1911 / 20 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 23 Jan 1911 18:00:01 GMT) scan diff

Uebersicht der Einnahmen an Zöllen, Steuern und Gebühren für die Zeit vom 1. April 1910

bis zum Schlusse des M

onats Dezember 1910.

Die Solleinnahme nach Abzug der Ausfuhrvergütungen usw. hat betragen

1 Die Iseimmaßme

hat betragen Im Reichshaushalts⸗

etat ist die

Bezeichnungs

der Einnahmen.

Laufende Nummer

vom Beginne des Rechnungsjahrs lin

im 27 Monat Dezember e“ Monat Dezember Dezember

svom Beginne des Rechnungsjahrs bis zum Schlusse des Monats Dezember 1 6 6

Einnahme für das Rechnungsjahr 1910 veranschlagt auf

64 799 317 1 253 066 2 217 253

14 200 967 5 923 693

18 092 340

54 435 931 024 1 450 502 1 540 647

10 333 195 192 898

1 546 690 3 592 624 366 398

1 260 551 1 209 975 511 318

1 280 690 1 293 108

W“ Tabaksteuer .. igarettensteuer Zuckersteuer 111“; Verbrauchsabgabe für Branntwein Essigsäureverbrauchsabgabe . Schaumweinsteuer 1 beeeeeeeeee]; -“ Brausteuer und Uebergangsabgabe von 1“ Spielkartenstempel Wechselstempelsteuer. Reichsstempelabgaben: A. von Wertpapierln .. B. von Gewinnanteilschein⸗ und Zins⸗ von Kauf⸗ und sonstigen Anschaffungs⸗ besrhate von Lotterielosen: a. für Staatslotterien b. für Privatlotterien 2. von Frachturkunden .... F. von Personenfahrkarten G. von Erlaubniskarten für Kraftfahr⸗ H. 1.Ss ütungen an Mitglieder von Aufsichtorten . . 111“X“ K. von Grundstücksübertragungen .. Erbschaftssteer... Statistische Gebühr.

SSISFESS

—,

Der Geburtstag Seiner Majestät des Kaisers und Königs wird von der Königlichen Landwirtschaftlichen Hochschule zu Berlin am 26. d. M., Nachmittags 5 Uhr, im neuen großen Hörsaal X der Hochschule festlich begangen werden. Die Festrede wird der Professor Hegemann über das Thema:

Die preußische Landesaufnahme“ (mit Lichtbildern) halten. Verbunden mit dieser Feier wird die Eröffnung der umfang⸗ reichen Neubauten der Hochschule mit anschließender Besichtigung.

Der Präsident des Königlichen Statistischen Landesamts, Wirkliche Geheime Oberregierungsrat Dr. Blenck hat einen vierwöchigen Urlaub angetreten. 1

Frankreich. In der vorgestrigen Sitzung des Ministerrats wurde der

Vizeabmiral Jauréguiberry zum Generalinspekteur der heimischen Geschwader und der Konteradmiral Auvert zum Chef des Generalstabes der Marine ernannt. Nach einer offiziösen, vom „W. T. B.“ verbreiteten Mitteilung soll in das nächste provisorische Budgetzwölftel ein besonderer Kredit eingestellt werden, um unverweilt eine neue schmalspurige Bahn von Lalla Marnia nach Udschda in Angriff nehmen zu können. Ferner soll von der Militär⸗ verwaltung eine ebenfalls schmalspurige Bahn im Schauja⸗ gebiet hergestellt werden. Die Zustimmung der Mächte zu diesem Plan sei sicher. Niederlande. Die Regierung hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ einen Gesetzentwurf über Subventionierung einer Dampf⸗ schiffahrtverbindung Java —Australien bei mindestens zwölf Reisen jährlich eingebracht. 8 Die Deputiertenkammer verhandelte vorgestern über Anjfragen an den Minister des Aeußern, betreffend die Pots⸗ damer Abmachungen. 1 Nach dem Bericht des „W. T. B.“ hob der Abg. Schefik den peinlichen Eindruck hervor, der bei den Oitomanen dadurch hervor⸗ erufen worden sei, daß zwei Mächte über Fragen, die die Fürkei unmittelbar interessierten, ohne Teilnahme und vor⸗ berige Erforschung der Meinung der Pforte verbandelt hätten. Die Türkei könne unmöglich wie asiatische oder afrikanische Staaten behandelt werden. Der Redner dankte dem deutschen Botschafter für seine beruhigenden Erklärungen, die jedoch die Be⸗ denken der Ottomanen nicht zerstreut hätten. Der zweite Inter⸗ pellant Ferid hesprach die einzelnen Abmachungen und bezeichnete den Artikel 3 der veröffentlichten Note als besonders verderblich, weil dadurch der Bau der Eisenbahnen in dem nördlich von Hanekin gelegenen Teile Ostanatoliens gehemmt würde, was Rußland die größten strategischen Vorteile sichere. Der Redner verlangte Auskunft darüber, ob die Türkei Vorkehrungen zur Wahrung der Integrität Persiens getroffen hätte, und welche Politik die Pforte gegen⸗ über England im Persischen Golf verfolgen würde. Er fragte, ob die Regierung gla be, daß die bisherige Politik, Freundschaft mit allen Mächten zu halten, zur Wahrung der Interessen der Türkei genüge. Der Minister des Aeußern Rifaat Pascha hob hervor, daß bei Fragen der auswärtigen Politik Reserve notwendig sei. Er verlas sodann eine Erklärung, worin darauf hingewiesen wird, daß anfangs der Potsdamer Entrevue, deren Vorteile für den allgemeinen Frieden anerkannt werden müßten, keine besondere Bedeutung zu⸗ eschrieben worden sei. Weiter verlas der Minister die auf den Orient bezugnehmenden Stellen der Reichstagsrede des Reichskanzlers Dr. von Bethmann Hollweg und die Erklärungen des russischen Ministers des Ausmwärtigen Ssasonow. Erst die bekannte Ver⸗ öffentlic2hung der „Evening Times“ habe der Zusammenkunft eine größere Bedeutung verliehen. Wenn die darin enthaltenen Artikel 3 und 4 sich bewahrbeiteten, so wäre allerdings eine Beunrubigung gerechtfertigt. Der Minister erwähnte ferner die offizielle Erklärung des deutschen Botschafters vom 14. Januar und diejenige Ssasonows, der sich der Erklärung des deutschen Botschafters vollinbaltlich an⸗ geschlossen habe. Er bezeichnete diese Erklärungen als beruhigend

