ver⸗ wendung finden können, deren Stellen aber dem Grubendienst nicht entzogen werden dürfen. Ich begrüße diese Einrichtung, denn eine starke Scheidung zwischen den technisch und bureaukratisch vorgebildeten Beamten wäre ein Zeichen der Verknöcherung.
Abg. Goebel (Zentr.): Die Bureaugehilfen auf den Werken wurden früher, nachdem sie längere Zeit zur Zufriedenheit ihrer Vorgesetzten gearbeitet hatten, in das Beamtenverhältnis übernommen. In den letzten Jahren ist das nicht mehr der Fall gewesen. Ich bitte den Herrn Minister, zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen die Bureaugehilfen in das Beamtenverhältnis übernommen werden
3 8* S.
Abg. Ahrens Klein⸗Flöthe (kons.) bittet den Minister, für Abhilfe gegen die Verunreinigung der Innerste durch bleihaltige, giftige Ab⸗ wässer zu sorgen. Bei Ueberschwemmungen würde auf zahlreichen an⸗ liegenden Aeckern jede Vegetation vernichtet und dadurch ein großer
Schaden angerichtet.
Abg. Spinzig (frkons.): Dem Wunsche des Vorredners nach Abhilfe gegen die Verunreinigungen der Innerste schließe ich mich an. Ein Uebelstand ist es, daß der Bergverwaltung nur ein geringer Fonds für die Verbesserung der Bergwerkseinrichtungen und für Neu⸗ anlagen zur Verfügung steht. Es vergeht immer zu lange Zeit, ehe solche Anlagen durch den Landtag bewilligt werden können, und da⸗ durch geht oft die Möglichkeit verloren, die Submissionen so zu ver⸗ geben, daß die Zeit einer niedrigen Konjunktur mit niedrigen Löhnen und niedrigen Materialpreisen ausgenutzt wird. Ich möͤchte deshalb empfehlen, dem Herrn Minister einen größeren Dispositionsfonds zur Perfeegeg zu stellen, aus dem er aus eigener Machtvollkommenheit 8 lufwendungen machen kann, für die er dann nachträglich dem Landtag Rechnung zu legen hätte. Der Landtag würde sich dadurch sein Etatsrecht nicht vergeben. — Im Oberharz ist die Arbeitszeit noch nicht einheitlich geregelt. Manche der Häuer arbeiten acht, andere neun und mehr Stunden. Es müßte allgemein die Acht⸗ stundenarbeit unter Tage eingeführt werden. Für die Bureau⸗ hilfsaͤrbeiter würde ich die etatsmäßige Anstellun wünschen. Außer⸗ dem müßten sie im ganzen Staat gleichmäßig im Einkommen bebanben werden. Im Oberharz haben sie einen Faßresverdienst von 1300 ℳ im Breslauer Bezirk dagegen von 1600 ℳ; es ist überhaupt nicht richtig, daß diese Beamten auf einen Schichtlohn angewiesen sind sie müßten ebenso behandelt werden wie die Kanzleigehilfen im Justiz⸗ dienst. Wie liberal die Bergverwaltung im Oberharz die Arbeiter behandelt, zeigt ein Fall, in dem ein wegen eines Streitfalles ab⸗ gelegter Arbeiter nach kurzer Zeit wieder angenommen ist. Wenn die Arbeiter Beschwerden haben, so sollten sie sich an ihre vorgesetzte Behörde, die Bergwerksdirektion, wenden. Schließlich möchte ich noch die Sorge für die Oberharzer Berginvaliden der Bergverwaltung ans Herz legen.
Abg. Lüders (frkons.) bringt ebenfalls Beschwerden über die Ver⸗ unreinigungen der Innerste durch Abwässer vor. „DOberberghauptmann von Velsen: Ueber diese Abwässerfrage hat eine ganze Reihe von Kommissionen beraten, und es haben auch genaue Untersuchungen stattgefunden. Von unserer Seite wird alles getan werden, was getan werden kann. Es ist ja sehr leicht, derartige Wünsche, wie sie über die Samstags⸗ und Montagsschichten hier ge⸗ äußert worden sind, vorzubringen. Aber es ist außerordentlich schwer, allen Wünschen gerecht zu werden. Wir sind von der früheren Regelung
ja gerade deshal abgegangen, weil uns von der übrigen Belegschaft fortwährend Wünsche einer anderen Regelung unterbreitet worden sind. 95 % empfinden die jetzige Schichtfestsetzung als einen Vorteil, und nur 5 % haben Nachteile davon. Den Wünschen einer Versetzung auf dem Wohnorte des Betreffenden näherliegende Gruben können wir nicht immer nachkommen. Denn sonst würde das Resultat das sein, daß wir die Gruben in den inneren Bezirken des Saarreviers nicht ausreichend bewirtschaften können. Wir sind gern bereit, soweit es geht, den Wünschen Rechnung zu tragen, wir dürfen aber keine Ausnahmen machen, denn sonst kommen sofort alle Leute und rechnen uns haarklein nach, daß für sie ebensogut derartige Ausnahmen gemacht werde müssen. Die Bedingung, daß Tauschmänner vorhanden sein müssen, können wir nicht fallen lassen; denn im Innern haben wir nicht so viel Arbeiter daß wir die Gruben ausreichend mit Arbeitern versorgen können. Wir werden auch diese Frage noch weiter prüfen. Es ist selbstverständ⸗ lich, daß auch wir den Wunsch haben, daß die Leute anständig und menschenwürdig behandelt werden und keine unnötigen Schärfen vor⸗ kommen. Die Frage der Beamtengehälter ist im vorigen Jahre durch die Gehaltsreform abgeschlossen. ir werden aber auch die vom Ab Spinzig vorgebrachten Wünsche prüfen und erwägen, ob es möglich ist, eine Anzahl von Assistentenstellen in Beamtenstellen zu ver⸗ wandeln. Der Fonds für die Verbesserung von Bergwerks einrichtungen und für Neuanlagen ist nicht zu niedrig bemessen. Es ist früher schon mehrfach der Antrag gestellt worden, diesen Fonds entsprechend zu erhöhen. Ich muß erklären, daß in allen Fällen, wo sich die Notwendigkeit ergab, die Finanzverwaltung jederzeit uns ent⸗ gegengekommen ist, und wir nachträglich im Hause die Genehmigung für diese Posten nachgesucht haben. Irgendwelche notwendigen Bauten sind noch nie zurückgestellt worden.
