kommen. Nebenbei will ich auch bemerken, daß es nicht richtig ist, wenn der Abg. Dr. Dittrich sagte, daß neuerdings in weit geringerem Maße als früher katholische Theologen zu Seminardirektoren berufen würden. Es waren im Jahre 1899 35 katholische Seminardirektoren vorhanden, und darunter befanden sich 8 Theologen; im Jahre 1909 waren 50 katholische Seminardirektoren vorhanden, und darunter be⸗ fanden sich 12 Theologen, also in diesen beiden Stichjahren je 24 %.
Nun ist von anderer Seite die Befürchtung ausgesprochen worden, daß die jungen Seminaristen in den Lehrerbildungsanstalten in zu enge Stiefel geschnürt würden. (Sehr richtig! links.) „Sehr richtig“ wäre es, meine Herren, wenn das zuträfe, und es wäre sehr falsch, wenn es geschähe.⸗Wir wollen keinesreegs auf unseren Seminasen Duckmäuser erziehen, wir wollen frische, lebensfrohe junge Leute heranbilden, die mit dem nötigen Ernst und dem nötigen Verantwortungsgefühl auch Liebe und Lust zu ihrem schönen Beruf empfangen und damit frohgemut in das Leben treten. (Bravo! rechts und im Zentrum.) Das läßt sich durchaus mit dem vereinigen, was ich über die Erziehung der Seminaristen vorhin gesagt habe, das steht nicht im Widerspruch, sondern durchaus im Einklang damit. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Ich habe immer gefunden, daß im Leben gerade die sittlichen und religiös gefestigten Leute meist die fröhlichsten Menschen waren. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.)
Ich bin auch überzeugt, daß mit einer derartigen Erziehung über⸗
instimmende Anschauungen in den weitesten Kreisen unserer Lehrer⸗ schaft vertreten sind. Ich weiß ja sehr wohl, daß hier und da in ihr Erscheinungen bervorgetreten sind, die zu ernsten Sorgen gewiß Anlaß geben (sehr richtig! rechts und im Zentrum); aber ich kann mir doch nicht denken, daß es diesen radikalen Heiß⸗ spornen, von denen man ja immer mehr hört als von ruhigen Leuten (sehr richtig! rechts und im Zentrum), gelingen sollte, eine auf einer solchen Erziehung basierende treue und gottesfürchtige Lehrerschaft in ihrer Gesamtheit oder auch nur in beträchtlicher Zahl umzustimmen. Ich habe das Vertrauen, daß unsere Lehrer nach wie vor davon über⸗ zeugt sind, daß es notwendig ist, unserer heranwachsenden Jugend eine christlich⸗religiöse, sittliche Erziehung zu teil werden zu lassen, und daß sie ihrerseits mit allen Kräften bemüht sein werden, dieser hohen Auf⸗ gabe gerecht zu werden, und daß sie dabei auch erkennen, welchen hohen Wert für die Lösung dieser Aufgabe der Religionsunterricht in der Schule hat. Weiß ich doch aus dem Munde der Lehrer selbst, wie schmerzlich sie es empfinden würden, wenn sie in Zukunft den Religionsunterricht nicht mehr erteilen sollten. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Sie erkennen gerade in ihm das wirksamste Mittel, um erzieherisch auf ihre Schüler einwirken zu können, und damit die ihnen gestellte Aufgabe zu lösen. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Und nun gerade jetzt, wo den materiellen Wünschen der Lehrer in so weit⸗ gehendem Maße entgegengekommen ist, habe ich um so mehr das Ver⸗ trauen, ein Vertrauen, das sich auch gründet auf wiederholte spontane Aeußerungen von Lehrern mir gegenüber, daß sie nun wieder in ihren Vereinen die idealen Bestrebungen ihres Berufs in den Vordergrund stellen und den Idealismus, ohne den die Lehrerschaft nicht bestehen kann, zu fördern und zu heben. (Bravo!)
Im Anschluß hieran möchte ich mit einigen Worten auf die von dem Herrn Abg. Maurer berührte Frage des Religionsunterrichts der Kinder von Dissidenten eingehen. Diese Frage ist ja in diesem hohen Hause schon wiederholt erörtert, und es ist dabei namentlich die Rechtsfrage nach allen Seiten hin ausführlich dargestellt worden. Ich brauche dies deshalb hier nicht zu wiederholen, zumal es ja unbestritten ist, daß die Unterrichtsverwaltung mit ihrer Stellung zu dieser Frage auf dem Boden des bestehenden Rechts sich befindet. Aber es läßt sich nicht leugnen, daß es sich hier um eine äußerst zarte Frage handelt, um ein Gebiet, welches in das Gewissen eingreift sowohl desjenigen, der fordert, als desjenigen, der der Forderung nachkommen soll. Andererseits ist es aber doch grundsätzlich wohl kaum möglich, den bisher eingenommenen Standpunkt zu verlassen. (Sehr richtig! rechts.) Wenn wir die religiöse Erziehung in den Mittelpunkt der Aufgaben der Schule stellen, wenn wir daran festhalten, daß unsere Schulen nicht nur Unterrichts⸗, sondern auch Erziebungsanstalten ein sollen und daß in ihnen der Religionsunterricht erteilt werde oll, dann weiß ich nicht, wie es sich damit vereinigen läßt, ein der Schule anvertrautes Kind ohne diesen Unterricht oder wenigstens einen dementsprechenden Ersatzunterricht zu lassen. (Sehr richtig! rechts.)
rige Frage wird noch erschwert dadurch, wenn sie — wie
— zu agitatorischen und politischen Zwecken ver⸗
Sehr richtig! rechts.) Immerhin wird sie in der
mit zarter Hand behandelt werden müssen. (Sehr richtig!)
Ind im einzelnen Falle möchte es wohl auch möglich sein, je nach ihrer Art ab⸗ und zuzutun und eine gewisse Rücksicht zu nehmen.