525 372 151

127 168 556 141 676 993

4 V 5

747 657 308 596 17 705 249 12 487 348 42 499 448 113 934 048

444 094 7 416 939 6 803 070 9 995 525

81 659 842 1 293 647 14 086 900

35 333 093

3 307 557 16 731 031 22 026 914 12 816 096

12 173 849 16 076 616

2 381 874

3 779 315 2 712 503 32 667 500 30 592 946 1 326 725

57 347 985 47 783 922

2 168 598 13 431 208 1 5 526 545 12 352 971 62 267

1 085 079 874 962

1 121 372

10 251 978 159 009

1 546 690 3 520 776 359 070

1 234 942 1 209 975 501 098

1 255 076 1 267 246

8 716 338 21 747 724 147 178 000

46 535 205 58 048 000

573 587 391 510 8 792 503 12 094 436

84 373 054 1 382 338 14 086 900

36 054 173

3 478 525 17 076 838 22 026 914 12 979 735

12 422 295 16 404 710

2 430 483

3 856 444 2 767 861 33 339 756 30 592 946 345 153

10 210 000 15 013 000 15 010 000

31 325 500 10 850 000 14 700 000 18 620 000

1 960 000

3 920 000

7 350 000

25 480 000 34 000 000 1 476 960.

364 351 241 904

3 256 039

3 101 574

8 und zu der Befürchtung habe, daß die Besprechungern zweier der Türkei befreundeten Mächte eine Spitze gegen die Türkei enthielten. Was die Gerüchte über den Persischen Golf angehe, so zweifle die Türkei, da die aufrichtigsten, freundschaftlichsten Be⸗ ziehungen zu England fortdauerten, keineswegs, daß die türkischen Rechte auf den Persischen Golf gewahrt und verteidigt würden. Wenn es Fragen gebe, die der Lösung bedürften, würden sie nicht durch Zeitungtartikel, sondern durch freundschaftliche diplomatische Ver⸗ handlungen zwischen beiden Regierungen gelöst werden. Der Minister betonte, daß die Anerkennung des russischen Einflusses in Persien keineswegs eine Verkennung der Rechte der Türkei bedeute. Bezüglich der Frage der Eisenhahnen lege die Pforte Wert darauf, daß die aufrichtigst erwünschte Teilnahme des Auslandes einen wirt⸗ schaftlichen und nicht einen politischen Charakter trage. Auf eine An⸗ frage Ferids, ob der Botschafter Freiberr⸗von Marschall den Artikel 3 der Publikation der „Eva ing Times“ auch schriftlich dementiert habe, erklärte der Minister, das Wort eines Diplomaten wie des deutschen Botschafters besitze größere Bedeutung als eine geschriebene Erklärung. Die Kammer fand die Erklärungen hinreichend.

Nach den letzten amtlichen Meldungen ist die Lage im Yemen beunruhigend. Die Verbindung mit Sana und Um⸗ gegend ist noch unterbrochen. Die leitenden Kreise sind, „W. T. B.“ zufolge, über die eigentliche Lage der türkischen Truppen im Unklaren. Der Kriegsminister hat die sofortige Einberufung der Redifs der ersten Klasse von Monastir, Perlepe, Köprülü und ferner von zwölf Bataillonen von Kossowo ver⸗ fügt. Die Truppen werden teils in Saloniki, teils in Dedeaghatsch zur Einschiffung nach Hodeida gelangen. Jussuf Pascha, der Kommandant von Dedeaghatsch, wird den Ober⸗ befehl über die von Rumelien nach dem Nemen abgehenden Truppen erhalten. 1 81

Griechenland. Die revisionistische Kammer ist, „W. T. B.“ zufolge, vorgestern durch Königliches Dekret eröffnet wordben.

Rumänien. ahlen für die Kammer sind, einer Meldung .“ zufolge, auf den 1. März d. J. festgesetzt

8 .

des „A. worden.

Eine von etwa 400 Wählern besuchte Versammlung sprach sich, „W. T. B.“ zufolge, gestern gegen den vom Fürsten genehmigten Verfassungsentwurf aus. Insbesondere wurde gegen die Teilung des Fürstentums in drei Gemeinden und gegen die Errichtung eines Nationalrats ohne wirkliche Regie⸗ rungsgewalt protestiert. 8

Amerikäa. 1“

Der Abschluß des Gegenseitigkeitsvertrages zwischen den Vereinigten Staaten und Canada wird nach einer Meldung des „W. T. B.“ nunmehr amtlich bestätigt.

In einer Ansprache an die Vertreter der Pennsylvania⸗ Gesellschaft in New York erklärte gestern der Präsident Taft bezüglich der Abänderung des Abkommens zwischen den Vereinigten Staaten und England über den Panama⸗ kanal, diese habe den Zweck, das Recht zur Befestigung des Panamakanals wiederzuerlangen. Der Vertrag mit Panama enthalte ausdrücklich die Anerkennung dieses Rechts. Keine einzige Nation, einschließlich Englands, habe bei den Vereinigten Staaten ein Unvermögen angenommen, den Kanal zu befestigen. Taft berührte sodann den Vorschlag, den Kanal durch ein internationales Abkommen zu neutralisieren, und fragte, obiger Quelle zufolge:

„Nachtem wir 500 Millionen Dollars zur Verbesserung der nationalen Verteidigung ausgegeben haben, sollen wir auf den halben milirärischen Wert des Kanals verzichten, indem wir den Vorteil davon einer Nation zukommen lassen, die uns zu vernichten sucht? Gerade durch die Bedingungen des Vertrages mit England sind wir verpflichtet, den Kanol in gutem Zustand zu erhalten, als einen Durchgangsweg für alle kriegführenden Parteien, solange wir nicht selbst in den Streit mit hineingezogen werden. Ich gebe niemand in der Friedensliebe nach und schlage vor, wenn ich die Zustimmung der betreffenden anderen Staaten erlangt habe, dem Senat Schiedsgerichtsverträge zu unterbreiten, die in ihren Be⸗

jetzt zwischen irgendwelchen Nationen bestehenden Verträge gehen. Aber ich kann mich nicht der Möglichkeit eines Krieges verschließen. Wir haben die Zeit noch nicht erreicht, wo man auf Beilegung aller internationalen Streitigkeiten durch Schiedsspruch rechnen kann.“

Das Marinedepartement in Washington hat, wie „W. T. B.“ meldet, von dem Kommandanten des amerika⸗ nischen Kanonenboots „Marietta“, das vor Puerto Cortez liegt, Nachrichten erhalten, nach denen der Präsident der Republik Haiti Simon die Vermittlung der Vereinigten Staaten sucht, um einen Krieg zwischen Haiti und San Domingo zu verhindern. Nach einer Mitteilung des amerikanischen Gesandten in Haiti hat sich der Präsident Simon erboten, die Grenz⸗ streitfrage sofort einem Schiedsgericht zu unterwerfen, voraus⸗ gesetzt, daß beide Regierungen ihre Truppen zurückziehen und San Domingo den Bau einer Heeresstraße durch das strittige Gebiet einstelle. Einer weiteren Meldung zufolge hat der Staatssekretär Knox in Erwiderung des Ansuchens des Prä⸗ sidenten Simon an die amerikanischen Gesandten in San Do⸗ mingo und in Port au Prince eine Depesche gerichtet, in der er die guten Dienste der Vereinigten Staaten anbietet.

Wie der „New York Herald“ aus Trujillo meldet, hat der Kreuzer der Vereinigten Staaten „Tacoma“ das Kanonenboot „Hornet“ mit Beschlag belegt. Bonilla hat dagegen Protest erhoben, mit der Begründung, daß der „Hornet“ ihm ge⸗ höre. Wie das genannte Blatt ferner aus La Ceiba meldet, haben der Kreuzer „Tacoma“ 30 Mann und der britische Kreuzer „Brilliant“ 20 Mann gelandet, um die neutrale Zone zu schützen. Die fremdländischen Konsulate und die Häuser der Einwohner sind seit Weihnachten verschanzt. Man erwartet jeden Augenblick den Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen den Truppen von Honduras und den Aufständischen.

Der Präsident der Republik Ecuador Estrada hat vor⸗ gestern mit einer Reihe hervorragender Bürger des Landes eine Besprechung gehabt, die die Mitteilung der Vereinigten Staaten, daß sie geneigt wären, gegen einen Pachtzins von fünfzehn Millionen Dollars die Galapagos⸗Inseln auf neunundneunzig Jahre zu pachten, zum Gegenstand hatte. Nach einer Meldung des „W. T. B.“ befürworteten die Anwesenden einstimmig die Ablehnung des Anerbietens mit der Begründung daß seine Annahme unpatriotisch wäre.

Asien.

Die Verhandlungen des japanischen Abgeordneten⸗ hauses, das am Freitag zusammentrat, wurden vom Minister⸗ präsidenten Marquis Katsura mit einer Rede eröffnet, in der er, „W. T. B.“ zufolge, sagte: 8

Die Beziehungen zu den auswärtigen Mächten seien herzlich. Das Bündnis mit England werde stärker mit seinem zunehmenden Alter. Er hoffe, neue Verträge mit allen Mächten ohne Schoierigkeit zum Abschluß zu bringen. Die gegenwärtige Finnzpolitik werde fort⸗ gesetzt werden, die Rüstungsausgaben würden auf das durchaus not⸗ wendige beschränkt werden.

Bei Einbringung des Budgets für 1911/12, in dem die ordentlichen Einnahmen 492 Millionen und die außerordent⸗ lichen Einnahmen 59 Millionen Yen betragen, die ordentlichen Ausgaben auf 407 Millionen und die außerordentlichen Aus⸗ gaben auf 144 Millionen NYen angesetzt sind, führte Marquis Katsura nach dem Bericht des „Reuterschen Bureaus“ u. a. aus:

Der Umstand, daß die ordentlichen Einnahmen die ordentlichen Ausgaben um 85 Millionen Yen überschritten, sei ein Zeichen dafür, daß die Verhältnisse sich gegen das Vorjahr gebessert hästen. Der Minister wies darauf hin, daß es ein Hauptgrundsatz der Regierung gewesen sei, die Finanzen des Landes auf eine solide Basis zu stellen und den Kredit der japanischen Staatsanleihen zu festigen. Diesem Grundsatz müsse auch im nächsten Jahre treu geblieben werden. Im Einklang mit ihm würden verschiedene für die nationale Wohlfahrt notwendige Maßnahmen zur Ausführung gelangen, darunter Abänderungen des Flottenbau⸗- und Rüstungsprogramms, Vorkehrungen gegen Ueberschwemmungen und Verbesserung und Aus⸗ dehnung des Eisenbahnneßzes, ferner Maßnahmen für die Entwicklung der Hilfsquellen Koreas und den Fortschritt der Industrie im allge⸗ meinen. Diese Maßnahmen, fuhr der Minister fort, würden eine entsprechende Vermehrung der Ausgaben zur Folge haben. Trotzdem sei er bei Aufstellung des Budgets für das Rechnungsjahr 1911/12 im⸗ stande gewesen, nicht nur die Einnahme und Ausgabe in der Haupt⸗ rechnung zu balanzieren, ohne zu Anleihen Zuflucht nehmen zu müssen, sondern er babe sogar noch 50 Millionen Yen für die Tilgung der nationalen Schuld zurücklegen können. Marquis Katsura stellte ferner fest, daß der Betrag der fünfprozentigen Anleihen, die seit Beginn dieses Jahres konvertiert worden seien, sich auf 518 Millionen Yen belaufe, wodurch eine Ersparnis an Zinsen von 3 600 000 Yen erzielt worden sei, und schloß seine Ausführungen mit einem Hinweis auf die allgemeine Neigung zur Besserung, die sich in allen Zweigen der Industrie bemerkbar mache, und auf das gewaltige Anwachsen des Handels mit dem Ausland im Jahre 1910.

