1910 / 104 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 04 May 1910 18:00:01 GMT) scan diff

Grosthandelspreise von Getreide an deutschen und fremden

Börsenplätzen für die Woche vom 25. bis 30. April 1910

nebst entsprechenden Angaben für die Vorwoche.

1000 kg in Mark. (Preise für greifbare Ware, soweit nicht etwas anderes bemerkt.)

Woche Da⸗ 25./30. gegen April Vor⸗ 1910 woche

Roggen, guter Rebgen⸗ eöö“ Mannheim. Roggen, Pfälzer, russischer, mite. .167,50 167,50 Weizen, Pfälzer, russischer, amerik., rumän., mittel. 235,19 236,25 Hafer, badischer, russischer, mittel. 8 170,00 170,00 Gerste] badische, Pfälzer, mittel 166,87 166,87

1 russische Futter⸗, mittel 128,75 129,37

Wien. Roggen, Pester Boden. er, ungarischer ... erste, slovakische... 138,89 138,60 Mais, ungarischernr.. 109,92 108,84 Buda V Mittelware. 143,75 208,42 129,52 106,68 101,91

156,79 154,75 229,21 232,13 129,52 131,80

143,62 213,85 129,25 108,16 102,89

lieferbare Ware des laufenden

Kurrachee.. Amsterdam.

98 9 900

.

—6 —8x4 ,— —22

22

——

Petersburger. ssa

.

9G½

½

amerikanischer Winter⸗ amerikanischer bunt Eee.“ 8 ö1“ weiß

(ark 1“ 8 englisches Getreide, Mittelpreis 8 196 Marktorten (Gazette averages)

163,01 160,77 158,02 132,12

129,87

182,58 181,41

n nn 76,93

60

177,62 176,75 170,04 168,97 166,50 165,41 113,24 111,54

-bb⸗ 9ön:

G 8

2

155,02 161,25 107,80 109,58.

. 8G h

9

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24

Roggen = 2100, Reichswährung sind die aus 8 ten wöchent⸗

sanßeiger

und zwar für Wien

und

2 —— n*

Racserlichcs Statistischts Amrt.

van der Borg bt.

153,83 155,50 222,83 223,83 155,67 156,75

e6“ Deutscher Reichstag. 78. Sitzung vom 3. Mai 1910, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Das Zusatzabkommen zu dem zwischen dem Deutschen Reich und Aegypten bestehenden Handelsabkommen wird in dritter Lesung ohne Diskussion unverändert endgültig genehmigt und hierauf in die zweite Beratung des Ausführungsgesetzes ur revidierten Berner Uebereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst vom 13. November 1908 ein⸗ getreten. Die 13. Kommission hat an dem Entwurf einige untergeordnete Veränderungen vorgenommen und den § 22 c gestrichen, der besagte:

„Läßt sich nach dem Wesen des Instrumentes, für das die Erlaubnis der mechanischen Wiedergabe eines Werkes der Tonkunst verlangt wird, nur eine Wiedergabe von so niedrigem musikalischen Werte erzielen, daß dem Urheber nicht zugemutet werden kann, sie zu dulden, so kann die Erlaubnis verweigert werden.“

Vom Abg. Erbprinzen zu Hohenlohe⸗Langenburg (Rp.) wird mit Unterstützung einiger Mitglieder der Partei der Rechten beantragt, folgenden neuen § 32a einzustellen:

„Für die ausschließliche Befugnis zur öffentlichen Aufführung eines Bühnenwerkes oder eines Werkes der Tonkunst tritt an die Stelle der Frist von 30 Jahren eine 50 jährige Frist.“

Abg. Dr. Wagner⸗Sachsen (dkons.) beantragt zu § (Zwangslizenz) folgenden Zusatz:

„Für Vorrichtungen für Instrumente, die der mechanischen Wiedergabe für das Gehör dienen (insbesondere auch auswechsel⸗ bare Scheiben, Platten, Walzen, Bänder und sonstige Zubehör⸗ stücke solcher Instrumente) und die aus dem Ausland nach Staaten, in denen der Urheber keinen Schutz gegen die mechanische Wieder⸗ gabe des Werkes genießt, zum Zwecke des Absatzes dort ausgeführt worden sind, ist die Vergütung zurückzugewähren. Der Reichskanzler kann durch Bekanntmachung im Reichsgesetzblatt bestimmen, auf welche Weise der Beweis für solche Ausfuhr geführt werden muß.“

Ein gleicher Antrag ist von dem Abg. Dr. Stresemann und Genossen inl.) gestellt.

Zu Art. 1, der die notwendig werdende Abänderung des Urheberrechtsgesetzes enthält, führt der

Abg. Dietz (Soz.) aus: Wir werden für das Gesetz stimmen, weil es keine Verschlechterung bringt. Durch die Erklärung in der Kommission haben wir uns überzeugen müssen, daß eine Limitierung der Lizenzgebühren nicht möglich ist. Die Anträge Wagner und Hohenlohe lehnen wir ab.

Abg. Dr. Wagner⸗Sachsen (dkonsf.): In ihrer ersten Lesung hat die Kommission einen Antrag angenommen, wonach für die sogenannte Zwangslizenz nicht, wie die Vorlage wollte, eine angemessene Ver⸗ gütung gezahlt werden sollte, sondern eine bestimmte Gebühr von 2 % des Bruttoverkaufspreises jeder einzelnen Vervielfältigung, mindestens aber ein Pfennig. In zweiter Lesung ist diese Be⸗ stimmung auf Andrängen der Vertreter der verbündeten Regierungen wieder gefallen. Im Interesse der beteiligten Industnie, die sonst schwer benachteiligt sein würde, empfehle ich, wenigstens meinen An⸗ trag anzunehmen, mit dem ich zugleich die ganze Frage nochmals zur Debatte stellen möchte. Abg. Dr. Junck (nl.): Die Kommission war sich darüber klar,

