(Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Beratung des Entwurfs eines Reichsbesteuerungsg. esetzes.
Nach den Abgg. Dr. B runstermann (Rp.) und Gröber vorgestrigen Nummer des ergreift das
Krentr), deren Reden in der lattes im Auszuge mitgeteilt worden sind,
Wort der
Sttaatssekretär des Reichsschatzemts Wermuth:
Mieine Herren! Das schwere Geschütz, das nach der Auffassung des Herrn Abg. Gröber in der Gesetzesvorlage von 1874 enthalten gewesen sein soll, hat er heute gegen uns selbst aufgefahren. Wir sind nicht mehr⸗ besorgt darüber; denn wir haben ein recht gutes Ge⸗ wissen bei dieser Vorlage: wir sind uns bewußt, daß wir die Absicht gehabt. haben, lebhaften Wünschen des Reichstags und aus den ver⸗ schiedensten Kreisen der Bevölkerung entgegenzukommen, und wir haben mit der ganzen Vorlage rein praktische Zwecke verfolgt.
Der erste Zweck war, einer erklecklichen Reihe von Gemeinden, in welchen fabrikmäßige oder fabrikähnliche Reichsbetriebe sich be⸗ finden, namentlich solchen des Heeres und der Marine, einen gesetz⸗ lichen Anspruch auf Zuschüsse des Reichs zu verschaffen. Bisher ist ein Teil dieser Gemeinden immer nur von Jahr zu Jahr durch den Etat sozusagen gnadenweise mit Zuschüssen bedacht worden, und bei einzelnen von ihnen beruht die Zuwendung auf Verträgen, die zeitlich begrenzt sind, die demnächst ablaufen.
Der Entwurf will diesen Gemeinden und einer bedeutenden Zahl mehr — es ist ungefähr das dreifache der Gemeinden, die jetzt bedacht sind — nach festen gleichartigen Grundsätzen Zuschüsse verschaffen, und wir hatten gehofft, daß diese Zuschüsse schon vom 1. April d. J. ab rechtskräftig werden würden. So war früher auch von der Budget⸗ kommission in Aussicht genommen, und es waren die erforderlichen Beträge bereits reserviert worden.
Wenn Sie heute sich nicht in der Nehmerlaune befinden, meine Herren, so müssen wir die bereits herausgeholten Beträge tief⸗ betrübt in die eigene Tasche zurücknehmen. (Heiterkeit und Rufe: na! na!)
Was zweitens Elsaß⸗Lothringen betrifft, so beabsichtigen wir auch da gesetzlich geregelte Zuschüsse eintreten zu lassen, und zwar für die Gemeinden, in denen Stationen, Betriebe oder Werkstätten der Reichseisenbahnen sich befinden. Die Grundsätze hierfür versucht der Entwurf zu regeln. Wie es scheint, ist dem Herrn Abg. Dr. Gröber diese Regelung nicht detailliert genug. Wir waren der Meinung, daß die Art, wie die Regierung die Zuschüsse den Gemeinden überweist, demnächst durch die Gesetzgebung Elsaß⸗Lothringens würde geregelt werden, und wir hatten das für den richtigsten und auch für einen würdigen Weg gehalten. Ueber diese Frage werden wir uns ja noch ohne jeden Rückhalt weiter unterhalten können.
Was aber die Bemessung der Zuschüsse anlangt, so sind wir im allgemeinen von den preußischen Grundsätzen ausgegangen. Da die preußischen Eisenbahnen aber Betriebsüberschüsse auf⸗ zuweisen haben, die Reichseisenbahnen aber nicht, so haben wir über die preußischen Grundsätze wesentlich hinausgehend ein Minimum der Zuwendungen von 200 000 ℳ aufgestellt. Wir glaubten damit den Interessen Elsaß⸗Lothringens wesentlich entgegenzukommen. Nun wird uns — und diese Rechnung haben wir in der Begründung des Entwurfs selbst provoziert, um zu motivieren, weshalb wir über die preußischen Grundsätze hinaus das Minimum von 200 000 ℳ auf⸗ gestellt haben — entgegengebalten, daß Elsaß⸗Lothringen ja auch das eine oder andere durch das Gesetz aufgibt. Meine Herren, den einen Posten, den wir selbst in der Begründung aufgeführt haben, wird man im Sinne Elsaß⸗Lothringens unmöglich von diesen 200 000 ℳ abrechnen können, nämlich die 30 000 ℳ, die ihm durch Fortfall des Oktrois entgehen. Wenn das gegenwärtige Gesetz überhaupt nicht zustande kommt, fällt der Oktroi ja auch fort; diese Folge beruht auf einem ganz anderen Gesetze und kann als ein Nachteil für Elsaß⸗Lothringen, der durch die vorliegende Gesetzgebung herbeigeführt wird, keineswegs in Rechnung gestellt werden. Auch bei den Staatssteuern sind derartige
kleine Verschiebungen, wie sie in Elsaß⸗Lothringen nach dem Entwurf eintreten sollen, auch bei vielen Bundesstaaten zu erwarten. Eine Anzahl von Bundesstaaten wird dadurch, daß wir die Grundsätze jetzt etwas schärfer ausprägen, kleine Beträge an die Reichskasse zurück⸗ geben müssen, dafür kommen ihnen andere Beträge wieder zugute. Ich komme auch darauf noch näher zurück. Wenn ich also den Grund⸗ satz des § 6 für sich nehme, so darf ich sagen: die Zuwendung, die Elsaß⸗Lothringen gemacht ist, beläuft sich tatsächlich auf einen Betrag von 200 000 ℳ, und man wird dagegen eine Gegenrechnung nicht aufstellen können. Auch nicht aus den Besorgnissen, die in Metz ge⸗ herrscht haben; denn ich bin in der Lage, dem Herrn Abg. Gröber folgendes zu bestätigen. Es ist nicht beabsichtigt, die Kasinos und die Kantinen unter Steuerfreiheit zu bringen, weil sie nicht zu Lasten der Reichskasse betrieben werden, sondern für Privatrechnung der Offiziere und Mannschaften. Wir meinen, daß das aus dem Gesetz unzweideutig hervorgeht, da im § 3 das Reich ausdrücklich erwähnt ist, und wenn es in der Begründung zu § 4 heißt: Als Folge der Befreiung des Reichsfiskus von Verkaufsangaben ergibt sich die Befreiung der Militärspeiseeinrichtungen und ähnlicher Anstalten, welche von den Truppenteilen betrieben werden, — so er⸗ läutere ich dies dahin, daß es zweifelsfrei heißen muß: von den Truppenteilen zu Lasten der Reichskasse betrieben werden. Dies geht auch schon daraus hervor, daß auf die Reichskasse im zweiten Satze dieser Begründung ganz deutlich hingewiesen wird. Da noch ein weiterer Zweifel aufgetaucht ist, unterlasse ich nicht, ausdrücklich zu konstatieren, daß diese Darlegung sich nicht nur auf Speiseanstalten, Kasernen usw., sondern selbstverständlich sich auch auf Konsumvereine der Offiziere und Beamten bezieht.