Die Winterausstellung der

8 Parlamentarische Nachrichten. 8

der Abgeordneten befindet sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

Die heutige (10.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher der Minister für Landwirtschaft, Do⸗

eröffnete der Präsident von Kröcher mit folgenden Worten:

Meine Herren! 5 Hause eine erschütternde Trauernachricht zu geben. (Das Haus erheb sich) Der Abg. Dr. von Jazdzewski, gewählt für den Wahl bezirk 8 des Regierungsbezirks Posen, ist leute früh um 10 ½ U hier mitten in einer Beratung mit seinen Fraktionsfreunden, also in

uns entrissen worden. Er hat dem Hause seit 1873, also fast vie Jahrzehnte, angehört und hat an unseren Arbeiten steis lebendige Anteil genommen. Ich sehe, daß Sie sich zu Ehren des Verstorbenen von Ihren Sitzen erhoben haben. Ich stelle dies fest.

Vor Eintritt in die Tagesordnung erhält das Wort

Abg. Stengel (freikons.): Ich bin beauftragt, folgende Er klärung abzugeben: . d 20. d. M. den Ersten Präsidenten dieses Hauses schwer beleidigt. Wenn der Abg. Hoffmann infolge einer vorhergegangenen, gegen ihn

für berechtig hielt, so hat er doch durch die dem Präsidenten, dessen Ehre die Ehre des ganzen Hauses ist, angetane Beschimpfung alles Maß überschritten und nscht nur die Ordnung des Hauses sondern auch das Anseben des Parlaments in einer in Deutschland noch nicht dagewesenen Weise verletzt. Da die Partei, welcher der Abg. Hoffmann angehört, keinen Anlaß genommen hat, sein Verhalten gegen den Préͤsidenten zu mißbilligen, so weise ich hiermit im Namen sämtlicher übrigen Parteien die dem Parlament und seinem Präsidenten angetane Beschimpfung auf das nachdrücklichste zurück. Abg. Hirsch (Soz.) zur Geschästsordnung: Ich richte an den Herrn Präsidenten die Bitte, mir zu erlauben, zu der verlesenen

und betonte, daß die Pforte keinen Anlaß zu Verdächtigungen

stimmungen weiter als alle bisher ratifizierten und weiter als alle

Erklärung eine Erklärung meiner Fraktion abzugeben.

Der Bericht über die vorgestrige Sitzung des Hauses

mänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer beiwohnte,

Zu meinem tiefen Bedauern habe ich dem parlamentarischen Dienst, im 72. Lebensjahre durch cinen Schlaganfall

Dor Abg. Hoffmann hat in der Sitzung vom

gerichteten Bemerkung des Präsidenten zu einer übwehrerklärung sich

bg 5 8 ¹

zsident von Kröcher: Das darf ich nicht; ich kann Ihnen bt eh. jetzt eine Erklärung abzugeben. Ich werde vrn aber außerhalb der Tagesordnung gestatten, diese Er⸗ 8 abzugeben, wenn Sie mir vorher schriftlich den Inhalt mit⸗ i aben. (Zwischenrufe des Abg. Dr. Liebknecht (Soz.).) ei kann Ihnen bloß gestatten, über die geschäftliche Behandlung Erklärung zu sprechen. (Lebhafte Zwischenrufe bei den Soz.) ine Herren, Sie haben nicht das Wort, lassen Sie mich doch er ich will Sie gar nicht vergewaltigen, Sie sollen ebenso Fbelt werden wie andere Mitglieder des Hauses. Es ist üblich, 8 Erklärungen, welche vor der Tagesordnung oder außerhalb agesordnung im Hause abgegeben werden sollen, dem Präsidenten her schriftlich mitgeteilt werden, und daß sie dann verlesen werden fen. Wollen Sie dies, so können Sie Ihre Erklärung also in er anderen Sitzung oder in dieser Sitzung außerhalb der Tages⸗ nung verlesen, wenn Sie mir den Inhalt schriftlich mitgeteilt

Hirsch (Soz.): Ich hätte selbstverständlich dies getan, Kenntnis gehabt hätte, daß heute im Namen der ligen Parteien eine derartige Erklärung abgegeben werden würde. e ist mir nicht zugegangen. Ich muß mich also vorläufig mit Erklärung begnügen, daß wir jetzt nicht die Gründe angeben nnen, aus denen wir uns der verlesenen Erklärung nicht anschließen

nen. 8 Darauf tritt das Haus in die Tagesordnung ein.

In einmaliger Beratung werden zunächst die Verordnungen, effend die Bekämpfung der Krätze auf der Insel ügen und die Bekämpfung der akuten Poliomyelitis inderlähmung) in der Provinz Brandenburg und

Stadkreis Berlin ohne Debatte erledigt. Das Haus umt die Verordnungen zur Kenntnis.

Sodann beginnt das Haus die zweite Beratung des Ent⸗ üurfs des Staatshaushaltsetats für das Rech⸗ ngsjahr 1911.

Ohne Diskussion werden die Rente des Kronfidei⸗

mißfonds, 7 719 296 ℳ, und der Zuschuß zur Rente 8 Kronfideikommißfonds,

igt.

(Schluß des Blattes.)

1““

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Auf dem Messingwerk Hettstedt der Mansfelder kupfer⸗ eferbauenden Gewerkschaft haben, wie die „Köln. Ztg.“ erfährt, L“ zweier Arbeitsgenossen sämtliche Drahtzieher ndigt.

