1910 / 192 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 17 Aug 1910 18:00:01 GMT) scan diff

§ 6. Die Fahrkosten werden für die Hin⸗ und Rückreise besonders berechnet.

Hat ein Beamter Dienstgeschäfte an verschiedenen Orten un⸗

mittelbar nacheinander erledigt, so ist der von Ort zu Ort wirklich zurückgelegte zu legen.

1 ei der Entfernungen wird jedes angefangene Kilometer für ein volles Kilometer gerechnet.

Fur Geschäfte am Wohnort erhält der Beamte keine Tagegelder und Fahrkosten. Dies gilt auch von Geschäften außerhalb des Wohn⸗ orts in geringerer Entfernung als 2 km von diesem. War der Beamte durch außergewöhnliche Umstände genötigt, eine Fahr⸗ Phepenbett zu benutzen, oder hat er sonstige notwendige Unkosten, wie

rücken⸗ oder Fährgeld, gehabt, so werden die Auslagen erstattet.

Für einzelne Betschaften kann der Verwaltungschef in Gemein⸗ shaft mit dem Finanzminister bestimmen, daß den Beamten bei Ge⸗ schäften außerhalb des Dienstgebäudes die verauslagten Fahrkosten erstattet werden.

§ 8.

Haben an Fahrkosten, einschließlich der Auslagen für Zu⸗ und

Abgänge, höhere als die bestimmungsmäßigen Beträge aufgewendet werden müssen, so sind diese zu erstatten. 1

Erfordert eine Dienstreise einen außergewöhnlichen Aufwand, so

kann der Seeee einen Zuschuß oder eine Pauschvergütung

bewilligen. Das Gleiche gilt für Reisen außerhalb des Reichsgebiets.

§ 9.

8 Beamte, denen ein Amtsbezirk überwiesen ist, oder die durch die Art ihrer Dienstgeschäfte zu häufigen oder regelmäßig wieder⸗ kehrenden Dienstreisen genötigt werden, kann das Staatsministerium oder der Verwaltungschef in Gemeinschaft mit dem Finanzminister an Stelle der gesetzmäßigen Tagegelder und Fahrkosten anderweitige Be⸗ träge festsetzen. Das Gleiche gilt für Dienstreisen zwischen nahe ge⸗ legenen Orten. 68

§ 10.

Beamte, die für ihre Reisen innerhalb ihres Amtsbezirks neben oder in ihrem Einkommen eine Höresenm⸗ für Reisekosten oder für die Unterhaltung von Fahrzeug oder Pferden beziehen, erhalten Tage⸗ Fflder und Fahrkosten nur dann, wenn sie außerhalb ihres Amts⸗

ezirks Dienstgeschäfte erledigen und der Ort des Dienstgeschäfts nicht weniger als 2 km von der Grenze des Amtsbezirks entfernt ist.

§ 11. Werden Beamte, die nach den §§ 9, 10 eine Pauschsumme be⸗ iehen, wegen Urlaubs oder sonstiger Verhinderung vertreten, so haben sie den Stellvertreter engemelsn zu 7 ädigen. Die Entschädigung und die unter besonderen Umständen zulässigen Ausnahmen bestimmt die vorgesetzte Behörde und zwar, sofern nicht allgemeine Anord⸗ nungen bestehen, nach Anhörung der beteiligten Beamten.

§ 12.

Beamte, die sich im Vorbereitungsdienste befinden, erhalten für Dienstreisen Tagegelder und Fahrkosten, wenn die Reisen nicht ledig⸗ lich zum Zwecke 18 Ausbildung erfolgen. Ob dies der Fall itt entscheidet die vorgesetzte Behörde. 8

Der mit dem Amt verbundene Rang ist für die Feststellung der Tagegelder⸗ und Fahrkostensätze maßgebend, auch wenn der persönliche Rang des Beamten höher ist. Beamte, die im Range zwischen zwei Klassen stehen, erhalten die für die niedrigere Klasse bestimmten Sätze.

ür Beamte, denen ein bestimmter Rang nicht verliehen ist, ent⸗ 88 der Verwaltungschef in H8 mit dem Finanzminister über die ihnen nach diesem Gesetz zu gewährenden Sätze. § 14.

Für die Ansprüche der Beamten auf Grund der Vorschriften über die Reisekosten der Staatsbeamten sind die Ausführungs⸗ bestimmungen C“ die vom Staatsministerium oder, soweit die Zuständigkeit der Verwaltungschefs und des Finanzministers begründet ist, von diesen getroffen werden.

§ 15. Dieses Gesetz tritt am 1. Oktober 1910 in Kraft. „Für Dienstreisen, die vor dem 1. Oktober 1910 begonnen und an diesem Tage oder später beendigt werden, sind die Tagegelder und Fahrkosten nach den bisherigen Bestimmungen zu gewähren.

16.

Alle diesem Gesetz 11e“ Bestimmungen sind aufge⸗ hoben. Wo in besonderen Vorschriften auf die hiernach aufgehobenen Festmmmungen bezug genommen wird, treten die entsprechenden Vor⸗ chriften dieses Gesetzes an deren Stelle.

88 Fae 8 und sonstigen Vorschriften, die für einzelne Dienst⸗ ge oder Dienstgeschäfte über die Tagegelder und Fahrkosten der Beamten ergangen sind, bleiben in Kraft. Sie können durch König⸗ liche Verordnung abgeändert werden.

„Abgesehen von den Fällen des § 8 Abs. 2, dürfen aber nicht höhere als die im § 1 Abs. 1 und § 3 bestimmten Vergütungen ge⸗ währt werden und ist eine über die Vorschrift des § 6 hinausgehende Abrundung der Entfernungen und die Gewährung der bestimmungs⸗ mäßigen Tagegelder und Fahrkosten bei geringerer Entfernung als 2 km nicht statthaft.