Haß es sich hier um eine sehr schwierige juristische Frage handelt. Es sollte eine richtige Mittellinie zwischen den Interessen der Verleger und der Fabrikanten gefunden werden, und die Vereinigung ieser divergierenden Interessen ist nicht leicht. Die Berner Konvention ist nun einmal zustande gekommen, und wir sind daran ebunden. Sie stellt sich auf den Standpunkt des Schutzes des utors. Würde nun dies Gefetz abgelehnt, so würden die Mechaniker noch viel schlechter gestellt werden, als sie es bisher waren. Das

esetz bringt den Mechanikern und der Ferefer⸗ wesentliche Vor⸗ ile. Der Antrag Wagner scheint mir sehs schwer durchführbar. Ich ätte gewünscht, daß der Antragsteller uns darüber Klarheit ver⸗ schafft bätte, wie er sich die Sache in der Praxis denkt. Es könnten dadurch Schwierigkeiten, Prozesse entstehen, die man doch vermeiden sollte. Vielleicht äußert sich die Reichsregierung darüber, ob der An⸗ trag in die Praxis übersetzt werden kann. Was die Lizenzgzebühr be⸗ trit, so liegt es im Interesse der Industrie, die Gebähr nicht schematisch im Gesetz zu regeln, sondern allgemein eine „angemessene Vergütung“ vorzuschreiben. Auf diesem Wege kann auch der Export nach dem Auslande am besten geschützt werden. Abg. Dr. Müller⸗Meiningen (fortschr. Volksp.): Ich möchte auch bitten, den Gesetzentwurf so anzunehmen, wie er jetzt vorliegt. Die Tragweite der Anträge Wagner und Stresemann haben wir schon in der Kemmission erkannt, wir haben uns davon überzeugt, daß sie nicht durchführbar sind. Die Anträge rühren von Herren her, die gar nicht in der Kommission waren. Die Herren fad selbst nicht davon über⸗ zeugt, daß ihre Anträge durchführbar sind. Ein Teil der Kommission schob den Schutz der Industrie in den Vordergrund, ein anderer den Schutz des Autors. Die Kommission hat den richtigen Mittelweg gefunden. Gewiß, die Industrie hat größere Lasten auf sich zu nehmen, ander⸗ seits ist man ihr in der Kommission sehr weit entgegengekommen, manche meinen, sogar zu weit. Die Lizenzfrage z. B. ist eine immense Konzession gegen die Industrie. Die Lizenz ist eigentlich eine Regation des ganzen Urbeberrechts. Namentlich durch die Eliminierung des E sind wir der Industrie erheblich entgegengekommen. Zweifel⸗ aft ist mir, ob die Ewortprämie auf Grund der Berner Konvention überhaupt zlässig ist, die Kontrolle hierüber ist unmöglich. Not⸗ wendig für alle ist der Ausbau des internationalen Rechts auch mit den Staaten, die bisber der Berner Konvention nicht angehören. Die verbündeten Regierungen sollten darauf dringen, daß diese Staaten bald der Konventien beitreten. Ich bitte, die Anträge Wagner und Stresemann abzulehnen und die Kommissionsbeschlusse anzunehmen.

Abg. Werner (Rfp.): Auch ich möchte für die Annahme der Kommissionsanträge stimmen und die Anträge Wagner und Strese⸗ mann ablehnen. Der Antrag des Prinzen Hohenlohe hat für den ersten Anblick etwas Bestechendes, namentlich für Bayreuth. Er ist ber insofern bedenklich, als gute Werke dann auf längere Zeit dem Volke vorenthalten bleiben würden. Man sollte im allgemeinen bei der 30 jährigen Schutzfrist bleiben.

Abg. Weber (nl.): Ganz undiskutabel ist doch der Antrag Wagner und Stresemann nicht. Daß solche Schwierigkeiten leicht überwunden werden können, zeigt das Kaligese Dort bestehen önliche Schwierigkeiten, und doch ist die Kommission darüber hinweg⸗ ekommen, und die Regierung hat das Gesetz, wie es gestaltet worden ist, geschluckt. Wir haben alle Veranlassung, unserer Industrie in der rrenz mit dem Auslande beizustehen. Ich bitte Sie also namens eines Teiles meiner Freunde, die Anträge anzunehmen. Geheimer Oberregierungsrat Degg⸗ Ich bitte, den Anträgen nicht stattz Der ihnen zu e liegende berechtigte Wunsch, daß alles gescheben muß, was unsere Industrie entwickeln und fördern kann, wird auch von den verbündeten Regierungen geteilt, und der in . te Geranke ist schon bei den ersten vorbereitenden ndlungen die Aufstellung des Entwurfs und späterhin im Bundesrat erwogen worden. Auch die Ressorts im Reich und in venb. die zur Vertretung der lichen Interessen berufen sind,

ihr Urteil 427 Nach allen diesen Prüfungen hat sich die äßigkeit der ragten Neuerung ergeben. Der jetzige An⸗ geht ings nicht so weit, wie der in der Kommissiore aber er löst die T⸗e e schi Seiten hervorgehobenen n. er durch den neuen Entwurf dem

i verschiedenen bt sie Es wird 1 r kein Recht

er nicht schon besitzt. Wollte man den Autor zwingen, zuzablen, so wäre das ein Eingriff in bestehende wohl⸗ Es würde das dasselbe bedeuten, als wenn man

