1910 / 288 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 08 Dec 1910 18:00:01 GMT) scan diff

besitzenden Klassen. Tausende und aber Tausende braver tüchtiger Arbeiter möchten gern arbeiten, aber sie bekommen keine Arbeit. Im Baugewerbe allein waren im Februar 63, im März noch 30 % arbeitslos. An der Arbeitslosigkeit sind unsere wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse schuld. Die Arbeitslosigkeit in der Tabak⸗ und Zündwarenindustrie ist durch die neue Steuergesetzgebung ver⸗ schuldet. Streichen Sie den § 13 nicht, so wird das im Volke sehr unangenehme Gefühle erregen.

Abg. Irl (Zentr.): Es ist merkwürdig, daß die Ansicht, von den Arbeitskammern sei nichts zu erwarten, auf der äußersten Rechten und auf der äußersten Linken besteht. Das läßt den Schluß zu, daß das Richtige auch hier in der Mitte liegt. Wir sind für die Kommissionsfassung im § 13. Die verbündeten Regierungen wollen, daß in den Arbeitskammern nur die Meinungen der wirk⸗ lichen Arbeiter gehört werden. Das ist in der Theorie ganz schön, aber in der Praxis wird es anders. Die Arbeitersekretäre werden im Hauptberuf immer noch in einem Gewerbezweige tätig sein, daneben aber doch den größten Teil ihrer Zeit auf das Studium solcher Fragen verwenden können, die in den Arbeitskammern besprochen werden, auch schriftlich und mündlich für die Agitation tätig sein. In welcher Lage befinden sich aber demgegenüber die kleinen Arbeit⸗ geber? Sie könnten nur schwer Vertreter in die Arbeitskammern wählen, die den Vertretern der Großindustrie und der Sozial⸗ Sen gewachsen wären. So würde manches Gutachten einseitig ausfallen.

Abg. von Bolko (dkons.): Wir erhoffen eine segensreiche Wirksam⸗ keit von den Arbeitskammern durch den direkten Verkehr zwischen Arbeitern und Unternehmern. Eine solche Wirksamkeit wird aber durch die Arbeitersekretäre gehindert. Uebrigens wird hier bewiesen, daß ein schwarz⸗blauer Block nicht besteht, denn das Zentrum geht ganz andere Wege als wir. Meine Freunde sind gezwungen, die Kommissions⸗ fassung abzulehnen.

Abg. Horn⸗Reuß (nl.): sekretäre zuzulassen, kann nicht rößere Vertrautheit mit den betrifft, so wird ja gerade von sozialdemokratischer Seite auf die Unwissenheit der auf bürgerlichem Boden stehenden Arbeiter im Gegensatz zu den sozialdemokratischen hingewiesen. Ich bin 6 Jahre Mitglied eines Gewerbegerichts gewesen und habe mich stets über das klare Urteil der Arbeiterbeisitzer gefreut.

Ich kann daher nicht glauben, daß die Arbeiter nicht in der Lage wären, aus ihren Reihen heraus tüchtige Vertreter zu stellen. In den Arbeitskammern werden auch in erster Linie doch wohl spezielle Fragen des betreffenden Gewerbebetriebes zu behandeln sein. Gerade die Zuziehung der Arbeiter, die nicht, wie die Arbeiter⸗ sekretäre, abseits der Praxis stehen, wird gute Leistungen der Arbeitskammern verbürgen. Es wäre auch keine Gewähr gegeben, daß die Arbeitersekretäre an den Einigungsverhandlungen in der Arbeitskammer teilnehmen. Anderseits aber haben sie ja die Möglich⸗ keit, bei Tarifverträgen usw. als Schiedsmänner mitzuwirken. Auch die Arbeiter können heute unabhängig genug in den Arbeitskammern ihre Tätigkeit ausüben. Ein Vergleich mit den Handelskammern ist schief, denn diese stellen einseitige Arbeitgebervertretungen dar. Wenn die Arbeitersekretäre zugelassen werden, so wird auf seiten der Arbeit⸗ 8 geber ein solcher Widerstand, ein solcher Mißmut entstehen, daß der

gewerbliche Friede sicherlich zum mindesten nicht gefördert wird. Mit der Zulassung der christlich⸗vaterländischen Sekretäre könnte man sich abfinden, aber solange die freien Gewerkschaften ein solches Ueber⸗

kann man dem Wunsche der Kommissionsmehrheit nicht

entsprechen.

Abg. D. Naumann fortschr. Volksp.): Der Abg. von Bolko meinte, wir würden den Zweck der Arbeitskammern besser erfüllen, wenn wir nur ältere und selbst interessierte Arbeitervertreter darin haben. Wer die Vorgänge bei einzelnen Streiks genauer verfolgt hat, wird mir zu⸗ geben, daß sehr oft das Alter, um welches hier gestritten wird, das Alter von 25 bis 30 Jahren, die Entscheidung in der Hand hat. Dieses Alter sollte doch also auch in den Arbeitskammern nicht unberücksichtigt gelassen werden. Der Schluß, den man aus den Ausführungen des Abg. Horn eigentlich ziehen wüßte, wäre doch, die Arbeitersekretäre zuzulassen, denn er hat sehr viel Gutes von ihnen

esagt; trotzdem will seine Partei das ganze Gesetz ablehnen, wenn

ie hineinkommen. Ein bedeutender Großindustrieller, dem augenblicklich der parteipolitische Unterstützungswohnsitz im hohen Hause fehlt, und der deshalb an den Kommissions⸗ beratungen nicht teilnehmen konnte, hat einen anderen, weit klareren Standpunkt seinerzeit vertreten als heute der Abg. Horn; er sieht die Sekretäre überhaupt, sowohl die der Arbeitgeber wie die der Arbeiter, als eine Ungehörigkeit in diesen Körperschaften an und will beide Kategorieen nicht darin haben, denn die Herren wollen Herren im eigenen Hause sein und bleiben. Mit diesem Standpunkt läßt ssich rechnen; aber er ist von der Industrie längst nicht mehr fest⸗ gehalten worden; die Unternehmer sind in großen Verbänden und Syndikaten organisiert, sie sind nicht mehr patriarchalische, sondern

Verbandsunternehmer, und von diesen wundert mich die Ab⸗

neigung gegen die Sekretäre doch sehr. Bedenklich sind die Herren auch gar nicht mehr gegen das System der Arbeitersekretäre, ondern nur gegen den oder jenen einzelnen Sekretär. Im Interesse der deutschen Gewerkschaften würde ich es für durchaus richtig halten, wenn sie nach Möglichkeit dafür sorgten, noch höher gebildete, noch besser bezahlte, noch innerlich gereiftere Sekretäre anzustellen. Der einzelne Arbeiter aber kennt effektiv nur seinen Fcfet Betrieb; der einzige Arbeiter, der über die vier Wände