Unter den gleichen Beschiinkungen kann die Gewährung von Tagegeldern und Fahrkosten für einzelne Dienstzweige oder Vienst⸗ geschäfte auch ferner durch Königliche Verordnung besonders ge⸗ 68 Decbech die T ld d F

esgleichen können die Sätze von Tagegeldern und Fahrkosten, welche den in Angelegenheiten der direkten Etaatssteuern 8 Kommissions⸗ und Ausschußmitgliedern zu gewähren sind, durch Königliche Verordnung geändert oder neu bestimmt werden. 8 lle Königlichen Verordnungen und allgemeinen Anordnungen des Staatsministeriums sowie des Verwaltungschefs in Gemeinschaft mit dem Finanzminister, welche auf Grund der §§ 4, 5, 9, 14, 17. dieses er ünen sind, sind dem Landtage, wenn er versammelt ist, sofort, sonst bei seinem nächsten Zusammentritte vorzulegen.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhän und beigedrucktem ber Henser⸗ Fschsteig 1öu.“ Gegeben Aalesund Bord M. J. „H 9.

28. Juli 1910. 8 ““ ““ 8 von Bethmann Hollweg.

von Breitenbach. Sydow. Freiherr von Schorlemer.

Wilhelm. Delbrück. Beseler.

von Trott zu Solz. von Dallwitz. Lentze.

Verordnung

zur Ausführung des Stellenvermittlergesetz 1 vom 2. Juni 1910 (Reichsgesetzbl. S. 860).

Vom 25. Juli 1910.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen ꝛc., verordnen zur Ausführung des öbee vom 2, Juni 1910 (Reichsgesetzbl. S. 860) auf Grund des § 121. des Gesetzes über die Zuständigkeit der Verwaltungs⸗ und Ver⸗ waltungsgerichtsbehörden vom 1. August 1883 (Gesetzsamml. S. 237), was folgt:

UMeber die Anträge auf Erteilung der Erlaubnis zum Gewerbe⸗ betrieb eines Stellenvermittlers beschließt, vorbehaltlich der Aus⸗ nahme im § 2, nach Anhörung der Ortspolizeibehörde der Kreis⸗ (Stadt⸗) Ausschuß. Wird von der Ortspolizeibehörde Widerspruch

eg ungeteilt der Berechnung der Fahrkosten zugrunde

erhoben, so darf die Erlaubnis nur auf Grund mündlicher Ver⸗ handlung im Verwaltungsstreitverfahren erteilt werden.

Wird die Erlaubnis versagt, so steht dem Antragsteller binnen zwei Wochen der Antrag auf mündliche Verhandlung im Ver⸗ waltungsstreitverfahren vor dem Kreis⸗ (Stadt⸗) Ausschusse zu.

Die Entscheidung des Bezirksausschusses ist endgültig.

In den zu einem Landkreise gehörenden Städten mit mehr als 10 000 Einwohnern tritt an die Stelle des Kreisausschusses der Magistrat (kollegialische Gemeidevorstand).

2. 1 Ueber Anträge auf Crteiluns der Erlauhnis zum Gewerbebetrieb eines Stellenvermittlers für Bünenangehörige beschließt der Bezirks⸗ ausschuß. § 1 Abs. 1, 2 gilt entsprechend. .

Im Landespolizeibezirke Berlin tritt an die Stelle des Bezirks⸗ ausschusses der Polizeipräsident. Gegen seinen versagenden Bescheid findet binnen zwei Wochen die Klage beim Bezirksausschusse statt.

3.

Der Kreisausschuß, in Stabiteasen und in den zu einem Land⸗ kreise gehörigen Städten mit mehr als 10 000 Einwohnern der Bezirksausschuß, entscheidet auf Klage der Ortspolizeibehörde:

a. über die durücknahme der Erlaubnis zum Betriebe des Ge⸗ werbes eines Stellenvermittlers;

b. über die Untersagung des Gewerbebetriebs solcher Stellen⸗ vermittler, welche ihn vor dem 1. Oktober 1900 begonnen haben;

c. über die Untersagung des Betriebs eines nicht gewerbsmäßigen Stellen⸗ oder Arbeitsnachweises.

4.

Die Verordnung tritt am 1. Oktober 1910 in Kraft. Zu gleicher Zeit tritt die Verordnung vom 30. Juli 1900 S. 308), Se sie das Gewerbe eines Gesindevermieters oder Stellenvermittlers

etrifft, außer Kraft.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel.

Gegeben Molde, an Bord M. J. „Hohenzollern“, den 25. Juli 1910. 1“ Sydow. von Dallwitz

Auf Ihren, Bericht vom 7. Juli d. J. will Ich der Stadtgemeinde Schöneberg behufs Erwerbung der zur Weiterführung der hen Untergrundbahn nach Berlin er⸗ furdersichen, zum Straßenland der Motzstraße (Ecke da. S; traße) gehörigen Parzellen, die auf dem anbei zurückfolgenden Plane rot angelegt sind, hiermit das Enteignungsrecht verleihen.

Bolholm, an Bord M. J. „Hohenzollern“, den 17. Juli 1910.

Wilhelm R. von Breitenbach. von Dallwitz.

An die Minister der öffentlichen Arbeiten und des Innern.

Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinalangelegenheiten.

Dem Privatdozenten in der philosophischen Fakultät der Friedrich Wilhelms⸗Universität zu Berlin Dr. Alfred Byk ist das Prädikat Professor beigelegt worden. I

Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.

8 Dem zum Kreistierarzt ernannten Tierarzt Oskar Lindenau ist die Kreistierarztstelle zu Ragnit verliehen worden.

Finanzministerium.

Die Rentmeisterstelle bei der Königlichen Kreiskasse in Ottweiler, Regierungsbezirk Trier, ist zu besetzen. „Das Katasteramt Hildesheim II im Regierungs⸗ bezirk Hildesheim ist zu bese2zen.