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dem Verleger für diejenigen Exemplare, die dieser nach nachdrucksfreien Ausland absetzt, das Honorar zurückzuzahlen. 8 hinsichtlich der Patente würden sich ähnliche Folgerungen erge Ebenso für einen Künstler, dessen Werke etwa nach einem Auslas verkauft werden, wo sie keinen Schutz genießen. Der Antra steht; Widerspruch mit allen Grundsätzen des bisherigen Rechts. 8 wün sich 1901 wahrscheinlich keine Stimme für ihn ergeben haben. Seß.⸗ die Zwangslizenz, die nun festgelegt wird, ist auf der Urhes schutzkonferenz großen Bedenken begegnet. Es kommt dazu, daß 1 § 22 c, in dem die Regierung den Willen zum Ausdruck gebracht ba das Persönlichkeitsrecht des Autors wenigstens in den Grenzen zu wahren, aus Rücksicht auf die Industrie gestrichen Man ist in der Kommission so weit als nur möglich hinsichtlich de Aufbürdung von Verpflichtungen des Autors gegangen. Ich bid⸗ daher, die Anträge abzulehnen. * Abg. Dr. Wagner zieht seinen Antrag zurück. Abg. Marx (Zentr.): Meine politischen Freunde werden d Kommissionsfassung zustimmen. In einem Punkt allerdings finde diese unsere Bedenken. Es wurden uns aus industriellen Kr⸗ Klagen vorgetragen, daß es zu außerordentlichen Schwierigkeit führen würde, wenn das Wort „angemessene Entschädigung“ be behalten, d. h. also wenn man bczügkich des Preises auf die En scheidung der Gerichte angewiesen sein würde. Wir hatten desbalz in der ersten Kommissionslesung beantragt, die Lizenzgebühr auf den bestimmten Satz von 2 %, mindestens auf 1 fe zusetzen. Nachdem die ganze Frage Gegenstand eingehender Verhand⸗ lung gewesen ist, sehen wir davon ab, noch einmal unseren Antram einzubringen. auch wir es allerdings als wünschenswert an, wenn unsere Industrit in Ländern, die nicht der Berner Konvention angeschlossen sind, ge⸗ schützt würde, aber wir verkennen nicht die Argumente des Re⸗ gierungskommissars, vor allem daß bestehende Rechte beeinträchtigt würden. Wir lehnen daher den Antrag ab und glauben im übrigen daß eine Verbesserung ohnehin durch den noch zu erwartenden An⸗ schluß der der Konvention noch nicht angehörenden Länder erreicht wird. Abg. Dr. Blankenhorn (nl.): Auf Grund der Erklärungen des Regierungsvertreters ziehe ich den Antrag Dr. Stresemann zurück. Zum § 18 des Urheberrechtsgesetzes, der nach der Vorlage ebenfalls eine kleine Aenderung erfahren soll, be⸗ merkt der Abg. Dr. Müller⸗Meiningen (fortschr. Volksp.): Es wäre erwünscht daß hier eine kurze authentische Interpretation von den verbündeten Regierungen gegeben würde. Meine Auffassung darüber ist folgende: Der § 18 unterscheidet zwischen 3 Klassen von Zeitungsartikeln, erstens Zeitungs⸗ beiträge, die einen unbedingt selbständigen literarischen Wert besitzen, dazu gehören u. a. die Ausarbeitungen wissenschaftlichen, technischen oder unterhaltenden Inhalts, die Romane, Novellen, Erzählungen usw. Alle diese Artikel werden nach meiner Meinung ohne Vorbehalt ge⸗ schützt. Die zweite Klasse von Zeitungsartikeln, die schon größere Schwierigkeiten macht, sind, wenn ich so sagen darf, die eigent⸗ lichen Zeitungsartikel, d. h. kurze und rasche Studien über aktuelle Tagesfragen, vor allem politische, Kritik über wissen⸗ schaftliche, künstlerische und andere Leistungen. Diese Gattung muß einen Vorbehalt haben, wenn sie geschützt sein foll. Selbstverständlich tritt dieser Schutz auch nur dann ein, wenn eine geiftige, individuelle Leistung, eine charakteristische Originalschöpfung vorliegt. Die dritte Gruppe betrifft die Berichterstattung über tatsächliche Ereignisse, und vermischte Nach⸗ richten, sie ist nicht schutzfähig. Wenn z. B. jemand lediglich über eine gerichtliche Entscheidung berichtet, so liegt darin eine eigene literarische Schöpfung nicht vor, wenn aber die Quintessenz einer großen reichsgerichtlichen Entscheidung in wenigen Sätzen heraus⸗ gehslt wird, so ist dies eine literarische Leistung, für die der Schutz wie für die erstgenannte Gruppe eintritt. Hat diese dritte Gruppe von Artikeln einen besonderen literarischen Wert nicht, so gehören die Artikel zur Gattung zwei. Die Aenderung, die wir jetzt getroffen haben, bezieht sich wieder auf die schwierigste Gruppe, die zweite. Diese Artikel sollen in Zukunft nur geschützt werden, wenn sie in Büchern und Broschüren aufgenommen sind, sollen aber frei sein, wenn sie ohne Vorbehalt in andere Zeitungen übernommen werden. Wenn die Presse an dieser Auslegung der verschiedenen Kategorien von Artikeln festhält, so werden unzweifelhaft die Klagen über die Aus⸗ legung des § 18 verschwinden. Geheimer Oberregierungsrat Dr. Dungs erklärt, allen Aus⸗ führungen des Vorredners vollkommen beistimmen zu können. u dem neu beantragten § 32 a führt der Antragsteller Abg. Erbprinz zu Hohenlohe⸗Langenburg (Rp.) aus: Die von mir beantragte Bestimmung war in der Vorlage von 1901 ent⸗ halten. Ich habe die damalige Fassung für meinen Antrag über⸗ nommen. Ich weiß, der Antrag ist nicht populär, um so weniger, als die Genossenschaft deutscher Tonsetzer in der Verfolgung ihrer Ansprüche sehr rigoros gewesen ist. Ich möchte aber auf den An⸗ trag, trotzdem er in der Kommission abgelehnt ist, hier im Plenum 9 noch einmal zurückkommen. Die romanischen Länder besitzen die 50 jährige Schutzfrist bereits, auch in England soll sie ein⸗ geführt werden, und zwar für sämtliche Werke der Literatur und Tonkunst. Es wäre eine Pflicht für einen Kulturstaat wie Deutschland, für das Land der Denker, seine großen Männer nicht schlechter zu behandeln. Mit unserer 30 jährigen Schutzfrist stehen wir allein mit der Schweiz und Oesterreich und dem jungen Kulturstaat Japan. Ich weiß nicht, ob es für Deutschland gerade sehr ehrenvoll ist, sich dieser kleinen Minorität anzuschließen. Man könnte fragen, ob unsere großen genialen Männer von einer Ver⸗ längerung der Schutzfrist Vorteile haben. Es ist aber für jeden Menschen eine Beruhigung, wenn er seine Angehörigen nach seinem Tode versorgt weiß. Dadurch wird ihm sein eigenes Leben erleichtert. Der Industrielle und Kaufmann, der auch geistige Werte schafft und das Leben der Natien bereichert, hinterläßt materielle Werte, von denen seine Nachkommen zehren. Warum sollten wir den Künstlern, die die Nation geistig vorwärts bringen, nicht dasselbe gewähren? Wenn es auch Berufe mit geistiger Tätigkeit gibt, wie z. B. große Aerzte, die ihren Angehörigen hobe materielle Werte nicht zu hinterlassen pflegen, so liegt die Sache hier doch insofern anders, als ein solcher Arzt oder dergleichen meist zu Lebzeiten schon wenigstens einen größeren Verdienst erzielen kann, während unsere großen Dichter und Künstler gewöhnlich ein sehr kümmerliches Dasein führen. Für den Künstler ist es aber von ganz besonderer Wichtigkeit, bei Lebzeiten vor schwerer Sorge geschützt zu sein, weil dies anregend und belebend auf seine schöpferische Kraft wirtt. Man hat gesagt, das Genie schöpft aus dem Geist der Nation. Es ist deshalb der Nation schuldig, das aus ihrem Geiste Geschöpfte ihr so bald als möglich zurückzugeben. Damit bin ich ganz einverstanden, aber wenn man das verlangt, soll sich die Nation auch dem Genie gegenüber etwas liberaler und larger zeigen. Es darf nicht vergessen werden, daß gerade das Genie den Zeitgenossen meist weit voraus ist. Alle diese Erwägungen würden zu einer allgemeinen Ausdehnung der Schutzfritz auf 50 Jahre sprechen, ich sehe aber ein, daß ein solcher Antrag aussichtslos ist. Deshalb beschränke i mich in meinem Antrage auf das Aufführungsrecht der Bühnen⸗ und Tonwerke, denn damit verhält es sich anders wie mit den Büchern. Ich möchte bezweifeln, daß die Eintrittspreise sich durch eine Verlängerung der Schutzfrist wesentlich ändern würden. Bei allen großen Musikern, bei Bach, Beethoven und Wagner hat es sich gezeigt, daß der künstlerische Sinn im Menschen, an den sie sich wenden, zu ihren eigenen Lebzeiten noch nicht so weit entwickelt war, so daß man mit einer längeren Zeit rechnen muß, bis solche gro Tonwerke volles Verständnis und volle Würdigung finden. Gerade solche Berechnungen muß auch der Verleger anstellen. Für die Musik kommt hinzu, daß sie sich besonders für die Wiedergabe in freiden vändern eignet, da sie die internationale Sprache ist. Bei einer 30 jährigen Schutzfrist in Deutschland würde es für den Künstler von Vorteil sein, wenn er seine Werke in Frankreich oder einem