Meine Herren, wenn Sie alles zusammenrechnen, so will also der Entwurf nicht nehmen, sondern geben, und er will das tun auf rein praktischem Wege. Um diese seine Absicht auszuführen, ist er genötigt, eine Reihe von Grundsätzen von vorneherein auszusprechen; er will also auf diese Grundsätze die Zuwendungen der §§ 5 und 6 aufbauen. Abgesehen davon ist es immerhin ganz erwünscht, endlich einmal einen Teil der Zweifelsfragen zu losen, die, wie der Herr Abg. Gröber selbst schon gesagt hat, eine Reihe von Gerichtshöfen in ver⸗ schiedenartiger Weise gelöst haben. Wir wollten damit aber nicht zuweit gehen. Es ist uns in der Presse der Vorwurf gemacht worden, wir hätten den ersten Teil des Gesetzentwurfs nicht gründlich genug behandelt, darin hätten viel mehr Zweifel entschieden werden müssen. Meine Herren,
₰
das hätte einmal eine gründliche und herrliche Erörterung geben
können, wenn wir alle die staatsrechtlichen Fragen angeschnitten hätten, die sich auf diesem Gebiete erheben lassen. Im allgemeinen, glaube ich, sind wir bisher in der Praxis ohne diese Erörterungen viel besser durchgekommen.
Gleichwohl muß ich auf die Erklärungen des Herrn Abg. Gröber, die von weittragender grundsätzlicher Bedeutung waren, ein paar Worte sagen. Wir halten allerdings die Behauptung aufrecht, daß, wie es in der Begründung auf Seite 4 und Seite 7 heißt, dem Reiche, welches die Gesamtheit der Bundesstaaten zur deutschen Einheit zusammenfaßt, zufolge dieser staatsrechtlichen Stellung durch die Gesetz⸗ gebung eines Bundesstaats ohne seine Einwilligung Verpflichtungen nicht auferlegt werden können. Auf Seite 7 ist das noch weiter ergänzt und gesagt worden, daß die Belastung des Reichs sich nicht mit seiner Stellung als des den einzelnen Teilen nicht untergeordneten Gesamt⸗ organismus vereinigen lassen. Nun möchte ich doch den Herrn Abg. Gröber bitten, mir zu sagen, wieso er daraus schließen kann, daß wir die Bundesstaaten als einen dem Reich untergeordneten Organismus, ja sogar als eine Provinz des Reiches betrachten. Wo steht denn das geschrieben? (Zwischenruf.) Nein, wir sagen das nicht nur nicht, sondern wir sind weit entfernt, das zu glauben. So weit sind wir vom Geist der Reichsverfassung durchdrungen, daß wir gar nicht nötig haben, irgendwie Verstecken zu spielen, und ich glaube nicht, daß Sie auf irgend einem Gebiet uns werden den Vorwurf machen können, daß wir so fundamentale Grundsätze der Reichsverfassung mißkannt hätten. Aber den praktischen Gegengrund, den der Herr Abg. Gröber etwas ins Komische zog, muß ich trotzdem meinerseits anführen. Zweifellos wäre eine Beeinträchtigung der gleich⸗ mäßigen Bemessung der Matrikularbeiträge die Folge des Rechts der Bundesstaaten und noch mehr das Recht der Gemeinden, Steuern vom Reich zu erheben. Ich muß sagen, daß eigent⸗ lich auch der Reichstag doch recht viel Veranlassung hätte, sich dieser Seite der Frage etwas zu widmen. Sie sind doch selbst immer von der grundsätzlichen Idee ausgegangen, daß die Bemessung der Matrikularbeiträge, und zwar unter Mitwirkung des Reichstags, ein wichtiger Bestandteil der gesamten Etatsfeststellung sei. Nun würden darin schon grundsätzliche Abweichungen, auch wenn sie von kleiner praktischen Bedeutung sind, doch recht empfindlich gegenüber diesem von Ihnen festgehaltenen Prinzip wirken können. Aber so un⸗ bedeutend sind die Beträge auch gar nicht einmal; es handelt sich in Elsaß⸗Lothringen beispielsweise, wo auf Grund der französischen Ver⸗ waltungspraxis die Staatssteuern tatsächlich vom Reich weiter erhoben werden, um 100 000 ℳ; bei anderen Bundesstaaten könnten also wesentlich höhere Beträge erhoben werden. Wenn wir den Grundsatz aufgeben, so würde damit von selbst eine ganz erhebliche Buntscheckig⸗ keit eintreten, und wenn man die Gemeinden hinzurechnet, kann die Sache sehr ins Große gehen. Festzuhalten an unserem Prinzip haben wir danach allerdings starke Veranlassung. Es ist nicht an dem, daß wir in der Lage wären, dieses Prinzip einfach aufzugeben und uns auf uferlose Möglichkeiten einzulassen. Es ist mir inter⸗ essant gewesen, daß zur Abwehr solcher Möglichkeiten der Herr Abg. Dr. Gröber den Reichsadler doch wieder auf⸗ flattern ließ, denn er sagte, wenn solche Sachen einträten, könnte ja die Reichsgesetzgebung helfen. Ja wenn die Reichsgesetzgebung von vorneherein nicht zuständig ist, wenn diese Frage nicht nach dem von mir vertretenen Prinzip gelöst werden darf, so weiß ich nicht, wie man solchen Mißbräuchen soll beikommen können. Auch praktisch würde das namentlich der Gemeindegesetzgebung gegenüber ganz ungemein schwierig sein.
Es ist hiernach ein nicht unerhebliches praktisches Bedürfnis vor⸗ handen, die Verwirrung, die augenblicklich besteht, in gewisser Weise zu beseitigen. Wir sind zwar immer in der Lage, eine praktische Be⸗ seitigung der uns etwa drohenden Nachteile dadurch herbeizuführen, daß wir an dem Grundsatze festhalten, gegen das Reich gibt es keine Exekution. Aber wir halten es doch nicht für unwichtig, daß die Gelegenheit benutzt wird, um Grundsätze festzulegen, die nach unserer Auffassung theoretisch unanfechtbar und prakisch insofern bedeutungs⸗ voll sind, als man dadurch vermeidet, daß etwa im Laufe der weiteren Entwicklung sich juristische Schwierigkeiten und Spitzfindigkeiten ent⸗ wickeln könnten, die uns später über den Kopf wachsen würden. Diese Grundsätze sind keineswegs im Gegensatz zur gegenwärtigen Entwicklung zugunsten des Reichs ausgedacht. Ich erlaubte mir, schon darauf hinzudeuten: wenn hier und da bei Staat oder Gemeinde An⸗ forderungen, die auf Grund von Irrtümern oder irrtümlichen Aus⸗ legungen zurzeit vom Reich bezahlt sind, künftig hinwegfallen, so gibt das Reich doch auf Grund nicht nur der §§ 5 und 6, sondern auch der vorhergehenden Paragraphen, namentlich des § 3, wiederum den Gemeinden neue Zuwendungen, so z. B. die Grundstücksumsatzsteuer, die nach unseren Berechnungen, was Sie vielleicht interessiert, sich auf reichlich 90 000 ℳ im Jahre belaufen wird.
