So außerordentlich viel schlechter gestellt als die Schiffahrt anderer Länder ist die deutsche also doch nicht. Der Entwurf sollte nicht eher verabschiedet werden, als bis seine Notwendigkeit noch genauer nach⸗ ewiesen ist; ich schlage deshalb seine Verweisung an die Budget⸗ ommission vor.
.Dove (fortschr. Volksp.): Wir schließen uns diesem Vor⸗
stehen aber zur Sache selbst auf einem anderen Stand⸗
punkt. Die Vorlage bringt auch einige Veränderungen des
materiellen Rechts und birgt einen großen Tarif, der natürlich nur
in einer Kommission genau geprüft werden kann. Es war ganz über⸗
flüssig, uns jetzt noch mit solchen Dingen zu befassen, denn es ist ganz
undenkbar, daß die Vorlage noch vor der Vertagung verabschiedet werden kann.
Abg. Dr. Semler (nl.): Ich möchte gerade diese Gelegenheit benutzen, um auch unserseits gegen diese unaufhörlichen Ueberflutungen mit Gesetzentwürfen Protest einzulegen. Ein anderes Gesetz, das⸗ jenige über den Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit, das aufs dringlichste verlangt wird, kommt und kommt nicht. Quousque
tandem abutere . . . .. 2 Die jetzige Vorlage leidet an starken
Mängeln. Die Schiffsgebühr hat im Laufe der Zeit und bei der roßartigen Entwicklung der deutschen Seeschiffahrt sich zu einer wahren
ewerbesteuer umgestaltet. Der Abg. Graf Kanitz meint, die deutsche Seeschiffahrt werde durch die Herabsetzung ungebührlich bevorzugt; andere Nationen aber geben ihrer Schiffahrt große Subventionen. (Abg. Graf Kanitz: Wir auch!) Nein, wir geben gar keine. Die eeaee. im Interesse der kleinen Segelschiffahrt ist ganz dringend geboten.
Staatssekretär des Auswärtigen Amts Freiherrvon Schoen:
Meine Herren! Der Herr Abg. Dr. Semler hat mit gewissen Zeichen der Ungeduld noch einmal nach dem Schicksal des Gesetzes über die Staatsangehörigkeit gefragt. Ich brauche nur daran zu erinnern, daß diese Frage hier schon vor einigen Wochen gestellt und vom Herrn Reichskanzler beantwortet worden ist. Ich muß natürlich davon Abstand nehmen, die Erklärung des Herrn Reichskanzlers zu wieder⸗ holen, und beschränke mich auf die Bemerkung, daß der Herr Reichs⸗ kanzler gesagt hat, das Gesetz sei im großen und ganzen fertig gestellt, es hätte sich aber über einen einzelnen Punkt noch Zweifel ergeben, über welchen neue Erhebungen notwendig geworden wären; im übrigen würde der Herr Reichskanzler sich die Förderung des Gesetzes an⸗ gelegen sein lassen.
Abg. Dr. Semlex (nl.): Diese Vertröstungen von einer Session auf die andere sind das Allerunerfreulichste. Es ist kein Gesetz so dringend notwendig als eins, das uns den Verlust der Reichs⸗
ngehörigkeit erspart. 1
Damit schließt die Diskussion.
Persönlich verwahrt sich der
Abg. Graf Kanitz dagegen, gegen die deutsche See unfreundliche Haltung eingenommen zu haben. 3
Die Vorlage geht an die Budgetkommission.
schiffahrt eine
Den letzten Gegenstand der Tagesordnung bildet die erste Beratung des Gesetzentwurfs über die Ausgabe kleiner Aktien in den Konsulargerichtsbezirken und im Schutzgebiet Kiautschou. Scttaatssekretär des Auswärtigen Amts Freiherr von Schoen:
Meine Herren! Der Gesetzentwurf über die Ausgabe kleiner Aktien in den Konsulargerichtsbezirken und im Schutzgebiete Kiautschou hat dem hohen Hause bereits einmal vorgelegen, ist damals an die Budgetkommission verwiesen, aber von derselben infolge Schließung des Reichstags nicht erledigt worden. Der Entwurf liegt Ihnen in unveränderter Gestalt nunmehr wieder vor.
Bei der ersten Beratung im vorigen Sommer hier im Plenum es hohen Hauses ist der Gedanke hervorgetreten, daß es sich bei dem vorliegenden Entwurf nur um einen ersten Schritt auf dem Wege
der Durchbrechung unserer bewährten Aktiengesetzgebung handele, und daß seine Vorschriften auf die übrigen Schutzgebiete ausgedehnt werden önnten. Demgegenüber kann ich heute nur sagen, daß eine solche Ausdehnung von den verbündeten Regierungen nicht beabsichtigt ist. Der Gesetzentwurf ist auf Ausnahmeverhältnisse, ist ausschließlich auf die Konfulargerichtsbezirke namentlich in Ostasien und auf das Schutzgebiet von Kiautschou zugeschnitten. Im übrigen wünschen die verbündeten Regierungen keine Durchbrechung des durchaus bewährten Grundsatzes, welcher die Ausgabe von Inhaberaktien unter dem Be⸗ trage von 1000 ℳ untersagt. In der Reichstagssitzung vom 7. Juli v. J. ist ferner bemerkt worden, daß man zu der hier in Frage stehenden Ausnahmebestimmung nur dann die Zustimmung geben könnte, wenn das Bedürfnis nach⸗ 8 ewiesen sei. Das ist gewiß richtig. Aber ein solches Bedürfnis ist nach unserem Dafürhalten vorhanden, und sogar in erheblichem Maße vorhanden. Bei näherer Prüfung, hoffe ich, werden Sie sich überzeugen, daß dem so ist, namentlich wenn wir in der Lage sind, Ihnen bei einer etwa stattfindenden kommissarischen Beratung Einsicht in die Petitionen zu geben, welche das Auswärtige Amt aus den Kreisen unserer Kaufleute an den großen Handelsplätzen Ostasiens erhalten hat, und welche übereinstimmend sich dafür interessieren, daß eeine solche Maßregel, wie sie in dem Gesetzentwurf vorgesehen ist, “ wird. Ich erwähne im vorigen Jahre, daß der damalige langt war, Eingaben den Entwurf dem
auch in diesem Zusammenhange, daß wir als es draußen in Ostasien bekannt wurde, Entwurf nicht zur Verabschiedung ge⸗ erhielten, welche uns dringend baten, Reichstage von neuem vorzulegen und nach Möglichkeit für die Annahme einzutreten. In diesen Eingaben ist auch eine Reihe von Unternehmungen namhaft gemacht, welche von Deutschen mit deutschem Gelde in China ins Leben gerufen sind, welche aber die Gesellschaftskorm nach dem Rechte anderer Staaten gewählt haben, eben deshalb, weil nach deutschem Recht die Ausgabe kleiner Aktien nicht zulässig ist. Einige besondere Beispiele werden Ihnen in der etwaigen kommissarischen Beratung noch unterbreitet werden können.