Bekanntmachung. Dem Markscheider Josef Wasmuth zu Essen⸗Ruhr ist von uns unterm 9. Juli d. J. die Berechtigung zur Ausführung von Markscheiderarbeiten innerhalb es preußischen Staatsgebiets erteilt worden. Dortmund, den 13. August 1910. 1 önigliches Oberberg Liebrecht.

]

In der Zweiten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ wird eine Genehmigungs⸗ urkunde, betreffend eine Anleihe der Stadt Breslau, veröffentlicht.

Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 17. August.

Seine Majestät der Kaiser und König Franz Joseph vollendet morgen sein achtzigstes Lebensjahr. Wie ihm an diesem Ehrentage seine Völker in dankbarer Liebe entgegenjubeln, so wenden sich auch in Deutschland die Herzen dem erlauchten Monarchen zu, in dem wir den väterlichen Freund unseres Kaisers, den treuen Bundesgenossen des Deutschen Reiches, einen starken Schirmherrn des europäischen Friedens und ein leuchtendes Vorbild fürstlicher Pflichterfüllung verehren. Mit den ungezählten Millionen, die morgen Seiner Majestät dem Kaiser und König Franz Joseph ihre Huldigungen darbringen, vereinigen wir uns in dem Wunsche, daß seine Weisheit noch lange über den Geschicken der befreundeten und verbündeten Habsburgischen Monarchie walten möge!

111““

n Die Verkehrseinnahmen deutscher Eisenba für Juli 1910 betrugen nach der im Keichsesenbahnen aufgestellten Uebersicht:

—————

Gegen das Vorjahr (mehr, weniger)

im ganzen auf 1 km %

85 542 825 + 6 852 133 + 112, + 708 140 490 946 + 5 675 Haet n1 888

Im ganzen

WE“ üterverkehr.

Die gestrigen Gefechtsübungen auf dem großen Sande bei Mainz schlossen mit einem zweimaligen Vorbeimarsch der Truppen. Nach diesem nahm Seine Majestät der Kaiser und König, „W. T. B.“ zufolge, militärische Meldungen entgegen und setzte Sich alsdann mit Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog von Hessen an die Spitze der Fahnenkompagnie und der Standarteneskadron und führte die Feltzechen nach Mainz durch das Spalier der übrigen Truppen. Der Einzug in die Stadt erfolgte unter Glockengeläut und dem stürmischen Jubel der Bevölkerung. Vor dem Schlosse ließ Seine Majestät der Peiser die Fahnen und Standarten noch einmal defilieren. Im Vestibül des nahm Seine Majestät die Be⸗ grüßung der Stadt durch den Oberbürgermeister Dr. Göttelmann entgegen. schenke der Stadt Mainz für den Kreuzer „Mainz“ vor: den Katalog der für die Mannschaft gestifteten Bücherei, die über tausend Bände aus allen Gebieten der Wissenschaft und der schönen Literatur enthält, das Silberzeug für die Offiziersmessen und eines der Oelgemälde für die Kommandantenwohnung, ein vom Maler (Mainz) gemaltes Bild der Stadt vom Rheinufer aus. Seine Majestät sprach Sich sehr erfreut über den wie immer großartigen und herzlichen Eämpfang aus und bat, der Stadt Seinen Dank zu übermitteln. Um 1 Uhr war Frühstücks⸗ tafel bei Ihren Königlichen Hoheiten dem Großherzog und der Großherzogin, an der mit dem Kaiser auch die gesamten b- lichen Damen teilnahmen. Nach dem Frühstück fuhr Seine Majestät der Kaiser in Begleitung Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Hessen um 3 ½ Uhr nach dem Kurfürstlichen Schloß und besichtigte daselbst unter Führung des Mruseums⸗ direktors, Professor Schumacher und des Oberbürgermeisters Dr. Goettelmann das Römisch⸗Germanische Museum. Hierauf fuhren die Herrschaften nach dem tah. gchen zalais zurück. Seine Majestät der Kaiser, Ihre Königlichen Hoheiten die Kronprinzessin von Griechenland und die Prinzessin

riedrich Karl von Hessen sind um 4 Uhr im Automobil nach ronberg abgereist. Ihre Königlichen Hoheiten der Groß⸗ herzog und die Großherzogin von Hessen kehrten 4 Uhr

40 Minuten im Automobil nach Schloß Wolfsgarten zurück.

Bremen.

Präsi ent der Firentschen Repu Pedro⸗ Montt, der gestern hier auf der Durchreise nach dem Bad Nauheim WG war, ist gestern abend 11 Uhr 50 Mi⸗ nuten am Herzschlag gestorben. Der chilenische Gesandte in Berlin wird, wie „W. T. B.“ meldet, hier erwartet, um weitere Entschließungen treffen zu können.

Oesterreich⸗Ungarn.

Das „Fremdenblatt“ schreibt: Hakki Pascha, am 14. d. M. in Marienbad eingetroffen war, hat den ebenfalls dort weilenden Grafen von Aehrenthal besucht. Beide Staatsmänner benutzten diese Gelegenheit zu einem Gedanken⸗ austausch über die wichtigen Fragen, die in der letzten Zeit im Vordergrunde der Diskussion standen. Entsprechend den öe Oesterreich⸗Ungarn und der Türkei erfreulicherweise bestehenden vorzüglichen Beziehungen trug diese Aussprache einen sehr herzlichen Charakter an sich.

Das „Armeeverordnungsblatt“ veröffentlicht die vom Kaiser genehmigten Statuten des Zentralwirtschaftsfonds für das Heer. Die Hauptaufgabe des Fonds ist die Ge⸗ währung ausreichender Darlehen unter günstigen Rückzahlungs⸗ bedingungen an verschuldete Offiziere, wodurch eine Ent⸗ schuldung bezw. Rangierung des Offizierkorps erreicht werden soll. 8

Rußland.

Der Gehilfe des Ministers des Aeußern Sasonow und

der spanische Botschafter Graf de la Vihlaza haben, wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg meldet, einen Schieds⸗ gerichtsvertrag unterzeichnet.

Italien.

