Der Senatspräsident beim Kammergericht Pellen gahr ist zum Mitglied des Gerichtshofs zur Entscheidung der Kom⸗ petenzkonflikte ernannt worden.
Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Luchs“ vorgestern in Canton eingetroffen und geht am 21. d. M. von dort wieder in See.
S. M. S. „Scharnhorst“ ist gestern von See gegangen.
Oesterreich⸗Ungarn.
Der Kaiser Franz Joseph hat an den Statthalter Seee. 8 8ö „ . — :% . von Böhmen Grafen Coudenhove ein Handschreiben gerichtet, in dem er, „W. T. B.“ zufolge, der Bitte des Grafen um Enthebung vom Amte entspricht und seiner hervorragenden Verdienste während einer fünfzehnjährigen Amtsführung ge⸗ denkt. Ferner richtete der Kaiser ein Handschreiben an den Grafen Franz Thun, durch welches dieser zum Statthalter
m Königreich Böhmen ernannt wird.
— Das österreichische Abgeordnetenhaus ist gestern nach den Ferien zum ersten Male zusammengetreten, um die Vorstellung der neuen Regierung entgegenzunehmen. In seiner Programmrede, die zunächst durch lärmende Zurufe der Tschechisch⸗Radikalen gestört wurde, erbat der Ministerpräsident Freiherr von Bienerth die Unterstützung des Hauses und er⸗
lärte laut Bericht des „W. T. B.“: 5 Die neue Regierung werde eine den Interessen der Bevölkerung in jeder Hinsicht entsprechende Politik der gewissenhaftesten Objek⸗ tivität führen, die niemand abstoße und es insbesondere unterlasse, einseitig in die Gestaltung der nationalen Verhältnisse einzugreifen. Sie werde vielmehr die vorhandenen Kräfte möglichst für die gemein⸗ samen Ziele zu sammeln suchen. Die wichtigste Voraussetzung hierfür sei die Milderung der bestehenden politischen Gegensätze in den gemischtsprachlichen Provinzen. Insbesondere halte die Re⸗ ierung unerschütterlich an dem Ausgleichsgedanken in Böhmen fest die Verständigungsversuche sollen nach Ansicht der Regierung baldigst erneuert werden. Der Ministerpräsident betonte, daß eine sachlich geführte, allen anderen Erwägungen und Einflüssen entrückte Verwaltung die erste Bedingung für eine gesunde Entwicklung auf allen Gebieten der Kultur und Volkswirtschaft sei. Die Regierung werde allen Erwerbszweigen, Industrie und Landwirt⸗ schaft, aber auch den Konsumenten, die weitestgehende Förderung angedeihen lassen, das System der Handelsverträge auszugestalten suchen und auf die finanzielle Leistung der Bevoölkerung Bedacht nehmen insbesondere auch dann, wenn im Interesse der Er⸗ haltung der Großmachtstellung und der Wehrfähigkeit der Monarchie an den patriotischen Sinn und die Opferwilligkeit der Volksvertretung appelliert werden müßte. Der Ministerpräsident skizzierte sodann die wichtigsten Aufgaben des Parlaments, hob insbesondere auch die Not⸗ wendigteit der Erledigung der italienischen Fakultätsfrage hervor, die nicht nur als ein Gebot der Billigkeit, sondern auch als eine der Voraussetzungen für die Klärung der parlamentarischen Ver⸗ hältnisse betrachtet werden müsse, und verwies auf die Notwendigkeit einer Reform des Staatseisenbahnbetriebs und einer zeitgemäßen Re⸗ vision des Wasserstraßengesetzes vom Jahre 1901, insoweit es aus Een oder technischen Gründen sich als undurchführbar erwiesen abe, sowie auf die Aufstellung eines einheitlichen Programms für die Sicherstellung einer rationellen Wasserwirtschaft in allen Ländern. Ddas Haus begann sodann die erste Lesung des Budgets.
Der Abg. Wolf (deutsch⸗radikal) erklärte, seine Partei habe im Kabinett Bienerth niemals eine Stütze erblickt; durch die Re⸗ konstrukrion des Kabinetts aber, durch die den Slawen dafür, daß sie den Arsgleich zum Scheitern gebracht hätten, zwei der wichtigsten Ressorts eingeräum t worden seien, sowie durch die Ernennung des Grafen Thun zum Statthalter von Böhmen sei eine Verschiebung der Kräfte zu Ungunsten der Deutschen eingetreten, die seine Partei zwinge, sich voll⸗ ständig freie Hand gegenüber der neuen Regierung vorzubehalten. Sie werde bei ihrem Verhalten gegenüber der Regierung der durch den Minister⸗ präsidenten selbst herbeigeführten Entfremdung gebührend Rechnung tragen. — Der Abg. Bielohlawek erklärte, die Christlich⸗Sozialen seien keine Regierungspartei, sondern eine Arbeitspartei, und würden unbedingt darauf bestehen, daß endlich das Volkshaus den Bedürtnissen der Bevölkerung durch positive Arbeit Rechnung trage. Der Redner begründete eingehend das Projekt der angeblichen Verlängerung der Krankenanstalten und erklärte, es handle sich absolur nicht um einen Eingriff in die Wissenschaft oder um eine Beschränkung der Pro⸗ fessoren oder Kliniken, sondern lediglich um eine administrative Maß⸗ nahme zur endlichen Sanierung des Krankenanstaltenfonds.
Nachdem der tschechische Sozialdemokrat Winter die oppositionelle Haltung der Sozialdemokraten begründet hatte, wurde die Sitzung geschlossen.
Der deutsche Nationalverband mehrstünd iger Debatte den Antrag des Abg. Sylvester an⸗ genommen, in dem es, obiger Quelle zufolge, unter anderem heißt, daß es von der Haltung der Gesamt⸗ regierung abhängen werde, wie sich der deutsche Nationalverband künftighin zu ihr stelle. Der Antrag des Abg. Wolf, der Regierung mitzuteilen, daß die Beibehaltung des bisherigen Verhältnisses zu der Regierung unmöglich ge⸗ worden sei angesichts der bei der Neubildung des Kabinetts zu⸗ ungunsten der Deutschen eingetretenen Kräfteverschiebung, wurde mit 41 gegen 15 Stimmen abgelehnt.
Dem ungarischen Abgeordnetenhause ist vom Justizminister eine auf Grund der Pariser internationalen Konvention entworfene Gesetzesvorlage über die Unterdrückun g des Mädchenhandels und die Unterdrückung des Handels mit unsittlichen Publikationen unterbreitet worden.
Frankreich.