Ein zwingender Grund, die Arbeiter⸗ anerkannt werden. Was ihre wirtschaftlicheen Fragen an⸗

desselben hinaus eine allgemeinere Kenntnis des Gewerbes haben kann, ist und bleibt der Arbeitersekretär. Der Abg. Horn meinte, bei Streiks und Einigungsverhandlungen seien die Sekretäre ja vhnehin zulässig. Gewiß, aber dieser Fall, daß große Streiks nur in einer Art prozessualem Verfahren von der Arbeitskammer ent⸗ schieden werden, wird doch nur sehr selten eintreten. Der Haupt⸗ bestandteil der Tätigkeit der Kammern wird in der Verwaltung liegen, und da gehört der Arbeitersekretär hinein, schon deswegen, weil er unkündbar ist. Der Fall der Kündigung des Arbeiters wird ja viel⸗ leicht in ¾ aller Fälle nicht eintreten; aber es bleiben die groß⸗ industriellen Betriebe, um die doch der Bundesrat bei der Bildung von Arbeitskammern hoffentlich nicht herumgehen wird, und hier ist es von größter Bedeutung, daß auch eine Anzahl unkündbarer Ar⸗ beiter in die Kammern hineinkommen. Der Abg. Horn verweist auf das politische Moment, das die Verständigung verhindern müßte. Hier sieht der Abg. Horn Gespenster; er braucht sich ja nur die Gewerbegerichte anzusehen, da spielt das parteipolitische Moment nach allgemeiner 8 Errfahrung nicht hinein. Auch die Arbeitskammer wird keine Arena für die Ausfechtung parteipolitischer Kämpfe sein; das Gesetz schafft einen rein sozialpolitischen Organismus. In diesen gehören die Arbeitersekretäre nicht als unser Ideal hinein, sondern weil sie sozialpolitisch⸗organisatorisch eine Notwendigkeit sind. Der Gewerkschaftssekretär ist außerhalb des einzelnen Betriebes, gehört aber zum Organismus des Gewerbes genau so notwendig wie Unternehmer und Arbeiterschaft auch. Es gibt ja heute keinen einzelnen Arbeitsvertrag mehr zwischen dem einzelnen Unternehmer und dem einzelnen Arbeiter, sondern nur noch einen gemeinsamen Vertrag, und dazu gehört eine Stelle der Vorbereitung dieser kollek⸗ tiven Vertragsschließung. In dem Tarifvertrag sehen wir das Ziel der sozialpolitischen Ferererhenmackkung. Ein Tarifvertrag ohne Foeseezüthge Arbeitersekretäre ist nur noch in ganz kleinen Betrieben denkbar. Wenn Sie ein Institut machen, nicht für Einzelbetriebe, sondern für das Gewerbe im ganzen, dann müssen Sie den Mann, ohne den der Arbeiter seine Verträge überhaupt nicht schließen kann, mit hineinnehmen. Der Abg. Irl hat ja den Sozial⸗ demokraten einen guten Rat gegeben, mit dem er außerordentlich echt hatte; wenn es aber wirklich so ist, daß die Sekretäre eventuell uf Umwegen doch hineinkommen, so sollen wir sie doch nicht erst zu Umwegen zwingen. Auch die verbündeten Regierungen werden sich überzeugen, daß es mit den Arbeitersekretären besser gpht als ohne sie. Abg. Schiffer (Zentr.): Die christlich⸗nationale vhefeseen

ist keine Feindin der Industrie und will auch ihre Feindin nicht sein; ist dabei, wenn es gilt, den Frieden zwischen Arbeitern und

Unternehmern zu fördern, sie will eine gesunde und vernünftige Gewerbepolitik treiben. Abgesehen von kleinen Fehlern hat sie auch schon erfreuliche Refultate in der Richtung dieser Ziele aufzu⸗ weisen. Leider scheinen die Herren von der Rechten hier zu einem Entgegenkommen nur sehr wenig Lust zu haben. Die Unternehmer sind in einer Reihe von Institutionen, wie Landwirtschafts⸗, Handels⸗ und Gewerbekammern, si hier soll doch ein Gesetz

organisiert; gemacht werden, das zunächst den Arbeitern zugute kommt. 898

Venn man endlich einmal für die Arbeiter Parität schaffen will, so

muß unbedingt dafür gesorgt werden, daß sie sich eine freie und un⸗ abhängige Vertretung wählen können. Die Arbeiter sind im allgemeinen nicht in der Lage, offen ihre Meinung zu sagen, weil sie Schaden für sich davon befürchten. Von den vielgeschmähten bösen Arbeitersekretären haben sieben in unserer Kommission Die praktische Wirksamkeit der Arbeitskammern wird nur segensreich sein können, wenn die Mithilfe der Arbeiterorganisationen nicht ent⸗ behrt wird. Es kommt doch vor allem darauf an, daß brauchbare Arbeitervertreter in die Arbeitskammern hineinkommen. Daß die Arbeiter den Wunsch haben, daß die Bestimmung wegen der Armen⸗ unterstützung gestrichen wird, begreife ich wohl, aber die Sache hat doch nicht so erhebliche Bedeutung; das aktive Wahlrecht wird von dieser Bestimmung nicht getroffen, sondern nur das passive. In allen ähnlichen Gesetzen haben wir diese Bestimmung. Ich bitte dringend, den § 13 anzunehmen, denn nur dann wird das Gesetz der deutschen Arbeiterschaft wirklich Vorteil bieten.

Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück: Meine Herren! Der Herr Abg. Horn hat meine Erklärungen am vorigen Montag zu dem jetzt vielbesprochenen § 13 des Entwurfs als unklar bezeichnet und seinem Bedauern darüber Ausdruck gegeben, daß die Regierung ihr „Unannehmbar“ bezüglich der jetzt strittigen Bestimmungen nicht mit dem nötigen Nachdruck und mit der wünschens⸗ werten Deutlichkeit abgegeben habe. Meine Herren, ich darf auf Grund des mir vorliegenden Stenogramms daran erinnern, daß ich folgendes gesagt habe: Nun meine Herren, komme ich zu den Arbeitersekretären. Auch hier, meine Herren, haben die verbündeten Regierungen wiederholt durch den Mund meines Herrn Amtsvorgängers und durch meinen Mund erklärt, daß sie die Wahl der Arbeitersekretäre in die Arbeitskammern nicht für angängig erachten können. Meine Herren, ich kann auch heute nur erklären, daß wir auf demselben Standpunkt stehen, den wir wiederholt Ihnen gegenüber hier zum Ausdruck bringen durften, und ich habe dann, nachdem einige von Dirksen gegeben waren, gesagt:

Ich kann also auch hier nur alle diejenigen, denen an dem Zustande⸗

kommen des Gesetzes liegt, bitten, den Entwurf von der für uns

anstößigen Bestimmung Ihrer Kommission zu befreien. Ich glaube, meine Herren, diese Ausführungen konnten doch wohl nicht anders verstanden werden als dahin, daß der § 13 nach den Beschlüssen der Kommission für die verbündeten Regierungen unan⸗ nehmbar ist (Bravoy! bei den Nationalliberalen Zuruf aus der Mitte) und, meine Herren, ich kann darum auch nur noch einmal die Bitte an Sie richten, daß alle diejenigen, denen am Zustandekommen dieses Gesetzes liegt, dafür sorgen, daß diese Bestimmung aus dem Entwurf herauskommt. (Zu⸗ ruf von den Sozialdemokraten: Dann lassen Sie es nur kaput gehen!) Es wird mir hier eben zugerufen: dann lassen Sie es nur kaput gehen. Darüber wollte ich eben noch mit Ihnen einige Worte reden. (Heiterkeit.)

Meine Herren, der Herr Abg. Naumann hat nach den Aus⸗ führungen des Herrn Abg. Horn gesagt, er wäre ihnen mit Aufmerk⸗ samkeit und mit einer gewissen Freude gefolgt; aber er wäre eigentlich erstaunt über den Schluß gewesen, man hätte aus den Ausführungen des Herrn Abg. Horn eigentlich entnehmen müssen, daß er dem Reichstag empfehlen würde, den Beschlüssen der Kommission be⸗ züglich der Arbeitersekretäre beizutreten. Meine Herren, ich muß sagen, daß die Ausführungen des Herrn Abg. Horn auf mich einen anderen Eindruck gemacht haben. Ich habe den Ein⸗ druck gewonnen, daß diese ruhigen, sachlichen und objektiven Aeuße⸗ rungen wohl geeignet sein könnten, den Standpunkt, den auch die verbündeten Regierungen vertreten haben, zu rechtfertigen und zu be⸗ gründen. Ich möchte noch einmal den Weg gehen, den der Herr Abg. Horn gegangen ist, indem er sich mit der Tätigkeit und mit den Verdiensten der Arbeitersekretäre eingehend be⸗ schäftigt hat, die man nach meiner Ansicht sehr wohl aner⸗ kennen kann, ohne daß man daraus zu dem Schluß kommen muß, daß es nun gerade zweckmäßig und nützlich ist, sie in die Arbeits⸗ kammern zu deputieren, und ohne daraus zu dem Schluß zu kommen, daß ihre Tätigkeit in den Arbeitskammern so notwendig ist, daß das Gesetz nichts wert ist, wenn die diesbezüglichen Beschlüsse der Kom⸗ mission fallen. Ich gehöre gewiß nicht zu denjenigen, die eine un⸗ richtige Vorstellung von der Tätigkeit der Arbeitersekretäre haben; ich weiß ganz genau, daß sie, sowie sich die Dinge bei uns entwickelt haben, eine, ich möchte sagen, unentbehrliche Institution geworden sind (hört! hört! in der Mitte), die sich hoffentlich in der Richtung entwickeln wird, die der Herr Abg. Naumann vorhin angegeben hat.

Meine Herren, Sie alle kennen die Tätigkeit der Arbeiter⸗ sekretäre aus der Tätigkeit in den Kommissionen dieses Hauses, und Sie werden alle wissen, daß sie uns dort mit ihrer Sachkunde wert⸗ volle und angenehme Mitarbeiter sind. Sie wissen ferner, daß die Arbeitersekretäre die Berater des Arbeiters sind bei allen seinen Wegen durch die manchmal komplizierten Irrgänge unserer sozialpolitischen Gesetzgebung, daß sie seine Rechte vertreten vor den Behörden, daß sie seine Rechte vertreten vor allen Dingen aber in allen denjenigen Fällen, in denen der Arbeiter Rechtsansprüche auf Grund der sozialpolitischen Gesetze zu verfolgen hat, daß sie seine Anwälte sind, insbesondere auch vor den Schiedsgerichten und dem Reichsversicherungsamt. Sie berufen Ver⸗ sammlungen der Arbeiter, sie führen in diesen Versammlungen, sie bringen aber auch die Beschlüsse, die in diesen Versammlungen gefaßt werden, meist formuliert mit und sie gehen mit den Aufträgen, die sie sich auf diese Weise haben geben lassen, ins Land, an die Behörden, hier in den Reichstag und in die Landtage der Bundesstaaten.

Nun frage ich, sind die Arbeitersekretäre, die alle diese Aufgaben haben und mit Erfolg zu vertreten in der Lage sind, geeignet, gerade in die Arbeitskammern hineinzukommen, und diese Frage möchte ich wiederholt verneinen. Ich möchte noch einmal wiederholen, was ich schon, glaube ich, in einem früheren Stadium der Erörterung in diesem hohen Hause gesagt habe, niemand wird die Notwendigkeit der Tätigkeit des Staatsanwalts und niemand wird die Not⸗

Erwiderungen an Herrn

wendigkeit der Tätigkeit eines und Sachwalters

8

in Abrede stellen oder gar an der Chrenhaftigkeit 1 Tüchtigkeit dieser Berufsstände zweifeln; gleichwohl ist es darum 1 nicht gerechtfertigt, sie in die⸗Gerichtshöfe zu berufen, in denen Entscheidungen über ihre Anträge getroffen werden sollen. 9⸗

