2 ist, daß der Abg. Semler sagt: „Das ist Thyssens Geschoß!“ 11—“ seiner Fraktion allein stehen, denn seine Fraktions⸗ kollegen pnßer sich doch ch un die Schaffung von Konkurrenz für Krupp bemüht. Seit einer Reihe von Jahren dringen wir konsequent auf eine Herabminderung der Preise für die Panzerplatten; um so weniger erkläre ich mir die Aufregung des Abg. Dr. Semler. Aus dem Marineetat gewinnt man nie ein klares Bild, solange man sich auch damit befassen mag. Eine Unmasse von Titeln sind unter sich deckungsfähig. Die vü tajche die wir in der Kommission nach vielen Mühen durchgesetzt haben, halten wir aufrecht, es sind nur 1 ½ Millionen auf beinahe 400; die Herren, die immer nur zu bereitwillig sind, solche Abstriche „wieder zu beseitigen, lüre ihre Sucht in diesem Falle unterdrücken, sonst muß die 88 eit in der Kommission wirklich immer v angenehm werden. enn die Beziehungen der Abgeordneten zu Beamten kontrolliert werden, so müßte das uns doch zu gänzlich unmöglichen Verhältnissen hinführen. Es muß erklärt werden, daß überhau öt nicht nachgeforscht worden ist, welche Beamten mit Abgeordneten Verkehr haben. 1“ und Marineamt haben doch im Grunde dasselbe Bestreben. Das Zulage⸗ wesen in der Marine ist in unglaublicher Weise entwickelt; zu jeden 100 ℳ Gehalt und Wohnungsgeldzuschuß treten noch 60 ℳ Zu⸗ lage; da wird es glaublich, daß manche Kapitänleutnants Einkommen haben von 10⸗, 12⸗, 14 000 ℳ. Die Marine darf nicht nur als Schoßhündlein gepflegtwerden, sondern es mußein vernünftiges zwischen den Marineoffizieren und den Offizieren des Landheeres Wlüs reifen. Notwendig ist eine Herabsetzung der teilweise viel zu zohen Fa elgelder und der Messegelder⸗ Der Staatssekretär hat hierüber Mit⸗ gemacht, die zum Teil mit dem offtziellen Marinetasch a in Widerspruch stehen. Auch in bezug auf den „König Wilhelm“, der doch als Hulk benutzt werden soll, für den diese Kompetenzen nicht zuständig sind, sehen wir nicht klar. Ueber ZHZ1“ von Matrosen liegt uns leider ein reichhaltiges Material vor. 8 Material wird dem Staatssekretär von einem meiner Freunde über⸗ reicht werden; hoffentlich tritt strenge Untersuchung ein. In der Kom⸗ mission hat uns der Oberwerftdirektor von Wilhelmshaven — der jüngste auffallenderweise, die Oberwerftdirektoren von Kiel und Danzig waren nicht anwesend gesagt, daß der F 85 Techniker nicht zurückgedrängt werde; wir nehmen davon aes. ei der Verteidigungsrede des Abg. Semler wird der Firma Krupp der Gedanke aufsteigen: Herr, beschütze mich vor meinen Freunden! Daß die Firma ihre Geschäftsgeheimnisse nicht dem Auslande mitteilt, ist doch kein nationales Verdienst, sondern die einfachste kaufmännische Usance. Die Firma wird doch nicht gegen ihren eigenen Vorteil Gen. Frappiert hat mich, daß der Staatssekretär sagte, er habe bei den Bezügen von Krupp von 1902 bis 1910 dem Reiche 58 Millionen erspart. Da muß sich doch das deutsche Volk sagen: wie muß da früher die Firma das Reich 8* die Ohren gehauen haben! Die Firma streicht doch auch jetzt noch ganz anständige Gewinne ein. Der Staatssekretär erklärte weiter, daß schon 1900 die Panzerplattenpreise bei Krupp niedriger gewesen seien, als der Weltmarktpreis. Das ist nicht richtig. Es wurden damals 400 ℳ für die Tonne mehr bezahlt als von Amerika. Der Abg. Semler meinte, eine Konkurrenz käme jetzt zu; spät, es ständen große nationale Werte auf dem Spiele. Mit so großen Worten sollte man doch etwas vorsichtiger sein, auch bei der Tippelskirch⸗Affäre sprach man von nationalen Werten. Was sollte der Angriff auf den Grafen Oppersdorff? Dieser hat den Namen Thyssen überhaupt nicht genannt. Es kommt uns überhaupt nicht auf die Person an, sondern auf die Sache. Die von dem Staats⸗ sekretär aus dem Thyssenschen Briefe verlesenen Stellen konnten doch unmöglich den Sinn des ganzen Briefes wiedergeben. Ein so ge⸗ wiegter Geschäftsmann kann das nicht wollen, was aus dem Zitat hervorgeht. Wir wollen die ganze Streitfrage nicht zuspitzen auf Krupp oder Thyssen. Daß eine Konkurrenz auch auf dem Gebiet der Herstellung unserer Riesenkanonen notwendig ist, hat der Stagts⸗ sekretär in der Kommission selbst zugegeben. Er konnte nicht in Ab⸗ rede stellen, daß Krupp seine Kanonen an uns um 30 bis 40 %, teurer verkauft, als ner ne 2 ö dkauffn kamn, und. sees Schlachtschiff braucht 12 solcher Kanonen. vill gewiß nicht h 1 88 Aestsen sollen: „ohne Profit raucht kein Schorn⸗ stein“, aber eine Konkurrenz muß schon im wirtschaftlichen Interess vorhanden sein. Daß wir unsere Stellung zum ekenh oder zu Flottenfragen überhaupt geändert haben, muß ich dem Abg. Semler gegenüber auf das entschiedenste zurückweisen.