Das sind die Bemerkungen, die ich gegenüber dem Herrn Abg. Dr. Gröber zu machen hätte. Zum Schlusse möchte ich bezweifeln, ob Sie im allgemeinen der Bezeichnung des Herrn Abg. Dr. Gröber zustimmen, welcher meinte, das reiche Reich sei leicht in der Lage, den armen Gemeinden zu helfen. Ich will nicht gerade sagen, daß das römische Reich lieber römisch Arm heißen sollte; aber daß wir uns nach unserer Finanzlage auch bei dieser Gelegenheit Be⸗ schränkungen auferlegen müssen, wird wohl auch Ihrem Einverständnis begegnen. (Bravo!)
Abg. Ahlhorn (fortsch. Volksp.): Ich freue mich, daß der Abg. Gröber
der Vorlage wohlwollend gegenübersteht, bedaure aber sehr, daß er die Erledigung bis zum Herbst verschieben will. Wenn er, wie ich, in einer durch die Reichsbetriebe so überlasteten Gemeinde wohnte würde er darüber anders denken. Die Gemeinden, in deren Berei solche Reichsbetriebe liegen, sind zum Teil geradezu in eine Notlage gekommen; ihre Einkommensteuer hat eine unerschwingliche Hobe erreicht, und diese Ueberlastung trat ohne irgend welches Verschulden der Gemeinden selber ein. 300, 400, 500, ja 600 % Gemeindesteuern waren nichts Seltenes. Nees und Bundesrat haben schließlich die Notlage anerkannt und Beihilfen zur Abwehr des schlimmsten Notstandes gewährt. Diese Beihilfen aber trugen mehr den Charakter einer Armenunterstützung oder eines Almosens, und die Verteilung entbehrte durchaus der Gerechtigkeit; auch konnten die Ge⸗ meinden mit der ständigen Zuwendung von Beihilfen nicht rechnen. Der Entwurf will endlich diese unhaltbaren Zustände beseitigen und ausgleichende Gerechtigkeit schaffen. Wir erkennen an, daß diese Ziele im großen ganzen durch die vSs; erreicht werden. Eine gute Nebenwirkung wird die Wiederherstellung von Gleichmäßigkeit und Sicherheit in den Gemeindefinanzen sein. Eine Reihe von Bedenken besteht, die eine Kommissionsberatung unumgänglich machen. Die Befreiung der Nebenbetriebe der Heeresverwaltung von der Besteuerung würde eine Ungerechtigkeit sein; ich habe schon neulich
““
auf den schwunghaften Handel hin diiesen⸗ der in Wilhe mshaven zum Schaden des anständigen Mittelstandes von einem solchen Nebenbetriebe der Marineverwaltung getrieben wird. Steuerfrei sind heute die Einjährigen, die Deckoffiziere, die Maschinisten und andere Kategorien von Millitärpersonen; sie haben aber teil an allen Einrichtungen der Gemeinden und sind zum Teil verheiratet; es würde also auch auf diese Verhältnisse bei der Entschädigung der Gemeinden Rücksicht zu nehmen sein. Die Garnisonstädte an der Grenze Nüßten eine andere Berücksichtigung. finden als der Entwurf vorsieht. Dafür wird in der Kommission zu sorgen sein. Ich meine im Gegensatz zu den Motiven, daß den elsaß⸗ lorhringis en Gemeinden ein Anrecht auf eine mindestens ebenso große Fürsorge durch das Reich zusteht als den preußischen Gemeinden durch die preußische Regierung. Die Worte der Begründung, die das Gegenteil behaupten, sind wohl nicht so böse gemeint, sondern. auf eine Entgleisung zurückzuführen, wie sie auf der Regierung passieren kann. Ich bitte, den Entwurf möglichst ras zu erledigen, namentlich g. die notleidenden Gemeinden aus ihrer unsicheren Lage heraus⸗ zubringen. — Se zubrigcen. Dr. Heinze (nl.):, Meine Partei trägt keine tatsächlichen Bedenken derart, wie sie der Abg. Gröber geäußert hat. Wir stimmen durchaus dem in der Begründung festgelegten Satze zu, daß. das Reich, welches die Gesamtheit der Bundesstaaten zur politischen Einheit zusammenfaßt, vermöge dieser seiner staatsrechtlichen Stellung von den einzelnen Bundesstaaten ohne seine Einwilligung nicht zu Ver⸗ pflichtungen herangezogen werden kann. Ich sehe nicht ein, wieso dieses zweifelhaft sein könnte, aber es ist zu begrüßen, wenn es noch ausdrücklich durch Gesetz festgelegt wird. Wir betonen jederzeit die Einheitlichkeit und die Ueberordnung des Reiches über die Bundes⸗ staaten. Es geht nicht an, daß das Reich der Steuergewalt der Einzelstaaten und Kommunen willkürlich unterworfen sein soll. Im einzelnen haben wir selbstverständlich gewisse Bedenken, die zum Teil durch die Erklärungen des Staatssekretärs heute beseitigt sind, zum anderen Teil in der Kommission zu besprechen sein werden.
Abg. Emmel (Soz.): Wir sind damit einverstanden, daß durch
ein Reichsgesetz die Reichssteuerpflicht geregelt wird, glauben aber nicht, daß der Entwurf diese Regelung in wünschenswerter Weise vornimmt. Mit den Ausführungen des Abg. Gröber, die einen stark partikula⸗ ristischen Zug hatten, bin ich nicht einverstanden. Wenn auch die Steuerpflicht des Reiches für dier Gemeinden gegeben sein muß, so muß der Rahmen, in dem sich diese Steuerpflicht bewegt, doch vom Reiche selbst festgelegt werden. Anderseits darf dieser Rahmen nicht so eng gezogen werden, daß dadurch eine Entlastung des Reiches Platz greifen würde. Die Reichssteuerpflicht darf auch nicht schematisch ge⸗ regelt werden, sondern unter Rücksichtnahme auf die Verteilung der Reichsbetriebe innerhalb des Reichsgebietes. Die Reichseisenbahnen sollen fast steuerfrei bleiben, der Zuschuß von 200 000 ℳ entspricht in keiner Weise der eigentlich gegebenen Steuerpflicht des Reiches. Daß die Reichseisenbahnen nicht rentieren, liegt doch daran, daß es sich um strategische Bahnen handelt, die nicht im Landesinteresse Elsaß⸗Loth⸗ ringens betrieben werden. Alle Ausgaben für strategische Bahnen müßten. von vornherein bei der Rentabilitätsberechnung ausgeschaltet werden. Das Reich ist doch der Rechtsnachfolger der französischen Ostbahn⸗ gesellschaft geworden, die selbstverständlich seinerzeit steuerpflichtig
gewesen ist. Verschiedene reichsländische Gemeinden leiden unter den⸗
Armen⸗ und Schullasten durch die Arbeiter der Reichseisenbahnbetriebe ganz erheblich.