„Osservatore Romano“ bezeichnet die Nachricht eines englischen Blattes, öhtich der Heilige Stuhl Schritte getan habe, damit die Protestkundgebung der Katholiken in San Sebastian gegen die öb unterbleibe, als vollständig unbegründet. Der Heilige Stuhl, der stets sein Verhalten nach den strengen Regeln der Korrektheit und der Würde einrichte, stehe der Aktion, die die spanischen Katholiken zur Wahrung ihrer Rechte gegen die Politik der Regierung laubten unternehmen zu müssen, gänzlich fern, und wie er die undgebung nicht gefördert habe, so habe er auch keinen Schritt getan, sie zu verbieten.

Schweiz.

Dey Präsident Fallières, der den gestrigen Vormittag

in der französischen Botschaft in Bern zugebracht hatte, stattete am Nachmittag, „W. T. B.“ zufolge, dem Bundespräsidenten Comtesse einen Besuch ab und unternahm sodann mit dem Bundespräsidenten und verschiedenen Bundesräten eine Auto⸗ mobilfahrt in die Umgebung. Am Abend fand ein Diner in der französischen Votschaft statt bei dem der Peeeg Falliéres und der Bundespräsident Comtesse herzliche orie n dc Um 10 ½ Uhr fuhr Fallières mit einer Dragonereskorte zum Bahnhof, wo der Bundesrat mit seinem Präsidenten an der Spitze zur Verabschiedung erschienen war. Nach herzlichen Abschiedsworten Fallières verließ der Zug um 11 Uhr unter Kanonendonner und den Klängen der Marseillaise den Bahnhof.

Dieser führte dem Kaiser auch die Ge⸗

und 23 191 cbm bezw. Tonnen Güter.

Türkei.

Nach Depeschen des Wali von Kossowo dauert, wie W. T. B.“ aus Konstantinopel meldet, die Einsammlung her Waffen bei den Bulgaren in Kasas, Istip und Kotschana fort.

Die Bulgaren von Koeprülü veranstalteten, derselben Quelle zufolge, eine große Kundgebung gegen die gevplante Bandenbewegung, wobei sie gegen die Sprache der bul⸗ garischen Presse Verwahrung einlegten. Die Bewegung im Bezirk Istip flaut ab. Die gestrige Meldung, daß Bulgaren das Regierungsgebäude in Istip über⸗ hahen und die telegraphischen Verbindungen zerstört hätten, ist dahin richtig zu siellen, daß in Tikvesch im Bezirk Istip der Konak, das Telegraphenamt und eine Anzahl Häuser nieder⸗ gebrannt sind. Ob ein verbrecherischer Anschlag vorliegt, ist noch unbekannt.

Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ aus Kanea haben die Konsuln die kretische Regierung vorgestern in einer Verbalnote aufgefordert, die für die eseischen Wahlen in Vorschlag gebrachten kretischen Kandidaten zu der Mitteilung an ihre Wähler zu veranlassen, daß sie, um ernst⸗ liche Verwicklungen zu vermeiden, von ihrer Kandidatur Abstand

Montenegro. Bei dem vorgestern in Cetinje zu Ehren der dort ein⸗

getroffenen türkischen Mission abgehaltenen Galadiner dankte

der Fürst Nikolaus für die Glückwünsche des Sultans als Beweis ganz besonderer Sympathie und wohlwollender Freund⸗

aft und versicherte den Sultan seiner unabänderlichen Freund⸗ scaft und Hochachtung. Er sei beseelt von dem festen Wunsche, die Freundschaft mit dem Sultan als wertvolles fand zu bewahren und trinke auf das Wohlergehen des Sultans und seiner Völker 6 Amerika.

Wie „W. T. B.“ aus New York meldet, hat der republi⸗ kanische Ausschuß, der die Vorbereitungen für den am 27. Sep⸗ tember in Saratoga zusammentretenden republikanischen Staats⸗ konvent trifft, den Vorschlag, Roosevelt zum Präsidenten des Konvents zu wählen, abgelehnt und einstimmig den Bundes⸗ Vizepräsidenten Sherman für diesen Ehrenposten ausersehen.

Koloniales. 1

Personen⸗, Lösch⸗ und Ladeverkehr in Swakopmund (Deutsch⸗Südwestafrika) während der Monate Januar bis März 1910.

I. Einwanderung und Einfuhr: 1370 Personen, 103 Stück Großvieh, 327 Stück Kleinvieh und 19 555 chm bezw. Tonnen Güter. 434 Personen kamen von außerhalb des Schutzgebiets ge⸗ legenen Ländern, 936 Personen von zum G gehörigen Häfen. Von den Gütern waren 3805 cbm Regierungs⸗, 15 750 cbm Privatgüter.

II. Auswanderung und Ausfuhr: 2137 Personen, 19 Stück Großvieh und 13 130 chm bezw. Tonnen Güter. 294 Personen be⸗ gaben sich nach außerhalb des Schutzgebiets gelegenen Ländern, 1843 Personen nach innerhalb des Schutzgebiets belegenen Plätzen. Die Steigerung der Auswanderung rührt daher, daß Eingeborene nach den Landungsplätzen der Diamantgebiete übergeführt wurden.

Der Gesamtverkehr auf der Reede war mithin folgender: 3507 Personen, 122 Stück Großvieh, 327 Stück Kleinvieh und 32 685 chm bezw. Tonnen Güter.

An 18 Tagen ruhte der Lösch⸗ und Ladeverkehr velfeceeig und zwar an 14 Sonn⸗ und Festtagen und an 4 Werktagen wegen Mangels an Ladung. Die Zahl der Löschtage betrug demnach 72, die durch⸗ schnittliche tägliche Leistung beim Löschen 272 chm, beim Verladen ecbm und die durchschnittliche tägliche Güterbewegung rund

54 chm.

Personen⸗ Lösch⸗ und Ladeverkehr in Lüderitzbucht während der Monate Januar bis März 1910.