Bei der Firma J. Hecking in Neuenkirchen sind, wie dem⸗ en Blatte aus Münster gemeldet wird, etwa hundert dem Ver⸗

dde christlicher Textilarbeiter angehörende Arbeiter aus⸗

ddig. Da die Bemühungen der Firma, den Ausstand auf gütlichem ge beizulegen, gescheitert sind, so hat der Verband Münster⸗ discher Textilindustrieller folgenden Beschluß gefaßt: ämtliche Neuenkirchener Mitglieder kündigen ihren dem Verbande ftlicher Textilarbeiter angehörenden Arbeitern. Ist bis zum Ab⸗ der 14 tägigen Kündigungsfrist der Ausstand nicht beendigt, so rigen alle Mitglieder des Verbandes Münsterländischer extil⸗ striellr am 4. Februar ihren sämtlichen, dem obengenannten Feiterverbande angehörenden Arbeitern.“ Der Gewerkverein christlicher Bergarbeiter kündigt Keinen Ausstand auf der Saline de I1'Est in Dieuze in hringen zum 1. Februar an, falls, wie der „Köln. Ztg.“ tele⸗ hiert wird, bis dahin zwischen der Verwaltung und der Beleg⸗ ft über deren Forderungen keine Einigung erzielt wird. Die egschaft fordert eine Erhöhung der Schichtlöhne, die angeblich bei ho der Belegschaft 2,90 nicht erreichen, um 30 bis 40 ₰. In Wien batte, wie „W T. B.“ meldet, für Sonnabend der rband österreichischer Bühnenarbeiter infolge Ablehnung Forderung, nur Mitglieder des Wiener Musikerbundes an⸗ llen, für fünf Theater den Streik beschlossen. Trotzdem sind Theatervorstellungen ungestört verlaufen.

(Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Zweiten Beilage.)

8

Kunst und Wissenschaft.

Di Königlichen Akademie Künste ist am Sonnabendnachmittag um 2 Uhr in Anwesen⸗ sehr zahlreich erschienener Gäste eröffnet worden. Als Vertreter Ministers der geistlichen usw. Angelegenheiten war der Wirkliche eime Oberregierungsrat, Abteilungsdirigent Dr. Schmidt er⸗ en. Außerdem nahmen an der Veranstaltung u. a. teil die Herren ssterialdirektor D. Dr. Naumann, Wirklicher Geheimer Ober⸗ rungerat Müller, Geheimer Regierungsrat Dr. Pallat, ferner erektof des rheinländischen Provinzialdenkmälerarchivs Renard sowie verschiedene Spitzen staatlicher und städtischer örden und zahlreiche Vertreter der Künstlerschaft. Die Aus⸗ ng ist die erste, die von der Akademie der Künste unter ng ihres neuen bräsidenten, Professors Karl von Großheim mengestellt ist. Sie enthält neben Werken von Mitgliedern ademie auch solche von Gästen aus Frankreich, England, erreich⸗Ungarn, Spanien, Italien und Schweden und umfaßt eaus allen Gebieten der bildenden Künste.

Von den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts an bis zum 18 9 achtziger Jahre bestand die von dem großen Philologen . öckh ins Leben gerufene Einrichtung, daß hervorragende Poren der Berliner Universität in öffentlichen Vorträgen vor Kößeren Publikum Fragen ihres Forschungsgebiets behandelten. Gen der Singakademie gehaltenen Vorträge, die vornehmlich jet der Geisteswissenschaften betrafen, haben seiner Zeit eine unbedeutende Rolle im geistigen Leben Berlins gespielt: Ernt erinnert an den berühmt gewordenen Vortrag, Ernst Curtius am 10. Januar 1852 über . hielt, einen fag, der den ersten Keim der über zwanzig Jahre später ins Lech Ausgrabun ven Olympia bildete. Anknüpfend an G en. haben sich einige Professoren der Universität, die Sna8, Eduard Mever, Roethe, von Wilamowitz⸗ 8n orff, zu einem Vortragszyklus vereinigt, der ce aufeinanderfolgenden Sonntagen des Februar und

r stattfi 26. Februar und 5. März), Mittags von 12 bis 2 . wird. Der Rektor hat für diese Vorträge die neue benäals niversität (am Opernplatz in dem früheren Gebäude Mlichen Bibliothek) bewilligt; es wird dadurch gleichzeitig zum fitate⸗ vnem größeren Publikum Gelegenheit geboten, den beim -. iläum eingeweihten neuen, schönen Festraum der Berliner e 1 kennen zu lernen. Der Ertrag der Vorlesungen soll de missenschaftliche Zwecke Verwendung finden, teils der „Ver⸗ e Freunde der Universität Berlin’ zufließen, die die Be⸗ ee Studentenheims anstrebt. Die Themata der Vor⸗ 8. üben nächster Tage hekanntgegeben werden, ebenso auch *über den Verkauf der Eintrittskarten.

10 Millionen Mark, ge⸗

A. F. Die ordentliche Januarsitzung der Berliner Gesell⸗ schaft für Anthropologke, Ethnologie und Urgeschichte am 21. Januar brachte an erster Stelle die Wahl der neun Ausschuß⸗ mitglieder für 1911. Vor Eintritt in die Tagesordnung erteilte der Vorsitzende das Wort an Professor Dr. von Hansemann, der einen ihm aus Amerika zugegangenen Menschenschädel vorlegte, der zuver⸗ lässig in einem Grabe“ aus vorcolumbischer Zeit gefunden worden ist und die deutlichen und ganz zweifellosen Spuren zeigt, daß der betreffende Mensch in hohem Grade an Sypphilis gelitten hat. Diese Bekundung, daß Syphilis nicht, wie lange angenommen worden ist, erst von Europa nach Amerika gelangt ist, sondern hier vor der Entdeckung Amerikas heimisch war, reiht sich einer ganzen Anzahl ähnlicher, seit längerer Zeit bekannter Beweise an. Immerhin erscheint eine gründliche Untersuchung dieses neuesten Falles angemessen. Der Redner hat diese vorgenommen und belegte das vorgedachte Ergebnis durch eine Reihe anderer Schädel, welche die bekannten Wirkungen von Syphilis, Tuberkulose und Geschwülsten auf den menschlichen Schädel veranschaulichen. Alle diese Wirkungen sind voneinander charakteristisch verschieden. Wie, das erläuterte der Redner an dem mit zur Stelle gebrachten Vergleichsmaterial. Daraus ging überzeugend hervor, daß der Mensch, dem der betreffende Schäͤdel gehörte, wahrscheinlich gleichzeitig von Syphilis und Lupus heim⸗ gesucht worden war.