foßf

Ctsgesetz den Urheber hätte verpflichten wollen,

8

auch in Deutschland diese längere

anderen Lande mit 50 jähriger Schutzfrist verlegen läßt, weil er dann Schutzfrist geuießt. Die Nation

äußerste

Hinsichtlich des Antrages Dr. Stresemann erkennen

zweite

auch heute gewisse

ie i roßen Genies so viel verdankt, die so stolz ist auf die großen Feh hervorgebracht hat, hat auch die schöne Pflicht, bahn⸗ brechend auf dem Gebiete der geistigen Kultur zu wirken und ihren

oßen Männern Bedingungen zu gewähren, die ihnen ihr weiteres Schaffen erleichtern. Damit dient die Nation ihrem eigenen Interesse. Fch empfehle daher meinen Antrag zur Annahme.

Abg. Kirsch (Zentr.): Trotz der ausführlichen Begründung des Antrages können meine politischen Freunde von ihrem bisher in dieser Frage eingenommenen Standpunkt nicht abgehen. Wir werden den. Antrag auch heute ablehnen. Der Appell des Vorredners an das Ehr⸗ gefühl der Nation gegen ihre geistigen Heroen ist hauptsächlich auf die Einrichtungen anderer Staaten gestützt worden. Wir haben auch diese Frage na den Erfordernissen unserer Nation zu beantworten und sehen den 30 jährigen Schutz als genügend an. Be⸗ zugnahme auf die größere Gai der Angehörigen und Nach⸗ kommen von Kaufleuten kann hier nicht durchschlagen, denn die Kaufleute arbeiten doch nicht sowohl für die Allgemeinheit als in erster Linie für sich und ihre Familien. Ein großer Teil der Künstler und Dichter ist ja auch in der Lage gewesen, große Ein⸗ nahmen zu machen. Auch viele Verleger müssen sich gerade den Vor⸗ wurf gefallen lassen, daß sie mehr für ihre eigenen Interessen sorgen als für diejenigen der Dichter und Komponisten und der auf⸗ strebenden Talente beider Kategorien. Wir haben doch ferner nicht nur auf die internationalen Beziehungen Rücksicht zu nehmen. Die 30 Jahre der deutschen Schutzfrist haben sich bisher durchaus als aus⸗ reichend erwiesen. Eine gewisse Popularität haben schließlich doch nur die Musikstücke der eigenen Nation. 6 8

Abg. Dr. Junck (nl.): Die Rede des Abg. Prinzen zu Hohenlohe war ja gewiß sympathisch; dennoch lehnen auch wir seinen Antrag mit Rücksicht auf die Interessen der Allgemeinheit ab. Das Interesse der gesamten Natjon, möglichst teilnehmen zu können an dem, was geniale Naturen produzieren, muß immer im Vordergrunde stehen. Daß sich auf deutschem Boden kein Freibeutertum etabliert, dafür werden die verbündeten Regierungen gewiß ein wach⸗ sames Auge haben. Der Börsenverein der deutschen Buch⸗ händler, der gesamte Buchverlag und der größte Teil des Musikalienverlags treten für die dreißigjährige Schutzfrist ein. Bei einem deutschen Referendum würde die große Mehrheit des