Es ist ferner der Befürchtung Ausdruck gegeben worden, daß durch die Zulassung kleiner Aktien ein gewisser Ansporn zur Speku⸗ lation für kleine Leute gegeben werden könnte. Uns erscheint diese Befürchtung nicht gerechtfertigt; denn abgesehen davon, daß in den Konsulargerichtsbezirken jederzeit kleine Aktien ausgegeben werden können nach dem dort auch geltenden Recht fremder Staaten, und aß dann so wie so die Möglichkeit für die Spekulation in kleinen Aktien gegeben ist, ist doch zu beachten, daß unsere Landsleute draußen fast ausschließlich erfahrene Leute sind, die sehr wohl wissen, was ie zu tun und zu unterlassen haben, und die sich sehr wohl u schützen wissen gegen die Gefahr, welche in der Spekulation mit kleinen Papieren liegen könnte. Ein wesentlicher Nachteil scheint also n dieser Richtung nicht zu befürchten zu sein. 8
““
Der Vorteil aber, den wir von der Regelung der Materie in der von uns vorgeschlagenen Weise erwarten, besteht darin, daß deutsche Unternehmer sich hinfort nicht mehr unter eine fremde Flagge begeben, sondern sich der Form des deutschen Rechts bedienen werden. Dieser Vorteil ist aber nicht allein ideeller, sondern auch materieller Art. Es ist doch zu bedenken, daß, wie die Erfahrung zeigt, Unter⸗ nehmungen, die sich unter den Schutz eines fremden Rechts stellen, sich auch bis zu einem gewissen Grade dem fremden Einfluß öffnen. Mit dem fremden Einfluß ist natürlich Tür und Tor geöffnet dafür, daß das Unternehmen unter fremde Leitung gelangt, und mit der fremden Leitung wird man zur Bevorzugung fremder Bezugsquellen hingeführt. Es handelt sich hier um Gebiete, auf welchen eine starke Konkurrenz der verschiedenen Nationen stattfindet, und auf welchen wir diesen Konkurrenzkampf unseren Landsleuten nicht durch unsere Gesetzgebung erschweren sollten.
Aus diesem Grunde erlaube ich mir, namens der verbündeten Regierungen die Vorlage zur Annahme zu empfehlen.
Kommissar des Reichsmarineamts, Korvettenkapitän Brüning⸗ haus: Wenn das Reichsmarineamt mit dem Auswärtigen Amt den Wünschen der Kaufmannschaft in Ostasien nachgekommen ist und diesem Wunsche durch Vorlegung dieses Entwurfs Aus⸗ druck gegeben hat, so bewegt es sich dabei auf der Linie und in der Richtung, die verschiedentlich als richtig anerkannt worden ist. Wenn demgegenüber eingewendet worden ist, daß durch die Einführung der kleinen Aktien im Kiäautschougebiet eine Spekulation entfesselt werden würde, und daß diese Einführung dort um so weniger notwendig wäre, als diese Aufgabe von Kolonial⸗ gesellschaften erfüllt werden könnte, so möchte ich darauf erwidern, daß die Kaufleute draußen an die Gründung von Kolonial⸗ gesellschaften, die die Möglichkeit hätten, solche kleinen Aktien auszugeben, sehr ungern herangehen, weil ihnen der Gedanke, mit dem Bundesrat sich deswegen in Verbindung zu setzen, ob mit Recht oder Unrecht, lasse ich dahingestellt, äußerst unsympathisch ist. Auch ist ihnen ein Regierungskommissar bei der Aktiengesellschaft nicht allzu angenehm. Man muß also mit der Tatsache rechnen, daß die Leute draußen Kolonialgesellschaften nicht gründen, und daß der Wunsch der Ausgabe kleiner Aktien durchaus berechtigt ist. Daß dort Unstimmigkeiten entstanden sind, die gewissermaßen eine Anomglie darstellen, kann ich Ihnen an einem Schulbeispiel zeigen. Mit deutschem Kapital ist in Tsingtau eine deutsche Brauerei errichtet worden, die sich der allgemeinen Beliebheit erfreut, die aber unter der Flagge einer English and German Brewery kursieren muß. Ich glaube daher, daß man, auch vom Standpunkt des Reichsmarineamts, mit der Einführung dieser kleinen Aktien für Kiautschou den Bestrebungen Vorschub leistet, die hier immer eine anerkennenswerte und dankenswerte Zustimmung gefunden haben. Deutsche Sprache, deutscher Handel und deutsche Industrie müssen eine wesentliche Einbuße erleiden, wenn man deutsche Unternehmungen nicht nach Kräften fördert. Der vorliegende Entwurf ist lediglich aus einem praktischen Bedürfnis entstanden. Noch neuerdings ist uns aus den beteiligten Handelskreisen volle Anerkennung und Befriedigung über diese Vorlage ausgesprochen worden. Ich glaube Ihnen daher namens des Reichsmarineamts die Vorlage zu einer wohlwollenden Prüfung empfehlen zu dürfen.
Abg. Schwarze⸗Lippstadt (Zentr.): Namens meiner politischen Freunde habe ich schwere Bedenken gegen den Entwurf auszusprechen. Wie gefährlich die Ausgabe kleiner Aktien ist, hat die Ausgabe der englischen Poundshares gezeigt. Gerade, daß man drüben Kolonial⸗ gesellschaften für die hier in Rede stehenden Zwecke nicht gründen will, sollte uns stutzig machen. Ich meine, die Leute sind drüben doch reich genug, um nicht auf die Ausgabe von kleinen Aktien angewiesen zu sein, und es muß auffallen, daß man gerade den kleinen Mann be⸗ teiligen will. Will man aber auf die Gründung von Kolonial⸗ gesellschaften sich nicht einlassen, so ließen sich ja andere Formen finden. Wir können die Befürchtung nicht los werden, daß durch die Ausgabe kleiner Aktien der Spekulation Vorschub geleistet wird.