I. Einwanderung und Einfuhr: 4122 Personen, 34 Stück Großvieh, 454 Stück Kleinvieh, 21 931 chm bezw. Tonnen Güter. 2209 Personen kamen von außerhalb des Schutzgebiets gelegenen Ländern, 1913 Personen von zum Schutzgebiet gehörigen 8 von den Gütern waren 3193 cbm Regierungs⸗, 18 738 chm Privatgüter.

II. Auswanderung und Nnssehe 2483 Personen, 14 Stück Großvieh und 1260 chm bezw. Tonnen Güter. 1407 Personen gingen 1 außerhalb des Schutzgebiets gelegenen Ländern, 1076 Personen nach innerhalb des Schutzgebiets belegenen Plätzen; von den Gütern waren 280 cbm Regierungs⸗, 980 chm Privatgüter. 8 b Die Personenbewegung bestand zu einem erheblichen Teile in der Zu⸗ und Rückführung von ein eborenen Arbeitern und Kap⸗ jungen nach und von den Diamantenfeldern.

Der Gesamtverkehr auf der Reede von Lüderitzbucht war folgender: 6605 Personen, 48 Stück Großvieh, 454 Stück Kleinvieh (Deutsches Kolonialblatt.)

““ Das Augustheft des „Tropenpflanzers“, Organs des Kolo⸗ nialwirtschaftlichen Komitees (Berlin, Unter den Linden 43), enthält an erster Stelle einen Artikel „Zur Düngung der tropischen Kultur⸗ pflanzen“ de enel. sor Dr. Fesca⸗Hamburg. In großen Zügen schil⸗ dert sier der Verfasser die Erfahrungen, die man bis heute mit der Düngung in den Tropen gemacht hat. Fesca zeigt zunaͤchst, daß die chemische Analyse des Bodens nur einen begrenzten Rückschluß auf das Nährstoffbedürfnis der Pflanze 8.b und erläutert dann an der Hand einiger Beispiele das Düngebedürfnis der Pflanze für Stickstoff, Phosphorsäure und Kali z. B. bei Reis, Baumwolle, uckerrohr, Kaffee ꝛc. Zum Schluß geht Fesca noch auf die rage ein, in welcher Form die Nährstoffe am geeignetsten dem Boden zuzuführen sind. ie Ausführungen des Verfassers lehren, daß auf diesem Gebiete noch viele Fragen der Lösung durch die wissenschaft⸗ lichen Versuchsstationen harren. Der im ö Heft begonnene Artikel von Regierungsrat Dr. W. Busse „Ueber die Kultur des Zigaretten⸗ tabaks in Transkaukasien und der Krim“ wird fortgeführt. Busse schildert hier die Verhältnisse in Abchasien und beschreibt die Kultur sowie die Erntebereitung des Tabaks in dieser Provinz in allen Einzel⸗ heiten. Die Reiseschilderung von Dr. A. H. Berkhout⸗Wageningen „Nach den Kautschuklanden“ wird ebenfalls fortgesetzt. Von besonderem Interesse sind hier die Hinweise auf die Plantagen⸗ und Forstwirt⸗ chaft auf der malaiischen Halbinsel. Des weiteren enthält das Heft Berichte über „Frischhaltung und Konservierung westafrikani cher Ananasfrüchte“ von Korpsstabsapothekera. D. Bernegau, über „Kautschuk und andere Kulturen in Ceylon“ von Ch. Böhringer, über die Fragg⸗ „wie sich jeder Kolonist das beste „Lederzeug“ selbst herstellen kann“, von Dr. E. O. Rasser, sowie eine Menge kleinerer Mitteilungen über Kautschuk, Kakao, Ananas und andere tropische Kulturen.

Wohlfahrtspflege.

Der Zuzug nach der Großstantt wird in einem Aufsatz des Juliheftes der „Blätter für das ham⸗ burgische Armenwesen“ behandelt, der besondere Beachtung verdient. Die hamburgische Armendirektion weist darauf hin, daß die Fälle, in denen mittellose Ehepaare mit ihren Kindern aufs Geradewohl nach der Großstadt kommen, weil sie ihrer Angabe nach hoffen, hier leichter Arbeit zu finden und höhere Löhne zu erzielen, sich auffällig mehren. Ferle handelt es sich aber nicht um voll erwerbsfähige Personen, sondern um solche, die aus aefsiesosgget oder körperlicher Untüchtigkeit fast stets mit Arbeitsmangel zu