Den Vortrag des Abends hielt Dr. Neuhauß über Deutsch⸗ Neuguinea, das er in den Jahren 1909 und 1910 besucht hat, und wo er zum Zweck eingehender Studien über Land und Leute an sieben verschiedenen Plätzen, meist in Missionsanstalten, ebenso protestantischen als katholischen, mehrmonatige Aufenthalte genommen hat. Ueber die Förderung, die er für seine Zwecke von den Missionaren erfahren, schickte Dr. Neuhauß seinen Mitteilungen die anerkennendsten Be⸗ merkungen voraus. Auch bekundete er für die zivilisatorische Wirk⸗ samkeit der Missionen volle Schätzung. An einer Stelle, wo die Missionstätigkeit seit 25 Iahrens im Gang ist, wurde ihm ein 800 Seiten langes Manustript überlassen, das über den Zustand, in dem damals die Eingeborenen gefunden wurden, über ihre derzeitigen Sitten und Gebräuche, die seitdem gewisse Aenderungen im Verkehr mit den Europäern erfahren haben, ausführlich berichtet und als ein wertvolles, in seiner Art TEe Denkmal für Neu⸗ Guinea der ersten Jahre seiner Kolonisation von uropa aus anzusehen ist. Der Vortragende begann mit der Vorzeigung und Erklärung eines Teiles seiner reichen, aus Neu⸗Guinea mitgebrachten Sammlungen, aus denen er die am meisten charakteristischen Stücke ausgewählt und im Saal ausgelegt hatte. Sie stellen nur zu einem kleinen Teil Waffen, Speere, Schilde und Bogen dar, zu einem großen Musikinstrumente ursprünglichster Art, ein sogenannter „Musikkasten“, Trommeln und Signalhörner. Zumeist sind es aber Geräte zu den ver⸗ schiedensten Verrichtungen, Rauchutensilien (u. a. ein schön geschnitztes hölzernes Rauchrohr von mehr als einem halben Meter Länge, in welches der Vorraucher den Dampf etwa einer Zigarette hineinbläst und das dann zu beliebigem Absaugen des Rauchs von Mund zu Mund wandert), Kopfkissen zum Auflegen des Kopfes beim Schlafen (wenn anders man ein Ding mit „Kissen“ bezeichnen kann, das zumeist eine passend gestaltete Baumwurzel ist). Bemerkens⸗ wert ist das große Geschick der Eingeborenen in Anfertigung kunst⸗ reicher Holzschnitzereien, auch verstehen sie die Kunst der Bemalung großer hölzerner Flächen mit bunten, nicht unschönen Mustern, die Kunst des Flechtens von Rotang und anderen Pflanzenfasern. In einem Teil des Landes, am Augusta⸗Fluß, besteht die Sitte, die Toten⸗ schädel zu durch Auflegung von Ton den Gesichtszügen des Verstorbenen ähnlich zu formen oder auch dessen Kopf ganz aus Ton ähnlich nachzuformen und so aufzubewahren. Doch ist die Pietät für diese Erinnerungszeichen nicht eben groß. Was Dr. Neuhauß davon erstand, war sehr billig zu haben. Dagegen waren sehr schwer erhältlich gewisse steinerne, zeemlich feinskulpierte, aber in dem, was sie darstellten, unbestimmbhare Gegenstände etwa von Faustgröße, an die sich abergläubische Vorstellungen knüpfen. Sie sind wahrscheinlich uralt, aus einem dunkeln grünschwarzen Gestein, das Dr. Neuhauß auf einer seiner Wanderungen im Innern anstehend fand. Es sind von diesen rätselbaften Steingebilden bisher im ganzen 14 bekannt, von denen der Vortragende ein von ihm erworbenes vorlegte. Merkwürdig sind auch große Steintröge, wie es scheint, aus Lava hergestellt und ver⸗ mutlich vorgeschichtlich in dem Sinne, daß sie von den Bewohnern des Landes vor der Einwanderung der jetzigen Bevölterung herrühren. Auch hiervon konnten einige erworben werden. Von dem Geschick der gegenwärtigen Bewohner erzählt ein seltsamer Hammer, der vorgelegt wurde; die Schlagfläche bildet eine Granate, die nebst mehreren anderen im Anfang der deutschen Kolonisation durch eine Strafexpedition in ein Dorf geworfen worden war. Alle die damals geworfenen Granaten haben die gleiche Verwendung durch die Eingeborenen gefunden. Es folgte nun im verdunkelten Saale die Vorführung einer großen Anzahl von Lichtbildern, im Ganzen 212 von 1110, die Dr. Neuhauß in unserer Kolonie Neu⸗Guinea aufgenommen hat. Zuvörderst wurde an einer Karte nachgewiesen, wo der Vortragende während seines Aufenthalts im Lande geweilt hat. Fünf seiner Aufenthaltsorte entfallen auf den südöstlichen Teil von Kaiser Wilhelmsland, bezeichnet durch den Huon⸗Golf und Finschhafen und durch die Erstreckung des hier in mehrfachen Wanderungen besuchten Gebietes bis zur Grenze von Englisch⸗Neuguinea. Hier liegt auch der noch zu erwähnende Sattel⸗ berg. Von hier gingen auch die Wanderungen des unglücklichen Otto Ehlers aus. Zwei andere Aufenthaltsorte liegen dagegen sehr ent⸗ fernt von diesem Teile der Kolonie; nämlich im Norden, noch nördlich von dem mächtigen Augusta⸗Strom, und nicht allzu fern der Grenze von Holländisch⸗Neuguinea. Diese beiden voll⸗ ständig voneinander getrennten Gebiete sie werden künftig als das südliche und das nördliche an dieser Stelle unterschieden werden sind auch kulturell um eine Welt verschieden; nur das Völker⸗ und Sprachengewirr, das den Dolmetscher nicht nur für die Europäer, sondern auch für die Bewohner unter sich zur wichtigsten Person in jedem Dorf macht, ist hier wie dort dasselbe. Aber während die Eingeborenen im Süden häufig in Wohnungen hausen, mit denen verglichen die Uhuhütten unserer Jäger elegante Quartiere sind, werden im Norden die Häuser mit einem ge⸗ wissen Raffinement der äußeren Erscheinung, Ausschmückung und Bemalung hergestellt. Im Süden scheint das Völkergewirr auf die beiden Stämme der Papuas und der Melanesier beschränkt, die im bunten Durcheinander, aber doch dorfweise geschieden, über das Land verteilt wohnen. Aber man würde vergeblich fragen, welcher Unterschied zwischen beiden besteht, sei es körperlich sei es in Sitten und Gebräuchen, sei es in Kleidung und Schmuck. Nur die verschiedene Sprache trennt und unterscheidet sie. Nur etwa 10 % der Gesamtzahl dieser Mischbevölkerung bilden ein ausschließlich um den obengenannten Sattelberg herum wohnendes Volk von Pygmäen, die Männer 135 140 cm, die Frauen 132 cm hoch, das möglicherweise der Rest einer Urbevölkerung des Landes ist. Eine Ueberlieferung von Zeiten der Einwanderung her scheint bei keinem dieser Volksstämme vorhanden zu sein. In den nun folgenden Bildern machte Dr. mit den Bewohnern aus dem Süd⸗ und Nordgebiet bekannt, wobei doch ziemlich erhebliche Unter⸗ schiede wenigstens in Kleidung, Schmuck, Haartracht und dergl. her⸗ vortraten. So tragen die Frauen und Mädchen im Süden Gras⸗ schürzen geringer Ausdehnung, im Norden große Lendenschurze. Die Männer im Süden lieben es, ungeheure Haarwulste zu tragen, gegen die die Allongeperücke des 17. Jahrhunderts zierlich erschient. Aber diese Haate sind nur bis auf 20 cm Länge in der Kopfhaut wurzelndes Haar, im übrigen angebacken, angeklebt, angeknüpft, also etwa so hergestellt, wie unsere gegenwärtigen Pleureusen. Ganz ähnlich so sind die langen Bärte, wo sie vorkommen, hergestellt’ Abweichend hiervon fassen die Eingeborenen im Norden ihre Haare zu einem turmartig auf dem Kopfe thronenden, auch noch eigenartig gebundenen und verzierten Schopf zusammen. Canz merkwürdig sind hier wie dort die Verunstaltungen, die Männer wie Weiber ihren Ohren und Nasen zuteil werden lassen, und das Gefallen an Ver⸗ zierung des nackten Körpers durch künstlich beigebrachte Narben, von denen manche Frauen bis 400 besitzen. Sehr zahlreich sind