Abg. Ortel (unl.): Nach den Ausführungen, die wir vom Bundes⸗ ratstisch gehört haben, wundere ich mich, daß das Gesetz nicht auch auf andere Schutzgebiete ausgedehnt worden ist. Dem Bedenken des Vorredners können wir uns nicht anschließen. Es ist ein großer Unterschied, ob solche kleinen Aktien im Inlande aus⸗ egeben werden, oder ob wir dadurch unsere Unternehmungen im Auslande unterstützen wollen. Die Befürchtung, daß durch diese kleinen Aktien ein Ansporn zur Spekulation für den kleinen Mann gegeben werde, teile ich nicht, denn an solchen Sachen beteiligt sich nicht der kleine Mann, und gerade in den Kolonien haben wir recht erfahrene Leute, die ihr Interesse wahrzunehmen verstehen. Wenn wir dies Gesetz ablehnen, so wird davon nur England den Vorteil haben. Der Vorredner meinte, es gäbe doch dort noch andere Formen, als die der Aktiengesellschaft. Das muß ich bestreiten. Wir beantragen, um die Sache klar zu stellen, den Gesetzentwurf einer Kommission von 14 Mitgliedern zu überweisen.
Abg. Freiherr von Richthofen (dkons.): Von dem vorliegenden Gesetzentwurf ist schon bei verschiedenen Gelegenheiten, und zwar meist mißbilligend, die Rede gewesen. Wenn man sich auf einen unvoreinge⸗ nommenen Standpunkt stellt, so muß man zugeben, daß die Verhältnisse in den Kolonien mit unseren heimischen Verhältnissen nicht verglichen werden können. Zu einer Aenderung der Aktiengesetzgebung in Deutschland liegt kein Bedürfnis vor, aber was Kiautschou betrifft, so muß man sich doch fragen, ob man aus bloß theoretischen Gründen an dieser Gesetzgebung festhalten soll, was unter Umständen zu einer Schädigung des Schutzgebietes führen kann. Wir kommen aus diesen Erwägungen heraus zu einem dem Entwurf günstigen Ergebnis. Wir wollen dem Reichskanzler vorbehalten, zu pruͤfen, ob das Gesetz in anderen Schutzgebieten notwendig ist oder nicht. Würden wir das Gesetz nicht annehmen, so bestünde die Gefahr, daß unser Kapital auswandert, und das wäre unter allen Umständen zu bedauern.
Abg. Kaempf ffortschr. Volksp.): Ich will nicht untersuchen, ob unsere inländische Gesetzgebung mit der Bestimmung, daß Inhaber⸗ aktien nicht unter 1000 ℳ ausgegeben werden dürfen, das Richtige getroffen hat oder nicht. Dieser Bestimmung lag der Gedanke zu Grunde, den kleinen Mann davon abzuhalten, sein Geld in solchen Unternehmungen anzulegen. Nun ist es aber sehr fraglich, ob nicht gerade durch diese Bestimmungen die ungesunde Spekulation gefördert wird. Schon heute kann jeder Mann, der auch nur 200 oder 250 ℳ hat, sich eine Aktie von 1000 ℳ kaufen und das übrige schuldig bleiben. In anderen Staaten bestehen viel kleinere Aktien als bei uns. Die deutschen Börsen können sich gegen das Ausland nicht abschließen, und tatsachlich sind auch ausländische Aktien unter 1000 ℳ an unseren Börsen zugelassen. Daß in unseren Konsularbezirken die Ausgabe kleiner Aktien notwendig ist, ergibt sich aus den dort be⸗ stehenden Gewohnheiten, aus dem Vorgange Englands. Wir müssen uns den dortigen Gewohnheiten anpassen. Die Gefahr einer Ueber⸗ spekulation liegt vielmehr, wie bereits angedeutet, darin, daß große Aktien mit geringen Anzahlungen erworben werden können. Man hat gesagt, die Einpfundaktien wären eine wahre Pest. Ich meine, es wäre viel besser gewesen, diese Einpfundaktien offiziell in Deutsch⸗ land zur Börse zuzulassen, statt daß das deutsche Publikum durch Vermittlung der englischen Agenten an der Londoner Börse diese Aktien kaufte. Wären diese Aktien bei uns zugelassen, dann wäre auch darüber ein Prospekt herausgegeben worden usw. Nun handelt es sich aber gar nicht um die Einführung von Einpfundaktien in Kiautschou. Man soll doch die Leute, die 200 ℳ haben, nicht hindern, ihr Geld in diese Kulturaufgaben hineinzustecken. Unser Staats⸗ kommissar sollte nach Möglichkeit dafür sorgen, daß diese Aktien auch an der deutschen Börse eingeführt werden. Dann wird auch die Ge⸗ fahr eines Schwindels mit solchen Aktien beseitigt werden können. Ich meine aber, daß man die Bestimmung nicht auf Kiautschou be⸗ schränken, sondern sie auf alle deu en Schutzgebiete erstrecken sollte
“
““ 8— 8