Wenn ich zum Schluß Ibre Aufmerksamkeit noch auf das
uch am Sonnabend von verschiedenen der Herren Redner er⸗
sogenannte Rektoratssystem lenken darf, so ist auch wiederholt in diesem hohen Hause erörtert worden.
bekanntlich darin, daß an die Spitze von
sechs⸗ und mehrklassigen Schulen Leiter, Rektoren gestellt werden, die dann nicht mehr dem Ortsschulinspektor, sondern unmittelbar dem Kreisschulinspektor nachgeordnet sind. Dieses System, dieser Grundsatz ist bereits im Jahre 1889 von dem damaligen Unterrichtsminister aufgestellt worden; er ist den Regierungen mit der Aufforderung be⸗ kamt gegeben worden, ihn allmählich zur Durchführung zu bringen. Daß bierbei auch wirklich nur allmählich und mit Schonung vor⸗ gegangen worden ist, geht schon daraus hervor, daß jetzt, nach 20 Jahren erst, man sagen kann⸗ wir stehen am Ende seiner Durchführung, er ist jetzt so aut wie überall durchgeführt, abgesehen von einigen Ausnahmen. Meine Herren, der Grundsatz ist aus rein schultechnischem Interesse aufgestellt worden, jede andere Tendenz hat ihm gänzlich fern gelegen. Insbesondere ist keineswegs damit beabsichtigt gewesen oder auch jetzt beabsichtigt, auf diesem Umweg allmählich die Ortsschulinspektion überhaupt oder ihre Wahr⸗ nehmung daurch die Geistlichen zu beseitigen. Das hat bei der An⸗ gelegenheit völlig ferngelegen. Vom schultechnischen Standpunkt aus ist es aber erforderlich, daß bei einem so vielgestaltigen Schulsystem, wie es eine sechs⸗ und mehrklassige Schule ist, ein Leiter vorhanden tägliche Aussicht über die Schule führt und an der Spitze
des Lebrerkollegiums steht. Hält man das aber für erforderlich und stellt man einen Leiter an der Schale an, dann muß man ihn auch nötigen Befugnissen und der nötigen Autorität
Das haben Sie, meine Herren, auch selbst anerkannt, als Lehrerbesoldungsgesetz die Leiter solcher Schulen mit
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hört!)
erhöhten Gehaltsbezügen versahen und außerdem noch eine Resolution annahmen, worin Sie den Wunsch aussprachen, daß allen diesen Leitern der Titel Rektor verliehen werden möge. Aber mit dem Ge⸗ halt und dem Titel allein ist es natürlich nicht getan, sondern man muß dann auch die erforderliche Folgerung ziehen und den Beamten auch die entsprechenden Befugnisse geben. Geschieht das aber, dann ist in der Tat kein Platz mehr für eine zweite Ortsschulaufsichts⸗ instanz. Entweder würde die eine auf die andere sich verlassen oder es würde zu dauernden Konflikten führen. (Sehr richtig! links.) Mit einem nur dekorativen Schulinspektor würde nichts genutzt sein. Dagegen hat sich mit Recht auch der Herr Abg. Dr. Dittrich gewandt. Ich glaube, gerade diejenigen Herren, welche wünschen, an⸗der Orts⸗
„schulinspektion festzuhalten, sollten gegen diese Masregel ihren Wider⸗
spruch nicht aufrecht erhalten. Es kann dem ganzen Institut, wie mir scheint, nicht nützen, wenn es auch da erhalten werden soll, wo es nicht berechtigt ist, es zu erhalten. 4
Die ganze Angelegenheit ist durch die Maßnahmen der Arns⸗ berger Regierung wieder in den Vordergrund der öffentlichen Erörte⸗ rung getreten. Die dortige Regierung mußte aus den bekannten Gründen eine neue Rektoreninstruktion erlassen, und da war sie nach dem erwähnten Grundsatz eigentlich verbunden, ohne weiteres in diese Instruktion hineinzuschreiben, daß die Rektoren dem Kreisschulinspektor unterstehen. Sie prüfte nun die Verhältnisse nach, und da kam das Ergebnis heraus, daß in der ganzen Monarchie zu jenem Zeitpunkt etwa noch 400 Rektoren nicht unter dem Kreisschulinspektor, sondern unter dem Ortsschulinspektor standen, während alle anderen schon dem Kreisschulinspektor unterstellt waren. Von diesen 400 Rektoren entfielen allein auf den Regierungsbezirk Arnsberg 200. (Hört, Worauf das zurückzuführen ist, ist mir nicht bekannt. Die Regierung entschloß sich nun, diese Instruktion zu erlassen, und damit wurden diese 200 Rektoren auch unter einen Kreisschul⸗ inspektor gestellt. Ich erkenne nun ja an, daß eine solche etwas plötzliche Maßnahme eine gewisse Beunruhigung hervorrufen konnte, weil man ihren Zweck und ihre Absichten vielleicht nicht erkannte und auch nicht erkennen konnte. Nachdem aber die nötige Erklärung ab⸗ gegeben worden ist und nachdem ich namentlich auch auf verschiedene an mich ergangene Petitionen in ausführlichen Bescheiden den Sach⸗ verhalt dargelegt hatte, hätte ich wohl gewünscht, daß nun auch dafür gesorgt worden wäre, diese Beunruhigung wieder zu beseitigen. Daß übrigens derartige Absichten, wie sie vermutet worden sind, auch bei der Regierung in Arnsberg nicht bestanden, geht schon daraus hervor, daß durch die ganze Maßnahme nur einige 30 Geistliche von der Ortsschulinspektion entfernt worden sind, zur Hälfte evangelische, zur Hälfte katholische. Es waren eben die⸗ jenigen, die nur über eine solche sechs⸗ oder mehrklassige Schule die Aufsicht geführt haben. Noch heute verwalten mehr als 400 Geist⸗ liche Ortsschulinspektionen im Regierungsbezirk Arnsberg. (Hört, hört! links.) Meine Herren, die Regierung kann aus schultechnischen Gründen auf die hier in Rede stehende Maßnahme nicht verzichten; sie kann es auch deswegen nicht, weil sie jetzt schon fast vollkommen durchgeführt ist und es nicht möglich ist, die Rektoren nun wieder in eine andere Stellung zu bringen als sie bisher gehabt haben. Ich möchte glauben, die Herren können sich mit dieser Maßnahme ab⸗ finden, wenn sie sich vergegenwärtigen, daß die Konsequenzen, die sie von ihr befürchten, in Wirklichkeit keineswegs zu befürchten sind. Es liegt der Unterrichtsverwaltung völlig fern, den der Kirche gebührenden Einfluß auf die Schulen zu beseitigen. Kirche wie Schule sind be⸗ rufen, erzieherisch auf unsere heranwachsende Jugend einzuwirken; sie sollen deshalb Hand in Hand gehen, Hand in Hand auch mit den Gemeinden und Familien, die ebenfalls von der Schule nicht getrennt