Die Straßenbaukosten, die Beleuchtungskosten und alle laufenden Ausgaben
entstehen durch die Reichsbetriebe in ganz derselben Weise wie durch die Privatbetriebe. Oktroi von den Reichseisenbahnen 5000 ℳ, von der Post⸗ und Telegraphenverwaltung 2000 ℳ, von der Heeresverwaltung 17 000 ℳ- Zu diesen 24 000 ℳ kommt noch ein Ausfall von 16 000 ℳ infolge des Fortfalls der Gebäudesteuer. Von der Aufhebung der Kasernierungs⸗ kosten soll man gar nicht reden. Die Juristen sind sich, soweit Juristen überhaupt einig sein können, kosten überhaupt nicht mehr erhoben aus der französischen Zeit herrührende ländischer Gemeinden sei durch die
werden dürften. — Verpflichtung reichs⸗
.
Dieser Erlaß kommt auch nur den wenigen Gemeinden zugute, die höchstens Straßburg,
schon vor 1870 Garnison gehabt haben, höe - Metz und vielleicht noch Colmar. Das ist in die Begründung nur
Mülhausen verliert an.
darüber einig, daß die Kasernierungs⸗ Diese
Reichsverfassung aufgehoben.
aufgenommen, um nach außen den Schein zu erwecken, als wenn man
den Gemeinden entgegenkommen wollte. nicht zu den Gemeindelasten herangezogen werden, aber an allen kommunalen Einrichtungen in vollem Umfange teilnehmen, ist geradezu unverständlich. s stand kann in bisheriger Weise unmöglich
Dieser Zus er fortdauern. Daß die Aufhebung der direkten Steuern nur einen trifft nicht zu, denn in elsaß⸗
bereits bestehenden Zustand bestätige, 1 lothringischen Kommunen werden Gebäudesteuerzuschläge genommen-
Das Reich handelt nicht logisch, wenn die Reichsverwaltung eine Ver⸗
8 „ „ 6 - L.er:. .2 8 2 88
pflichtung zur Fürsorge für die reichsländischen Gemeinden in dem⸗ ie die preußische Regierung ihren Gemeinden zu teil
selben Maße, wie kegien werden läßt, ablehnt; denn man hat Elsaß⸗Lothringen eine selbstandige Verwaltung unmöglich gemacht und 8 bestehen lassen. Wenn der Entwurf bald erledigt werden soll, so ist es nicht zweckmäßig, ihn der
diese noch Aufgaben genug zu erledigen hat.
Abg. Freiherr von Richthofen⸗Damsdorf (dkons.): Ich bin 86 Diese hat das Thema.
mehr für Verweisung an die Budgetkommission. schon oft und gründlich erörtert. Ihre Mitglieder sind damit vertraut, und Spezialkommissionen haben wir ohnehin genug. Die einzelnen Städte denen Beihilfen zugewendet werden, haben ihrer Zahl nach allmählich zugenommen. Ich habe mich nie des Eindrucks erwehren können, daß⸗ bei den Beihilfen die reine Zufälligkeit herrscht. Je nachdem der Wunsch einer Gemeinde geschickter vertreten wird, desto mehr erhält sie. Das ist für mich der wesentliche Grund, weshalb ich von jeher eine solche Vorlage für notwendig gehalten habe. Es können so die sogenannten Notstandsgemeinden na festen Grundsätzen berucksichtigt werden. Ich weiß in der Tat keine bessere Regelung als die vor⸗ geschlagene, wobei ich dahingestellt sein lasse, ob jede einzelne Be⸗ stimmung das Richtige trifft. Wir müssen in der Kommission genau feststellen und prüfen, wie sich die Sache für die einzelnen Stadte nach dem Entwurf praktisch gestaltet. Es besteht immer noch die Frage, ob die sogenannten Notstandsgemeinden nicht vermehrt werden vüssen. An dem Grundsatz, daß die Hoheit des Reiches das oberste Prinzip sein muß, halten wir, trotzdem dieser Standpunkt angefochten ist, fest. Dann aber ist gerade der Vorzug der gegenwartigen Gemeinde, daß sie selbst angibt, in welchem Umfange das Reich in der Lage ist, seine Zustimmung zu seiner Besteuerung zu geben. Die besondere Lage Elsaß⸗Lothringens bietet so außerordentliche Schwierigkeiten, daß man beim ersten Anblick auf den Gedanken kommen könnte, Elsaß⸗Lothringen von dem Gesetz auszunehmen. Man ist ihm gegenüber vielleicht viel zu konservativ gewesen, man hätte vielleicht mit den französischen Institutionen schneller aufräumen und deutsche Rechtsauffassungen einführen können. Auch könnte man vielleicht auf einem Umwege erreichen, daß den reichsländischen Kom⸗ munen dieselbe Fürsorge zuteil wird, wie den preußischen nach dem preußischen Kommunalabgabengesetz hinsichtlich der Eisenbahnen. Besonders wird zu prüfen sein, ob die Befreiung der Militärspeise⸗ anstalten in dem beabsichtigten Maße zugelassen werden kann. Wir stimmen also grundsätzlich der Vorlage zu und werden uns bemühen, zu ihrer möglichst baldigen Verabschiedung beizutragen. 8 Abg. Dr. Vonderscheer (Els., Zentr.): Der Gesetzentwurf sieht sehr einfach aus, bietet aber eine Fülle von Schwierigkeiten, die sehr gründlicher Kommissionsprüfung bedürfen. Ich kann meinerseits nur mit dem Abg. Ahlhorn wünschen, daß die Vorlage möglichst bald ver⸗ abschiedet wird. Es wäre auch zu erwägen, ob Elsaß⸗Lothringen nicht zweckmäßig aus der Vorlage ausgeschieden und die Frage für die Reichslande selbstandig geordnet werden sollte, denn es nimmt durchaus eine Sonderstellung ein. Die Kritik des Abg. Heinze an den Ausführungen des Abg. Gröber in dieser Beziehung war durchaus hinfällig, denn nach dem weiter bestehenden französischen Recht war der Reichsfiskus auch nach der Entscheidung des Kaiserlichen Rates zur Zahlung der Gebäudesteuer verpflichtet, und
er /hat sie bis zur Stunde bezahlt. Das soll nun nach § 2 anders
Wie hochgestellte Offiziere
eine Abhängigkeit vom Reiche
Budgetkommission zu überweisen, da
ie ufreg ng, die in Elsaß⸗Lothringen aufgetreten ist, hätte das Reich dazu ühren sollen, den Gemeinden dieselbe Für⸗ sorge zuteil werden zu lassen, wie Preußen seinen Gemeinden. Wir sind doch ein Reichsland, eine Reichsprovinz. Zurzeit erhält Elsaß⸗ Lothringen rund 100 000 ℳ Staatssteuern vom Reich, die es mit dem Zustandekommen dieser Vorlage einbüßt. Dieser Ausfall muß doch dem Landesfiskus in irgend einer Art ersetzt werden. Elsaß⸗ Lothringen hat sar keinen Anteil an dem wirtschaftlichen Ergebnis der Reichseisenbahnen, aber es hat im ganzen etwa 35 Millionen Zuschüsse zu Eisenbahnbauten aufwenden müssen; auch dieser Umstand muß mit berücksichtigt werden. Wenn hier also schon das Reichsland als Staat stark in Mitleidenschaft gezogen ist, so noch viel mehr die Gemeinden. Einzelne Staaten haben Einkommensteuern für die Gemeinden eingeführt und haben es auch durchgesetzt, daß das Reich diese Steuern mit zu tragen hat. Wird die Vorlage Gesetz, so entfällt diese Gemeindeabgabe, und der Staat muß seine Gesetzgebung ändern. Die Bestimmung in § 4, wonach die Verpflichtung Ler oktroiberech⸗ tigten Gemeinden zur Zahlung von Kasernierungskostenbeiträgen auf⸗ ehoben werden soll, hat rechtlich und tatsächlich, wie schon der Abg. Emmel nachgewiesen hat, seit Jahren gar keinen Wert mehr; Straß⸗ burg und Metz haben sogar mit Erfolg die Zahlung dieser Beiträge verweigert, ohne daß es dieserhalb zum Prozeß gekommen wäre. Am schlimmsten stehen natürlich die Gemeinden da, die sich bisher mit den mit Recht mißliebigen Oktrois begnügen mußten, weil ihnen neue Steuerquellen nicht zugänglich gemacht worden sind, die bezügliche längft
werden.