1“

ämpfen hatten, und deren wirtschaftliche Verhältnisse so ungünstig sind, daß die öffentliche Armenpflege schon oft hat helfend eingreifen müssen. Auf Grund von Beobachtungen und Ermittlungen werden nun in dem Aufsatz die Ursachen und Folgen des Zuzugs dieser nicht alleinstehenden Wander⸗ armen und die Schwierigkeit, 18 nachhaltig zu helfen, geschildert. Als ein Hauptgrund dieses Zuzugs sind die besseren Einrich⸗ tungen der Armenpflege der Großstadt gegenüber den⸗ jenigen der Kleinstadt und des flachen Landes anzusehen. Den Zu⸗ züglern, die meistens ihr letztes Besitztum zur Er eüg der Mittel für die Reise veräußert haben, ist recht wohl bekannt, daß die neuen gesetzlichen Bestimmungen schon nach einjährigem Aufenthalte die Erwerbung des Unterstützungswohnsitzes und somit den Anspru auf bessere Armenunterstützung sichern. Da nun die Großstädte nich in der Lage sind, sich ausreichend gegen den Zufluß wirtschaftlich minderwertiger Elemente zu schützen, so wird, nach den Ausführungen des erwähnten Aufsatzes, trotz aller Vorsicht mehr und mehr der Zustand naherücken, daß die Großstädte fast ausschließlich die Träger der Armenlast sind. Die Ausgaben wachsen schon jetzt von Jahr zu Jahr. Die Hamburger Armenbehörde hält es geradezu für eine Pflicht der großstädtischen Verwaltungen, dem Zuzug minderwertiger Elemente entgegenzuwirken. Sie sagt. „Nach age der Gesetzgebung läßt sich ein Einhalt auf direktem Wege nicht tun. Das Freizügigkeitsgesetz versagt zu oft mit seiner Ausweisungs⸗ mözlichkeit, und daher bleibt nur der eine Weg als gangbar übrig, solche Familien, die planlos der Großstadt zuwandern und garnicht in der Lage sind, hier ihren auskömmlichen Unterhalt zu finden, nicht in offener, sondern in geschlossener Pflege zu unterstützen. Es ist dann wenigstens die Möglichkeit geboten, stärker erzieherisch auf die Familie einzuwirken, um sie tüchtiger für den Kampf ums Leben zu machen. Für die Organe der Armenpflege im allgemeinen müssen die besprochenen 19 e aber den Anlaß geben, zur Gewährung von Reisemitteln an Personen und Familien, die den Nachweis einer lohnenden Beschäftigung an dem neuen Aufenthaltsort nicht erbringen können, nicht die Hand zu bieten, damit weder für die Familie ein weiterer Nachteil für ihre Existenz, noch der anderen Armenbehörde ein Nachteil finanzieller Art entstehe und ihr Schwierigkeiten bereitet werden.“ Es wäre von Ia auch von seiten anderer groß⸗ städtischer Armenverwaltungen über die Frage der Abwehr zuziehender bereits verarmter oder doch arbeits⸗ und besitzloser Familien nähere Erfahrungen mitgeteilt zu erhalten, nachdem nun das neue deutsche Unterstützungswohnsitzgesetz in Wirksamkeit getreten ist.

Literatur. Von des Jenenser Professors Dr. Rudolf Eucken Schrift

„Der Sinn und Wert des Lebens“ liegt eine neue Auflage

vor, in der namentlich der zweite, aufbauende Teil durchgreifend um⸗ gearbeitet ist. In unsern Tagen, in denen „der einzelne an dem von

eberlieferung und Umgebung dargebotenen Lebensgehalt, der ihn bis dahin erfüllte, irre zu werden beginnt, und dieser Zweifel wiederum bekundet, daß die überkommenen Zusammenhänge den Forderungen nicht genügen, die ein fortschreitendes Leben stellt’, ist die Frage nach einem Sinn und Wert des Lebens für vnsehre e wieder brennend geworden. Kämpft doch der einzelne Rensch wie die Menschheit in ihr für die Erhaltung seines geistigen Selbst. Die Bewegungen der Gegenwart erhalten ihre Bedeutung und Spannung durch die Tatsache, daß es sich bei ihnen um den Aufbau eines neuen Lebens handelt, um eine neue Selbstkonzentration. Nur die eigene Bewegung und Erfahrung des Lebens kann darüber entscheiden, ob ein solches Suchen Aussicht auf Erfolg hat. Die erste Bedingung für ein weiteres geistiges Vordringen ist, daß in dem Menschen noch weitere Entwicklungsmöglichkeiten schlummern, „daß das Leben noch keineswegs seine Tiefe in den bisherigen Bildungen erschöpft hat“. Der Verfasser ist von der zwingen⸗ den Notwendigkeit eines solchen Fortschreitens überzeugt, „denn die einmal wirkenden Gegensätze müssen sich immer weiter vertiefen und den geistigen Gehalt des Lebens mehr und mehr zer⸗ reiben und zerbröckeln“. bm Vertrauen auf die hier waltenden Not⸗ wendigkeiten, die allem Wollen und Meinen nicht nur des einzelnen Menschen, sondern der ganzen Menschheit weit überlegen sind, geht er an sein Werk. Der erste Teil der Schrift enthält eine eingehende Kritik der von der Menschheit auf die Frage nach dem Sinn und Wert des Lebens in den bisherigen Lebensordnungen gefundenen Antworten. In erster Linie steht hier die religiöse Lebensordnung, die durch lange Jahrhunderte unzähligen Menschen ein zwar ernstes, aber sicheres, in seinen Tiefen gegründetes Leben voller Bewegung und in sicherm Zusammenhängen, vor allem kein vergebliches Leben bot. Die weitere Entwicklung hat aber die Religion aus dem Mittelpunkt des Lebens mehr an dessen Peripherie gedrängt; und noch mehr: ihre Grunderfahrungen fingen an zu erblassen, der Lebenseffekt der Mensch⸗ heit wandelte sich. Aecge der völligen Verneinung der Religion wird zwar auch ihr Recht lebhaft verfochten. Sie ist aber zweifellos für Ünzählige erschüttert und zur Frage geworden. Ein ähnliches Ge⸗ schick hat der immanente Idealismus gehabt. „Seine Ueberzeugung von einer Tiefe des Alls und dem Wirken einer unsichtbaren Welt hat in der Menschheit Boden gewonnen nur im Anschluß an die 1. und ihre Erhebung des Lebens über alles sichtbare Dasein; bricht dies zusammen oder wird es auch nur erschüttert, so verliert auch die Idealkultur ihre sichere im Leben, so wird sie aus ihrer Tiefe mehr und mehr zur bloßen Oberfläche gedrängt.“ Die neuere Zeit fand dann neue Lebensordnungen, die alle Ver⸗ wicklungen der Religion oder der Metaphvsik energisch abstreiften und in der Tätigkeit innerhalb der sichtbaren Welt Erfüllung und Genüge suchten. Als herrschender Mittelpunkt galt den einen das Verhältnis des Menschen zur Natur, den anderen das Verhältnis des Menschen zum Menschen selbst. o bildete sich die Lebensordnung des Naturalismus und die der Sozial⸗ und Individualkultur. Jener hat trotz aller Versuche, ihn neu zu beleben, völlig Bankerott gemacht; aber auch die bloße Menschenkultur scheitert in jeder der beiden Richtungen, die sie einschlagen kann: „weder die gegenseitige Anziehung noch die gegenseitige Abstoßzung des Menschen ls einen Sinn, läßt irgend welchen Inhalt des Lebens gewinnen. Die Sozialkultur ist