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Meine Herren! Es muß ohne weiteres zugegeben werden, daß das Zulagewesen der Marine dadurch, daß im Laufe der Jahre je nach dem Bedürfnis immer aufgepfropft worden ist, mit der Zeit etwas unübersichtlich geworden ist. Ich habe bereits in der Budget⸗ kommission zugesagt, daß wir eine entsprechende Denkschrift im nächsten Jahre vorlegen werden. Ich möchte aber dabei bemerken, daß die Zahlenangaben, die der Herr Abg. Erzberger bezüglich der Bezüge hier gegeben hat, soweit ich sie in der Schnelligkeit habe ver⸗ folgen können, mir doch nicht ganz richtig erscheinen. Ich habe ver⸗ standen, daß er gesagt hat, der Flottenchef bekomme 90 ℳ pro Tag. Der Flottenchef bekommt in Wirklichkeit nur 51 ℳ, erleidet dafür aber an der für einen Admiral an Land zuständigen Dienstzulage einen Abzug von 9000 ℳ. (Zuruf in der Mitte: Ich habe Auslandsadmiral gesagt!) Der Auslandsgeschwaderchef bekommt 75 ℳ; auch dessen Dienstzulage wird an Bord gekürzt. Bezüglich der Bemerkung über Zuständigkeit von Tafelgeldern an Offiziere, die zu Versuchen kommandiert sind, so liegt anscheinend ein Mißverständnis vor zwischen zu Versuchen an Bord kommandierten Offizieren und Versuchskommandos. Für erstere ist Tafelgeld nur liquide für die Dauer der Kommandierung an Bord und auch da
uur mit gewissen Einschränkungen; das Torpedoversuchskommando,
das Artillerieversuchskommando usw. ist ein Teil eines in Dienst gestellten Schiffes! (Zuruf in der Mitte.) — Die Offiziere sind nicht an Land, sondern sie sind eingeschifft, ihnen liegt neben ihrem Versuchsdienst auch der eigentliche Schiffsdienst auf dem Versuchs⸗ schiff ob. Der Kommandant des Torpedoversuchsschiffs ist gleichzeitig
der Präses des Torpedoversuchskommandos. Das Schiffskommando ist gleichzeitig Versuchskommando. Ein Kommando — im Gegensatz zu einer „Kommission“ — ist deshalb eingerichtet worden, weil man erfahrungsmäßig rascher mit den Arbeiten vorwärts kommt, wenn man ein Kommando einrichtet. Dann verteilt sich auch die Verantwortung nicht, sondern sie fällt dem an der Spitze des „Kommandos“ stehenden Offizier zu. Der Kommandant und der Schiffsstab bilden aus sich heraus das Torpedoversuchskommando. Es sind aber rite eingeschiffte Offiziere, die auf einem in Dienst ge⸗ tellten und auf See gehenden Schiffe sich befinden. Die Zahlung on Tafelgeldern ist also durchaus korrekt.
Dann hat der Herr Abg. Erzberger kritisiert, daß ich gesagt habe, die Reservedivision bekomme keine Kompetenzen. Das ist aber durchaus richtig, was ich gesagt habe. Lediglich das in Dienst befind⸗ liche Stammschiff der Reservedivision, welches fährt, bekommt die Schiffskompetenzen, die Reservedivision selbst, die Beischiffe nämlich, aber nicht. Das Stamnschiff ist aktiviert, die Beischiffe nicht. Die Mannschaften und Offiziere dieser Beischiffe sind in Kasernen an Land und bekommen Schiffskompetenzen nur, wenn die Beischiffe aktiviert
Dann noch ein paar Worte über den „König Wilhelm“. Meine Herren, wenn die Herren einmal an Bord des „König Wilhelm
gehen würden, wenn sie sich einmal den Betrieb ansehen würden, so würden sie die ganze Sache anders auffassen. Wie soll es denn ge⸗ macht werden? Hier ist ein Schiff, welches dazu dient, den Schiffs⸗ jungen die ersten Seedienstkenntnisse beizubringen, sie in das Bords⸗ leben einzuführen. Also der gesamte Dienst muß sich abspielen, wenn der Zweck erreicht werden soll, genau so, als ob das Schiff ein in See befindliches Schiff wäre. Wenn wir das anders machen wollten, wenn wir den „König Wilhelm“ außer Dienst stellten, so würde die Konsequenz sein, daß die Offiziere an Land wohnen müßten, daß sie nur zur Dienstzeit an Bord gehen würden, sie würden keinen Wacht⸗ dienst an Bord auszuüben brauchen usw. Was würde aus dem ganzen Betrieb werden, wenn die Offiziere nicht an Bord, sondern in Flensburg wohnen würden! Jetzt sind die Verhältnisse so, daß die Offiziere auf dem Schiff selbst wohnen und den vollen Dienst tun, Nachtdienst und Tagdienst, sie sind gezwungen, mit den Schiffsjungen den ganzen Tag zusammen zu sein und sich nicht nur während der Dienststunden um sie zu kümmern. Das würde alles weg⸗ fallen, wenn wir das Schiff nicht im Dienst halten wollten. Wenn wir nicht den Betrieb eines in den Dienst gestellten Schiffes haben können, so müssen wir eine Kaserne bauen. (Zuruf in der Mitte.) — Auf den Heizerhulks geht das Personal nur zum Aus⸗ bildungskursus ganz vorübergehend an Bord und wohnt zumeist in den Kasernen. — Auf dem „König Wilhelm“ ist aber permanenter Be⸗ trieb, Sommer und Winter. Wenn der Herr Abg. Erzberger einmal auf den „König Wilhelm“ sich bemühen wollte und den Dienst über⸗ sehen würde, so würde er meiner Auffassung nach zu einer anderen Meinung kommen, als er hier ausgeführt hat. (Zuruf in der Mitte: Ich war dort vor ein paar Jahren!) — Damals in Kiel sind wir meines Wissens nicht auf dem „König Wilhelm“ gewesen.
Es ist ferner gesagt worden, daß einer von den Kollegen der Fraktion des Herrn Abg. Erzberger mir Mitteilung machen würde über an Bord vorgekommene Mißhandlungen. Ich werde die Fälle selbstredend eingehend untersuchen lassen. Im allgemeinen stehen wir prozentual in bezug auf die Mißhandlungen sehr günstig da. (Sehr richtig! links.) Das ist eine bekannte Tatsache. Ich habe die Statistik zwar nicht hier, ich habe die Sache aber immer verfolgt und weiß, daß die Marine in dieser Beziehung sehr günstig dasteht; es ist von jeher an Bord nicht Sitte gewesen, zu mißhandeln. (Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Mißhandlungen sind nie im Schwange gewesen.