versprochene Gesetzgebung in dieser Richtung immer noch aussteht. Mit dem
1. April 1910 ist nun für eine ganze Reihe bisher oktroi⸗ pflichtiger Gegenstände
1 das Recht der Kommunen, diese Oktrois zu erheben, fortgefallen; damit entsteht für Straßburg ein Ausfall von 1 ½ Millionen. Die Folge ist, daß die Ge⸗ meinden andere, zum Teil mit Recht verhaßte Oktrois haben einführen müssen, denen dann wieder zum Teil die Genehmigung versagt wird. Die Regierung trägt für alle diese Mißstände die Verantwortung. § 6 will den elsaß⸗lothringischen Gemeinden, in deren Bereich sich eine Station oder Werkstätte befindet, aus den Eisenbahnüberschüssen jährlich eine Summe von mindestens 200 000 ℳ überweisen. Die Summe ist ganz entschieden zu gering, und die Ver⸗ teilung durch die Landesverwaltung, also das Ministerium für Elsaß⸗ Lothringen, liefert die beteiligten Gemeinden einfach der Willkür der⸗ selben aus. Ich kann nur wünschen, daß die Interessen der Reichslande bei der weiteren Beratung wirksam wahrgenommen werden.
Abg. Dr. Neumann⸗Hofer (fortschr. Volksp.): Die Aus⸗ führungen des Abg. Gröber waren zum Teil sehr partikularistisch ange⸗ haucht. Aber auch ich glaube, die Beobachtung gemacht zu haben, da die berechtigten Interessen der Einzelstaaten hicr im Reichstage 8 immer etwas zu kurz kommen. Das liegt wohl teilweise an einer gewissen Animosität gegen Preußen, die immer wieder zum Durchbruch kommt. Wenn es in der Begründung heißt, das Reich habe nicht die Ver⸗ pflichtung, den elsaß⸗lothringischen Gemeinden dieselbe Fürsorge zu erweisen, wie etwa Preußen den seinigen, so ist das eine Entgleisung. Was soll man aber dazu sagen, ist es etwa bundesbrüderliche Gesinnung, wenn die preußische Eisenbahnverwaltung, deren Bahnhöfe in Preußen kommunale Steuern zahlen müssen, bei Bahnen, die über das preußische Staatsgebiet hinaus in ein anderes deutsches Staatsgebiet bineingehen, konsequent den nes9 betätigt, daß solche Bahnen nicht gebaut werden, wenn nicht die Bahnhöfe von der kommunalen Steuer befreit werden? Vielleicht ist es angängig, daß die Kommission prüft, ob nicht einem solchen, fast gegen die guten Sitten verstoßenden Verfahren etg. werden sollte.
kachdem noch der Abg. Dr. Becker⸗Cöln (Zentr.) darauf hin⸗ gewiesen, daß der Militärfiskus auf dem Exerzierplatz Wahn in großem Umfange Forstwirtschaft betreibt, ohne Gemeindesteuern zu zahlen, und gebeten hat, den Gemeinden im Kreise Siegburg, die bisher Zuschüsse erhalten hätten, diese zu belassen, geht der Entwurf an die Budgetkommission.
Es folgt die erste Lesung der Vorlage, betreffend die Aufstandsausgaben für Südwestafrika.