unter den Eingeborenen des Südens die Albinos. Hochblonde

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daare, helle, bald rote, bald nahezu weiße Hautfarbe sieht man Frene⸗ Unter den Krankheiten sind Tumore und kesasfe Zer⸗ störungen nicht selten; aber der Aussatz scheint von einer milderen Art, Ansteckungen sind nicht beobachtet worden. Dr. Neu⸗ hauß sprach dann noch unter Vorzeigung vieler Bilder von den Häusern im südlichen und im nördlichen Gebiet, von den Be⸗ schäftigungen, wie Fischfang, Schiffahrt, Feldbau, Töpferei. Aber er versprach zugleich für nächsten Sonnabend die Vorführung zahlreicher Bewegungsbilder, die willkommene Gelegenheit bieten dürften, auf diese Kapitel zurück,ukommen. Immer wieder hob er die große Verschieden⸗ heit der kulturellen Verhältnisse des nördlichen Gebiets am Augusta⸗ strom hervor. Es ist ihm vergönnt gewesen, auf diesem dem Rhein bei Cöln gleichenden Strom eine lange Fahrt stromaufwärts zu machen. Sie hat ihn in ein überaus fru tbares, reich bevölkertes Land geführt. Er rät dringend, diesen fast noch völlig unbekannten Fesis Koante eine Expedition plan⸗

ig erforschen zu lassen. Auch der Ethnographie und graphischen Sammlungen steht hier 285

Vom türkischen Ministerium beiten werden für das Jahr 1911 Wegebaudienst gesucht. schen Sprache und praktische Betätigung im Wegebaufach. Monatsgehalt werden je nach der Vor ildung 2500 bis 3500 Piaster (460 bis 640 ℳ) angeboten. Die türkische Staatsangehörigkeit ist nicht erforderlich. Meldungen sind an die Direktion für Brücken und Seee im Ministerium der öffentlichen Arbeiten in Kon⸗ stantinopel zu richten.

Das „Zentralblatt der Bauverwaltung“ knüpft an diese Notiz folgende Ausführungen:

Bisher erfreuen sich französische Wegebautechniker einer besonderen Bevorzugung in der Türkei. Viele Franzosen sind vom Staat angestellt, und viele andere sind mit den Unternehmern ins Land ekommen. Die von der türkischen Regierung unternommenen Wege⸗ auten ] wemlich größkenteils von 28 französischen Société generale d'entreprise des routes ausgeführt. Diese Gesellscha beschäftigt sich aber nicht allein mit Se secschet dem Ministerium mehrere Verträge über die Ausführung von Studien abgeschlossen, die sich auf Vund Bewässerungen beziehen. So z. B. in den Tälern des Kizil⸗ und Jeschil⸗Irmak, zwei Flüssen, die im Wilajet Samsun in das Schwarze Meer münden, ferner in der Umgegend von Tokat am oberen Lauf des Beschil⸗ Irmak, im Wilajet Aidin, südöstlich von Smyrna, und in der Ebene von Antiochia. Es geht daraus hervor, daß die anzustellenden Staatsingenieure nicht allein wegebaukundig sein, sondern auch Kenntnisse besitzen müssen auf den Gebieten der Flußregulierungen und Wasserbauten. Allerdings ist zu bemerken, daß das von der türkischen Regierung angebotene Gehalt besonders für verheiratete Beamte kaum ausreichend sein dürfte. Unverheiratete werden damit bei nicht zu großen Ansprüchen namentlich im Innern Kleinasiens noch aus⸗ kommen. Jedenfalls ist es ratsam, die Beschäftigung nur auf Grund eines Vertrages zu übernehmen und in diesem Vertrage nicht allein Bestimmungen zu treffen über Zureisekosten, Ausrüstungsgelder und Reisekosten im Inneren des Landes, sondern auch über den Rücktritt, der besonders in der ersten Zeit nicht erschwert werden darf. Es würde erwünscht sein, wenn deutsche Diplomingenieure und Regierungs⸗ baumeister bei solchen Arbeiten im Auslande mitwirkten. Sie würden dadurch nicht allein ihren eigenen Blick erweitern, Förderung des Deutschtums im Auslande beitragen. X“