Im Verlauf der gestrigen Sitzung der Deputierten⸗ kammer wurden von der Zuschauertribüne zwei Revolver⸗ schüsse auf den Ministerpräsidenten Briand ab⸗ gefeuert. Wie „W. T. B.“ meldet, blieb Briand unverletzt, jedoch wurde Mirman, der Direktor des Armenwesens, am rechten Bein verwundet. Der Angreifer, ein anscheinend geistes⸗ kranker, ehemaliger Gerichtsschreiber aus Bayonne, wurde fest⸗ genommen. Nach der Wiederaufnahme der Verhandlungen gab der Präsident Brisson, während Briand ruhig auf seinem Platze saß, dem einmütigen Wunsche der Kammer Ausdruck, Mirman rasch wiederhergestellt zu sehen.
Im Senat wurde auf Vorschlag des Präsidenten ein Antrag angenommen, durch den dem Ministerpräsidenten und Mirman die Sympathien des Senats ausgesprochen werden. Darauf nahm der Senat mit 137 gegen 122 Stimmen das ganze Gesetz über Einschränkung der Schankstätten an. “ Rußland. „Der Ministerrat hatte gestern eine Besprechung über die Pestgefahr in der Mandschurei. Das Finanzministerium wurde, wie „W. T. B.“ meldet, angewiesen, alle Maßregeln
hat gestern nach
gelegenen chinesischen Ortschaften entgegenzuwirken.
europäischen Staaten die Gefahr der Einf der Ministerrat den Minister des
mittlung Mandschurei zu entsenden.
gebracht. werden. 8. Werften und aus russischem Material sollen 75 Rubel für die Tonne und 35 Rubel für die indizierte Pferdekraft als Prämie ausgezahlt werden. zwei Millionen Rubel jährlich erfordern.
Portugal.
Wie „W. T. B.“ meldet, herrscht nach amtlichen und privaten Nachrichten in der Provinz völlige Ruhe. Der Ministerrat wird heute die Beratung des Wahlgesetz⸗ entwurfs, der amtlich veröffentlicht werden soll, beginnen.
Niederlande.
Der Minister des Aeußern von Marees van Swinderen hat den holländischen Gesandten in Paris angewiesen, ihm den genauen Wortlaut der Stelle aus Pichons Rede, die sich auf Hollands Küstenverteidigung bezieht, zu übermitteln. Die Regierung vertritt, „W. T. B. zufolge, die Ansicht, daß keinerlei Zusammenhang zwischen diesem Verteidigungsplan und der international geregelten Stellung Belgiens besteht und daß dieser Plan nicht der offiziellen Billigung seitens irgend einer Macht bedarf. 8 1 8
Der Ministerrat hat, einer Meldung des „W. T. B. zufolge, beschlossen, 30 Infanteriebataillone mit Mi trai lleusenabteilungen nach dem Jemen zu entsenden.
Schweden.
Der Reichstag ist gestern vom König kit einer Thronrede eröffnet worden, in der, „W. T. B.“ zufolge, zunächst auf die schwebenden Handelsvertragsverhandlungen mit Deutschland hingewiesen wird. Die Thronrede betont sodann, daß die Beziehungen Schwedens zu allen Mächten gut sind, und hebt den wirtschaftlichen Aufschwung des Landes im ver gangenen Jahre hervor. Der Gesetzentwurf über das Ver⸗ hältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitern, der vom letzten Reichstage abgelehnt worden ist, wird dem Reichstage in der bevorstehenden Session in abgeänderter Form wieder zugehen. Ferner kündigt die Thronrede Gesetzentwürfe über bedeutende öffentliche Arbeiten an.
Der Budget⸗Voranschlag für 1912 schließt in Ein⸗ nahmen und Ausgaben mit 257 Millionen Kronen ab. In den Einnahmen ist eine Anleihe von 44 Millionen Kronen vor⸗ gesehen. Dank der zunerrhanden Besserung des Wirtschafts⸗ lebens sind neue Steuern dense eine Erhöhung der alten nicht nötig gewesen. Die Aushabem für das Heer übersteigen mit 57 Millionen Kronen die vorjährigen um 21 ½ Millionen. Die Ausgaben für die Marine sind gegen das Vorjahr um 3 ½ Millionen auf 27 Millionen gestiegen. Im Voranschlag ist der Bau eines Panzerschiffes vom F⸗Typ für den Gesamt⸗ betrag von 12 Millionen Kronen vorgesehen, von denen 4 Millionen für 1912 gefordert werden.
Amerika. “ Nach einer Meldung des „W. T. B.“ wird amtlich bekannt gegeben, daß die Schwierigkeiten, die zwischen Halti und San Domingo bestanden haben, nunmehr beseitigt sind und daß die Truppen von der Grenze zurückgezogen werden.
Asien. 9 Nach Meldungen des „Reuterschen Bureaus“ aus Delhi besuchte der deutsche Kronprinz gestern das Jamamasjid⸗ Fort und begab sich dann im Automobil nach der berühmten Kutab Minar⸗Säule. Hierauf besichtigte er das 11. Ulanen⸗ regiment, wobei er besonders dem System der Pferdebeschaffung durch die Mannschaften selber seine Aufmerksamkeit schenkte, und trat danach in Begleitung des Gouverneurs der United Provinces die Fahrt nach dem Schießübungsplatz bei Mirza⸗
pore an. Afrika.
Nach einer Meldung des „Matin“ aus Casablanca ist der Rittmeister Nancy, der aus dem Lager von Boucheron mit zwanzig eingeborenen Reitern und einer Schwadron Goumiers (eingeborene Kameelreiter) aufgebrochen war, um einen Streit zwischen den Stämmen der Medakra und der Zaër zu schlichten, am 14. d. Mts. von Wüstenräubern überfallen worden. Auf französischer Seite fielen ein Leutnant und ein Wachtmeister, ferner wurden drei eingeborene Soldaten getötet und fünf verwundet. Zwei andere Stämme kamen der französischen Kolonne zu Hilfe.
Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichs⸗ tags und der Bericht über die gestrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.