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Abg. Cassel (fortschr. Volksp.): Wir haben prinzipiell nichts dagegen,
daß das höhere Schulwesen und das Volksschulwesen unter einem Ministerialdirektor vereinigt sind. Ich erkenne an, daß damit ein Fortschritt erreicht ist. Aber wir möchten den Minister doch darum bitten, daß durch diese Verbindung das höhere Schul⸗ wesen nicht ebenso konfessionalisiert werde, wie die Volksschule. Die Medizinalabteilung mag sich unter das Ministerium des Innern stellen lassen, aber die größten Schwierigkeiten bietet dabei die Frage der Universitäten und der medizinischen Professuren, die nicht von den übrigen Zweigen der Wissenschaft getrennt werden können. Wir würden ein Unterrichtsministerium für sich allein als das Beste an⸗ sehen: wenn dadurch die im Volksschulunterhaltungsgesetz vorgesehene Mitwirkung der Kirche an der Schule erschwert wird, so sehen wir diese Bestimmungen des Schulunterhaltungsgesetzes für sehr ab⸗ änderungsbedürftig an. Wir sehen die Schule als eine Veranstaltung es Staates an; Staat und Gemeinden haben die bedeutende Ent⸗ wicklung des Schulwesens hervorgerufen, und deshalb muß der Staat allein das Aussichtsrecht über die Schule haben, und die Gemeinden müssen innerbalb ihrer verfassungsmäßigen Rechte daran mitwirken. Der Abg. Dittrich hat sich am Sonnabend gegen die Simultanschule gewendet, aber die Simultanschule steht auf anerkanntem Rechtsboden, und es wird dem Abg. Dittrich und seinen Freunden hoffentlich nicht gelingen, die Simultanschule zu beseitigen. Wir halten an der Simultanschule fest, damit die Kinder unter gegenseitiger Duldung der Konfessionen erzogen werden. Zur Minderung der konfessionellen Gegensätze wird es beitragen, wenn die Kinder bereits in der Schule friedlich ohne Rücksicht auf die Konfessien nebeneinander sitzen. Ich bin nicht der Ansicht des Abg. Maurer, der am Sonnabend meinte, daß der Religionsunterricht außerhalb der Schule von der Kirche erteilt werden soll, ich folge vielmehr der Ansicht meines ver⸗ storbenen Führers Eugen Richter, der immer die Forderung vertrat, daß der Religionsunterricht der Schule erhalten bleiben soll. Die Schwierigkeiten, die sich wegen der konfessionellen Bedürfnisse in anderen Lehrfächern ergeben könnten, werden bei gegenseitiger Toleranz leicht zu überwinden sein. Es gibt auch glaubenstreue Katholiken, die sich für die Simultanschule aus⸗ gesprochen haben, 3. B. hat der hervorragende Zentrumsmann Mallinckrodt die Simultanschule für durchführbar erklärt, nur unter der Voraussetzung, daß gegenseitige Duldung stattfindet. An dieser Möglichkeit verzweifeln wir nicht, wie der Abg. Dittrich, sondern wir halten eine solche Toleranz durchaus für möglich. In demselben Sinne haben sich viele preußische Minister und Verwaltungsbeamte, Sberpräsidenten usw. ausgesprochen. Den Zwang für die Dissidenten⸗ kinder zum Religionsbesuch müssen wir verurteilen. Als in dem Schulgesetzentwurf des früheren Kultusministers Grafen Zedlitz dieser Zwang gesetzlich begründet werden sollte, erhob sich ein Sturm der Entrustung dagegen, und in der Kommission fiel diese Be⸗ stimmung, das Gesetz kam dann überhaupt nicht zustande. Inzwischen hat sich das Kammergericht auf den Standpunke gestellt, daß dieser Zwang zu Recht bestehe. Es wäre an der Zeit, diese Frage endlich zu lösen. In Frankfurt a. M. dürfen die Dissidentenkinder den Religionsunterricht der deutsch⸗katholischen Gemeinde besuchen, weil riese als Religionbgesellschaft anerkannt ist. Dagegen dürfen die Kinder aus der Umgegend von Frankfurt dies nicht tun, ihre Eltern werden dafür verurteilt, manchmal auch freigesprochen, meistens aber verurteilt. Was für ein Rechtszustand ist dies! Der sozial⸗ demokratische Abg. Hoffmann wurde, als er seine Kinder nicht in den Religionsunterricht schickte, vor 10 Jahren auf Grund der früheren
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Kammergerichts freigesprochen;
Entscheidung des G des Kammergerichts,
Wechsel in der Anschauung angeklagt und diesmal verurteilt. Er fragte den Gerichts. präsidenten, in welchen Unterricht er seine Kinder nun schicken solle, und der Präsident sagte: in den Unter⸗ richt einer der drei anerkannten Religionsgemeinschaften. Herr Hoff⸗ mann schickte darauf seine Kinder — ob aus Neigung oder aus welchen Gründen sonst, weiß ich nicht — in den jüdischen Religions⸗ unterricht. Der jüdische Religionslehrer wird davon kaum erbaut gewesen sein. Bei der Handhabung des Schulunterhaltungsgesetzes sollte die Re⸗ gierung dessen eingedenk sein, daß die Schuldeputationen in allen An. gelegenheiten, die nicht die Schulaufsicht be reffen, Organe der Ge⸗ meindebehörde sind, und daß diese sich um die äußeren und innered Angelegenheiten der Schule in diesem Rahmen auch, zu kümmem haben. Uebrigens ist der verstorbene Kultusminister Hölle trotz aller prinzipiellen Gegensätze uns praktisch entgegengekommen; in kvmmissari⸗ schen Verhandlungen, die er mit der Stadt Berlin einleitete, wurde eine gewisse Verständigung herbeigeführt und wurden tatsächlich einige der bestehenden Unzuträglichkeiten beseitigt. Die Aufsichtsbehörde hat bisher zu viel in die inneren Angelegenheiten der Schule ein⸗ gegriffen. Auch gegenüber unseren Oberlehrern und Direktoren ist dies wiederholt geschehen. Das ist sehr bedauerlich, um so mehr, als diese eine große Bedeutung für unser Volksleben haben. Auch ihnen sollte in der inneren Verwaltung ihrer Schulen der gebührende Einfluß nicht versagt werden, zumal in allen großen Stäadten hervorragende Schulmänner an der Spitze der Schulverwaltung stehen, die zum großen Teil geradezu Autoritäten sind. Das ist um so mehr nöotig, als der Lehrer zugleich auch die Autorität des Staates zu wahren hat. das kann er nicht tun, wenn er nicht selbst Einfluß besitzt. Außerdem haben ja auch die Gemeinden hier Kosten zu tragen, die ihnen wieder durch den Staat direkt auferlegt worden sind. Die Gemeinden dürfen nicht nur das Recht haben, zu zahlen, ohne etwas sagen zu dürfen. Wenn die Gemeinde nach dem Wunsch des Staates angemessene Gehälter zahlt, dann muß sie auch selbst über ihre Lehrer verfügen können. Auch wir sind Freunde einer Dezentralisation der Schulverwaltung, aber es geht nicht an, daß der Landrat in den kleinen Städten und auf dem Lande die Schule beherrscht. Die Landräte haben vielfach die Neigung, sich zu Führern der kon servativen Partei zu machen, und da dürfen sie nicht auch noch die Schule unter ihre Macht bringen. 