Abg. Erzberger (Zentr.): Es ist nicht sehr angenehm, vor einem so schwach besetzten Hause über ein so tiefgreifendes Gesetz sprechen zu müssen. Der vorliegende Gesetzentwurf verlangt eine Entbindung von den bestehenden Kontrollvorschriften und eine nachträgliche Genehmigung zu Ausgaben in Höhe von 23,7 Millionen Mark. Der frühere Major v. Lindequist sagte einmal, daß, wenn man alle Rech⸗ nungen ordnungsmäßig peüfen wollte, man bis 1927 arbeiten müßte, das würde 20 — 30 Millionen kosten. Die Kommission hat gesagt, man könnte die Kontrolle vereinfachen und damit Kosten sparen. Der Entwurf genf nun hierin etwas sehr weit. Dagegen, daß die in § 1 au geführten auf die Rechnungsjahre 1903 bis 1907 bewilligten Fonds sich gegenseitig decken sollen und übertragbar sein sollen, habe i ichts, auch dagegen nicht, daß die Prüfung der Kontrolle des Rechnungshofes, soweit es sich nicht um Ausgaben handelt, die in der Heimat geleistet worden sind, auf Stichproben beschränkt werden soll. Diese müssen sich aber be⸗ schränken auf Taterialausgaben. Die Verwaltung muß uns aber sagen, bis zu welchem Zeitpunkte ungefähr die vereinfachte Abrechnung fertig sein wird; hoffentlich wird dies in diesem Jahre der Fall sein. Erhebliche Bedenken haben wir aber gegen § 4, der lautet: Eine Prüfung und Kontrolle der Verwendung der aus Anlaß des Aufstandes in das Schutzgebiet gelangten oder dort beschafften Gegenstände ein⸗ schließlich der Tiere findet nur insoweit statt, als besondere Ver⸗ hältnisse dazu Anlaß geben. Gewiß ist eine Kontrolle über die Materialbeschaffung und Verwendung sehr schwierig; es ist da sehr viel gestohlen worden. Wir mussen aber fordern, daß über die Verwendung der Materialien, die im Heimatlande, in Kapstadt und in Argentinien beschafft worden sind, ausreichende Auskunft gegeben wird. Es wäre ein Bankrott der ganzen Staatsverwaltung, wenn sie dies nicht kontrollieren köonnte. Der Staatssekretär hat uns neulich gesagt, er habe noch für 500 000 ℳ Socken und Unterhosen; was hat er damit gemacht? Unsere Soldaten können ja solche Hosen brauchen. Hinter dem Scherz des Staatssekretäre steht doch der blutige Ernst; wir sehen wie da ins Blaue hinein angeschafft worden ist. Es sind in einer Woche 3 Depeschen aus Südwestafrika hierher gelangt, die jedesmal für 200 000 ℳ ganz dasselbe verlangten. Der Lieferant sagte darauf, es ist doch unmöglich, daß das stimmen kann. Die Bureaukraten sagten ihm: Es ist ganz ausgeschlossen, daß eine Behörde sich irrt. Wir verlangen also eine scharfe Kontrolle über die Gegenstände aus der Heimat, aus Kapstadt und Argentinien bis zum Ablieferungsort. Die Erfahrungen, die wir mit der Firma Woermann gemacht haben, die einen nam⸗ haften Betrag zurückzahlen mußte, sollten uns in diesem Ver⸗ langen bestärken. Die Begründung gibt mir in diesem Punkte recht. Der Satz der Begründung sollte aber in das Gesetz selbst aufgenommen werden, wonach gepruft werden soll, ob die betreffenden Gegenstände zuch in den Besitz der Truppen gelangt sind. Ich beantrage, die Ferlag. der Budgetkommi sion zu uberweisen. 85 ermächtigt den Reichskangler, zur Deckung der Mehrausgaben bei den durch die Ftats aus Anlaß des Eingeborenenaufstandes bewilligten Fonds v.nge ℳ im Wege des Kredits flüssig zu machen. Ist die eegegh vorhanden, daß diese Summe nicht überschritten wird; 5 die Kolonialverwaltung dafür eine sichere Unterlage? Ich v diese Froge hier oder in der Kommission zu beantworten.
der Reichskanzler hat also 23,7 Millionen mehr ausgegeben. Als * s. Z einen Abstrich von 9 Millionen für Sudwestafrika wünschten, Hat mon Zeter und Mordio geschrieen. Graf Posadowsky hat mit Recht gesagt, daß es sich hierbei 1906 nicht um eine Frage der nationalen Verteidigung handelte. Wegen 9 Millionen A. man den Ritchstag aufgelöst, aber sch nicht gescheut, 23,7 Millionen auszugeven, obne darüber dem Keichstage auch nur ein terbvenswörtchen zu sagen. Aber diese Dinge gehören der Ver⸗ gangenheit an. Soviel ich 19⸗g sind mit diesen 23,7 Millionen für Hunoths ht im ganzen 405 Millionen ausgegeben worden. Es ist och sonderbar, daß hier eine Ausgabe verlangt wird, ohne daß eine 1 eckung vorgeschlagen wird. Der Kredit ist keine Deckung, sondern ein Schuldenmachen. Es gehört ein § 6 in den Entwurf, der die
8
Einnahme nthält. Wir haben uns in der Budgetkommission den Kopf zu zerbrechen, woher die Einnahmen kommen sollen. Ich meine, diejenigen Leute sollen zu den Kriegslasten beitragen, die den Vorteil davon gehabt haben. Es gibt solche Leute, nur sind sie schwer zu erreichen. Ich meine die großen kapitalkräftigen Gesellschaften in Südwestafrika. Ich möchte noch darauf hinweisen, daß wir 4 Millionen an Pensionen für Südwestafrika zu zahlen haben. Die interessierten Gesellschaften müßten mindestens 5—10 % der Ausgaben, d. h. 20 — 40 Millionen tragen. Das wäre nicht mehr als billig, und die Interessenten sollten sich nicht erst lange dagegen sträuben. Die Gesellschaften sind durch den Krieg zu Süber innahmen und Wohlstand Von dem Aufstandsjahr an bis zum Schluß des Aufstandes haben die Gesellschaften 25 — 50 % Dividende gezahlt. Der Diamantenvertrag wirft der Deutschen Kolonialgesellschaft Millionen in den Schoß. Der Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg, der jetzige Regent von Braunschweig, ist es selber gewesen, der uns auf diesem Gebiete den S hat. Die Budgetkommission hat die Aufgabe, diese Bestimmung in das Gesetz hineinzuarbeiten, erst dann kann das Gesetz wirklich marschieren. Eine zweite Aufgabe der Kommission wird sein, zu prüfen, pb nicht eine gesetzliche Re elung der Hoheits⸗ rechte in Südwestafrika am Platze ist. In Ostafrika und Neu⸗ guinea haben wir von den betreffenden Gesellschaften die Hoheitsrechte abgekauft. Eine gleiche Auseinandersetzung müßte auch mit der Deutschen Kolonialgesellschaft angestrebt werden. Ich denke dabei keineswegs an Expropriation, wohlerworbene Rechte wollen wir nicht antasten. Jedenfalls müssen wir dort reinen Tisch machen, am besten durch eine gesetzliche Regelung. Wir stehen also dem Entwurf sympathisch gegenüber, wir wünschen eine vereinfachte Rechnungslegung, wollen uns aber auch bemühen, für eine zweckent⸗ sprechende Deckung der 23,7 Millionen Sorge zu tragen, und Zustände schaffen, an denen die Kolonien und das Deutsche Reich Freude haben, damit die gebrachten Opfer nicht vergebens gebracht sind.