— Die heutige (110.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Reichsschatzamts W ermuth beiwohnte, eröffnete der Präsident Graf von Schwerin⸗Löwitz mit folgender Ansprache:
Meine Herren! Zunächst gestatten Sie erinnern (die Mitglieder des Hauses und des Bundesrats haben sich von den Platzen erhoben), daß heute vor 40 Jahren im Schlosse zu Versailles die Gründung des neuen Deutschen Reichs erfolgte. Leider habe ich gerade an diesem Tage Ihnen zu⸗ gleich eine traurige Mitteilung zu machen. Wie Sie wohl bereits gestern erfahren haben werden, ist in der Kieler Bucht das Unter⸗ seeboot „U 3⸗ von einem Unfall betroffen worden. Trotz der sofort mit der größten Energie eingesetzten Rettungsversuche sind bei
mir, daran zu
Da über die Fortschritte der Epidemie im Innern Chinas nur unsichere Nachrichten einlaufen und somit für Rußland und die übrigen chleppung besteht, hat Aeußern beauftragt, die chinesische wie die übrigen interessierten Regierungen zu ersuchen, zur wissenschaftlichen Erforschung der Krankheit und zur Ueber⸗ richtiger Mitteilungen eine Expedition nach der
— Im Handelsministerium ist eine Kommission gebildet worden, die sich mit der Frage des Ankaufs russischer Kohlen an Stelle ausländischer durch die Behörden be⸗ schäftigen soll. Das Handelsministerium hat im Ministerrat ein Projekt zur Hebung des russischen Schiffbaues ein⸗ Die zollfreie Einfuhr von Schiffen soll abgeschafft Für die Erbauung von Seeschiffen auf russischen
Die Durchführung des Projekts würde
mögen aber in keiner Weise den Erfolg der Ursache. schiedenen Arten des Vermögens trug die Rente aus Kapitalrvermögen von etwa 38 Milliarden 4,47 %, die Rente aus Grundbesitz von 35 Milliarden Mark 3 50 % und die Rente aus dem Betriebs und Anlagekapital in Handel und Gewerbe von 12 Milliarden Mark 15,15 %. müßte also die Steuer für das Kapital mit geringerer Rente herabsetzen. Auch die Wirkung der Ergänzungssteuer auf das Einkommen ist ver⸗
Telegramm zu verlesen.
„Bei ein er am gestrigen Tage gegen in dem äußeren Kieler Hafen bei Heikendorf Tauchübung des Unterseehootes „U 3“ fank das Boot, sich selbst wieder mit seinen Hilfemitteln an die fläche bringen zu können. Durch die von
Verbindung mit dem gesunkenen Boote
— herzustellen. Boote wurde durch das Telephon gemeldet:
Wasser gehoben hatte, mit Hilfe des Kranus daß die Mündung des Torpedoausstoßrohres aus kam. Durch dieses Rohr wurden gegen 3 ½ Uhr Nachmittag 28 Personen aus dem Boot geholt. Hierhel zeichneten sich Oberleutnan zur See Valentiner, Bootsmannsmaat Heinrich und Torpedo heizer Gießner besonders aus, indem sie durch das Lanzierrohr i
aus dem sehr engen Raume retteten. Es zeigte sich, daß die Rettun der in dem Kommandoturm eingeschlossenen 3 Personen (Komman das Bergungsschiff „Vulkan“ möglich war. Erst nach Bergung de die Hebung des Beootes und somit an die Rettung der im Kommando turm eingeschlossenen Leute gehen. Hierzu mußte das Unterseeboo erst wieder vorn auf den Grund gesentt werden. Trotz der früh ein
um 4 Uhr Morgens das Boot zu heben und die im Turm Befindlicher heute zu bergen. Diese gaben noch einzelne schwache Lebenszeichen von sich. Die schon vorher vorbereiteten und Mitteln angestellten Wiederbelebungsversuche f Die Namen der Verunglückten
er (Ludwig) aus Darmstadt.
Berlin Untersceboot Dock der sache wird die eingeleitete Untersuchung ergeben. Die gesamten Bergungs⸗ arbeiten sind von allen Beteiligten mit großer Umsicht, Energie und aufopferungsvollster Arbeit durchgeführt worden.
Konteradmiral Lans.“
„der Deutsche Reickstag wird ebenso wie das gesamte diesen drei braven Männern, die in treuester Pflicht⸗
2 blieben leider er sind: Leutnant zur
Laufe
Werft
wird im
Kaiserlichen eingedockt werden. Die Ur⸗
volles Andenken bewahren, gerade so gut, als wenn sie vor dem Feinde gefallen wären. Sie haben sich zum Zeichen Ihrer Teilnahme von den Sitzen erhoben; ich stelle dies fest. 8
(Schluß des Blattes.)
— Die heutige (6.) Sitzung de geordneten, welcher der Justizminister Dr. Beseler, der Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach, der
geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Minister für Landwirtschaft ꝛc. Dr. Freiherr von Schorlemer, der Minister des Innern von Dallwitz und der Finanzminister
mit folgenden Worten:
Meine Herren! Ich glaube, daran erinnern zu sollen, doß heute der Tag ist (die Mitglieder des Hauses erhbehben sich), an dem ver 40 Jahren das Deutsche Reich im Körigsschloß zu Versaillcs ge⸗ gründet worden ist (lebhafter Beifall). Ich habe geglaubt, daran er⸗ innern zu sollen, und freue mich, daß Sie diese Erinnerung so bei⸗ stimmend aufnehmen (Beifall). Dann, meine Kerren, habe ich ein trauriges Ereignis zu Ihrer Kenntnis zu bringen. gegangenen Nochrichten, die allerdings noch nicht ganz sicher sind, sind von dem Untersecboot, das gesunken ist, leider doch ein Ossizier und zwei Mann verunglückt; sie sollen tot sein. Das Haus wird mit mir für diese braven Männer, die dort im Dienst des Reichs gefallen sind, sein Beileid bekunden. (Lebhafte Zustimmung.)