. 88 8 8 8” n, meine Herren, so liegt es in einer großen Anzahl von Fällen. 2 will Ihnen ein Beispiel vorführen, an das Sie sich ebenso gut a innern werden wie ich. Die Herren gehen hier in den Reichstag ni einer langen Liste von Anklagen gegen eine bestimmte Industrie 3 wird hier behauptet, daß die schwersten Mißstände in stimmten Industriezweigen sich entwickelt hätten, und Sie de langen eine Aufklärung dieser Dinge. Solche Sachen gehen 1 Zukunft, wenn die Arbeitskammern eingerichtet sein werden, den Vaj durch das Reichsamt des Innern an die Bundesstaaten mit dem se suchen, Gutachten der zuständigen Arbeitskammern darüber zu de” anlassen, und in diesen Arbeitskammern wird es darauf ankommen daß der unparteiische Vorsitzende durch Fragen nach rechts und link durch Rede und Gegenrede aufklärt, was ist von den Anklaggn die im Reichstag erhoben sind, begründet, und mas ist nicht h. gründet? sind die tatsächlichen Verhältnisse derartig, daß man hie Abhilfe schaffen kann ohne die Gesetzgebung? sind sie derartig, daj die Gesetzgebung einschreiten muß? ist es notwendig, daß eventuel der Bundesrat mit einer Verordnung eingreift? Wenn nun derselhe Arbeitersekretär, der diese Forderung draußen in seiner Revierkonferen, formuliert hat, und der sie hier im Reichstag vertreten hat, 1 der Arbeitskammer sitzt und gewissermaßen berufen ist, üha seine eigenen Anträge, über seine eigenen Formulierungen unn Forderungen eine Entscheidung zu treffen, so ist das unzweckmäßig; und selbst wenn er im Laufe der Verhandlungen geneigt sein sollt, sich davon zu überzeugen, daß er in seinen Forderungen etwas zu wetß gegangen ist, daß er sich in einem Punkte geirrt hat das kann zi jedem einmal passieren —, so wird es für ihn nicht immer ganz leicht sein, das offen einzugestehen. Mir ist doch manchmal gesegt: .2 Sie haben ganz recht; aber unsere Leute draußen im Lande!“ (Abg Hue: Wer hat das gesagt? die preußischen Landräte?) Herr Hme⸗ ich brauche keine Namen zu nennen; denn Sie glauben es mir aus so! (Große Heiterkeit. Abg. Hue: Von hier ist es aber keiner gewesen! Ich habe nicht nach einer bestimmten Seite des Hauses, sondem geradeaus gesprochen! (Erneute Heiterkeit.)

Meine Herren, dieses Beispiel zeigt sehr klar, in wie schwierige Lagen ein Arbeitersekretär kommen kann, wenn er in Fällen, wie den eben von mir erörterten, über seine eigenen Vorschläge und Wünsche in einer Sitzung der Arbeitskammer zu befinden und mit zu raten hat.

Nun sagen: „Ja, das mag sein, solch aber immerhin geht

der Arbeitersekretäre den Arbeita kammern, den Behörden und ihren Verhandlungen verloren! Mit nichten, meine Herren! Wenn ich die Wünsche der Arbeite⸗ sekretäre zu hören die Absicht und das Bedürfnis habe, dann brauchz ich keine Arbeitskammern einzurichten (sehr richtig! rechts); ich habe die Freude, die Herren zu einem großen Teil hier zu sehen (Heiter keit); ich habe die Freude, sie auch gelegentlich zu mir kommen sehen; ich kann die Anweisung ergehen lassen was einer meiner früheren Stellungen schon öfters der Fall wesen ist —: „Bitte, verständigt euch zunächst einmal mit den Führern der Arbeiter, damit wir wissen, was sie eigentlich wollen!“ Also um die Wünsche der Arbeitersekretäre . hören, brauchen wir keine Arbeitskammern. Endlich, meine Herren wenn die Unternehmer das Bedürfnis haben und es wäre mir daraus mache ich gar kein Hehl, erwünscht, daß sie es in höherem Maße hätten, als es oft der Fall ist —, die Arbeitersekretäre zu hören, dann sind sie ebenso in der Lage, an die Arbeitersekretäre ze schreiben: „Wir möchten uns mit euch über die und die Punkte au sprechen!“ Und von dieser Möglichkeit wird ja davon bin ich überzeugt in dem Maße häufiger Gebrauch gemacht werden, wie die von dem Herrn Abg. Naumann in Aussicht gestellte ideale Ent⸗ wicklung des Arbeitersekretärs, die auch ich im Interesse unserg sozialen Friedens erhoffe und erwünsche, fortschreiten wird; diese Möglichkeit der Verständigung wird wachsen in dem Maße, wie auc. den Unternehmerkreisen die Abneigung schwindet, mit den Arbeiten sekretären in geeigneten Fällen zu verhandeln.

Also, meine Herren, die Arbeitersekretäre sind in den Arbeitskammern nicht nötig; und es ist auch nicht zweckmäßig sie in die Arbeitskammern zu berufen. Nun wird gesagt, mein Herr Amtsvorgänger habe hier erklärt, er werde alle Vorschlä gerne prüfen und entgegennehmen, welche die Entsendung gceeignete Arbeiter in die Arbeitskammern sicher stellten. Da muß ich Ihnes nun wirklich sagen: es gibt außer den Arbettersekretär trotz ihrer vielgerühmten Vortrefflichkeit und ihrer zweifellet größeren Uebung und Erfahrung, doch eine ganze Reile von Arbeitern, die sehr wohl geeignet sind, unter der Leitung einch unparteiischen sachkundigen Vorsitzenden in den Arbeitskammern ihr Wünsche zu vertreten und bei einer einigermaßen geschickten Leitung der Verhandlung die tatsächlichen Angaben zu machen, die zur Auf⸗ klärung der Sache nötig sind. Also, meine Herren, Sie brauchen die Arbeitersekretäre nicht, um das Gesetz so, wie es vorliegt, marschfähig zu machen. Das werden Sie im Ernste nicht be⸗ haupten können. (Zuruf bei den Soz.) Mir wird zugerufen: di Abhängigkeit! Ja, sind denn die Arbeitersekretäre unabhängig;:

werden Sie Fälle sind denkbar; der wertvolle Rat

den Arbeitgebern, aber von den Arbeitnehmern sind sie nicht unabhängig⸗ (Erneuter Zuruf bei den Soz: Sie sind ja auch Vertreter der Arbeiter“ Meine Herren, wie oft sind Ihnen Ihre Auftraggeber bei der Verhandlungen unbequem geworden! (Nal na! und Widerspruch bes den Sozialdemokraten.) Also der Einwand zieht nicht. Auf da ander Seite kann ich nur das bestätigen, was der Herr Abg. Nau⸗ mann gesagt hat: die Arbeitgeber werden sich hüten, einen Arbeiter, der Mitglied einer Arbeitskammer ist, zu entlassen (Na! na! bei den Sozial⸗ demokraten.), weil er sachgemäß und ruhig seine Angaben gemacht und die Interessen vertreten hat, die er zu vertreten berufen war. (Zurn bei den Sozialdemokraten: Sie werden nicht so unvorsichtig sein das zu sagen, wie Herr von Dirksen!) Sie werden nicht se unvorsichtig sein, es zu sagen: ja, ich bin der Meinung, sie werden es nicht tun. Ich habe zu unseren Unternehmen das Zutrauen, und ich weiß es aus eigener Erfahrung sie werden es nicht tun, sie werden nicht Leute entlassen, die lediglich ihre staatsbürgerlichen Pflichten erfüllen. (Widerspruch und Zurul

bei den Sozialdemokraten: Radbod!) Meine Herren, über dem

8*

auf diese Weieblh

(Zuruf bei den Soz.: Aber nicht von den Arbeitgebern!) Nicht vons

wir dafür sorgen, daß Vertreter in die Arbeitskammern hineinkommen,

dem

EE“ Wert zu legen, 25. Jahr ausreicht, der Vorredner bereits mit der Möglichkeit rechnet, daß Arbeitskammern wird man später gegebenenfalls die Arbeitersekretäre wählbar machen, den zu einem Kampfe aufgefordert, bis sie das Ziel erreicht haben.

daß sämtliche Stimmen,

8 Arbeitern und den Gewerkschaftlern am gesessen haben.

B 8 . 2 aufrecht erhalten, entgegen dem Antrage der Sozialdemokraten.