7 entwickelt, daß der ohnehin schon zu große Einfluß des Landrats noch außerordentlich verstärkt werden würde, wenn er auch an die Spite der Schulverwaltung seines Kreises treten würde. Auch dürfen ihm nicht etwa nur ein paar konservative Persönlichkeiten an die Seite gestellt werden. Die oft und vielfach angegriffene Tätigkeit der Schul⸗ abteilung der Regierung habe ich auch für einseitig bureaukratisch ge⸗ halten. Auffallenderweise haben in der Kommission für die Beratung des Schulunterhaltungsgesetzes die konservativen Herren derartig viele Fragen gestellt, daß es schien, als wollten sie die Bureaukratie zum Nutzen der Selbstverwaltung bekämpfen. Die Sache ist aber gang anders gekommen. Die Schulabteilungen der Regierungen haben sebr viel getan, namentlich nach der Richtung, daß sie den erforderlichen Zwang ausübten, um Geldmittel für die Erhaltung der Schule zu dekommen. Nur darum sind diese Schulabteilungen vielfach nicht beliebt. Wenn man die Selbstverwaltung will, so muß man sie auch im ganzen wollen. Wenn man die Schulverwaltung entlasten will dann übertrage man ihre Befugnisse auf die Behörden der Selbst verwaltung, die Gemeinden, die man dann unabhängig stellen möge aber nicht auf den Landrat. Die Gemeinden haben alles für die Blüte unserer Schule getan, und darum kann man ihnen mit Recht weiter, Befugnisse überlassen. Da im Hause keine Partei die Mehrheit hat, wird sich über diese Verwaltungsfragen keine Einigung erzielen lassen, und gerade deshalb sollte die Regierung in die Verwaltung der Schulangelegenheiten möglichst nicht eingreifen. Unser Schulwesen blüht, weil die Gemeinden dafür Opfer gebracht haben, nicht weil es von einer Partei gehoben worden ist. Des
er wurde wieder
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Deshalb müssen wir verlangen daß in diesen Fragen auch die Ansichten der Gemeinden gehört werden. Man soll ihnen hier nach Möglichkeit freie Bahn lassen zum Heile der Schule und zum Heile des Wachstums unserer Volkskultur.
Abg. Stvchel (Pole): Wir haben auf Klagen unseres Volkes die wir Jahr für Jahr vorbringen, immer ein bündiges Nein er halten; man prüft sie nicht, man empfindet sie als unliebsame Störung, daher ist alles beim Alten geblieben, manches sogar noch schlimmer geworden. Der Kulturkampf, dieser Kampf gegen dire Kultur, wütet bei uns immer noch. Auf dem Gebiete Kirche stehen wir da als wehrlose Objekte. Erzbischofs ist seit 4 Jahren unbesetzt, man kann keinen genehmen Kandidaten finden, weil die Politik vor dem Kirchenter nicht Halt machen will. Die Muttersprache verkürzt man uns trotzdem selbst Bismarck die Notwendigkeit ihrer Pflege ju gegeben hat. Die einzelne scharfe Aeußerung des polnischen Geist lichen soll man nicht gleich zu tragisch nehmen, das frieedliche Zusammenleben der deutschen und der polnischen Katholiken wird durch das Verhalten der Provinzialverwaltung gestört. Dem polnische Lehrer wird seine Berufstaätigkeit durch die Verwaltung selbst erschwen und verleidet. Die Kirche ist sich ihrer Kompetenz gegenüber der Polen wohl bewußt. Aber auf dem Gebiete der Schule ist ein schrankenloses Germanisierungsbestreben vorhanden. Man ist mit der Beseitigung der geistlichen Schulaufsicht in den polnischen Landesteilen nicht zufrieden gewesen; man hat es dahin gebracht daß es katholische Schulen gibt ohne einen katholischen Lehrer Bei mehr als 200 katholischen Kindern hat man es nicht für nötin befunden, einen katholischen Lehrer anzustellen; dagegen gibt 6 evangelische Lehrer, wo gar keine evangelischen Kinder vorhanden sin Die Ausführungen des Kultusministers haben uns sehr sympathisch berührt; auch wir wollen die Schule als ein Heiligtum halten Aber dann soll man den Kindern nicht das nehmen, was ihnen lier und wert ist; dann soll man den ersten padagogischen Grund satz der Berücksichtigung der Muttersprache nicht ignoriere Besonders der Unterricht in der Religion muß in der Mutter sprache erteilt werden. Nach den bisherigen Verordnunger ist die polnische Sprache für die unteren Klassen ge sichert; aber auch diese Verfügung wird einfach nicht befelgt Welcher rechtlich denkende Mensch möchte nicht wünschen, der die schulpflichtigen Kinder während ihrer freien Zeit gut unten gebracht werden und sich nicht auf der Straße herumtreibe und der Verführung anheimfallen? Anstatt Vereinigungen mit diesem Ziel zu unterstützen, werden sie mit allen Mitteln schikaniert So hat man von Lehrern an solchen Schulen den Befähigungsnachwern für den Handwerksunterricht verlangt. Der neue Kultusminister ist nicht verantwortlich für das, was früher in seinem Ressort g⸗ schehen ist. Ich babe mich heute über seine Worte gefreut; n können fast jedes Wort als unser eigenes ansehen. Aber die Kultus minister wechseln; die Politik wird durch die Geheimen Räte gemach: Möge der Kultusminister seine Anschauungen, die er heute vorgetrage⸗ hat, mit starker Hand durchführen!