Das Haus setzt darauf die erste Beratung des Entwurfs des Staatshaushaltsetats für das Rechnungsjahr 1911 und des Entwurfs eines Anleihegesetzes fort. Abg. von Dewitz (freikons.): Ich kann mich denjenicen Herren nicht anschließen, welche glauhen, daß es dech noch möglich sein würde, das Defizit des neuen Etats von 29 Millionen wenigstens in der Zukunft durch laufende Einrahmen zu beseitigen. Die jährlichen Ausgaben des Etats in Preußen steigen um etwa 25 Millionen Mark. Die einzige Einnakmequelle, die besteht, um diese Mehr⸗ ausgaben zu decken, ist die Einkommen⸗ und Vermögenssteuer. Nachdem die Ueberschüsse aus dem Cisenbahnetat limitiert worden sind, glaube ich kaum, daß in absehbarer Zeit die Einnahmen so er⸗ heblich gesteigert werden können, um aus den laufenden Einnahmen auch noch das Desizit von 29 Millionen zu decken. Dieses Desizit aber durch eine Erhöhung der Einkommen⸗ und Vermögenssteuer aufzul ringen, erscheint mir doch als kedenklich, und zwar namentlich mit Rücksicht auf die Kommunalsteuern. Gerade die Gemeindesteuern sind es, die für den Einwohner so drückend sind. Wir müssen uns gegenwärtig halten, daß, wenn wir die Einkommensteuer erhöhen, die Kommunal⸗ steuer um den zwei⸗, drei⸗, vierfachen Betrag zu gleicher Zeit in die Höhe gebracht werden, denn wir haben ceine größere Anzahl kleinerer Städte, die 200 bis 400 % Kommunalsteuern zahlen. Wenn man also die Einkommensteuer um 10 ℳ erhöht, so erhöht man die Kommunalsteuer zugleich um 40 ℳ. Man ist sich in weitesten Kreisen nicht klar genug darüber, in welchem Umfange bei dem gesamten Mittelstande der größeren und mittleren Städte ein Notstand durch die heutigen Verhältnisse herbeigeführt ist, und ich halte es deshalb für außerordentlich bedenklich, diesen Teil des Bürgertums mit höheren Einkommensteuern zu belasten. Andererseits nimmt die Vermehrung der Vermögen in Deutschland, in Preußen in einer ganz exorbitanten Weise zu. Zwischen diesen beiden Gegensätzen ist vielleicht ein Ausgleich möglich. Der Finanzminister hat selbst eine Vermehrung des Vermögens sür die nächsten drei Jahre um jährlich 3 Millarden in Preußen angenommen. In den Jahren vor⸗ her lagen die Verhältnisse hnlich. In 14 Jahren hat die Zunahme der Vermögen von 300 000 ℳ und mehr 67 % betragen. Pro Kopf der Bevölkerung belief sich die jährliche Zunahme in den Vermögens⸗ steuerstufen von 6000 bis 100 000 ℳ auf 650 ℳ, in den Steuer⸗ stufen von 100 000 bis 500 000 ℳ auf 6440 ℳ, in den Vermsgens⸗ steuerstufen über 500 000 ℳ auf 70 480 ℳ. Bedenken wir, daß von 6 Millionen Zensiten nur anderthalb Million ver⸗ mégenssteuerpflichtg ist, so liegt es auf der Hand, in welcher Weise das Einkommen zu Vermögensanlagen verwendet wird. Findet dieser enorme Vermögenszuwachs in unserem Steuersystem ge⸗ nogende Berücksichtigung? Wir haben eine Ergänzungssteuer von gleichmäßig etwa 0,5 pro Mille; sie ist im Gegensatz zur Einkommen⸗ steuer nicht progressiv; sie geht davon aus, daß das fundierte Ver⸗ im wesentlichen das Einkommen erleichtert, berücksichtigt Die Rente der ver⸗ ist durchaus verschieden. 1908 be⸗
Eine gerechte Besteuerung
diesem Unfall 3 Menschenleben zu beklagen, wie sich aus einem heute morgen bier eingegangenen Telegramm der Torpedoinspektion
sur Bekämpfung der Epidemie zu ergreifen und insbesondere er Einschleppung der Pest aus den außerhalb der Bahnzone
Kiel ergibt. Dieses Telegramm hat der Herr Staatssekretär des Reichsmarineamts, da er leider persönlich verhindert ist, hier zu er⸗
“ 11“
schieden. Professor Gerlach⸗Königsberg berechnete für 1900 die Wirkung bei Kapital auf 1,19 %, beim Grundbesitz auf 1,43 % und beim Betriebs⸗ und das Anlagekapital auf 0,32 % zu finden, scheint mir eine Vermögenszuwachssteuer wichtig zu sein.
Um einen richtigen Ausgleich
scheinen, dem Reichetage übermitteln lassen. Ich gestatte mir, dieses
10 Uhr Vormittags stattgefundenen ohne Ober⸗ flã 1 u dem Begleitboot sofort herbeigerufenen Kriegsschiffe und Werftfahrzeuge gelang es, Aus dem — „Wasser dringt achtern ein.“ Schon um 11 Uhr Vormittags war der große Schwimmtran der Kaiserlichen Werft zur Stelle, und es gelang, das Boot, das sich inzwischen durch Ausblasen der vorderen Ballasttanks vorn aus dem soweit zu heben, dem Wasser
das Boot hineingingen und ihre Kameraden unter schwierigen Umständen
dant, Wachoffizier und Rudergast) nur nach Heben des Bootes durch
Leute aus den vonderen Schiffsräumen konnte S. M. S. „Vulkan“ an
8 . 2 . 5 setzenden Dunkelheit und des frischen Windes gelang es dem „Vulkan“,
sofort mit allen Kapitänleutnant 8 tadt. See Kalbe und Torpedematrose Dieper aus Hamburg. Das des heutigen Vormittags in ein
des Eindringens ven Wasser in die hinteren Schiffsräume
erfüllung für das Vaterland ihr Leben eingebüßt haben, ein ebren⸗
des Hauses der Ab⸗
Minister für Handel und Gewerbe Sydow, der Minister der von Trott zu Solz, der
Dr. Lentze beiwohnten, eröffnete der Präsident von Kröcher
Nach mir zu-⸗
Das spekulative Einkommer, das nicht aus Gewerbe “ wird überhaupt nicht steuerpflichtig, solange es sich nicht in Frmögen umgesetzt hat. Wenn man bedenkt, daß VZö“ sic sich zu einem Sammelpunkt der disponiblen Gelder umgestalte 8 die Depositen immer mehr steigen und daß die Besitzer der DPeholälen vorzugsweise spekulatives Einkommen haben, so kann E1 welche großen Beträge der Steuer vollständig verloren ge senen 8 Deutsche Bank hat z. B. schon die enorme Summe von 1½ e. 8 Depositen. Die Reichswertzuwachssteuer ist an sich ein 8. vn 8 wenn auch die rüͤckwirkende Kraft auf 40 Jahre ungeheuer ich ist 5 schneidet eine Steuerquelle an, die von größter Bedeutung. 