Abg. Eichhorn (Soz.): Meine Fraktion wird gegen die Vor⸗ lage stimmen. Wir halten streng an dem Gedanken fest, daß das kleine Kapital nicht hineingelegt werden, daß der kleine Mann Spekulationszwecken nicht ausgeliefert werden darf. Bei der Stim⸗ mung, die hier früher gegen solche Pläne herrschte, hatten eigentlich gehofft, daß sich heute hier eine größere Mehrheit gegen den Gesetzentwurf zusammenfinden würde, als es der Fall zu sein scheint. Schon 1896 wehrte sich der Abg. von Gamp lebhaft gegen die Zulassung ausländischer Aktien unter 1000 ℳ. Nun soll au einmal der Anfang gemacht werden, kleine Aktien zuzulassen, zunächst in Kiautschou. Dies ist aber natürlich nur der erste Schritt, dem weitere folgen werden. Und dabei wird es nicht einmal sein Bewenden haben, man wird schließlich auch in Deutsch⸗ land die kleinen Aktien zulassen. Damit aber würde das kleine Spar⸗ kapital in die Spekulation hineingerissen werden. Wo das große Kapital etwas herauszuholen hofft, wo ein Geschäft zu machen ist, da findet sich auch das Großkapital ein. Man komme uns also nicht mit dem Einwand, daß dort in Kiautschou die Sache nicht anders zu machen ist. Es handelt sich hier vielmehr darum, mit dem Gelde der kleinen Sparer faule Gründungen des Großkapitals zu decken. Daß die Kollegen Kaempf und Ortel für den Gesetzentwurf eintreten würden, war zu erwarten. Für sie spielt das Großkapital eine große Rolle. Auf diesem Wege will man nun eine Ausdehnung der Jagd nach Profit, wie sie heute in den Kolonien besteht, auf das einheimische Kapital erreichen. Seitdem der Staatssekretär Dernburg am Ruder ist, ist ganz offen zugegeben, daß für die Kolonien nur eine groß⸗ kapitalistische Politik größten Stiles möglich ist. Dann soll aber auch das Großkapital das Risiko tragen. Mit dem Argument des Abg. Kaempf, wir sollten lieber Spekulationsmöglichkeiten ier schaffen, weil sonst das deutsche Geld an die Engländer ginge, kann man auch die Forderung verteidigen, in Deutschland eine Spielhölle zu gründen, weil sonst die Leute nach Monte Carlo gingen. Leider be⸗
steht ja bereits in den Kolonien die Möglichkeit, kleinere Anteile
auszugeben, denn die Kolonialgesellschaften unterliegen keiner Be⸗ schränkung hinsichtlich der Bemessung ihrer Anteile. Wir lehnen nicht nur die Vorlage ab, wir würden auch dringend wünschen, daß die Bestimmungen über die Kolonialgesellschaften geändert würden; dann wäre es nicht möglich, daß in einem Orte wie in Lüderitzbucht 25 Aktiengesellschaften gegründet werden, die natürlich Geld hereinzulocken suchen, und zwar auf Kosten der kleinen Leute. Die Anlage deutschen Kapitals im Ausland hat nicht nur den Nach⸗ teil, daß zu Gunsten einiger Spekulanten deutsches Kapital für der⸗ artige Experimente herausgezogen wird und vielleicht verloren geht, sondern auch die Gefahr, daß die Reibungen zwischen Deutschland und anderen Staaten verstärkt werden. Wenn eine Kommissionsberatung beschlossen wird, so werden wir dagegen nichts einwenden.
Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Lisco:
Meine Herren! Es ist mehrfach der Befürchtung Ausdruck ge⸗ geben worden, daß, wenn dieser Gesetzentwurf zum Gesetz erhoben und damit die Möglichkeit geschaffen würde, Aktien von 200 ℳ aus⸗ zugeben, das zur Folge haben könnte, daß auch bald’ ein Einbruch in unsere inländische Gesetzgebung erfolgen werde; die Entwicklung werde
dahin führen, daß dann auch im Inlande von dem Nominal⸗
betrage von mindestens 1000 ℳ für Aktien werde abgesehen werden, daß die Ausgabe von Aktien zu einem niedrigeren Betrage für zulässig erklärt und damit der jetzige Zustand unserer Gesetzgebung, der sich als segensreich für unser Volksleben erwiesen habe, verlassen würde. Meine Herren, diese Befürchtungen sind durchaus unbegründet. Ich glaube, namens der Reichsregierung Ihnen versichern zu können, da Erwägungen, die die Verringerung des Nominalbetrags der Aktien zum Ziele gehabt, niemals stattgefunden haben und daß die Regierungen gar nicht daran denken, unsere innere Aktiengesetzgebung nach diese Richtung irgendwie einer Aenderung zu unterziehen. Also von diese Gesichtspunkt aus können Sie, meine Herren, dem Gesetzentwurf wohl Ihre Zustimmung versagen (große Heiterkeit) — erteilen. Ich wieder hole, daß die Reichsregierung für die Herabsetzung des Nominalbetrags der inländischen Aktien unter den Betrag von 1000 ℳ nicht zu haben sein wird.
8
Abg. Schultz (Np.): Die Mehrbeit me
8
einer Freunde wird den Gesetzentwurf unbefangen prüfen. Die Begründung ist eingehend und einleuchtend, aber die Minderheit meiner Partei hält den Wert des Gesetzes für zweifelhaft. Diese werden in ihrem Bedenken natürlich dadurch bestärkt, daß die Möglichkeit besteht, die deutsche Aktiengesetzgebung zu durchbrechen und allmählich zu Aktien unter 1000 ℳ überzugehen. In der Beziehung werden wir uns nicht nur durch Erklärungen sichern dürfen, sondern wahr⸗ scheinlich durch eine Gesetzesvorschrift Vorsorge treffen müssen, damit uns späterhin kein Vorwurf trifft. Zweifellos hat unsere Kaufmann⸗ schaft im Auslande den Wunsch, daß kleinere Aktien zugelassen werden. Der Vorredner behauptete, daß durch faule Gruündungen den kleinen Leuten das Geld aus der Tasche gezogen wird; Beispiele dafür habe ich aber nicht gehört. Es ist doch zu wünschen, daß das kleine Kapital auch Nutzen von den Kolonialgründungen zieht. Was die Kolonialgesellschaften anbetrifft, so unterstehen diese der Aufsicht des Reichskanzlers.