85 3u1 der geistlichen ꝛec. Angelegenheiten Trott zu Solz:
Meine Herren! Wenn ich auch bestrebt bin, mich mit den mum bisher fremden Verhältnissen der östlichen, gemischtsprachlichen Bezitk⸗ unseres Staats vertraut zu machen, und wenn ich auch vielfach aus diesen Provinzen mit Angelegenheiten in meinem Ressort beschäftigt bin, so muß ich mir bei der Beurteilung der dortigen Verhältniffe wie Sie verstehen werden, doch noch eine gewisse Zurückhaltung arf⸗ erlegen. (Abg. Stychel: wir wollen Siseeee
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dann kam der
Die Verhältnisse haben sich deran!
Der Sitz unsers
Jihm ein * (Hört, hört!), noch ist irgendwie nachgewiesen,
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gen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
Wenn aber der Herr Vorredner hier hervorgehoben hat, daß Wünsche und Beschwerden, die von polnischer Seite der Regierung gegenüber erhoben
werden, einfach verhallen, ungeprüft und ungehört blaiben, so kann ich das nach dem, was ich über diese Dinge bisher gesehen und erfahren habe, als richtig in keiner Weise anerkennen. (Bravo! jechts.) Im Gegen⸗ teil, solche Wünsche und Beschwerden werden objektiv und eingehend geprüft, und, wenn sie berechtigt sind und ihre Erfüllung mit dem allgemeinen Staatsinteresse sich vereinigen läßt, dann werden sie auch erfüllt. Sehr oft freilich — das kann ich nicht in Abrede stellen — müssen solche Wünsche und Beschwerden zurückgewiesen werden.
Wenn ich, meine Herren, gesagt habe, daß ich mich bemühte, mir ein Urteil über diese Verhältnisse zu verschaffen, und wenn ich mir dann vergegenwärtige, was der Herr Vorredner heute hier vorgebracht hat, wenn ich bedenke, daß in seinen Ausführungen wieder eine ganze Reihe von Fällen zur Sprache gekommen ist, welche hier schon den Gegenstand der Verhandlung gebildet haben, welche schon vom Regierungstische aus erläutert und richtiggestellt worden sind, so muß ich doch sagen, daß nach meiner Empfindung seine Darstellung höchst einseitig gewesen ist. (Sehr richtig! rechts.) Gerade solche Dinge müssen von der Regierung ruhig und sachlich geprüft werden, und das ist nicht möglich, wenn hier von der Rednertribüne herab die Dinge in einer so einseitigen Weise dargestellt werden.
Als Beispiel hierfür will ich nur den Fall anführen, den der Herr Vorredner auch berührte, den Fall des Herrn Geheimen Re⸗ gierungsrats Waschow. Auch über diesen Fall ist schon hier ver⸗ handelt worden, und er ist hier vom Regierungstische aus richtig ge⸗ stellt worden. Heute ist diesem verdienten Beamten, dem Geheimrat Waschow in Bromberg, von dem Herrn Vorredner direkt Unwahrheit vorgeworfen worden, und es ist außerdem behauptet worden, es sei Verweis erteilt worden. Weder ist dies der Fall daß dieser verdiente Ich muß
Beamte sich der Unwahrheit schuldig gemacht hat. (Lebhaftes
diese Beschuldigung mit Entschiedenheit zurückweisen. Hört, hört!)
Wenn der Herr Vorredner Klage darüber geführt hat, wie stief⸗ mütterlich die preußische Regierung die Schulen in der Provinz Posen behandelt habe, so muß ich demgegenüber hervorheben, daß ich nach meinen bisherigen, allerdings noch kurzen Erfahrungen auf diesem Ge⸗ biete immer überrascht über das gewesen bin, was die preußische Re⸗ gierung für die Schule gerade in den Gebieten mit polnischer Sprache getan hat, welche großen Summen für die Hebung des Schulwesens, welche Millionen dorthin geschickt sind. Und wenn dann die Erwide⸗ rung auf solche fürsorgliche Maßnahmen derartige Vorwürfe sind, dann wird das Bestreben der Schulverwaltung, auf diesem Gebiete Fortschritte zu machen, gerade nicht erleichtert. Im Gegen⸗ satz zu dem Herrn Vorredner hat ja auch bei der ersten Lesung des Etats der Herr Abg. Dr. von Jaidzewski aus⸗ drücklich anerkannt, daß die preußische Regierung für die Schule in der Provinz Posen Hervorragendes geleistet habe, und daß das in ver⸗ ständigen Kreisen der Provinz auch anerkannt werde. Die Schwierig⸗ keiten in Posen auf dem Schulgebiete sind ja außerordentlich groß. Wenn es nicht möglich ist, die Bestimmungen, die über die Benutzung der polnischen Sprache im Religionsunterricht gelten, überall anzu⸗ wenden, so liegt das eben daran, daß uns nicht die genügende Zahl von Lehrern zur Verfügung steht, die diesen Unterricht erteilen können. Es ist nicht richtig, wie behauptet worden ist, daß tendenziös von der Regierung polnisch sprechende Lehrer aus Posen nach dem Westen versetzt würden. Aber die Schwierigkeit, Lehrer mit diesen Qualitäten zu beschaffen, ist auch erklärlich, wenn man auf der andern Seite sieht, wie aus polnischen Kreisen heraus vor dem Lehrerwerden gewarnt wird. Ich könnte Ihnen hier Zeitungsartikel vortragen, in denen das ausdrücklich ge⸗ schieht, wie die Bevölkerung mit eindringlichen Worten vor diesem schrecklichen, dem Polentum feindlichen Stande gewarnt wird. Lassen Sie diese Agitation, tragen Sie dazu bei, daß sich aus der polnisch sprechenden Bevölkerung mehr bereit finden, in den Schuldienst zu treten, dann werden Sie auch dazu beitragen, daß die bestehenden Be⸗ stimmungen über den Religionsunterricht in der polnischen Sprache in der Schule durchgeführt werden können. Das soll dann geschehen. Es ist nicht die Absicht, diese Bestim⸗ mungen irgendwie chikanös zu handhaben, sie sollen loval angewandt werden, soweit wir dazu die tatsächliche Möglichkeit haben. Ueberhaupt bin ich der Auffassung, daß wir dort die Bestimmungen, die wir im Interesse des Deutschtums brauchen, mit Ernst und Festigkeit, aber nicht chikanös anwenden müssen. Wenn die Schule neuerdings als ein ungeeignetes Mittel bezeichnet worden ist, für das Deutschtum Vorteile zu schaffen, wird dabei, wie ich schon bei einer früheren Ge⸗ legenheit hervorgehoben habe, die Situation verschoben. Selbst⸗ verständlich ist die Schule nicht in der Lage, den Osten zu germanisieren, das kann eine Schule, die mit dem 14. Jahre ihre Zöglinge entläßt, unmöglich leisten; aber daß in der Schule in deutschem Geist gelehrt wird, in deutscher Sprache unterrichtet wird, das halte ich für eine Vorbedingung, um im Osten den Stand des Deutschtums zu wahren, und daran werde ich festhalten. (Bravo! rechts.)