84 ann. Wenn bet unserem Vermögenszuwachs von jährlich 3 Füan den S— 1 % Steuer erhoben wird, so macht dies jährlich 30 Mi “ also den Betrag, der heute von den physischen Hersof 8 durch Zuschläge aufgebracht wird. Allerdings ist 1ae. Zuwachs nur ein Teil liquid. Der Finanzminister von 2 einb. 82 hat den Einwurf gemacht, daß man damit die Sparer F“ 2 es kommt aber bei der Steuer darauf an, nicht den Sparer, sondern das Ersparte zu treffen. Wer Rücklagen machen und ve.e; neu bilden kann, dem kann man eine wesentliche B“ ung zu⸗ muten gegenüber demjenigen, der eine kleine Existenz S Die Kontroverse wird nur falsch gestellt; es handelt sich darum: sollen 1— die Einkommensteuer für die Bevölkerung erhöhen, ö Eristenz ringt, oder diese Härte lieber denen auferlegen, ““ bilden können? Ich kann mich nur für die zweite 2 ö entscheiden. Die Frage der Kurssteigerung für die Staatsanleihen muß vom neuen Finanzminister energisch in die Hand Feheebht werden. Ganz analog dem System der Seehandlung, die vch seer. seits anstrebt, den Kurs ihrer Papiere, wenn er zurückgeht, dur 88 kauf zu halten, muß auch der Staat zum Ankauf von Sae eihen übergehen. Auch die Banken müssen bei dem Einfluß, den die aute banque bei uns hat, für die Staatspapiere interessiert, werden. Das Vermögen Deutschlands wächst jährlich um 5 Milliarden, eine Milliarde etwa flüssig wird. Nun wendet sich das * ikum tatsächlich den Renten zu angesichts des Kurses einiger In ustrie⸗ papiere. Wenn wir diese Vermögen für JEe“ wollen, müssen wir zu der früheren Form zurückkehren und namentlich den Pariauswurf der Staatspapiere wieder E Staat darf das nicht machen, was auch der Vater von seinem So n nicht wünscht, daß er 100 schreibt und 93 dafär Feraghst. Schwer schädigend für den Staat sind die sogenannten Industrie⸗ obligationen. Die Industricobligationen sind nach den eseslicgen Bestimmungen tatsächlich verboten. Nach dem T ürgerlichen Gesetz⸗ buch dürfen Inhaberpapiere ohne Zustimmung der Landesregierung nicht ausgegeben werden. In Deutschland machen nur Bavern, B. remen und verschiedene mitteldeutsche Staaten von dieser Genehmigung 18 Infolgedessen beläuft sich die Zahl, der Industrieobligationen e. reits auf 3 Milliarden. Die Obligationen gehen als Inhaber⸗ papiere an die Börse und werden wie jedes Börsenpapier gehandelt. Das Publikum nimmt an, daß eine reale Sicherheit dahinter⸗ steht, obwohl, wie zahlreiche Beispiele beweisen, von einer wirklichen Deckung der Obligationen nicht die Rede ist. Im Publikum meint man, daß wenigstens der Börsenvorstand das Unternehmen einer Prüfung unterwirft, ehe das Papier an der Börse zugelassen wird; aber auch diese Annahme ist im allgemeinen irrtüm⸗ lich. Sollte da nicht wenigstens für die Zukunft vorgebeugt, die Zulassung von Industrieobligationen von der Genehmigung des Staats abhängig gemacht werden? Wenn der Staat Obligationen nicht ohne Genehmigung des Landtags, die Gemeinde nicht ohne Zustimmung der Aufsichtsbehorde ausgeben darf, dann ist es nicht zu verstehen, wie 3 Milliarden ungenehmigter Industrieobligationen auf den Markt ge⸗ worfen werden können, womit den Staatspapieren eine höchst drückende Konkurrenz gemacht wird. Träfe man die zur Erwägung gestellte Maßregel, dann ließen sich auch energischere Schritte tun, um die Anlegung von Spargeldern in Staatspapieren in größerem Umfange als bisher obligatorisch zu machen. Bei den Sparkassen find über 60 % der Einlagen hypothekarisch festgelegt, das ist ein durchaus zweckwidriges Verhältnis. Gewiß wird eine Svparkasse nicht mehr 4 ½ % für Geld geben können, wenn sie einen größeren Prozentsatz ihrer Mittel in Staatsgeldern anlegen muß; aber das kann dem gesunden Kreditwesen nur förderlich sein. Je höher die Depositen, um so größer die Gefahr. Wenn die Deutsche Bank bei 200 Millionen Aktienkapital 105 Millionen Reserven hat, so will das gegenüber anderthalb Milliarde Depositen doch wenig besagen. Die Reserven sind ja auch nicht liquid, wenn sie gebraucht werden; sie arbeiten mit wie das Aktienkapital. Mindestens müßte die gesetzliche Reserve von 10 % für sich gesondert in Staatspapieren angelegt werden. Außer den Banken kommen die Lebensversicherungen in Betracht, die in Deutschland 4,3 Milliarden investiert haben und sich aufs äußerste dagegen sträuben, von einer solchen Maßregel in Mitleidenschaft gezegen zu werden. Auch sie baben 82 % ihrer Bestände in Hypotheken investiert, nur 1 ½ % in Staatsanleihen, die französischen dagegen in Staatsrenten über 50 %. Der jährliche Zuwachs von Investitionen beläuft sich auf 300 Mil⸗ lionen, davon sollten mindestens 25 % obligatorisch in Staats⸗ papieren anzulegen sein; einen Einfluß auf den Geschäftsbetrieb würde dies nicht ausüben. Es würde eine äußerst dankbare Aufgabe für den neuen Finanzminister sein, die Hebung des Kurses der Staatspapiere und die Beseitigung seiner Schwankungen konzentrisch in Angriff zu nehmen. Kleine Mittel helfen hier nichts. 8 Hierauf nimmt der Finanzminister Dr. Lentze das Wort, dessen Rede morgen im Wortlaut wiedergegeben werden
(Schluß des Blattes.)
Statistik und Volkswirtschaft. 8
Die deutsche überseeische Auswanderung im Dezember 1910 und in dem gleichen Zeitraume des Vorjahrs Es wurden befördert deutsche Auswanderer im Monat Dezember über 1910 1909 Hamburg 38 324 deutsche Häfen zusammen. M. 784 fremde Hafen (soweit ermittelt) 127 456 überhaupt 1 064 1 240. Aus deutschen Häfen wurden im Dezember 1910 neben den 937 deutschen Auswanderern noch 14 510 Angehörige fremder Staaten befördert, davon gingen über Bremen 7364, über Ham⸗
88
Nach vorläufiger Feststellung des Ergehnisses der letzten Volks⸗ zählung car das Fen fareich Sachsen hatte dieses am 1. Dezember
B.“ aus Dresden berichtet, rund 4 797 700 Ein⸗
1910, wie „W. T. Dies bedeutet eine
vohner gegen 4 508 600 am 1. Dezember 1905. Vermehrung um 6,41 %. 8 8 Zur Arbeiterbewegung. Der Strei ensterputzer der Berliner Glaser⸗ W. der Fer.) sütr 82* die „Voss. Ztg.“ mitteilt, noch immer nicht beendet. Die in den Ausstand getretenen Putzer bestehen auf Bewilligung ihrer Forderung und wollen sich auf einen Vergleich nicht einlassen. Dank den verstärkten Schutzmaßregeln seitens der Fee sind bisher weitere Ausschreitungen nicht vorgekommen. Die ensterreinigungsanstalt hält ihren Betrieb mit 12 Mann aufrecht. Die Bergleute im Lütticher Kohlenrevier haben, .W. T. B.“ zufolge, beschlossen, die Arbeit wieder aufzu⸗ nehmen. (Vgl. Nr. 14 d. Bl.) 8 89
vorgestern abend der Stabearzt Dr. Georg Schmidt im Auftrage des
Wohlfahrtspflege.