Es ist dann noch über die Panzerplatten gesprochen worden. Ich wiederhole, daß der Marineverwaltung jede Konkurrenz durchaus wünschenswert ist, und daß wir auch Anregungen nach der Richtung, die uns billigere Preise liefern, nur mit Dank begrüßen können, wie wir ja auch seinerzeit die Anregungen, auf die der Herr Abg. Erz⸗ berger vorhin anspielte, bezüglich der Panzerplatten nur dankbarst begrüßt haben. Ob die Anregung, die der Herr Abg. Graf von Oppersdorff heute gegeben hat, dazu führen wird, billigere Preise zu bekommen, scheint mir aber nicht ganz sicher zu sein.
Im übrigen, meine Herren, habe ich bezüglich der Panzerplatten nach dem Stenogramm gesagt: „Wir haben nach Bewilligung des Flottengesetzes vor Preisen gestanden, die damals schon verhältnis⸗ mäßig niedrig waren.“ Ich habe dabei an das Jahr 1 902 gedacht, in welchem zuerst die Vertragsverhandlungen mit Krupp in Kraft getreten sind; das ist dasjenige, was ich im Kopf gehabt habe. Es scheint mirddoch nicht ganz zutreffend zu sein, was der Herr Abg. Erzberger gesagt hat, daß die Firma Krupp uns, wenn wir 58 Millionen Mark gespart haben, vorher das Fell über die Ohren gezogen habe. Weshalb ist es denn der Firma Krupp möglich gewesen, mit den Preisen herunterzugehen? Das ist ihr da⸗ durch ermöglicht worden, wie ich schon ausgeführt habe, weil auf Grund des Flottengesetzes die Firma disponieren konnte und weil wir disponieren konnten. Es ist das eine von den außerordentlich guten Wirkungen, die das Flottengesetz gehabt hat, um dessen Zu⸗ standekommen, wie ich zu jeder Zeit anerkannt habe — nicht nur vor Jahren, als das Gesetz bewilligt wurde, sondern auch später immer —, die Fraktion des Herrn Erzberger sich ein hohes Verdienst erworben hat. Ich sage das nicht als Politiker, denn die Politik geht mich garnichts an, sondern ich habe damit nur anerkannt, was Tat⸗ sache ist.
Wenn nun weiter gesagt worden ist, daß es wunderbar wäre, daß wir vom Jahre 1907 an noch 12 Millionen Mark ge⸗ spart haben, so liegt das daran, weil wir schon vom Jahre 1907 an die niedrigen Preise gegenüber dem Weltmarktpreis gehabt haben, und im Jahre 1907 eben nur durch die Art des Vorgehens seitens der Marineverwaltung einen Preisnachlaß erzielt haben. Dieser weitere Preisnachlaß nur in den drei Jahreu, wo Krupp tatsächlich dem Vertrage nach den höheren Preis in der Hand hatte, wo er nicht nachzulassen brauchte, beträgt 12 Millionen Mark. Krupp hat von den höheren Preisen, die er bereits für drei weitere Jahre vertrags⸗ mäßig fest in der Hand hatte, einen Nachlaß gewährt, der 12 Millionen beträgt. Wenn es aber Krupp möglich gewesen ist, hier noch einen Preisnachlaß zu machen, liegt das daran, daß von 1908 an ein Mehrbedarf an Panzerplatten von 33 % in Aussicht stand, und das berechtigte mich und ermöglichte es mir, einen weiteren Preisnachlaß durchzusetzen. Auf der andern Seite ist es aber doch auch nicht unbillig, daß wir Krupp, nachdem er sein Werk so er⸗ heblich hat vergrößern müssen und er nun mit Sicherheit davor steht, dieses vergrößerte Werk von 1912 ab nicht mehr voll ausnützen zu können, nun auch mit Rücksicht auf die Abnahme des Bautempos
und den damit verbundenen geringeren Bedarf an Panzerplatten gewisse größere Kautelen gaben. Das wird auch der Herr Abg. Erzberger, glaube ich, berechtigt finden.
Der Herr Abg. Erzberger hat auch bezüglich des Thyssenbriefes die Ansicht geäußert, das wäre wohl nicht ganz so, wie ich es dargestellt hätte. Ich bin bereit, dem Herrn Abg. Erzberger den Thyssenbrief komplett zu geben. Ich halte es nicht für zweckmäßig, den ganzen Brief hier vorzulesen. Ich möchte aber doch die Fortsetzung des Passus, um den es sich hier handelt, noch vorlesen. Meine Herren, ich wiederhole, ich würde es ja an sich für zweck⸗ mäßiger gefunden haben, wenn diese ganzen Panzerplattenbesprechungen nicht im Plenum stattgefunden hätten, da die Frage aber einmal in der Weise angeregt ist, habe ich sagen müssen, wie die Sache liegt, das war nicht anders möglich, deshalb mußte ich auch den Namen Thyssen nennen. Die Fortsetzung des Briefpassus lautet folgender⸗
Was den weiteren Vorbehalt anbelangt, daß der mit uns ah⸗ zuschließende Vertrag hinfällig würde, falls die Marine anderweitig besseres Material erhalten kann, wir es aber nicht liefern können, so bedauern wir sehr, auch auf eine solche Bedingung aus sehr begreiflichen Gründen nicht eingehen zu können. Bei den stetigen Fortschritten, die die Technik macht, ist jedenfalls damit zu rechnen, daß früher oder später im Laufe der Jahre man auch dazu kommen wird, ein noch besseres Material herzustellen, als man es heute verwendet.
Wenn man berücksichtigt, daß die anderen Werke, die Panzerplatten herstellen, diese Fabrikation schon seit Jahr⸗ zehnten betreiben, dafür einen großen Stab von spezia⸗ listisch ausgebildeten und ausschließlich dafür arbeitenden Ingenieuren haben und weiterhin ausgedehnte, vorzüglich eingerichtete Versuchsanstalten sowie Geschütze und Geschosse nebst Schießplätzen zur Verfügung haben, so ist wohl zu erwarten, daß die alten Lieferanten früher mit Neuerungen und Verbesserungen auf den Markt kommen dürften, als es uns möglich sein würde. (Hört! Hört!) wo wir erst unsere Einrichtungen schaffen sowie dafür ein geschultes Personal sammeln und heranbilden müssen, mit einem Wort gesagt, nur Anfänger sind. Auf eine derartige Bedingung, wie die oben erwähnte, einzugehen, könnte gegebenenfalls geradezu ruinös für unser neues Unternehmen wirken.