Sorge vernachlässigt sie das Leben selbst; die Indiv dualkultur möchte es bei sich 1 er fassen, aber da sie es nicht über die einzelnen Zustände und Augenblicke zurückzuverlegen vermag, so Früt es ihr nicht in ein Ganzes zusammen, so erreicht es keine Innerlichkeit, keine Innenwelt, so fehlt auch hier eine wahrhaftige Seele, und so bleibt alles Tun und Treiben an die Oberfläche gebannt“. Die Menschenkulturen Fasen verstohlenerweise aus dem Pee weit mehr, als sie können und dürfen. Sie idealisieren den Fuschen und ein ge⸗ wisser Menschenglaube ergänzt und erhöht den wirklichen Befund, der ihm durch Tatsachen widerspricht. „Das alles fällt viel zu sehr in die Augen führt der Verfasser aus —, um sich übersehen zu lassen; wenn trotzdem unbedenklich von der Größe der Menschheit oder von der Vortrefflichkeit der Individuen geredet wird, die nur freie Bahn zu erhalten brauchen, um alles zu Glück uud Größe zu führen, so erscheint darin jener wunderliche Glaube an den Menschen, ein Menschenglaube, der unter allen Arten des Glaubens wohl am meisten angreifbar ist. Wenn der Glaube der Religion eine zuversichtliche Annahme von etwas verlangte, was sich nicht mit Augen sehen und mit Händen greifen läßt, so konnte er, da ihm die Welt der Erfahrungen nicht als das Ganze der Wirklichkeit galt, sich

vor allem satus Bedingungen des Lebens gerkget aber über solche l

auf offene Möglichkeiten berufen, und es stieß die Behau tung nicht direkt mit dem Befund der Erfahrung zusammen. eaanes tut sie bei jenem Menschenglauben. Denn er begnügt sich nicht mit der Forderung, etwas zu glauben, was wir nicht sehen, er ver⸗ langt von uns, daß wir innerhalb der Erfahrung das gexade Gegen⸗ teil dessen annehmen, was der unbestreitbare Augenschein zeigt.“ Dem kritischen Teil folgt der „Versuch eines Aufbaues“. Der Verfasser sucht in ihm zunächst den Grundcharakter des geistigen Lebens zu er⸗ fassen und zu bestimmen. Den lusgangevungh der Selbstbesinnung des Menschen bildet ihm die Frage, ob des Menschen Leben ganz und gar innerhalb der Natur verläuft, oder ob es über sie hinaus sich zu eigentümlicher Art erhebt. Der Verfasser bejaht diese eigentümliche Art des Menschen und sieht sie im Denken, das sich im Menschen dem 1e assoziativen Erkennen zugesellt, im Fühlen, das nicht nur an sinnliche Erregungen gebunden ist, sondern sich aus den eigenen Bewegungen der Seele erzeugen kann, und im Wollen, das eine Erhebung des Strebens über den dunklen Zwang des Naturtriebes darstellt. Diese drei Seiten der menschlichen Tätigkeit zeigen „ein Selbständigwerden inneren Lebens, ein Zusammenfassen in ein Ganzes, ein Streben nach Ueberschreitung der menschlichen Sonderkreise; augenscheinlich ist das nicht eine Fortführung der Natur, sondern ein Bruch mit ihr, ein Ergreifen eines neuen Ausgangspunktes, ja eine Umkehrung des Lebens. Was hier an Zielen und Wegen, an Kräften und Bewegungen ersichtlich wird, das ist völlig neuer Art, das muß von der Natur aus als ein unverständliches Rätsel erscheinen. So ist in allem zusammen eine neue Lebensstufe nicht zu verkennen.’“ Auf der Unter tufe blieb die Aufgabe des Seelenlebens auf die Selbsterhaltung beschränkt; die seelische Tätigkeit war ein bloßes Stück eines natürlichen Lebensprozesses. Hier aber erhebt sich das Geschehene zu einem Immergeschehen. Das Leben kommt wie aus einem Schlummerzustand zum Wachen. „Mit jener Wendung zu sich selbst ist ein Weg betreten, der weiter und weiter führt, und dessen Ziel einstweilen noch in weitester Ferne liegt. Das Streben nach solchem Ziel kann seinen Abschluß unmöglich bei der gewöhnlichen Art der geistigen Betätigung finden, es wird zwingend darüber hinaus getrieben. enn diese ist ein Beleben und Erweiten der seelischen Kraft an einem Gegenstand, der ihr gegenüber liegt, ein Wirken des Subjekts an einem Objekt, das sich draußen befindet.“ So lange der Gegenstand aber draußen liegt, bleibt das Leben gespalten. uf diesem Wege ist ein wahres Er⸗ kennen, eine wahrhaftige Gemeinschaft und eine innere Er⸗ höhung des Menschen und der Menschheit nicht zu erreichen, es sei denn, daß die Spaltung von Kraft und Gegenstand überwunden werden könnte. Diese Möglichkeit liegt vor. Am deutlichsten tritt sie in der Moral zu tage (Pflichtidee), dann in der echten Liebe, wenn ihr Gegenstand in das eigene Wesen eingeschlossen wird, im Recht und besonders deutlich in der Kunst. Auch ein wahr⸗ haftes Erkennen setzt voraus, daß sein Gegenstand nicht fremd draußen beharrt, sondern zu uns selbst gehört, sodaß wir im Mühen um ihn unser eigenes Wesen suchen. Eine solche Aneignung des Gegenstandes erweitert das Leben, es muß, wenn es fruchtbar sein soll, das Leben aber auch vertiefen. Das Leben kehrt sich dann ge⸗ wissermaßen gegen sich selbst, ist mit sich selbst beschäftigt; dadurch erst erlangt das seelische Leben eine Selbständigkeit gegenüber der bloßen Natur, ist nicht mehr ein bloßes Stück eines sinnlosen Mechanismus. Nun erst läßt sich nach einer Aufhellung des Da⸗ seins streben und nach einem Sinn des Lebens fragen.