Zolkes auf seiten der 30 jährigen Schutzfrist stehen. Wir lehnen

den Antrag einstimmig ab. 8 8 Aat. . ove (forts 6 Volksp.): Auch wir treten für die 30jährige Frist in, die gewissermaßen der Bestandteil eines Gottesfriedens geworden st, wie die leidenschaftslose heutige Diskussion zeigt. Der Hinweis auf die anderen Länder mit 50 jähriger Schutzfrist ist nicht zwingend, weil diese zum Teil nicht erst vom Tode des Urhebers ab die Frist rechnen. Für die richtige Künstlernatur wird das Moment der größeren Sicher⸗ stellung nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein; der Künstler wird im Gegenteil darauf hinarbeiten, daß seine Schöpfungen möglichst rühzeitig Gemeingut des Volkes werden. Auch die Interessen des Verlages sind nicht einheitliche; gänzlich darf man die geschäftlichen

nteressen der Verleger auch nicht außer acht lassen. Abg. Dr. Wagner⸗Sachsen (dkons.): Was ein Künstler, Dichter der Denker aus seiner Zeit heraus geschaffen hat, muß nach einer gewissen

Zeit der Allgemeinheit gehören; Streit ist, wie lang diese Frist be⸗ nnessen werden soll. Derjenige, der für die Allgemeinheit schafft, edarf nach meiner Ansicht auch eines besonderen Schutzes. Daß

Modeautoren in kurzer Frist zu großem Reichtum ommen, ist gewiß richtig, aber sie fallen dann auch desto chneller der Vergessenheit anheim. Die Verlängerung der chutzfrist auf 50 Fehre ist gerade auf Veranlassung der deutschen Regierung in die revidierte Konvention hineingekommen; und nun eill die deutsche Volksvertretung die deutschen Dichter und Denker i der Schutzfrist schlechter behandeln! Die Berechnung der Frist

som Tode des Urhebers aus bringt ein zufälliges Moment in die ache; man sollte dem englischen Vorbilde folgen und die Schutz⸗ ist vom ersten Momente des Erscheinens an laufen lassen. für die Mehrzahl der Autoren würde das keine Verlängerung der zigen Frist bedeuten, aber der Segen bestände darin, daß die Un⸗ illigkeit beseitigt wird, die durch die jetzige Art der Berechnung dem⸗ knigen zugefügt wird, der jung stirbt. Ein großer Teil meiner raktion stimmt mit mir für den Antrag. 3 8

Abg. Dietz (Soz.): Die 30 jährige deutsche Schutzfrist hat sich sgezeichnet bewährt und auch für die Volksbildung den größten Segen bracht. Die heutige Schutzfrist, sagen die Gegner, käme gar nicht en Autoren, sondern nur den Theaterunternehmern zu gute. as ist ein fundamentaler Irrtum; ein Praktiker wie der frühere irektor der Wiener Hofburg, Dr. Max Burckhardt, hat das seinen Auslassungen über die Wirkung der Tantiemezahlung lagend nachgewiesen. Müßte für unsere klassischen dramatischen zerke Tantieme gezahlt werden, dann würden sie weit weniger auf⸗ führt werden. Ohne das ominöse Jahr 1913 würde dieser Antrag ohl gar nicht eingebracht sein; lebt heute der Komponist noch, der er gemeint ist, so würde er wahrscheinlich dem Antragsteller für nen Antrag keine Schmeicheleien sagen.

Der Antrag Erbprinz zu Hohenlohe wird gegen eine inderheit abgelehnt, die sich aus einem großen Teil der arteien der Rechten, den beiden nationalliberalen Mitgliedern euner und Everling und dem Polen von Janta⸗Polczynski sammensetzt. Der Rest der Vorlage gelangt ohne weitere siskussion nach dem Kommissionsvorschlage zur Annahme.

Es folgt die zweite Lesung der Vorlage, betreffend die uständigkeit des Reichsgerichts, auf Grund der Be⸗ lüsse der XIV. Kommission, für die der Abg. Dr. Junck riftlichen Bericht erstattet hat.

Die Kommission hat einstimmig die Einführung des fformitätsprinzips und ferner eine Anzahl der zur Entlastung

Reichsgerichts vorgeschlagenen kleinen Mittel abgelehnt. on den letzteren sind im wesentlichen nur die Beseitigung des eschwerderechts und die Erhöhung der Gebührensätze in der rufungs⸗ und Revisionsinstanz gutgeheißen worden. Da⸗ gen ist neu von der Kommission vorgeschlagen die Erhöhung

Revisionssumme von 2500 auf 4000 ℳ; ferner wird gende Resolution vorgeschlagen:

„den Reichskanzler zu ersuchen, die Mittel für einen weiteren enatspräsidenten und 6 weitere Reichsgerichtsräte in den Etat inzustellen, sobald sich ergibt, daß ungeachtet der durch dieses Gesetz erbeigeführten Entlastung die vorhandenen Kräfte zur Bewältigung er Arbeitslast auf die Dauer nicht ausreichen“.

Durch einen neuen Artikel XII wird der Reichskanzler nächtigt, bis längstens 1913 auch Hilfsrichter zum Zwecke

Erledigung der Geschäfte der Zivilsenate einzuberufen.

Von den vorliegenden Amendements will der Antrag hmidt⸗Warburg (Zentr.) die 8 die Erhöhung der Gerichts⸗ „Rechtsanwaltsgebühren bezüglichen Artikel streichen und Absatz 2 des § 567 der Zivilprozeßordnung folgende sung geben: 1uu““ 1 „Gegen die Entscheidung der Oberlandesgerichte ist eine Be⸗ hwerde nur insoweit zulässig, als es sich um die Versagung des rmenrechts handelt.“

Ein Antrag der Sozialdemokraten Albrecht und Gen.

igt vor, denselben Absatz wie folgt zu fassen: .Geen die Entscheidungen der Oberlandesgerichte ist die Be⸗

werde nur zulässig, wenn die Verweigerung des Armenrechts den

egenstand der Anfechtung bildet.“

Ein Antrag Junck will das Gesetz, ebenso wie die Novelle

Rechtsanwaltsordnung, durch welche die Zahl F g-8 der des Ehrengerichtshofs vermindert werden so , un

erfreut sich des größten Ansehens,

nach einem Kommissionsbeschluß die Bildung von 2 Anwalts⸗ kammern im Bezirk eines Oberlandesgerichts zulässig sein soll, wenn die Zahl der zugelassenen Anwälte 1000 übersteigt, am 1. Juni 1910 in Kraft treten lassen.