Abg. Lüders (frkons.) weist gegenüber der Bemerkung des Ober⸗ berghauptmanns noch einmal darauf hin, daß es dringend nötig sei, die Abwässerfrage zu lösen.
Abg. Sauermann (Zentr.): Der Abg. Schmieding hat mit Unrecht aus der Nichterwähnung des Arbeitgebernachweises den Schluß ge⸗ zogen, daß gegen diesen Arbeitsnachweis keine Klagen vorhanden wären. Wir werden bei späterer Gelegenheit darauf zurück kommen. Die Etatsposition über Löhne ist im Verhältnis zum Vorjahr viel schlechter ausgestattet als der Fonds für Materialien. Für Löhne sind in diesem Etat 125 Millionen eingesetzt, nur 8 Millionen mehr als im Vorjahr, während die Foshon für Materialien bei einer Summe von 49 Mill. Mark gegen das Vorjahr um 5 Millionen erhöht worden ist; die Loöhne sind also nur im Etat um ¼⁄16 höher angesetzt worden, während für Materialien o mehr angesetzt ist. An der Saar ist ein Fall vor⸗ gekommen, wo ein Bergmann nur 3,69 ℳ Tageslohn erzielt hat. Außerdem wurde ihm für die Sparkasse ein so hoher Betrag ab gezogen, daß ihm nur sehr wenig Geld übrig blieb. Auf diese Weise bewirkt die Wohlfahrtseinrichtung der Sparkasse das Gegenteil; sie wird zur Zwangssparkasse. Es erbittert die Leute, wenn sie für die Sparkasse so viel zahlen sollen und dabei nicht genug zum Leben haben. Zu hart sind die Strafen für nicht vorschriftsmäßig beladene Wagen. Bei der Schwierigkeit des Betriebes überhaupt und namentlich in den niedrigen Flözen, wo die Leute liegend arbeiten müssen, kommt es sehr leicht vor, daß ein Wagen nicht vorschrifts⸗ magg beladen ist und nicht reine Kohle enthält. Diese Schwierig⸗ keiten sollten bei der Verhängung der Strafen als mildernder Um⸗ stand berücksichtigt werden. enn den verheirateten Bergleuten, die manchmal sechs oder sieben Kinder haben, so viele Strafgelder abgezogen werden, dann wird es ihnen wahrlich schwer, sich ehrlich durch die Welt zu schlagen. Die Löhne sollten überhaupt an der Saar im allgemeinen erhöht werden. In Oberschlesien ist der Absatz der Kohle wesentlich auf die Eisenbahnen angewiesen, die Tarife sind aber zu hoch. Die Folge ist, daß wegen mangelnden Absatzes Feierschichten eingelegt werden müssen. Die oberschlesischen Werke haben jetzt wieder eine Fördereinschränkung von 15 % beschlossen. Die Verhältnisse in Oberschlesien wären nicht so schlimm, wenn man nicht vor zwei Jahren die Belegschaft so stark vermehrt hätte. Es wurden Leute aus den Ostseehäfen angeworben, während man anderseits auf einer Grube 13 Leute entließ, weil sie Zentrum gewählt hatten. Diese fremden Hafenarbeiter von der Ostsee machten im vorigen Jahre in Bogutschütz einen ungeheuren Krawall, sodaß man in Oberschlesien glaubte, man wäre im Kriege. Auch im Oberharz arbeiten die Leute unter schwierigen Verhältnissen mit sehr niedrigen Löhnen. Sie leben ausschließlich vom Bergbau und haben keinen Nebenverdienst. Dort hat man allerdings dem Arbeiter⸗ ausschuß gestattet, die Lohnfrage zu besprechen; anderwärts ist dies dagegen vom Bergwerksdirektor verboten worden. Das widerspricht den Erklärungen bei der Beratung der Bergnovelle im vorigen Jahre; der Handelsminister hat damals erklärt, daß die Arbeiterausschüsse, wenn auch nicht die einzelne Löhne, so doch z. B. die Löhne einer ganzen Steigerabteilung besprechen dürften. Her Erlaß, daß die Stimmzettel bei der Wahl der Sicherheitsmänner und der Mitglieder des Arbeiterausschusses von den Werken selbst zu liefern seien, bedeutet keine lovale Handhabung des Gesetzes. Der Minister meint es gewiß ehrlich damit, die Wahlbeeinflussungen zu verhindern, aber seine Ratgeber haben ihm da einen Vorschlag gemacht, der dem Sinne des Gesetzes widerspricht. Wir wollten im Gesetz die Lieferung der Stimmzettel durch die Werke ausschließen, aber der Minister erklärte damals, daß er in den Aus⸗ führungsbestimmungen dafür sorgen wolle. Erfunden ist die Lieferung
können, und ob sich nicht eine Erhöhung ihrer Bezüge ermöglichen läßt.
der Stimmzettel durch die Werke von einem Angestellten des Berg⸗