Abg. Hoffmann (Soz.): Unsere prinzipielle Stellung zum Kultus⸗ etat ist bekannt. Die Abtrennung der Medizinalabteilung von dem Ministerium der geistlichen Angelegenheiten ist wünschenswert, die des Unterrichts dringend notwendig, um zu einer vernünftigen Ent⸗ wicklung zu kommen. Etwa 70 % aller Krankheiten hätten nach der amtlichen Statistik vermieden werden können, darum müßte die Medizinalabteilung selbständig sein. In der Verbindung der geistlichen mit den Unterrichtsangelegenheiten liegen die Saug⸗ wurzeln des schwarz⸗blauen Blocks. Konservative und Zentrum haben das gemeinsame Interesse, die Volksbildung niedrig zu halten, damit ihr Weizen blüht. Darum die großen Ausgaben für die Kirche trotz des Geschreies von Sparsamkeit. Die Neu⸗ ausgaben für die evangelischen Pfarrstellen sind in diesem Etat elfmal, die für katholische fünfmal so hoch als im Vorjahr,
Berlin, Dienstag, den 19. April
während für Lehrer diese Ausgaben nur um ein Fünftel gestiegen sind. Ferner hat man die Ausgaben für die selbst verdoppelt, die für die Lehrer aber nur um ein Drittel erhöht. Dabei lassen die Schulverhältnisse sehr viel zu wünschen übrig. Auch die Ausgaben für Kunst und Wissenschaft haben sich nur um ein Zehntel erhöht. Und dabei ist die Wirtschaft mit den Kirchenbüchern ganz unglaublich. Die Unterschlagungen⸗bei der Nazarethgemeinde in Berlin sind nur da⸗ durch ermöglicht worden — allerdings soll der Rendant zu seinen Unterschlagungen durch seine Beschäftigung mit den preußischen Finanzen gekommen sein. Bei uns ist klerikal Trumpf, und seitdem Holle ausgeschieden ist, ist im Ministerium wiederum Schwartz⸗ kopff Trumpf. Die Kirche hat auf die Schule nicht bloß den gebührenden, sondern einen geradezu ungebührlichen Einfluß. Der Zentrumsredner hat einen Fall vorgeführt, noch dazu mit einem Fragezeichen, wo ein Landrat die Freibelt der Religionsübung nicht htet hat. Statt eines Landrats könnte ich Ihnen ein Dutzend von Landräten, Regierungspräsidenten und Ministern vorführen, die die Religionsfreiheit nicht achten. Die preußische Gewissensfreiheit ist ein schoͤner Traum aus dem falschen liberalen Tausend und eine Nacht. Der Kultusminister spricht von dem bestehenden Recht. Im Jahre 1890 wurde ich wegen Zurückhaltung meiner Kinder vom Religionsunterricht freigesprochen. 10 Jahre später ist aber auf Grund des bestehenden Rechts das entgegengesetzte Urteil vom Kammer⸗ gericht gefällt worden; daß ich einem Kammergerichtsurteil glaube, soll mir nicht so rasch wieder vorkommen. Der Ersatzunterricht wird uns Dissidenten unmöglich gemacht, indem man den Lehrern die Unterrichtserlaubnis entzieht. ch glaube zja nicht, daß Wandel geschaffen wird, solange der Ministerialdirekkor Schwartzkopff hinter dem Kultusminister steht. Im Jahre 1859 ist ein Erlaß heraus⸗ gegeben worden, wonach die Freireligiösen nicht in ihren Rechten in der Erteilung des Religionsunterrichts beeinträchtigt werden durften. Und dieser Minister, von dem damals dieser Erlaß kam, hieß Beth⸗ mann Hollweg. Ich glaube, die Linie ist ausgestorben. Mögen diese Anschauungen auf den gegenwärtigen Kultusminister ab⸗ färben! Der Abg. von Zedlitz will in den Schulen gute Patrioten erziehen, wir auch. Wir verstehen aber unter Patriotis⸗ mus etwas anderes als Sie. Man kann auch ein guter Patriot sein, ohne Seehandlungspräsident gewesen zu sein. An einen neuen Minister knüpfen sich immer viele Hoffnungen. So ging auch bei dem Antritt des jetzigen Kultusministers die Nachricht durch die Presse, daß ein neuer, vernünftiger Erlaß über die Prügelstrafe erschienen sei. Leider stellte sich aber heraus, daß das ein Erlaß des bayerischen Kultusministers war. Das Zentrum ist durch seine Haltung bei der Finanzreform und durch seine Wahlrechts⸗ mogeleien so in die Klemme geraten, daß es jetzt gern wieder ein bißchen Kulturkampf haben möchte. So dumm sind wir nicht, Ihnen den Gefallen zu tun, und hoffentlich werden sich die Liberalen und Nationalliberalen auch nicht auf dieses Gebiet locken lassen. Eigentlich müßten ja gemäß der Rede des Abg. Maurer am Sonn⸗ abend die Nationalliberalen auch für die Trennung von Staat und Kirche sein; aber Sie brauchen ja die Kirche, um sie vor Ihren Profitkarren zu spannen. Mit alten Schwartzkopffschen Ausgrabungen und Erlassen aus den Jahren 1834 und 1839 können Sie unsere Jugendbewegung — auf der Jugend beruht auch unsere Kraft — nicht beseitigen. Dadurch machen Sie der Jugend gerade die Sache schmackhaft. Unsere Jugendlichen müßten Idioten sein, wenn sie nicht einsähen, daß in Preußen nicht gleiches Recht für alle gilt. Lassen Sie also solch altes Gerümpel aus vorsintflutlicher Zeit. Der Sturm des Völkerfriedens wird die Hallen des Kultusministeriums und auch diese Räume durchbrausen und eine andere Luft, einen anderen Geist hineintreiben. (Der Redner hat während dieser Worte seine Stimme immer lauter werden lassen; Rufe rechts: Lauter, lauter!) Bringen Sie (nach rechts) doch nicht immer dieselben Witze noch ein⸗ mal. Ich habe Ihnen schon so oft gesagt, daß Sie geistig schwer⸗ hörig sind; da nutzt ja alles Laute nichts. Wir werden dafür arbeiten, daß wirklich Preußen in Deutschland vorangeht zur wirklichen Kultur.