Die Debatte wird gemeinsam über sämtliche Gesetzes⸗ vorschläge und Anträge geführt, die sich auf die Entlastung des Reichsgerichts beziehen. 1

Abg. Dr. Thaler (Zentr.): Der Entwurf hat durch die Kommission eine Verbesserung erfahren. Trotzdem kann ein Teil meiner Freunde nicht dafür stimmen. Es liegt dem Entwurf der Gedanke zu⸗ grunde, daß das Reichsgericht durch die große Zahl der Revisionen uͤberlastet sei. Das ist an sich richtig, aber der Entwurf sucht eine Abhilfe auf falschem Wege. Er schlägt Aenderung nur deshalb vor, weil das Reichsgericht außerstande sei, die Arbeitslast zu bewältigen, also um dem Reichsgericht ein Arbeitspensum abzunehmen. Dieser Weg ist verfehlt. Dem rechtsuchenden Publikum sollte ein Rechtsweg nicht ab⸗ geschnitten, sondern die höchste Reichsgerichtsbehörde so eingerichtet werden, daß sie imstande ist, das Arbeitspensum zu bewältigen. ionen eingeschränkt werden. Diese Tendenz Rechtsprechung des Reichsgerichts man sehe seic nicht einengen. Der Entwurf befürchtet mit Unrecht von der Schaffung 1 eine dur. eta der Rechtseinheit. Man denke doch an die große Entwicklung des modernen Rechtslebens auf dem Gebiete von Handel und Verkehr. Je nach dem Oberlandesgerichts⸗ bezirk sehen wir verschiedene Urteile. Der Entwurf will nicht der Rechtsentwicklung Rechnung tragen, sondern nur Arbeitskräfte und Kosten ersparen. Das ist ein abwegiger Grundsatz. Die Be⸗ friedigung der Rechtsbedürfnisse des Volkes muß das erste Ziel sein. Daran hat es aber in neuer Zeit gefehlt. Die großen Bedenken gegen den Entwurf hat die Kommission in dankenswerter Weise in verschiedenen Punkten beseitigt, vor allem dem Difformitäts⸗ prinzip. Ich brauche nicht die einzelnen Punkte anzuführen, die gegen die Annahme dieses Prinzips sprechen, nachdem der Deutsche Juristentag, der Anwaltstag u. a. sich dagegen gewandt haben. Aber auch die sogenannten kleineren Mittel sind gleichfalls in dankens⸗ werter Weise von der Kommission wesentlich beschränkt. Die Be⸗ seitigung des Beschwerderechts und der Zuständigkeit des Reichsgerichts in bezug auf diese Beschwerde ist aber leider stehen geblieben. Wir erblicken darin einen Nachteil. Gegen die Erhöhung der Revisionen sprechen erhebliche Gründe. Es spricht sich darin die fiskalische Tendenz des Entwurfs aus und erschwert den Rechtsweg in der oberen Instanz. Wir lehnen deshalb den Entwurf in der vorgelegten Fassung ab. Wir erblicken die beste Entlastung des Reichsgerichts in der Ver⸗ mehrung der Zivilsenate beim Reichsgericht.

Abg. Gyßling (fortschr. Volksp.): Der selige Mikosch würde gegen⸗ über den Kommissionsbeschlüssen sagen: Vater meiniges, wie sehr Hast du dich verändert. Meine politischen Freunde haben gegenüber den Kommissionsbeschlüssen schpere Bedenken, namentlich gegenüber der Erhöhung der Revisionsschme; sie sind aber bereit, ihre Bedenken zurückzustellen, weil hier eben eine schleunige Abhilfe notwendig ist, und weil es sich ja nur um ein Provisorium, ein Notgesetz handelt. Wir werden für die Kommissionsbeschlüsse stimmen. Diese sind ein Kompromiß. Die Gründe, die gegen eine Vermehrung der Richter beim Reichsgericht sprechen, sind durchschlagend. Je kleiner der Kreis der Richter beim Reichsgericht ist, desto einheitlicher kann die Rechtsprechung sein. Ein Senat hätte auch nicht gereicht, man hätte einen zweiten, dritten Senat schaffen müssen; die Abhilfe hätte nur für zwei Jahre ausgereicht. Ich möchte den Staatssekretär bitten, auf eine Verjüngung des Richterpersonals hinzuwirken. Meine politischen Freunde haben alles getan, was dazu beiträgt, das Reichsgericht auf seiner bisherigen Höhe zu erhalten, und was die Rechtseinheit gewährleistet.