„Abg. Dr. Görcke (nl.): Das Prinzip dieses Gesetzentwurfs be⸗ züglich der Rechnungslegung billigen wir. Der Abg. Noske hat im vorigen Jahre gesagt, daß erhebliche Ueberhebungen und Mehrforde⸗ rungen vorgekommen sind, und daß Beträge in die Taschen von Leuten geflossen seien, denen sie nicht gehören. Ueberhebungen lassen sich nicht vermeiden. Sie beruhen auch nicht immer auf betrügerischen Manipulationen, sondern darauf, daß die Betreffenden sich über ihre Rechtsansprüche nicht ganz klar waren. Es sind Summen gezahlt worden für Leute, die 6 in Südwestafrika gefallen waren, usw. Es ist doch sehr fraglich, ob man diese Summen wieder zurückfordern darf. Die Rechnungskommission wird selbstverständlich nicht über diese Dinge hinweggehen, ohne genügend Aufschlüsse bekommen zu haben. Man könnte zweifeln, ob man nicht mit der Bewilligung der 23,7 Millionen warten sollte, bis wirklich eine endgültige Abrechnung vorliegt. Aber wir haben durch Nachtragsetat für 1909 520 Mil⸗ lionen Anleihen bewilligt und endlich eine klare Uebersicht über die Reichsfinanzen geschaffen, insofern als endlich mit den rück⸗ ständigen Matrikularbeiträgen, all den Fehlbeträgen usw. auf⸗ geräumt worden ist. Da wäre es wünschenswert, wenn auch diese Summe irgendwie untergebracht wird, damit sie nicht immerfort verrechnet werden muß. Wenn wirklich noch größere Summen nach⸗ ezahlt werden müßten, so werden wir diese natürlich zu bewilligen
aben, aber ich glaube es nicht, deswegen nicht, weil die Ab⸗ rechnung schon fortwährend im Gange ist, und wir annehmen können, daß die Rechnung bald endgültig abgeschlossen wird. Der Gedanke, daß diejenigen zahlen sollen, zu deren Gunsten, nicht allein, aber doch in nennenswertem Maßstabe, dieser ganze Feldzug geführt worden ist, ist natürlich nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Es ist doch sehr fraglich, ob die Kolonialgesellschaften, wenn wir die Kolonie nicht nach diesem langjährigen Feldzug gehalten hätten, im Lande den⸗ jenigen 1e. hätten ziehen können, den sie jetzt haben. Aber ich kann in diesem Punkte nur für meine Person sprechen. Es ist nicht angängig, die Privilegienwirtschaft, die wir auch schon auf vielen anderen Gebieten als recht ungesund empfunden haben, weiter aus⸗ zudehnen oder da, wo sie einmal eingerissen ist, bestehen zu lassen, wenn es nicht dringend notwendig ist. Wir sind wohl in der Lage, angesichts der Entwicklung gerade in Südwestafrika in den letzten Monaten jetzt etwas Gutes zu schaffen, das für die Jahrhunderte nachher uns ganz entschieden gedankt wird. Ich bitte, den Entwurf der Budgetkommission zu überweisen.
Staatssekretär des Reichskolonialamts Dernburg:
Meine Herren! Dieser Gesetzentwurf ist, wie der erste Herr Vorredner ausgeführt hat, das Resultat von Ueberlegungen, die in der Budgetkommission stattgefunden haben, und er ist ja Ihnen im vorigen Jahre bereits präsentiert worden, wo ich dem hohen Hause schon die Mitteilung gemacht habe, daß mit Rücksicht auf die allgemeine Ueber⸗ einstimmung, die hinsichtlich der Tendenz dieses Gesetzentwurfs bestand, nach diesem Gesetzentwurf oder parallel mit ihm vorgegangen worden ist. Es ist ja auch in den letzten Jahren für die Abrechnung kein Geld mehr anverlangt worden. Vor zwei Jahren haben wir 120 000 ℳ anverlangt und sind bis jetzt damit ausgekommen.
Ich beantworte demnach auch die Frage des Herrn Abg. Erzberger dahin, daß ich der Ueberzeugung bin, daß noch innerhalb des laufenden Etatsjahres die Rechnung festgestellt werden kann, für den Fall, daß der Entwurf jetzt die Verabschiedung erfährt.
Fernerhin möchte ich glauben, daß, soweit die Rechnungen jetzt vorgelegt sind — und Sie können sich ja denken, daß der allgemeine Ueberblick inzwischen erreicht worden ist —, es sich jetzt im wesentlichen darum handelt, sozusagen, die Ecken auszufegen, d. h. diejenigen Sachen, die unklar geblieben sind, nunmehr genau und eingehend zu untersuchen, und daß man mit den 23,7 Millionen Mark aus⸗ kommen wird.
Schon der Staatssekretär des Reichsschatzamts Freiherr von Stengel hatte Ihnen seinerzeit hier mitgeteilt, daß man die Kosten des Krieges nicht genau werde übersehen können, und daß man mit einer Nachforderung würde kommen müssen. Die Herren werden sich vielleicht entsinnen, daß noch im vorigen Jahre der Reichstag die Summe auf ungefähr 40 Millioonen geschätzt hat. Inzwischen ist man auf 30 Millionen heruntergegangen. Es ist der Verwaltung gelungen, durch zweckentsprechende Verwertung des übrig⸗ gebliebenen Materials, durch Verwendung der großen Arzneimittel in allen Schutzgebieten und bei allen Gouvernements, durch den Verkauf und vor allen Dingen auch dadurch, daß man die übrigen Vorräte den Etats der nächsten Jahre dienstbar gemacht hat, die Summe jetzt auf 23,7 Millionen herunterzubringen.
Ich habe in der Budgetkommission davon gesprochen, daß trotz aller dieser Bestrebungen und Versuche doch noch erhebliche Bestände in gewissen Dingen übrig geblieben sind; ich muß aber bemerken, daß es sich um 500 000 ℳ, nicht um ebensoviel Stück handelt. Diese werden schon seit Jahren angeboten der Marine, dem Kriegsministerium und den einzelnen Korpskommandos, und es findet eine regelmäßige Abnahme statt, sodaß ich glaube, daß auch dieser Posten demnächst geräumt sein wird.
Ich glaube, dieses Anerbieten des Herrn Abg. Erzberger annehmen zu sollen, indem ich den Namen wegen der 200 000 ℳ ausbitte; denn wenn es auch jetzt kein aktuelles Interesse mehr hat, ein Kuriosum bleibt es doch immer. Bis ich aber der Sache nachgegangen bin, wird der Herr Abg. Erzberger mir einen leisen Zweifel daran gestatten, ob nicht im Interesse des anekdotarischen Wertes der Sache sie nicht eine besonders prägnante Form gefunden hat.
Nun, meine Herren, um auf den Gesetzentwurf selbst einzugehen, möchte ich folgendes bemerken. Es kann sich selbstverständlich nicht darum handeln, die Prüfung dahin vorzunehmen, was alles gekauft ist, das haben auch alle Redner im vorigen Jahre zugegeben, ebensowenig kann es sich darum handeln, wo alles schließlich geblieben ist; aber das kann jedenfalls verlangt werden und muß verlangt werden und ist verlangt worden, daß die angekauften Dinge richtig an die mit der Empfangnahme beauftragte Stelle gelangt sind, und das alles, was in Deutschland, Argentien und Südafrika angekauft ist, an die be⸗ treffende Intendantur, an das betreffende Depot, an das betreffende Regiment, an die betreffende Abteilung abgeliefert worden ist. Wo dann aber das Fleisch und die Munition, die Gewehre, die Aus⸗ rüstungsgegenstände, die Uniformen, die Hüte geblieben sind, darüber ist ein Verwendungsnachweis nicht mehr moöglich, das ist allgemein anerkannt, und ich glaube auch, daß ich garnicht dagegen sein würde, wenn entsprechend der „Anregung des Herrn Abg. Erzberger ein solches Kompelle in das Gesetz anfgenommen werden würde. Einen wirklichen Zweck hat es ja nicht, aber ich neige doch zu dieser Sache deshalb hin, weil mir von meinem Standpunkt eigentlich das ganze Gesetz nicht recht sym⸗ pathisch ist, es ist ein Ausnahmegesetz, welches gemacht werden muß, welches aber in die ordentlichen Gewohnheiten der deutschen Ab⸗ rechnung einbricht, und wenn man das etwas weniger durchgreifend macht, und einige von den Kautelen, die wir sonst haben, stehen läßt, kann es der Sache, die ja doch als Präjudiz schließlich einmal wirken kann, nur dienen.