Ich möchte dabei bemerken, daß wir an Thyssen die Forderung gestellt hatten, daß wir frei sein müßten vom Vertrage, wenn wir anderwärts besseres Material beziehen könnten. Das werden die Herren ohne weiteres verstehen. (Sehr richtig!) Wir können ja gar nicht wissen, wie die Verhältnisse bezüglich der Panzerplatten in Zukunft sein werden. Diese Bedingung mußten wir aufnehmen. Er sagt weiter:
Es würde also geradezu ruinös für unser neues Unternehmen wirken, und es wird daher jeder verstehen, daß gegen solche Eventualitäten wir uns schützen müssen.
Wir sind deshalb der Ansicht, daß, wenn ein besseres Her⸗ stellungsverfahren sich finden sollte, uns in derselben Weise, wie den anderen deutschen Panzerplattenfabrikanten, die Möglichkeit geboten werden muß, dasselbe gleichfalls anzuwenden,
— natürlich, wenn es die anderen hergeben; das ist aber doch sehr die Frage! —
indem das Reichsmarineamt das Benutzungsrecht für das neue
Verfahren erwirbt und auch uns, wie den anderen deutschen
Lieferanten, kostenfrei zur Verfügung stellt.
Nun bitte ich, meine Herren, sich die praktische Situation vorzustellen. Wir haben Thyssen nun als drittes Konkurrenz⸗ werk nnd freuen uns darüber. Jetzt erfindet Krupp ein sehr viel besseres Verfahren, eine sehr viel bessere Panzersorte als vorher, sodaß wir mit einem sehr viel leichteren Ge⸗ wichte auskommen können und großen Vorteil haben. Nun sagen wir zu Krupp: „Herr Krupp, jetzt geben Sie Ihr Verfahren her, wir wollen es Thyssen geben!“ Was glauben Sie wohl, daß Krupp uns anworten würde? (Heiterkeit.) So liegt doch die Sache.
Ich habe das hinzufügen müssen, weil ich klarlegen wollte, daß ich dem Wesen nach — worauf es doch ankommt — nichts habe ver⸗ schweigen wollen; ich habe nur nicht den ganzen Brief vorlesen, sondern mich dabei auf den springenden Punkt beschränken wollen.
Gegen 6 ¼ Uhr wird die Weiterberatung auf Montag 1 Uhr vertagt; vorher Abkemmen wegen der Gotthardtbahn.
34. Sitzung vom 5. März 1910, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Auf der Tagesordnung stehen zunächst die Beratung des Antrags der verstärkten Gemeindekommission auf Annahme einer Resolution, betreffend allgemeine Ein⸗ gemeindungsfragen, und die zweite Beratung der Ent⸗ würfe von Stadterweiterungsgesetzen für Essen, Cöln, Ratibor, Kiel, Flensburg, Harbur und Magdeburg. “
Die Resolution der Kommission lautet “
„die Regierung zu ersuchen, a. in Zukunft bei Eingemeindungs⸗ gesetzen in die zu veröffentlichenden Eingemeindungsbedingungen nur solche Vorschriften aufnehmen zu lassen, durch die entweder eine Abänderung der geltenden Gesetze erfolgt oder öffentlich⸗rechtliche, erzwingbare Verpflichtungen für eine Gemeinde begründet werden, b. in allen Eingemeindungssachen von erheblicher Bedeutung eine Anhörung des Provinzial⸗ (Kommunal⸗) Landtags herbeizuführen, c. künftig darauf hinzuwirken, daß in die Eingemeindungsverträge Bestimmungen, die dauernde Sonderrechte schaffen, tunlichst nicht aufgenommen werden“.
Die einzelnen Gesetzentwürfe hat die Kommission unver⸗
ändert angenommen. 1“ Ueber den ersten Teil der Debatte hierüber ist in der
vorgestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden. 8 Abg. Dr. Bell⸗Essen (Zentr.): Meine Freunde werden der Resolution zustimmen. Für Rheinland und Westfalen muß ich der Auffassung widersprechen, daß die Regierung bei Eingemeindungsfragen die Stadtgemeinden vor den Landgemeinden bevorzuge. Die Regierung ist nach jeder Richtung bemüht gewesen, beider Fnteressen wahrzu⸗ nehmen; ja, es besteht sogar in Stadtgemeinden die Au assung, die allerdings nicht die meinige ist, daß die Regierung die Interessen des Landes zu sehr wahrnehme. Im westfälischen Industriegebiet hat sich vielfach die Notwendigkeit der Eingemeindungen heraus⸗ gestellt durch die veränderten Verkehrsverhältnisse und die Ent⸗ wicklung der Industrie, und zwar nicht nur für die Stadtgemeinden, sondern namentlich auch für die Landgemeinden. Wenn eine Einigung unter den Beteiligten erzielt ist, soll man die Eingemeindung nicht erschweren. Die Landgemeinden wahren schon ihre Rechte. In den Eingemeindungsverträgen ist vielfach bestimmt, daf die Polizeiver⸗ ordnungen der Muttergemeinde auch in der Tochtergemeinde gelten sollen. Das Kammergericht hat nun entschieden, daß zur Gültigkeit der Polizeiverordnungen der Eingemeindungsvertrag nicht ausreiche, sondern auch noch die erforderliche Publikation hinzukommen müsse. Das Oberverwaltungsgericht dagegen hat entschieden, daß die nachherige Publikation nicht mehr erforderlich sei. Deshalb dürfte es zweckmäßig 68 vorsichtshalber die Polizeiverordnungen in der vorgeschriebenen orm zu veröffentlichen. Schwierigkeiten in der Praxis hat 8 rage ergeben, wie Abmachungen im Eingemeindungsvertrag, die nich in das Gesetz aufgenommen sind, nachher geändert werden können.
(Schluß in der Dritten Beilage.)
maßen, — ich wiederhole den vorhin schon verlesenen Absatz:
6
(Schluß aus der Zweiten Beilage.)