Die Krankenpflege im Kriege betitelt sich der Vortrag, den
Kriegsministeriums im Reichstagspräsidialgebäude gehalten hat. Der
Redner gab zunächst an Hand zweier großer Skizzen einen Ueberblick
über die Verteilung des Sanitätsdienstes während eines Krieges
in der Heimat, bei den Etappen und in Feindesland zund
ließ während seines Vortrags zahlreiche photographische Auf⸗
1“ von Krankentransportwagen, Tragbahren, Sanitäts⸗
tornistern, Feldflaschen u. a. m. herumgehen. Er führte dann etwa aus:
Für die Bildungshöhe eines Landes bietet u. a. auch die Vollkommen⸗
heit der Krankenpflege im Kriege einen sicheren Maßstab. Dem⸗
emäß stellt dieses Gebiet einen großen und wichtigen Teil der
Arbenzgaufgaben des Kriegsministeriums und insbesondere seiner
Medizinalabteilung dar. Nachdem der Redner die Eigenheiten des
Kriegssanitätswesens beleuchtet hatte, besprach er die Sonder⸗
frage: An welcher Stelle und in welcher Art hat die Heeres⸗
verwaltung für weibliche Krankenpflege Sorge getragen?
Während des Altertums, im Mittelalter, ja noch während des
Siebenjährigen Krieges trat die weibliche Krankenpflege im Kriege
kaum hervor. Erst von jenem Feuer der Läuterung, das den preußischen
Staat neu entstehen ließ, gingen auch die ersten wärmenden Strahlen der Frauenpflege im Kriege aus: am 23. März 1813 riefen
Königliche Prinzessinnen Vaterlandsfreunde zu freiwilliger Kranken⸗
pflege auf. Die damals entstandenen Frauenvereine blieben während der Befreiungskriege der Mittelpunkt der gesamten freiwilligen Hilfs⸗
tätigkeit. Aehnliches ereignete sich bei den späteren Feldzügen dieses Jahrhunderts, doch bewegte sich die Krankenpflege z. B. im Krimkriege, im italienischen Feldzuge, im nordamerikanischen Sezessions⸗
kriege noch in ungeordneten Bahnen. 1864 war Preußen der Genfer Konvention beigetreten; aber erst das Kriegsjahr 1866 brachte vorzugs⸗ weise durch das leuchtende Beispiel der Königin Augusta die Gründung von vaterlandstreuen Frauenvereinen in vorher ungeahnten Fluß. Während des Feldzuges gründete der Frauenlazarettverein zu Berlin das Augusta⸗Hospital, und am 11. November 1866 schuf die Landesherrin den Vaterländischen Frauenverein, der sich 1871 bedeutend erweiterte. In dem Feldzuge 1870 waren nicht weniger als 20 000 weibliche Pflegekräfte, davon 1700 Pflegerinnen auf dem Kriegsschauplatze, tätig. Ader so Großes auch geleistet wurde, es traten doch auch wesentliche Mißstände hervor, die zu der Ueberzeugung führten, daß für Frauen in dem wechselvollen, strapazenreichen Kriege kein Platz ist. Erst in den geordneten Betrieben des Etappengebietes, vor allem aber im Heimatsgebiete ist die Frau eine willkommene, ja unentbehr⸗ liche Helferin am Werke der Nächstenliebe. Um einheit⸗ lich zu arbeiten, sind zum Kriegssanitätsdienste nur ge⸗ schlossene Vereinigungen zugelassen, wie beispielsweise das Zentralkomitee der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz. Zurzeit stehen nicht weniger als 2890 Berufsschwestern und 118 Hilfsschwestern für das Etappengebiet, 2871 Berufsschwestern, 637 Hilfsschwestern und 3329 Helferinnen für das Heimatgebiet zur Verfügung. Dazu kommen noch zahlreiche Diakonissen, Ordensschwestern, Pflegerinnen und Armeeschwestern. Auch in unseren Kolonien, in Kamerun, Deutsch⸗Südwestafrika und Deutsch⸗Ostafrika haben die Schwestern allgemeine Anerkennung gefunden. So waren während des letzten Aufstandes in Südwest 1904 vom Frauenverein 37 Schwestern dem Kaiserlichen Kommissar und Millitärinspekteur der frei⸗ willigen Krankenpflege unterstellt. Jedenfalls ist die Heeresverwaltung fort und fort bestrebt, den Kriegssanftätsdienst zu einem lückenlosen festen Netze auszugestalten, in dem sich passend Glied zu Glied reiht. Die Maschen dieses Netzes füllt die freiwillige Krankenpflege, ins⸗ besondere auch die weibliche Hilfe, aus mit den Gaben der barm⸗ herzigen Menschenliebe und mit jenen Kräften, die kein Befehl, wohl aber die Begeisterung und das Gefühl der Freiwilligkeit zu lösen im⸗ stande ist. Und so entsteht das kunstvolle und doch sichere Gewebe, das wie eine schützende und wärmende Hülle den Krieger decken wird, der für Kaiser und Reich geblutet hat.
Vorgestern ist, „W. T. B.“ zufolge, das Komitee zum Zweck der Gründung eines Schutzmauünserholungsheims in Berlin ver⸗ sammelt gewesen, und die notarielle Gründung des Vereins ist damit erfolgt. Das Protektorat über de Verein hat Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz übernommen. Zum Ehrenpräsidenten wurde der Wirkliche Geheime Rat Freiherr von Manteuffel gewählt. Die Anstalt wird auf einem von der Gemeinde Rahnsdorf zur Verfügung gestellten Gelände errichtet werden. Es soll ein Gebäude für hundert erholungsbedürftige Schutzleute aufgeführt werden.