Abg. Dr. Heinze Auch

Es soll die Zahl der Revisionen ist grundsätzlich bedenklich. Die

(nl.): meine politischen Freunde stimmen den Kommissionsbeschlüssen zu. Ich muß auch dem Abg. Thaler bestreiten, daß diese Vorlage und frühere Vorlagen von Fiskalität diktiert seien. Die große Zahl der Prozesse in Deutschland liegt an einem gewissen nationalen Fehler der Deutschen. Wir waren einig, daß eine Vermehrung der Richter beim Reichsgericht abzulehnen sei, nicht aus fiskalischen, sondern aus sachlichen Gründen, weil durch eine zu große Zahl der innere Kontakt, die Rechts⸗ einheit gefährdet wird. In bezug auf die Verminderun der Arbeitslast kam es darauf an, welcher Wes vorzuziehen sei: die Linführung des Difformitätsprinzips oder die Erhöhung der Revisionssumme. Der erste Weg erschien uns nicht gangbar. Es blieb also nur die Er⸗ höhung der Revisionssumme übrig. Dieser Weg wurde schon durch die Zivilprozeßordnung von 1879 gezeigt. Wir haben uns ent⸗ schlossen, wenn auch nicht leichten Herzens, die Revisionssumme auf 4000 zu erhöhen. Es ist sicher, daß dem Reichsgericht trotzdem noch genügend Revisionen über die verschiedenen Rechtsgebiete ob⸗ liegen werden, um die Rechtseinheit zu gewährleisten. Das beweist die Erfahrung, die wir mit der früheren Erhöhung der Revisions⸗ summe gemacht haben. Die augenblickliche Flutwelle soll durch die Berufung von Hilfsrichtern abgeebbt werden. Auch wir halten das Gesetz für ein Notgesetz und empfehlen deshalb die Annahme der Resolution. G 3 Nera ö (Soz.): Meine Freunde erkennen an, daß es ein unerträglicher Zustand ist, daß die Termine beim Reichsgericht so weit hinausgerückt werden, wie es jetzt der Fall ist. Dies kommt einer zeitweiligen Rechtsverweigerung gleich. Die tausend rückständigen Sachen aufzuarbeiten, gibt es kein anderes Mittel, als die Einberufung von Hülfsrichtern. Hinsichtlich der dauernden Besserung der Vezigen Zustände stehen wir auf dem Standpunkt, daß, solange die 2 ivil⸗ prozeßordnung nicht geändert ist, nur eine Vermehrung der Senate Abhilfe schaffen kann. Wenn man dem entgegenhält, daß dann alle drei Jahre ein neuer Senat gebildet werden müsse, so muß das dann eben geschehen. Die Geldfrage spielt dabei keine Rolle. Es handelt sich darum, daß dem Volke die höchste Instanz, und zwar eine schnell und gut judizierende Instanz erhalten bleibt. Die größere Zahl der Prozesse in Deutschland erklärt sich aus dem gesteigerten Wirtschaftsleben, das naturgemäß auch zu gesteigerten Differenzen und Interessenkämpfen und damit schließlich zu Prozessen führt. Die ver⸗ bündeten Regierungen sind bei allen solchen Novellen fast regelmäßig darauf ausgegangen, unter der Hand ein wesentliches Stück vom Geiste unseres modernen Zivilprozesses zu beseitigen. So soll auch hier wieder die Grundlage für die besten Leistungen des Reichsgerichts beseitigt werden. Wenn man die Zivilprozeßordnung ändern und statt der dritten Instanz eine aufs äußerste be⸗ schränkte Kassation einführen will, so ist das nicht anders möglich als in Verbindung mit solchen Umänderungen, die dem Volke Kom⸗ vbensationen auf anderen Gebieten geben und ihm Vertrauen einflößen. Fne wir nicht wissen, worauf dieses Werk im ganzen hinaus will, können wir nicht uns auf einen stückweisen Umbau dieses wichtigen Gebäudes einlassen, denn die Grundlage unseres Zivilprozesses ist gesund, und das Gesundeste an ihr ist die dritte Instanz in ihrer jetzigen Form. Die Vermehrung der Senate ist jetzt das einzig Zulässige. Die Kommission hat wenigstens die Not⸗ wendigkeit eines neuen Senats anerkannt. Wir werden ihn aber nur bekommen, wenn die neuen Mittel, die sonst in Aussicht ge⸗ nommen sind, nichts helfen. Da die Erhöhung der Revisionssumme eine erhebliche Zahl von Revisionen vom Reichsgericht fernhalten wird, wird die Regierung glauben, auf den neuen Senat verzichten zu können. Wir meinen, sie sollte umgekehrt den neuen Senat er⸗ richten und auf die Erhöhung der Revisionssumme verzichten, zumal sie sich über das Odiöje eines solchen Vorschlages klar ist und ihn deswegen nicht selbst gemacht hat. Was die kleinen Mittel anbetrifft, so verdient unser Antrag in Fag anf das Armenrecht den Vorzug vor der Fassung des Antrags Schmidt⸗ ee Die Unzulässigkeit der Revision nach Art. 111 können wir nicht Niigen, da die Gerichte oft ganz merkwürdige Entscheidungen getroffen haben, die in Lohnkämpfe eingriffen. Ebenso müssen wir uns ablehnend aussprechen, daß die Revision darüber qusgeschlossen sein soll, ob das Gericht seine Zuständigkeit zu Recht oder zu Unrecht an⸗ genommen hat.

Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Lisco:

Meine Herren! Daß die Notlage beim Reichsgericht vorhanden ist, wird von keiner Seite bestritten. Es handelt sich also nur darum, wie diese Mißstände zu beseitigen sind.

Ueber die Frage, ob das Difformitätsprinzip einzuführen oder die Revisionssumme von neuem zu erhöhen, ist in den Motiven des Entwurfs ausgeführt:

Man könnte an eine nochmalige Erhöhung der Revisionssumme denken. Nachdem aber eine solche 1898 vergeblich und 1905 nur mit halbem Erfolge angestrebt worden ist, muß ein nochmaliger Versuch in gleicher Richtung als aussichtslos angesehen werden. Die verbündeten Regierungen sind zu dem Vorschlag, das Difformitäts⸗ prinzip einzuführen, gelangt, weil sie tatsächlich die Erhöhung der Revisionssumme als aussichtslos betrachtet haben. Irren ist menschlich; die verbündeten Regierungen konnten aber auch einer so großen Kor⸗ poration, wie es der Reichstag ist, nicht ins Herz sehen und nicht vorher wissen, daß die Erhöhung der Revisionssumme hier vielleicht doch Aussicht auf Annahme habe. Hätten sie die Erhöhung der Re⸗ visionssumme für möglich erachtet (hört! hört! bei den Sozialdemokraten), so würden sie Ihnen wahrscheinlich sehr gern diesen odiösen Vorschlag, wie er eben genannt wurde, gemacht haben und würden die Verant⸗ wortung dafür auf sich genommen haben. Der Gesetzentwurf hätte Ihnen dann vielleicht schon viel früher vorgelegt werden können, da gerade die Ausgestaltung des Difformitätsprinzipvs zu manchen Be⸗ denken und Erwägungen Veranlassung gegeben und zur Verzögerung der Einbringung des Gesetzentwurfs beigetragen hat. b

Ueber das Difformitätsprinzip will ich mich jetzt nicht weiter verbreiten, obgleich ich es bei weitem nicht für so verfehlt halte, wie dies viele von Ihnen tun. Die Kommission hat es abgelehnt, und ich sehe keine Möglichkeit, dies Prinzip hier weiter zu verfolgen.