Allerdings können Verträge durch Einwilligung geändert werden; aber der eine Kontrahent ist hierbei nicht da. Kann nun eine Vertragsbestimmung durch Mehrheitsbeschluß der Stadtver⸗ ordnetenversammlung geändert werden oder müssen diejenigen Stadt⸗ verordneten, die aus der Tochtergemeinde stammen, ihre Zustimmung geben, und zwar sämtlich oder in ihrer Mehrheit? Um diese Schwierigkeiten u beseitigen, müßte in Zukunft in den Eingemeindungsverträgen be⸗ werden, wie sie geändert werden können. So ist es einmal bei Cöln geschehen, aber bei anderen Eingemeindungsverträgen ist es unterblieben.
Abg. von Brandenstein (kons.): So sehr ich wünschen würde, daß wir zu einem Beschluß kämen, der mit großer Mehrheit gefaßt werden könnte, kann ich doch nicht meinen Widerspruch gegen den Antrag Ecker zurückziehen, weil dieser Antrag nicht eine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung der Resolution enthält. Nach der Resolution soll in allen wesentlichen Fällen der Provinzial⸗ landtag gehört werden. Dadurch brauchen die Eingemeindungssachen keineswegs auf Jahre verzögert zu werden; denn der Provinziallandtag braucht nicht erst nach Abschluß der Verhandlungen gehört zu werden, sondern im Laufe der gewöhnlich jahrelang schwebenden Verhand⸗ lungen kann die Frage auch in einem früheren Stadium dem gerade Propinziallandtag vorgelegt werden.
* Geheimer Oberregierungsrat Dr. Freund: Wir werden den Landtag hören, wenn es als angemessen erscheint, sobald er gerade versammelt ist. Ich stehe also im wesentlichen auf dem Standpunkt des Vorredners. Die Antinomie zwischen dem Kammergericht und dem Oberverwaltungsgericht ergibt allerdings Schwierigkeiten, aber die Ge⸗ meinden haben sich auch schon dagegen gesichert, daß eine einseitige Aenderung der Eingemeindun sbedingungen nicht vorgenommen wird. In Cöln z. B. ist ausdrücklich bestimmt worden, unter welchen Modalitäten mit Zustimmung der Stadtverordneten Bestimmungen des Eingemeindungsvertrages geändert werden können. In Zukunft werden die Gemeinden immer darauf hingewiesen werden.
Abg. Ecker⸗Winsen (nl.) zieht seinen vorgestern mitgeteilten Antrag zurück, um den Konservativen die Zustimmung zur Re⸗ solution zu erleichtern.
Abg. Dr. Müller⸗Berlin (freis. Volksp.) hebt hervor, daß nach der Fassung der Resolution die Anhörung des Provinziallandtags die Regel und nicht die Ausnahme sein soll. Auf diese Tendenz komme es ihm an, und deshalb stimme er gegen die Resolution.
Darauf wird die Resolution der Kommission gegen die Stimmen der Freisinnigen angenommen.
In zweiter Beratung werden sodann die Gesetzentwürfe über Erweiterung der Stadtkreise Essen, Cöln, Ratibor, Kiel, Harburg und Magdeburg ohne Debatte gemäß den Anträgen der verstärkten Gemeindekommission unverändert angenommen.
Bezüglich des Gesetzentwurfs, betreffend Erweiterung des Stadtkreises Flensburg, beantragt die Kommission ebenfalls unver⸗ änderte Annahme, dagegen wird von konservativer Seite Zurück⸗ verweisung an die Kommission beantragt.
Berichterstatter Abg. Hoff weist darauf hin, daß auch von seiten der Regierung die Eingemeindung warm befürwortet worden sei. Die in einer Petition gegen die Eingemeindung geltend gemachten Be⸗ denken rührten nur von 35 Großgrundbesitzern der Gemeinde Twedt her. Demgegenüber stehe aber der einstimmige Beschluß der Twedter Gemeinde.
Abg. von Bonin (kons.): In der vom Oberbürgermeister Dr. Todsen in Flensburg und vom Gemeindevorsteher der Gemeinde Twedt veneefhes eingegangenen Petition wird eine Reihe von Gründen für die Eingemeindung von Twedt angeführt, die nicht zutreffend sind. Es wird u. a. darauf hingewiesen, daß die Zuschläge zu den einzelnen Steuerarten jetzt schon 225 % betrügen und in kurzer Zeit auf 300 % steigen müßten. Diese Erhöhung der Steuersätze ist erstens bis jeßt noch nicht beschlossen, und dann ist auch zu bedenken, daß ein Zuschlag zur Gewerbesteuer nicht erhoben wird, auch auf die Umsatz⸗ steuer sind keine Zuschläge eingeführt. Die Gemeinde hat den dringenden Wunsch, selbständig zu bleiben. Es ist allerdings ein ein⸗ stimmiger Beschluß der Gemeindevertretung vorgelegt worden. Aber die Einstimmigkeit ist dadurch zustande gekommen, daß die Minorität an der Durchsetzung ihrer Absichten verzweifelte und nicht anwesend war. Die Minorität hat die Befürchtung, daß durch die Eingemeindung von Twedt die Arbeiterbevölkerung dorthin ziehen würde, sodaß die anderen Gemeinden dann von Twedt her die leistungsfähigsten Steuer⸗ zahler erhalten würden. Ich beantrage deshalb, den Entwurf an die Kommission zurückzuverweisen.
Geheimer Oberregierungsrat Dr. Drews: Der Landrat, der Kreisausschuß und der Kreistag haben die Notwendigkeit der Ein⸗ gemeindung anerkannt. Das sind doch gerade diejenigen Instanzen, die ein ausschlaggebendes Urteil über die Verhältnisse abgeben können. Einzelne Teile der Bevölkerung werden infolge von Mißverständnissen oder aus anderen Gründen überall gegen die Eingemeindung Stellung nehmen. Twedt würde genötigt sein, im Falle seiner Nicht⸗ eingemeindung ein eigenes Schulgebäude zu errichten. Die Schule würde dann aber immer noch eine Landschule bleiben, die keinen Ver⸗ gleich mit den benachbarten städtischen Schulen aushalten könnte. Die Steuerzuschläge betragen gegenwärtig 200 %. Der Landrat und der Kreisausschuß versichern, daß die Gemeinde, wenn sie selbständig bleiben würde, zu einer bedeutenden Erhöhung dieses Satzes schreiten muß. Es ist selbstverständlich, daß der Kommunaletat der Land⸗ emeinde ganz erheblich in die Höhe steigen würde. Den Wider⸗ 1S.g; gegen die Ansiedlung von Arbeitern kann ich nicht verstehen. Wurch die Erhöhung der Bautätigkeit würde der Wert der Grund⸗ stücke doch erheblich steigen.