Kunst und Wissenschaft. 8
A. F. Die erste allgemeine Sitzung der Gesellschaft für Erdkunde im neuen Jahre fand ausnahmsweise in der Aula der Technischen Hochschule zu Charlottenburg statt, weil sich an den Hauptvortrag eine besondere Lichtbildervorführung schließen sollte, die aus bestimmten Gründen an diesen Raum gebunden war. Geheimrat, Professor Dr. Penck eröffnete die Sitzung mit einem Nachruf auf einige in den letzten Tagen des alten Jahres verstorbene Mitglieder der Gesellschaft, hierbei mit großer Wärme des um die geographische Wissenschaft und im besonderen um unsere Kolonien in der Südsee ver⸗ dienten von Schleinitz gedenkend. Das Wort ergriff dann Professor Dr. E. von Drygalski aus München über: Die Zeppelin⸗Stud ien⸗ fahrt nach Spitzbergen und ins Nördliche Eismeer im Sommer 1910, an der er teilgenommen hatte. Der Gedanke, das Luftschiff zur Erforschung des Polarmeeres zu benutzen, ist bereits zweimal verwirklicht worden: das erstemal unter Anwendung des Lufthallons durch den schwedischen Gelehrten Andree vor 15 und 14 Jahren mit tief tragischem Ausgang, denn die kühnen Unternehmer blieben spurlos verschollen; das zweitemal gleichfalls in einem Versuch, dem ein Jahr früher ein erster Anlauf vorhergegangen war, durch den Amerikaner Wellmann, welcher unter Anwendung eines von ihm eigens für den Zweck gebauten Luftschiffes den Aufstieg vornahm, aber nur wenige Kilometer vom Aufstiegsort ent⸗ fernt unter Umständen landete, die den Glauben an den Ernst des Unternehmens zerstörten. Er glich in Anlage und Durchführung auffällig der im letzten Spätsommer von demselben Manne unter⸗ nommenen, ausschließlich auf Sensation beruhenden Expedition in den nördlichen Ozean. Nach diesen mißglückten Versuchen wurde die Welt einigermaßen überrascht durch die Nachricht, daß ein Mann, dessen Ernst, dessen Scharfsinn und Besonnenbeit so wenig in Zweifel zu ziehen war, wie dies von dem Grafen von Zeppelin unbestritten sein dürfte, sich mit dem Plan trug, sein erfolgreiches Luftschiff der Polarforschung dienstbar zu machen. Er dürfte zu diesem Entschluß unter folgenden Erwägungen gelangt sein: 1) versprach das Unternehmen eine wesentliche Weiterbildung seines Luftschiffes, 2) war es geeignet, das auf langen Fahrten über Land wohlbewährte Fahrzeug auch auf solchen über Meere zu erproben. 3) bot es Gelegenheit, dem anerkannten, militärischen und wirtschaftichen Wert der Erfindung durch die Zuweisung und Erfüllung wissenschaftlicher Aufgaben er⸗ höhten Wert zu verleihen. Der dritte Punkt dürfte für den Grafen Zexpelin der entscheidende gewesen sein. Aber gab es nicht Näher⸗ liegendes hierfür als gerade die Polarforschung? Gewiß ist es Gegenstand sorgfältiger Erwägung gewesen, ob das Luftschiff nicht zur Erforschung mancher noch ganz unbekannter Gebiete unseres Planeten geeigneter zu verwenden sei, des Innern Arabiens, z. B., der Urwaldgebiete Südamerikas, Afrikas, Neu⸗ guineas? Sie werden sicher einst noch mit Hilfe des Luftschiffes
ekannter werden, als sie es heute sind; allein zurzeit ist das Luftschiff der Unbill und den Wechselfällen tropischer Klimata noch erst un⸗ genügend gewachsen, nicht zu gedenken der v Nächte und der starken Luftwärmeunterschiede zwischen Tag und Nacht. Ganz anders stellt sich gerade in diesen Punkten der arktische Sommer. Es ist für jedes Unternehmen dort zunächst doch ein Gewinn, daß die Sonne 4 bis 5 Monate nicht untergeht, die an den Wechsel von Tag und Nacht sich knüpfenden Temperaturschwankungen und Luftbewegungen ganz
in Wegfall kommen, und daß Stürme während des arktischen
Sommers in den hohen Breiten ebenso ausgeschlossen sind wie starke
Niederschläge, die in Form von Schnee ein Luftschiff schwer belasten und
herunterdrücken könnten. (Während des fast sechswöchigen Verweilens
der Expedition im Polarmeer hat man nur einen Tag mit mäßigem
Wind und Niederschlagen erlebt, wogegen allerdings Nebel häufig war.)
Zu diesen Ueberlegungen gesellte sich zugunsten gerade des arktischen Gebiets, im Gegensatz z. B. zu dem antarktischen, von bewohnten Küsten ungleich weiter entfernten, die Nähe von Norwegen und die Belebtheit des Nordmeeres im Sommer durch auf Walfang und Robbenschlag ausgehende Schiffe, somit die verhältnismäßige Sicher⸗
heit eines auf Erkundung des Nordmeeres mit Hilfe des Luft⸗
schiffes gerichteten Unternehmens. Fraglich für den Erfolg blieb zuvorderst nur, inwieweit bei Ueberschreitung der jenseits 80 Grad
liegenden Grenze des Polareises gegebenenfalls eine schnelle und sichere Verankerung im Eise möglich sein würde und welche besonderen
Hemmnisse etwa der Nebel biete, dessen Höhenerstreckung z. Z. ziemlich
unbekannt ist. Es lag nahe, ehe Entscheidung für eine Expedition
getrofften werden konnte, erst an Ort und Stelle diese Ver⸗
hältnisse zu studieren. So entstand unter Beratung durch
Geheimrat Hergesell der Plan dieser Studienreise, welche durch⸗
aus nur als eine Vorexpedition gedacht war. Die ihr ge⸗
gebene Organisation hatte keinerlei staatliche Mittel zur Vor⸗
aussetzung, vielmehr nur die freigebige Unterstützung hochherziger Gönner. Aus ihrer Zahl seien genannt der Geheime Kommerzienrat Freiherr von Friedländer⸗Fould und die Direktion des Norddeutschen Loyd, letztere durch sachgemäße, überaus zweckdienliche Ausrüstung und kostenlose Stellung des ausgezeichneten Dampfers „Mainz“. Zur Expedition gehörte außer diesem großen Schiff noch ein nur etwa 500 t haltendes norwegisches Fangschiff, der Eisdampfer „ hönix.⸗, und für die Verbindung mit der Kulturwelt die flinke Jacht „Carmen“, welche während der Dauer der Expedition zweimal die Postverbindung
mit Kiel herstellte, endlich Motorboote, die nach Erfordern vom Deck
des Dampfers „Mainz“ aus in See gelassen wurden. Als Gäste des