Abg. Lattmann (wirtsch. Vgg.): Wir stimmen dem sozialdemo⸗ kratischen Redner vollkommen zu. Auch uns würde es am liebsten sein, wenn das Gesetz ohne Kommissionsberatung abgelehnt würde. Aber nachdem solche beantragt ist, wollen wir uns ihr nicht widersetzen. Die Vorlage sieht so harmlos aus, sie spricht nur von den Konsular⸗ gerichtsbezirken und von Kiautschou. Das Publikum, das in Frage kommt, sind meist unsere Matrosen. Sie mögen einen weiteren Blick haben, weil sie viel herumgekommen sind, aber deshalb können sie die Rentabilität eines Unternehmens doch nicht beurteilen. Das Bedürfnis ist für Kiautschou angeblich nachgewiesen, für die anderen Länder und Konsulargerichtsbezirke heißt es in der Begründung aus drücklich, ein gleiches Bedürfnis ist bislang nicht hervorgetreten. Die heutigen Verhandlungen haben schon ergeben, wie nahe ein Einbruch in unsere heimische Aktiengesetzgebung gerückt wird, und es werden schon Wünsche laut auch von n. be des Hauses, daß man den Entwurf auf die anderen Kolonien ausdehnen möge, ferner wird auch schon eine weitere Herabsetzung von 200 auf 100 ℳ verlangt. Daß auch der Staatssekretär Dernburg für die vor geschlagene Maßnahme sich erklärt, interessiert uns um so mehr als er in der Kommission den Kolonisten vor gar nicht langer Zeit eine Auskunft erteilt hat, die auf die entgegengesetzte Meinung schließen läßt, die aber nachher in dem offiziellen Protokoll nicht mehr ent⸗ halten war. Gerade vom kolonialfreund lichen Standpunkte aus möchte ich die Annahme des Entwurfes widerraten. Wenn eir kleiner Kapitalist an unseren Kolonien was verliert, so hat dies eine kolonialfeindliche Wirkung.
Abg. Dr. Heckscher (fortschr. Volksp): Ich finde im Gegensatz zum Abg. Schultz, daß die Begründung von auffälliger Knappheit ist. Her Entwurf ist aber von weittragender Bedeutung. Man soll sich doch fragen, ob wir ein altbewährtes System unserer Aktien⸗ gesetzgebung durchbrechen sollen und damit eine Entwicklung an bahnen, die für unser deutsches Wirtschaftsleben umgestalten wirken kann. Auf einer Versammlung von Kolonialkennern, die sich mit dieser Frage beschäftigt hat, hat sich, soweit ich die Berichte durchblättern konnte, ein einziger von all den mit allen Kolonien vertrauten Rednern für das System der kleinen Aktien ausgesprochen.
Deutschen
Einer der Herren aus dem Reichskolonialamt, der an der Be⸗ ründung und Schöpfung dieses Gesetzentwurfes mitgearbeitet hat, bat auf jener Versammlung, wenn er sich auch nicht direkt gegen den Grundgedanken dieser kleinen Aktien erklärt hat, doch sehr viele Bedenken ausgesprochen und mit Recht darauf hingewiesen, daß es sehr bedenklich ist, wenn die heimische Gesetzgebung sich von der der Kolonien entfernt oder umgekehrt. Man ist gar nicht in der Lage, die Entwicklung, wenn sie einmal eingesetzt hat, aufzuhalten. Verfolgen Sie die Geschichte der englischen kleinen Aktien, so werden Sie beobachten, wie sie auch dort ganz allmählich vor sich gegangen ist. Ich weiß, daß ganz ausgezeichnete Volkswirte, ein Mann wie Schulze⸗Gävernitz, mit Ueber⸗ eugung und großer Lebhaftigkeit für das englische System eintreten, und deutsche Kaufleute, die von dem Verdacht des Spekulationsfiebers frei sind, halten es für notwendig. Trotzdem muß ich mit allem Ernst gegen diesen Gesetzentwurf protestieren. Gerade in dieser Zeit, wo man bei uns den neuen Schritt tun will, ist in England wieder eine wilde Spekulation zusgebrochen, es hat sich aber gezeigt, daß mancherlei Grün⸗ dungen auf schwindelhafter Basis beruhen. Wir haben die Ehren⸗ pflicht, den Sinn unseres Volkes auf ernste, tüchtige Arbeit zu jeiten, wir müssen alles bekämpfen, woraus wir befürchten müssen, daß die Spielleidenschaft angeregt wird. Wenn wir die Gewiß⸗ heit hätten, die uns aber kein Kaiser und kein Staatssekretär geben kann, daß es bei diesem ersten Schritt bleibt, so läge die Sache auch noch anders. Aber sehen wir nicht in unseren Kolonien auch ohne diese kleinen Aktien ein kraftvolles und erfreuliches Fortschreiten? Jeder Kenner englischer Verhältnisse hat gesehen, zu welcher Ver⸗ wüstung gerade diese Spekulation geführt hat. Ich danke meinem reunde Kaempf fur seine Ausfuhrungen, weil sie zeigen, wohin die Seaacklung führen muß. Ich meinerseits muß den Entwurf ablehnen.
Abg. Dr. Arendt (Rp.): Ich bin in der erfreulichen Lage, nit dem sozialdemokratischen Redner und dem letzten Redner durchaus übereinstimmen zu können, und kann nur dankbar dafür sein, daß diese offenherzigen Auslassungen auch diejenigen meiner Freunde, die der Vorlage geneigter sind, aufzuklären wesentlich beigetragen haben. Es wird hier nur der Stein ins Rollen ge⸗ bracht; alles andere ergibt sich dann von selbst. Deshalb gilt hier mehr als je das gute alte principiis obsta! Die Eingaben der Kolonialgesellschaften und der Berliner Handelskammer sind ein aus⸗ ezeichneter Beweis dafür, daß man an anderen Stellen anderer Neinung hinsichtlich der Ausdehnung dieser Gesetzgebung ist als bei ein Widerspruch in sich selbst sein, wenn man nachher anderen Konsularbezirken und anderen Kolonien das gleiche Recht versagen wollte. Es wird ein Markt für kleinere Aktien geschaffen und das Publikum daran gewöhnt werden.
Hauptsache ist ja bei diesen Papieren, daß bei der Be⸗ gründung solcher Gesellschaften Kreise herangezogen werden, die davon durchaus ferngehalten
werden müssen. Ich lege das entschiedenste Gewicht darauf, daß diese Vorlage nicht Gesetz wird.