bg. von Brandenstein (kons.): Es ist wiederholt von unserer Seite betont worden, daß wir allen Eingemeindungen gegen⸗ über uns äußerst kritisch verhalten. Für uns können nicht ohne weiteres die Beschlüsse der Gemeindekörperschaften maßgebend sein, sondern wir müssen diese auch auf ihr Zustandekommen hin prüfen. Es lagen schon in der Kommission erhebliche Bedenken vor, die schon eine Verschiebung der Verhandlung notwendig gemacht hatten. Diese Bedenken sind durch die neuerdings eingegangene Petition und durc die Ausführungen des Abg. von Bonin verstärkt worden. Wir sind deshalb für Zurückverweisung an die Kommission.
Abg. Dr. Duus (fr. Volksp.): Die bei dieser Eingemeindung in Frage S. Landgemeinden gehören schon seit urdenklicher Zeit mit Flensburg zusammen. Deshalb hat sich auch die Provinzial regierung auf den Standpunkt gestellt, daß der Bebauungsplan für die ganze Gegend einheitlich vorgenommen werden sollte. Die Stadt Flensburg hat an und für sich kein großes Interesse an der Eingemeindung, wohl aber liegt diese Eingemeindung im Interesse der vier Landgemeinden. Die Veranlassung zu der Eingemeindung ist vor allem die Anlage und Erweiterung der Marinestation in Mürwik, die mit ihrem Personalbestand von 2000 bis 3000 Köpfen in weitgehendem Maße Ansiedelungen nötig macht. Seit drei oder vier eeer haben wir mit den Gemeinden Verhandlungen gepflogen damit das sehnlichst erwünschte Ziel der Eingemeindung erreicht werden kann. Ich bitte deshalb das Haus, keine weiteren Ein⸗ wendungen gegen die Eingemeindung zu erheben.
Berlin, Montag, den 7. März
Abg. Linz (Zentr.) erklärt sich im Namen seiner Partei für Zurück⸗ verweisung an die Kommission.
Der Antrag auf Zurückverweisung an die Gemeinde⸗ kommission wird gegen die Stimmen der Linken angenommen.
Es folgt die Beratung des Etats der Handels⸗ und Gewerbeverwaltung. Bei den Einnahmen äußert sich
Abg. Felisch (kons.) über die Baugewerksschulen: Die Fachschul⸗ lehrer sollen in erster Linie nicht Berufslehrer, sondern Fachmänner sein. Sie müssen immer mit der Ausübung des Gewerbes, für das sie Schüler auszubilden haben, genau vertraut sein. Wir brauchen Fa lehrer, welche eine wirkliche praktische Lehrzeit durch emacht haben, damit sie an diesen Schulen mit dem genügenden Erfolge ÜUnterricht erteilen und sich den Schülern in genügender Weise verständlich machen können, nicht bloß technisch gebildete Lehrer, nicht bloß Hoch⸗ schularchitekten, nicht bloß Hochschulingenieure. Die praktisch vor⸗ gebildeten Lehrer verschwinden an unseren Baugewerkschulen leider immer mehr und mehr. In kurzer Zeit werden unsere mittleren Fachschulen ganz und gar akademisiert sein. Ich will mich gar nicht gegen die akademische Ausbildung der Lehrer wenden, aber es würde für den Lehrkörper unserer Fachschulen gut sein, wenn wenigstens annähernd in derselben Zahl Lehrer hineinkämen, welche direkt aus der Praxis des Gewerbes hervor⸗ gegangen sind. Diese Lehrer würden mindestens denselben Erfolg haben, wie die akademischen Lehrer. Schon im vorigen Jahre habe ich den Handelsminister um Auskunft gebeten, ob nicht das Ueber⸗ gewicht der rein akademischen Lehrer schon jetzt einen gewissen un⸗ günstigen Einfluß auf die Schüler ausübt. der Minister hat da⸗ mals selbst anerkannt, daß die akademischen Lehrer leicht dazu kommen können, den Unterricht, den sie an einer Technischen Hoch⸗ schule genossen haben, auf den Unterricht an den Baugewerksschulen zu übertragen. Das sei unerwünscht, und deshalb sei eines der Hauptmotive des neuen Lehrplans, diese Neigung, akademisch zu werden, zu unterbinden. Eine Umfrage bei den Direktoren der Bau⸗ gewerksschulen hielt der Minister bei der ungleichmäßigen Entwicklung dieser Schulen für wenig erfolgversprechend. enn der jetzige Minister derselben Ansicht ist, so möchte ich ihm anheimgeben, diese Frage vielleicht dem Landesgewerbeamt zu unterbreiten. Die Zahl der Baugewerksschulen in Preußen, die 25 beträgt, ist viel zu gering. Das Streben unserer sämtlichen jungen Bau⸗ techniker geht dahin, eine Baugewerksschule absolviert zu haben. Das Bedürfnis nach einer tüchtigen Baugewerksschule in den Vor⸗ orten von Berlin ist gar nicht mehr abzuweisen, da die Baugewerks⸗ schule zu Berlin auch nicht annähernd die Anmeldungen aus Berlin berücksichtigen kann und alle Nichtberliner abzuweisen pflegt. Es ist außerordentlich bedauerlich, daß die Verhandlungen, die der Handelsminister Delbrück mit verschiedenen Städten in der Umgebung von Berlin angeknüpft hatte, wegen der Höhe der
Kosten für den Bau solcher Schulen und den jährlichen Zuschuß zu keinem Ergebnis geführt haben. Man sollte nicht vergessen, daß durch die Errichtung einer solchen Schule das ganze Gemein⸗ wesen gehoben wird. Die Privatbaugewerksschulen können niemals annähernd dasselbe leisten, wie die staatlichen oder städtischen Schulen, da sie immer Erwerbsanstalten bleiben müssen. Das Fünf⸗ klassensystem begrüße ich mit besonderer Freude, weil das Lehrzier dabei keineswegs in die Höhe geschraubt werden soll, und deshalb eine intensivere Ausbildung erreicht werden kann, als bei dem bisherigen Vierklassensyvstem. Der Eisenbetonbau, der eine immer größere Be⸗ deutung gewinnt, sollte in dem Lehrplan der Baugewerksschulen mehr berücksichtigt werden. Auch die heimische Bauweise unserer Provinz sollte mehr gepflegt und insbesondere eine gewisse Wiederbelebung des Holzbaues 85 den Baugewerksschulen herbeigeführt werden. Die übermäßige Anwendung von Eisenstützen hat Gott sei Dank wieder aufgehört, und es wird wieder mehr Stein und Holz verwendet. Das Holz muß nur richtig behandelt werden. Das Holz, gut angewendet, wird Jahrhunderte überdauern, ich er⸗ innere nur an die große Zahl von Holzbauten in Niedersachsen aus dem 15., 16. und 17. Jahrhundert, denen man nichts von Verfall ansieht. Wir wissen heute, wie wir die Häuser vor dem gefährlichen Holzschwamm schützen und den eingedrungenen Schwamm beseitigen können. Auch diesen Fragen muß auf unseren Baugewerksschulen die nötige Bedeutung beigelegt werden. Die Aufnahmebedingungen in der untersten Klasse der Baugewerksschulen in bezug auf das all⸗ gemeine Wissen müssen ganz entschieden verschärft werden. Keine andere Schule hat so verschiedenartig vorgebildete Schüler wie die Baugewerksschule; es gibt dort Schüler, die bei ihrer Aufnahme nicht einmal richtig lesen und schreiben können, Schüler mit der Be⸗ rechtigung zum einjährig⸗freiwilligen Dienst und sogar Schüler, die die Maturitätsprüfung bestanden haben. Die deutsche Sprache sollte wenigstens jeder Aufzunehmende vollkommen beherrschen.