Der Verfasser untersucht dann die Stellung des Menschen im All. Jenes Beisichselbstsein kann kein Erzeugnis der untermensch⸗ lichen Natur sein, denn es zeigt den Menschen fähig, einen Kampf gegen seine Sonderart Kn. tne ghen⸗ die ihm selbst zu klein, zu un⸗ erträglich wird. Die im Menschen erstandene Bewegung, die ihn von Grund aus umbilden will, muß man als das „Aufsteigen einer dem Menschen überlegenen Wirklichkeit anerkennen, einer Wirklichkeit, woran er teilgewinnt, die er aber nicht von sich aus hervorbringt —; es muß ein dem Menschen überlegenes Geistesleben bestehen, und dieses sich ihm nicht nur mitteilen, sondern zu seinem eigenen Wesen werden“. „Dies Verhältnis des Menschen zu einem höheren Leben, das bei ihm durchbricht, geht allen Verhältnissen voran, auf denen die früher betrachteten Lebensordnungen ruhten. Denn in jenem allein ist volle Unmittelbarkeit, volle innere Gegenwart, Verwandlung in eigenes Erlebnis erreicht; niemand kann es leugnen, ohne sich selbst als geistiges Wesen zu zerstören, es ist das Allergewisseste und Ursprüng⸗ ichste, das unser Leben kennt.“ Der Verfasser weist auch auf die Tatsache hin, daß gewöhnlich die schaffenden Größen, die geistigen Helden der Weltgeschichte, als Menschen von höchster Aktivität zugleich entschiedene Deterministen waren; ihr eigenes Vermögen trat ihnen völlig zurück hinter dem Bewußtsein des Getragen⸗ und Getrieben⸗ werdens durch eine überlegene Macht⸗ Eucken schildert dann die Auf⸗ abe und Größe des neuen Lebens auf dem Gebiet der Religion und dem v. geistigen Arbeit und kommt zu dem Schluß: „Der des kleinen Ich entwunden, zerfließt das Leben doch nicht in die Unendlich⸗ keit, sondern innerhalb der Unendlichkeit kann jeder ein selb⸗ ständiger Lebenspunkt, ein Träger des Ganzen werden; darf der Mensch sich, vom Strom des Ganzen getrieben und geführt, von der Kraft des Ganzen befestigt mwisene so hat er an seiner Stelle jenen Strom mit eigener Entscheidung aufzunehmen und weiter⸗ zuführen, so zieht sich ein roßes Entweder —oder durch sein ganzes Dasein und gibt 8 einen Charakter dramattischer Art. Nun erst vermag sich die Tätigkeit zur Selbsttätigkeit zu steigern, ein Wirken, ein Sein zu gewinnen, einen geistigen Charakter ö und damit dem Leben einen Inhalt zu geben, während die bloße Tätigkeit bei aller Fülle und Emsigkeit 8 enschen innerlich leer lassen kann.“ Des weiteren schildert der Verfasser die A des Geisteslebens im natürlichen Dasein, die Unfertigkeit und scheinbare Unsicherheit des Geisteslebens und die scheinbare Ohnmacht des Geisteslebens im All, um endlich in einer süsammenfassung die Struktur des Aufbaus seiner Arbeit noch⸗ mals klarzulegen. Der Raum verbietet es, näher auf diese Gedanken einzugehen. iese Zeilen sind nur ein schwacher Versuch, auf ihre Eigenart und ihren Reichtum hinzuweisen. Vielleicht regen sie zur Lektüre des wertvollen Buches an, dem die weiteste Verbreitung zu wünschen ist.

Theater und Musik.

Im Königlichen Schauspielhause geht morgen, Donners⸗ tag, Ernst von Wildenbruchs Schauspiel „Der deutsche König“, mit errn Ernst Staegemann in der Titelrolle, in Szene. Aa ihm ind in den Fere. die Herren Zimmerer, Geisendörfer, Werrack, oettcher, Nesper, Pohl⸗ Zeisler, Patry sowie die Damen Butze, Andner, Ressel und Willig beschäftigt

Im Neuen Königlichen Operntheater wird morgen, Donnerstag, „Lohengrin“ unter der musikalischen Leitung des Kapell⸗ meisters Blech und in den Hanptrfnen durch die Herren Kirchhoff, Bischoff, Griswold, van Hulst sowie die Damen Rose und Ober besetzt, ausgeführt. (Anfang 7 Uhr.)

Von Lengyels Schauspiel „Taifun“, das bisher 180 Feflaesaes am Berliner Theater erlebte, können nunmehr noch wenig Auf⸗ führungen stattfinden, da am 1. September die neue Spielzeit mit einem Gastspiel von 8 ansi Niese beginnt.

Das Schillertheater hat für die kommende Spielzeit einen mannigfaltigen Spielplan . Als erstes Stück wird im Charlottenburger Hause die Posse „Robert und Bertram“ heraus⸗ kommen, die erste musikalische in dem vor drei Jahren eröffneten Theater. Es folgen Ibsens Komödie „Der Bund der Jugend“, „Der ideale Gatte“ von Oskar Wilde, Grillparzers „Des Meeres und der Liebe Wellen“, Molidres „Misanthrop’, der zugleich mit Schnitzlers Einakter „Der grüne Kakadu“ erscheint. Von Sudermann ist das Schauspiel „Sodoms Ende“ er⸗ worben worden das mit usnahme eines Kainz⸗Gast⸗ spiels seit nahezu zwei Jahrzehnten an keiner Berliner Bühne mehr gegeben worden ist. Von modernen Autoren wird ferner Ludwig Fulda mit seiner Komödie „Der Dummkopf“, Oskar Blumen⸗ thal mit dem Verslustspiel „Fée Caprice“ in den Spielplan aufge⸗