Radbodprozeß wollen wir uns bei dieser Gelegenheit nicht 8g

Sie werden mir also zugeben, daß auch z gape ohne die Arbeitersekretäre brauchbare und tüchtige Elemente in die Arbeitskammern kommen

werden. Nun noch eins! das ist für mich, der

habe, einer der wesentlichsten Zwecke gewesen 8 licher Grundlage beruhende gewesen —, um eine auf gesetz⸗

Arbeitnehmer und Arbeitgeber an einen Tisch setzen und sie, wenn ich mich so ausdrücken darf, daran gewöhnen können, miteinander ihre gemeinschaftlichen Angelegenheiten zu beraten und über die Interessen des einen und des andern Teiles zu. verhandeln. Meine Herren, glauben Sie wirklich, daß dieses Ziel des Gesetzes erreicht wird, wenn Sie gerade die Rufer im Streit in den Arbeits⸗ kammern zusammenbringen 2 (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Um so besser wird es erreicht werden!) Das ist mir im hohen Maße zweifelhaft. Lassen Sie die Arbeitskammern so, wie sie die verbündeten Regierungen empfohlen haben. Sorgen Sie dafür, daß das Gesetz in dem Sinne ausgeführt wird, wie wir es vorgelegt haben, und dann warten Sie ab. Wenn das Gesetz in dem Maße den Zielen des Friedens dient, wie wir es wünschen und erhoffen, dann wird in einiger Zeit vielleicht die Berufung der Arbeitersekretäre in die Arbeitskammern zwar nicht notwendig sein, aber, wenn sie gewünscht wird, wahr⸗ scheinlich auch den Widerspruch nicht mehr finden, den sie heute nach L ge der Dinge aus verständlichen Gründen finden muß. Ich kann Sie nur dringend bitten, meine Herren, gefährden Sie die Verab⸗ schiedung des Gesetzes nicht durch die Aufrechterhaltung dieses Zusatzes in § 13. (Lebhaftes Bravo rechts und bei den Nationalliberalen.)

Abg. Schmidt⸗Berlin (Soz.): Ich bedauere, daß der Staats⸗ sekretär das Unannehmbar der so brest hat. Wir werden trotzdem für die Zuziehung der Arbeitersekretäre stimmen, selbst, auf die Gefahr hin, daß das Gesetz scheitert. Der Staats⸗ sekretär meinte, die Arbeitersekretäre wären abhängig. Dasselbe kann man guch von Mitgliedern eines Aufsichtsrats sagen, die zugleich hier im Reichstage sitzen. Wie wenig Vertrauen wir zu den Unter⸗ nehmern haben können, beweist die eklatante Tatsache, daß Sicher⸗ heitsmänner im Bergbau, noch ehe sie an die Ausübung ihrer Tätig⸗ keit herangingen, gemaßregelt wurden. Soll ich Sie an die Vor⸗ gänge in Radbod erinnern, an die Maßregelung der Organisation der technischen Angestellten wegen ihrer Tätigkeit im Inter⸗ ees rganisationen auf sozialpolitischem Gebiet? In 1 Herrschaftsbereich des Herrn Hilger in Oberschlesien darf kein Angestellter Mitglied einer Organisation sein. Nach dem

Zugeständnis autoritativer Stellen haben sich die Arbeitervertreter als 8 Beisitzer der gewerblichen Schiedsgerichte als durchaus objektive Benurteiler erwiesen. Charakteristisch ist es, daß bei der Beratung der Reichsversicherungsordnung in den Vorstand der Berufsgenossen⸗

schaft auch Aufsichtsratsmitglieder zugelassen wurden, die gar nicht mehr praktisch tätig im Betriebe sind. Es wird hier also gegenüber den Unternehmern und den Arbeitern mit zweierlei Maß gemessen. Auch auf der Arbeitgeberseite haben Sie Personen, haben Sie Ver⸗ treter, die der Praxis des Betriebes fremd sind. Unsere Arbeiter⸗ sekretäͤre sind die besten Sachkenner, weil sie durch den Verkehr mit den Arbeitern immer wieder mit ihrem Beruf in Berührung kommen. Ich verweise auch auf das Beispiel Baverns und Württem⸗ bergs, wo die Regierungen den Ansprüchen der Arbeiter in bezug auf

die Baukontrolle entgegengekommen sind. Die Arbeiterbewegung muß ihr Spiegelbild auch in der sozialen Gesetzgebung finden.

Selbst wenn Sie die Arbeitersekretäre herausbefördern, so werden

die mit der ganzen Sachkenntnis ihres Berufs ausgestattet sind und vielleicht mit noch größerer Entschiedenheit für die Arbeiterinteressen eintreten, als dies oftmals die Angestellten der Berufsorganisationen können. Was uns veranlaßt, vor allem auf die Wählbarkeit der ist unser Wunsch, den ewigen Haß der Unternehmerorganisationen aus dem Wege zu gehen und Maß⸗

Wenn beim Reichstagswahlrecht das so ist es auch bei der Tätigkeit der Arbeits⸗

egelungen vorzubeugen.