Minister für Handel und Gewerbe Sydow: 1
Meine Herren! Bei dem warmen Interesse, das der Herr Vorredner seit Jahren der Frage der Ausgestaltung der Baugewerk⸗ schulen widmet, ist es natürlich, daß die heute besprochenen Fragen zum großen Teile in früheren Etatsperioden in diesem hohen Hause bereits eingehend erörtert worden sind. Angesichts dieses Umstandes werde ich mich in Beantwortung der ausführlichen Darlegungen des Herrn Vorredners kurz fassen, um nur zu ein paar Hauptpunkten meinen Standpunkt zu markieren.
Der Herr Vorredner hat — und das möchte ich persönlich mit besonderer Genugtuung begrüßen — aufs lebhafteste die Verdienste meines Herrn Amtsvorgängers um die Förderung der Fachschulen hier anerkannt und hat mir damit nahegelegt, auf demselben Weg weiter zu wandeln. Ich kann ihm versichern, daß ich mit meinen An⸗ schauungen in dieser Frage auf demselben Boden stehe, wie mein Herr Amtsvorgänger, und auch dieselben Pfade weiter zu wandeln ent⸗ schlossen bin. Ich stehe aber allerdings auch auf dem Standpunkte meines Herrn Amtsvorgängers in der ersten Frage, in der der Herr Vorredner mit ihm dissentierte, in der Frage der Beteiligung der nicht akademisch gebildeten Lehrer an den Baugewerkschulen.
Es ist ja dem hohen Hause bekannt, wie der Verlauf der An⸗ gelegenheit gewesen ist. Bis zum Jahre 1903 wurden an den Bau⸗ gewerkschulen sowohl akademisch gebildete Oberlehrer als auch Fach⸗ lehrer, die nicht der akademischen Bildung teilhaftig geworden waren, angenommen. Da nun diese letzteren nach den allgemeinen Ver⸗ waltungsgrundsätzen nicht zu Oberlehrern bestellt werden konnten und sich aus diesem Nebeneinanderarbeiten der beiden verschiedenen Lehrer⸗ kategorien Unzuträglichkeiten ergeben hatten, so erfolgte im Jahre 1903 mit Zustimmung dieses hohen Hauses eine Neuregelung auf der Basis, daß in Zukunft, abgesehen von den Elementarlehrern, nur noch akademisch gebildete Lehrer hier zur Anstellung gelangen. Der an⸗ fänglich gemachte Versuch, einzelnen Lehrern ohne volle Hochschul⸗
bildung zu gestatten, zur Erreichung der Oberlehrerqualität die ihnen
“
nzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
fehlenden Semester nachzustudieren, sind, wie bekannt, als praktisch nicht brauchbar, bald wieder verlassen worden, und so ist das System festgehalten worden, nur Akademiker einzu⸗ stellen. Aber es ist gleichzeitig mit allem Nachdruck darauf gehalten worden, daß die Akademiker mit der Praxis in ständiger Berührung bleiben. Zunächst müssen sie ja eine mindestens dreijährige, tatsächlich aber vielfach längere praktische Beschäftigung, nachdem sie das Diplom⸗ examen abgelegt haben, durchmachen. Dann wird, soweit es die Lehr⸗ tätigkeit gestattet, auch gern gesehen, daß sie sich mit Genehmigung des Direktors nebenbei auch mit der Praxis durch Lösung praktischer Aufgaben in Fühlung halten.
Die Lehrpläne und die Lehrmethode sind nach eingehender Durch⸗ beratung im Beirat des Landesgewerbeamts unter Mitwirkung des Herrn Vorredners und, ich glaube, auch unter seiner Zustimmung in einer Weise festgestellt, die die Tendenz, nicht zu theoretisch zu werden und sich auch dem Begriffsvermögen der Schüler anzupassen, wohl deutlich erkennen läßt. Eine solche erst seit wenigen Jahren be⸗ stehende Methode nun wieder umzuändern, wäre wohl nur zu rech . fertigen, wenn sich aus dem damals Eingeführten, jetzt Be⸗ stehenden Mißstände ergeben hätten. Der Herr Vorredner hat den Wunsch ausgesprochen, man möge einmal bei dem Beirat des Landesgewerbeamts, sei es dem allgemeinen oder dem Fachbeirat, anfragen, ob sich aus der Methode, mit der nun die Akademiker den Unterricht durchführen, Mißstände für die Aus⸗ bildung der Schüler ergeben haben. Ich bin gern bereit, diesem Wunsche zu entsprechen. Es wird sich ja im Laufe des Jahres Ge⸗ legenheit finden, entweder wenn der allgemeine Beirat zusammentritt oder durch Berufung des Fachbeirats, diese Frage zu erörtern, und ich hoffe, dann später auch das Ergebnis zur Kenntnis dieses hohen Hauses bringen zu können.