Um 4 ½¼ Uhr wird die weitere Beratung des Kultusetats auf Dienstag 11 Uhr vertagt.
Parlamentarische Nachrichten.
Dem Reichstage ist der folgende Entwurf eines Gesetzes ur Aenderung des Gesetzes, betreffend das Reichs⸗ chuldbuch, vom 31. Mai 1891, zugegangen.
Artikel I. ““
Das Gesetz, betreffend das Reichsschuldbuch, vom 31. Mai 1891. (Reichsgesetzbl. S. 321), wird dahin geändert:
A. An die Stelle der §§ 1 bis 5, 7, 10 bis 13, 17, 18 und 20 treten folgende Vorschriften: . 1 —
§ 1. Schuldverschreibungen der Reichsanleihen koͤnnen in Buch⸗ schulden des Reichs auf den Namen eines bestimmten Gläubigers um⸗ gewandelt werden. 1“ 1
Die Umwandlung erfolgt gegen Einlieferung zum Umlauf brauch⸗ barer Reichsschuldverschreibungen durch Eintragung in das bei der Reichsschuldenverwaltung zu fuͤhrende Reichsschuldbuch.
§ 1a. Mit Ermächtigung des Reichskanzlers können Buchschulden auch ohne Umwandlung begründet werden, wenn der Kaufpreis für Schuldverschreibungen, deren Nennwert der einzutragenden Buchschuld entspricht, nebst den Stückzinsen seit dem letzten Zinszahlungstermine bar eingezahlt wird. Der Reichskanzler setzt den Kaufpreis fest und bestimmt die Kasse, bei welcher die Einzahlung zu geschehen hat. Zur Erteilung der Ermächtigung ist er insoweit befugt, als er zur Aus⸗ gabe von Schuldverschreibungen ermächtigt ist. 8
Ueber die Einzahlung wird von der Kasse eine Bescheinigung aus⸗ gestellt, welche der Reichsschuldenverwaltung einzureichen ist.
Steht der Begründung der Buchschuld nach den Vorschriften dieses Gesetzes ein Hindernis entgegen, so ist dem Einzahler der ein⸗ gezahlte Betrag mit Zinsen zu dem am Sitze der Reichsschuldenver⸗ waltung für hinterlegte Gelder maßgebenden Zinssatz zurückzuzahlen.
§ 2. In dem Reichsschuldbuche sind auch die in dem Schuld⸗ verhältnis eintretenden Veränderungen zu vermerken.
Für die zu verschiedenen Zinssätzen erfolgenden Eintragungen können getrennte Bücher angelegt werden. 1G
Von dem Reichsschuldbuch ist eine Abschrift zu bilden und ge⸗ trennt aufzubewahren. 1 1““
Ueber den Inhalt des Reichsschuldbuchs darf nur den im § 7 aufgezählten Personen sowie dem Gegenvormunde, dem Beistand und bezüglich der im § 4 unter Nr. 3 und 4 bezeichneten Gläubiger den zur Revision ihrer Kassen berechtigten öffentlichen Behörden oder sonstigen Personen, letzteren aber nur, falls ihre Ber Ft gan zur Kassenrevision durch eine öffentliche Behörde bescheinigt ist, Auskunft erteilt werden.
§ 3. Die Eintragung einer Buchschuld geschieht auf Antrag des Inhabers der Schuldverschreibungen, im Ses des § 1a auf Antrag des Einzahlers oder der Kasse, auf den Namen der in dem Antrag als Gläubiger bezeichneten Person oder Vermögensmasse.
§ 4. Als Gläubiger können nur eingetragen werden:
1) einzelne physische Personen, 2) einzelne Handelsfirmen,
1910.
3) einzelne eingetragene Genossenschaften und einzelne eingeschriebene Hilfskassen, welche im Gebiete des Deutschen Reichs ihren Sitz haben,
sowie einzelne juristische Personen,
4) einzelne Vermögensmassen, wie Stiftungen, Anstalten, Familien⸗
fideikommisse, deren Verwaltung von einer öffentlichen Behörde oder
unter deren Aufsicht geführt wird, oder deren Verwalter ihre Ver⸗
fügungsbefugnis über die Masse durch eine gerichtliche oder notarielle
Urkunde nachweisen.
Einem Gläubiger wird für. eine jede der verschieden verzinslichen Anleihen nicht mehr als ein Konto im Reichsschuldbuch eröffnet.
§ 5. Mit der Eintragung erlöschen die Rechte des Inhabers au den eingelieferten Schuldverschreibungen und im Falle des § 1 a die Rechte des Einzahlers aus der Bescheinigung.
Im übrigen finden die für die Reichsanleihen geltenden Vor⸗ schriften auf die eingetragene Forderung entsprechende Anwendung.
§ 5 a. Zugleich mit der Eintragung der Buchschuld kann der Antragsteller (§. 3) und nach erfolgter Eintragung der Gläubiger eine zweite Person eintragen lassen, welche nach dem Tode des Gläubigers 2 Reichsschuldenverwaltung gegenüber die Gläubigerrechte auszuüben
efugt ist.
Siefe Eintragung ist auf Antrag der im § 7 Abs. 1 bis 4 und 6 bis 8 bezeichneten Personen jederzeit zu löschen.
§ 7. Zur Stellung von Anträgen auf Uebertragung eingetragener Forderungen auf ein anderes Konto, auf Eintragung und auf Löschung von Vermerken über Veränderungen im Schuldverhältnisse (§ 2 Abs. 1) sowie auf Ausreichung von Reichsschuldverschreibungen gegen Löschung der eingetragenen Forderung sind nur berechtigt:
1) der eingetragene Gläubiger,
2) sein gesetzlicher Vertreter oder sein Bevollmächtigter,
3) der Konkursverwalter,
4) derjenige, auf welchen die eingetragene Forderung von Todes wegen ubergegangen ist, “
5) die gemäß § 5a eingetragene zweite Person,
6) der Testamentsvollstrecker,
7) der Nachlaßverwalter (B. G.⸗B. §§ 1981 ff.),
8) im Falle der fortgesetzten Gütergemeinschaft der überlebende Ehegatte.