kammern möglich. Abg. Behrens (Wirtsch. Vgg.): Ich habe das Empfinden, daß

auch ohne Arbeitersekretäre zusammenzustellen sind, aber wir wollen icht Gesetze machen, durch die diejenigen, die in eine Institution hinein⸗ geschickt werden sollen, nicht auf geradem Wege hineingelangen. Gewiß

aber worauf wird sich das begründen? Die Gewerkschaftsbeamten wer⸗

Wer sind die Gegner und wer die Freunde der Wählbarkeit der Organisationssekretäre 2 Die „Arbeitgeberzeitung“ spricht ganz offen aus,

die von Arbeitgeberverbänden im gegnerischen Sinne laut geworden sind, von dem Zentralverband deutscher Industrieller und von den Vereinen deutscher Arbeitgeberverbände beeinflußt worden sind, indem einfach eine Resolution zur An⸗ nahme gebracht wurde. Man weiß, daß auf solche Resolutionen wenig zu geben ist. Auf der anderen Seite stehen alle diejenigen Arbeitgeber und Arbeitgeberorganisationen, die bereits mit den runden Tisch zusammen⸗ gesamte deutsche Hand⸗

n hab Ferner steht hinter uns das werk, sämtliche Innungen, der gesamte Mittelstand und die gesamte nationale Arbeiterschaft. Auf der einen Seite also das Groß⸗ kapital, auf der anderen die mittleren und kleineren Arbeit eber, die Industriebeamtenschaft, die ganze Arbeiterschaft und die Arbeit⸗ geber, die sich praktische Erfahrungen erworben haben. Da fällt uns die Entscheidung nicht schwer. Wir stimmen für praktische Mittelstands⸗ und Sozialpolitik und sprechen uns für die Wählbar⸗ keit der Organisationssekretäre aus. Wir können uns nicht ent⸗ schließen, in diesem Stadinm der Beratung von der Kommissions⸗ fassung abzugehen. 1b

Abg. Giesberts (Zentr.): Der Staatssekretär hat sein Unannehm⸗ bar gegen die Wählbarkeit der Arbeitersekretäre in ein lobendes Aner enntnis für deren Tätigkeit eingewickelt. Er meint, es gäbe so viel tüchtige deutsche Arbeiter, daß es nicht nötig sei, be⸗ sondere Arbeitersekretäre zu wählen. Gewiß, aber soll ein ein⸗ zelner Arbeiter, nachdem er 12 Stunden gearbeitet hat, sich so in den Stoff, den die Arbeitskammer zu bewältigen hat, vertiefen, daß er ein sachverständiges Gutachten abgeben kann Die armen Leute werden mit Statistiken und Redefloskeln so zu⸗ gedeckt von der anderen Seite, daß sie überhaupt nicht mehr ver⸗ hanblungsfähig sind. Wir werden an dem Kommissionsbeschluß fest⸗ halten.

Abg. Kulerski (Pole): Ich kann mich dem Lob der Arbeiter⸗ sekretäre nur anschließen, aber gerade weil sie so tüchtig sind, muß ihnen die Wählbarkeit verliehen werden. Parteipolitische Kämpfe sind nicht zu befürchten. Ohne diese Bestimmung wird auch für uns der Entwurf wertlos.

Damit schließt die Debatte.

In der Abstimmung wird zunächst Ziffer 3 des § 13

Für die Streichung stimmen außer den Antragstellern auch die beiden Parteien der Rechten. Sodann erfolgt über den Zusatz der Kommission, betreffend die Wählbarkeit der Organisations⸗ sekretäre, namentliche Abstimmung. Mit 193 gegen 111 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung wird der Zusatz der Kommission angenommen. § 13 bleibt somit unverändert nach den Kommissions⸗

Wir wollen diese Arbeitskammern errichten ich an diesem Gesetze seit Jahren mitgearbeitet

neutrale Stelle zu schaffen, wo wir

§§ 14 bis 20 werden ohne Debatte nach den Kommissions⸗ vorschlägen angenommen.

Nach §§ 21 ff. sollen die Kosten der Einrichtung und Tätigkeit der Arbeitskammern die Gemeinden tragen, die v. befugt sind, durch Ortsstatut deren Erstattung von den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern nach Maßgabe eines von dem Vorsitzenden der Arbeitskammer aufzustellenden Verteilungsplans vorzuschreiben.

Abg. Severing (Soz.) befürwortet einen auf das Reich zu übernehmen.

Der Antrag wird abgelehnt, § 21 unverändert ange⸗ nommen, ebenso §§ 22 —25.

Antrag. die Kosten

Abschnitt V §8 26.—39 regeln die Geschäftsführung.

Nach § 26 führt der Vorsitzende die laufende Verwaltung und die Geschäfte der Kammer und vertritt sie.

Abg. Hoch (Soz.) tritt für einen Antrag Albrecht ein, der die laufende Verwaltung und die Führung der Geschäfte einem Verwaltungs⸗ ausschuß übertragen will, der von der Arbeitskammer gewählt wird und dem mindestens ein Arbeitgeber und ein Arbeitnehmer als Mit⸗ glied angehören muß. Die Vorlage und die Kommission hätten eine einseitig bureaukratische Verwaltung im Auge, in der die Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht mitzureden haben sollen. Eine solche Einrichtung könnte auf das Vertrauen der Arbeiter nicht rechnen. Ferner follten nach § 31 zwar die Verhandlungen der Kammer öffentlich sein, aber der Vorsitzende erhalte doch gleich⸗ seitig das Recht, die Oeffentlichkeit auszuschließen. Es ent⸗ präche der Würde der Kammer mehr, wenn auch hierbei eine Mit⸗ wirkung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer stattfindet. Der Antrag Albrecht schlage also vor, daß die Befugnis des Vorsitzenden zum Ausschluß der Oeffentlichkeit gebunden sein solle an die Zustimmung eines Drittels der Mitglieder. Endlich müsse die in § 39 vorgeschriebene Genehmigung der Geschäftsordnung durch die Aufsichtsbehörde in Fortfall kommen.

. Unñnter Ablehnung der Anträge Albrecht wird die Vorlage in der Kommissionsfassung durchweg unverändert ohne weitere Debatte angenommen. Abschnitt VI §§ 40.—42 betreffen die 111““ In K 41 ist die Befugnis der Aufsichts⸗ behörde zur Auflösung der Arbeitskammer statuiert, wenn letztere die Erfüllung ihrer Aufgaben vernachlässigt, sich gesetz⸗ widriger Handlungen oder Unterlassungen schuldig macht, durch die das Gemeinwohl gefährdet wird, oder andere als die gesetzlich zulässigen Zwecke verfolgt.

§ 41 wird, nachdem der Abg. Severing die Streichung kurz empfohlen hat, unverändert angenommen.

Abschnitt VI a (neu) trifft in §§ 42a - 42i nähere Be⸗ stimmungen über die eventuelle Bildung von Abteilungen für Angs sell. .

Abg. Dr. Potthoff (fortschr. Volksp.) kommt auf die großen Schwiergkelten zurück, die die gestern . Ablehnung 8n Schaffung von Abteilungen für Handelsangestellte für die Schaffung einer Vertretung der Handlungsgehilfen mit sich bringen werde Die Kaufmannskammern werde man wohl nie zu stande kommen sehen; es werde also hier die einzige günstige Gelegenheit verpaßt. Näher auf die Materie einzugehen, wird von dem Vizepräsidenten Dr. Spahn unter Hinweis auf die Ablehnung des Prinzipalantrages Ablaß zu § 7 dem Redner verwehrt; letzterer behält sich vor, in dritter Lesung auf die Frage zurückzukommen.