Grafen Zeppelin nahmen wenigstens am ersten Teil der Expedition auch Seine Königliche Hoheit der Prinz Heinrich von Preußen mit seinen beiden Adjutanten, den Korvettenkapitänen Heraeus und von dem Knesebeck, Geheimrat von Friedländer⸗Fould und Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Lewald teil, während die Herren Hergesell, Miethe (mit seinem Assistenten Dr. Segert), Graf Zedlitz⸗Trützschler und der Vortragende als wissenschaftlicher Stab dis zum Schluß der vom 13. Juli (dem Tage der Abfahrt von Bergen) bis Ende August dauernden Expedition dem Grafen Zeppelin zur Seite standen. Aufer ihnen waren noch einige Ingenieure für die praktischen Arbeiten des auf dem Schiff befindlichen Laboratoriums, des geplanten Aufstiegs eines Fesselballons und dessen Wasserstoffüllung an Bord, auch Professor Dr. Ruch als Arzt. Die wissenschaftliche Arbeit war unter den genannten Herren entsprechend verteilt: Geheim⸗ rat Miethe war mit photographbischen Aufnahmen, namentlich solchen nach dem optischen Dreifarbensystem, und außerdem mit gewissen phvsikalischen Beohachtungen betraut und vollauf beschäftigt, Pro⸗ fessor von Drygalski ebenso mit geographischen und ozeanographischen und Graf Zedlitz, der Besitzer eines überaus reichhaltigen Vogel⸗ museums, hatte die Beobachtung der Fauna, insbesondere der Vogelwelt übernommen. Eine besondere Rolle war einem von Tromsö mit
genommenen sogenannten „Eislotsen“, einem bejahrten Mann, zu⸗ gedacht. Er versagte jedoch in allen schwierigen Lagen, sei es, daß seine Vorschläge als unpraktisch erkannt wurden, oder daß er über⸗ haupt keinen Rat wußte. Jedenfalls war cs ein Glück, daß in dem Kapitän des „Phönix“ Zwenz ein ebenso energischer als erfahrener Seemann für das Unternehmen gewonnen war. Auch war es dem Vortragenden in Tromsö gelungen, seinen Gefährten von der Süd⸗ polarexpedition, den Norweger Julius Berwick, zur Teilnahme zu bestimmen, dessen besonnener Rat und Sachkunde als sehr wertvoll erkannt wurden. Der Vortragende schilderte nunmehr die Reise in fesselnder Weise, die Fahrt von Bergen an der norwegi⸗ schen Felsenküste entlang nach Tromköb und Hammerfest, dann hin⸗ über zu der 3 nördlicher gelegenen öden und unwirtlichen Bären⸗ insel und nach einer ersten Begegnung mit Treibeis den ersten An⸗ blick des Wunderlandes Spitzbergen, das seiner phantastisch spitzen Berge halber diesen Namen mit Recht empfangen hat. Die merk⸗ würdige geologische Mannigfaltigkeit und Vielgestaltigkeit des Landes, die am Meere endenden mächtigen Gletscher, die Eis⸗ mauer längs des Strandes, dann wieder die bunte, wech⸗ selnde Tundra⸗Vegetation, die Belebung der Landschaft durch nach vielen Hunderttausenden zählende Vögel, zu einem großen Teil der Gattung „Lumme’ angehörig, hinterließen bei allen Teilnehmern der Fahrt unauslöschliche Erinnerungen. Dazu die malerischen Buchten des Eisfijord, der Adventsbai und der landschaft⸗ lich schönsten aller, der nördlichsten Magdalenenbai. Von hier aus wurde der nördlichste Punkt der Reise erreicht, nämlich die nahe dem Nordende der Inselgruppe, bezeichnet etwa durch die Däneninsel und den Punkt des Aufstiegs von Andree und Wellmann, bei 80 dn. Br. gelegene, bis hierher südwärts vorgeschobene Grenze des Polar⸗ eises. An dieser Stelle wurden Aufstiege des Fessel⸗ ballons mit drei Herren im Korbe vorgenommen und dabei zur großen Befriedigung festgestellt, daß die Wasserstoffüllung schnell und sicher aus den mitgeführten Stahlflaschen zu bewirken war, vor allem jedoch, daß es gelang, den Ballon auch schnell und völlig sicher im Polareise zu verankern und daß der Anker selbst einer kräftigen Dünung bei einem Winde von 7—8 Sekundenmetern wider⸗ stand. Die gleiche wichtige Feststellung wurde nachher auch bei wiederholten Aufstiegen des Fesselballons am Lande und auf felsigem Boden gemacht. Bei diesen letzten Aufstiegen bestand Graf Zeppelin darauf, daß jeder Teilnehmer an der Expedition, bis herunter zum einfachen Schiffsjungen, zur dauernden Erinnerung einmal mitaufftieg. Die interessantesten Beobachtungen über Gletscher, und Eisverhältnisse wurden auf der nordwestlich vorgelagerten, besonders schönen Insel „Prinz Karls Vorland“ angestellt. Es ergab sich aus ihnen, daß abweichend von Grönland die Gletscher zwar bis ans Meer vordringen, aber nicht ins Meer abstürzen, daß also keine eigentlichen 1“ von hier abschwimmen. Die Eisbildung erfolgt vielmehr in kleinen Banken. Die Bewegung der Gletscher ist ziemlich langsam. Am Lande auf kurzen Wanderungen ins Innere angestellte Beobachtungen belehrten auch darüber, daß Spitzbergen niemals vollständig vereist ewesen ist und deshalb das Inlandeis in der von Grönland er dem Vortragenden bekannten Gestalt fehlt. — Professor von Drygalski schloß seinen mit großem Beifall aufgenommenen Vortrag mit der Versicherung, daß, als die Teilnehmer an der Expe⸗ dition sich Ende August in Kiel getrennt, alle unter den günstigsten Eindrücken gestanden hätten. Man war an einer überaus interessanten Fahrt beteiligt gewesen, hatte Wochen in schönfter Natur, reinster und stärkender Luft und fast beständigem Sonnenschein verlebt, viel gesehen, viel gelernt, viel gesammelt und vor allem die Zwecke erreicht, derentwegen das Unternehmen geplant worden war. Zwar sind noch nicht alle Bedenken an der Ausführbar⸗ keit einer erfolgreichen Erkundung der arktischen Meere durch das Motorluftschiff geschwunden, und es wird dazu noch der technischen Vervollkommnung, namentlich der völligen Zuverlässigkeit der Motoren, bedürfen; aber in wichtigen Punkten sind doch die be⸗ friedigendsten, Erfolg verheißenden Erfahrungen gewonnen worden.
en zweiten Vortrag des Abends hielt Geheimrat, Professor Dr. Miethe in Begleitung und zur Erläuterung der wundervollen, von ihm während der Fahrt der „Mainz“ und auf zahlreichen Aus⸗ flügen ans Land aufgenommenen Photographien. Es waren dieselben schwarz⸗weiße Wandelbilder und überaus zahlreiche Dreifarben⸗ photographien nach dem vom Vortragenden so genial ausgebildeten optischen Verfahren, über welche im Anschluß an die Verhandlungen der Schiffbautechnischen Gesellschaft in Nr. 272 vom 22. November v. J. an dieser Stelle bereits ausführlich berichtet worden ist. Wie damals, fanden auch diese als Illustration zu dem soeben gehöͤrten Vortrage sehr willkommenen, mit bewundernswerter Genauigkeit vor⸗ geführten Lichtbilder den größten Beifall der Ver ammlung. 3 8