Es handelt sich jetzt darum, für das Reichsgericht auf anderem Wege normale Verhältnisse herbeizuführen. Da halte ich allerdings den Vorschlag der Kommission, der neben den Hilfsrichtern ein großes wirksames Entlastungsmittel und daneben mehrere kleine Mittel vor⸗ sieht, für gut. Eine Vermehrung der Senate, wie sie wieder von mehreren Herren in Vorschlag gebracht ist, ist abzulehnen; sie würde übrigens erst etwa zum 1. Januar oder zum 1. April k. J. erfolgen können, und das würde den Zugang der Revisionen in keiner Weise verringern. Es muß jetzt dafür gesorgt werden, daß der Zugang der Revisionen möglichst rasch vermindert wird, und das kann nur ge⸗ schehen durch die Erhöhung der Revisionssumme und die übrigen kleinen Mittel, die vorgeschlagen sind. Dadurch allein können normale Verhältnisse allerdings nicht so schnell herbeigeführt werden, wie es wünschenswert ist, weil die Wirkung dieser Mittel naturgemäß nur langsam erfolgt, und deshalb sind die verbündeten Regierungen bereit, dem Vorschlag der Kommission näher zu treten und auf eine beschränkte Reihe von Jahren Hilfsrichter bei dem Reichsgericht zu beschäftigen.

Diese Hilfsrichter werden in Bälde, spätestens etwa zum 16. Sep⸗ 5 tember, einberufen werden können, und durch die Heranziehung der Hilfsrichter wird es gelingen, die vorhandenen Reste aufzuarbeiten und den Geschäftsgang bei dem Reichsgericht wieder zu einem normalen zu gestalten. Es wird auf diese Weise für eine ganze Reihe von Jahren Luft geschaffen werden, und die Termine werden dann in kurzen Intervallen jetzt sind es bisweilen 18 Monate seit der Ver⸗ kündung des zweitinstanzlichen Urteils anberaumt werden können.

Es ist der feste Wille des Reichsjustizamts und auch der ver⸗ bündeten Regierungen, in eine organische Aenderung der Zivilprozeß⸗ ordnung einzutreten. Nach welchen Richtungen sich diese Revision bewegen wird, ist natürlich nicht zu übersehen; ist anzunehmen, daß diese Revision in einer nicht allzu hochbemessenen Reihe von Jahren sich vollziehen wird, und bis zum Abschluß dieser Reform wird das Reichsgericht prompt arbeiten können. Sollte das nicht der Fall sein, dann wird allerdings Abhilfe für dieses kurze Uebergangsstadium in erster Linie wohl durch Vermehrung des Richterpersonals geschaffen werden müssen. 1

Der Herr Abg. Gyßling hat bei seinen Ausführungen noch dem Wunsche nach der Verjüngung des Richterpersonals beim Reichsgericht Ausdruck gegeben. Dieser Wunsch ist seit langem der Gegenstand der Erwägungen der verbündeten Regierungen. Nach den Beobachtungen, die ich in den letzten Jahren gemacht habe, ist bereits in den letzten 4 bis 5 Jahren eine erhebliche Verjüngung eingetreten. Diejenigen Herren, die zu Reichsgerichtsräten befördert werden, kommen hierzu regelmäßig in einem Alter, in dem zu hoffen ist, daß sie noch gut 15 Jahre beim Reichsgericht in voller Frische amtieren können. 8

Ein Fiskalismus wie ihn der Herr Abg. Dr. Thaler behauptet hat liegt dem Ihnen vorliegenden Entwurf nirgends zugrunde. Nie und nimmer ist bei den Vorarbeiten für diesen Gesetzentwurf oder auch in der Kommission davon die Rede gewesen, daß man nur deshalb keine neuen Reichsgerichtsräte einsetzen wollte, um Kosten zu sparen. Davon kann gar keine Rede sein. Wenn die Vermehrung der Mitglieder des Reichsgerichts für erforderlich und zweckdienlich erachtet worden wäre, so würden dafür auch die notwendigen Summen vorhanden sein.

Ich kann meine Ausführungen nicht schließen, ohne den Mit⸗ gliedern der Kommission und insonderheit dem Herrn Vorsitzenden und dem Herrn Berichterstatter meinen besonderen Dank für die Förderung der Arbeiten, denen sie sich unterzogen haben, auszusprechen (Bravo!) Nur mit Aufbietung aller Kräfte ist es gelungen, die Kommissionsberatungen so früh zu Ende zu führen, daß nunmehr begründete Aussicht vorhanden ist, die Arbeit bald zum Abschluß zu bringen und dadurch das Reichsgericht in den Stand zu setzen, seiner hohen Aufgabe wieder voll gerecht zu werden. (Lebhafter Beifall.)

Abg. Schultz (Rp.): Nachdem man einmal angefangen hat, die Zulässigkeit der Revision nach dem Geldwert des Objekts zu be⸗ urteilen, war es eine zwingende Notwendigkeit, die Revisionssumme zu erhöhen. Der Fehler liegt darin, daß wir eben überhaupt den Geldwert haben maßgebend sein lassen. Es wäre dringend erwünscht, daß andere Kriterien für die Zulässigkeit der Revision Fußdin werden. Je mehr Senate wir haben, desto mehr leidet die Einheit- lichkeit im Reichsgericht; die abweichenden Entscheidungen, die dann getroffen werden, führen ihrerseits wieder zu Revisionen. Es gib eben kein anderes Mittel jetzt als die Erhöhung der Revisionssumme. Was das Armenrecht anbetrifft, so sind die Gerichte in keinem Punkte entgegenkommender und liberaler, als wenn es sich um die Gewährung des Armenrechtes handelt. Wir sfesben, daß die Kommissionsbeschlüsse für jetzt den geeigneten Weg bieten. . 1

Abg. Seyda (Pole): Die schon an sich bedenkliche Vorlage hat in der Kommission so erhebliche neue Verschlechterungen erfahren, daß wir Bedenken tragen müssen, ihr zuzustimmen. Eine Vermehrung des Richterpersonals hätte dem gesunden Menschen⸗ verstande entsprochen; man will aber um alles in der Welt die

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