§ 42a wird unverändert angenommen, ebenso nach un⸗

erheblicher Debatte der Rest dieses Abschnitts. Abschnitt VII enthält die Schlußbestimmungen (§§ 43 45). S8 43 besagt: „Auf Betriebe, die unter der Heeres⸗ oder Marineverwaltung stehen, finden die Vorschriften dieses Gesetzes keine Anwendung.“

Abg. Sir (Zentr.) vermag nicht einzusehen, warum die Arbeiter dieser Betriebe nicht auch der Wohlfahrten des Gesetzes teilhaftig werden sollen. 8 Abg. Legien (Soz.) spricht den Wunsch aus, daß auch die Partei⸗ freunde des Vorredners dem Antrage der Soztaldemokraten auf Streichung dieses Paragraphen stattgeben werden. Was den Eisenbahnarbeitern recht sei, müsse doch den Arbeitern in den Betrieben der Heeres⸗ und Marineverwaltung billig sein.

Stellvertreter des Reichskanzlers Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück: .

Meine Herren! Ich bitte das hohe Haus dringend, dem Antrage auf Streichung dieses Paragraphen nickt stattzugeben. Was die formal⸗juristische Seite der Sache betrifft, so liegen die Dinge folgendermaßen.

An sich sind zweifellos die Betriebe der Heeres⸗ und Marine⸗ verwaltung keine Gewerbebetriebe. Sie fallen infolgedessen nicht unter die Gewerbeordnung, sie dürfen infolgedessen auch nicht unter dieses Gesetz fallen, aus den Gründen, die wir ja bei einem anderen Paragraphen eingehend erörtert haben.

Nun ist aber in einem ähnlichen Falle und zwar § 81 des Gewerbegerichtsgesetzes ausdrücklich die Ausnahmestellung der Betriebe der Heeres⸗ und Marineverwaltung hervorgehoben, und es hat uns aus diesem Grunde zweckmäßig erschienen, die Bestimmung in das Gesetz aufzunehmen, damit keine Zweifel darüber entstehen, daß die Angelegenheit hier ebenso behandelt werden soll, wie im Falle des Gewerbegerichtegesetzes. Sachlich liegen die Dinge hier ähnlich wie bei der Eisenbahnverwaltung. Es handelt sich hier um Betriebe, die unter den Gesichtspunkten der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Sonderstellung behalten müssen, die es nicht gestattet, ihre Arbeiter mit den in Privatbetrieben tätigen Arbeitern gleich zu be⸗ handeln. Die Dinge liegen hier anders als in den Fällen der Berg⸗ werke und Aufbereitungsanstalten, hinsichtlich deren wir uns mit gewissen Modifikationen mit der Einbeziehung in das Gesetz einver⸗ standen erklärt haben.

Abg. Schirmer (Zentr.): Es wird nach außen keinen guten Ein⸗ druck machen, daß die Regierung von diesem Gesetz, das alle gewerb⸗ lichen Arbeiter betrifft, die Arbeiter der Staatsbetriebe ausschließt. Ein Teil meiner Freunde wird, wie in der Kommission, auch im Plenum gegen diesen Paragraphen stimmen. 8 Auf eine Bemerkung des Abg. Legien erwidert der 8 Stellvertreter des Reichskanzlers Staatssekretär des Innern Delbrück:

Der Herr Abg. Legien hat insosern recht, als man rein volks⸗ wirtschaftlich betrachtet, darüber streiten kann, ob eine vom Staate betriebene Eisenbahnunternehmung ein Erwerbsunternehmen ist oder nicht. Diese Streitfrage zu erörtern ist aber müßig, weil zweifellos nach den Bestimmungen des § 6 der Gewerbeordnung die Gewerbe⸗ betriebe der Eisenbahnunternehmungen, wie es, soviel ich mich er⸗ innere, wörtlich heißt, nicht unter die Gewerbeordnung fallen. Anders liegen die Dinge zweifellos hier; denn bei den Betrieben der Heeres⸗ und der Marineverwaltung fehlt jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit. Das sind Betriebe, die lediglich für öffentliche Interessen unterhalten werden und bei denen jede auf Erwerb gerschtete Tätigkelt wegfällt;

1

Dr

l.

beschlüssen bestehen.

aus diesem Grunde können sie nicht unter die Gewerbeordnung fallen.

§ 43 wird mit großer Mehrheit aufrecht erhalten, der Rest des Gesetzes ohne Debatte nach den Kommissionsvorschlägen angenommen. Die von der Kommission vorgeschlagenen Reso⸗ lutionen, betr. die staatlichen Arbeiterausschüsse und betr. die Schaffung einer ständigen Vertretung für die Angestellten des Handelsgewerbes, gelangen ebenfalls zur Annahme. Damit ist die zweite Beratung des Entwurfs eines itskammergesetzes erledigt. 1 1

Schluß nach 6 Uhr.

Nächste Sitzung Freitag, 1 Uhr. (Erste Lesung des Etats

für 1911 und des Gesetzentwurfs über die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres.)

Handel und Gewerbe.

(Aus den im Reichsamt des Innern zusammengestellten MNNachrichten für Handel und Industrie⸗. 6

Fischhandel Schwedens mit Deutschland. 8

Verband der schwedischen Fischhändler in Stockholm hat Erhebungen über den gegenwärtigen Stand des Fischhandels mit Deutschland und anderen fremden Ländern angestellt und das Re⸗ sultat derselben dem Landwirtschaftsamt unterbreitet. Aus dem Bericht ergibt sich, daß der Wert des gesamten Fischhandels Schwedens mit dem Ausland im Jahre 1909 über 25 Millionen Kronen betzug. Auf die Ausfuhr entfielen 9 ½ Millionen Kronen, woran Deutschland mit etwa 6 Millionen Kronen beteiligt war. Be⸗ deutend mehr als die Hälfte der schwedischen Fischausfuhr während der Jahre 1907 1909 ging nach Deutschland, nämlich 56,12 bezw. 59,57 und 56,53 % der Ausfuhr. Hinsichtlich der Ausfuhr frischer Heringe nimmt Deutschland einen noch wichtigeren Platz ein als bei der gesamten Fischausfuhr. An der Fischausfuhr des Jahres 1909 Heringe mit beteiligt, von denen 69,46 % nach Deutsch⸗ and gingen.

Der Wert der Siesas. von Deutschland nach Schweden belief sich im Jahre 1909 auf etwas über ½ Millien Kronen. Die all⸗ gemeine Bedeutung der Fischausfuhr in Schwedens Handelsumsatz mit Deutschland erhellt daraus, daß die Fische in der Ausfuhr nach Deutschland nach den großen Stapelartikeln, Holz, Metalle, Papier⸗ masse und Steine den ersten Platz einnehmen.