Derjenige, für welchen ein Nießbrauch oder ein sonstiges Recht zum Zinsgenuß eingetragen ist, kann ohne Fansehung des Gläubigers Antrage in bezug auf den zum Empfange der Zinsen Berechtigten stellen.
Zur Stellung von Anträgen für eine Firma gilt für berechtigt, wer zur Zeichnung der Firma berechtigt ist, zur Stellung von An trägen für die im § 4 Nr. 4 erwähnten Vermögensmassen die dor genannte Behörde oder die von ihr bezeichnete Person oder die gemäß § 4 Nr. 4 zur Verfügung über die Masse befugten Verwalter. Als gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person, die nicht im Gebiete des Deutschen Reichs ihren Sitz hat, gilt, wer seine Vertretungs⸗ befugnis nach den vom Bundesrate beschlossenen Ausführung bestimmungen nachgewiesen hat.
§ 7a. Zur Löschung von Vermerken zu Gunsten Dritter bedar es deren 1.““ mit Ausnahme der im § 13 Abs. 2, 3 er⸗ wähnten Fälle.
Wird eine Forderung unter Löschung auf einem Konto auf ein anderes Konto übertragen, so sind die Vermerke zu Gunsten Dritte unter Löschung auf dem alten Konto auf das neue Konto mit zu über⸗ tragen. Der Zustimmung der aus dem Vermerke Berechtigten bedarf es nicht.
§ 2 b. tretungen, Verpfändungen, erlangen dem Rei die Eintragung Wirksamkeit.
Eine Pfändung oder vorläufige Beschlagnahme der eingetragenen Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung oder des Arrestes sowie eine durch eine einstweilige gerichtliche Verfügung angeordnete Be⸗ schränkung des eingetragenen Gläubigers ist von Amts wegen auf dem neisahe vermerken und nach erfolgter Beseitigung dieser Anordnungen zu löschen. § 7 c. Eine Prüfung der Gültigkeit der den Anträgen zu Grunde liegenden Rechtsgeschäfte findet nicht statt.
§ 10. Zum Antrag auf Eintragung einer Forderung sowie zur gleichzeitigen Erteilung einer Vollmacht, ferner zum Antrag auf gleich⸗ zeitige Eintragung einer zweiten Person gemäß § 5 a Abs. 1 oder einer Beschränkung des Gläubigers in bezug auf Kapital oder Zinsen genügt schriftliche Form. Dasselbe gilt für Anträge auf Löschung der im § 5 a Abs. 1 und im § 13 Abs. 2, 3 erwähnten Vermerke.
In allen anderen Fällen soll der Antrag im Geltungsgebiete des Bürgerlichen Gesetzbuchs gemäß § 129 daselbst öffentlich beglaubigt sein. Der öffentlichen Beglaubigung steht gleich die Aufnahme des Antrags durch das Reichsschuldbuchbureau oder durch eine vom Reichs⸗ kanzler bezeichnete Kasse. Außerhalb des Geltungsgebiets des Bürger⸗ lichen Gesetzbuchs soll der Antrag gerichtlich oder notariell oder von einem Konsul des Deutschen Reichs aufgenommen oder be laubigt sein. Die Reicheschuldenverwaltung kann in besonderen Fällen von der Beobachtung dieser Formvorschriften absehen. Bei der Beglaubigung bedarf es weder der Zuziehung von Zeugen noch der Aufnahme eines Protokolls.
Sind seit der Eintragung
unter 1
Verfügungen über eingetragene 12 wie Ab⸗ e gegenüber nur durch
—
Aenderungen in der Person des Gläubigers (Verheiratung einer Frau, Aenderung des Gewerbes, Standes, Namens, Wohnorts) eingetreten, so kann verlangt werden, daß die Identität durch eine öffentliche Urkunde dargetan wird.
§ 11. Rechtsnachfolger von Todes wegen haben sich 1n einen Erbschein oder durch eine Bescheinigung darüber, daß sie über die eingetragene Forderung zu verfügen befugt sind, auszuweisen.
Beruht die Rechtsnachfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so kann nach dem Ermessen der Reichsschuldenverwaltung von der Beibringung des Erbscheins oder der Bescheinigung abgesehen werden, wenn an deren Stelle die Verfügung und das Protokoll über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt wird. 1 8 1s
Das Bestehen der fortgesetzten Gütergemeinschaft sowie die Befugnis eines Testamentsvollstreckers zur Verfügung über eine zum Nachlaß gehörige Forderung ist entweder durch die in den §§ 1507, 2368 des Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehenen Zeugnisse oder durch eine Bescheinigung darüber, daß der überlebende Ehegatte oder der Testamentsvollstrecker zur 8 ung über die eingetragene Forderung befugt ist, nachzuweisen. Auf den Nachweis der Befugnis des Testamentsvollstreckers findet die Vorschrift des Abs. 2 entsprechende Anwendung. 3 88
Zur Nusstellung der in den Abs. 1 und 3 erwähnten Bescheini⸗ gung ist das Nachlaßgericht und, falls der Erblasser zur Zeit des Erbfalls im Inland weder Wohnsitz noch Aufenthalt hatte, auch der⸗ jenige Konsul des Reichs zuständig, in dessen Amtsbezirk der e zur Zeit des Erbfalls seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen 2 uf⸗ enthalt hatte, sofern dem Konsul von dem Reichskanzler die Ermächti⸗ gung zur Ausstellung solcher Bescheinigungen erteilt ist.
Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen zur Ausstellung der Bescheinigung statt der Gerichte andere Behörden oder Notare zuständig sind. Die Zuständigkeit ist von dem im Abs. 4 bezeichneten Gericht auf der Bescheinigung zu bestätigen.
§ 12. Die Reichsschuldenverwaltung kann verlangen, daß mehrere Erben zur Stellung von Anträgen und zur Emp. angnahme von L11“ eine einzelne Person zum Bevollmächtigten bestellen.
§ 13. Vollmachten sowie die Genehmigungserklärungen dritter