. fs fteste, d sche Kolonialgesellschaft Ich bedauere aufs lebhafteste, daß die Deutsche Kolonialgese schaf eine Eingabe zugunsten der Maßnahme gemacht hat. Im Interesse unserer Kolonien wünsche ich, daß ihre jetzige Volkstümlichkeit nicht durch ein Gründungsfieber aufs Spiel gesetzt werde.
der Regierung. Es würde ja
Die
Die Kon⸗ kurrenz mit England aufzunehmen mit Zweihundertmarkaktien, ist ja unlogisch, weil diese 20 ℳ⸗Aktien haben; und bei dem jetzigen Gummischwindel gibt man dort schon 2 ℳ »Anteile aus. Immer werden die letzten bei diesen faulen Gründungen hängen Fleiben; den letzten beißen die Hunde. Ich widerstrebe also durchaus der 8 diesen ersten Schritt mitzumachen. Gerade die Ausführungen der Abgg. Ortel und Kaempf haben gezeigt, welche gefährliche Straße hier eingeschlagen werden soll. Vielleicht können wir der Kommissionsberatung überhaupt ent⸗ raten: denn nach der Debatte wird man in Deutschland durchaus wünschen, daß diese Vorlage fällt. Ich will mich nicht gegen ein Begräbnis erster Klasse aussprechen, beantrage aber die Verweisung an die Budgetkommission.
Diesem Vorschlag gemäß beschließt das Haus, nachdem der Antrag Ortel auf Einsetzung einer besonderen Kommission zrückgezogen ist.
Doamit ist die Tagesordnung erledigt.
Schluß 6 ½ Uhr. Nächste Sitzung -be 2 Uhr.
(Wahlprüfungen, darunter diejenigen der Abgg. Kleye, Wehl
Sievers (nl.), von Kaphengst, Arnstadt, Henning (dkons.) und
Meyer⸗Pfarrkirchen (Zentr.), wo die Wahlprüfungskommission
Ungültigerklärung beantragt.) “ 111“*“ 8
Haus der Abgeordneten. 57. Sitzung vom 25. April 1910, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Das Haus setzt die zweite Beratung des Etats des Ninisteriums der geistlichen, Unterrichts⸗ und Me⸗ dizinalangelegenheiten bei dem Kapitel „Universi⸗ täten“ fort. Abg. Dr. Kaufmann (Zentr.): Wir freuen uns über jede örderung der Universitäten und sind darum über die Erhöhung der tatssumme befriedigt. Nicht einverstanden sind wir dagegen mit dem Vorgehen der Bibliotheksverwaltung. Wenn, um unsere Bibliotheken den wissenschaftlichen Anforderungen entsprechend auszugestalten, jährlich 190 000 ℳ mehr nötig. sind, so hätte diese Summe im Etat gefordert werden müssen. Statt dessen ist nur eine Mehrforderung von 62 750 ℳ vorbhanden, während die übrigen Gelder durch eine neue Art von Steuern zufgebracht werden sollen. Wir halten diese Belastung, vor allem der Studierenden, für durchaus rückständig, zumal da von dem Studenten schon für die Benutzung der Seminarbibliotheken 5 ℳ und auch noch eine Auditoriumsgebühr von 5 ℳ% gefordert wird. Das Studium von Ausländern an unseren Universitäten gereicht dem Deutschtum doch nur zur Ehre. Wir können es deshalb nicht billigen, wenn den Ausländern der Zutritt zu den preußischen Universitäten erschwert wird. Die Zahl der Ordinarien für katholische beologie ist zu gering. Besonders zeigt sich dies daran, daß die Zahl er Seminare für katholische Theologen zu beschränkt ist. Für das Kolonialrecht muß mehr als bisher geschehen. Darum hat auch nein Parteifreund Dr. von Savigny die Umwandlung des Berliner Frtraordinariats für Kolonialrecht in ein Ordinariat beantragt. Der Universität Berlin, die sich glänzend entwickelt hat, sprechen wir zu ihran bevorstehenden Jubiläum unsere besten Glückwünsche aus. Die Universität Berlin ist besonders gut ausgestattet, und ich möchte shalb den Minister bitten, die anderen Universitäten nicht zurück⸗ züstellen.
1.
Neichsanzei
“
eite Beilage
Berlin, Dienstag, den 26. April
Minister der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗ angelegenheiten von Trott zu Solz:
Meine Herren! Wenn ich zu den bisherigen Ausführungen zum Etat der Universitäten mir jetzt das Wort zu nehmen erlaube, so werde ich mich bemühen, in meiner Rede mir gegenwärtig zu halten, daß wir uns in der Generaldebatte befinden, und auf Punkte, auf die voraussichtlich in den speziellen Erörterungen zurückgegriffen wird, nur da, wo es unbedingt nötig ist, auch meinerseits einzugehen.
Der Herr Abg. Winckler hat ebenso wie der Herr Abg. Graf Clairon d'Haussonville an die Spitze seiner Ausführungen die Be⸗ merkung gestellt, daß es eine Freude und ein Stolz für mich sein müsse, einen solchen wohldotierten Etat hier zu vertreten. Das ist ganz gewiß zutreffend, und ich glaube, mich Ihrer Zustimmung ver⸗ sichert halten zu können, wenn ich dem Herrn Finanzminister dafür Dank weiß, daß er trotz der bedrängten finanziellen Lage des Staates sich bereit gefunden hat, nicht nur die bisherigen Mittel für kulturelle Zwecke zur Verfügung zu stellen, sondern sogar noch darüber nicht unerheblich hinauszugehen.
Freilich, meine Herren, manche Wünsche und manche Bedürfnisse haben unerfüllt bleiben müssen. Auch ich habe mich als Staats⸗ minister mit meinen Anforderungen beschränken und habe auf manches wegen der finanziellen Lage des Staats verzichten müssen. Das werden auch Sie zu berücksichtigen geneigt sein, wenn Sie den Etat für die Universitätsverwaltung beurteilen. Die Anforderungen für wissenschaftliche Zwecke sind mit der rapiden Fortentwicklung der Wissenschaft, namentlich auf naturwissenschaftlichem Gebiete, von Jahr zu Jahr gestiegen, und es besteht gar kein Zweifel, daß das auch in Zukunft vielleicht noch in erhöhtem Maße der Fall sein wird. Wenn wir daher mit unsern Universitäten die Stellung, die wir bisher in der Welt eingenommen haben, behalten wollen, dann wird es nicht zu vermeiden sein, daß auch in Zukunft noch sehr erhebliche Mittel für Universitätszwecke, für wissenschaftliche Zwecke aufgewendet werden.