„In Anbetracht des bedeutenden Fischumsatzes mit Deutschland

wünscht der Fischhändlerverband die möglichst baldige Anstellung eines Fischereikonsulenten in Deutschland seitens des schwedischen Staats. Derselbe soll, nach den Vorschlägen des Verbandes, vom Landwirtschaftsamt ressortieren, bei der schwedischen Gesandtschaft in Berlin jede mögliche Unterstützung finden und seinerseits der Ge⸗ sandtschaft mit Rat zu Diensten stehen. Seine hauptsächlichste Wirk⸗ samkeit soll in der Mitteilung aller für den Fischhandel erforder⸗ lichen und nützlichen Aufklärungen bestehen; ferner soll ihm der Ausgleich und die Schlichtung von Streitigkeiten und Gegensätzen obliegen, welche bei geschäftlichen Transaktionen im Fischhandel ent⸗ stehen können. Als Gehilfen sollen dem Fischereikonsulenten in erster Linie Personen zugeteilt werden, welche später in die Fischerei⸗ verwaltung eintreten wollen; aber auch Studierende der Staatswissen⸗ schaften können in Betracht kommen, welche vor ihrer Entsendung nach Berlin sich nachweislich gute Kenntnisse in den Hauptzügen der Fischerei und des Fischhandels erworben haben. Der vom Landwirtschaftsamt zur Aeußerung aufgeforderte Fischerei⸗ intendant hat die Anstellung eines Füccherelkonulenen in Deutschland dringend befürwortet, in der Voraussetzung, daß sich hierfür eine durch⸗ aus geeignete Persönlichkeit finden läßt.

ʒIn der Republik Honduras absatzfähige Waren.

Einem amerikanischen Konsulatsberichte aus Tegucigalpa in Honduras werden folgende Bemerkungen über die Absatzfühigkeit ver schiedener Waren in der genannten Republik entnommen:

Da das Reisen in Honduras größtenteils zu Pferde oder Maultier bewerkstelligt wird, so besteht eine große Nachfrage für Sättel, Sporen, Zügel, Halfter, Gamaschen, Khaki⸗ anzüge, Schwanzriemen, Satteldecken. Der biligste im Lande hergestellte Sattel kostet mehr als 8 (Dollar); er ist nicht dauerhaft und wird nur vdn der ärmeren Bevpölkerung benutzt. Bessere Sättel stellen sich auf 25 bis 27 8. Die eingeführten Sättel sind zumeist zu breit und verursachen dem Tiere Schaden. Dennoch werden viel importierte Sättel wegen ihrer größeren Dauerhaftigkeit gebraucht, aber nach vorhergehender Umpolsterung. Schwanzriemer werden wegen der steilen Wege immer gebraucht, falls der Satte nicht mit doppeltem Leibgurt versehen ist. Die inländischen Schwan riemen sind gut gepolstert, sodaß sie das Tier möglichst wenig ve letzen können; sie werden zu 25 bis 30 Cent verkauft, gehen abe leicht entzwei, da sie aus Pflanzenfaser hergestellt sind. Auch e 8. äntel, die sich zum Gebrauche im Sattel eignen, finden guten atz.

Komplizierte landwirtschaftliche Geräte finden noch wenig An⸗

klang, aber für Pflüge würde sich ein evs Absatz finden, besonders wenn sie im Gebrauche vorgeführt würden. Sie müßten wegen der Kleinheit der Pferde leicht, dabei aber sehr stark sein, da die Aecker an den Bergabhängen viel Steine enthalten. Gußeiserne Pflüge würden sich nicht eignen. Wo tiefgehende, eingeführte Pflüge ver⸗ wendet wurden, erzielte man sehr günstige Ernteergebnisse, da die ein⸗ heimischen, aus Holz hergestellten Pflüge den Boden nicht genügend lockern können. Zuckerrohrpressen moderner Art wären auch nicht schwer einzuführen, da gegenwärtig mit wenigen Ausnahmen hölzerne, von Ochsen gedrehte Maschinen zum Auspressen des Zuckersaftes benutzt werden. Der Saft wird in großen Tontöpfen gekocht, an deren Stelle eiserne Gefäße wohl unschwer Eingang finden könnten. Weißer Zucker wurde bisher zumeist importiert, wird aber nun schon in geringer Menge im Lande hergestellt. Maschinen zum Raffinieren des Zuckers werden daher einen Markt finden. Auch Maschinerien für die Destillation von Rum werden sich einführen lassen, da jährlich rund 700 000 Flaschen Rum schon jetzt in Honduras bergestellt werden. Brot wird in Republik aus Mais hergestellt (Tortilla, eine Art Maiskuchen). Der Mais wird in Kalkwasser eingeweicht und dann auf einem „Metate“ genannten Steine zerquetscht. Das er⸗ fordert mühevolle Arbeit. Es wäre zu empfehlen, mechanische Mais⸗ mühlen in geeigneter Weise anzupreisen; voraussichtlich würden sie leicht verkäuflich sein. Zum Pflanzen des Maises wird ein langer Stab mit eiserner Spitze, Pujaguante“ genannt, verwendet; ver⸗ einzelt benutzt man schon Hacken zu dem Zwecke. Versuche, die Hacken allgemein statt des Pujaguante einzuführen, erscheinen aus⸗ sichtsreich. Aexte werden viel gebraucht. Zu den ohne Stiel verkauften verwenden die Eingeborenen selbstgefertigte Stiele. Sie lernen aber die Vorzüge der eingeführten Aexte mit Stielen schnell schätzen, und solche finden daher zunehmenden Absatz. Ferner besteht Nachfrage für Futterschneidemaschinen: die deutschen werden bevorzugt, weil sie herausnehmbare Klingen haben, die geschliffken und ausgewechselt werden können, während das amerikanische Fabrikat nach Abnutzung der Klingen wertlos wird.

Absatzfähig sind ferner: Baumwollen⸗ und Wollenwaren, Drell, Posamenten, Galanteriewaren, Nähmaschicen, Kleineisenwaren, Toiletteartikel, Medizinen. Auch der Versuch, Buttermaschinen und Phonographen einzuführen, dürfte sich lohnen.

Allgemein empfiehlt es sch, nur gute, haltbare Sachen nach Honduras zu liefern, da R paraturen zumeist dort nicht ohne große Schwierigkeiten ausgeführt werden können. Bei landwirtschaftlichen

Geräten ist besonders auf Vorhandensein aller Teile zu achten, Und

nötigenfalls sind Beschreibungen mitzugeben. (Nach Dails Consular and Prade Reports.)