8 S

der öffentlichen Ar⸗ Ingenieure für den

Ein Wettbewerb um Entwürfe für ein katholisches L1“ und eine Mädchen⸗ und Frearinbet gheslce Niede rmorschweiler i. Els. wird unter den in Elsaß⸗Lothringen ansässigen Architekten bis 1. April 1911 ausgeschrieben. Drei Preise von 800, 600 und 300 sind ausgesetzt. Dem fünfgliederigen Preis⸗ Ferücht gehören u a. an: 1) Regierungs⸗ und Baurat Franz in Straß⸗ urg, 2) Hochbauinspektor Schütz in Straßburg, 3) Hochbauinspektor Dr.⸗Ing. Fiedler in Mülhausen. Es ist beabsichtigt, demjenigen Preisträger, dessen Entwurf nach Ansicht des Preisgerichts für die Ausführung am geeignetsten und zweckmäßigsten ist, vorbehaltlich der Zustimmung des Gemeinderats die weitere Ausarbeitung und Aus⸗ führung zu übertragen. Die Unterlagen sind vom Bürgermeisteramt veiler (Oberelsaß) gegen Einsendung von 2 zu eziehen. 8 8

8 Theater und Musik.

8 MNeues Schauspielhaus. „Das kleine Schokoladenmädchen“, Lustspiel in vi

Akten von Paul Gavault (deutsch von G. v. Schönrhan), Mg⸗ hielt am Sonnabend im Neuen Schauspielhause sein Publikum. Das kleine Schokoladen mädchen ist eine exzentrische Millionärstochter von der Art, wie sie häufiger auf der Bühne als im Leben anzutreffen sind. Sie will um ihrer selbst willen geliebt werden und glaubt einen untrüglichen Beweis für die Liebe darin zu erblicken, daß der Hea ihr möglichst grob begegnet, anstatt sie, wie alle Welt, zu ver⸗ hätscheln. Und sie findet wirklich einen solchen in Paul Normand, in dessen Landhaus sie infolge einer Automobilpanne mitten in der Nacht Obdach suchen muß. In den paar Stunden, die sie daselbst zubringt, stellt sie alles auf den Kopf, nötigt den Eigentümer, ihr sein

chlafzimmer abzutreten⸗ und beleidigt am andern Morgen den bureau⸗ kratisch verknöcherten Schwiegervater ihres Wirtes dermaßen, daß dieser die Verlobung rückgängig macht. Das ist dem guten Paul zu viel, und er überschüttet die Friedensstörerin mit Vorwürfen. Von diesem Augenblick an liebt sie ihn, und das Lustspiel steuert ziel⸗ bewußt, wenn auch auf einigen etwas länglichen Umwegen, der Ver⸗ einigung der beiden zu, wobei ein Paul Normand befreundeter Mater, der beim Beglücken anderer auch dafür sorgt, daß er selbst nicht zu kurz kommt, Vorsehung spielt. Eine flotte, humorvolle Darstellung unterstützte die Wirkung wesentlich und half auch glücklich über Stellen hinweg, die der Rotstift allzu nachsichtig verschont hatte. Die Titelrolle gab Fräulein Ida Wüst mit der ihr eigenen natürlichen, derb zupackenden Drolligkeit, den zuerst schüchternen und dann zornigen Liebhaber Paul Normand Herr Heinz Salfner, der damit einen erneuten Beweis seiner verheißungsvollen darstellerischen Begabung ablegte. Von saftigem Humor war Herr Siebert als schmarotzender Maler. In kleineren Rollen zeichneten sich die Damen Valetti, Altenhofer, Giebel, die Herren Ziegel, Burg, Lind, Former und Hartberg aus. Der Direktor Halm hatte das Lustspiel unter Mitwirkung des Malers Svend Gade mit Geschmack und Geschick in Szene gesetzt.

Residenztheater. „Pariser Menu“ betitelt sich eine geschickte Zusammenstellung von drei französischen Einaktern, die Richard Alexander am Sonnabend als 8 Karnevalsgabe erstmalig den Besuchern des Residenztheaters auftischte.

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ihr möglichstes taten, die drei „Gänge“ in schmackbafter Zubereitung zu bieten, sodaß das Publikum in die heiterste Stimmuün versetzt wurde, bedarf kaum der Erwähnung. Eine besonders eigenartige Idee liegt der ersten, von den Herren Veber und Abric verfaßten Groteske zugrunde, deren Handlung sich, wie der Titel besagt, „52 Mete über Paris“ abspielt. Wie ein Erfinder, der die Pariser Julisäule durch ein Lebensrettungsnetz für Selbstmörder gesichert hat, lange vergeblich nach einem geeigneten Objekt sucht, das sich von der Säule in die Tiefe stürzen soll, wie sich endlich der Lebensmüde gefunden hat und im letzten

in drastischster Form vorgeführt; besonders Ferw Sikla bot eine treff liche Leistung als Turmwärter. Als eine bei weitem feinere Arbeit erwies sich Georges Freydeaus „Eine Nachtsitzung“.

Die Enttäuschung eines auf Abenteuer ausziehenden Ehemanns, der nach einem fröhlichen Maskenball erst nach der Demaskierung erkennt, welcher 8

noch ein reicher Gewinn in

Gefordert wird Kenntnis der französi⸗ 1 Als

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sie hat auch mit

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Daß Alexander sowie die übrigen Darsteller der Hauptrollen wieder

Augenblick von seinem Vorhaben wieder 8 wird, wuͤrde 8