Ob man nun da an dem bisher von Preußen mit Stolz be⸗ folgten Grundsatz, daß diese Aufwendungen Sache des Staats seien, und daß es seine Pflicht sei, hier allein die Sorge zu tragen, ohne jede Einschränkung auch in Zukunft unbedingt festhalten kann, das steht allerdings dahin. In anderen Ländern ist es anders. Ich er⸗ innere an England und seine altberühmten Universitäten, die reich dotiert sind, die reiche Stiftungen haben, aus denen sie ihre Unkosten bestreiten können; ich erinnere an Amerika, wo überaus erhebliche Mittel aus privaten Händen für wissenschaftliche Zwecke zur Ver⸗ fügung gestellt werden. Bei uns geschieht das, wie ich gern anerkenne, ja auch; aber wenn man die Summen, die in Amerika jahraus, jahrein für solche Zwecke fließen, in Vergleich stellt mit dem, was bei uns von privater Seite geschieht, so ist das außerordentlich wenig. Ich glaube, es wäre in hohem Grade erfreulich, wenn der Sinn des Gebens auf diesem Gebiete auch in unseren wohlhabenden Kreisen noch weiter sich verbreitete (sehr richtig! sehr wahr!) und auf diese Weise private Freigebigkeit dem Staate, der im Prinzip und in der Hauptsache gewiß diese Aufgabe nicht aus der Hand geben wird, sich hilfreich zur Seite stellte. Des⸗ halb, meine Herren, wird man vielleicht doch nicht umhin können, dieses Prinzip, von dem ich spreche, und an dem auch ich festhalten will, einigermaßen zu modifizieren. In dieser Richtung liegt auch die Absicht der Erhebung von Bibliotheksgebühren.
Ich begreife vollständig, daß die Sache für Sie, meine Herren, etwas unsympathisch ist, weil sie eben mit dem bisher festgehaltenen Prinzip nicht mehr in vollem Einklang steht. Aber ich glaube — und ich habe das ja auch aus den bisherigen Ausführungen entnehmen können —: Sie werden sich doch in der Sache nicht ablehnend verhalten; Sie werden das um so weniger zu tun brauchen, weil wir ja mit der Erhebung dieser Gebühren zugleich die Absicht verbinden, von der Erhebung dieser Gebühren Ausnahmen zu machen: bedürftige Studenten davon zu entbinden.
In ähnlicher Richtung liegt, meine Herren, die aus diesem hohen Hause wiederholt gestellte Forderung, daß den Ausländern, die an unseren Universitäten studieren, erhöhte Gebühren auferlegt werden möchten. Meine Herren, die preußischen Universitäten haben es stets als eine ihnen hocherfreuliche Pflicht angesehen, den Ausländern Gast⸗ freundschaft zu gewähren, ihnen ebenso wie unserer Jugend die Hör⸗ säle zu öffnen, damit sie dort aus den Quellen der Wissenschaft schöpfen können, deutsche Wissenschaftlichkeit kennen lernen und mit den hier erworbenen Kenntnissen und Eindrücken in ihr Vaterland zurückkehren, wo sie uns sehr oft beständige, treue und wertvolle Freunde geworden sind. Daran, meine Herren, wollen wir festhalten; das entspricht der alten Tradition, das entspricht der hohen Stellung, die unsere Uni⸗ versitäten auch heute noch in der Welt einnehmen, der hohen Stellung, in der sie — ich glaube, daß auch jetzt noch aussprechen zu dürfen — jedenfalls in ihrer Gesamtheit von keinem anderen Lande überflügelt werden. (Zustimmung rechts und im Zentrum.) Immerhin könnte man doch daran denken, daß da, wo für Universitätseinrichtungen von dem Staate besonders hohe Ausgaben gemacht werden müssen, bei der Einrichtung von wissenschaftlichen Instituten, von solchen Instituten, wo namentlich die Platzfrage eine große Rolle spielt, wo eben, dem Zwecke des Instituts entsprechend, nur ein beschränkter Zuhörerkreis möglich ist, — daß man bei solchen Instituten, wo ja sowieso eine besondere Gebühr erhoben wird, vielleicht für die Ausländer eine Erhöhung der Gebühren eintreten läßt. Ich würde das nicht für unbillig halten. Ich erwäge eben diese Frage und kann Ihnen vielleicht im nächsten Jahre hier das Ergebnis mitteilen.