Was die Frage der Einrichtung weiterer Baugewerksschulen be⸗ trifft, so habe ich selbstverständlich nichts dagegen und würde mich auch dafür interessieren, daß sie nach Maßgabe des Be⸗ dürfnisses vermehrt werden. Es ist aber auch bekannt, daß die Hauptschwierigkeit der Vermehrung darin liegt, daß die Gemeinden nicht den erforderlichen Zuschuß, ohne den auch der Staatszuschuß von der Finanzverwaltnng nicht bereit gestellt werden kann, zu gewähren geneigt sind, und daran liegt es insbesondere auch: einmal, daß die Schulen in Halle und Thorn Rudimente ge⸗ blieben sind, dann aber auch, daß wir hier in den Vororten von Berlin mit der Errichtung einer oder mehrerer neuer Schulen nicht weiter kommen. Es siud Verhandlungen mit den Gemeinden um Berlin eingeleitet worden, aber sie sind immer an der Abneigung der Ge⸗ meinden, ihrerseits dazu Mittel aufzuwenden, gescheitert.
Was die Wünsche des Herrn Vorredners über die Vertiefung oder Verbreiterung des Unterrichts über Eisenbeton und die Kenntnis der Behandlung und der Verhütung des Holzschwammes betrifft, so sind schon in den letzten Jahren nach der Richtung hin die Lehrpläne verbessert worden. Es wird darauf hingewirkt, daß auch diese Kenntnis vermittelt wird.
Die Einnahmen werden bewilligt.
Bei den dauernden Ausgaben, und zwar beim Titel des Ministergehalts, führt
Abg. Malkewitz (kons.) aus: Der Minister Delbrück hat sich im Laufe seiner Amtstätigkeit um das Handwerk große Verdienste erworben; ich erinnere nur an den Schutz des Baugewerbes, an den kleinen Befähigungsnachweis, an die Sicherung der Bau⸗ forderungen und an die Verschärfung der Bestimmungen gegen den unlauteren Wettbewerb. An dem Zustandekommen dieser Rei sgesetze hat der preußische Handelsminister hervorragenden Anteil gehabt. Ein neuer Minister für und Gewerbe ist jetzt nicht so selten wie früher, ich bin seit zehn Jahren im Hause und erlebe den vierten Minister für Handel und Gewerbe. Ich weiß nicht, ob dieser starke Verbrauch von Persönlichkeiten an der Schwierigkeit der Aufgabe liegt; Brefeld, Möller, Delbrück und Sydow folgten einander, aber sie glichen sich nicht. Der eine sah in dem Handel ein dienendes Glied der Gesamtheit und erreichte damit den Widerspruch der Linken, der andere trat für die Warenhäuser ein und fand unseren Widerspruch. Der neue Minister ist noch ein unbeschriebenes Blatt. Die Ver⸗ tretungen des Handels und Gewerbes haben immer liebenswürdiges Entgegenkommen bei sämtlichen Abteilungen des Ministeriums gefunden, ich hoffe, daß das unter dem neuen Minister weiter so gehen wird. Die Periode der wirtschaftlichen Stagnation ist vorbei, das Jahr 1909 bedeutet schon einen Aufschwung, das beweisen die Zahlen der Handelskammern,
des Eisenbahnverkehrs und der Roheisenerzeugung. Die Börse zeigt auch ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Lage. Durch die Börsen⸗ spekulation wurde das Geld für unser Gewerbe verteuert; darin lagen die Schwierigkeiten des Baugewerbes vor zwei Jahren, so daß es den
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Interessen des Wohnungswesens nicht nachkommen konnte. In Handels⸗ kreisen ist mehr und mehr eine objektive Würdigung unserer Wirtschafts⸗ politik und namentlich unseres Agrarschutzes eingetreten. Das beweist mir der Bericht der Berliner Handelskammer, in dem festgestellt wird, daß verschiedene Gewerbe eine kräftige Stütze in dem Absatze in der Landwirtschaft gefunden haben. Die Wichtigkeit des innern Marktes ist hier wiederholt hervorgehoben worden. Der Abg. Dr. Crüger sagte, ich rennte damit offene Tuüren ein; denn den Wert des innern Marktes sehe jeder ein. Aber ich muß auch einmal offene Türen einrennen, wenn die Linke immer an diesen offenen Türen achtlos vorbeigeht. Die gestiegenen Getreidepreise sind übrigens gar nicht in erster Linie so sehr der Landwirtschaft zu gute gekommen, wie der Handelskammer⸗ bericht von Berlin annimmt, sondern vielmehr dem Handel; der Gewinn der Landwirtschaft ist nur minimal gewesen. Ich will jedoch darüber nicht weiter streiten. Wenn zwei sich streiten, freut sich dritte, und der dritte ist immer die Sozialdemokratie. uch der Sozialdemokratie sind aber immer einige zu finden, die unserer Wirtschaftspolitik eine andere Stellung einnehmen als die Gesamtpartei. In den „Sozialistischen Monatsheften“ tritt Arthur Schulz z. B. der Wirtschaftspolitik des Abg. Gothein entgegen. In diesem Artikel heißt es, daß, wenn die bäuerliche Bevölkerung in einem produktionsfreudigen, zur Neuinvestierung von Kapitalien geneigten Zustand erhalten wird, sie an Zahl wächst und die Produktivität i rer Arbeit sich steigert, aber damit wachse auch ihre kaufmännische Nach frage nach gewerblichen Erzeugnissen, damit der Beschäftigungsgrad der Industrie und damit die Zahl der in ihr tätigen Arbeiter und deren Chance, durch die Mittel des gewerkschaftluhen Kampfes ihr Lohneinkommen zu erhöhen. Das ist eine äußerst interessante Fest⸗ stellung aus sozialdemokratischen Kreisen heraus. Bei der Be⸗ sprechung der Frage der Arbeitslosigkeit ist von allen Parteien an erkannt worden, daß die Regierung alles tun müsse, was sie zur Beseitigung der Arbeitsnot tun könne. Zu dieser Zeit sprach der