Nun zu der Begründung! Die Begründung ist aufgestellt worden, als die Sache noch in sehr viel größerer Verwirrung war; hinterher haben wir aber bei den Ueberhebungen gefunden, daß sehr viele dieser Dinge sich dadurch aufgeklärt haben, daß Personen mit ähnlich klingendem Namen als zwei gezählt worden sind, daß Irrtümer, die sich eingeschlichen hatten, wo die Summen eingegangen und wieder aus⸗ gegangen sind, auch als besondere Fälle gezählt worden sind, und ich kann Ihnen erfreulicherweise auch versichern, daß diese Ueberhebungen eine Summe von 25 000 ℳ im ganzen kaum übersteigen, und es ist mir an⸗ genehm, daß diese Angelegenheit hier angeschnitten worden ist, weil mir dies die Gelegenheit gibt, eine sonst wenig erfreuliche Sache aus der Welt zu räumen. Ich muß aber auch hinzufügen, daß diejenigen Herren vom Rechnungshofe und von der Intendantur, die mit der Prüfung der ganzen Angelegenheit befaßt gewesen sind, gefunden haben, daß die Rechnung sich in einem weit besseren und vollständigeren Zu-⸗ stande befunden hat, als wir angenommen haben, und auch ich muß mein Erstaunen darüber aussprechen, wie unter solchen Zeitläuften eine so vollständige Rechnung hat aufgestellt werden können. Es ist das dem deutschen Beamten auch in der Stunde größter Gefahr inne⸗ wohnende Pflichtbewußtsein, welches dahin geführt hat, und man kann nach dieser Richtung nur dankbar sein, so sehr man es natürlich auch beklagen muß, daß hier so große Summen haben ausgegeben werden müssen.
Ich komme jetzt zum § 5. Es ist wahr, es werden 23,7 Mil⸗ lionen ohne Deckung angefordert. Diese Sachen ruhen meines Wissens — vielleicht irre ich mich dabei — heute auf Schatzscheinen und müssen von den Schatzsche inen heruntergenommen und in Anleihen verwandelt werden, das würde der regelmäßige Weg sein. Nun hat der Herr Abg. Erzberger eine an und für sich sehr erfreuliche Per⸗ 8 spektive eröffnet, indem er uns angab, wie das Reich diese 23,7 Millionen Mark oder doch einen erheblichen Teil zurückbekommen könne. Auch der Herr Abg. Görcke hat diesen Gedanken als sehr erwägenswert hingestellt. Ich bin weit davon entfernt, gegen⸗ über dieser Sache, von der ich bisher nichts gewußt habe, ohne weiteres eine ablehnende Stellung einzunehmen; aber ganz habe ich die Sache denn doch nicht verstanden. Der Eindruck war der, als ob man gewisse in dem Schutzgebiet ansässige Gesellschaften — genannt worden ist nur eine — hier mit einem sehr hohen Betrage von 5 oder 10 % heranziehen, dagegen alle anderen Leute frei ausgehen lassen wolle, indem man sagt, diese Gesellschaft habe den größten Vorteil davon. Nun, meine Herren, wir haben einen Krieg geführt, allerdings nicht in dem Gebiete dieser Gesellschaft, es sind große Zerstörungen von Eigentum eingetreten, wir haben die Farmer subventioniert, wir haben dabei die Gesellschaften ausgeschlossen, was ja als eine Art Präjudiz erscheint, aber wir sind uns doch darüber klar gewesen, daß an diesem Kriege nicht die Gesell⸗ schaften allein, sondern auch die Farmer, deren Besitztum jetzt viel wertvoller geworden ist, ferner die Kaufleute, die Frachtfahrer, die Woermannlinie, die Kadeapotheke, die Firma Tippelskirch, die Kap⸗ städter usw. viel Nutzen gehabt haben. Deswegen will es mir von vornherein nicht in den Kopf, daß man nun gerade auf diese eine Gesellschaft zugehen soll und auf die anderen nicht. (Zwischenruf aus der Mitte.) — Ja, das geht doch nicht, Herr Abg. Dr. Spahn, den 8 Reichsten in der Gemeinde nur deshalb zu besteuern, weil er der Reichste ist. Das werden Sie wohl nicht durchführen, das wäre sehr bequem. Ich würde da nichts zu bezahlen haben. (Zwischenrufe und Heiterkeit.) Aber auch eine andere Sache taucht mir so für den ersten Moment auf. Es ist jetzt 6 Jahre her, seit der Krieg angefangen hat, und 4 Jahre, seit er zu Ende gegangen ist. (Zwischenruf.) — Nein, am 23. Dezember 1906 ist der Friede geschlossen, also vor drei Jahren und einigen Monaten. Das ist nun schon ein bißchen lange her, und die Besitzer von diesen Gesellschaftsanteilen wechseln doch auch ganz kolossal. Aber auch abgesehen davon: wer sind denn diese Besitzer? Das ist doch eine große Zahl von deutschen kleineren und kleinen Kapitalisten. (Zwischenruf.) — Jawohl! Ich habe aus meiner früheren Erfahrung darüber einige Kenntnisse.
Diese kleineren und kleinen Kapitalisten haben von dieser Sache gar keinen Vorteil gehabt. Aber auch das will ich noch einmal vor⸗ läufig zurückstellen; ich sehe jedoch nicht recht, wie es gemacht werden . soll. Vielleicht kann der Herr Abg. Erzberger uns in der Budget⸗ kommission einen solchen Vorschlag machen, der mir das bisher an der Sache noch nicht hinreichend Klare erhellt. An mir soll es nicht fehlen, die nötige Aufmerksamkeit einem Vorschlage zu widmen, der das Reich um 20 bis 40 Millionen entlastet. (Beifall.)
8 Abg. Stolle (Soz.): Ich kann verstehen, 8- bei einer Invasion alle bestehenden Verhältnisse über den Haufen geworfen werden, so daß man keine geordnete Abrechnung vornehmen kann. Aber in diesem Falle gingen doch alle gelieferten Materialien an einer bestimmten Landungsstelle ein. Die konnten dort in Empfang Fenösanen, weiter verladen, also ganz genau berechnet werden. Man kann sich doch nicht auf die lange Zeit berufen. Es ist doch nicht logisch, daß jemand sagt, ich habe 6 Jahre eine schlechte Rechnung geführt, dies ist eine so lange Zeit, daß Ihr nun auf die Rechnungslegung verzichten müßt. 3ch habe den Ei ck, al