Meine Herren, verschiedene Herren Redner haben warme Glück⸗ wünsche an die Universität Berlin zu ihrem bevosstehenden 100 jährigen Jubiläum gerichtet. Es wird das in den hiesigen Universitätskreisen gewiß äußerst sympathisch berühren, und ich glaube, im Namen der
Universität ihren Dank dafür hier aussprechen zu dürfen. Mit diesen⸗
freundlichen Glückwünschen ist aber bisher, glaube ich, von allen Herren Rednern wieder der Besorgnis lebhafter Ausdruck gegeben worden, daß wir die Universität Berlin in ungebührlicher Weise vor
den übrigen Universitäten unseres Staats bevorzugen. Diese Be⸗
ger und Königlich Preußischen
tsanzeiger
9
sorgnis geht ja schon seit Jahren durch die Verhandlungen dieses hohen Hauses, und ich will ganz offen erklären, daß ich selbst eben nach diesen Verhandlungen unter dem Eindruck ge⸗ standen habe, daß Berlin doch sehr stark bevorzugt würde, und daß ich mit diesem Eindruck an eine nähere Prüfung der Frage in meinem Ministerium herangetreten bin. Ich habe aber, um mir ein klares Bild über die Frage zu schaffen, sehr eingehende Ermittlungen dort anstelleu lassen, und das Ergebnis ist ja zu dem Protokoll der Budgetkommission in einer statistischen Zusammen⸗ stellung von mir gegeben worden. Daraus muß ich doch den Schluß ziehen, daß die Besorgnis nach der bisherigen Art und Weise der Verwaltung nicht begründet ist. Ich wüßte nicht, welchen anderen Maßstab man bei der Beurteilung dieser Frage anlegen könnte, als eben die Frequenz der verschiedenen Universitäten. Man kann dagegen meines Erachtens auch mit Recht nicht einwenden, daß von der Zahl der Schüler nicht unbedingt die Kosten der Aufwendungen in steigendem Maße abhängig wären. Das gilt doch nur bis zu einem gewissen Grade. Wenn die Unterschiede in der Frequenz aber so bedeutend sind, wie es bei Berlin und den anderen Universitäten der Fall ist, wenn es dadurch hier in Berlin erforderlich ist, Parallel⸗ professuren, Parallelinstitute zu begründen, und wenn Berlin bei diesem Vergleich an so später Stelle steht, wie es tatsächlich der Fall ist, dann glaube ich, kann man doch gegen den angewandten Maßstab mit Recht Einwendungen nicht erheben, und man wird da zu dem Ergebnis gelangen, daß Berlin in der Tat nicht ungebührlich vor den übrigen Universitäten bevorzugt worden ist. (Sehr richtig . Dabei, meine Herren, stelle ich mich durchaus auf den Standpunkt, den soeben der Herr Abg. Kaufmann vertreten hat: wir müssen Berlin würdig ausgestalten, soweit es nach der Finanzlage irgend möglich ist, würdig der Stellung, die die Universität Berlin als die Universität der Hauptstadt hat. Dabei dürfen wir aber keineswegs die anderen Universitäten etwa vernachlässigen und glauben, daß wir genug getan haben, wenn wir nur Berlin gut ausgestalten. Ich halte auch die Dezentralisation unseres Unversitätswesens und „Lebens für einen großen Vorzug unseres Landes (sehr richtig!), und ich werde durchaus bestrebt sein, soweit die Mittel dazu flüssig gemacht werden könne in demselben Maße auch die übrigen Universitäten zu fördern und zu pflegen. (Bravo!) Ich glaube, dafür auch schon einen gewissen Beweis gegeben zu haben. Als in der Budgetkommission sehr ein⸗ gehend die Verhältnisse der Universität Münster erörtert wurden, und namentlich der Herr Abg. Schmedding als Bürger dieser Stadt in warmer und überzeugender Weise dafür eingetreten war, daß an der Universität Münster Mängel beständen, die dringend der Abhilfe bedürften, habe ich aus diesen Verhandlungen den Anlaß genommen, alsbald nach ihrem Beschluß Kommissare nach Münster zu entsenden, um sich dort über die tatsächlichen Verhältnisse eingehend zu informieren. (Bravo!) Auf Grund des Ergebnisses dieser Unter⸗ suchung bin ich zu der Ueberzeugung gelangt, daß in der Tat für Münster etwas Durchgreifendes geschehen muß. (Bravo!) Ich bin auch in der glücklichen Lage, bereits heute mitteilen zu können, daß der Herr Finanzminister grundsätzlich derselben Auffassung ist (leb⸗ hafter Beifall), und ich kann der Hoffnung deshalb Ausdruck geben, daß die weiteren Verhandlungen die Wänsche, soweit sie jetzt erfüllbar sind, zur Erfüllung führen werden. Allerdings wird dies ganz wesentlich davon abhängen, daß auch die Stadt Münster, entsprechend ihrer Verpflichtung, sich nicht zurückhaltend verhält (Heiterkeit. — Sehr richtig!) Wenn aber alle Faktoren, ich will mal sagen, ihre Pflicht tun, dann, hoffe ich, kommen wir für Münster zu einem guten Ergebnis. Sollte dann die Stadt Münster sich entschließen, ihrem Bürger, Herrn Abg. Schmedding, für seine Verdienste um die Universität ein Standbild zu errichten (Heiterkeit), dann wird unten am Sockel in der Legende vielleicht auch mein Name genannt werden. (Heiterkeit.)
Meine Herren, aus den Ausführungen, die bisher gemacht worden sind, möchte ich zu einer Frage übergehen, die wohl auch von all⸗ gemeiner Bedeutung ist; es ist das Institut der Privatdozenten. Schon in der Kommission und dann auch hier im hohen Hause sind sehr erhebliche Bedenken gegen den Vorschlag geäußert worden, den die hiesige Medizinische Fakultät gemacht hat, um gewissen Miß⸗ ständen, die sich bei diesem Institut in ihrer Fakultät gezeigt haben, Abhilfe zu schaffen. Dieser Vorschlag geht bekanntlich dahin, die Zu⸗ lassung als Privatdozent periodisch nachzuprüfen und sich dann noch einmal darüber schlüssig zu machen, ob der früher zugelassene Privatdozent auch ferner als Privatdozent beibehalten werden soll. Ich erkenne an, daß dieser Vorschlag nicht unbedenklich ist, daß dagegen sehr erhebliche Einwände mit Recht er⸗ hoben werden können. Aber auf der anderen Seite muß ich doch sagen, daß die Zustände auf diesem Gebiet dringend der Abhilfe bedürfen, und daß es sehr angezeigt ist, auf Mittel und Wege zu sinnen, wie die Abhilfe herbeigeführt werden kann. Es sind schon die verschiedensten Vorschläge gemacht worden; alle sind bisher für ungangbar gehalten worden. Ich würde mich freuen, wenn auch einmal aus dem Kreise der Privatdozenten, die ja natürlich, dem Zuge der Zeit folgend, auch organisiert sind, Vorschläge gemacht würden, wie diesen Mißständen, die ihnen selbst auch nachteilig sind, abgeholfen werden könne.
In der Kommission wurde mir als ein sehr zweckmäßiges Mittel in Vorschlag gebracht, ich möge doch nur keinem einzigen Privatdozenten mehr den Titel Professor verleihen; das würde das beste Mittel sein. Vielleicht ist das ein Weg? Ich will es mir überlegen. (Heiterkeit und Beifall.)
Der Herr Abg. Kaufmann hat den Wunsch ausgesprochen, daß auf eine Vermehrung der katholischen Theologieprofessoren Bedacht genommen werden möge. Ich erkenne an, daß die Zahl der katholische Theologie Studierenden in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat, und es deshalb wohl angezeigt ist, in eine Prüfung der von dem Herrn Abg. Kaufmann angeregten Frage einzutreten. (Bravo im Zentrum.)
Meine Herren, hier im Hause ist dann eingegangen worden auf
das Kolonialrecht, und es ist der Wunsch ausgesprochen worden, daß